Hinweis- und Warnpflichten von Beratern

originally published: 21/11/2023 11:54, updated: 27/11/2023 18:41
Hinweis- und Warnpflichten von Beratern
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Die Rechtsprechung verschärft die Haftungsregeln für Berater, einschließlich Rechtsanwälte, hauptsächlich im Zusammenhang mit unterlassenen Warnungen vor Insolvenzgründen. Dies betrifft auch faktische Geschäftsleiter, die in den Schutzbereich des Mandatsvertrags einbezogen werden können. Berater müssen Geschäftsführer auf mögliche Insolvenzgründe hinweisen, wenn sie in Krisensituationen mandatiert werden. Die Haftung kann eingeschränkt werden, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Diese Entwicklungen betonen die steigenden Anforderungen an Berater und die Bedeutung der Kenntnis aktueller rechtlicher Vorgaben und Urteile, um Haftungsrisiken zu minimieren und Mandanten bestmöglich zu schützen.

Aktuelle Entwicklungen und ihre Auswirkungen

In der Rechtsprechung hat sich in den letzten Jahren eine Ausweitung der Pflichten von Beratern im Allgemeinen und Rechtsanwälten im Besonderen abgezeichnet. Dieser Trend zur Verschärfung von Haftungsregelungen betrifft insbesondere die unterlassenen Warnungen vor Insolvenzgründen und die damit verbundenen Sorgfaltspflichten. Im Januar 2017 verschärfte der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Haftung von Steuerberatern in Bezug auf solche unterlassenen Warnungen (IX ZR 285/14). Diese Entwicklung fand später auch auf andere Berufsgruppen Anwendung, darunter Anwälte und Sanierungsberater, wie das Oberlandesgericht Bamberg in ähnlicher Weise in seinem Urteil im Juli 2023 feststellte (2 U 38/22). Die maßgeblichen Urteile (IX ZR 285/14, 2 U 38/22, IX ZR 56/22), die sich meist stringent ergänzen, sind richtungsweisend für die Beratungspraxis in Fällen von Unternehmenskrisen.

Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Mandatsvertrages

Einbeziehung von (faktischen) Geschäftsleitern in den Schutzbereich des Mandatsvertrages: Die Rechtsprechung des BGH und des OLG Bamberg befasst sich mit dem Regress von (faktischen) Geschäftsführern gegenüber Beratern, obwohl diese Personen bei der Mandatierung nicht direkt Vertragspartner des Beraters sind. Die Entscheidungen des BGH und des OLG Bamberg führen dazu, dass Geschäftsführer in den Schutzbereich einer allgemeinen "expliziten Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund" einbezogen werden können. Dies geschieht aufgrund von § 64 Abs. 1 GmbHG a.F., da die Geschäftsführer in ähnlicher Weise wie die GmbH selbst mit der Frage der Insolvenzreife in Berührung kommen. Diese Erstreckung des Schutzes auf faktische Geschäftsführer setzt jedoch voraus, dass der Berater die Existenz dieser Personen erkennen kann. Die dogmatische Begründung dieser Schutzbereichserweiterung ist nachvollziehbar, wenngleich die Einbeziehung von faktischen Geschäftsführern in den Schutzbereich von Regeln, die für formelle Geschäftsführer geschaffen wurden, gewisse Fragen aufwirft.

Konkretisierung der Warnpflichten

Wenn ein Unternehmen einen Berater damit beauftragt, eine Krisensituation zu beurteilen oder zu bearbeiten, ergibt sich laut BGH eine enge Verbindung zwischen der Hauptleistung und den Pflichten zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement, wie sie in § 1 StaRUG zusammengefasst sind. Diese Pflichten treffen die Geschäftsleitung des Unternehmens. Tritt während der Mandatsbearbeitung die Notwendigkeit einer Warnung vor einem möglichen Insolvenzgrund auf, erstreckt sich diese Schutzpflicht auf den (faktischen) Geschäftsführer. Der Berater hat die Pflicht, den Geschäftsführer auf die Möglichkeit von Insolvenzgründen und die sich daraus ergebenden Handlungspflichten hinzuweisen.

Einschränkung der Pflichten

Eine Hinweis- und Warnpflicht besteht nur unter bestimmten Voraussetzungen. Der Berater muss den möglichen Insolvenzgrund kennen, er muss offensichtlich sein oder sich bei ordnungsgemäßer Mandatsbearbeitung aufdrängen. Die bloße Erkennbarkeit reicht nicht aus. Darüber hinaus muss der Berater Grund zur Annahme haben, dass der Geschäftsführer sich der möglichen Insolvenzgründe und der damit verbundenen Pflichten nicht bewusst ist. Die Hinweis- und Warnpflicht erfordert keine eigenständige Prüfung des Insolvenzgrundes.

Besonderheiten

Für Sanierungsbegutachtungen nach IDW S6-Standard, die von Unternehmensberatern erstellt werden, besteht eine besondere Verpflichtung. Diese Gutachter müssen in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen, die die verantwortlichen Personen zur Einleitung der erforderlichen Maßnahmen anhält. Dies ergibt sich aus den Regularien des IDW S6-Standards selbst, wie das OLG Bamberg richtigerweise feststellt (2 U 38/22).

Zusätzlich wurde für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in § 102 StaRUG festgelegt, dass sie eine Warnpflicht haben, soweit sie mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragt sind. Diese Warnpflicht betrifft eine Nebenpflicht, da die Hauptpflicht in der Erstellung des Jahresabschlusses besteht.

Fazit

Für beratend tätige Berufsgruppen wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater gilt nun, dass sie im Rahmen einer Mandatierung zur Beurteilung oder Bearbeitung einer wirtschaftlichen Krisensituation die Pflicht haben, auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hinzuweisen. Eine Beschränkung der Haftung ist nur unter bestimmten Grenzen möglich, wie vom OLG Bamberg aufgezeigt. 

Diese Entwicklungen unterstreichen die wachsenden Anforderungen an Berater und ihre Pflichten im Umgang mit Krisensituationen in Unternehmen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die aktuellen rechtlichen Vorgaben und Urteile zu beachten, um mögliche Haftungsrisiken zu minimieren und die Interessen der Mandanten bestmöglich zu schützen.
 

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BUNDESGERICHTSHOF


Urteil vom 26.01.2017 - IX ZR 285/14

 
Tenor


Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 14. November 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand


Die H. GmbH (fortan: Schuldnerin) beauftragte den beklagten Steuerberater im Jahr 2005, den Jahresabschluss für das Jahr 2003 zu erstellen. Hierzu übergab die Schuldnerin dem Beklagten unter anderem den Jahresabschluss für das Jahr 2002, der einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auswies. In den Folgejahren erteilte die Schuldnerin dem Beklagten jeweils erneut Einzelaufträge, die Jahresabschlüsse zu erstellen. Der Beklagte kam diesen Aufträgen nach. Das Stammkapital der Schuldnerin betrug anfänglich 25.564,59 €; im Jahr 2007 erfolgte eine Kapitalerhöhung auf 50.000 €.

Die vom Beklagten erstellten Jahresabschlüsse wiesen jeweils nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge auf:

Erstellung Abschluss Stichtag Verlust/Gewinn Fehlbetrag Mai 2005 31.12.2003 - 49.071,31 € 82.199,24 € 2006 31.12.2004 - 13.592,24 € 95.791,48 € 15. März 2007 31.12.2005 - 32.125,13 € 127.852,50 € 28. August 2007 31.12.2006 + 54.192,28 € 73.660,22 € 3. Januar 2009 31.12.2007 - 44.216,94 € 93.441,75 € 

In Anschreiben vom 20. April 2007 und 28. August 2007 wies der Beklagte darauf hin, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin verpflichtet sei, "regelmäßig die Zahlungsfähigkeit sowie die Vermögensverhältnisse der GmbH dahingehend zu überprüfen, ob die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist und dass keine Überschuldung vorliegt". Mit Schreiben vom 29. November 2007 wies er auf einen Rückgang der Umsatzerlöse im Vergleich zum Jahr 2006 um fast 50 v.H. bei gleichzeitig um 20 v.H. gestiegenem Personalaufwand hin. Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 übersandte er den vorläufigen Jahresabschluss für das Jahr 2007 und teilte mit, dass sich die Überschuldung durch den Jahresfehlbetrag weiter erhöht habe.

Am 2. Juli 2009 stellte die Schuldnerin Eigenantrag; das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen wurde am 15. Juli 2009 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger behauptet, die Schuldnerin habe über keine stillen Reserven verfügt und sei bereits seit 2002, jedenfalls aber Mitte 2005 bei Übernahme des ersten Auftrags durch den Beklagten insolvenzreif, nämlich überschuldet und aufgrund ihrer aus der Überschuldung folgenden Kreditunwürdigkeit zahlungsunfähig gewesen. Jedenfalls seit 2006 sei die Zahlungsfähigkeit zweifelhaft gewesen. Bereits im Mai 2005 will der Beklagte den Geschäftsführer auf das Problem der bilanziellen Überschuldung hingewiesen haben, worauf dieser ihm erklärt habe, das Problem sei bekannt, es sei eine Kapitalerhöhung geplant und er werde das Problem mit dem Gesellschafter besprechen.

Der Kläger beantragt - soweit noch von Interesse - festzustellen, dass der Beklagte sämtliche Schäden seit dem 30. Juni 2005 zu ersetzen habe, die durch eine verschleppte Insolvenzantragstellung bei der Schuldnerin entstanden seien. Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen, die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

A.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe keine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag verletzt. Der Beklagte habe ein allgemeines steuerrechtliches Mandat gehabt, indem er lediglich die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2007 angefertigt habe. Im Rahmen eines solchen Mandats bestehe keine Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer verpflichtet sei zu überprüfen, ob Insolvenzreife eingetreten sei, und gegebenenfalls einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies gelte auch für Einzelmandate.

Aus dem vom Beklagten in den Jahresabschlüssen für die Jahre 2005 bis 2007 aufgenommenen Hinweis, die entstandenen Bilanzierungs- und Bewertungsfragen seien mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin erörtert und einvernehmlich entschieden worden, lasse sich nicht entnehmen, dass der Beklagte eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen habe. Dem stehe weiter entgegen, dass der Beklagte jeweils zeitnah mit der Übersendung der Jahresabschlüsse den Geschäftsführer darauf hingewiesen habe, dass er eine Überprüfung der Insolvenzreife eigenverantwortlich vorzunehmen und gegebenenfalls Insolvenzantrag zu stellen habe.

B.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

I.

Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit ausgesprochen, dass eine Haftung des Steuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsschaden wegen eines unterlassenen Hinweises nur eintreten könne, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt sei. Der Steuerberater habe durch seine Aufgabe, Jahresabschlüsse zu fertigen, kein überlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende Überschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen Überschuldung (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 13). Es sei grundsätzlich nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist, und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen (BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO Rn. 15, 19; vom 6. Juni 2013, aaO Rn. 12). An dieser Rechtsprechung hält der Senat jedoch nicht uneingeschränkt fest.

II.

Im Streitfall kann der Beklagte die durch eine verschleppte Insolvenzantragstellung bei der Schuldnerin entstandenen Schäden zu ersetzen haben, sofern hierfür eine mangelhafte Erstellung der Bilanzen (§ 242 Abs. 1 HGB) ursächlich war (unter 1). Weiter kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht, weil der Beklagte es nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag des Klägers unterlassen hat, die Schuldnerin auf die sich aus dem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) ergebenden Risiken hinzuweisen, und nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass dies auf einen Insolvenzgrund hindeutet (unter 2).

1. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass der Beklagte nach § 280 Abs. 1, § 634 Nr. 4, § 675 Abs. 1 BGB haften kann, wenn er den Jahresabschlüssen - wie der Kläger behauptet - zu Unrecht Fortführungswerte zugrunde gelegt hat. Ein Steuerberater, der es übernimmt, einen handelsrechtlichen Jahresabschluss für einen Kaufmann oder eine Gesellschaft zu erstellen, schuldet einen Leistungserfolg (unter a). Er verletzt seine Pflichten aus dem ihm erteilten Auftrag, wenn der Jahresabschluss mangelhaft ist (unter b). Er ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er diese Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB; unter c).

a) Der Steuerberater haftet im Rahmen seines Mandats nach Werkvertragsrecht für Mängel bei der Erstellung des Jahresabschlusses.

aa) Der Auftrag einer Kapitalgesellschaft, einen nach §§ 242, 264 HGB erforderlichen Jahresabschluss zu erstellen, enthält stets eine werkvertragliche Verpflichtung mit Geschäftsbesorgungscharakter (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2000 - X ZR 198/97, WM 2000, 973 unter I.; vom 7. März 2002 - III ZR 12/01, WM 2002, 2248, 2249 f; Zugehör, WM 2013, 1965, 1966). Dies gilt jedenfalls, wenn der Steuerberater - wie im Streitfall - einen nur auf die Erstellung des Jahresabschlusses gerichteten Einzelauftrag erhält. Es kann daher offenbleiben, inwieweit Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt, wenn es sich beim zu erstellenden Jahresabschluss nur um eine Einzelleistung im Rahmen eines Dauermandats handelt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 63/05, WM 2006, 1411 Rn. 6 ff; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 zur Prüfung der Insolvenzreife). Denn bei der Erstellung eines Jahresabschlusses handelt es sich um einen fest umrissenen Leistungsgegenstand, nicht hingegen um eine allgemeine, laufende Beratungstätigkeit.

bb) Der Steuerberater, der den handelsrechtlichen Jahresabschluss für eine GmbH zu erstellen hat, soll nicht nur eine bestimmte Tätigkeit entfalten, auf deren Grundlage die Gesellschaft bestimmte Ziele erreichen oder ihre Geschäftstätigkeit ausrichten möchte. Vielmehr will die Gesellschaft mit einem solchen Auftrag stets die sie treffenden handelsrechtlichen Pflichten erfüllen und möchte deshalb einen entsprechenden Jahresabschluss als Ergebnis erhalten. Der Inhalt eines nach §§ 242, 264 HGB erforderlichen Jahresabschlusses wird dabei weitgehend durch die gesetzlichen Anforderungen und die eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten festgelegt.

b) Der Beklagte hat nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers die Jahresabschlüsse für die Schuldnerin pflichtwidrig auf der Grundlage von Fortführungswerten und damit mangelhaft erstellt.

aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 18. Februar 1987 (IVa ZR 232/85, GmbHR 1987, 463) ausgesprochen, dass ein Steuerberater zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, wenn die von ihm fehlerhaft erstellte Bilanz die bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ und deswegen der Konkursantrag wegen Überschuldung verspätet gestellt wurde. Auch im Urteil vom 7. März 2013 (IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 22) ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass ein Steuerberater wegen Schlechterfüllung des Auftrags zur Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses schadensersatzpflichtig ist. Zur Haftung führende Mängel weist ein Jahresabschluss jedoch nicht nur dann auf, wenn er die tatsächlich bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. Soweit sich aus früheren Entscheidungen des Senats (insbesondere BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 12 f) etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten.

bb) Mängel weist der Jahresabschluss auf, wenn er nicht der vereinbarten oder jedenfalls nicht der für Jahresabschlüsse nach der gewöhnlichen Verwendung üblichen Beschaffenheit entspricht (§ 633 BGB). Welche Beschaffenheit vertraglich geschuldet ist, richtet sich nach dem Umfang der Pflichten, die den Steuerberater nach dem Inhalt des ihm erteilten Auftrags bei der Erstellung eines Jahresabschlusses treffen. Er hängt von dem konkreten Mandat ab (BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 222/85, VersR 1987, 565 unter 1.; vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 14).

Der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragte Steuerberater schuldet grundsätzlich einen den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden, die Grenzen der zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten nicht überschreitenden und in diesem Sinne richtigen Jahresabschluss (vgl. Zugehör, WM 2013, 1965). Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist in einer Handelsbilanz bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Von diesen Grundsätzen darf gemäß § 252 Abs. 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB bestimmt schließlich, dass der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln hat. Angesichts der fachlichen Kompetenz des Steuerberaters erwartet der Mandant, dass der Steuerberater den Jahresabschluss entsprechend dem Inhalt der dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den sonst dem Steuerberater bekannten Umständen vollständig erstellt, Bewertungsfragen - im Zusammenwirken mit dem Mandanten - klärt und bei offenen Fragen über die damit zusammenhängende Problematik aufklärt und eine Entscheidung des Mandanten herbeiführt.

Allerdings ist der Steuerberater ohne besondere Vereinbarung nicht verpflichtet, von sich aus die für die Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Vielmehr hat der Steuerberater den Jahresabschluss lediglich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm bekannten Umstände zu erstellen. Nur in diesem Rahmen hat der Steuerberater zu prüfen, ob tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten bestehen, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Der Bilanzaufsteller bestätigt mit seiner Unterschrift unter den Jahresabschluss, dass ihm keine Umstände bekannt sind, die zu einer Abkehr von der Fortführungsvermutung zwingen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2483). Soweit danach Entscheidungen des Mandanten erforderlich sind oder Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden sollen oder Bewertungsprobleme zu lösen sind, hat der Steuerberater hierzu die Entscheidung des Mandanten einzuholen, sofern das Mandat nicht ausdrücklich bereits entsprechende Vorgaben enthält.

Weiter richtet sich nach dem erteilten Mandat, in welchem Umfang der Steuerberater die ihm für die Erstellung des Jahresabschlusses vorgelegten Unterlagen und Angaben des Mandanten inhaltlich zu überprüfen hat. Insoweit kann ein Auftrag erteilt werden, der nur eine Erstellung ohne Beurteilungen des Steuerberaters umfasst, ebenso aber Aufträge mit einer Plausibilitätsbeurteilung oder mit einer umfassenden Beurteilung. Jedoch ist der Jahresabschluss unabhängig vom Umfang der Prüfungspflicht des Steuerberaters stets mangelhaft, wenn er auf der Grundlage der dem Steuerberater übergebenen Unterlagen und Angaben des Unternehmers und der dem Steuerberater - etwa aus einem Dauermandat - bekannten Umstände den handelsrechtlich zulässigen Rahmen überschreitet, also handelsrechtliche Vorgaben verletzt.

cc) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszuschließen, dass die vom Beklagten erstellten Bilanzen pflichtwidrig mangelhaft waren. Der Kläger hat geltend gemacht, dass der Beklagte den von ihm erstellten Bilanzen Fortführungswerte zugrunde gelegt hat, obwohl dies nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr zulässig gewesen sei.

(1) Eine Haftung des Steuerberaters setzt zunächst voraus, dass eine Bilanzierung nach Fortführungswerten objektiv aus der Sicht ex ante ausschied. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass der Fortführung der Unternehmenstätigkeit tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB).

(a) Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich um eine Prognoseentscheidung des bilanzierenden Unternehmens handelt, weil darauf abzustellen ist, ob das Unternehmen seine Tätigkeit für einen überschaubaren Zeitraum voraussichtlich fortsetzen wird (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 20; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 11; KK-RLR/Claussen, § 252 Rn. 17 f; Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2483). Sie hat sich auf den handelsrechtlich gebotenen Zeitraum zu erstrecken, regelmäßig jedenfalls auf das auf den Abschlussstichtag folgende Geschäftsjahr (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, aaO; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, aaO; Groß, WPg 2004, 1357, 1371; Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1865; Lück, DB 2001, 1945, 1947; Schulze-Osterloh, DStR 2007, 1006, 1007; Semler/Goldschmidt, ZIP 2005, 3, 9; Kaiser, aaO S. 2484). Objektiv falsch ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten daher nur dann, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Prognoseentscheidung feststeht, dass die Unternehmenstätigkeit bis zum Ablauf des Prognosezeitraums aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eingestellt werden wird (Kaiser, aaO S. 2486; Eickes, DB 2015, 933, 934 f).

Die Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist nach dem Gesetz der zunächst zu unterstellende Regelfall; es spricht so lange eine Vermutung dafür, wie nicht Umstände sichtbar werden, welche die Fortführung unwahrscheinlich erscheinen lassen (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 18; Schulze-Osterloh, DStR 2007, 1006, 1007) oder zweifelsfreie Kenntnis von der Unmöglichkeit der Fortführung besteht (MünchKomm-HGB/Ballwieser, 3. Aufl. § 252 Rn. 9; Schulze-Osterloh, aaO). Art. 31 Abs. 1 lit. a Richtlinie 78/660/EWG vom 25. Juli 1978 (ABl. (EG) 1978 Nr. L 222/11; jetzt Art. 6 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013, ABl. L 182 vom 29. Juni 2013, S. 19), dessen Umsetzung § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB dient, bestimmt als allgemeinen Grundsatz für die Bewertung, dass eine Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit unterstellt wird. Daher ist selbst bei Zweifeln an der Überlebensfähigkeit des Unternehmens unter Fortführungsgesichtspunkten zu bilanzieren (Schulze-Osterloh, aaO). Die Fortführungsvermutung entfällt erst, wenn es objektiv fehlerhaft wäre, von der Aufrechterhaltung der Unternehmenstätigkeit auszugehen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2482). Die Umstände müssen ergeben, dass die Einstellung der Unternehmenstätigkeit unvermeidbar oder beabsichtigt ist (Groß/ Amen, DB 2005, 1861, 1867). Tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten müssen sich derart konkretisieren, dass die Unternehmenstätigkeit jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums eingestellt werden wird (Eickes, DB 2015, 933, 934 f). Eine Bewertung zu Liquidationswerten hat zu erfolgen, wenn feststeht, dass das Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden kann (KK-RLR/Claussen, § 252 Rn. 16).

(b) Solche tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten können nach dem Vortrag des Klägers im Streitfall vorliegen. Besteht für eine Kapitalgesellschaft - wie der Kläger dies für die Schuldnerin bereits für Mitte des Jahres 2005 behauptet - ein Insolvenzgrund, weil sie überschuldet oder zahlungsunfähig ist, liegen regelmäßig tatsächliche Gegebenheiten im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB vor, die der Regelvermutung einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen (Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 252 Rn. 7; Staub/Kleindiek, HGB, 5. Aufl. § 252 Rn. 13; Böcking/ Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. § 252 Rn. 17; Groß/ Amen, DB 2005, 1861, 1866; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Groß, WPg 2010, 119, 122 f; Kaiser, aaO S. 2487; Baumert, ZIP 2013, 1851, 1852 Fn. 14; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825). Jedoch bedingt ein vorliegender Insolvenzgrund nicht zwingend für den handelsrechtlichen Jahresabschluss eine Aufgabe des von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB bestimmten Fortführungsprinzips (Kreipl/Müller in Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl., § 252 Rn. 46; Hater, Insolvenzrechtliche Fortbestehungsprognose und handelsrechtliche Fortführungsprognose, S. 122 f; Kaiser, aaO S. 2486 f; Eickes, aaO S. 935). Hiervon geht auch § 155 InsO aus (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 172). § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB knüpft vielmehr an die Unternehmenstätigkeit als solche an; es geht darum, die im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände entsprechend ihrem tatsächlichen Verwendungszweck zutreffend zu bewerten (Kaiser, aaO S. 2480).

Liegt ein Insolvenzgrund vor, ist für die handelsrechtliche Bilanzierung entscheidend, ob eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erwarten oder damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, bereits im Eröffnungsverfahren (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO) oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird (§§ 157, 158 InsO). Abzustellen ist dabei darauf, ob die Unternehmenstätigkeit aufgrund der Insolvenzreife innerhalb des Prognosezeitraums eingestellt werden wird (Eickes, aaO). Daher kann trotz eines Insolvenzgrundes handelsrechtlich eine Bilanzierung nach Fortführungswerten zulässig sein, wenn ein glaubhafter Fortführungsinsolvenzplan vorliegt, eine übertragende Sanierung innerhalb des Prognosezeitraums angestrebt wird und möglich ist (Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1866; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Eickes, aaO S. 936; vgl. auch Hater, aaO S. 129 ff) oder anzunehmen ist, dass die Unternehmenstätigkeit auch nach einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums fortgeführt werden wird (vgl. Kaiser, aaO S. 2481; Eickes, aaO; Füchsl/Weishäupl/Jaffe in Münch-Komm-InsO, 3. Aufl., § 155 Rn. 6 f; Kübler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 155 Rn. 53, 57, 59).

Dies erfordert eine komplexe Prognose über die Gesamtsituation des Unternehmens (vgl. Staub/Kleindiek, HGB, 5. Aufl., § 252 Rn. 13; Kaiser, aaO S. 2480 ff). Wird in einem solchen Fall noch mit Fortführungswerten bilanziert, bedarf dies mithin der konkreten Begründung im Einzelfall. Allein die Tatsache, dass das Unternehmen trotz eines bereits vorliegenden Insolvenzgrundes weiter tätig ist, rechtfertigt es nicht, bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen. Die aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben allein genügt auch bei rückblickender Betrachtung nicht zum Nachweis einer künftigen Unternehmensfortführung (vgl. Hater, aaO S. 93). Für die Prognose, ob die aufgrund eines bestehenden Insolvenzgrundes und einer etwa bestehenden Antragspflicht (§ 15a InsO) zu erwartende Insolvenzeröffnung zur Einstellung der Unternehmenstätigkeit führen wird, kommt es vielmehr darauf an, wie das Unternehmen zum Zeitpunkt des Eintritts des Insolvenzgrundes steht. Wenn das Unternehmen in der Vergangenheit keine Gewinne erwirtschaftet hat, nicht leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und eine bilanzielle Überschuldung droht oder sogar schon eingetreten ist, besteht angesichts der daraus folgenden Insolvenzgefährdung zunächst keine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich das Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens fortführen lässt (Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1866). Dann erfordert das Insolvenzrecht die Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose, deren Ergebnis in die bilanzielle Fortführungsprognose einzubeziehen ist (Groß/Amen aaO; Groß, WPg 2010, 119, 123).

(2) Die Haftung des Steuerberaters setzt weiter voraus, dass der Steuerberater die falsche Bilanzierung nach Fortführungswerten nach Umfang und Inhalt des erteilten Auftrags auch zu verantworten hat. Ein Steuerberater haftet nicht für jeden objektiv zu Unrecht auf der Grundlage von Fortführungswerten erstellten Jahresabschluss. Er darf jedoch dem von ihm erstellten Jahresabschluss keine Fortführungswerte zugrunde legen, wenn auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entweder widerlegt erscheint oder ernsthafte Zweifel bestehen, die nicht ausgeräumt werden. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter zu entscheiden.

(a) Ergeben sich aus den dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den sonst dem Steuerberater bekannten Umständen keine Anhaltspunkte für Zweifel an einer Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit, handelt der Steuerberater pflichtgemäß, der entsprechend der gesetzlichen Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgeht. Dies trifft insbesondere dann ohne weiteres zu, wenn die Gesellschaft in der Vergangenheit nachhaltige Gewinne erzielt hat, leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und keine bilanzielle Überschuldung droht (implizite Fortbestehensprognose, Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 10; Hater, aaO S. 79 ff; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262, 263; Groß, WPg 2010, 119, 129; Ehlers, NZI 2011, 161, 164; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825).

(b) Steht umgekehrt bereits auf der Grundlage der dem Steuerberater für die Erstellung des Jahresabschlusses zur Verfügung gestellten Unterlagen und der ihm bekannten Umstände fest, dass die Fortführungsvermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr zutrifft, ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten mangelhaft. Der Steuerberater muss bei pflichtgemäßem Verhalten aus den ihm zur Verfügung stehenden Informationen die sichere Überzeugung gewinnen können, dass die Unternehmenstätigkeit - etwa aufgrund einer erkannten Insolvenzreife - nicht fortgeführt werden wird.

(c) Weiter ist die - zu Unrecht Fortführungswerte zugrunde legende - Leistung des Steuerberaters aber auch dann mangelhaft, wenn aus den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und den ihm bekannten Umständen tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten folgen, die einer Bilanzierung nach Fortführungswerten entgegenstehen können, und der Steuerberater es unterlassen hat, vom Mandanten abklären zu lassen, ob gleichwohl noch Fortführungswerte zugrunde gelegt werden können. Entscheidend ist, ob der Steuerberater bereits aufgrund der im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses erlangten oder sonst bei ihm vorhandenen Kenntnisse von Umständen weiß oder wissen müsste, die ihrer Art und ihrer Bedeutung nach geeignet sind, als tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten der Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit entgegen zu stehen.

(aa) Die tatsächlichen Gegebenheiten, welche die Unternehmensfortführung verhindern können, sind hauptsächlich wirtschaftliche Schwierigkeiten (Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. § 252 Rn. 17; Staub/Kleindiek, aaO, HGB, 5. Aufl., § 252, Rn. 13; MünchKomm-HGB/ Ballwieser, 3. Aufl., § 252 Rn. 11; Kreipl/Müller in Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl., § 252 Rn. 41; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262). Sobald Hinweise auf entsprechende Umstände vorliegen, ist die Fortführungsfähigkeit näher zu überprüfen (Staub/Kleindiek, aaO Rn. 11; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 Rn. 10). Insbesondere ist auf Anzeichen zu achten, die einen Insolvenzgrund darstellen können, vor allem solche, die die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gefährden können.

Dies kommt etwa in Betracht, wenn das Unternehmen erhebliche Verluste erwirtschaftet, eine zu geringe Eigenkapitalausstattung aufweist oder in Liquiditätsschwierigkeiten gerät (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 24; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825). Ein weiteres Indiz ist die bilanzielle Überschuldung. Zwar ist diese allein kein Insolvenzgrund (BGH, Beschluss vom 8. März 2012 - IX ZR 102/11, WM 2012, 665 Rn. 5 mwN); jedoch kann eine bilanzielle Überschuldung ein Indiz für von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB verlangte tatsächlichen Gegebenheiten darstellen und Anlass geben, eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2005 - II ZR 138/03, WM 2005, 848, 849 unter II.1.; vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, WM 2009, 1145 Rn. 9; vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 16; vom 19. November 2013 - II ZR 229/11, WM 2014, 167 Rn. 17). Im Streitfall bestanden solche Indizien. So lag unstreitig eine bilanzielle Überschuldung vor. Außerdem wies die Schuldnerin wiederholt Verluste auf, die zu einem Verlust des Eigenkapitals und zu einem ständig steigenden, nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) führten.

Handelt es sich nach den Umständen des Falles um ernsthafte Indizien, die eine Unternehmensfortführung zweifelhaft erscheinen lassen, darf ein Jahresabschluss nur dann unbesehen auf der Grundlage der Fortführungswerte erstellt werden, wenn anhand konkreter Umstände feststeht, dass diese belastenden Indizien einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit jedenfalls nicht entgegenstehen. Andernfalls haben die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft eingehende Untersuchungen durchzuführen und dabei anhand aktueller, hinreichend detaillierter und konkretisierter interner Planungsunterlagen zu analysieren, ob weiterhin von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist (explizite Fortführungsprognose, Winkeljohann/Büssow in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 10; vgl. Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262, 264; Groß, WPg 2010, 119, 130).

(bb) Erkennt der Steuerberater Umstände, die geeignet sind, die implizite Fortbestehensprognose des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB in Frage zu stellen, oder hätte er bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses solche Umstände erkennen müssen, muss er entweder klären, ob diese Umstände tatsächlich vorliegen oder tatsächlich nicht geeignet sind, die Fortführungsprognose in Frage zu stellen, oder er muss dafür Sorge tragen, dass die Gesellschaft eine explizite Fortführungsprognose erstellt. Übergibt die Gesellschaft dem Steuerberater eine explizite Fortführungsprognose, darf der Steuerberater diese - wenn sie nicht evident untauglich ist - bei der Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde legen. Legt der Mandant nicht von sich aus ein Ergebnis einer Prüfung der Fortführungsaussichten vor, muss dies der Steuerberater anmahnen, wenn er das Risiko einer mangelhaften - weil zu Unrecht mit Fortführungswerten aufgestellten - Bilanz ausschließen möchte. Hingegen darf er sich nicht auf bloße Aussagen der Geschäftsführer oder der Gesellschaft ohne sachlichen Gehalt verlassen. Er ist zwar nicht verpflichtet, die notwendigen Überprüfungen ohne gesonderten Auftrag selbst zu veranlassen oder durchzuführen. Er muss jedoch dafür Sorge tragen, dass der Mandant die gegen einen Ansatz von Fortführungswerten bestehenden Bedenken ausräumt, und daher die vom Mandanten abgegebenen Erklärungen daraufhin überprüfen, ob sie stichhaltig sind und Substanz aufweisen.

Die Behauptung des Beklagten, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe ihm versichert, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt und man überlege Kapitalerhöhungen, ist nicht geeignet, den Beklagten von der Haftung für einen fehlerhaften Jahresabschluss zu entlasten. Denn sie enthält nur eine vage Ankündigung ohne konkreten sachlichen Gehalt; eine solche Ankündigung vermag die aus einer bilanziellen Überschuldung folgenden Probleme für eine handelsrechtliche Fortführungsprognose nicht zu beseitigen.

(cc) Trotz dem Steuerberater erkennbarer Zweifel an der Fortführungsvermutung ist der von ihm erstellte Jahresabschluss jedoch mangelfrei, wenn der Steuerberater die Gesellschaft auf die konkreten Umstände hingewiesen hat, deretwegen keine ausreichende Grundlage vorhanden war, um ungeprüft Fortführungswerte nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zugrunde legen zu können, die Gesellschaft ihn aber ausdrücklich angewiesen hat, gleichwohl die handelsrechtliche Bilanz mit Fortführungswerten zu erstellen. Beruht der Mangel eines Werks auf Anweisungen oder verbindlichen Vorgaben des Bestellers, entfällt die Haftung für Mängel, sofern der Unternehmer die erforderlichen Prüfungen durchgeführt und die notwendigen Hinweise gegeben hat (Palandt/ Sprau, BGB, 76. Aufl., § 633 Rn. 4; BGH, Urteil vom 29. September 2011 - VII ZR 87/11, NJW 2011, 3780 Rn. 14 mwN; vgl. auch § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die - vom Steuerberater zu beweisenden - Hinweise müssen sowohl die bestehenden Zweifel an der Fortführungsprognose als auch die notwendige Überprüfung genau und im Einzelfall aufzeigen. Die vom Mandanten erteilte Anweisung hat der Steuerberater sodann in dem von ihm erstellten Entwurf eines Jahresabschlusses zu dokumentieren.

Der vom Beklagten nach seiner Behauptung erteilte allgemeine Hinweis, dass eine bilanzielle Überschuldung vorliegt, entlastet den Steuerberater jedoch nicht. Gleiches gilt für die Hinweise auf eine generelle Prüfungspflicht in den Schreiben vom 20. April und 28. August 2007. Der Steuerberater muss den Mandanten vielmehr klar und deutlich darauf hinweisen, dass er die handelsrechtliche Bilanz nur dann nach Fortführungswerten erstellen kann, wenn hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Sofern - was revisionsrechtlich zu unterstellen ist - die im Streitfall bestehenden Indizien ernsthafte Zweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeit begründeten, hätte der Beklagte dem Mandanten zu erläutern gehabt, welche Anforderungen § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB an die Bilanzierung nach Fortführungswerten stellt und dass im Streitfall aufgrund einer bilanziellen Überschuldung und den wiederholten Verlusten konkrete Zweifel an einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit bestanden und deshalb eine explizite Fortführungsprognose erforderlich sei.

(3) Hingegen ist der Steuerberater, der beauftragt ist, den Jahresabschluss zu erstellen, ohne einen ausdrücklich hierauf gerichteten Auftrag nicht verpflichtet, über die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und die ihm sonst bekannten Umstände hinaus umfassend Nachforschungen oder Untersuchungen anzustellen, ob die gesetzliche Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB tatsächlich gerechtfertigt ist, oder von sich aus nach möglichen Insolvenzgründen zu forschen. Ihn trifft auch keine allgemeine Untersuchungspflicht hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft. Daher haftet der Steuerberater für einen objektiv fehlerhaften Jahresabschluss nicht schon dann, wenn er bei einer entsprechenden Nachforschung oder einer entsprechenden Untersuchung der wirtschaftlichen Verhältnisse hätte erkennen können, dass die Gesellschaft insolvenzreif war.

c) Das für eine Schadensersatzhaftung bei Mängeln der Werkleistung erforderliche Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Steuerberater muss sich mithin entlasten.

d) Die Kausalität der fehlerhaften Bilanz für den geltend gemachten Insolvenzverschleppungsschaden, insbesondere also den unterlassenen Insolvenzantrag muss der Insolvenzverwalter beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 19 ff).

2. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt zudem eine Haftung des Beklagten aus § 280 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht in Betracht. Auch wenn der vom Steuerberater erstellte Jahresabschluss mangelfrei war, können den mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragten Steuerberater Hinweis- und Warnpflichten treffen.

a) Eine Hinweispflicht des Steuerberaters besteht auch außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 14 mwN; Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 20). Dies gilt insbesondere, wenn die Gefahr Interessen des Auftraggebers betrifft, die mit dem beschränkten Auftragsgegenstand in engem Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2248; vom 18. Dezember 2008, aaO; Vill aaO).

aa) Diese Voraussetzungen können bei einem Steuerberater erfüllt sein, der beauftragt ist, einen Jahresabschluss zu erstellen. Trotz inhaltlich richtiger Bilanz können zugunsten des Mandanten Hinweis- und Warnpflichten bestehen, wenn der Steuerberater einen Insolvenzgrund erkennt oder für ihn ernsthafte Anhaltpunkte für einen möglichen Insolvenzgrund offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Solche Anhaltspunkte können für den Steuerberater etwa dann offenkundig sein, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen. Dies kommt weiter in Betracht, wenn für den Steuerberater offenkundig ist, dass die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfügt. Maßgeblich für die Frage, ob eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters besteht, sind dabei nur die von ihm für den zu erstellenden Jahresabschluss zu prüfenden Umstände.

Der Steuerberater muss im Hinblick auf § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ohnehin anhand der ihm zur Verfügung gestellten Informationen und der ihm sonst - etwa auch aus einem Dauermandat - bekannten Umstände prüfen, ob sich daraus ernsthafte Hinweise auf einen möglichen Insolvenzgrund ergeben, die als tatsächliche Gegebenheiten Zweifel an der Fortführungsprognose wecken (vgl. Zugehör, WM 2013, 1965, 1969 ff; Vill aaO § 2 Rn. 23). Insbesondere ist der Steuerberater verpflichtet, die Mandantin über rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten zu unterrichten, die er im Zuge der Erstellung der Jahresbilanz erkennen muss und die der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entgegenstehen können. Da § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auf die Tätigkeit des Unternehmens abstellt und im Unterschied dazu §§ 17 ff InsO Handlungspflichten für den Unternehmensträger bestimmen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2480 f; Eickes, Zum Grundsatz der Unternehmensfortführung in der Insolvenz, S. 116), liegt es für den Steuerberater und den Mandanten nahe, dass der Steuerberater auf solche sich bei der Prüfung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ergebende offenkundige Umstände hinweist, die für den Mandanten Handlungspflichten nach den §§ 17 ff InsO begründen können.

Hingegen ist der Steuerberater nicht zu weitergehenden Überprüfungen verpflichtet. Erst recht ist der Steuerberater nicht verpflichtet, von sich aus eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen. Vielmehr hat der Geschäftsführer - wenn ihm die entsprechenden Indizien genannt werden - die erforderlichen Überprüfungen selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11).

bb) Im Streitfall können nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers solche für den Beklagten offenkundige Umstände vorliegen. Bereits der dem Beklagten mit der erstmaligen Auftragserteilung bekannte Jahresabschluss für das Jahr 2002 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auf. Der jeweilige Fehlbetrag stieg in allen vom Beklagten erstellten Jahresabschlüssen mit Ausnahme des Jahresabschlusses für das Jahr 2006 stets an. Zudem hat der Kläger behauptet, dass die Schuldnerin bereits bei Beauftragung des Beklagten über keine stillen Reserven verfügt habe.

Auf dieser Grundlage hat der Beklagte einer etwaigen Hinweis- und Warnpflicht nicht mit seinen im Rechtsstreit vorgelegten Schreiben genügt. Das Schreiben vom 20. April 2007 enthält keinen ausreichenden Hinweis auf einen möglichen Insolvenzgrund, weil der Beklagte darin nur abstrakt die Prüfungspflichten eines Geschäftsführers wiedergibt. Erforderlich ist aber, dass der Steuerberater die maßgeblichen Umstände gegenüber seinem Mandanten im Einzelnen bezeichnet und ihn konkret darauf hinweist, dass diese Umstände Anlass zu einer Prüfung einer möglichen Insolvenzreife geben. Soweit der Beklagte im Schreiben vom 28. August 2007 zusätzlich auf den im Jahresabschluss für das Jahr 2006 enthaltenen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.660,22 €, die daraus folgende Überschuldung der Gesellschaft, die in den Vorjahren bestehende vergleichbare Situation und die daraus folgenden Prüfungs- und Handlungspflichten des Geschäftsführers insbesondere hinsichtlich einer Insolvenzantragspflicht hinweist, ist dies grundsätzlich geeignet, eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Hinweis- und Warnpflicht zu erfüllen. Dies setzt jedoch voraus, dass eine solche Hinweis- und Warnpflicht - was nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers möglich ist - nicht schon deutlich früher bestand.

cc) Die Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters hinsichtlich der Umstände, die auf einen Insolvenzgrund hinweisen, setzt weiter voraus, dass der Steuerberater Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist. Daran fehlt es, wenn der Steuerberater davon ausgehen darf, dass sein Mandant sich der Umstände, die auf einen Insolvenzgrund hinweisen, bewusst ist und in der Lage ist, die tatsächliche und rechtliche Bedeutung dieser Umstände einzuschätzen. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer der Gesellschaft über das konkrete tatsächliche und rechtliche Wissen verfügt, um sich veranlasst zu fühlen zu überprüfen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Hierzu kann es genügen, wenn - wie der Beklagte behauptet hat - die Schuldnerin ihm gegenüber erklärt hat, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt.

b) Soweit der Senat ausgesprochen hat, dass die Unterbilanz für den Geschäftsführer ohne weiteres ersichtlich ist und deshalb keine Hinweispflichten des Steuerberaters auf einen möglichen Insolvenzgrund bestehen (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19), wird daran nicht festgehalten.

c) Erfüllt der Steuerberater diese Hinweispflicht nicht, kommt eine Haftung für einen Insolvenzverschleppungsschaden in Betracht, wenn die Gesellschaft tatsächlich früher Insolvenz angemeldet hätte, sofern ihr die mit den (wiederholten) Jahresfehlbeträgen verbundenen Risiken aufgezeigt worden wären.

C.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht nicht nur zu klären haben wird, ob der Beklagte seine Pflichten verletzt hat. Vielmehr wird auch zu klären sein, inwieweit eine etwaige Pflichtverletzung für einen unterbliebenen Insolvenzantrag ursächlich gewesen ist. Zudem wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, inwieweit ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 29 ff).

OBERLANDESGERICHT BAMBERG

Urteil vom 31. Juli 2023 - 2 U 38/22

 

Tenor


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 19.07.2022, Az. 61 O 16/19, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 211.107,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2019 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zwischen den Parteien aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 425.214,34 € festgesetzt.

 

Entscheidungsgründe


I.

Die Parteien streiten über Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem  Sanierungsberatervertrag.

1. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH (im Folgenden B).  Diese gehörte zusammen mit der X GmbH und der Y GmbH zur X-Firmengruppe (nachfolgend X). Geschäftsführer der B war Herr H.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH (nachfolgend D). Diese beriet kleine und mittlere Unternehmen in Krisensituationen.

Im Frühjahr 2013 befand sich die X in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Initiative eines Kreditgebers (U Bank AG, vormals V Bank AG, nachfolgend bezeichnet als V) sollten die wirtschaftlichen Fortführungsmöglichkeiten der X durch eine externe Begutachtung festgestellt werden. Hierzu legte die D am 25.04.2013 zunächst eine „Projektskizze“ vor (Anlage K2) betreffend die Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012). Auf der letzten Seite der Projektskizze befindet sich unmittelbar über den Unterschriften folgende Bestimmung:

„Die D erbringt keine Rechts- oder Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsleistungen. Sie wird alles unternehmen, um die beschriebenen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen und haftet für vorsätzliche und grobe Fahrlässigkeit ihrer Berater für Vermögensschäden bis zu einer Höhe von 1 Mio. EUR. Die D verpflichtet sich, alle Informationen über den Auftraggeber und dessen Unternehmen, von denen die Berater im Rahmen des Projekts Kenntnis erhalten, streng vertraulich zu behandeln.“

Die B beauftragte die D daraufhin am 06.05.2013 mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens entsprechend dem in der Projektskizze vom 25.04.2013 beschriebenen Auftragsumfang. Durch die Gutachterin wurde am 06.06.2013 eine Fortbestehensprognose bereitgestellt und am 29.07.2013 eine abschließende Fortführungsprognose für die X vorgelegt (Anlage K 3). In dieser kam die D zu dem Ergebnis, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit aufgrund einer Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € nur durch Sanierungsbeiträge der wirtschaftlich an der X Beteiligten verhindert werden könne. Dabei handelte es sich in erster Linie um die VM GmbH (nachfolgend VM) mit ihrem Geschäftsführer Herrn O und die V als Kreditgeber. In Verbindung mit weiteren empfohlenen Umstrukturierungsmaßnahmen kam die D zu dem Schluss, dass bei entsprechender Prolongation und Ausweitung des Engagements der Stakeholder eine positive Fortführungsprognose für die X gestellt werden konnte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 29.07.2013 verwiesen.

Nachdem trotz längerer Verhandlungen eine Einigung über die Verlängerung bzw. Ausweitung der Engagements der VM und der V bis Ende Februar 2014 nicht erreicht werden konnte, wurde aufgrund Eigenantrags der B vom 13.03.2014 mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Neubrandenburg vom 16.04.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögend der B eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit nicht datiertem schriftlichem Vertrag (Anlage K4) trat der Geschäftsführer der B sämtliche Freistellungs-, Regress- und sonstigen Ansprüche gegen die D, die ihm gegen diese aufgrund seiner insolvenzrechtlichen Inanspruchnahme als Geschäftsführer zustehen, an den Kläger ab. Diese Ansprüche aus abgetretenem Recht bilden den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

2. Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Geschäftsführer H gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. zum Ersatz masseschmälernder Zahlungen verpflichtet sei, welche die B in den Monaten Januar und Februar 2014 geleistet habe, da die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Aus den vorgelegten Zahlungseingängen und Kontoauszügen der B für diesen Zeitraum (Anlage K5, K6) ergebe sich, dass auf einem stets im Soll geführten Debetkonto der Gesellschaft Zahlungsgutschriften in Höhe von 422.214,34 Euro eingegangen seien, die dann sofort im Kontokorrent verrechnet worden seien. Tatsächlich sei die Zahlungsunfähigkeit der B bereits seit dem 01.11.2009 gegeben gewesen. Dem Geschäftsführer H stehe ein Anspruch auf Haftungsfreistellung gegen die D aus dem Sanierungsberatungsvertrag vom 06.05.2013 zu. Die D habe es versäumt, auf die Insolvenzreife der B hinzuweisen, obwohl sie hierzu bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard verpflichtet gewesen sei. Der Vertrag über das Sanierungsgutachten entfalte Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers, da er über § 64 GmbHG a.F. von der zu prüfenden Insolvenzreife in gleicher Weise betroffen sei wie die Gesellschaft selbst. Dieses sei der D auch bekannt gewesen. Hätte die D den Geschäftsführer H auf die Zahlungsunfähigkeit der B und damit den Eintritt der Insolvenzreife hingewiesen, hätte dieser umgehend einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft gestellt, so dass kein weiterer Schaden entstanden wäre. Eine etwaige Untätigkeit des Geschäftsführers trotz von ihm erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit der B stehe einer Haftung der D nicht entgegen, da sich verschiedene Verursachungsbeiträge nicht gegenseitig ausschlössen. Auch scheide insoweit ein zu berücksichtigendes Mitverschulden des Geschäftsführers aus, da dieser bei Fortführung der Geschäfte lediglich der Empfehlung der D als Gutachterin mit überlegener Sachkenntnis gefolgt sei. Die in der Projektskizze vom 25.04.2013 enthaltene Haftungsbeschränkung zugunsten der D sei unwirksam. Dies ergebe sich zumindest aus der unzulässigen Freizeichnung von der Erfüllung zentraler vertraglicher Pflichten, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 422.214,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die D bei der Erstellung des Sanierungsgutachtens keine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Eine Insolvenzreife habe zum Zeitpunkt der Erstellung der Fortführungsprognose nicht vorgelegen, auf die drohende Zahlungsunfähigkeit und den hohen Liquiditätsbedarf sei deutlich hingewiesen worden. Zudem sei bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard keine Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens geschuldet. Es sei bereits in der Projektskizze darauf hingewiesen worden, dass die D keine Rechtsberatungsleistungen erbringe. Diese habe die D als reine Unternehmensberatungsgesellschaft auch rechtlich nicht erbringen dürfen. Der Sanierungsberatungsvertrag entfalte ferner keine Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers. Der Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, dass es jedenfalls am Kausalzusammenhang zwischen einem möglichen Beratungsfehler der D in Verbindung mit der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 und einem erst ab Januar 2014 vermeintlich eingetretenen Schaden fehle. Ein zeitlicher Zusammenhang sei nicht erkennbar. Überdies träfen den Geschäftsführer eigenständig Prüfungspflichten hinsichtlich der finanziellen Situation der Gesellschaft. Der Geschäftsführer H habe jedoch trotz auch von der D vermittelter Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Schritte zur – von der D nicht geschuldeten – Prüfung der Insolvenzreife unternommen. Ihn treffe daher zumindest ein anspruchsausschließendes Mitverschulden. Die entsprechend der Projektskizze vereinbarte Haftungsbeschränkung der D sei wirksam.

3. Mit am 19.07.2022 verkündetem Endurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einer Einbeziehung des Geschäftsführers H in den Schutzbereich des zwischen der D und der B geschlossenen Beratungsvertrages fehle. Die vertraglich geschuldete Fortbestehens- und Fortführungsprognose habe allein den wirtschaftlichen Interessen der B gedient. Eine weitergehende Beratungspflicht in insolvenzrechtlichen Fragen sowie hinsichtlich Handlungsoptionen des Geschäftsführers habe nicht bestanden. Insoweit träfen den Geschäftsführer eigene originäre Pflichten. Die D habe zudem als reine Sanierungsberaterin keine Hinweise auf eine etwaige Insolvenzantragspflicht oder eine mögliche Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG a.F. geben dürfen, da dies eine unzulässige Rechtsberatung nach § 3 RDG dargestellt hätte. In der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 sei die Zahlungsunfähigkeit überdies thematisiert worden, so dass eine Pflichtverletzung der D nicht erkennbar sei. Nachdem der Geschäftsführer zur eigenständigen Prüfung der Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet sei, fehle es an dem erforderlichen Kausal- und Zurechnungszusammenhang der behaupteten Pflichtverletzung. Einen Schadenseintritt habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

4. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Landgericht habe nach seiner Auffassung die Pflichten des Sanierungsgutachters bei der Beauftragung einer Leistung nach dem IDW S6 Standard verkannt. Geschuldet sei danach der Hinweis auf eine eingetretene Überschuldung und Insolvenzreife. Dieses stelle als zulässige Nebendienstleistung nach § 5 RDG keine unerlaubte Rechtsberatung dar. Ein Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht sei durch die D unstreitig nicht erfolgt. Die Fortführungsprognose vom 29.07.2013 habe keine ernsthaften Zweifel an der Sanierungsfähigkeit der B aufkommen lassen, was bei tatsächlich bestehender Insolvenzreife eine Pflichtverletzung darstelle. Der Geschäftsführer der D habe in einer Zeugenaussage in einem Parallelverfahren (92 O 5/19 LG Würzburg) erklärt, dass während der Tätigkeit der D stets von Zahlungsfähigkeit ausgegangen worden sei, da andernfalls die Gutachtertätigkeit sofort hätte beendet werden müssen. Die Einbeziehung des Geschäftsführers der sanierungsbedürftigen Gesellschaft sei für die Fälle des Sanierungsberatungsvertrags nach IDW S6 Standard in der Rechtsprechung anerkannt. Die Kausalität der Pflichtverletzung der D für den eingetretenen Schaden werde durch eine eventuelle eigene Pflichtverletzung des Geschäftsführers H nicht ausgeschlossen. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers sei zudem nicht anspruchsausschließend oder kürzend zu berücksichtigen. Dieser habe darauf vertraut, dass aufgrund der positiven Fortführungsprognose durch den Sanierungsberater keine Insolvenzantragspflicht bestanden habe. Aufgrund der fehlenden persönlichen Fachkenntnisse des Geschäftsführers in insolvenzrechtlichen Belangen bei überlegener Sachkunde des Sanierungsberaters trete ein etwaiges Mitverschulden zurück, sei aber allenfalls mit 20% anzusetzen. Die von der D verwendete Haftungsbeschränkung sei nach AGB-Grundsätzen unwirksam.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des LG Würzburg, das auf den 12.07.2022 datiert, zum Az. 61 O 16/19 wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 422.214,34 € nebst Zinsen hieraus iHv fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Hilfsweise wird beantragt, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Weiterhin beantragt er, dem Beklagten für den Fall der Stattgabe der Berufung im Urteil vorzubehalten, den abgetretenen Gegenanspruch des Geschäftsführers H, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die begünstigte Gesellschaftsgläuberin im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an den Beklagten abzutreten.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Das Landgericht habe zu Recht die Voraussetzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hinsichtlich des Geschäftsführers der B verneint. Im auf der Projektskizze vom 27.04.2013 beruhenden Beratungsvertrag zwischen der D und der B seien Rechtsberatungs- und Wirtschaftsprüferleistungen ausdrücklich ausgeschlossen worden. Es sei daher kein Hinweis auf eine Insolvenzantragspflicht geschuldet gewesen. Die Leistungen der D sollten lediglich in Anlehnung an den IDW S6 Standard erbracht werden. Dieser habe rechtlich keine bindende Wirkung. Nachdem jedoch das Leistungsspektrum des Beratungsvertrags bereits zwischen den Vertragsparteien abschließend vereinbart worden sei, komme eine ergänzende Heranziehung der Leistungsbestimmung nach IDW S6 nicht in Betracht. Dieses entspreche der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17) wie auch einem Hinweisbeschluss des 4. Senats des OLG Bamberg vom 16.12.2022 (Az. 4 U 179/22). Die D habe zudem ihre vertraglichen Pflichten nicht verletzt, da in dem Gutachten vom 29.07.2013 mit hinreichender Deutlichkeit auf eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden sei. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei auch den Vertretern der X bekannt gewesen. So habe der Geschäftsführer K der Y GmbH in seiner Vernehmung in einem Parallelverfahren (Anlage BK1) angegeben, dass mit den von der D vorgeschlagenen Maßnahmen die Deckungslücke von 1,3 Mio € und damit der Grund der Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden sollte. Auch sei dem Zeugen die dreiwöchige Frist zur Insolvenzantragsstellung gemäß § 15a InsO bekannt gewesen. In einem Verfahren des Klägers gegen die D sei mit Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18) festgestellt worden, dass die Verantwortlichen der X-Gruppe bereits seit Juli 2013 Zahlungen in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit erbrachten. Aus diesem Grund könne der D nicht ein erst ab Januar 2014 eingetretener Schaden aufgrund der vom Geschäftsführer pflichtwidrig unterlassenen Insolvenzantragsstellung zugerechnet werden. Jedenfalls liege aber ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Geschäftsführers vor, da diesem im Januar 2014 bekannt war, dass die im Gutachten vom 29.07.2013 vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen noch nicht umgesetzt worden waren. Im Übrigen sei der vereinbarte Haftungsausschluss wirksam. Insbesondere habe die D nicht unzulässig ihre Haftung für verletzte Hauptleistungspflichten ausgeschlossen, da ein Hinweis auf eingetretene Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzreife vertraglich nicht geschuldet gewesen sei.

Der Senat hat mit Beschluss vom 22.02.2023 die Parteien auf verschiedene rechtlich erhebliche Gesichtspunkte hingewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen (Bl. 187 d.A.). Weiterhin ist Beweis erhoben worden durch zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers der B im Termin vom 17.07.2023. Hinsichtlich der Angaben des Zeugen H wird auf das Protokoll des Termins verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht unter Berücksichtigung eines anspruchskürzenden Mitverschuldens des Geschäftsführers der B von 50% ein Zahlungsanspruch in Höhe von 211.107,17 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB zu.

1. Mit dem zwischen der B und der D mit Auftragserteilung vom 06.05.2013 geschlossenen Sanierungsberatungsvertrag wurde das vollständige Leistungsspektrum nach dem Standard IDW S6 beauftragt. Eine hiervon abweichende und abschließende Vereinbarung durch die D zu erbringender Leistungen besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die D daher auch verpflichtet, die B in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet war, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen Maßnahmen anzuhalten.

a) Grundlage des Vertrags war die Projektskizze vom 25.04.2013. Bereits in der Überschrift der Projektskizze ist angeführt, dass die Fertigung des Gutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard erfolgt. Auf Seite 4 der Projektskizze ist ausgeführt, dass das Gutachten auf Wunsch des Gläubigers V dem IDW S6 Standard entsprechen soll. Unter Zugrundelegung des IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012) ist in jedem Fall durch den Sanierungsgutachter der Hinweis auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit in einer Form geschuldet, die es dem Auftraggeber ermöglicht, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Dieses ergibt sich aus verschiedenen Vorgaben für die Gutachtenserstellung nach IDW S6:

In Rn. 12 IDW S6 wird m Rahmen von 2.1 (Kernanforderungen an Sanierungskonzepte) auf einzuleitende Eilmaßnahmen innerhalb der 3-Wochen-Frist nach § 15a Abs. 1 InsO (i.d.F.v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) hingewiesen. Der Sanierungsgutachter hat danach den Eintritt der Insolvenzreife im Zeitraum bis zur Fertigstellung des Gutachtens auszuschließen. Diese im „Kernbereich“ getroffenen Feststellungen muss der Gutachter bei Anlass unverzüglich dem Auftraggeber offenlegen, damit dieser bspw. die in Rn. 12 IDW S6 aufgeführten Eilmaßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen kann. Offenkundige Insolvenzantragspflichten wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung müssen im Zeitraum der Begutachtung bis zur Fertigstellung des Sanierungskonzepts mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sein.

In Rn. 79, 80 IDW S6 weist bereits der Titel des Abschnitts 3.4.6 „Feststellungen zur Insolvenzreife“ eindeutig darauf hin, dass es sich um einen wesentlichen Teil des Prüfungsumfangs des Sanierungsgutachters handelt. In Rn. 79 wird ausdrücklich zwischen drohender und bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit unterschieden, da sich nur bei ersterer die Möglichkeit eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO (mit Wirkung v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) eröffnet. Bereits im Rahmen der Fortbestehensprognose sind daher Feststellungen zum Umfang der Zahlungsschwierigkeiten zu treffen, da sich hier verschiedene Reaktionsmöglichkeiten des Auftraggebers ergeben können von Beschaffung frischen Kapitals bis zur erforderlichen Insolvenzantragsstellung. Dieses wird in Rn. 80 nochmals ausdrücklich klargestellt, wenn bestimmt wird: „Ergeben sich … Hinweise auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, muss darauf unverzüglich aufmerksam gemacht werden, um den gesetzlichen Vertretern Gelegenheit zu geben, die gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen…“ (vgl. auch Pape/Ott, Sanierungsgutachten, 1. Aufl., Rn. 703 ff zu den Pflichten des Sanierungsgutachters bei Feststellung der Insolvenzreife).

Für den Gutachter selbst gilt, dass er die Begutachtung zu beenden oder zu versagen hat, sobald für ihn erkennbar wird, dass eine Insolvenzantragspflicht bereits vorliegt und dennoch eine außergerichtliche Sanierung noch versucht werden soll (IDW S6 Rn. 80 a.E.).

Der Abschnitt 3.6 behandelt in Rn. 84, 85 IDW S6 die Fortführungsprognose. Diese war Gegenstand des abschließenden Gutachtens vom 29.07.2013. Es sind Feststellungen zu Zahlungsfähigkeit und Überschuldung im Fortführungszeitraum zu treffen. In Rn. 85 wird dabei ausdrücklich auf die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO) verwiesen. Für die Steuerberaterhaftung wurde vom Bundesgerichtshof (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) ausdrücklich klargestellt, dass im Gegensatz zu den Pflichten im Rahmen eines allgemeinen Dauermandats des Steuerberaters fehlerhafte oder fehlende Feststellungen im Rahmen einer Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO eine Haftung für hieraus folgende Schäden begründen können.

Nach IDW S6 Rn. 86 ff. hat der Gutachter auch eine handelsrechtliche Fortführungsprognose zu erarbeiten. Eine positive Prognose darf dabei nur gestellt werden, wenn weder die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen noch andere rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten der Fortführung im Prognosezeitraum entgegenstehen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit bzw. drohender Überschuldung müssen geeignete Sanierungsmaßnahmen bereits eingeleitet oder jedenfalls in der Planung hinreichend konkretisiert sein. Ohne eine positive Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) fehlt es an der Sanierungsfähigkeit (vgl. IDW S6 Rn. 11).

b) Einer Heranziehung der Regelungen des IDW S6 Standards steht vorliegend der Vorrang konkreter vertraglicher Bestimmungen nicht entgegen. Einerseits sind zwar entsprechend der Projektskizze nur Leistungen „in Anlehnung an“ diesen Standard vereinbart. Allerdings ist unstreitig, dass die V als eigentlicher Initiator der Beauftragung ein Gutachten nach diesem Standard als Entscheidungsgrundlage für die Fortführung ihres Kreditengagements wollte, was so auch in der Projektskizze angeführt wird. Ferner stellt die Projektskizze auch inhaltlich mit dem Verweis auf eine Fortbestehens- und Fortführungsprognose auf zentrale Bestandteile des IDW S6 ab. Andererseits findet sich in den vertraglichen Bestimmungen kein Hinweis auf eine ausdrückliche oder konkludente Einschränkung der nach IDW S6 zu erbringenden Leistungen der D. Die Projektskizze (= Gutachtensvertrag) vom 25.04.2013 (Anlage K2) führt vielmehr unter Ziff. 3, 1. Absatz ausdrücklich aus, dass ein „Sanierungsgutachten“ benötigt werde, „das dem IDW S6 Standard entspricht“. Der Verweis auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen ist lediglich allgemeiner Natur und nimmt auf die gesetzlichen Einschränkungen aufgrund der Rechtsform der D und Qualifikation der für sie handelnden Personen Bezug. Die fehlende Befugnis nach § 3 RDG und § 3 StBerG hinderte die D nicht an den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der B.

c) Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17), in der dieses die Verpflichtung eines Sanierungsberaters zur Aufklärung über eine bestehende Insolvenzantragspflicht abgelehnt hat, betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Der dortigen Beauftragung lag keine umfassende Beauftragung zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens mit Fortführungsprognose nach IDW S6 zugrunde, sondern eine abschließende Aufzählung von vierzehn Leistungspunkten. Zudem hatte die Schuldnerin in dem dort entschiedenen Fall weitere Berater mit der Prüfung steuerlicher und rechtlicher Fragen beauftragt. Hingegen bejaht das OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) in einer mit dem vorliegenden Fall eher vergleichbaren Konstellation (umfassende Beauftragung eines Sanierungsgutachtens nach dem Standard IDW S1) eine Aufklärungspflicht bzgl. eingetretener Insolvenzreife aufgrund der überlegenen Sachkunde des Sanierungsberaters und nimmt zugleich die Einbeziehung der gesetzlichen Vertreter der krisenbefangenen Gesellschaft in den Schutzbereich des Vertrages vor dem Hintergrund der möglichen Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung sowie der persönlichen Haftung des Geschäftsführers an.

d) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.01.2017 (Az. IX ZR 285/14) die Hinweispflicht für Steuerberater im Rahmen eines allgemeinen steuerlichen Mandats deutlich verschärft. Die vom Beklagten zitierte (Schriftsatz 27.04.2023, Bl. 255 d.A) ältere Rechtsprechung (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) wurde insoweit ausdrücklich ausgegeben. Danach ist der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Die Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Sanierungsberater ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Maßgeblich ist insoweit, ob die Bewertungsfrage der positiven Fortführungsprognose nach den Umständen des Einzelfalls zum Gegenstand des Auftrags gemacht worden ist. Soll der Berater sich zur Frage der Insolvenz äußern, steht dies außer Zweifel. Es ist aber davon auszugehen, dass der als Spezialist in der Unternehmenskrise zugezogene Berater typischerweise konkludent damit beauftragt wird, den wirtschaftlich gravierendsten Fall der eingetretenen Insolvenzreife ggfs. zu erforschen und darüber aufzuklären (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anh. § 60 Rn. 244 m.w.N.). Da vorliegend mit der Vereinbarung des Standards IDW S6 Feststellungen zu den Voraussetzungen der möglichen Insolvenzreife ausdrücklich geschuldet wurden, ist von einer entsprechenden Hinweispflicht der D auszugehen.

2. Eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB der D ist gegeben. Sie hat nicht in der vertraglich geschuldeten Form auf eine bei Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B hingewiesen.

a) Es kann vorliegend dahinstehen, ob im Anschluss an OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/12) ein konkreter Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht erforderlich ist, wobei § 5 Abs. 1 RDG einen solchen Hinweis als zulässige Nebenleistung im Zuge der Sanierungsberatung rechtlich ermöglichen würde (vgl. BGH, Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12 zur Zulässigkeit beim Steuerberater/Wirtschaftsprüfer; BVerwG, Urteil v. 27.10.2004, Az. 6 C 30/03 zu Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG; Krenzler-Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 5 Rn. 105ff m.w.N.). Allerdings weist das Sanierungsgutachten der D vom 29.07.2013 bereits nicht in einer Form auf eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hin, die geeignet ist, die gesetzlichen Vertreter zur Stellung eines Insolvenzantrags zu veranlassen. Vielmehr steht das Gutachten mit einer positiven Fortbestands- und Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO und dem Vorschlag konkreter Sanierungsmaßnahmen außerhalb der Frist des § 15a InsO (a.F.) der Einleitung des Insolvenzverfahrens entgegen. Damit war es nicht geeignet, wie geschuldet die wirtschaftliche Situation des Unternehmens in einer Weise darzustellen, die den Auftraggeber in die Lage versetzt, auch unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Pflichten entsprechend zu handeln, vgl. Rn. 80 der IDW S6. In einer Gesamtbetrachtung des Gutachtens vom 29.07.2013 ist der Senat der Überzeugung, dass die D tatsächlich von noch bestehender Zahlungsfähigkeit der B ausging und dieses auch dem Auftraggeber so vermittelte. Der Geschäftsführer der D M gab in seiner Zeugenvernehmung vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 an (Anlage BK 1, Bl. 230 d.A.), dass das Unternehmen Y GmbH als Bestandteil der X im Dezember 2013 noch zahlungsfähig gewesen sei, da 1 Mio. € durch den Verkauf des Milchsammelgeschäfts sowie die Prolongation des Kredits der V zugeflossen sei. Näher erklärt der Zeuge: „Im Januar 2014 hatte die V dann den Kredit ultimativ bis zum 05. März 2014 prolongiert. Jetzt liefen die richtigen Probleme zu. Wenn die Geschäftsführer an dieser Stelle Herrn O unter Druck gesetzt hätten und er hätte nicht geleistet, dann hätten sie Insolvenz anmelden müssen.“ Zu beachten ist insoweit, dass die D ihre beratende Tätigkeit nach Vorlage der ersten Fortführungsprognose am 29.07.2013 fortsetzte und vom Geschäftsführer H auf Wunsch der V beauftragt wurde, diese zu überarbeiten. Eine zweite Fortführungsprognose sei nach Angaben des Zeugen M nach November 2013 erstellt worden und habe keine Liquiditätsprobleme aufgezeigt.

b) Soweit der Beklagte auf die mehrfachen Hinweise auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit und eine bestehende Liquiditätslücke von 1,3 Mio € in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 verweist, wovon auch die gesetzlichen Vertreter der B Kenntnis gehabt hätten, führt dieses zu keinem anderen Ergebnis. Eine „drohende“ Zahlungsunfähigkeit stellt eine pauschale Darstellung dar, die nicht auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowie das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 15a InsO verweist. Konkret waren die Beteiligten auf Grundlage der Fortführungsprognose der D offensichtlich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Liquidität der B durch die vorläufige Prolongation des Darlehens der V sowie die Einstandsbereitschaft des weiteren Gläubigers VM gegeben war und Eilmaßnahmen bis hin zu einer Insolvenzantragsstellung nicht geboten waren, so dass durch die D im Ergebnis die Fortführung des Unternehmens empfohlen wurde. Auch der Zeuge H als Geschäftsführer der B und damit direkter Adressat des Gutachtens hat in seiner Einvernahme durch den Senat erklärt, dass nach seinem Verständnis das Gutachten eine Fortführung des Unternehmens ohne sofortige Einleitung insolvenzrechtlicher Maßnahmen zum Ergebnis hatte.

Damit liegt – eine zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestehende Zahlungsunfähigkeit unterstellt (hierzu nachfolgend II. 1. d) – eine Pflichtverletzung vor. Die D hätte eine (außergerichtliche) Sanierungsfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose ausdrücklich verneinen müssen.

c) Soweit im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Endurteils festgehalten ist, dass an mehreren Stellen im Gutachten explizit auf die Zahlungsunfähigkeit hingewiesen wurde, steht § 314 ZPO nicht entgegen. Aus dem Tatbestand ergibt sich nicht, dass die D mit der erforderlichen und geschuldeten Deutlichkeit auf die Bedeutung des Vorliegens eines Insolvenzgrunds hingewiesen hat. Insoweit kommt es auf das Gesamtergebnis des Gutachtens mit seinen Handlungsempfehlungen an und nicht auf einzelne Aussagen.

d) Nach den getroffenen Feststellungen lag die Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife der B während oder bei Abschluss der Gutachtenserstellung durch die D im Juli 2013 vor.

Insolvenzreife setzt eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) voraus. Zahlungsunfähigkeit und nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10% zurückzuführen (std. Rspr., vgl. BGH, Urteil v. 19.12.2017, Az. II ZR 88/16 m.w.N.).

Der Kläger hat unter Vorlage eines Gutachtens der S. InsolvenzSteuerberatungsgesellschaft mbH vom 18.12.2014 (Anlage K7) eine Zahlungsunfähigkeit der B seit dem 01.11.2009 dargelegt und Sachverständigenbeweis angeboten (Bl. 6 d.A.). Der Kläger ist daher seiner Darlegungslast unter Beweisantritt nachgekommen. Der Vortrag des Beklagten zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife der B ist hingegen nicht konsistent. Während in der Klageerwiderung vom 10.04.2019 (Bl. 15 d.A.) der Eintritt von Insolvenzreife im Juli 2013 bestritten wurde, wird in der Berufungserwiderung vom 04.10.2022 auf eine von der D im Rahmen der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 festgestellte Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund abgestellt (Bl. 171 d.A.). Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist ferner unsubstantiiert, nachdem die von ihm vertretene Insolvenzschuldnerin (D) eigene Sachkunde und -kenntnisse besitzt. Grundlage von deren Gutachtertätigkeit waren Feststellungen zur Liquidität und Zahlungsfähigkeit der B auch unter Berücksichtigung der längerfristigen finanziellen Kennzahlen für die Vergangenheit. Es ist dem Beklagten daher ohne weiteres möglich, sich inhaltlich mit dem Vortrag des Klägers zum Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Zahlungsunfähigkeit der B auseinanderzusetzen. Im Übrigen besitzt der Beklagte auch in eigener Person als Insolvenzverwalter die hierfür erforderliche Sachkunde. Die in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 enthaltenen Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der B sind nicht geeignet, die Feststellungen im Gutachten in Frage zu stellen, nachdem es an einer konkreten Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Zahlungs(un) fähigkeit fehlt.

3. Der Vertrag zwischen der B und der D über die Erbringung von Leistungen der Sanierungsberatung entfaltet Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers der B (vgl. OLG Köln, a.a.O.; dem Grunde nach für einen Steuerberater auch BGH, Beschluss v. 14.06.2012, Az. IX ZR 145/11). Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Beschluss v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12; Urteil v. 13.10.2011, Az. IX ZR 193/10).

Die Feststellung der Insolvenzreife eines Unternehmens ist wie dargestellt Hauptleistungspflicht des Sanierungsberatervertrags nach dem Standard IDW S6, mit welcher der Geschäftsführer aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. erkennbar in gleicher Weise in Berührung kommt, wie der Auftraggeber selbst (bejahend auch BGH, Beschluss v. 26.01.2023, Az. III ZR 91/22). An einer Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers bestehen aufgrund seiner gegenüber der D unterlegenen Sachkunde sowie der drohenden Konsequenzen einer Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten keine Zweifel. Auch Rn. 80 der IDW S6 geht von der Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters in den Schutzbereich des Vertrages aus, da diesem durch eine Information über die (drohende) Zahlungsfähigkeit ausdrücklich die Möglichkeit gegeben werden soll, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen (bejahend auch Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1201).

4. Gegen den Geschäftsführer der B bestehen aufgrund masseschmälernder Leistungen gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Abs. 1 GmbHG n.F.) Ansprüche in Höhe von 422.214,34 €, die einen als Schaden geltend zu machenden an den Kläger abgetretenen Freistellungsanspruch gegen den Beklagten begründen.

a) Die Darstellung des Schadens durch den Kläger ist schlüssig und vom Beklagten lediglich pauschal bestritten (Bl. 21 d.A.). Die sofortige Sollbuchung sich aus der Anlage K5 ergebender eingehender Zahlungen innerhalb des Kontokorrentkontos stellte sich jeweils als Zahlung der B an die kontoführende U Bank AG entsprechend § 64 GmbHG a.F. dar, die nach Eintritt der Insolvenzreife eine Geschäftsführerhaftung auslöst. Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 GmbHG nF), weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird (vgl. nur BGH, Urteil v. 23.06.2015, Az. II ZR 366/13 = BGHZ 206, 52 m.w.N.).

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H, der seine Ansprüche gegen die D wirksam an den Kläger abgetreten hat, nicht erforderlich. Die drohende Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. begründete zunächst einen gegen die D gerichteten Freistellungsanspruch des Geschäftsführers H, der sich erst mit der Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umwandelte (vgl. jurisPK-BGB-Rosch, 10. Aufl., § 399 Rn. 11 m.w.N.).

c) Die im unterlassenen Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit begründete Pflichtverletzung der D war auch kausal für diesen eingetretenen Schaden.

Der Beklagte hat die Kausalität unter Hinweis auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten bestritten, die dem Geschäftsführer nach Vorlage der Fortführungsprognose im Juli 2013 offenstanden, dieses auch für den Fall der Insolvenzreife (Klageerwiderung v. 10.04.2019, Bl. 16, 27 d.A.). Ein Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhaltens besteht nicht, da bei einem Hinweis auf eine Überschuldung der Gesellschaft verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, um eventuell auch eine sofortige Insolvenzantragstellung zu vermeiden, wie etwa die Zuführung frischen Kapitals (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1241).

Der Kläger hat jedoch den entsprechenden Kausalitätsnachweis geführt. Der Zeuge H als zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichteter Geschäftsführer der B hat nachvollziehbar und glaubwürdig angegeben, dass er mit der Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 sofort die Insolvenz des Unternehmens angemeldet hätte, falls in dem Gutachten auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden wäre. Dieses hätte er bereits aus Gründen des Eigenschutzes aufgrund der ihm bekannten Geschäftsführerhaftung gemacht.

Der Senat hat keine Zweifel an diesen Angaben des Zeugen. Dafür, dass der Zeuge H trotz ausdrücklicher gutachterlicher Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und außergerichtlicher Sanierungsunfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose die zeitnahe Stellung eines Insolvenzantrags unterlassen hätte, sind weder vom Beklagten nachvollziehbare Anhaltspunkte dargelegt worden, noch sind diese sonst ersichtlich. Durch eine Insolvenzantragsstellung zeitnah zur Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 wären die eine Geschäftsführerhaftung begründenden Zahlungen der B im Januar/Februar 2014 nicht erfolgt.

Die Frage der Kenntnis der gesetzlichen Vertreter der B und damit des Zeugen H von deren (drohender) Zahlungsunfähigkeit und der Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter zur eigenständigen Prüfung der Voraussetzung nach § 15a InsO ist hingegen für die Kausalität unerheblich. Bei der Feststellung der Kausalität ist lediglich die pflichtwidrige Handlung wegzudenken. Hingegen dürfen weitere hypothetische Umstände nicht hinzugedacht werden dürfen (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, IX ZR 204/12).

5. Der Anspruch des Klägers ist jedoch aufgrund Mitverschuldens des Geschäftsführers der B als Zedenten um 50% zu kürzen. Die Berufung ist daher zurückzuweisen, soweit ein über 211.107,17 € hinausgehender Anspruch geltend gemacht wird.

Der Schadensersatzanspruch kann aufgrund eines Mitverschuldens des Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12). Den Geschäftsführer einer GmbH trifft die Pflicht, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu vergewissern. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 19.06.2012, Az. II ZR 243/11 m.w.N.).

a. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urteil v. 07.12.2006, Az. IX ZR 37/04 m.w.N.). Dementsprechend darf sich selbst ein Auftraggeber mit einschlägiger Vorbildung auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch den Berater verlassen (BGH, Urteil v. 18.12.1997, Az. IX ZR 153/96; Steuerberaterhaftung). Ist der Berater mit der Sanierungsberatung, der Erstellung eines Sanierungskonzepts oder sogar explizit mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt und erteilt er im Rahmen dessen falsche Auskünfte zur Insolvenzreife, darf der Geschäftsführer in aller Regel auf diesen Rat vertrauen, weil er die (interne) Prüfungspflicht dem mandatierten Berater anvertraut hat. Ein der Gesellschaft zuzurechnendes Mitverschulden der Geschäftsführer für eine verspätete Insolvenzantragsstellung wird in diesen Fällen daher zumeist ausscheiden (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1252 m.w.N.).

Dies gilt zunächst auch im vorliegenden Fall. Da Feststellungen zur Fortführungsfähigkeit der B in Abgrenzung zur Insolvenzreife Hauptleistungspflicht des Beratervertrags der D war, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die gesetzlichen Vertreter der B daneben die Insolvenzreife auch eigenständig zu prüfen hatten. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers H kann daher nicht damit begründet werden, dass er nach Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 den in diesem enthaltenen Empfehlungen zur Fortführung des Unternehmens folgte, aus denen sich ergab, dass die D nicht von der Insolvenzreife der B ausging.

b. Allerdings kann der Mitverschuldenseinwand auf das weitere Untätigbleiben des Geschäftsführers H bis zur Stellung des Insolvenzantrags am 13.03.2014 gestützt werden. Der Beklagte bezieht sich insoweit auf die Nichtumsetzung der im Gutachten vom 29.07.2013 beschriebenen Maßnahmen. Nachdem eine Umsetzung zeitnah nicht erfolgt sei, habe die B bei bekannter drohender Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Liquiditätslücke externen Rechtsrat einholen müssen.

(1) Grundsätzlich kann der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und dem entstandenen Schaden unterbrochen sein, wenn die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruhen. Dieses kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Geschäftsführer die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten haben, weil die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, deutlich überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp a.a.O., Rn. 1247).

Hiergegen spricht vorliegend, dass in dem Fortführungsgutachten keine konkrete zeitliche Vorgabe für die Umsetzung der Sanierungsvorschläge enthalten war. Neben grundsätzlichen Umstrukturierungsmaßnahmen für die X sollte die Liquiditätsproblematik vor allem durch drei Maßnahmen beseitigt werden – die Veräußerung des Milchsammelgeschäfts für 500.000,00 €, die langfristige Prolongation des Darlehensrahmens der V von 500.000,00 € sowie ein weiteres finanzielles Engagement der VM in Höhe von 300.000,00 €. Ausweislich der Feststellungen im vorgelegten Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18, Anlage K11) sowie den Angaben des vormaligen Geschäftsführers der D in seiner Einvernahme vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 vor dem Landgericht Würzburg wurden die Mittel aus der Veräußerung des Milchsammelgeschäfts Anfang 2014 realisiert, während über die Sanierungsbeiträge der beiden Hauptgläubiger der B laufende Verhandlungen bis ins Jahr 2014 hinein stattfanden. Aus den nicht bestrittenen Angaben des vormaligen Geschäftsführers ergibt sich ferner, dass die D nach Abgabe der Fortführungsprognose im Juli 2013 den Sanierungsprozess weiter begleitete und nach November 2013 eine zweite Fortführungsprognose ohne das Milchsammelgeschäft erstellte. Es ist daher nicht ersichtlich, dass sich bis Januar 2014 für die gesetzlichen Vertreter der B eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder ein sicheres Scheitern des fortlaufend von der D begleiteten Sanierungsprozesses abzeichnete.

(2) Ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Geschäftsführers der B ergibt sich hingegen aus dem Umstand, dass nach eigenem Vortrag des Klägers die B bereits seit dem 01.11.2009 ununterbrochen zahlungsunfähig war, ohne dass ersichtlich ist, dass seitens ihrer gesetzlichen Vertreter Schritte zur Feststellung der finanziellen Gesamtsituation sowie erforderlicher insolvenzrechtlicher Schritte unternommen wurden. Dieses geschah erst auf Forderung eines Hauptgläubigers (V) mit der Beauftragung der D im Frühjahr 2013 und damit etwa 3,5 Jahre nach dem klägerseits behaupteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Hieraus folgt eine maßgebliche Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers zur Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der zeitnahen Heranziehung wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise. Zwar sind Gegenstand der Klage vorliegend Schäden, die erst nach Beauftragung der D und deren Auskunftserteilung eingetreten sind (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1255). Allerdings bestand seitens der gesetzlichen Vertreter auch nach Fertigstellung des Gutachtens im Juli 2013 dringende Veranlassung, weiter eigenständig Feststellungen zur insolvenzrechtlich relevanten Finanzsituation der B zu treffen, da die Fortführungsprognose erkennbar nicht geeignet war, diese Fragen abschließend zu beantworten. So enthielt das Gutachten weder eine eindeutige und begründete verneinende Aussage zur Insolvenzreife des Unternehmens noch Angaben zu einzuhaltenden Fristen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen. Vor dem Hintergrund der den gesetzlichen Vertretern der B spätestens seit der Vorlage des Gutachtens bekannten Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € sowie der seit Jahren bestehen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis hin zum teilweisen Ausfall der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wären die gesetzlichen Vertreter verpflichtet gewesen, jedenfalls durch das Verlangen nach einer Ergänzung des Gutachtens gegenüber der D eine Klarstellung im Hinblick auf die aktuelle und nahe zukünftige insolvenzrechtliche Lage des Unternehmens zu erlangen.

Das Landgericht Aachen (Urteil v. 14.04.2021, Az. 11 O 241/17, insoweit bestätigt durch OLG Köln, Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) hat aufgrund der eigenen Prüfpflichten des Geschäftsführers bei Kenntnis der kritischen Liquidität der Gesellschaft und Insolvenzreife weit vor Beauftragung des Sanierungsgutachters ein Mitverschulden von 70% angenommen. Abweichend zum vorliegenden Fall war in der dortigen Konstellation jedoch ein Hinweis des Sanierungsberaters erfolgt, die mögliche Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch einen Dritten überprüfen zu lassen. Zudem lagen Indizien vor, dass dem Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bekannt war. Vorliegend erachtet der Senat unter Berücksichtigung sämtlicher dem Geschäftsführer H bekannten Umstände im Hinblick auf die wirtschaftliche Krise der B die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens als angemessen.

6. Die Haftungsbeschränkung der D in der zum Gegenstand des Vertrags gemachten Projektskizze vom 25.04.2013 ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.

Eine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten ist in Gestaltungen der Inanspruchnahme eines durch höhere Sachkenntnis begründeten besonderen Vertrauens zumindest sehr problematisch (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.04.2009, Az. I-24 U 27/08 [Wirtschaftsprüfer]; insgesamt MüKo/BGB-Wurmnest, 9. Aufl., § 307 Rn. 150 ff. m.w.N.). Daher ist ein vertraglicher Haftungsausschluss bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern gesetzlich ausgeschlossen (vgl. § 52 BRAO, § 67a StBerG, § 323 Abs. 4 HGB). Vorliegend nahm die D als Sanierungsberaterin angesichts der umfassenden und ausschließlichen Beauftragung nach Standard IDW S6 ein besonderes Vertrauen in Anspruch. Es handelte sich bei der D um eine am Markt etablierte Beratungsgesellschaft in ständiger Geschäftsbeziehung zur Gläubigerin V. Die Gutachtenserstellung erfolgte arbeitsteilig durch mehrere Mitarbeiter mit offenbar spezifischen Fachkenntnissen. Es ist daher gerechtfertigt, das Haftungsregime dem gesetzlich geregelter wirtschaftsprüfender Professionen anzunähern. Eine Freizeichnung würde jedenfalls hinsichtlich der im konkreten Fall verletzten vertraglichen Hauptpflichten die Auftraggeberin entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unbillig benachteiligen (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1288 f für die Verletzung von Kardinalpflichten unter Verweis auf entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

7. Ein Gegenanspruch des Beklagten auf Abtretung eines vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers der B auf Berücksichtigung einer Insolvenzquote der begünstigten Gesellschaftsgläubiger kann eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung des Klägers nicht begründen.

a) Um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern, ist dem gemäß § 64 GmbHG verurteilten Geschäftsführer grundsätzlich von Amts wegen vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGH, Urteil v. 08.01.2001, Az. II ZR 88/99 = BGHZ 146, 264, 279; Urteil v. 11.07.2005, Az. II ZR 235/03; Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12). Hierdurch wird im Verhältnis vom Geschäftsführer zu der in der Insolvenz befindlichen Gesellschaft dem Umstand Rechnung getragen, dass sich der der Gesellschaft verbleibende Schaden im Ergebnis aus den um die Insolvenzquote des begünstigten Gläubigers verminderten masseschmälernden Leistungen ergibt, es sich mithin um einen einheitlichen Vorgang der Schadensermittlung handelt.

b) Abweichend hiervon ist Gegenstand der Klage aus abgetretenem Recht vorliegend der gegen einen Dritten gerichtete Freistellungsanspruch hinsichtlich der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. Der Gegenanspruch des Geschäftsführers auf Berücksichtigung der Insolvenzquote des begünstigten Gesellschaftsgläubigers besteht daher nicht unmittelbar in der Person des Beklagten als Insolvenzverwalter der D, sondern ist diesem erst – wie auch von dem Beklagten geltend gemacht – im Wege der Abtretung zu übertragen, um ihn dann dem Kläger entgegen halten zu können. Es handelt sich somit nicht um die Feststellung eines einheitlichen Schadens in einem Schuldverhältnis. Vielmehr hat der Beklagte erstmals im Termin vom 17.07.2023 aufgrund eines bestehenden Anspruchs auf Abtretung des gegen den Kläger vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, § 273 Abs. 1 BGB. Hiermit ist der Beklagte jedoch präkludiert, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger ist Vortrag des Beklagten hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des Gegenanspruchs entgegen getreten. Gründe für die ausnahmsweise Zulässigkeit der verspäteten Geltendmachung der Einrede gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

8. Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf § 291, § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO aufgrund des jeweils hälftigen Obsiegens der Parteien.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Bei dem Urteil des Senats handelt sich um eine auf Bewertung von Tatsachen beruhende Einzelfallentscheidung, die keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft.

9. Der Streitwert bestimmt sich nach dem bezifferten Zahlungsantrag des Klägers zuzüglich des zuletzt geltend gemachten Gegenrechts des Beklagten, welches der Senat mit 3.000,00 € bemisst (vgl. insoweit BGH, Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12).

 

 
BUNDESGERICHTSHOF


Urteil vom 26.01.2017 - IX ZR 285/14

 
Tenor


Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 14. November 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand


Die H. GmbH (fortan: Schuldnerin) beauftragte den beklagten Steuerberater im Jahr 2005, den Jahresabschluss für das Jahr 2003 zu erstellen. Hierzu übergab die Schuldnerin dem Beklagten unter anderem den Jahresabschluss für das Jahr 2002, der einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auswies. In den Folgejahren erteilte die Schuldnerin dem Beklagten jeweils erneut Einzelaufträge, die Jahresabschlüsse zu erstellen. Der Beklagte kam diesen Aufträgen nach. Das Stammkapital der Schuldnerin betrug anfänglich 25.564,59 €; im Jahr 2007 erfolgte eine Kapitalerhöhung auf 50.000 €.

Die vom Beklagten erstellten Jahresabschlüsse wiesen jeweils nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge auf:

Erstellung Abschluss Stichtag Verlust/Gewinn Fehlbetrag Mai 2005 31.12.2003 - 49.071,31 € 82.199,24 € 2006 31.12.2004 - 13.592,24 € 95.791,48 € 15. März 2007 31.12.2005 - 32.125,13 € 127.852,50 € 28. August 2007 31.12.2006 + 54.192,28 € 73.660,22 € 3. Januar 2009 31.12.2007 - 44.216,94 € 93.441,75 € 

In Anschreiben vom 20. April 2007 und 28. August 2007 wies der Beklagte darauf hin, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin verpflichtet sei, "regelmäßig die Zahlungsfähigkeit sowie die Vermögensverhältnisse der GmbH dahingehend zu überprüfen, ob die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist und dass keine Überschuldung vorliegt". Mit Schreiben vom 29. November 2007 wies er auf einen Rückgang der Umsatzerlöse im Vergleich zum Jahr 2006 um fast 50 v.H. bei gleichzeitig um 20 v.H. gestiegenem Personalaufwand hin. Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 übersandte er den vorläufigen Jahresabschluss für das Jahr 2007 und teilte mit, dass sich die Überschuldung durch den Jahresfehlbetrag weiter erhöht habe.

Am 2. Juli 2009 stellte die Schuldnerin Eigenantrag; das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen wurde am 15. Juli 2009 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger behauptet, die Schuldnerin habe über keine stillen Reserven verfügt und sei bereits seit 2002, jedenfalls aber Mitte 2005 bei Übernahme des ersten Auftrags durch den Beklagten insolvenzreif, nämlich überschuldet und aufgrund ihrer aus der Überschuldung folgenden Kreditunwürdigkeit zahlungsunfähig gewesen. Jedenfalls seit 2006 sei die Zahlungsfähigkeit zweifelhaft gewesen. Bereits im Mai 2005 will der Beklagte den Geschäftsführer auf das Problem der bilanziellen Überschuldung hingewiesen haben, worauf dieser ihm erklärt habe, das Problem sei bekannt, es sei eine Kapitalerhöhung geplant und er werde das Problem mit dem Gesellschafter besprechen.

Der Kläger beantragt - soweit noch von Interesse - festzustellen, dass der Beklagte sämtliche Schäden seit dem 30. Juni 2005 zu ersetzen habe, die durch eine verschleppte Insolvenzantragstellung bei der Schuldnerin entstanden seien. Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen, die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

A.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe keine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag verletzt. Der Beklagte habe ein allgemeines steuerrechtliches Mandat gehabt, indem er lediglich die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2007 angefertigt habe. Im Rahmen eines solchen Mandats bestehe keine Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer verpflichtet sei zu überprüfen, ob Insolvenzreife eingetreten sei, und gegebenenfalls einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies gelte auch für Einzelmandate.

Aus dem vom Beklagten in den Jahresabschlüssen für die Jahre 2005 bis 2007 aufgenommenen Hinweis, die entstandenen Bilanzierungs- und Bewertungsfragen seien mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin erörtert und einvernehmlich entschieden worden, lasse sich nicht entnehmen, dass der Beklagte eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen habe. Dem stehe weiter entgegen, dass der Beklagte jeweils zeitnah mit der Übersendung der Jahresabschlüsse den Geschäftsführer darauf hingewiesen habe, dass er eine Überprüfung der Insolvenzreife eigenverantwortlich vorzunehmen und gegebenenfalls Insolvenzantrag zu stellen habe.

B.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

I.

Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit ausgesprochen, dass eine Haftung des Steuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsschaden wegen eines unterlassenen Hinweises nur eintreten könne, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt sei. Der Steuerberater habe durch seine Aufgabe, Jahresabschlüsse zu fertigen, kein überlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende Überschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen Überschuldung (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 13). Es sei grundsätzlich nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist, und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen (BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO Rn. 15, 19; vom 6. Juni 2013, aaO Rn. 12). An dieser Rechtsprechung hält der Senat jedoch nicht uneingeschränkt fest.

II.

Im Streitfall kann der Beklagte die durch eine verschleppte Insolvenzantragstellung bei der Schuldnerin entstandenen Schäden zu ersetzen haben, sofern hierfür eine mangelhafte Erstellung der Bilanzen (§ 242 Abs. 1 HGB) ursächlich war (unter 1). Weiter kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht, weil der Beklagte es nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag des Klägers unterlassen hat, die Schuldnerin auf die sich aus dem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) ergebenden Risiken hinzuweisen, und nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass dies auf einen Insolvenzgrund hindeutet (unter 2).

1. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass der Beklagte nach § 280 Abs. 1, § 634 Nr. 4, § 675 Abs. 1 BGB haften kann, wenn er den Jahresabschlüssen - wie der Kläger behauptet - zu Unrecht Fortführungswerte zugrunde gelegt hat. Ein Steuerberater, der es übernimmt, einen handelsrechtlichen Jahresabschluss für einen Kaufmann oder eine Gesellschaft zu erstellen, schuldet einen Leistungserfolg (unter a). Er verletzt seine Pflichten aus dem ihm erteilten Auftrag, wenn der Jahresabschluss mangelhaft ist (unter b). Er ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er diese Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB; unter c).

a) Der Steuerberater haftet im Rahmen seines Mandats nach Werkvertragsrecht für Mängel bei der Erstellung des Jahresabschlusses.

aa) Der Auftrag einer Kapitalgesellschaft, einen nach §§ 242, 264 HGB erforderlichen Jahresabschluss zu erstellen, enthält stets eine werkvertragliche Verpflichtung mit Geschäftsbesorgungscharakter (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2000 - X ZR 198/97, WM 2000, 973 unter I.; vom 7. März 2002 - III ZR 12/01, WM 2002, 2248, 2249 f; Zugehör, WM 2013, 1965, 1966). Dies gilt jedenfalls, wenn der Steuerberater - wie im Streitfall - einen nur auf die Erstellung des Jahresabschlusses gerichteten Einzelauftrag erhält. Es kann daher offenbleiben, inwieweit Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt, wenn es sich beim zu erstellenden Jahresabschluss nur um eine Einzelleistung im Rahmen eines Dauermandats handelt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 63/05, WM 2006, 1411 Rn. 6 ff; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 zur Prüfung der Insolvenzreife). Denn bei der Erstellung eines Jahresabschlusses handelt es sich um einen fest umrissenen Leistungsgegenstand, nicht hingegen um eine allgemeine, laufende Beratungstätigkeit.

bb) Der Steuerberater, der den handelsrechtlichen Jahresabschluss für eine GmbH zu erstellen hat, soll nicht nur eine bestimmte Tätigkeit entfalten, auf deren Grundlage die Gesellschaft bestimmte Ziele erreichen oder ihre Geschäftstätigkeit ausrichten möchte. Vielmehr will die Gesellschaft mit einem solchen Auftrag stets die sie treffenden handelsrechtlichen Pflichten erfüllen und möchte deshalb einen entsprechenden Jahresabschluss als Ergebnis erhalten. Der Inhalt eines nach §§ 242, 264 HGB erforderlichen Jahresabschlusses wird dabei weitgehend durch die gesetzlichen Anforderungen und die eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten festgelegt.

b) Der Beklagte hat nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers die Jahresabschlüsse für die Schuldnerin pflichtwidrig auf der Grundlage von Fortführungswerten und damit mangelhaft erstellt.

aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 18. Februar 1987 (IVa ZR 232/85, GmbHR 1987, 463) ausgesprochen, dass ein Steuerberater zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, wenn die von ihm fehlerhaft erstellte Bilanz die bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ und deswegen der Konkursantrag wegen Überschuldung verspätet gestellt wurde. Auch im Urteil vom 7. März 2013 (IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 22) ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass ein Steuerberater wegen Schlechterfüllung des Auftrags zur Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses schadensersatzpflichtig ist. Zur Haftung führende Mängel weist ein Jahresabschluss jedoch nicht nur dann auf, wenn er die tatsächlich bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. Soweit sich aus früheren Entscheidungen des Senats (insbesondere BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 12 f) etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten.

bb) Mängel weist der Jahresabschluss auf, wenn er nicht der vereinbarten oder jedenfalls nicht der für Jahresabschlüsse nach der gewöhnlichen Verwendung üblichen Beschaffenheit entspricht (§ 633 BGB). Welche Beschaffenheit vertraglich geschuldet ist, richtet sich nach dem Umfang der Pflichten, die den Steuerberater nach dem Inhalt des ihm erteilten Auftrags bei der Erstellung eines Jahresabschlusses treffen. Er hängt von dem konkreten Mandat ab (BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 222/85, VersR 1987, 565 unter 1.; vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 14).

Der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragte Steuerberater schuldet grundsätzlich einen den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden, die Grenzen der zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten nicht überschreitenden und in diesem Sinne richtigen Jahresabschluss (vgl. Zugehör, WM 2013, 1965). Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist in einer Handelsbilanz bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Von diesen Grundsätzen darf gemäß § 252 Abs. 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB bestimmt schließlich, dass der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln hat. Angesichts der fachlichen Kompetenz des Steuerberaters erwartet der Mandant, dass der Steuerberater den Jahresabschluss entsprechend dem Inhalt der dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den sonst dem Steuerberater bekannten Umständen vollständig erstellt, Bewertungsfragen - im Zusammenwirken mit dem Mandanten - klärt und bei offenen Fragen über die damit zusammenhängende Problematik aufklärt und eine Entscheidung des Mandanten herbeiführt.

Allerdings ist der Steuerberater ohne besondere Vereinbarung nicht verpflichtet, von sich aus die für die Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Vielmehr hat der Steuerberater den Jahresabschluss lediglich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm bekannten Umstände zu erstellen. Nur in diesem Rahmen hat der Steuerberater zu prüfen, ob tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten bestehen, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Der Bilanzaufsteller bestätigt mit seiner Unterschrift unter den Jahresabschluss, dass ihm keine Umstände bekannt sind, die zu einer Abkehr von der Fortführungsvermutung zwingen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2483). Soweit danach Entscheidungen des Mandanten erforderlich sind oder Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden sollen oder Bewertungsprobleme zu lösen sind, hat der Steuerberater hierzu die Entscheidung des Mandanten einzuholen, sofern das Mandat nicht ausdrücklich bereits entsprechende Vorgaben enthält.

Weiter richtet sich nach dem erteilten Mandat, in welchem Umfang der Steuerberater die ihm für die Erstellung des Jahresabschlusses vorgelegten Unterlagen und Angaben des Mandanten inhaltlich zu überprüfen hat. Insoweit kann ein Auftrag erteilt werden, der nur eine Erstellung ohne Beurteilungen des Steuerberaters umfasst, ebenso aber Aufträge mit einer Plausibilitätsbeurteilung oder mit einer umfassenden Beurteilung. Jedoch ist der Jahresabschluss unabhängig vom Umfang der Prüfungspflicht des Steuerberaters stets mangelhaft, wenn er auf der Grundlage der dem Steuerberater übergebenen Unterlagen und Angaben des Unternehmers und der dem Steuerberater - etwa aus einem Dauermandat - bekannten Umstände den handelsrechtlich zulässigen Rahmen überschreitet, also handelsrechtliche Vorgaben verletzt.

cc) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszuschließen, dass die vom Beklagten erstellten Bilanzen pflichtwidrig mangelhaft waren. Der Kläger hat geltend gemacht, dass der Beklagte den von ihm erstellten Bilanzen Fortführungswerte zugrunde gelegt hat, obwohl dies nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr zulässig gewesen sei.

(1) Eine Haftung des Steuerberaters setzt zunächst voraus, dass eine Bilanzierung nach Fortführungswerten objektiv aus der Sicht ex ante ausschied. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass der Fortführung der Unternehmenstätigkeit tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB).

(a) Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich um eine Prognoseentscheidung des bilanzierenden Unternehmens handelt, weil darauf abzustellen ist, ob das Unternehmen seine Tätigkeit für einen überschaubaren Zeitraum voraussichtlich fortsetzen wird (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 20; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 11; KK-RLR/Claussen, § 252 Rn. 17 f; Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2483). Sie hat sich auf den handelsrechtlich gebotenen Zeitraum zu erstrecken, regelmäßig jedenfalls auf das auf den Abschlussstichtag folgende Geschäftsjahr (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, aaO; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, aaO; Groß, WPg 2004, 1357, 1371; Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1865; Lück, DB 2001, 1945, 1947; Schulze-Osterloh, DStR 2007, 1006, 1007; Semler/Goldschmidt, ZIP 2005, 3, 9; Kaiser, aaO S. 2484). Objektiv falsch ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten daher nur dann, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Prognoseentscheidung feststeht, dass die Unternehmenstätigkeit bis zum Ablauf des Prognosezeitraums aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eingestellt werden wird (Kaiser, aaO S. 2486; Eickes, DB 2015, 933, 934 f).

Die Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist nach dem Gesetz der zunächst zu unterstellende Regelfall; es spricht so lange eine Vermutung dafür, wie nicht Umstände sichtbar werden, welche die Fortführung unwahrscheinlich erscheinen lassen (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 18; Schulze-Osterloh, DStR 2007, 1006, 1007) oder zweifelsfreie Kenntnis von der Unmöglichkeit der Fortführung besteht (MünchKomm-HGB/Ballwieser, 3. Aufl. § 252 Rn. 9; Schulze-Osterloh, aaO). Art. 31 Abs. 1 lit. a Richtlinie 78/660/EWG vom 25. Juli 1978 (ABl. (EG) 1978 Nr. L 222/11; jetzt Art. 6 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013, ABl. L 182 vom 29. Juni 2013, S. 19), dessen Umsetzung § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB dient, bestimmt als allgemeinen Grundsatz für die Bewertung, dass eine Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit unterstellt wird. Daher ist selbst bei Zweifeln an der Überlebensfähigkeit des Unternehmens unter Fortführungsgesichtspunkten zu bilanzieren (Schulze-Osterloh, aaO). Die Fortführungsvermutung entfällt erst, wenn es objektiv fehlerhaft wäre, von der Aufrechterhaltung der Unternehmenstätigkeit auszugehen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2482). Die Umstände müssen ergeben, dass die Einstellung der Unternehmenstätigkeit unvermeidbar oder beabsichtigt ist (Groß/ Amen, DB 2005, 1861, 1867). Tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten müssen sich derart konkretisieren, dass die Unternehmenstätigkeit jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums eingestellt werden wird (Eickes, DB 2015, 933, 934 f). Eine Bewertung zu Liquidationswerten hat zu erfolgen, wenn feststeht, dass das Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden kann (KK-RLR/Claussen, § 252 Rn. 16).

(b) Solche tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten können nach dem Vortrag des Klägers im Streitfall vorliegen. Besteht für eine Kapitalgesellschaft - wie der Kläger dies für die Schuldnerin bereits für Mitte des Jahres 2005 behauptet - ein Insolvenzgrund, weil sie überschuldet oder zahlungsunfähig ist, liegen regelmäßig tatsächliche Gegebenheiten im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB vor, die der Regelvermutung einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen (Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 252 Rn. 7; Staub/Kleindiek, HGB, 5. Aufl. § 252 Rn. 13; Böcking/ Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. § 252 Rn. 17; Groß/ Amen, DB 2005, 1861, 1866; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Groß, WPg 2010, 119, 122 f; Kaiser, aaO S. 2487; Baumert, ZIP 2013, 1851, 1852 Fn. 14; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825). Jedoch bedingt ein vorliegender Insolvenzgrund nicht zwingend für den handelsrechtlichen Jahresabschluss eine Aufgabe des von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB bestimmten Fortführungsprinzips (Kreipl/Müller in Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl., § 252 Rn. 46; Hater, Insolvenzrechtliche Fortbestehungsprognose und handelsrechtliche Fortführungsprognose, S. 122 f; Kaiser, aaO S. 2486 f; Eickes, aaO S. 935). Hiervon geht auch § 155 InsO aus (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 172). § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB knüpft vielmehr an die Unternehmenstätigkeit als solche an; es geht darum, die im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände entsprechend ihrem tatsächlichen Verwendungszweck zutreffend zu bewerten (Kaiser, aaO S. 2480).

Liegt ein Insolvenzgrund vor, ist für die handelsrechtliche Bilanzierung entscheidend, ob eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erwarten oder damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, bereits im Eröffnungsverfahren (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO) oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird (§§ 157, 158 InsO). Abzustellen ist dabei darauf, ob die Unternehmenstätigkeit aufgrund der Insolvenzreife innerhalb des Prognosezeitraums eingestellt werden wird (Eickes, aaO). Daher kann trotz eines Insolvenzgrundes handelsrechtlich eine Bilanzierung nach Fortführungswerten zulässig sein, wenn ein glaubhafter Fortführungsinsolvenzplan vorliegt, eine übertragende Sanierung innerhalb des Prognosezeitraums angestrebt wird und möglich ist (Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1866; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Eickes, aaO S. 936; vgl. auch Hater, aaO S. 129 ff) oder anzunehmen ist, dass die Unternehmenstätigkeit auch nach einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums fortgeführt werden wird (vgl. Kaiser, aaO S. 2481; Eickes, aaO; Füchsl/Weishäupl/Jaffe in Münch-Komm-InsO, 3. Aufl., § 155 Rn. 6 f; Kübler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 155 Rn. 53, 57, 59).

Dies erfordert eine komplexe Prognose über die Gesamtsituation des Unternehmens (vgl. Staub/Kleindiek, HGB, 5. Aufl., § 252 Rn. 13; Kaiser, aaO S. 2480 ff). Wird in einem solchen Fall noch mit Fortführungswerten bilanziert, bedarf dies mithin der konkreten Begründung im Einzelfall. Allein die Tatsache, dass das Unternehmen trotz eines bereits vorliegenden Insolvenzgrundes weiter tätig ist, rechtfertigt es nicht, bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen. Die aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben allein genügt auch bei rückblickender Betrachtung nicht zum Nachweis einer künftigen Unternehmensfortführung (vgl. Hater, aaO S. 93). Für die Prognose, ob die aufgrund eines bestehenden Insolvenzgrundes und einer etwa bestehenden Antragspflicht (§ 15a InsO) zu erwartende Insolvenzeröffnung zur Einstellung der Unternehmenstätigkeit führen wird, kommt es vielmehr darauf an, wie das Unternehmen zum Zeitpunkt des Eintritts des Insolvenzgrundes steht. Wenn das Unternehmen in der Vergangenheit keine Gewinne erwirtschaftet hat, nicht leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und eine bilanzielle Überschuldung droht oder sogar schon eingetreten ist, besteht angesichts der daraus folgenden Insolvenzgefährdung zunächst keine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich das Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens fortführen lässt (Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1866). Dann erfordert das Insolvenzrecht die Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose, deren Ergebnis in die bilanzielle Fortführungsprognose einzubeziehen ist (Groß/Amen aaO; Groß, WPg 2010, 119, 123).

(2) Die Haftung des Steuerberaters setzt weiter voraus, dass der Steuerberater die falsche Bilanzierung nach Fortführungswerten nach Umfang und Inhalt des erteilten Auftrags auch zu verantworten hat. Ein Steuerberater haftet nicht für jeden objektiv zu Unrecht auf der Grundlage von Fortführungswerten erstellten Jahresabschluss. Er darf jedoch dem von ihm erstellten Jahresabschluss keine Fortführungswerte zugrunde legen, wenn auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entweder widerlegt erscheint oder ernsthafte Zweifel bestehen, die nicht ausgeräumt werden. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter zu entscheiden.

(a) Ergeben sich aus den dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den sonst dem Steuerberater bekannten Umständen keine Anhaltspunkte für Zweifel an einer Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit, handelt der Steuerberater pflichtgemäß, der entsprechend der gesetzlichen Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgeht. Dies trifft insbesondere dann ohne weiteres zu, wenn die Gesellschaft in der Vergangenheit nachhaltige Gewinne erzielt hat, leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und keine bilanzielle Überschuldung droht (implizite Fortbestehensprognose, Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 10; Hater, aaO S. 79 ff; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262, 263; Groß, WPg 2010, 119, 129; Ehlers, NZI 2011, 161, 164; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825).

(b) Steht umgekehrt bereits auf der Grundlage der dem Steuerberater für die Erstellung des Jahresabschlusses zur Verfügung gestellten Unterlagen und der ihm bekannten Umstände fest, dass die Fortführungsvermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr zutrifft, ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten mangelhaft. Der Steuerberater muss bei pflichtgemäßem Verhalten aus den ihm zur Verfügung stehenden Informationen die sichere Überzeugung gewinnen können, dass die Unternehmenstätigkeit - etwa aufgrund einer erkannten Insolvenzreife - nicht fortgeführt werden wird.

(c) Weiter ist die - zu Unrecht Fortführungswerte zugrunde legende - Leistung des Steuerberaters aber auch dann mangelhaft, wenn aus den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und den ihm bekannten Umständen tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten folgen, die einer Bilanzierung nach Fortführungswerten entgegenstehen können, und der Steuerberater es unterlassen hat, vom Mandanten abklären zu lassen, ob gleichwohl noch Fortführungswerte zugrunde gelegt werden können. Entscheidend ist, ob der Steuerberater bereits aufgrund der im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses erlangten oder sonst bei ihm vorhandenen Kenntnisse von Umständen weiß oder wissen müsste, die ihrer Art und ihrer Bedeutung nach geeignet sind, als tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten der Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit entgegen zu stehen.

(aa) Die tatsächlichen Gegebenheiten, welche die Unternehmensfortführung verhindern können, sind hauptsächlich wirtschaftliche Schwierigkeiten (Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. § 252 Rn. 17; Staub/Kleindiek, aaO, HGB, 5. Aufl., § 252, Rn. 13; MünchKomm-HGB/ Ballwieser, 3. Aufl., § 252 Rn. 11; Kreipl/Müller in Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl., § 252 Rn. 41; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262). Sobald Hinweise auf entsprechende Umstände vorliegen, ist die Fortführungsfähigkeit näher zu überprüfen (Staub/Kleindiek, aaO Rn. 11; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 Rn. 10). Insbesondere ist auf Anzeichen zu achten, die einen Insolvenzgrund darstellen können, vor allem solche, die die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gefährden können.

Dies kommt etwa in Betracht, wenn das Unternehmen erhebliche Verluste erwirtschaftet, eine zu geringe Eigenkapitalausstattung aufweist oder in Liquiditätsschwierigkeiten gerät (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 24; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825). Ein weiteres Indiz ist die bilanzielle Überschuldung. Zwar ist diese allein kein Insolvenzgrund (BGH, Beschluss vom 8. März 2012 - IX ZR 102/11, WM 2012, 665 Rn. 5 mwN); jedoch kann eine bilanzielle Überschuldung ein Indiz für von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB verlangte tatsächlichen Gegebenheiten darstellen und Anlass geben, eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2005 - II ZR 138/03, WM 2005, 848, 849 unter II.1.; vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, WM 2009, 1145 Rn. 9; vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 16; vom 19. November 2013 - II ZR 229/11, WM 2014, 167 Rn. 17). Im Streitfall bestanden solche Indizien. So lag unstreitig eine bilanzielle Überschuldung vor. Außerdem wies die Schuldnerin wiederholt Verluste auf, die zu einem Verlust des Eigenkapitals und zu einem ständig steigenden, nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) führten.

Handelt es sich nach den Umständen des Falles um ernsthafte Indizien, die eine Unternehmensfortführung zweifelhaft erscheinen lassen, darf ein Jahresabschluss nur dann unbesehen auf der Grundlage der Fortführungswerte erstellt werden, wenn anhand konkreter Umstände feststeht, dass diese belastenden Indizien einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit jedenfalls nicht entgegenstehen. Andernfalls haben die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft eingehende Untersuchungen durchzuführen und dabei anhand aktueller, hinreichend detaillierter und konkretisierter interner Planungsunterlagen zu analysieren, ob weiterhin von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist (explizite Fortführungsprognose, Winkeljohann/Büssow in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 10; vgl. Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262, 264; Groß, WPg 2010, 119, 130).

(bb) Erkennt der Steuerberater Umstände, die geeignet sind, die implizite Fortbestehensprognose des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB in Frage zu stellen, oder hätte er bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses solche Umstände erkennen müssen, muss er entweder klären, ob diese Umstände tatsächlich vorliegen oder tatsächlich nicht geeignet sind, die Fortführungsprognose in Frage zu stellen, oder er muss dafür Sorge tragen, dass die Gesellschaft eine explizite Fortführungsprognose erstellt. Übergibt die Gesellschaft dem Steuerberater eine explizite Fortführungsprognose, darf der Steuerberater diese - wenn sie nicht evident untauglich ist - bei der Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde legen. Legt der Mandant nicht von sich aus ein Ergebnis einer Prüfung der Fortführungsaussichten vor, muss dies der Steuerberater anmahnen, wenn er das Risiko einer mangelhaften - weil zu Unrecht mit Fortführungswerten aufgestellten - Bilanz ausschließen möchte. Hingegen darf er sich nicht auf bloße Aussagen der Geschäftsführer oder der Gesellschaft ohne sachlichen Gehalt verlassen. Er ist zwar nicht verpflichtet, die notwendigen Überprüfungen ohne gesonderten Auftrag selbst zu veranlassen oder durchzuführen. Er muss jedoch dafür Sorge tragen, dass der Mandant die gegen einen Ansatz von Fortführungswerten bestehenden Bedenken ausräumt, und daher die vom Mandanten abgegebenen Erklärungen daraufhin überprüfen, ob sie stichhaltig sind und Substanz aufweisen.

Die Behauptung des Beklagten, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe ihm versichert, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt und man überlege Kapitalerhöhungen, ist nicht geeignet, den Beklagten von der Haftung für einen fehlerhaften Jahresabschluss zu entlasten. Denn sie enthält nur eine vage Ankündigung ohne konkreten sachlichen Gehalt; eine solche Ankündigung vermag die aus einer bilanziellen Überschuldung folgenden Probleme für eine handelsrechtliche Fortführungsprognose nicht zu beseitigen.

(cc) Trotz dem Steuerberater erkennbarer Zweifel an der Fortführungsvermutung ist der von ihm erstellte Jahresabschluss jedoch mangelfrei, wenn der Steuerberater die Gesellschaft auf die konkreten Umstände hingewiesen hat, deretwegen keine ausreichende Grundlage vorhanden war, um ungeprüft Fortführungswerte nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zugrunde legen zu können, die Gesellschaft ihn aber ausdrücklich angewiesen hat, gleichwohl die handelsrechtliche Bilanz mit Fortführungswerten zu erstellen. Beruht der Mangel eines Werks auf Anweisungen oder verbindlichen Vorgaben des Bestellers, entfällt die Haftung für Mängel, sofern der Unternehmer die erforderlichen Prüfungen durchgeführt und die notwendigen Hinweise gegeben hat (Palandt/ Sprau, BGB, 76. Aufl., § 633 Rn. 4; BGH, Urteil vom 29. September 2011 - VII ZR 87/11, NJW 2011, 3780 Rn. 14 mwN; vgl. auch § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die - vom Steuerberater zu beweisenden - Hinweise müssen sowohl die bestehenden Zweifel an der Fortführungsprognose als auch die notwendige Überprüfung genau und im Einzelfall aufzeigen. Die vom Mandanten erteilte Anweisung hat der Steuerberater sodann in dem von ihm erstellten Entwurf eines Jahresabschlusses zu dokumentieren.

Der vom Beklagten nach seiner Behauptung erteilte allgemeine Hinweis, dass eine bilanzielle Überschuldung vorliegt, entlastet den Steuerberater jedoch nicht. Gleiches gilt für die Hinweise auf eine generelle Prüfungspflicht in den Schreiben vom 20. April und 28. August 2007. Der Steuerberater muss den Mandanten vielmehr klar und deutlich darauf hinweisen, dass er die handelsrechtliche Bilanz nur dann nach Fortführungswerten erstellen kann, wenn hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Sofern - was revisionsrechtlich zu unterstellen ist - die im Streitfall bestehenden Indizien ernsthafte Zweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeit begründeten, hätte der Beklagte dem Mandanten zu erläutern gehabt, welche Anforderungen § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB an die Bilanzierung nach Fortführungswerten stellt und dass im Streitfall aufgrund einer bilanziellen Überschuldung und den wiederholten Verlusten konkrete Zweifel an einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit bestanden und deshalb eine explizite Fortführungsprognose erforderlich sei.

(3) Hingegen ist der Steuerberater, der beauftragt ist, den Jahresabschluss zu erstellen, ohne einen ausdrücklich hierauf gerichteten Auftrag nicht verpflichtet, über die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und die ihm sonst bekannten Umstände hinaus umfassend Nachforschungen oder Untersuchungen anzustellen, ob die gesetzliche Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB tatsächlich gerechtfertigt ist, oder von sich aus nach möglichen Insolvenzgründen zu forschen. Ihn trifft auch keine allgemeine Untersuchungspflicht hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft. Daher haftet der Steuerberater für einen objektiv fehlerhaften Jahresabschluss nicht schon dann, wenn er bei einer entsprechenden Nachforschung oder einer entsprechenden Untersuchung der wirtschaftlichen Verhältnisse hätte erkennen können, dass die Gesellschaft insolvenzreif war.

c) Das für eine Schadensersatzhaftung bei Mängeln der Werkleistung erforderliche Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Steuerberater muss sich mithin entlasten.

d) Die Kausalität der fehlerhaften Bilanz für den geltend gemachten Insolvenzverschleppungsschaden, insbesondere also den unterlassenen Insolvenzantrag muss der Insolvenzverwalter beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 19 ff).

2. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt zudem eine Haftung des Beklagten aus § 280 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht in Betracht. Auch wenn der vom Steuerberater erstellte Jahresabschluss mangelfrei war, können den mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragten Steuerberater Hinweis- und Warnpflichten treffen.

a) Eine Hinweispflicht des Steuerberaters besteht auch außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 14 mwN; Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 20). Dies gilt insbesondere, wenn die Gefahr Interessen des Auftraggebers betrifft, die mit dem beschränkten Auftragsgegenstand in engem Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2248; vom 18. Dezember 2008, aaO; Vill aaO).

aa) Diese Voraussetzungen können bei einem Steuerberater erfüllt sein, der beauftragt ist, einen Jahresabschluss zu erstellen. Trotz inhaltlich richtiger Bilanz können zugunsten des Mandanten Hinweis- und Warnpflichten bestehen, wenn der Steuerberater einen Insolvenzgrund erkennt oder für ihn ernsthafte Anhaltpunkte für einen möglichen Insolvenzgrund offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Solche Anhaltspunkte können für den Steuerberater etwa dann offenkundig sein, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen. Dies kommt weiter in Betracht, wenn für den Steuerberater offenkundig ist, dass die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfügt. Maßgeblich für die Frage, ob eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters besteht, sind dabei nur die von ihm für den zu erstellenden Jahresabschluss zu prüfenden Umstände.

Der Steuerberater muss im Hinblick auf § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ohnehin anhand der ihm zur Verfügung gestellten Informationen und der ihm sonst - etwa auch aus einem Dauermandat - bekannten Umstände prüfen, ob sich daraus ernsthafte Hinweise auf einen möglichen Insolvenzgrund ergeben, die als tatsächliche Gegebenheiten Zweifel an der Fortführungsprognose wecken (vgl. Zugehör, WM 2013, 1965, 1969 ff; Vill aaO § 2 Rn. 23). Insbesondere ist der Steuerberater verpflichtet, die Mandantin über rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten zu unterrichten, die er im Zuge der Erstellung der Jahresbilanz erkennen muss und die der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entgegenstehen können. Da § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auf die Tätigkeit des Unternehmens abstellt und im Unterschied dazu §§ 17 ff InsO Handlungspflichten für den Unternehmensträger bestimmen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2480 f; Eickes, Zum Grundsatz der Unternehmensfortführung in der Insolvenz, S. 116), liegt es für den Steuerberater und den Mandanten nahe, dass der Steuerberater auf solche sich bei der Prüfung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ergebende offenkundige Umstände hinweist, die für den Mandanten Handlungspflichten nach den §§ 17 ff InsO begründen können.

Hingegen ist der Steuerberater nicht zu weitergehenden Überprüfungen verpflichtet. Erst recht ist der Steuerberater nicht verpflichtet, von sich aus eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen. Vielmehr hat der Geschäftsführer - wenn ihm die entsprechenden Indizien genannt werden - die erforderlichen Überprüfungen selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11).

bb) Im Streitfall können nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers solche für den Beklagten offenkundige Umstände vorliegen. Bereits der dem Beklagten mit der erstmaligen Auftragserteilung bekannte Jahresabschluss für das Jahr 2002 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auf. Der jeweilige Fehlbetrag stieg in allen vom Beklagten erstellten Jahresabschlüssen mit Ausnahme des Jahresabschlusses für das Jahr 2006 stets an. Zudem hat der Kläger behauptet, dass die Schuldnerin bereits bei Beauftragung des Beklagten über keine stillen Reserven verfügt habe.

Auf dieser Grundlage hat der Beklagte einer etwaigen Hinweis- und Warnpflicht nicht mit seinen im Rechtsstreit vorgelegten Schreiben genügt. Das Schreiben vom 20. April 2007 enthält keinen ausreichenden Hinweis auf einen möglichen Insolvenzgrund, weil der Beklagte darin nur abstrakt die Prüfungspflichten eines Geschäftsführers wiedergibt. Erforderlich ist aber, dass der Steuerberater die maßgeblichen Umstände gegenüber seinem Mandanten im Einzelnen bezeichnet und ihn konkret darauf hinweist, dass diese Umstände Anlass zu einer Prüfung einer möglichen Insolvenzreife geben. Soweit der Beklagte im Schreiben vom 28. August 2007 zusätzlich auf den im Jahresabschluss für das Jahr 2006 enthaltenen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.660,22 €, die daraus folgende Überschuldung der Gesellschaft, die in den Vorjahren bestehende vergleichbare Situation und die daraus folgenden Prüfungs- und Handlungspflichten des Geschäftsführers insbesondere hinsichtlich einer Insolvenzantragspflicht hinweist, ist dies grundsätzlich geeignet, eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Hinweis- und Warnpflicht zu erfüllen. Dies setzt jedoch voraus, dass eine solche Hinweis- und Warnpflicht - was nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers möglich ist - nicht schon deutlich früher bestand.

cc) Die Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters hinsichtlich der Umstände, die auf einen Insolvenzgrund hinweisen, setzt weiter voraus, dass der Steuerberater Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist. Daran fehlt es, wenn der Steuerberater davon ausgehen darf, dass sein Mandant sich der Umstände, die auf einen Insolvenzgrund hinweisen, bewusst ist und in der Lage ist, die tatsächliche und rechtliche Bedeutung dieser Umstände einzuschätzen. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer der Gesellschaft über das konkrete tatsächliche und rechtliche Wissen verfügt, um sich veranlasst zu fühlen zu überprüfen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Hierzu kann es genügen, wenn - wie der Beklagte behauptet hat - die Schuldnerin ihm gegenüber erklärt hat, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt.

b) Soweit der Senat ausgesprochen hat, dass die Unterbilanz für den Geschäftsführer ohne weiteres ersichtlich ist und deshalb keine Hinweispflichten des Steuerberaters auf einen möglichen Insolvenzgrund bestehen (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19), wird daran nicht festgehalten.

c) Erfüllt der Steuerberater diese Hinweispflicht nicht, kommt eine Haftung für einen Insolvenzverschleppungsschaden in Betracht, wenn die Gesellschaft tatsächlich früher Insolvenz angemeldet hätte, sofern ihr die mit den (wiederholten) Jahresfehlbeträgen verbundenen Risiken aufgezeigt worden wären.

C.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht nicht nur zu klären haben wird, ob der Beklagte seine Pflichten verletzt hat. Vielmehr wird auch zu klären sein, inwieweit eine etwaige Pflichtverletzung für einen unterbliebenen Insolvenzantrag ursächlich gewesen ist. Zudem wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, inwieweit ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 29 ff).

OBERLANDESGERICHT BAMBERG

Urteil vom 31. Juli 2023 - 2 U 38/22

 

Tenor


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 19.07.2022, Az. 61 O 16/19, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 211.107,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2019 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zwischen den Parteien aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 425.214,34 € festgesetzt.

 

Entscheidungsgründe


I.

Die Parteien streiten über Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem  Sanierungsberatervertrag.

1. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH (im Folgenden B).  Diese gehörte zusammen mit der X GmbH und der Y GmbH zur X-Firmengruppe (nachfolgend X). Geschäftsführer der B war Herr H.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH (nachfolgend D). Diese beriet kleine und mittlere Unternehmen in Krisensituationen.

Im Frühjahr 2013 befand sich die X in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Initiative eines Kreditgebers (U Bank AG, vormals V Bank AG, nachfolgend bezeichnet als V) sollten die wirtschaftlichen Fortführungsmöglichkeiten der X durch eine externe Begutachtung festgestellt werden. Hierzu legte die D am 25.04.2013 zunächst eine „Projektskizze“ vor (Anlage K2) betreffend die Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012). Auf der letzten Seite der Projektskizze befindet sich unmittelbar über den Unterschriften folgende Bestimmung:

„Die D erbringt keine Rechts- oder Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsleistungen. Sie wird alles unternehmen, um die beschriebenen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen und haftet für vorsätzliche und grobe Fahrlässigkeit ihrer Berater für Vermögensschäden bis zu einer Höhe von 1 Mio. EUR. Die D verpflichtet sich, alle Informationen über den Auftraggeber und dessen Unternehmen, von denen die Berater im Rahmen des Projekts Kenntnis erhalten, streng vertraulich zu behandeln.“

Die B beauftragte die D daraufhin am 06.05.2013 mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens entsprechend dem in der Projektskizze vom 25.04.2013 beschriebenen Auftragsumfang. Durch die Gutachterin wurde am 06.06.2013 eine Fortbestehensprognose bereitgestellt und am 29.07.2013 eine abschließende Fortführungsprognose für die X vorgelegt (Anlage K 3). In dieser kam die D zu dem Ergebnis, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit aufgrund einer Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € nur durch Sanierungsbeiträge der wirtschaftlich an der X Beteiligten verhindert werden könne. Dabei handelte es sich in erster Linie um die VM GmbH (nachfolgend VM) mit ihrem Geschäftsführer Herrn O und die V als Kreditgeber. In Verbindung mit weiteren empfohlenen Umstrukturierungsmaßnahmen kam die D zu dem Schluss, dass bei entsprechender Prolongation und Ausweitung des Engagements der Stakeholder eine positive Fortführungsprognose für die X gestellt werden konnte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 29.07.2013 verwiesen.

Nachdem trotz längerer Verhandlungen eine Einigung über die Verlängerung bzw. Ausweitung der Engagements der VM und der V bis Ende Februar 2014 nicht erreicht werden konnte, wurde aufgrund Eigenantrags der B vom 13.03.2014 mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Neubrandenburg vom 16.04.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögend der B eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit nicht datiertem schriftlichem Vertrag (Anlage K4) trat der Geschäftsführer der B sämtliche Freistellungs-, Regress- und sonstigen Ansprüche gegen die D, die ihm gegen diese aufgrund seiner insolvenzrechtlichen Inanspruchnahme als Geschäftsführer zustehen, an den Kläger ab. Diese Ansprüche aus abgetretenem Recht bilden den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

2. Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Geschäftsführer H gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. zum Ersatz masseschmälernder Zahlungen verpflichtet sei, welche die B in den Monaten Januar und Februar 2014 geleistet habe, da die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Aus den vorgelegten Zahlungseingängen und Kontoauszügen der B für diesen Zeitraum (Anlage K5, K6) ergebe sich, dass auf einem stets im Soll geführten Debetkonto der Gesellschaft Zahlungsgutschriften in Höhe von 422.214,34 Euro eingegangen seien, die dann sofort im Kontokorrent verrechnet worden seien. Tatsächlich sei die Zahlungsunfähigkeit der B bereits seit dem 01.11.2009 gegeben gewesen. Dem Geschäftsführer H stehe ein Anspruch auf Haftungsfreistellung gegen die D aus dem Sanierungsberatungsvertrag vom 06.05.2013 zu. Die D habe es versäumt, auf die Insolvenzreife der B hinzuweisen, obwohl sie hierzu bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard verpflichtet gewesen sei. Der Vertrag über das Sanierungsgutachten entfalte Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers, da er über § 64 GmbHG a.F. von der zu prüfenden Insolvenzreife in gleicher Weise betroffen sei wie die Gesellschaft selbst. Dieses sei der D auch bekannt gewesen. Hätte die D den Geschäftsführer H auf die Zahlungsunfähigkeit der B und damit den Eintritt der Insolvenzreife hingewiesen, hätte dieser umgehend einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft gestellt, so dass kein weiterer Schaden entstanden wäre. Eine etwaige Untätigkeit des Geschäftsführers trotz von ihm erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit der B stehe einer Haftung der D nicht entgegen, da sich verschiedene Verursachungsbeiträge nicht gegenseitig ausschlössen. Auch scheide insoweit ein zu berücksichtigendes Mitverschulden des Geschäftsführers aus, da dieser bei Fortführung der Geschäfte lediglich der Empfehlung der D als Gutachterin mit überlegener Sachkenntnis gefolgt sei. Die in der Projektskizze vom 25.04.2013 enthaltene Haftungsbeschränkung zugunsten der D sei unwirksam. Dies ergebe sich zumindest aus der unzulässigen Freizeichnung von der Erfüllung zentraler vertraglicher Pflichten, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 422.214,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die D bei der Erstellung des Sanierungsgutachtens keine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Eine Insolvenzreife habe zum Zeitpunkt der Erstellung der Fortführungsprognose nicht vorgelegen, auf die drohende Zahlungsunfähigkeit und den hohen Liquiditätsbedarf sei deutlich hingewiesen worden. Zudem sei bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard keine Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens geschuldet. Es sei bereits in der Projektskizze darauf hingewiesen worden, dass die D keine Rechtsberatungsleistungen erbringe. Diese habe die D als reine Unternehmensberatungsgesellschaft auch rechtlich nicht erbringen dürfen. Der Sanierungsberatungsvertrag entfalte ferner keine Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers. Der Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, dass es jedenfalls am Kausalzusammenhang zwischen einem möglichen Beratungsfehler der D in Verbindung mit der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 und einem erst ab Januar 2014 vermeintlich eingetretenen Schaden fehle. Ein zeitlicher Zusammenhang sei nicht erkennbar. Überdies träfen den Geschäftsführer eigenständig Prüfungspflichten hinsichtlich der finanziellen Situation der Gesellschaft. Der Geschäftsführer H habe jedoch trotz auch von der D vermittelter Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Schritte zur – von der D nicht geschuldeten – Prüfung der Insolvenzreife unternommen. Ihn treffe daher zumindest ein anspruchsausschließendes Mitverschulden. Die entsprechend der Projektskizze vereinbarte Haftungsbeschränkung der D sei wirksam.

3. Mit am 19.07.2022 verkündetem Endurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einer Einbeziehung des Geschäftsführers H in den Schutzbereich des zwischen der D und der B geschlossenen Beratungsvertrages fehle. Die vertraglich geschuldete Fortbestehens- und Fortführungsprognose habe allein den wirtschaftlichen Interessen der B gedient. Eine weitergehende Beratungspflicht in insolvenzrechtlichen Fragen sowie hinsichtlich Handlungsoptionen des Geschäftsführers habe nicht bestanden. Insoweit träfen den Geschäftsführer eigene originäre Pflichten. Die D habe zudem als reine Sanierungsberaterin keine Hinweise auf eine etwaige Insolvenzantragspflicht oder eine mögliche Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG a.F. geben dürfen, da dies eine unzulässige Rechtsberatung nach § 3 RDG dargestellt hätte. In der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 sei die Zahlungsunfähigkeit überdies thematisiert worden, so dass eine Pflichtverletzung der D nicht erkennbar sei. Nachdem der Geschäftsführer zur eigenständigen Prüfung der Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet sei, fehle es an dem erforderlichen Kausal- und Zurechnungszusammenhang der behaupteten Pflichtverletzung. Einen Schadenseintritt habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

4. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Landgericht habe nach seiner Auffassung die Pflichten des Sanierungsgutachters bei der Beauftragung einer Leistung nach dem IDW S6 Standard verkannt. Geschuldet sei danach der Hinweis auf eine eingetretene Überschuldung und Insolvenzreife. Dieses stelle als zulässige Nebendienstleistung nach § 5 RDG keine unerlaubte Rechtsberatung dar. Ein Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht sei durch die D unstreitig nicht erfolgt. Die Fortführungsprognose vom 29.07.2013 habe keine ernsthaften Zweifel an der Sanierungsfähigkeit der B aufkommen lassen, was bei tatsächlich bestehender Insolvenzreife eine Pflichtverletzung darstelle. Der Geschäftsführer der D habe in einer Zeugenaussage in einem Parallelverfahren (92 O 5/19 LG Würzburg) erklärt, dass während der Tätigkeit der D stets von Zahlungsfähigkeit ausgegangen worden sei, da andernfalls die Gutachtertätigkeit sofort hätte beendet werden müssen. Die Einbeziehung des Geschäftsführers der sanierungsbedürftigen Gesellschaft sei für die Fälle des Sanierungsberatungsvertrags nach IDW S6 Standard in der Rechtsprechung anerkannt. Die Kausalität der Pflichtverletzung der D für den eingetretenen Schaden werde durch eine eventuelle eigene Pflichtverletzung des Geschäftsführers H nicht ausgeschlossen. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers sei zudem nicht anspruchsausschließend oder kürzend zu berücksichtigen. Dieser habe darauf vertraut, dass aufgrund der positiven Fortführungsprognose durch den Sanierungsberater keine Insolvenzantragspflicht bestanden habe. Aufgrund der fehlenden persönlichen Fachkenntnisse des Geschäftsführers in insolvenzrechtlichen Belangen bei überlegener Sachkunde des Sanierungsberaters trete ein etwaiges Mitverschulden zurück, sei aber allenfalls mit 20% anzusetzen. Die von der D verwendete Haftungsbeschränkung sei nach AGB-Grundsätzen unwirksam.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des LG Würzburg, das auf den 12.07.2022 datiert, zum Az. 61 O 16/19 wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 422.214,34 € nebst Zinsen hieraus iHv fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Hilfsweise wird beantragt, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Weiterhin beantragt er, dem Beklagten für den Fall der Stattgabe der Berufung im Urteil vorzubehalten, den abgetretenen Gegenanspruch des Geschäftsführers H, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die begünstigte Gesellschaftsgläuberin im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an den Beklagten abzutreten.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Das Landgericht habe zu Recht die Voraussetzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hinsichtlich des Geschäftsführers der B verneint. Im auf der Projektskizze vom 27.04.2013 beruhenden Beratungsvertrag zwischen der D und der B seien Rechtsberatungs- und Wirtschaftsprüferleistungen ausdrücklich ausgeschlossen worden. Es sei daher kein Hinweis auf eine Insolvenzantragspflicht geschuldet gewesen. Die Leistungen der D sollten lediglich in Anlehnung an den IDW S6 Standard erbracht werden. Dieser habe rechtlich keine bindende Wirkung. Nachdem jedoch das Leistungsspektrum des Beratungsvertrags bereits zwischen den Vertragsparteien abschließend vereinbart worden sei, komme eine ergänzende Heranziehung der Leistungsbestimmung nach IDW S6 nicht in Betracht. Dieses entspreche der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17) wie auch einem Hinweisbeschluss des 4. Senats des OLG Bamberg vom 16.12.2022 (Az. 4 U 179/22). Die D habe zudem ihre vertraglichen Pflichten nicht verletzt, da in dem Gutachten vom 29.07.2013 mit hinreichender Deutlichkeit auf eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden sei. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei auch den Vertretern der X bekannt gewesen. So habe der Geschäftsführer K der Y GmbH in seiner Vernehmung in einem Parallelverfahren (Anlage BK1) angegeben, dass mit den von der D vorgeschlagenen Maßnahmen die Deckungslücke von 1,3 Mio € und damit der Grund der Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden sollte. Auch sei dem Zeugen die dreiwöchige Frist zur Insolvenzantragsstellung gemäß § 15a InsO bekannt gewesen. In einem Verfahren des Klägers gegen die D sei mit Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18) festgestellt worden, dass die Verantwortlichen der X-Gruppe bereits seit Juli 2013 Zahlungen in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit erbrachten. Aus diesem Grund könne der D nicht ein erst ab Januar 2014 eingetretener Schaden aufgrund der vom Geschäftsführer pflichtwidrig unterlassenen Insolvenzantragsstellung zugerechnet werden. Jedenfalls liege aber ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Geschäftsführers vor, da diesem im Januar 2014 bekannt war, dass die im Gutachten vom 29.07.2013 vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen noch nicht umgesetzt worden waren. Im Übrigen sei der vereinbarte Haftungsausschluss wirksam. Insbesondere habe die D nicht unzulässig ihre Haftung für verletzte Hauptleistungspflichten ausgeschlossen, da ein Hinweis auf eingetretene Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzreife vertraglich nicht geschuldet gewesen sei.

Der Senat hat mit Beschluss vom 22.02.2023 die Parteien auf verschiedene rechtlich erhebliche Gesichtspunkte hingewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen (Bl. 187 d.A.). Weiterhin ist Beweis erhoben worden durch zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers der B im Termin vom 17.07.2023. Hinsichtlich der Angaben des Zeugen H wird auf das Protokoll des Termins verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht unter Berücksichtigung eines anspruchskürzenden Mitverschuldens des Geschäftsführers der B von 50% ein Zahlungsanspruch in Höhe von 211.107,17 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB zu.

1. Mit dem zwischen der B und der D mit Auftragserteilung vom 06.05.2013 geschlossenen Sanierungsberatungsvertrag wurde das vollständige Leistungsspektrum nach dem Standard IDW S6 beauftragt. Eine hiervon abweichende und abschließende Vereinbarung durch die D zu erbringender Leistungen besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die D daher auch verpflichtet, die B in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet war, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen Maßnahmen anzuhalten.

a) Grundlage des Vertrags war die Projektskizze vom 25.04.2013. Bereits in der Überschrift der Projektskizze ist angeführt, dass die Fertigung des Gutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard erfolgt. Auf Seite 4 der Projektskizze ist ausgeführt, dass das Gutachten auf Wunsch des Gläubigers V dem IDW S6 Standard entsprechen soll. Unter Zugrundelegung des IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012) ist in jedem Fall durch den Sanierungsgutachter der Hinweis auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit in einer Form geschuldet, die es dem Auftraggeber ermöglicht, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Dieses ergibt sich aus verschiedenen Vorgaben für die Gutachtenserstellung nach IDW S6:

In Rn. 12 IDW S6 wird m Rahmen von 2.1 (Kernanforderungen an Sanierungskonzepte) auf einzuleitende Eilmaßnahmen innerhalb der 3-Wochen-Frist nach § 15a Abs. 1 InsO (i.d.F.v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) hingewiesen. Der Sanierungsgutachter hat danach den Eintritt der Insolvenzreife im Zeitraum bis zur Fertigstellung des Gutachtens auszuschließen. Diese im „Kernbereich“ getroffenen Feststellungen muss der Gutachter bei Anlass unverzüglich dem Auftraggeber offenlegen, damit dieser bspw. die in Rn. 12 IDW S6 aufgeführten Eilmaßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen kann. Offenkundige Insolvenzantragspflichten wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung müssen im Zeitraum der Begutachtung bis zur Fertigstellung des Sanierungskonzepts mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sein.

In Rn. 79, 80 IDW S6 weist bereits der Titel des Abschnitts 3.4.6 „Feststellungen zur Insolvenzreife“ eindeutig darauf hin, dass es sich um einen wesentlichen Teil des Prüfungsumfangs des Sanierungsgutachters handelt. In Rn. 79 wird ausdrücklich zwischen drohender und bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit unterschieden, da sich nur bei ersterer die Möglichkeit eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO (mit Wirkung v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) eröffnet. Bereits im Rahmen der Fortbestehensprognose sind daher Feststellungen zum Umfang der Zahlungsschwierigkeiten zu treffen, da sich hier verschiedene Reaktionsmöglichkeiten des Auftraggebers ergeben können von Beschaffung frischen Kapitals bis zur erforderlichen Insolvenzantragsstellung. Dieses wird in Rn. 80 nochmals ausdrücklich klargestellt, wenn bestimmt wird: „Ergeben sich … Hinweise auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, muss darauf unverzüglich aufmerksam gemacht werden, um den gesetzlichen Vertretern Gelegenheit zu geben, die gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen…“ (vgl. auch Pape/Ott, Sanierungsgutachten, 1. Aufl., Rn. 703 ff zu den Pflichten des Sanierungsgutachters bei Feststellung der Insolvenzreife).

Für den Gutachter selbst gilt, dass er die Begutachtung zu beenden oder zu versagen hat, sobald für ihn erkennbar wird, dass eine Insolvenzantragspflicht bereits vorliegt und dennoch eine außergerichtliche Sanierung noch versucht werden soll (IDW S6 Rn. 80 a.E.).

Der Abschnitt 3.6 behandelt in Rn. 84, 85 IDW S6 die Fortführungsprognose. Diese war Gegenstand des abschließenden Gutachtens vom 29.07.2013. Es sind Feststellungen zu Zahlungsfähigkeit und Überschuldung im Fortführungszeitraum zu treffen. In Rn. 85 wird dabei ausdrücklich auf die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO) verwiesen. Für die Steuerberaterhaftung wurde vom Bundesgerichtshof (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) ausdrücklich klargestellt, dass im Gegensatz zu den Pflichten im Rahmen eines allgemeinen Dauermandats des Steuerberaters fehlerhafte oder fehlende Feststellungen im Rahmen einer Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO eine Haftung für hieraus folgende Schäden begründen können.

Nach IDW S6 Rn. 86 ff. hat der Gutachter auch eine handelsrechtliche Fortführungsprognose zu erarbeiten. Eine positive Prognose darf dabei nur gestellt werden, wenn weder die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen noch andere rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten der Fortführung im Prognosezeitraum entgegenstehen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit bzw. drohender Überschuldung müssen geeignete Sanierungsmaßnahmen bereits eingeleitet oder jedenfalls in der Planung hinreichend konkretisiert sein. Ohne eine positive Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) fehlt es an der Sanierungsfähigkeit (vgl. IDW S6 Rn. 11).

b) Einer Heranziehung der Regelungen des IDW S6 Standards steht vorliegend der Vorrang konkreter vertraglicher Bestimmungen nicht entgegen. Einerseits sind zwar entsprechend der Projektskizze nur Leistungen „in Anlehnung an“ diesen Standard vereinbart. Allerdings ist unstreitig, dass die V als eigentlicher Initiator der Beauftragung ein Gutachten nach diesem Standard als Entscheidungsgrundlage für die Fortführung ihres Kreditengagements wollte, was so auch in der Projektskizze angeführt wird. Ferner stellt die Projektskizze auch inhaltlich mit dem Verweis auf eine Fortbestehens- und Fortführungsprognose auf zentrale Bestandteile des IDW S6 ab. Andererseits findet sich in den vertraglichen Bestimmungen kein Hinweis auf eine ausdrückliche oder konkludente Einschränkung der nach IDW S6 zu erbringenden Leistungen der D. Die Projektskizze (= Gutachtensvertrag) vom 25.04.2013 (Anlage K2) führt vielmehr unter Ziff. 3, 1. Absatz ausdrücklich aus, dass ein „Sanierungsgutachten“ benötigt werde, „das dem IDW S6 Standard entspricht“. Der Verweis auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen ist lediglich allgemeiner Natur und nimmt auf die gesetzlichen Einschränkungen aufgrund der Rechtsform der D und Qualifikation der für sie handelnden Personen Bezug. Die fehlende Befugnis nach § 3 RDG und § 3 StBerG hinderte die D nicht an den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der B.

c) Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17), in der dieses die Verpflichtung eines Sanierungsberaters zur Aufklärung über eine bestehende Insolvenzantragspflicht abgelehnt hat, betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Der dortigen Beauftragung lag keine umfassende Beauftragung zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens mit Fortführungsprognose nach IDW S6 zugrunde, sondern eine abschließende Aufzählung von vierzehn Leistungspunkten. Zudem hatte die Schuldnerin in dem dort entschiedenen Fall weitere Berater mit der Prüfung steuerlicher und rechtlicher Fragen beauftragt. Hingegen bejaht das OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) in einer mit dem vorliegenden Fall eher vergleichbaren Konstellation (umfassende Beauftragung eines Sanierungsgutachtens nach dem Standard IDW S1) eine Aufklärungspflicht bzgl. eingetretener Insolvenzreife aufgrund der überlegenen Sachkunde des Sanierungsberaters und nimmt zugleich die Einbeziehung der gesetzlichen Vertreter der krisenbefangenen Gesellschaft in den Schutzbereich des Vertrages vor dem Hintergrund der möglichen Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung sowie der persönlichen Haftung des Geschäftsführers an.

d) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.01.2017 (Az. IX ZR 285/14) die Hinweispflicht für Steuerberater im Rahmen eines allgemeinen steuerlichen Mandats deutlich verschärft. Die vom Beklagten zitierte (Schriftsatz 27.04.2023, Bl. 255 d.A) ältere Rechtsprechung (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) wurde insoweit ausdrücklich ausgegeben. Danach ist der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Die Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Sanierungsberater ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Maßgeblich ist insoweit, ob die Bewertungsfrage der positiven Fortführungsprognose nach den Umständen des Einzelfalls zum Gegenstand des Auftrags gemacht worden ist. Soll der Berater sich zur Frage der Insolvenz äußern, steht dies außer Zweifel. Es ist aber davon auszugehen, dass der als Spezialist in der Unternehmenskrise zugezogene Berater typischerweise konkludent damit beauftragt wird, den wirtschaftlich gravierendsten Fall der eingetretenen Insolvenzreife ggfs. zu erforschen und darüber aufzuklären (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anh. § 60 Rn. 244 m.w.N.). Da vorliegend mit der Vereinbarung des Standards IDW S6 Feststellungen zu den Voraussetzungen der möglichen Insolvenzreife ausdrücklich geschuldet wurden, ist von einer entsprechenden Hinweispflicht der D auszugehen.

2. Eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB der D ist gegeben. Sie hat nicht in der vertraglich geschuldeten Form auf eine bei Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B hingewiesen.

a) Es kann vorliegend dahinstehen, ob im Anschluss an OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/12) ein konkreter Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht erforderlich ist, wobei § 5 Abs. 1 RDG einen solchen Hinweis als zulässige Nebenleistung im Zuge der Sanierungsberatung rechtlich ermöglichen würde (vgl. BGH, Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12 zur Zulässigkeit beim Steuerberater/Wirtschaftsprüfer; BVerwG, Urteil v. 27.10.2004, Az. 6 C 30/03 zu Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG; Krenzler-Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 5 Rn. 105ff m.w.N.). Allerdings weist das Sanierungsgutachten der D vom 29.07.2013 bereits nicht in einer Form auf eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hin, die geeignet ist, die gesetzlichen Vertreter zur Stellung eines Insolvenzantrags zu veranlassen. Vielmehr steht das Gutachten mit einer positiven Fortbestands- und Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO und dem Vorschlag konkreter Sanierungsmaßnahmen außerhalb der Frist des § 15a InsO (a.F.) der Einleitung des Insolvenzverfahrens entgegen. Damit war es nicht geeignet, wie geschuldet die wirtschaftliche Situation des Unternehmens in einer Weise darzustellen, die den Auftraggeber in die Lage versetzt, auch unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Pflichten entsprechend zu handeln, vgl. Rn. 80 der IDW S6. In einer Gesamtbetrachtung des Gutachtens vom 29.07.2013 ist der Senat der Überzeugung, dass die D tatsächlich von noch bestehender Zahlungsfähigkeit der B ausging und dieses auch dem Auftraggeber so vermittelte. Der Geschäftsführer der D M gab in seiner Zeugenvernehmung vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 an (Anlage BK 1, Bl. 230 d.A.), dass das Unternehmen Y GmbH als Bestandteil der X im Dezember 2013 noch zahlungsfähig gewesen sei, da 1 Mio. € durch den Verkauf des Milchsammelgeschäfts sowie die Prolongation des Kredits der V zugeflossen sei. Näher erklärt der Zeuge: „Im Januar 2014 hatte die V dann den Kredit ultimativ bis zum 05. März 2014 prolongiert. Jetzt liefen die richtigen Probleme zu. Wenn die Geschäftsführer an dieser Stelle Herrn O unter Druck gesetzt hätten und er hätte nicht geleistet, dann hätten sie Insolvenz anmelden müssen.“ Zu beachten ist insoweit, dass die D ihre beratende Tätigkeit nach Vorlage der ersten Fortführungsprognose am 29.07.2013 fortsetzte und vom Geschäftsführer H auf Wunsch der V beauftragt wurde, diese zu überarbeiten. Eine zweite Fortführungsprognose sei nach Angaben des Zeugen M nach November 2013 erstellt worden und habe keine Liquiditätsprobleme aufgezeigt.

b) Soweit der Beklagte auf die mehrfachen Hinweise auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit und eine bestehende Liquiditätslücke von 1,3 Mio € in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 verweist, wovon auch die gesetzlichen Vertreter der B Kenntnis gehabt hätten, führt dieses zu keinem anderen Ergebnis. Eine „drohende“ Zahlungsunfähigkeit stellt eine pauschale Darstellung dar, die nicht auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowie das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 15a InsO verweist. Konkret waren die Beteiligten auf Grundlage der Fortführungsprognose der D offensichtlich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Liquidität der B durch die vorläufige Prolongation des Darlehens der V sowie die Einstandsbereitschaft des weiteren Gläubigers VM gegeben war und Eilmaßnahmen bis hin zu einer Insolvenzantragsstellung nicht geboten waren, so dass durch die D im Ergebnis die Fortführung des Unternehmens empfohlen wurde. Auch der Zeuge H als Geschäftsführer der B und damit direkter Adressat des Gutachtens hat in seiner Einvernahme durch den Senat erklärt, dass nach seinem Verständnis das Gutachten eine Fortführung des Unternehmens ohne sofortige Einleitung insolvenzrechtlicher Maßnahmen zum Ergebnis hatte.

Damit liegt – eine zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestehende Zahlungsunfähigkeit unterstellt (hierzu nachfolgend II. 1. d) – eine Pflichtverletzung vor. Die D hätte eine (außergerichtliche) Sanierungsfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose ausdrücklich verneinen müssen.

c) Soweit im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Endurteils festgehalten ist, dass an mehreren Stellen im Gutachten explizit auf die Zahlungsunfähigkeit hingewiesen wurde, steht § 314 ZPO nicht entgegen. Aus dem Tatbestand ergibt sich nicht, dass die D mit der erforderlichen und geschuldeten Deutlichkeit auf die Bedeutung des Vorliegens eines Insolvenzgrunds hingewiesen hat. Insoweit kommt es auf das Gesamtergebnis des Gutachtens mit seinen Handlungsempfehlungen an und nicht auf einzelne Aussagen.

d) Nach den getroffenen Feststellungen lag die Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife der B während oder bei Abschluss der Gutachtenserstellung durch die D im Juli 2013 vor.

Insolvenzreife setzt eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) voraus. Zahlungsunfähigkeit und nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10% zurückzuführen (std. Rspr., vgl. BGH, Urteil v. 19.12.2017, Az. II ZR 88/16 m.w.N.).

Der Kläger hat unter Vorlage eines Gutachtens der S. InsolvenzSteuerberatungsgesellschaft mbH vom 18.12.2014 (Anlage K7) eine Zahlungsunfähigkeit der B seit dem 01.11.2009 dargelegt und Sachverständigenbeweis angeboten (Bl. 6 d.A.). Der Kläger ist daher seiner Darlegungslast unter Beweisantritt nachgekommen. Der Vortrag des Beklagten zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife der B ist hingegen nicht konsistent. Während in der Klageerwiderung vom 10.04.2019 (Bl. 15 d.A.) der Eintritt von Insolvenzreife im Juli 2013 bestritten wurde, wird in der Berufungserwiderung vom 04.10.2022 auf eine von der D im Rahmen der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 festgestellte Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund abgestellt (Bl. 171 d.A.). Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist ferner unsubstantiiert, nachdem die von ihm vertretene Insolvenzschuldnerin (D) eigene Sachkunde und -kenntnisse besitzt. Grundlage von deren Gutachtertätigkeit waren Feststellungen zur Liquidität und Zahlungsfähigkeit der B auch unter Berücksichtigung der längerfristigen finanziellen Kennzahlen für die Vergangenheit. Es ist dem Beklagten daher ohne weiteres möglich, sich inhaltlich mit dem Vortrag des Klägers zum Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Zahlungsunfähigkeit der B auseinanderzusetzen. Im Übrigen besitzt der Beklagte auch in eigener Person als Insolvenzverwalter die hierfür erforderliche Sachkunde. Die in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 enthaltenen Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der B sind nicht geeignet, die Feststellungen im Gutachten in Frage zu stellen, nachdem es an einer konkreten Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Zahlungs(un) fähigkeit fehlt.

3. Der Vertrag zwischen der B und der D über die Erbringung von Leistungen der Sanierungsberatung entfaltet Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers der B (vgl. OLG Köln, a.a.O.; dem Grunde nach für einen Steuerberater auch BGH, Beschluss v. 14.06.2012, Az. IX ZR 145/11). Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Beschluss v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12; Urteil v. 13.10.2011, Az. IX ZR 193/10).

Die Feststellung der Insolvenzreife eines Unternehmens ist wie dargestellt Hauptleistungspflicht des Sanierungsberatervertrags nach dem Standard IDW S6, mit welcher der Geschäftsführer aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. erkennbar in gleicher Weise in Berührung kommt, wie der Auftraggeber selbst (bejahend auch BGH, Beschluss v. 26.01.2023, Az. III ZR 91/22). An einer Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers bestehen aufgrund seiner gegenüber der D unterlegenen Sachkunde sowie der drohenden Konsequenzen einer Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten keine Zweifel. Auch Rn. 80 der IDW S6 geht von der Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters in den Schutzbereich des Vertrages aus, da diesem durch eine Information über die (drohende) Zahlungsfähigkeit ausdrücklich die Möglichkeit gegeben werden soll, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen (bejahend auch Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1201).

4. Gegen den Geschäftsführer der B bestehen aufgrund masseschmälernder Leistungen gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Abs. 1 GmbHG n.F.) Ansprüche in Höhe von 422.214,34 €, die einen als Schaden geltend zu machenden an den Kläger abgetretenen Freistellungsanspruch gegen den Beklagten begründen.

a) Die Darstellung des Schadens durch den Kläger ist schlüssig und vom Beklagten lediglich pauschal bestritten (Bl. 21 d.A.). Die sofortige Sollbuchung sich aus der Anlage K5 ergebender eingehender Zahlungen innerhalb des Kontokorrentkontos stellte sich jeweils als Zahlung der B an die kontoführende U Bank AG entsprechend § 64 GmbHG a.F. dar, die nach Eintritt der Insolvenzreife eine Geschäftsführerhaftung auslöst. Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 GmbHG nF), weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird (vgl. nur BGH, Urteil v. 23.06.2015, Az. II ZR 366/13 = BGHZ 206, 52 m.w.N.).

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H, der seine Ansprüche gegen die D wirksam an den Kläger abgetreten hat, nicht erforderlich. Die drohende Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. begründete zunächst einen gegen die D gerichteten Freistellungsanspruch des Geschäftsführers H, der sich erst mit der Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umwandelte (vgl. jurisPK-BGB-Rosch, 10. Aufl., § 399 Rn. 11 m.w.N.).

c) Die im unterlassenen Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit begründete Pflichtverletzung der D war auch kausal für diesen eingetretenen Schaden.

Der Beklagte hat die Kausalität unter Hinweis auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten bestritten, die dem Geschäftsführer nach Vorlage der Fortführungsprognose im Juli 2013 offenstanden, dieses auch für den Fall der Insolvenzreife (Klageerwiderung v. 10.04.2019, Bl. 16, 27 d.A.). Ein Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhaltens besteht nicht, da bei einem Hinweis auf eine Überschuldung der Gesellschaft verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, um eventuell auch eine sofortige Insolvenzantragstellung zu vermeiden, wie etwa die Zuführung frischen Kapitals (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1241).

Der Kläger hat jedoch den entsprechenden Kausalitätsnachweis geführt. Der Zeuge H als zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichteter Geschäftsführer der B hat nachvollziehbar und glaubwürdig angegeben, dass er mit der Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 sofort die Insolvenz des Unternehmens angemeldet hätte, falls in dem Gutachten auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden wäre. Dieses hätte er bereits aus Gründen des Eigenschutzes aufgrund der ihm bekannten Geschäftsführerhaftung gemacht.

Der Senat hat keine Zweifel an diesen Angaben des Zeugen. Dafür, dass der Zeuge H trotz ausdrücklicher gutachterlicher Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und außergerichtlicher Sanierungsunfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose die zeitnahe Stellung eines Insolvenzantrags unterlassen hätte, sind weder vom Beklagten nachvollziehbare Anhaltspunkte dargelegt worden, noch sind diese sonst ersichtlich. Durch eine Insolvenzantragsstellung zeitnah zur Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 wären die eine Geschäftsführerhaftung begründenden Zahlungen der B im Januar/Februar 2014 nicht erfolgt.

Die Frage der Kenntnis der gesetzlichen Vertreter der B und damit des Zeugen H von deren (drohender) Zahlungsunfähigkeit und der Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter zur eigenständigen Prüfung der Voraussetzung nach § 15a InsO ist hingegen für die Kausalität unerheblich. Bei der Feststellung der Kausalität ist lediglich die pflichtwidrige Handlung wegzudenken. Hingegen dürfen weitere hypothetische Umstände nicht hinzugedacht werden dürfen (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, IX ZR 204/12).

5. Der Anspruch des Klägers ist jedoch aufgrund Mitverschuldens des Geschäftsführers der B als Zedenten um 50% zu kürzen. Die Berufung ist daher zurückzuweisen, soweit ein über 211.107,17 € hinausgehender Anspruch geltend gemacht wird.

Der Schadensersatzanspruch kann aufgrund eines Mitverschuldens des Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12). Den Geschäftsführer einer GmbH trifft die Pflicht, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu vergewissern. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 19.06.2012, Az. II ZR 243/11 m.w.N.).

a. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urteil v. 07.12.2006, Az. IX ZR 37/04 m.w.N.). Dementsprechend darf sich selbst ein Auftraggeber mit einschlägiger Vorbildung auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch den Berater verlassen (BGH, Urteil v. 18.12.1997, Az. IX ZR 153/96; Steuerberaterhaftung). Ist der Berater mit der Sanierungsberatung, der Erstellung eines Sanierungskonzepts oder sogar explizit mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt und erteilt er im Rahmen dessen falsche Auskünfte zur Insolvenzreife, darf der Geschäftsführer in aller Regel auf diesen Rat vertrauen, weil er die (interne) Prüfungspflicht dem mandatierten Berater anvertraut hat. Ein der Gesellschaft zuzurechnendes Mitverschulden der Geschäftsführer für eine verspätete Insolvenzantragsstellung wird in diesen Fällen daher zumeist ausscheiden (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1252 m.w.N.).

Dies gilt zunächst auch im vorliegenden Fall. Da Feststellungen zur Fortführungsfähigkeit der B in Abgrenzung zur Insolvenzreife Hauptleistungspflicht des Beratervertrags der D war, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die gesetzlichen Vertreter der B daneben die Insolvenzreife auch eigenständig zu prüfen hatten. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers H kann daher nicht damit begründet werden, dass er nach Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 den in diesem enthaltenen Empfehlungen zur Fortführung des Unternehmens folgte, aus denen sich ergab, dass die D nicht von der Insolvenzreife der B ausging.

b. Allerdings kann der Mitverschuldenseinwand auf das weitere Untätigbleiben des Geschäftsführers H bis zur Stellung des Insolvenzantrags am 13.03.2014 gestützt werden. Der Beklagte bezieht sich insoweit auf die Nichtumsetzung der im Gutachten vom 29.07.2013 beschriebenen Maßnahmen. Nachdem eine Umsetzung zeitnah nicht erfolgt sei, habe die B bei bekannter drohender Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Liquiditätslücke externen Rechtsrat einholen müssen.

(1) Grundsätzlich kann der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und dem entstandenen Schaden unterbrochen sein, wenn die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruhen. Dieses kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Geschäftsführer die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten haben, weil die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, deutlich überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp a.a.O., Rn. 1247).

Hiergegen spricht vorliegend, dass in dem Fortführungsgutachten keine konkrete zeitliche Vorgabe für die Umsetzung der Sanierungsvorschläge enthalten war. Neben grundsätzlichen Umstrukturierungsmaßnahmen für die X sollte die Liquiditätsproblematik vor allem durch drei Maßnahmen beseitigt werden – die Veräußerung des Milchsammelgeschäfts für 500.000,00 €, die langfristige Prolongation des Darlehensrahmens der V von 500.000,00 € sowie ein weiteres finanzielles Engagement der VM in Höhe von 300.000,00 €. Ausweislich der Feststellungen im vorgelegten Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18, Anlage K11) sowie den Angaben des vormaligen Geschäftsführers der D in seiner Einvernahme vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 vor dem Landgericht Würzburg wurden die Mittel aus der Veräußerung des Milchsammelgeschäfts Anfang 2014 realisiert, während über die Sanierungsbeiträge der beiden Hauptgläubiger der B laufende Verhandlungen bis ins Jahr 2014 hinein stattfanden. Aus den nicht bestrittenen Angaben des vormaligen Geschäftsführers ergibt sich ferner, dass die D nach Abgabe der Fortführungsprognose im Juli 2013 den Sanierungsprozess weiter begleitete und nach November 2013 eine zweite Fortführungsprognose ohne das Milchsammelgeschäft erstellte. Es ist daher nicht ersichtlich, dass sich bis Januar 2014 für die gesetzlichen Vertreter der B eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder ein sicheres Scheitern des fortlaufend von der D begleiteten Sanierungsprozesses abzeichnete.

(2) Ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Geschäftsführers der B ergibt sich hingegen aus dem Umstand, dass nach eigenem Vortrag des Klägers die B bereits seit dem 01.11.2009 ununterbrochen zahlungsunfähig war, ohne dass ersichtlich ist, dass seitens ihrer gesetzlichen Vertreter Schritte zur Feststellung der finanziellen Gesamtsituation sowie erforderlicher insolvenzrechtlicher Schritte unternommen wurden. Dieses geschah erst auf Forderung eines Hauptgläubigers (V) mit der Beauftragung der D im Frühjahr 2013 und damit etwa 3,5 Jahre nach dem klägerseits behaupteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Hieraus folgt eine maßgebliche Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers zur Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der zeitnahen Heranziehung wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise. Zwar sind Gegenstand der Klage vorliegend Schäden, die erst nach Beauftragung der D und deren Auskunftserteilung eingetreten sind (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1255). Allerdings bestand seitens der gesetzlichen Vertreter auch nach Fertigstellung des Gutachtens im Juli 2013 dringende Veranlassung, weiter eigenständig Feststellungen zur insolvenzrechtlich relevanten Finanzsituation der B zu treffen, da die Fortführungsprognose erkennbar nicht geeignet war, diese Fragen abschließend zu beantworten. So enthielt das Gutachten weder eine eindeutige und begründete verneinende Aussage zur Insolvenzreife des Unternehmens noch Angaben zu einzuhaltenden Fristen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen. Vor dem Hintergrund der den gesetzlichen Vertretern der B spätestens seit der Vorlage des Gutachtens bekannten Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € sowie der seit Jahren bestehen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis hin zum teilweisen Ausfall der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wären die gesetzlichen Vertreter verpflichtet gewesen, jedenfalls durch das Verlangen nach einer Ergänzung des Gutachtens gegenüber der D eine Klarstellung im Hinblick auf die aktuelle und nahe zukünftige insolvenzrechtliche Lage des Unternehmens zu erlangen.

Das Landgericht Aachen (Urteil v. 14.04.2021, Az. 11 O 241/17, insoweit bestätigt durch OLG Köln, Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) hat aufgrund der eigenen Prüfpflichten des Geschäftsführers bei Kenntnis der kritischen Liquidität der Gesellschaft und Insolvenzreife weit vor Beauftragung des Sanierungsgutachters ein Mitverschulden von 70% angenommen. Abweichend zum vorliegenden Fall war in der dortigen Konstellation jedoch ein Hinweis des Sanierungsberaters erfolgt, die mögliche Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch einen Dritten überprüfen zu lassen. Zudem lagen Indizien vor, dass dem Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bekannt war. Vorliegend erachtet der Senat unter Berücksichtigung sämtlicher dem Geschäftsführer H bekannten Umstände im Hinblick auf die wirtschaftliche Krise der B die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens als angemessen.

6. Die Haftungsbeschränkung der D in der zum Gegenstand des Vertrags gemachten Projektskizze vom 25.04.2013 ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.

Eine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten ist in Gestaltungen der Inanspruchnahme eines durch höhere Sachkenntnis begründeten besonderen Vertrauens zumindest sehr problematisch (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.04.2009, Az. I-24 U 27/08 [Wirtschaftsprüfer]; insgesamt MüKo/BGB-Wurmnest, 9. Aufl., § 307 Rn. 150 ff. m.w.N.). Daher ist ein vertraglicher Haftungsausschluss bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern gesetzlich ausgeschlossen (vgl. § 52 BRAO, § 67a StBerG, § 323 Abs. 4 HGB). Vorliegend nahm die D als Sanierungsberaterin angesichts der umfassenden und ausschließlichen Beauftragung nach Standard IDW S6 ein besonderes Vertrauen in Anspruch. Es handelte sich bei der D um eine am Markt etablierte Beratungsgesellschaft in ständiger Geschäftsbeziehung zur Gläubigerin V. Die Gutachtenserstellung erfolgte arbeitsteilig durch mehrere Mitarbeiter mit offenbar spezifischen Fachkenntnissen. Es ist daher gerechtfertigt, das Haftungsregime dem gesetzlich geregelter wirtschaftsprüfender Professionen anzunähern. Eine Freizeichnung würde jedenfalls hinsichtlich der im konkreten Fall verletzten vertraglichen Hauptpflichten die Auftraggeberin entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unbillig benachteiligen (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1288 f für die Verletzung von Kardinalpflichten unter Verweis auf entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

7. Ein Gegenanspruch des Beklagten auf Abtretung eines vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers der B auf Berücksichtigung einer Insolvenzquote der begünstigten Gesellschaftsgläubiger kann eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung des Klägers nicht begründen.

a) Um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern, ist dem gemäß § 64 GmbHG verurteilten Geschäftsführer grundsätzlich von Amts wegen vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGH, Urteil v. 08.01.2001, Az. II ZR 88/99 = BGHZ 146, 264, 279; Urteil v. 11.07.2005, Az. II ZR 235/03; Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12). Hierdurch wird im Verhältnis vom Geschäftsführer zu der in der Insolvenz befindlichen Gesellschaft dem Umstand Rechnung getragen, dass sich der der Gesellschaft verbleibende Schaden im Ergebnis aus den um die Insolvenzquote des begünstigten Gläubigers verminderten masseschmälernden Leistungen ergibt, es sich mithin um einen einheitlichen Vorgang der Schadensermittlung handelt.

b) Abweichend hiervon ist Gegenstand der Klage aus abgetretenem Recht vorliegend der gegen einen Dritten gerichtete Freistellungsanspruch hinsichtlich der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. Der Gegenanspruch des Geschäftsführers auf Berücksichtigung der Insolvenzquote des begünstigten Gesellschaftsgläubigers besteht daher nicht unmittelbar in der Person des Beklagten als Insolvenzverwalter der D, sondern ist diesem erst – wie auch von dem Beklagten geltend gemacht – im Wege der Abtretung zu übertragen, um ihn dann dem Kläger entgegen halten zu können. Es handelt sich somit nicht um die Feststellung eines einheitlichen Schadens in einem Schuldverhältnis. Vielmehr hat der Beklagte erstmals im Termin vom 17.07.2023 aufgrund eines bestehenden Anspruchs auf Abtretung des gegen den Kläger vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, § 273 Abs. 1 BGB. Hiermit ist der Beklagte jedoch präkludiert, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger ist Vortrag des Beklagten hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des Gegenanspruchs entgegen getreten. Gründe für die ausnahmsweise Zulässigkeit der verspäteten Geltendmachung der Einrede gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

8. Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf § 291, § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO aufgrund des jeweils hälftigen Obsiegens der Parteien.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Bei dem Urteil des Senats handelt sich um eine auf Bewertung von Tatsachen beruhende Einzelfallentscheidung, die keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft.

9. Der Streitwert bestimmt sich nach dem bezifferten Zahlungsantrag des Klägers zuzüglich des zuletzt geltend gemachten Gegenrechts des Beklagten, welches der Senat mit 3.000,00 € bemisst (vgl. insoweit BGH, Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12).

 

 
BUNDESGERICHTSHOF
Urteil vom 29. Juni 2023 - IX ZR 56/22
 
Tenor


Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. März 2022 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand


Die Klägerin nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer eines in Insolvenz gefallenen Rechtsanwalts (nachfolgend nur noch: Rechtsanwalt) in Anspruch. Sie macht geltend, ihr stünden Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht gegen den versicherten Rechtsanwalt zu, weil dieser Hinweis- und Warnpflichten verletzt habe.

Zedenten des abgetretenen Schadensersatzanspruchs sind M.  und M.  J.      M.       . M.  M.       senior war bis Ende 2009 Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der M.                  GmbH & Co. KG (nachfolgend: KG). Danach wurde sein Sohn, M.  J.    M.       junior, Geschäftsführer. Die Klägerin behauptet, M.  M.        senior sei weiterhin faktisch als Geschäftsführer tätig gewesen. Die KG beauftragte den Rechtsanwalt ab Juli 2009 wiederholt mit ihrer Beratung. Auf Antrag vom 4. Juni 2012 wurde am 1. August 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Der Insolvenzverwalter nahm M.  und M.  J.    M.        wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch. Diese verpflichteten sich im Wege eines Vergleichs als Gesamtschuldner zu einer Zahlung in Höhe von 85.000 €. Die Zahlung wurde geleistet.

In Höhe dieses Betrags verlangt die Klägerin von dem beklagten Haftpflichtversicherer Schadensersatz. Sie meint, der Rechtsanwalt habe seine Beratungspflichten im Blick auf eine bestehende Insolvenzreife der KG verletzt; M.  und M.  J.    M.         seien als formaler und faktischer Geschäftsführer in den Schutzbereich der mit der KG geschlossenen Mandatsverträge einbezogen gewesen. Auf dieser Grundlage begehrt die Klägerin zudem Ersatz von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 11.766,66 €, die M.  und M.  J.    M.        in der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Insolvenzverwalter über den geltend gemachten Anspruch wegen Zahlungen nach Insolvenzreife entstanden sind.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 96.766,66 € (85.000 € zuzüglich 11.766,66 €) stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Anspruch weiter.

Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat sich nach Beweisaufnahme nicht davon überzeugen können, dass der Rechtsanwalt im Sinne einer Hauptpflicht gehalten gewesen sei, auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfenden Handlungspflichten der organschaftlichen Vertreter der KG hinzuweisen. Ob eine entsprechende Nebenpflicht bestanden habe, hat das Berufungsgericht offengelassen. Insoweit fehle es an einer Einbeziehung der Vertreter in den Schutzbereich der zwischen dem Rechtsanwalt und der KG geschlossenen Mandatsverträge. Bestünden bloß nebenvertragliche Hinweis- und Warnpflichten, etwa wenn sich im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit Anhaltspunkte für die Gefahr einer Insolvenz des Mandanten ergäben, führe es zu weit, den organschaftlichen Vertreter in den haftungsrechtlich relevanten Schutzbereich des Vertrags zwischen der Gesellschaft und dem Rechtsanwalt auch hinsichtlich der Verletzung solcher bloß nebenvertraglicher Pflichten einzubeziehen. Grundsätzlich sei ein enger Anwendungsbereich des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geboten, da ansonsten die Grenze zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung zu verwischen drohe. Die Haftung des Vertragsschuldners - dessen Interessen im Rahmen einer Haftungserweiterung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter genauso zu berücksichtigen seien - werde letztendlich ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage erweitert. Daher müsse der Kreis der geschützten Dritten für den Schuldner subjektiv erkennbar und vorhersehbar sein. Das Vertrags- und Haftungsrisiko müsse für den Schuldner bei Abschluss des Vertrags überschaubar, kalkulierbar und versicherbar sein. Nur dann könne ihm ein vertragliches Haftungsrisiko zugemutet werden.

II.

Die Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Beratungsvertrags ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil dem Berater im Verhältnis zum Mandanten nur eine Schutz- oder Fürsorgepflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB) zur Last fällt. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob es revisionsrechtlicher Prüfung standhält, dass sich das Berufungsgericht nicht hat von einer Hauptpflicht des Rechtsanwalts überzeugen können, auf eine mögliche Insolvenzreife der KG und die daran anknüpfenden Handlungspflichten hinzuweisen.

1. Bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter steht die geschuldete (Haupt-)Leistung allein dem Gläubiger zu, der Dritte ist jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Herausbildung des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs beruht auf ergänzender Vertragsauslegung und knüpft damit an den hypothetischen Willen der Parteien an, der gemäß § 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu erforschen ist. Um die Haftung für den Schuldner nicht unkalkulierbar auszudehnen, sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 - VII ZR 204/14, NJW 2018, 1537 Rn. 16 mwN). Strenge Anforderungen an die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrags verhindern zugleich, dass die Grenzen zwischen Vertrags- und Deliktshaftung in unzuträglicher Weise verwischt werden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1977 - VI ZR 261/75, VersR 1977, 638 mwN).

2. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung und damit der Rechtssicherheit knüpft der Bundesgerichtshof die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrags an bestimmte Voraussetzungen: Der Dritte muss mit der vertraglich geschuldeten Hauptleistung bestimmungsgemäß in Berührung kommen. Der Gläubiger muss ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags haben. Die Einbeziehung des Dritten muss dem Vertragsschuldner bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. Schließlich bedarf es eines Bedürfnisses für die Ausdehnung des Vertragsschutzes, das regelmäßig fehlt, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt (BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - IX ZR 252/15, BGHZ 211, 251 Rn. 17; vom 7. Dezember 2017, aaO Rn. 18; vom 9. Juli 2020 - IX ZR 289/19, JR 2021, 329 Rn. 12; st. Rspr).

3. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrags gesehen. Geprüft hat es die Einbeziehung von M.  und M.  J.    M.        in den Schutzbereich der zwischen der KG und dem Rechtsanwalt geschlossenen Mandatsverträge jedoch nicht nach diesen Voraussetzungen. Es hat seiner Beurteilung einen abweichenden Maßstab zugrunde gelegt, indem es die Einbeziehung in den Schutzbereich allein anhand der Qualität der von ihm unterstellten Pflichtverletzung des Rechtsanwalts geprüft und abgelehnt hat. Das ist ein revisibler Rechtsfehler. Das Berufungsgericht überschreitet den Spielraum, der dem Tatrichter bei der Beurteilung der Frage eingeräumt ist, ob ein Dritter in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 - IX ZR 12/09, ZIP 2010, 124 Rn. 10 f; vom 21. Juli 2016, aaO Rn. 18).

4. Die Ablehnung der Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrags anhand der Qualität der im Verhältnis zum Vertragspartner begangenen Pflichtverletzung findet in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Grundlage. Dies gilt sowohl im Allgemeinen als auch im Blick auf die vom Berufungsgericht unterstellte Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund.

a) Die Rechtsprechung geht seit jeher davon aus, dass auch die Verletzung von Schutz- und Fürsorgepflichten zu einem Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter führen kann. Die Verletzung von Schutz- und Fürsorgepflichten bildete den Ausgangspunkt der Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 - X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 170 ff; vom 24. April 2014 - III ZR 156/13, ZIP 2014, 972 Rn. 10); sie ist hauptsächlich im Zusammenhang mit der Verletzung von Schutz- und Fürsorgepflichten entwickelt worden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 1977 - VI ZR 261/75, VersR 1977, 638; vom 12. November 1979 - II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 324 f). Die Rechtsprechung hat allerdings erkannt, dass auch Nebenpflichten, die auf die Herbeiführung des Leistungserfolgs bezogen sind, Drittschutz entfalten können. Für die Hauptpflicht selbst gilt nichts anderes. Die Verpflichtung, um deren Verletzung willen der Schuldner einem Dritten haften soll, kann daher in einer weiteren oder engeren Beziehung zur vertraglichen Hauptleistung stehen oder sich mit dieser decken (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1979, aaO S. 325).

Es ist danach unzweifelhaft, dass die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags auch dann in Betracht kommt, wenn der Vertragsschuldner nur eine Schutz- oder Fürsorgepflicht verletzt hat. Das wird auch im Schrifttum so gesehen (MünchKomm-BGB/Gottwald, 9. Aufl., § 328 Rn. 181 f; BeckOGK/Mäsch, 2023, § 328 BGB Rn. 75.1; Staudinger/Klumpp, BGB, 2020, § 328 Rn. 116; Erman/Bayer, BGB, 16. Aufl., § 328 Rn. 65).

b) Auch die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann Drittschutz entfalten.

aa) Mit Urteil vom 26. Januar 2017 (IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 Rn. 43 ff) hat der Bundesgerichtshof eine Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund erstmals in Betracht gezogen. Diese bezog sich auf die Haftung eines Steuerberaters, der mit der Erstellung des Jahresabschlusses einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beauftragt ist (BGH, Urteil vom 26. Januar 2017, aaO Rn. 45). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Hinweis- und Warnpflicht in § 102 StaRUG berufsstandübergreifend als Instrument zur Früherkennung der Bestandsgefährdung eines Unternehmens zu etablieren (BT-Drucks. 19/24181, S. 187 f). Zu einer Einbeziehung des Geschäftsleiters in den Schutzbereich eines Vertrags, der eine Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund begründet, äußert sich weder das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2017 noch § 102 StaRUG (vgl. BT-Drucks. 19/24181, aaO).

bb) Mit Urteil vom 14. Juni 2012 (IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 27 ff) hat der Bundesgerichtshof die Einbeziehung des Geschäftsleiters in den Schutzbereich eines Vertrags angenommen, der die Prüfung der Insolvenzreife einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsah (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - IX ZR 252/15, BGHZ 211, 251 Rn. 23). Ausgangspunkt der Prüfung des Drittschutzes war damit die vertragliche Hauptpflicht. Zur Begründung der Einbeziehung des Geschäftsleiters in den Schutzbereich des Vertrags hat der Bundesgerichtshof zum einen auf dessen Insolvenzantragspflicht (§ 15a Abs. 1 InsO) und zum anderen auf die bei einer Missachtung dieser Pflicht drohenden Haftungsfolgen (§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 15a Abs. 1 InsO; § 15b InsO) verwiesen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 28 f).

Die Insolvenzantragspflicht begründet Handlungspflichten für den Geschäftsleiter; missachtet er die Antragspflicht, drohen ihm persönlich Haftungsfolgen. Die Haftungsfolgen sind im Fremdinteresse angeordnet, nicht aber im Interesse des Mandanten. Es handelt sich materiell um eine Haftung im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger der insolvenzreifen Gesellschaft, um die verteilungsfähige Vermögensmasse zu erhalten und eine zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016, aaO). Die Insolvenzantragspflicht und die Haftung im Fremdinteresse, welche den Drittschutz begründen können, sind der maßgebliche Unterschied zu der Fallgestaltung, in der die Beratung für Entscheidungen des Mandanten Gegenstand des Mandatsvertrags ist und für den (organschaftlichen) Vertreter die Gefahr besteht, auf der Grundlage der Beratung seinerseits seine gegenüber dem Mandanten bestehenden Pflichten zu verletzen. Verhält es sich so, scheiden Schutzwirkungen des Mandatsvertrags zugunsten des Vertreters im Allgemeinen aus (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016, aaO Rn. 24 ff).

cc) Zu der Frage, ob auch die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund eine drittschützende Wirkung zugunsten des Geschäftsleiters einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten kann, hat sich der Bundesgerichtshof bislang nicht geäußert. Im Schrifttum wird die Frage nicht vertieft diskutiert. Zum Teil wird von einer drittschützenden Wirkung ausgegangen (Pape, NZI 2019, 260, 264 f; Meisgeier, WuB 2022, 258, 261 f), zum Teil wird sie abgelehnt oder jedenfalls kritisch gesehen (Froehner, GWR 2021, 390; vgl. auch Meixner/Schröder, DStR 2022, 61, 62; Stefanink, EWiR 2022, 7, 8). Die Frage ist dahingehend zu beantworten, dass eine drittschützende Wirkung in Betracht kommt. Allerdings hängt dies vom Inhalt des Mandatsvertrags ab.

(1) Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags bei reinen Vermögensschäden setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt (BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 156/13, ZIP 2014, 972 Rn. 11; vom 18. Februar 2016 - IX ZR 192/13, ZIP 2016, 1541 Rn. 21; vom 21. Juli 2016 - IX ZR 252/15, BGHZ 211, 251 Rn. 19). Das erforderliche Näheverhältnis liegt nur vor, wenn die Leistung des Rechtsanwalts bestimmte Rechtsgüter eines Dritten nach der objektiven Interessenlage im Einzelfall mit Rücksicht auf den Vertragszweck bestimmungsgemäß, typischerweise beeinträchtigen kann. Entscheidend für eine Ersatzpflicht hinsichtlich von Vermögensschäden des Dritten ist, ob die vom Anwalt zu erbringende Leistung nach dem objektiven Empfängerhorizont auch dazu bestimmt ist, dem Dritten Schutz vor möglichen Vermögensschäden zu vermitteln. Inwieweit dieses Näheverhältnis besteht, hängt entscheidend von Ausprägung und Inhalt des anwaltlichen Beratungsvertrags ab (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2020 - IX ZR 289/19, ZIP 2020, 1720 Rn. 15).

(2) Die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann demnach nur dann drittschützende Wirkung zugunsten des Geschäftsleiters einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten, wenn der Geschäftsleiter insoweit bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt. Darüber entscheiden Ausprägung und Inhalt des Beratungsvertrags. Nicht erforderlich ist, dass die Hauptpflicht selbst drittschützend ist. Es reicht aus, wenn das geschützte Drittinteresse bei Erbringung der Hauptleistung typischerweise beeinträchtigt werden kann. Kern der erforderlichen Leistungsnähe ist, dass der Dritte ein besonderes Interesse an der Hauptleistung hat, weil die Leistung des Anwalts nach objektivem Empfängerhorizont (auch) dazu bestimmt ist, dass der Dritte konkret feststehende Handlungsgebote, die ihn persönlich treffen, einhalten und so eine persönliche Haftung vermeiden kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016, aaO Rn. 22).

Im Streitfall folgt das geschützte Drittinteresse aus der Insolvenzantragspflicht und den bei ihrer Missachtung drohenden Haftungsfolgen (vgl. oben Rn. 16 f). Eine Beeinträchtigung dieses Interesses scheidet regelmäßig aus, wenn der Rechtsberater nur mit der Durchsetzung eines Anspruchs beauftragt wird oder eine rechtliche Gestaltung unabhängig von einer Krise der Mandantin vornehmen soll. Treten während der Bearbeitung eines solchen Mandats die Voraussetzungen für die Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund ein (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 Rn. 44; vom 21. Juni 2018 - IX ZR 80/17, ZInsO 2018, 1846 Rn. 12), erstreckt sich der Schutz dieser (Neben-)Pflicht in der Regel nicht auf den Geschäftsleiter, weil die ihn treffende Insolvenzantragspflicht und die bei ihrer Missachtung drohenden Haftungsfolgen keinen (hinreichenden) Bezug zur geschuldeten Hauptleistung aufweisen.

Anders liegt der Fall, wenn die juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit den Berater mit der Beurteilung oder Bearbeitung einer Krisensituation betraut. Daraus folgt zunächst ein Näheverhältnis der Hauptleistung zu den nunmehr in § 1 StaRUG rechtsformübergreifend zusammengefassten Pflichten zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement, die wie die Insolvenzantragspflicht aus § 15a Abs. 1 InsO den Geschäftsleiter treffen. Ob Haftungsfolgen aus der Verletzung von Pflichten zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement wie die Folgen einer Missachtung der Insolvenzantragspflicht im Fremdinteresse angeordnet sind und sich deshalb ein Drittschutz auch insoweit ergeben kann, muss nicht entschieden werden. Das erforderliche Näheverhältnis besteht jedenfalls im Blick auf die Insolvenzantragspflicht, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft regelmäßig in Betracht zu ziehen ist.

(3) Der so verstandene Drittschutz der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund birgt kein unbilliges Haftungsrisiko für den Rechtsberater. Muss er sich zur ordnungsgemäßen Erbringung der geschuldeten Hauptleistung mit einer wirtschaftlichen Krise des Rechtsträgers befassen, dessen Geschäftsleiter der Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 InsO unterliegt, ist das mit der Übernahme eines solchen Mandats verbundene, durch den Drittschutz erweiterte Haftungsrisiko von Anfang an hinreichend überschaubar. Es kommt hinzu, dass die Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund nur unter engen Voraussetzungen eingreift. Geschuldet sind Hinweis oder Warnung erst, wenn dem Berater der mögliche Insolvenzgrund bekannt wird, dieser für ihn offenkundig ist oder der Insolvenzgrund sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandats aufdrängt. Die bloße Erkennbarkeit reicht nicht aus. Ferner muss der Berater Grund zu der Annahme haben, dass sich der Geschäftsleiter nicht über den möglichen Insolvenzgrund und die daraus folgenden Handlungspflichten bewusst ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017, aaO; vom 21. Juni 2018, aaO). Zudem erfordert die Hinweis- und Warnpflicht keine eigenständige Prüfung oder Ermittlung des Insolvenzgrundes.

III.

Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht - auch nicht nur teilweise - aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Die Klägerin kann den beklagten Haftpflichtversicherer des insolventen Rechtsanwalts direkt in Anspruch nehmen (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG).

2. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob dem Rechtsanwalt eine Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund zur Last fällt. Davon ist revisionsrechtlich auszugehen.

3. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht des M.  M.        senior scheitert nicht zwingend daran, dass dieser nur faktischer Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der KG gewesen sein soll. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass ein faktischer Geschäftsführer sowohl zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet ist als auch für die zivilrechtlichen Folgen einer verspäteten Antragstellung einzustehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1988 - II ZR 194/87, BGHZ 104, 44, 46; vom 25. Februar 2002 - II ZR 196/00, BGHZ 150, 61, 69; vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550 f; Beschluss vom 2. Juni 2008 - II ZR 104/07, ZIP 2008, 1329 Rn. 4). Die Erwägungen, die eine Einbeziehung des ordnungsgemäß bestellten Geschäftsleiters in den Schutzbereich des Mandatsvertrags rechtfertigen können (vgl. dazu oben Rn. 14 ff), gelten deshalb entsprechend. Mit dem Vorhandensein eines faktischen Geschäftsführers muss der Rechtsberater allerdings nicht ohne weiteres rechnen. Die Einbeziehung des faktischen Geschäftsführers in den Schutzbereich des Vertrags setzt daher zusätzlich zumindest die Erkennbarkeit seiner Existenz für den Rechtsberater voraus.

IV.

Das Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs aus abgetretenem Recht neu zu prüfen haben.

Bejaht das Berufungsgericht die Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund, wird es erneut der Frage des Drittschutzes nachzugehen haben. Gegebenenfalls sind die Kausalität der Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden und ein mögliches Mitverschulden zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 - IX ZR 285/14, ZInsO 2018, 1846 Rn. 52 f, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 213, 374).

 

(1) Die Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer juristischen Person (Geschäftsleiter) wachen fortlaufend über Entwicklungen, welche den Fortbestand der juristischen Person gefährden können. Erkennen sie solche Entwicklungen, ergreifen sie geeignete Gegenmaßnahmen und erstatten den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen (Überwachungsorganen) unverzüglich Bericht. Berühren die zu ergreifenden Maßnahmen die Zuständigkeiten anderer Organe, wirken die Geschäftsleiter unverzüglich auf deren Befassung hin.

(2) Bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne von § 15a Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 der Insolvenzordnung gilt Absatz 1 entsprechend für die Geschäftsleiter der zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter.

(3) Weitergehende Pflichten, die sich aus anderen Gesetzen ergeben, bleiben unberührt.

OBERLANDESGERICHT BAMBERG

Urteil vom 31. Juli 2023 - 2 U 38/22

 

Tenor


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 19.07.2022, Az. 61 O 16/19, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 211.107,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2019 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zwischen den Parteien aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 425.214,34 € festgesetzt.

 

Entscheidungsgründe


I.

Die Parteien streiten über Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem  Sanierungsberatervertrag.

1. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH (im Folgenden B).  Diese gehörte zusammen mit der X GmbH und der Y GmbH zur X-Firmengruppe (nachfolgend X). Geschäftsführer der B war Herr H.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH (nachfolgend D). Diese beriet kleine und mittlere Unternehmen in Krisensituationen.

Im Frühjahr 2013 befand sich die X in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Initiative eines Kreditgebers (U Bank AG, vormals V Bank AG, nachfolgend bezeichnet als V) sollten die wirtschaftlichen Fortführungsmöglichkeiten der X durch eine externe Begutachtung festgestellt werden. Hierzu legte die D am 25.04.2013 zunächst eine „Projektskizze“ vor (Anlage K2) betreffend die Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012). Auf der letzten Seite der Projektskizze befindet sich unmittelbar über den Unterschriften folgende Bestimmung:

„Die D erbringt keine Rechts- oder Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsleistungen. Sie wird alles unternehmen, um die beschriebenen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen und haftet für vorsätzliche und grobe Fahrlässigkeit ihrer Berater für Vermögensschäden bis zu einer Höhe von 1 Mio. EUR. Die D verpflichtet sich, alle Informationen über den Auftraggeber und dessen Unternehmen, von denen die Berater im Rahmen des Projekts Kenntnis erhalten, streng vertraulich zu behandeln.“

Die B beauftragte die D daraufhin am 06.05.2013 mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens entsprechend dem in der Projektskizze vom 25.04.2013 beschriebenen Auftragsumfang. Durch die Gutachterin wurde am 06.06.2013 eine Fortbestehensprognose bereitgestellt und am 29.07.2013 eine abschließende Fortführungsprognose für die X vorgelegt (Anlage K 3). In dieser kam die D zu dem Ergebnis, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit aufgrund einer Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € nur durch Sanierungsbeiträge der wirtschaftlich an der X Beteiligten verhindert werden könne. Dabei handelte es sich in erster Linie um die VM GmbH (nachfolgend VM) mit ihrem Geschäftsführer Herrn O und die V als Kreditgeber. In Verbindung mit weiteren empfohlenen Umstrukturierungsmaßnahmen kam die D zu dem Schluss, dass bei entsprechender Prolongation und Ausweitung des Engagements der Stakeholder eine positive Fortführungsprognose für die X gestellt werden konnte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 29.07.2013 verwiesen.

Nachdem trotz längerer Verhandlungen eine Einigung über die Verlängerung bzw. Ausweitung der Engagements der VM und der V bis Ende Februar 2014 nicht erreicht werden konnte, wurde aufgrund Eigenantrags der B vom 13.03.2014 mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Neubrandenburg vom 16.04.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögend der B eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit nicht datiertem schriftlichem Vertrag (Anlage K4) trat der Geschäftsführer der B sämtliche Freistellungs-, Regress- und sonstigen Ansprüche gegen die D, die ihm gegen diese aufgrund seiner insolvenzrechtlichen Inanspruchnahme als Geschäftsführer zustehen, an den Kläger ab. Diese Ansprüche aus abgetretenem Recht bilden den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

2. Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Geschäftsführer H gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. zum Ersatz masseschmälernder Zahlungen verpflichtet sei, welche die B in den Monaten Januar und Februar 2014 geleistet habe, da die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Aus den vorgelegten Zahlungseingängen und Kontoauszügen der B für diesen Zeitraum (Anlage K5, K6) ergebe sich, dass auf einem stets im Soll geführten Debetkonto der Gesellschaft Zahlungsgutschriften in Höhe von 422.214,34 Euro eingegangen seien, die dann sofort im Kontokorrent verrechnet worden seien. Tatsächlich sei die Zahlungsunfähigkeit der B bereits seit dem 01.11.2009 gegeben gewesen. Dem Geschäftsführer H stehe ein Anspruch auf Haftungsfreistellung gegen die D aus dem Sanierungsberatungsvertrag vom 06.05.2013 zu. Die D habe es versäumt, auf die Insolvenzreife der B hinzuweisen, obwohl sie hierzu bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard verpflichtet gewesen sei. Der Vertrag über das Sanierungsgutachten entfalte Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers, da er über § 64 GmbHG a.F. von der zu prüfenden Insolvenzreife in gleicher Weise betroffen sei wie die Gesellschaft selbst. Dieses sei der D auch bekannt gewesen. Hätte die D den Geschäftsführer H auf die Zahlungsunfähigkeit der B und damit den Eintritt der Insolvenzreife hingewiesen, hätte dieser umgehend einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft gestellt, so dass kein weiterer Schaden entstanden wäre. Eine etwaige Untätigkeit des Geschäftsführers trotz von ihm erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit der B stehe einer Haftung der D nicht entgegen, da sich verschiedene Verursachungsbeiträge nicht gegenseitig ausschlössen. Auch scheide insoweit ein zu berücksichtigendes Mitverschulden des Geschäftsführers aus, da dieser bei Fortführung der Geschäfte lediglich der Empfehlung der D als Gutachterin mit überlegener Sachkenntnis gefolgt sei. Die in der Projektskizze vom 25.04.2013 enthaltene Haftungsbeschränkung zugunsten der D sei unwirksam. Dies ergebe sich zumindest aus der unzulässigen Freizeichnung von der Erfüllung zentraler vertraglicher Pflichten, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 422.214,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die D bei der Erstellung des Sanierungsgutachtens keine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Eine Insolvenzreife habe zum Zeitpunkt der Erstellung der Fortführungsprognose nicht vorgelegen, auf die drohende Zahlungsunfähigkeit und den hohen Liquiditätsbedarf sei deutlich hingewiesen worden. Zudem sei bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard keine Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens geschuldet. Es sei bereits in der Projektskizze darauf hingewiesen worden, dass die D keine Rechtsberatungsleistungen erbringe. Diese habe die D als reine Unternehmensberatungsgesellschaft auch rechtlich nicht erbringen dürfen. Der Sanierungsberatungsvertrag entfalte ferner keine Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers. Der Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, dass es jedenfalls am Kausalzusammenhang zwischen einem möglichen Beratungsfehler der D in Verbindung mit der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 und einem erst ab Januar 2014 vermeintlich eingetretenen Schaden fehle. Ein zeitlicher Zusammenhang sei nicht erkennbar. Überdies träfen den Geschäftsführer eigenständig Prüfungspflichten hinsichtlich der finanziellen Situation der Gesellschaft. Der Geschäftsführer H habe jedoch trotz auch von der D vermittelter Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Schritte zur – von der D nicht geschuldeten – Prüfung der Insolvenzreife unternommen. Ihn treffe daher zumindest ein anspruchsausschließendes Mitverschulden. Die entsprechend der Projektskizze vereinbarte Haftungsbeschränkung der D sei wirksam.

3. Mit am 19.07.2022 verkündetem Endurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einer Einbeziehung des Geschäftsführers H in den Schutzbereich des zwischen der D und der B geschlossenen Beratungsvertrages fehle. Die vertraglich geschuldete Fortbestehens- und Fortführungsprognose habe allein den wirtschaftlichen Interessen der B gedient. Eine weitergehende Beratungspflicht in insolvenzrechtlichen Fragen sowie hinsichtlich Handlungsoptionen des Geschäftsführers habe nicht bestanden. Insoweit träfen den Geschäftsführer eigene originäre Pflichten. Die D habe zudem als reine Sanierungsberaterin keine Hinweise auf eine etwaige Insolvenzantragspflicht oder eine mögliche Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG a.F. geben dürfen, da dies eine unzulässige Rechtsberatung nach § 3 RDG dargestellt hätte. In der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 sei die Zahlungsunfähigkeit überdies thematisiert worden, so dass eine Pflichtverletzung der D nicht erkennbar sei. Nachdem der Geschäftsführer zur eigenständigen Prüfung der Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet sei, fehle es an dem erforderlichen Kausal- und Zurechnungszusammenhang der behaupteten Pflichtverletzung. Einen Schadenseintritt habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

4. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Landgericht habe nach seiner Auffassung die Pflichten des Sanierungsgutachters bei der Beauftragung einer Leistung nach dem IDW S6 Standard verkannt. Geschuldet sei danach der Hinweis auf eine eingetretene Überschuldung und Insolvenzreife. Dieses stelle als zulässige Nebendienstleistung nach § 5 RDG keine unerlaubte Rechtsberatung dar. Ein Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht sei durch die D unstreitig nicht erfolgt. Die Fortführungsprognose vom 29.07.2013 habe keine ernsthaften Zweifel an der Sanierungsfähigkeit der B aufkommen lassen, was bei tatsächlich bestehender Insolvenzreife eine Pflichtverletzung darstelle. Der Geschäftsführer der D habe in einer Zeugenaussage in einem Parallelverfahren (92 O 5/19 LG Würzburg) erklärt, dass während der Tätigkeit der D stets von Zahlungsfähigkeit ausgegangen worden sei, da andernfalls die Gutachtertätigkeit sofort hätte beendet werden müssen. Die Einbeziehung des Geschäftsführers der sanierungsbedürftigen Gesellschaft sei für die Fälle des Sanierungsberatungsvertrags nach IDW S6 Standard in der Rechtsprechung anerkannt. Die Kausalität der Pflichtverletzung der D für den eingetretenen Schaden werde durch eine eventuelle eigene Pflichtverletzung des Geschäftsführers H nicht ausgeschlossen. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers sei zudem nicht anspruchsausschließend oder kürzend zu berücksichtigen. Dieser habe darauf vertraut, dass aufgrund der positiven Fortführungsprognose durch den Sanierungsberater keine Insolvenzantragspflicht bestanden habe. Aufgrund der fehlenden persönlichen Fachkenntnisse des Geschäftsführers in insolvenzrechtlichen Belangen bei überlegener Sachkunde des Sanierungsberaters trete ein etwaiges Mitverschulden zurück, sei aber allenfalls mit 20% anzusetzen. Die von der D verwendete Haftungsbeschränkung sei nach AGB-Grundsätzen unwirksam.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des LG Würzburg, das auf den 12.07.2022 datiert, zum Az. 61 O 16/19 wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 422.214,34 € nebst Zinsen hieraus iHv fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Hilfsweise wird beantragt, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Weiterhin beantragt er, dem Beklagten für den Fall der Stattgabe der Berufung im Urteil vorzubehalten, den abgetretenen Gegenanspruch des Geschäftsführers H, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die begünstigte Gesellschaftsgläuberin im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an den Beklagten abzutreten.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Das Landgericht habe zu Recht die Voraussetzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hinsichtlich des Geschäftsführers der B verneint. Im auf der Projektskizze vom 27.04.2013 beruhenden Beratungsvertrag zwischen der D und der B seien Rechtsberatungs- und Wirtschaftsprüferleistungen ausdrücklich ausgeschlossen worden. Es sei daher kein Hinweis auf eine Insolvenzantragspflicht geschuldet gewesen. Die Leistungen der D sollten lediglich in Anlehnung an den IDW S6 Standard erbracht werden. Dieser habe rechtlich keine bindende Wirkung. Nachdem jedoch das Leistungsspektrum des Beratungsvertrags bereits zwischen den Vertragsparteien abschließend vereinbart worden sei, komme eine ergänzende Heranziehung der Leistungsbestimmung nach IDW S6 nicht in Betracht. Dieses entspreche der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17) wie auch einem Hinweisbeschluss des 4. Senats des OLG Bamberg vom 16.12.2022 (Az. 4 U 179/22). Die D habe zudem ihre vertraglichen Pflichten nicht verletzt, da in dem Gutachten vom 29.07.2013 mit hinreichender Deutlichkeit auf eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden sei. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei auch den Vertretern der X bekannt gewesen. So habe der Geschäftsführer K der Y GmbH in seiner Vernehmung in einem Parallelverfahren (Anlage BK1) angegeben, dass mit den von der D vorgeschlagenen Maßnahmen die Deckungslücke von 1,3 Mio € und damit der Grund der Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden sollte. Auch sei dem Zeugen die dreiwöchige Frist zur Insolvenzantragsstellung gemäß § 15a InsO bekannt gewesen. In einem Verfahren des Klägers gegen die D sei mit Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18) festgestellt worden, dass die Verantwortlichen der X-Gruppe bereits seit Juli 2013 Zahlungen in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit erbrachten. Aus diesem Grund könne der D nicht ein erst ab Januar 2014 eingetretener Schaden aufgrund der vom Geschäftsführer pflichtwidrig unterlassenen Insolvenzantragsstellung zugerechnet werden. Jedenfalls liege aber ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Geschäftsführers vor, da diesem im Januar 2014 bekannt war, dass die im Gutachten vom 29.07.2013 vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen noch nicht umgesetzt worden waren. Im Übrigen sei der vereinbarte Haftungsausschluss wirksam. Insbesondere habe die D nicht unzulässig ihre Haftung für verletzte Hauptleistungspflichten ausgeschlossen, da ein Hinweis auf eingetretene Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzreife vertraglich nicht geschuldet gewesen sei.

Der Senat hat mit Beschluss vom 22.02.2023 die Parteien auf verschiedene rechtlich erhebliche Gesichtspunkte hingewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen (Bl. 187 d.A.). Weiterhin ist Beweis erhoben worden durch zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers der B im Termin vom 17.07.2023. Hinsichtlich der Angaben des Zeugen H wird auf das Protokoll des Termins verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht unter Berücksichtigung eines anspruchskürzenden Mitverschuldens des Geschäftsführers der B von 50% ein Zahlungsanspruch in Höhe von 211.107,17 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB zu.

1. Mit dem zwischen der B und der D mit Auftragserteilung vom 06.05.2013 geschlossenen Sanierungsberatungsvertrag wurde das vollständige Leistungsspektrum nach dem Standard IDW S6 beauftragt. Eine hiervon abweichende und abschließende Vereinbarung durch die D zu erbringender Leistungen besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die D daher auch verpflichtet, die B in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet war, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen Maßnahmen anzuhalten.

a) Grundlage des Vertrags war die Projektskizze vom 25.04.2013. Bereits in der Überschrift der Projektskizze ist angeführt, dass die Fertigung des Gutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard erfolgt. Auf Seite 4 der Projektskizze ist ausgeführt, dass das Gutachten auf Wunsch des Gläubigers V dem IDW S6 Standard entsprechen soll. Unter Zugrundelegung des IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012) ist in jedem Fall durch den Sanierungsgutachter der Hinweis auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit in einer Form geschuldet, die es dem Auftraggeber ermöglicht, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Dieses ergibt sich aus verschiedenen Vorgaben für die Gutachtenserstellung nach IDW S6:

In Rn. 12 IDW S6 wird m Rahmen von 2.1 (Kernanforderungen an Sanierungskonzepte) auf einzuleitende Eilmaßnahmen innerhalb der 3-Wochen-Frist nach § 15a Abs. 1 InsO (i.d.F.v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) hingewiesen. Der Sanierungsgutachter hat danach den Eintritt der Insolvenzreife im Zeitraum bis zur Fertigstellung des Gutachtens auszuschließen. Diese im „Kernbereich“ getroffenen Feststellungen muss der Gutachter bei Anlass unverzüglich dem Auftraggeber offenlegen, damit dieser bspw. die in Rn. 12 IDW S6 aufgeführten Eilmaßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen kann. Offenkundige Insolvenzantragspflichten wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung müssen im Zeitraum der Begutachtung bis zur Fertigstellung des Sanierungskonzepts mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sein.

In Rn. 79, 80 IDW S6 weist bereits der Titel des Abschnitts 3.4.6 „Feststellungen zur Insolvenzreife“ eindeutig darauf hin, dass es sich um einen wesentlichen Teil des Prüfungsumfangs des Sanierungsgutachters handelt. In Rn. 79 wird ausdrücklich zwischen drohender und bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit unterschieden, da sich nur bei ersterer die Möglichkeit eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO (mit Wirkung v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) eröffnet. Bereits im Rahmen der Fortbestehensprognose sind daher Feststellungen zum Umfang der Zahlungsschwierigkeiten zu treffen, da sich hier verschiedene Reaktionsmöglichkeiten des Auftraggebers ergeben können von Beschaffung frischen Kapitals bis zur erforderlichen Insolvenzantragsstellung. Dieses wird in Rn. 80 nochmals ausdrücklich klargestellt, wenn bestimmt wird: „Ergeben sich … Hinweise auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, muss darauf unverzüglich aufmerksam gemacht werden, um den gesetzlichen Vertretern Gelegenheit zu geben, die gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen…“ (vgl. auch Pape/Ott, Sanierungsgutachten, 1. Aufl., Rn. 703 ff zu den Pflichten des Sanierungsgutachters bei Feststellung der Insolvenzreife).

Für den Gutachter selbst gilt, dass er die Begutachtung zu beenden oder zu versagen hat, sobald für ihn erkennbar wird, dass eine Insolvenzantragspflicht bereits vorliegt und dennoch eine außergerichtliche Sanierung noch versucht werden soll (IDW S6 Rn. 80 a.E.).

Der Abschnitt 3.6 behandelt in Rn. 84, 85 IDW S6 die Fortführungsprognose. Diese war Gegenstand des abschließenden Gutachtens vom 29.07.2013. Es sind Feststellungen zu Zahlungsfähigkeit und Überschuldung im Fortführungszeitraum zu treffen. In Rn. 85 wird dabei ausdrücklich auf die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO) verwiesen. Für die Steuerberaterhaftung wurde vom Bundesgerichtshof (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) ausdrücklich klargestellt, dass im Gegensatz zu den Pflichten im Rahmen eines allgemeinen Dauermandats des Steuerberaters fehlerhafte oder fehlende Feststellungen im Rahmen einer Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO eine Haftung für hieraus folgende Schäden begründen können.

Nach IDW S6 Rn. 86 ff. hat der Gutachter auch eine handelsrechtliche Fortführungsprognose zu erarbeiten. Eine positive Prognose darf dabei nur gestellt werden, wenn weder die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen noch andere rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten der Fortführung im Prognosezeitraum entgegenstehen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit bzw. drohender Überschuldung müssen geeignete Sanierungsmaßnahmen bereits eingeleitet oder jedenfalls in der Planung hinreichend konkretisiert sein. Ohne eine positive Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) fehlt es an der Sanierungsfähigkeit (vgl. IDW S6 Rn. 11).

b) Einer Heranziehung der Regelungen des IDW S6 Standards steht vorliegend der Vorrang konkreter vertraglicher Bestimmungen nicht entgegen. Einerseits sind zwar entsprechend der Projektskizze nur Leistungen „in Anlehnung an“ diesen Standard vereinbart. Allerdings ist unstreitig, dass die V als eigentlicher Initiator der Beauftragung ein Gutachten nach diesem Standard als Entscheidungsgrundlage für die Fortführung ihres Kreditengagements wollte, was so auch in der Projektskizze angeführt wird. Ferner stellt die Projektskizze auch inhaltlich mit dem Verweis auf eine Fortbestehens- und Fortführungsprognose auf zentrale Bestandteile des IDW S6 ab. Andererseits findet sich in den vertraglichen Bestimmungen kein Hinweis auf eine ausdrückliche oder konkludente Einschränkung der nach IDW S6 zu erbringenden Leistungen der D. Die Projektskizze (= Gutachtensvertrag) vom 25.04.2013 (Anlage K2) führt vielmehr unter Ziff. 3, 1. Absatz ausdrücklich aus, dass ein „Sanierungsgutachten“ benötigt werde, „das dem IDW S6 Standard entspricht“. Der Verweis auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen ist lediglich allgemeiner Natur und nimmt auf die gesetzlichen Einschränkungen aufgrund der Rechtsform der D und Qualifikation der für sie handelnden Personen Bezug. Die fehlende Befugnis nach § 3 RDG und § 3 StBerG hinderte die D nicht an den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der B.

c) Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17), in der dieses die Verpflichtung eines Sanierungsberaters zur Aufklärung über eine bestehende Insolvenzantragspflicht abgelehnt hat, betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Der dortigen Beauftragung lag keine umfassende Beauftragung zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens mit Fortführungsprognose nach IDW S6 zugrunde, sondern eine abschließende Aufzählung von vierzehn Leistungspunkten. Zudem hatte die Schuldnerin in dem dort entschiedenen Fall weitere Berater mit der Prüfung steuerlicher und rechtlicher Fragen beauftragt. Hingegen bejaht das OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) in einer mit dem vorliegenden Fall eher vergleichbaren Konstellation (umfassende Beauftragung eines Sanierungsgutachtens nach dem Standard IDW S1) eine Aufklärungspflicht bzgl. eingetretener Insolvenzreife aufgrund der überlegenen Sachkunde des Sanierungsberaters und nimmt zugleich die Einbeziehung der gesetzlichen Vertreter der krisenbefangenen Gesellschaft in den Schutzbereich des Vertrages vor dem Hintergrund der möglichen Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung sowie der persönlichen Haftung des Geschäftsführers an.

d) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.01.2017 (Az. IX ZR 285/14) die Hinweispflicht für Steuerberater im Rahmen eines allgemeinen steuerlichen Mandats deutlich verschärft. Die vom Beklagten zitierte (Schriftsatz 27.04.2023, Bl. 255 d.A) ältere Rechtsprechung (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) wurde insoweit ausdrücklich ausgegeben. Danach ist der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Die Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Sanierungsberater ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Maßgeblich ist insoweit, ob die Bewertungsfrage der positiven Fortführungsprognose nach den Umständen des Einzelfalls zum Gegenstand des Auftrags gemacht worden ist. Soll der Berater sich zur Frage der Insolvenz äußern, steht dies außer Zweifel. Es ist aber davon auszugehen, dass der als Spezialist in der Unternehmenskrise zugezogene Berater typischerweise konkludent damit beauftragt wird, den wirtschaftlich gravierendsten Fall der eingetretenen Insolvenzreife ggfs. zu erforschen und darüber aufzuklären (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anh. § 60 Rn. 244 m.w.N.). Da vorliegend mit der Vereinbarung des Standards IDW S6 Feststellungen zu den Voraussetzungen der möglichen Insolvenzreife ausdrücklich geschuldet wurden, ist von einer entsprechenden Hinweispflicht der D auszugehen.

2. Eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB der D ist gegeben. Sie hat nicht in der vertraglich geschuldeten Form auf eine bei Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B hingewiesen.

a) Es kann vorliegend dahinstehen, ob im Anschluss an OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/12) ein konkreter Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht erforderlich ist, wobei § 5 Abs. 1 RDG einen solchen Hinweis als zulässige Nebenleistung im Zuge der Sanierungsberatung rechtlich ermöglichen würde (vgl. BGH, Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12 zur Zulässigkeit beim Steuerberater/Wirtschaftsprüfer; BVerwG, Urteil v. 27.10.2004, Az. 6 C 30/03 zu Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG; Krenzler-Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 5 Rn. 105ff m.w.N.). Allerdings weist das Sanierungsgutachten der D vom 29.07.2013 bereits nicht in einer Form auf eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hin, die geeignet ist, die gesetzlichen Vertreter zur Stellung eines Insolvenzantrags zu veranlassen. Vielmehr steht das Gutachten mit einer positiven Fortbestands- und Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO und dem Vorschlag konkreter Sanierungsmaßnahmen außerhalb der Frist des § 15a InsO (a.F.) der Einleitung des Insolvenzverfahrens entgegen. Damit war es nicht geeignet, wie geschuldet die wirtschaftliche Situation des Unternehmens in einer Weise darzustellen, die den Auftraggeber in die Lage versetzt, auch unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Pflichten entsprechend zu handeln, vgl. Rn. 80 der IDW S6. In einer Gesamtbetrachtung des Gutachtens vom 29.07.2013 ist der Senat der Überzeugung, dass die D tatsächlich von noch bestehender Zahlungsfähigkeit der B ausging und dieses auch dem Auftraggeber so vermittelte. Der Geschäftsführer der D M gab in seiner Zeugenvernehmung vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 an (Anlage BK 1, Bl. 230 d.A.), dass das Unternehmen Y GmbH als Bestandteil der X im Dezember 2013 noch zahlungsfähig gewesen sei, da 1 Mio. € durch den Verkauf des Milchsammelgeschäfts sowie die Prolongation des Kredits der V zugeflossen sei. Näher erklärt der Zeuge: „Im Januar 2014 hatte die V dann den Kredit ultimativ bis zum 05. März 2014 prolongiert. Jetzt liefen die richtigen Probleme zu. Wenn die Geschäftsführer an dieser Stelle Herrn O unter Druck gesetzt hätten und er hätte nicht geleistet, dann hätten sie Insolvenz anmelden müssen.“ Zu beachten ist insoweit, dass die D ihre beratende Tätigkeit nach Vorlage der ersten Fortführungsprognose am 29.07.2013 fortsetzte und vom Geschäftsführer H auf Wunsch der V beauftragt wurde, diese zu überarbeiten. Eine zweite Fortführungsprognose sei nach Angaben des Zeugen M nach November 2013 erstellt worden und habe keine Liquiditätsprobleme aufgezeigt.

b) Soweit der Beklagte auf die mehrfachen Hinweise auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit und eine bestehende Liquiditätslücke von 1,3 Mio € in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 verweist, wovon auch die gesetzlichen Vertreter der B Kenntnis gehabt hätten, führt dieses zu keinem anderen Ergebnis. Eine „drohende“ Zahlungsunfähigkeit stellt eine pauschale Darstellung dar, die nicht auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowie das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 15a InsO verweist. Konkret waren die Beteiligten auf Grundlage der Fortführungsprognose der D offensichtlich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Liquidität der B durch die vorläufige Prolongation des Darlehens der V sowie die Einstandsbereitschaft des weiteren Gläubigers VM gegeben war und Eilmaßnahmen bis hin zu einer Insolvenzantragsstellung nicht geboten waren, so dass durch die D im Ergebnis die Fortführung des Unternehmens empfohlen wurde. Auch der Zeuge H als Geschäftsführer der B und damit direkter Adressat des Gutachtens hat in seiner Einvernahme durch den Senat erklärt, dass nach seinem Verständnis das Gutachten eine Fortführung des Unternehmens ohne sofortige Einleitung insolvenzrechtlicher Maßnahmen zum Ergebnis hatte.

Damit liegt – eine zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestehende Zahlungsunfähigkeit unterstellt (hierzu nachfolgend II. 1. d) – eine Pflichtverletzung vor. Die D hätte eine (außergerichtliche) Sanierungsfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose ausdrücklich verneinen müssen.

c) Soweit im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Endurteils festgehalten ist, dass an mehreren Stellen im Gutachten explizit auf die Zahlungsunfähigkeit hingewiesen wurde, steht § 314 ZPO nicht entgegen. Aus dem Tatbestand ergibt sich nicht, dass die D mit der erforderlichen und geschuldeten Deutlichkeit auf die Bedeutung des Vorliegens eines Insolvenzgrunds hingewiesen hat. Insoweit kommt es auf das Gesamtergebnis des Gutachtens mit seinen Handlungsempfehlungen an und nicht auf einzelne Aussagen.

d) Nach den getroffenen Feststellungen lag die Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife der B während oder bei Abschluss der Gutachtenserstellung durch die D im Juli 2013 vor.

Insolvenzreife setzt eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) voraus. Zahlungsunfähigkeit und nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10% zurückzuführen (std. Rspr., vgl. BGH, Urteil v. 19.12.2017, Az. II ZR 88/16 m.w.N.).

Der Kläger hat unter Vorlage eines Gutachtens der S. InsolvenzSteuerberatungsgesellschaft mbH vom 18.12.2014 (Anlage K7) eine Zahlungsunfähigkeit der B seit dem 01.11.2009 dargelegt und Sachverständigenbeweis angeboten (Bl. 6 d.A.). Der Kläger ist daher seiner Darlegungslast unter Beweisantritt nachgekommen. Der Vortrag des Beklagten zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife der B ist hingegen nicht konsistent. Während in der Klageerwiderung vom 10.04.2019 (Bl. 15 d.A.) der Eintritt von Insolvenzreife im Juli 2013 bestritten wurde, wird in der Berufungserwiderung vom 04.10.2022 auf eine von der D im Rahmen der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 festgestellte Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund abgestellt (Bl. 171 d.A.). Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist ferner unsubstantiiert, nachdem die von ihm vertretene Insolvenzschuldnerin (D) eigene Sachkunde und -kenntnisse besitzt. Grundlage von deren Gutachtertätigkeit waren Feststellungen zur Liquidität und Zahlungsfähigkeit der B auch unter Berücksichtigung der längerfristigen finanziellen Kennzahlen für die Vergangenheit. Es ist dem Beklagten daher ohne weiteres möglich, sich inhaltlich mit dem Vortrag des Klägers zum Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Zahlungsunfähigkeit der B auseinanderzusetzen. Im Übrigen besitzt der Beklagte auch in eigener Person als Insolvenzverwalter die hierfür erforderliche Sachkunde. Die in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 enthaltenen Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der B sind nicht geeignet, die Feststellungen im Gutachten in Frage zu stellen, nachdem es an einer konkreten Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Zahlungs(un) fähigkeit fehlt.

3. Der Vertrag zwischen der B und der D über die Erbringung von Leistungen der Sanierungsberatung entfaltet Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers der B (vgl. OLG Köln, a.a.O.; dem Grunde nach für einen Steuerberater auch BGH, Beschluss v. 14.06.2012, Az. IX ZR 145/11). Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Beschluss v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12; Urteil v. 13.10.2011, Az. IX ZR 193/10).

Die Feststellung der Insolvenzreife eines Unternehmens ist wie dargestellt Hauptleistungspflicht des Sanierungsberatervertrags nach dem Standard IDW S6, mit welcher der Geschäftsführer aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. erkennbar in gleicher Weise in Berührung kommt, wie der Auftraggeber selbst (bejahend auch BGH, Beschluss v. 26.01.2023, Az. III ZR 91/22). An einer Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers bestehen aufgrund seiner gegenüber der D unterlegenen Sachkunde sowie der drohenden Konsequenzen einer Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten keine Zweifel. Auch Rn. 80 der IDW S6 geht von der Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters in den Schutzbereich des Vertrages aus, da diesem durch eine Information über die (drohende) Zahlungsfähigkeit ausdrücklich die Möglichkeit gegeben werden soll, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen (bejahend auch Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1201).

4. Gegen den Geschäftsführer der B bestehen aufgrund masseschmälernder Leistungen gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Abs. 1 GmbHG n.F.) Ansprüche in Höhe von 422.214,34 €, die einen als Schaden geltend zu machenden an den Kläger abgetretenen Freistellungsanspruch gegen den Beklagten begründen.

a) Die Darstellung des Schadens durch den Kläger ist schlüssig und vom Beklagten lediglich pauschal bestritten (Bl. 21 d.A.). Die sofortige Sollbuchung sich aus der Anlage K5 ergebender eingehender Zahlungen innerhalb des Kontokorrentkontos stellte sich jeweils als Zahlung der B an die kontoführende U Bank AG entsprechend § 64 GmbHG a.F. dar, die nach Eintritt der Insolvenzreife eine Geschäftsführerhaftung auslöst. Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 GmbHG nF), weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird (vgl. nur BGH, Urteil v. 23.06.2015, Az. II ZR 366/13 = BGHZ 206, 52 m.w.N.).

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H, der seine Ansprüche gegen die D wirksam an den Kläger abgetreten hat, nicht erforderlich. Die drohende Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. begründete zunächst einen gegen die D gerichteten Freistellungsanspruch des Geschäftsführers H, der sich erst mit der Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umwandelte (vgl. jurisPK-BGB-Rosch, 10. Aufl., § 399 Rn. 11 m.w.N.).

c) Die im unterlassenen Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit begründete Pflichtverletzung der D war auch kausal für diesen eingetretenen Schaden.

Der Beklagte hat die Kausalität unter Hinweis auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten bestritten, die dem Geschäftsführer nach Vorlage der Fortführungsprognose im Juli 2013 offenstanden, dieses auch für den Fall der Insolvenzreife (Klageerwiderung v. 10.04.2019, Bl. 16, 27 d.A.). Ein Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhaltens besteht nicht, da bei einem Hinweis auf eine Überschuldung der Gesellschaft verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, um eventuell auch eine sofortige Insolvenzantragstellung zu vermeiden, wie etwa die Zuführung frischen Kapitals (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1241).

Der Kläger hat jedoch den entsprechenden Kausalitätsnachweis geführt. Der Zeuge H als zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichteter Geschäftsführer der B hat nachvollziehbar und glaubwürdig angegeben, dass er mit der Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 sofort die Insolvenz des Unternehmens angemeldet hätte, falls in dem Gutachten auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden wäre. Dieses hätte er bereits aus Gründen des Eigenschutzes aufgrund der ihm bekannten Geschäftsführerhaftung gemacht.

Der Senat hat keine Zweifel an diesen Angaben des Zeugen. Dafür, dass der Zeuge H trotz ausdrücklicher gutachterlicher Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und außergerichtlicher Sanierungsunfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose die zeitnahe Stellung eines Insolvenzantrags unterlassen hätte, sind weder vom Beklagten nachvollziehbare Anhaltspunkte dargelegt worden, noch sind diese sonst ersichtlich. Durch eine Insolvenzantragsstellung zeitnah zur Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 wären die eine Geschäftsführerhaftung begründenden Zahlungen der B im Januar/Februar 2014 nicht erfolgt.

Die Frage der Kenntnis der gesetzlichen Vertreter der B und damit des Zeugen H von deren (drohender) Zahlungsunfähigkeit und der Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter zur eigenständigen Prüfung der Voraussetzung nach § 15a InsO ist hingegen für die Kausalität unerheblich. Bei der Feststellung der Kausalität ist lediglich die pflichtwidrige Handlung wegzudenken. Hingegen dürfen weitere hypothetische Umstände nicht hinzugedacht werden dürfen (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, IX ZR 204/12).

5. Der Anspruch des Klägers ist jedoch aufgrund Mitverschuldens des Geschäftsführers der B als Zedenten um 50% zu kürzen. Die Berufung ist daher zurückzuweisen, soweit ein über 211.107,17 € hinausgehender Anspruch geltend gemacht wird.

Der Schadensersatzanspruch kann aufgrund eines Mitverschuldens des Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12). Den Geschäftsführer einer GmbH trifft die Pflicht, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu vergewissern. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 19.06.2012, Az. II ZR 243/11 m.w.N.).

a. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urteil v. 07.12.2006, Az. IX ZR 37/04 m.w.N.). Dementsprechend darf sich selbst ein Auftraggeber mit einschlägiger Vorbildung auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch den Berater verlassen (BGH, Urteil v. 18.12.1997, Az. IX ZR 153/96; Steuerberaterhaftung). Ist der Berater mit der Sanierungsberatung, der Erstellung eines Sanierungskonzepts oder sogar explizit mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt und erteilt er im Rahmen dessen falsche Auskünfte zur Insolvenzreife, darf der Geschäftsführer in aller Regel auf diesen Rat vertrauen, weil er die (interne) Prüfungspflicht dem mandatierten Berater anvertraut hat. Ein der Gesellschaft zuzurechnendes Mitverschulden der Geschäftsführer für eine verspätete Insolvenzantragsstellung wird in diesen Fällen daher zumeist ausscheiden (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1252 m.w.N.).

Dies gilt zunächst auch im vorliegenden Fall. Da Feststellungen zur Fortführungsfähigkeit der B in Abgrenzung zur Insolvenzreife Hauptleistungspflicht des Beratervertrags der D war, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die gesetzlichen Vertreter der B daneben die Insolvenzreife auch eigenständig zu prüfen hatten. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers H kann daher nicht damit begründet werden, dass er nach Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 den in diesem enthaltenen Empfehlungen zur Fortführung des Unternehmens folgte, aus denen sich ergab, dass die D nicht von der Insolvenzreife der B ausging.

b. Allerdings kann der Mitverschuldenseinwand auf das weitere Untätigbleiben des Geschäftsführers H bis zur Stellung des Insolvenzantrags am 13.03.2014 gestützt werden. Der Beklagte bezieht sich insoweit auf die Nichtumsetzung der im Gutachten vom 29.07.2013 beschriebenen Maßnahmen. Nachdem eine Umsetzung zeitnah nicht erfolgt sei, habe die B bei bekannter drohender Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Liquiditätslücke externen Rechtsrat einholen müssen.

(1) Grundsätzlich kann der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und dem entstandenen Schaden unterbrochen sein, wenn die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruhen. Dieses kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Geschäftsführer die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten haben, weil die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, deutlich überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp a.a.O., Rn. 1247).

Hiergegen spricht vorliegend, dass in dem Fortführungsgutachten keine konkrete zeitliche Vorgabe für die Umsetzung der Sanierungsvorschläge enthalten war. Neben grundsätzlichen Umstrukturierungsmaßnahmen für die X sollte die Liquiditätsproblematik vor allem durch drei Maßnahmen beseitigt werden – die Veräußerung des Milchsammelgeschäfts für 500.000,00 €, die langfristige Prolongation des Darlehensrahmens der V von 500.000,00 € sowie ein weiteres finanzielles Engagement der VM in Höhe von 300.000,00 €. Ausweislich der Feststellungen im vorgelegten Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18, Anlage K11) sowie den Angaben des vormaligen Geschäftsführers der D in seiner Einvernahme vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 vor dem Landgericht Würzburg wurden die Mittel aus der Veräußerung des Milchsammelgeschäfts Anfang 2014 realisiert, während über die Sanierungsbeiträge der beiden Hauptgläubiger der B laufende Verhandlungen bis ins Jahr 2014 hinein stattfanden. Aus den nicht bestrittenen Angaben des vormaligen Geschäftsführers ergibt sich ferner, dass die D nach Abgabe der Fortführungsprognose im Juli 2013 den Sanierungsprozess weiter begleitete und nach November 2013 eine zweite Fortführungsprognose ohne das Milchsammelgeschäft erstellte. Es ist daher nicht ersichtlich, dass sich bis Januar 2014 für die gesetzlichen Vertreter der B eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder ein sicheres Scheitern des fortlaufend von der D begleiteten Sanierungsprozesses abzeichnete.

(2) Ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Geschäftsführers der B ergibt sich hingegen aus dem Umstand, dass nach eigenem Vortrag des Klägers die B bereits seit dem 01.11.2009 ununterbrochen zahlungsunfähig war, ohne dass ersichtlich ist, dass seitens ihrer gesetzlichen Vertreter Schritte zur Feststellung der finanziellen Gesamtsituation sowie erforderlicher insolvenzrechtlicher Schritte unternommen wurden. Dieses geschah erst auf Forderung eines Hauptgläubigers (V) mit der Beauftragung der D im Frühjahr 2013 und damit etwa 3,5 Jahre nach dem klägerseits behaupteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Hieraus folgt eine maßgebliche Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers zur Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der zeitnahen Heranziehung wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise. Zwar sind Gegenstand der Klage vorliegend Schäden, die erst nach Beauftragung der D und deren Auskunftserteilung eingetreten sind (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1255). Allerdings bestand seitens der gesetzlichen Vertreter auch nach Fertigstellung des Gutachtens im Juli 2013 dringende Veranlassung, weiter eigenständig Feststellungen zur insolvenzrechtlich relevanten Finanzsituation der B zu treffen, da die Fortführungsprognose erkennbar nicht geeignet war, diese Fragen abschließend zu beantworten. So enthielt das Gutachten weder eine eindeutige und begründete verneinende Aussage zur Insolvenzreife des Unternehmens noch Angaben zu einzuhaltenden Fristen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen. Vor dem Hintergrund der den gesetzlichen Vertretern der B spätestens seit der Vorlage des Gutachtens bekannten Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € sowie der seit Jahren bestehen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis hin zum teilweisen Ausfall der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wären die gesetzlichen Vertreter verpflichtet gewesen, jedenfalls durch das Verlangen nach einer Ergänzung des Gutachtens gegenüber der D eine Klarstellung im Hinblick auf die aktuelle und nahe zukünftige insolvenzrechtliche Lage des Unternehmens zu erlangen.

Das Landgericht Aachen (Urteil v. 14.04.2021, Az. 11 O 241/17, insoweit bestätigt durch OLG Köln, Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) hat aufgrund der eigenen Prüfpflichten des Geschäftsführers bei Kenntnis der kritischen Liquidität der Gesellschaft und Insolvenzreife weit vor Beauftragung des Sanierungsgutachters ein Mitverschulden von 70% angenommen. Abweichend zum vorliegenden Fall war in der dortigen Konstellation jedoch ein Hinweis des Sanierungsberaters erfolgt, die mögliche Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch einen Dritten überprüfen zu lassen. Zudem lagen Indizien vor, dass dem Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bekannt war. Vorliegend erachtet der Senat unter Berücksichtigung sämtlicher dem Geschäftsführer H bekannten Umstände im Hinblick auf die wirtschaftliche Krise der B die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens als angemessen.

6. Die Haftungsbeschränkung der D in der zum Gegenstand des Vertrags gemachten Projektskizze vom 25.04.2013 ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.

Eine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten ist in Gestaltungen der Inanspruchnahme eines durch höhere Sachkenntnis begründeten besonderen Vertrauens zumindest sehr problematisch (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.04.2009, Az. I-24 U 27/08 [Wirtschaftsprüfer]; insgesamt MüKo/BGB-Wurmnest, 9. Aufl., § 307 Rn. 150 ff. m.w.N.). Daher ist ein vertraglicher Haftungsausschluss bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern gesetzlich ausgeschlossen (vgl. § 52 BRAO, § 67a StBerG, § 323 Abs. 4 HGB). Vorliegend nahm die D als Sanierungsberaterin angesichts der umfassenden und ausschließlichen Beauftragung nach Standard IDW S6 ein besonderes Vertrauen in Anspruch. Es handelte sich bei der D um eine am Markt etablierte Beratungsgesellschaft in ständiger Geschäftsbeziehung zur Gläubigerin V. Die Gutachtenserstellung erfolgte arbeitsteilig durch mehrere Mitarbeiter mit offenbar spezifischen Fachkenntnissen. Es ist daher gerechtfertigt, das Haftungsregime dem gesetzlich geregelter wirtschaftsprüfender Professionen anzunähern. Eine Freizeichnung würde jedenfalls hinsichtlich der im konkreten Fall verletzten vertraglichen Hauptpflichten die Auftraggeberin entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unbillig benachteiligen (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1288 f für die Verletzung von Kardinalpflichten unter Verweis auf entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

7. Ein Gegenanspruch des Beklagten auf Abtretung eines vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers der B auf Berücksichtigung einer Insolvenzquote der begünstigten Gesellschaftsgläubiger kann eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung des Klägers nicht begründen.

a) Um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern, ist dem gemäß § 64 GmbHG verurteilten Geschäftsführer grundsätzlich von Amts wegen vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGH, Urteil v. 08.01.2001, Az. II ZR 88/99 = BGHZ 146, 264, 279; Urteil v. 11.07.2005, Az. II ZR 235/03; Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12). Hierdurch wird im Verhältnis vom Geschäftsführer zu der in der Insolvenz befindlichen Gesellschaft dem Umstand Rechnung getragen, dass sich der der Gesellschaft verbleibende Schaden im Ergebnis aus den um die Insolvenzquote des begünstigten Gläubigers verminderten masseschmälernden Leistungen ergibt, es sich mithin um einen einheitlichen Vorgang der Schadensermittlung handelt.

b) Abweichend hiervon ist Gegenstand der Klage aus abgetretenem Recht vorliegend der gegen einen Dritten gerichtete Freistellungsanspruch hinsichtlich der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. Der Gegenanspruch des Geschäftsführers auf Berücksichtigung der Insolvenzquote des begünstigten Gesellschaftsgläubigers besteht daher nicht unmittelbar in der Person des Beklagten als Insolvenzverwalter der D, sondern ist diesem erst – wie auch von dem Beklagten geltend gemacht – im Wege der Abtretung zu übertragen, um ihn dann dem Kläger entgegen halten zu können. Es handelt sich somit nicht um die Feststellung eines einheitlichen Schadens in einem Schuldverhältnis. Vielmehr hat der Beklagte erstmals im Termin vom 17.07.2023 aufgrund eines bestehenden Anspruchs auf Abtretung des gegen den Kläger vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, § 273 Abs. 1 BGB. Hiermit ist der Beklagte jedoch präkludiert, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger ist Vortrag des Beklagten hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des Gegenanspruchs entgegen getreten. Gründe für die ausnahmsweise Zulässigkeit der verspäteten Geltendmachung der Einrede gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

8. Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf § 291, § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO aufgrund des jeweils hälftigen Obsiegens der Parteien.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Bei dem Urteil des Senats handelt sich um eine auf Bewertung von Tatsachen beruhende Einzelfallentscheidung, die keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft.

9. Der Streitwert bestimmt sich nach dem bezifferten Zahlungsantrag des Klägers zuzüglich des zuletzt geltend gemachten Gegenrechts des Beklagten, welches der Senat mit 3.000,00 € bemisst (vgl. insoweit BGH, Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12).

 

Bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für einen Mandanten haben Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte den Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnung und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.