Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. Juni 2010 - 7 K 3246/09 - geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 12. August 2009 und deren Widerspruchsbescheid vom 2. November 2009 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Beklagte den Kläger aufgrund seines Verhaltens zu Recht von weiteren Prüfungsleistungen ausgeschlossen und ihm damit seinen Prüfungsanspruch im Studiengang Volkswirtschaftslehre (Diplom) aberkannt hat.
Der 1982 geborene Kläger hat sich zum Wintersemester 2004/05 im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten immatrikuliert.
Zur Klausur Wirtschaftspolitik II am 16.07.2009, zu der sich der Kläger angemeldet hatte, erschien an dessen Stelle eine andere männliche Person im Prüfungsraum, wies sich durch den Studentenausweis und den Führerschein des Klägers aus, nahm die Prüfungsunterlagen entgegen und unterschrieb mit dem Namen des Klägers. Nach Feststellung dieses Umstandes gegen Ende der Prüfungszeit wurde die - unbekannt gebliebene - Person aus dem Prüfungsraum begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte eine Mitarbeiterin des Alfred-Weber-Instituts für Wirtschaftswissenschaften der Beklagten die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte.
Am Haupteingang trafen zwei Mitarbeiter des Instituts und der Unbekannte auf den Kläger und wenigstens eine weitere Person. Kurz darauf kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf der Kläger einen Institutsmitarbeiter festhielt, so dass der Unbekannte und die weitere Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
Als Bearbeitung der Prüfungsaufgaben existieren zwei Versionen, von denen die eine von der Hand des Klägers stammt. Sie fanden sich auf dem Platz, den der Unbekannte anstelle des Klägers im Prüfungsraum eingenommen hatte, sowie in einer Tasche an diesem Platz.
In seiner Sitzung am 12.08.2009 stellte der Prüfungsausschuss für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre fest, bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall vom 16.07.2009 handele es sich um einen besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs gemäß § 11 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vom 22.04.1999 in der Fassung vom 27.09.2004 (im folgenden DPO).
Mit Bescheid vom selben Tag stellte der Prüfungsausschuss der Beklagten fest, der Kläger habe eine andere Person zur Klausur am 16.07.2009 geschickt und einen Täuschungsversuch unternommen. Daher schloss der Prüfungsausschuss, gestützt auf § 11 Abs. 4 Satz 4 (richtig: Satz 5) DPO den Kläger „aufgrund eines schwerwiegenden Falles“ von der Erbringung weiterer wirtschaftswissenschaftlicher Prüfungsleistungen der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, gestützt auf § 11 Abs. 4 Satz 4 DPO, aus. Damit habe der Kläger die Diplomprüfung für Diplom-Volkswirte endgültig nicht bestanden, seinen Prüfungsanspruch verloren und werde exmatrikuliert. Dieser Bescheid wurde dem Kläger am 13.08.2009 zugestellt.
Seinen am 14.09.2009, einem Montag, eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, der im Bescheid wiedergegebene Tatbestand stimme nicht. Es sei zur härtest denkbaren Maßnahme gegriffen worden. Dies sei dem Vorfall nicht angemessen. Seine Macht habe der Prüfungsausschuss ihm gegenüber schon einmal demonstriert, als man das Ergebnis einer Klausur im Fach Allgemeine Methodenlehre der Statistik nicht anerkannt und ihn zur Wiederholung der Klausur gezwungen habe.
In seiner Sitzung am 14.10.2009 beschloss der Prüfungsausschuss, dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Der Kläger habe keine stichhaltigen Anhaltspunkte für eine veränderte Sachlage geliefert.
10 
Durch Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009, dem Kläger zugestellt am 04.11.2009, wies die Beklagte den Widerspruch zurück und stellte zur Begründung die näheren Umstände dar, aus denen sich ein schwerwiegender Fall eines Täuschungsversuchs am 16.07.2009 ergebe. Vom Kläger seien in der Begründung seines Widerspruchs keine weiteren Angaben zum Sachverhalt gemacht worden.
11 
Mit Bescheid der Beklagten vom 14.08.2009 wurde der Kläger zum Ende des Sommersemesters 2009 exmatrikuliert, da er den Prüfungsanspruch im Studienfach Volkswirtschaftslehre endgültig verloren habe. Dagegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 21.08.2009.
12 
Die am 18.11.2009 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhobene Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 12.08.2009 und des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2009 hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, er habe von Anfang an eine selbst gefertigte Klausurlösung abgeben wollen. Nie habe er gegenüber Aufsichts- oder anderen Personen geäußert, es sei nicht leicht gewesen, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, oder dass er nun halt eine „Fünf“ mehr habe und die Klausur zum 2. Prüfungstermin schreibe. Die angefochtenen Bescheide seien schon deshalb rechtswidrig, weil § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO, auf dessen Grundlage die Bescheide ergangen seien, die getroffene Entscheidung nicht ermögliche, jedenfalls nicht hinreichend bestimmt sei, und zudem nicht von einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei. Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes sei nicht beachtet und die Satzungsregelung auch mit der Wesentlichkeitstheorie nicht vereinbar. Schließlich sei die Entscheidung der Beklagten generell wie auch im konkreten Einzelfall unverhältnismäßig. Die konkrete Studiensituation des Klägers sei nicht berücksichtigt, eine frühere Täuschung ihm zu Unrecht unterstellt und ihm das Erreichen seines Studienziels unmöglich gemacht worden.
13 
Diesem Vortrag ist die Beklagte entgegen getreten.
14 
Nach ausführlicher Beweisaufnahme hat das Verwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 17.06.2010 als unbegründet abgewiesen. Zu Recht sei die Entscheidung der Beklagten auf § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 DPO gestützt worden. Diese Regelung finde in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG eine ausreichende formell-gesetzliche Grundlage. Insbesondere genüge diese Ermächtigungsgrundlage den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes. Auch der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen stelle lediglich eine Ausprägung des Wettbewerbscharakters der Prüfung und des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüflinge dar. Der Wortlaut der genannten Satzungsregelung sei auch hinreichend bestimmt. Die demnach vorgesehenen Sanktionen entsprächen allgemein dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch die Anwendung der Regelung auf den Einzelfall des Klägers begegne keinen Bedenken. Dabei ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es dem Kläger darum ging, sich die Prüfungsunterlagen von dem Unbekannten übergeben zu lassen, die Klausur dann außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen. Das Verhalten des Klägers einschließlich seiner Bemühungen, die Aufdeckung bzw. Aufklärung des Täuschungsmanövers zu vereiteln oder zu erschweren, sei auf einer Skala sanktionswürdiger Täuschungshandlungen im obersten Bereich anzusiedeln. Anhaltspunkte für Ermessensfehler des Prüfungsausschusses seien nicht ersichtlich. Angesichts der Schwere der Verfehlung habe der Prüfungsausschuss davon ausgehen dürften, dass die vorzunehmende Interessenabwägung vorgezeichnet und eine besondere Begründung nicht mehr erforderlich sei. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Folgen für den Kläger stünden die angegriffenen Bescheide im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
15 
Die vom Senat zugelassene Berufung begründet der Kläger, indem er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die beiden Bescheide der Beklagten seien aus mehreren Gründen rechtswidrig und daher aufzuheben:
16 
Die Sanktionsregelung des Ausschlusses von weiteren Prüfungsleistungen in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 DPO finde in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 1 LHG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Ein solcher gravierender Eingriff in das Grundrecht der Berufswahlfreiheit bedürfe einer Rechtsgrundlage in Form eines formellen Gesetzes. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Den Anforderungen an den Wesentlichkeitsgrundsatz genüge die Ermächtigung im Landeshochschulgesetz nicht, vielmehr lasse sie den Hochschulen insoweit „vollkommen freien Lauf“. Das Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage könne auch nicht dazu führen, dass gleichwohl bis zu ihrem Vorliegen die Gerichte gehalten wären, zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes vom vorhandenen Normenmaterial ausgehend an der Grundentscheidung in Art. 12 Abs. 1 GG orientierte und das Verhältnismäßigkeitsprinzip wahrende eigene Maßstäbe zu entwickeln. Grundrechtseingriffe könnten nicht auf eigene Einschätzungen der Richter gestützt werden.
17 
Dazuhin ergebe sich schon aus dem Wortlaut in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 DPO, dass nur der Ausschluss von einzelnen und nicht von sämtlichen Prüfungsleistungen als Sanktion ausgesprochen werden könne.
18 
Schließlich verstoße die ausgesprochene Sanktion jedenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der von ihm belegte Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre werde nach Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge an keiner anderen Hochschule in Deutschland mehr angeboten. Die Frage, ob es dem Kläger möglich sei, sein Studium im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an einer anderen Universität in Deutschland fortzusetzen, sei eine Rechtsfrage, hinsichtlich derer den Kläger keine Substantiierungspflicht treffe. Zudem habe die Beklagte weder Ermessens- noch Verhältnismäßigkeitserwägungen angestellt, was für sich genommen bereits zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide führe. Anderes ergebe sich weder aus den vorliegenden Protokollen noch den Begründungen der angefochtenen Bescheide. Bei diesen Erwägungen seien jedenfalls der Fortschritt des klägerischen Studiums (11. Fachsemester) und die Besonderheit des Studiums in einem Diplomstudiengang, der nur noch im Wege von Übergangsregelungen einen Abschluss ermögliche, und der damit einhergehende besonders massive Eingriff in die Berufswahlfreiheit des Klägers zu berücksichtigen gewesen.
19 
Dieser Ermessensausfall lasse sich auch nicht durch das Institut des „intendierten Ermessens“ beseitigen. Ein entsprechender Wille des Gesetzgebers für den Regelfall sei nicht erkennbar. Auch hätte die Beklagte nicht auf eine Begründung verzichten dürfen. Ein Fall des § 39 Abs. 2 VwVfG liege nicht vor. Hinzu komme, dass der Täuschungsversuch des Klägers jedenfalls nicht im Rahmen der Abschlussprüfung, sondern bei einer studienbegleitenden Klausur erfolgt sei. Bereits deshalb liege kein „schwerwiegender Verstoß“ im Sinne der Prüfungsordnung vor. Jedenfalls seien die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben, als sie die Exmatrikulation des Klägers aussprächen. Die Exmatrikulation sei schon deshalb nicht möglich, weil der Kläger auch im Bachelorstudiengang „Übersetzungswissenschaften Russisch“ bei der Beklagten eingeschrieben sei. Eine Exmatrikulation in Form eines absoluten Verlustes der Mitgliedschaftsrechte komme daher nicht in Betracht.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.06.2010 - 7 K 3246/09 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 sowie ihren Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 aufzuheben.
22 
Die Beklagte beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Sie führt zur Begründung aus: Angesichts des festgestellten Sachverhaltes, wie er dem angefochtenen Urteil zugrunde liege, handele es sich um einen schwerwiegenden Fall eines Täuschungsversuches. Zu Gunsten des Klägers sei dabei weder das bereits weit fortgeschrittene Stadium seines Studiums (11. Fachsemester) noch der Umstand zu werten, dass es sich um eine lediglich studienbegleitende Klausur gehandelt habe. Gerade bei fortgeschrittenen Studierenden könne erwartet werden, dass allgemeine Grundsätze über Redlichkeit im Studium ihren Niederschlag auch in entsprechendem Verhalten gefunden hätten. Bei der in Rede stehenden studienbegleitenden Prüfungsleistung habe es sich um einen vorgezogenen Teil der Abschlussprüfung gehandelt. Auch diese Klausur sei als das Studium abschließend zu werten. Hinzu komme, auch wenn vorliegend nicht entscheidend, dass die ausgesprochene Sanktion auch mit Blick auf ihre generalpräventive Wirkung hätte verhängt werden können.
25 
Die ausgesprochene Sanktion beruhe mit § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage. Darin sei der ausgesprochene Ausschluss von sämtlichen weiteren Prüfungen ausdrücklich vorgesehen. Die gesetzliche Grundlage dieser Vorschrift in § 34 Abs. 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Vorbehalt des Gesetzes. Die Ausgestaltung der Folgen von Verstößen gegen die Prüfungsordnung habe dem Satzungsgeber vorbehalten bleiben dürfen. Die gebotene Staffelung der Rechtsfolgen nach der Schwere der Verfehlung sei gegeben. Die ausgesprochene Sanktion entspreche der in § 62 Abs. 4 Nr. 4 i.V.m. § 3 Abs. 5 LHG vorgesehenen Rechtsfolge bei Verstößen gegen die wissenschaftliche Redlichkeit. Der Ausschluss von weiteren Prüfungsmöglichkeiten im Falle schwerwiegender Täuschungshandlungen sei vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit umfasst. Auch Art. 12 GG sei nicht verletzt. Der Kläger habe die Bedingungen, die zu seinem Ausschluss aus dem Studiengang Volkswirtschaftslehre (Diplom) der Beklagten geführt habe, selbst gesetzt. Der von ihm angestrebte Beruf sei grundsätzlich auch mit einem Bachelor-/Master-Abschluss zu erreichen. Für den dabei eintretenden Zeitverlust sei der Kläger selbst verantwortlich.
26 
Selbst wenn eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehle, sei nach der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs eine verfassungskonforme Korrektur des Sanktionsprogramms möglich und geboten und führe zum selben Ergebnis.
27 
Die ausgesprochene Exmatrikulation beziehe sich allein auf den in Streit stehenden Studiengang Diplom-Volkswirtschaftslehre. Der Kläger sei nicht daran gehindert, sich in einen anderen Studiengang bei der Beklagten einzuschreiben oder eingeschrieben zu bleiben.
28 
Dem Senat liegen die Behördenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zum Ausgangsverfahren 7 K 3246/09 sowie zum Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, 7 K 139/10, wie auch eine Kopie der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte, 24 Js 17145/09, vor. Hierauf sowie auf den Inhalt der im vorliegenden Verfahren gewechselten Schriftsätze wird hinsichtlich weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
29 
Die zulässige Berufung ist begründet.
30 
Die zulässige Klage ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.06.2010 wird geändert; die angefochtenen Bescheide sind wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie werden daher aufgehoben (s. dazu unter Nr. 3). Indes ist die Satzungsregelung, auf deren Grundlage diese Bescheide ergingen, gültig und nicht mangels hinreichender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (s. dazu unter Nr. 1) und erlaubt auch die Sanktion eines endgültigen Prüfungsausschlusses und damit die Beendigung des Studienganges (s. dazu unter Nr. 2).
31 
1. Die angefochtenen Bescheide sind auf § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO gestützt, Für den vorliegenden Fall des Ausschlusses von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen und der Aberkennung des Prüfungsanspruchs durch Entscheidungen vom 12.08.2009 und vom 02.11.2009 ist dessen maßgebliche Fassung die nach Änderung der Prüfungsordnung am 27.09.2004 (Mitteilungsblatt des Rektors vom 29.09.2004 S. 523). § 11 Abs. 4 Satz 1, 2 und 5 dieser Fassung sind mit der ursprünglichen Fassung dieser Sätze - § 11 Abs. 3 Satz 1, 2 und 3 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät vom 22.04.1999 (Amtsblatt „Wissenschaft, Forschung und Kunst“ 1999, 205 - PO 1999 -) - identisch und haben folgenden Wortlaut: „Versucht der Prüfling, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen, wird die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet. Ein Prüfling, der den ordnungsgemäßen Ablauf der Prüfung stört, kann von der jeweiligen Prüferin bzw. dem Prüfer oder Aufsichtsführenden von der Fortsetzung der Prüfungsleistung ausgeschlossen werden; in diesem Fall wird die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet. In schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen.“
32 
Diese Regelung ist gültig, denn sie beruht auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage.
33 
a) Der Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen wirkt sich unmittelbar und schwerwiegend auf das Grundrecht auf Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, aus. Eine solche Sanktion bedarf daher einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage.
34 
Rechtsgrundlage der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre vom 22.04.1999 ist nach ihrer Eingangsformel § 51 Abs. 1 Satz 2 des Universitätsgesetzes (UG), wonach Hochschulprüfungsordnungen Satzungen sind, die der Zustimmung des Wissenschaftsministeriums bedürfen. Nach dessen Absatz 2 Satz 1 in der jedenfalls seit Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes vom 10.01.1995 (GBl. S. 1) bis zur nachfolgenden Neubekanntmachung vom 01.02.2000 (GBl. S. 208) insoweit unveränderten Form müssen Hochschulprüfungsordnungen u.a. auch regeln 1. den Zweck der Prüfung, 3. die Anforderungen in der Prüfung, 4. Art, Zahl und Umfang der Prüfungsleistungen, dann 9. „den Ablauf des Prüfungsverfahrens, insbesondere den Beginn, die Gliederung, die Dauer des Prüfungsverfahrens, die Prüfungstermine und Prüfungsfristen und die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“ und weiter 11. „die Wiederholbarkeit einer nicht bestandenen Prüfung und die dafür geltenden Fristen“.
35 
Auch wenn dieses Gesetz in der Zwischenzeit außer Kraft getreten ist, ist dies für die Geltung der Prüfungsordnung ohne Bedeutung, soweit sie ursprünglich ordnungsgemäß erlassen wurde (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.12.1958 - 1 BvR 488/57 -, BVerfGE 9, 3, vom 25.07.1962 - 2 BvL 4/62 -, BVerfGE 14, 145, und vom 23.03.1977 - 2 BvR 812/74 -, BVerfGE 44, 216 und Senatsurteil vom 23.10.2012 - 9 S 2188/11 -, S. 10 f.). Die Überleitungsvorschrift zum am 06.01.2005 in Kraft getretenen Landeshochschulgesetz (Art. 27 § 18 Zweites Hochschulrechtsänderungsgesetz vom 01.01.2005, GBl. 1, 73) sieht in ihrem Absatz 1 vor, dass Hochschulprüfungsordnungen bis spätestens 30.09.2006 an die Bestimmungen des Landeshochschulgesetzes anzupassen sind. Anderenfalls treten „diejenigen Regelungen außer Kraft, die denjenigen des Landeshochschulgesetzes und den zur Ausführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen widersprechen“, Art. 27 § 18 Abs. 1 Satz 2 2. HRÄG. Daraus folgt, dass die hier in Rede stehende Prüfungsordnung auch über den 30.09.2006 hinaus weitergilt, wenn sie den Regelungen des Landeshochschulgesetzes nicht widerspricht.
36 
b) Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 LV kann eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden. Die Anforderungen an den Erlass einer universitären Satzung durch den Senat als Kollegialorgan einer zur Selbstverwaltung berufenen Körperschaft (§ 11 Nr. 2, § 19 Abs. 1 Satz 1 UG i.V.m. § 5 Abs. 1 UG) können insoweit über die Anforderungen an den Erlass einer Rechtsverordnung durch die Exekutive, wie sie in Art. 61 Abs. 1 LV genannt sind und - bezogen auf den insoweit wortgleichen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG - den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 03.11.1982 (- 2 BvL 28/81 -, BVerfGE 62, 203, 209) und vom 14.03.1989 (- 1 BvR 1033/82 u.a. -, BVerfGE 80, 1, 20 f.) zugrunde liegen, nicht hinausgehen.
37 
Nach dem ebenfalls zu beachtenden Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ist der Gesetzgeber zudem verpflichtet, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung oder auch einem universitären Gremium wie dem Senat der Beklagten zu überlassen, das nicht in vergleichbarer Weise wie das Parlament durch demokratische Wahlen legitimiert ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976 - VII B 157.76 -, Buchholz 421.0 Nr. 78; BVerfG, Beschluss vom 20.10.1981 - 1 BvR 640/80 -, BVerfGE 58, 257, 274 f.; BVerwG, Urteil vom 01.06.1995 - 2 C 16/94 -, BVerwGE 98, 324, 327; Bay VGH, Urteil vom 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 -, BayVBl 2004, 597). Schon aus der Ermächtigung muss für den Bürger erkennbar und vorhersehbar sein, was ihm gegenüber zulässig sein soll. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG, Eingriffe nur aufgrund eines Gesetzes zulässig sind. Der Gesetzgeber soll im Bereich der Grundrechtsausübung die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und, sofern Einzelregelungen einer Verordnung überlassen bleiben, die Tendenz und das Programm schon insoweit umreißen, dass sich der Zweck und der mögliche Inhalt der Verordnung bestimmen lassen (BVerfG, Beschluss vom 14.03.1989, a.a.O.).
38 
Dem sich daraus ergebenden Bestimmtheits- und zugleich Wesentlichkeitsgebot ist jedoch Genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung einer untergesetzlichen Norm, wie hier einer universitären Prüfungsordnung in Gestalt einer Satzung des Senats, mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze, insbesondere aus dem Zweck der Norm und dem Sinnzusammenhang erschließen lassen. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem Gesetz insgesamt ermitteln lassen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.11.1982, a.a.O., und vom 14.03.1989, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O., und BayVGH, Urteil vom 19.03.2004 a.a.O.). Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann - vor allem zur Bestätigung der Auslegung - herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1966 - 2 BvR 424/63 -, BVerfGE 19, 354, und Senatsurteil vom 23.10.2012 - 9 S 2188/11 -, Urteilsumdruck S. 11).
39 
c) § 51 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 UG genügt diesen Vorgaben. Universitäre Prüfungen dienen ganz allgemein dazu, festzustellen, ob der Studierende „bei Beurteilung seiner individuellen Leistung“ das Ziel des Studienabschnitts oder des Studiums insgesamt erreicht hat (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 UG; ähnlich § 30 Abs. 1 LHG). Daraus folgt unmittelbar, dass alle Manipulationen, die dazu geeignet sind, die individuelle Leistung zu verschleiern, einen Verstoß gegen Prüfungsvorschriften darstellen. Damit sind in Prüfungsordnungen vorgesehene Sanktionen als Folge von Täuschungsversuchen jedenfalls dann, wenn sie - wie regelmäßig - dazu dienen, eine bessere Bewertung zu erlangen, als es der tatsächlichen eigenen Leistung entspricht, von der Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 UG gedeckt.
40 
Dies gilt nicht nur dann, wenn sich die Sanktion auf die Bewertung der konkreten Einzelleistung als mangelhaft oder ihre Nichtbewertung beschränkt, sondern umfasst auch weitergehende Eingriffe in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG, soweit sie sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit halten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist als tragendes Prinzip öffentlicher Verwaltung bei jeglichem Eingriff in subjektive Rechtspositionen zu beachten (vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rn. 41 [Stand 2001]). Er ist daher auch ohne besonderen Hinweis bei der Umsetzung jeder Ermächtigung zum Eingriff in subjektive Rechte zu beachten (vgl. allg. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.). Aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, der ein tragendes Prinzip des Prüfungsrechts darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.03.1989, a.a.O.; vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.; OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 07.11.2011 - OVG 10 N 21.09 -, Juris Rn. 5 u. 6), folgt unmittelbar, dass massive Verstöße, durch die sich ein Prüfling auf drastische Weise einen erheblichen, ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den anderen Prüflingen zu verschaffen sucht, auch durch drastische Sanktionen geahndet werden können (vgl. BayVGH, Urteil vom 19.03.2004, a.a.O., BayVBl 2004, 597; im Ergebnis ebenso Sächs. OVG, Urteil vom 18.08.2010 - 2 A 142/09 -, NVwZ-RR 2011, 152, 153, und Nds. OVG, Beschluss vom 31.03.2011 - 2 LA 343/10 -, Juris). Die „Höchststrafe“ eines endgültigen Verlustes des Prüfungsanspruchs und damit der Beendigung einer Ausbildung ohne Abschluss ist daher dem Wesen des Prüfungsrechts immanent und folgt unmittelbar aus Sinn und Zweck des Prüfungswesens als Weg zur Feststellung individueller Leistung. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber, indem er in § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 UG als Inhalt von Prüfungsordnungen auch Aussagen über „die Wiederholbarkeit einer nicht bestandenen Prüfung und die dafür geltenden Fristen“ vorsah, offenbar auch die Möglichkeit eines vollständigen Verlusts des Prüfungsanspruchs - hier durch Versagen eines nochmaligen Prüfungsversuchs - im Blick hatte. Überdies könnte eine detaillierte Vorgabe des Gesetzgebers selbst an den Satzungs- oder Verordnungsgeber in der Sache kaum etwas anderes als einen ausdrücklichen Hinweis auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip (etwa: in besonders schweren Fällen kann auch der Verlust des Prüfungsanspruchs insgesamt festgestellt werden) darstellen.
41 
Dass im schulischen Bereich darüber hinausgehende, strengere Anforderungen gelten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.10.1981 - 1 BvR 640/80 -, BVerfGE 58, 257 betreffend die Anforderungen an die Entlassung eines Schülers wegen unzureichender Leistungen), zwingt zu keiner abweichenden Einschätzung. Welche Bestimmtheitsanforderungen im einzelnen erfüllt sein müssen, ist nämlich von den Besonderheiten des jeweiligen Sachbereichs sowie von Gewicht und Wirkung der zu regelnden Maßnahmen abhängig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.11.1982 - 2 BvL 28/81 -, BVerfGE 62, 203, 210 zu Bestimmungen über die Durchführung der Steuerberaterprüfung). Der Ausschluss von weiteren Prüfungen im universitären Bereich mit der Folge eines möglichen Scheiterns in einem bestimmten Studiengang ist insoweit eher mit den Voraussetzungen an eine bestimmte Ausbildung als mit dem zwangsweisen Verlassen einer weiterführenden Schule wegen unzureichender Leistungen vergleichbar, die nicht nur das Erreichen eines bestimmten akademischen Abschlusses, sondern darüber hinaus den Zugang zu akademischer Bildung überhaupt in Frage stellt. Daher würde die vom Kläger aus rechtsstaatlichen Gründen geforderte gesetzliche Regelung zwar als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips der Klarstellung dienen, ist aber aus Rechtsgründen nicht geboten, denn sie versteht sich, wie dargestellt, im Prüfungsrecht bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Beachtung des Prinzips der Chancengleichheit von selbst. Dabei ist wesentlich im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG lediglich, dass diese Sanktion in schweren Fällen ausgesprochen werden kann. Ob der untergesetzliche Normgeber diese Sanktion auch tatsächlich vorsieht, kann ihm vorbehalten bleiben.
42 
d) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht (Hess. VGH, Beschluss vom 27.09.1995 - 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 19, 30; Beaucamp/Lang, JA 2004, 213, 214) bedarf es auch für den Fall einer Sanktion, die zum Verlust des gesamten Prüfungsanspruchs und damit zur Beendigung des Studiums führt, somit jedenfalls dann keiner gesonderten ausdrücklichen Festlegung durch ein förmliches Gesetz, wenn sich eine solche Sanktion aus dem Wortlaut der Ermächtigung im Zusammenhang Ziel und Zweck des ermächtigenden Gesetzes insgesamt unter Beachtung tragender Grundsätze des Prüfungsrechts wie der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip herleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwanglos ergibt. Dies war in dem vom hessischen Verwaltungsgerichtshof zu entscheidenden Fall nicht in mit der vorliegenden Konstellation vergleichbarer Weise gegeben. Anders als hier beschränkte sich dort die Ermächtigung darauf, „die zur Durchführung der Prüfungen erforderlichen Rechtsverordnungen“ zu erlassen. Damit war die Möglichkeit der Sanktionierung eines Verstoßes gegen die Prüfungsvorschriften, etwa durch Täuschung, jener Formulierung nicht unmittelbar zu entnehmen.
43 
2. § 11 Abs. 3 Satz 3 PO 1999 (= § 11 Abs. 4 Satz 5 der aktuellen DPO) sieht „in schwerwiegenden Fällen“ den „Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen“ vor. Diese Sanktion geht über die in Satz 1 des Absatzes genannte Sanktion der Bewertung der Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ ersichtlich hinaus. Sie führt dazu, dass der Prüfling jedenfalls bei schriftlichen Prüfungsleistungen auf die Wiederholungsmöglichkeiten des § 22 DPO verwiesen ist. Die schwerere Sanktionierung muss daher einschneidender wirken als ein Zwang zur Wiederholung einer bestimmten Prüfungsleistung. Als nächste Stufe kommt nach dem Wortlaut der Norm theoretisch der endgültige Verlust einer Prüfungsmöglichkeit in einem bestimmten Prüfungsfach in Betracht. Dieser Verlust würde jedoch dazu führen, dass die Diplomprüfung insgesamt nicht bestanden ist, da der schriftliche Teil der Diplomprüfung wie auch die Diplomprüfung überhaupt nur dann als bestanden gelten kann, wenn sämtliche Teile, und sei es nach der zweiten Wiederholungsprüfung, bestanden sind (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 1, § 24 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 DPO). Daraus folgt, dass der „Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen“ den Verlust des Prüfungsanspruchs insgesamt bedeutet, jedenfalls soweit es um einen Täuschungsversuch in einer schriftlichen Prüfung geht. Denn wenn ein Studierender eine nach der Prüfungsordnung erforderliche studienbegleitende Prüfungsleistung endgültig nicht bestanden hat, erlischt die Zulassung zu diesem Studiengang (§ 32 Abs. 1 Satz 5 LHG) mit der Folge, dass er nicht mehr zu einer Prüfung zugelassen werden kann (§ 32 Abs. 1 Satz 4 LHG). Dies entspricht auch dem Wortsinn, wonach dieser Ausschluss allgemein gilt und nicht auf bestimmte weitere Prüfungsleistungen beschränkt ist (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17.06.2009 - 15 K 5332/07 -, Juris).
44 
Entgegen der Ansicht des Klägers kann ein „schwerwiegender Fall“ im Sinne von § 11 Abs. 4 Satz 5 PO auch schon dann vorliegen, wenn es lediglich um einen Täuschungsversuch in einer einzelnen Prüfung geht. Er ist nicht auf ein Fehlverhalten in einer Abschlussprüfung beschränkt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass alle zur Erlangung des Diploms im Studiengang Volkswirtschaftslehre erforderlichen Prüfungen studienbegleitend erfolgen und Einfluss auf die Abschlussnote haben (§ 19 Abs. 1 DPO).
45 
3. Die angefochtenen Bescheide sind jedoch als rechtswidrig aufzuheben, da eine Ermessensausübung des zur Entscheidung berufenen Prüfungsausschusses (§ 11 Abs. 4 und Abs. 5 DPO) nicht erkennbar ist und auch eine Ermessensreduktion auf Null nicht angenommen werden kann.
46 
a) Nach § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO „kann“ der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen. Damit ist der Prüfungsausschuss nicht nur zu einer entsprechenden Entscheidung ermächtigt, sondern er ist auch gehalten, Ermessen auszuüben, also den Zweck der Ermächtigung zu beachten und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (vgl. § 40 LVwVfG). Ermessensfehler liegen dann vor, wenn die zuständige Behörde den Zweck des ihr eröffneten Ermessens verkennt, insbesondere relevante Tatsachen nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen anstellt, den ihr gesetzten Rahmen, etwa durch unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Maßnahmen, überschreitet oder gar kein Ermessen ausübt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 12 Aufl. 2011, § 40 Rn. 58 ff.). Eine fehlerhafte oder unvollständige Ermessensentscheidung kann jedenfalls noch bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz durch Nachholen einer fehlerfreien Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn. 68 ff.). Jedoch kann die zuständige Behörde ihre Ermessenerwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich „ergänzen“ (§ 114 Satz 2 VwGO), was ein erstmaliges Ausüben von Ermessen zu diesem Zeitpunkt ausschließt (BVerwG, Urteil vom 05.09.2006 - 1 C 20/05 -, NVwZ 2007, 470, und Beschluss vom 14.01.1999 - 6 B 133/98 -, NJW 1999, 2912; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.2008 - 11 S 2889/07 -, VBlBW 2009, 264, 270; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar 3. Aufl. 2010 § 114 Rn. 207 f.; Stuhlfauth in: Bader, VwGO, Kommentar, 5. Aufl. 2011, § 114 Rn. 55).
47 
Ermessenserwägungen sind regelmäßig der Begründung der Entscheidung zu entnehmen. Sie können sich aber auch aus anderen Umständen, etwa dem Akteninhalt ergeben. Die Beweislast für eine rechtmäßige Ermessensausübung liegt bei der Behörde (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 40 Rn. 58).
48 
b) Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Bescheid des Prüfungsausschusses der Beklagten vom 12.08.2009 „über das endgültige Nichtbestehen der Diplomprüfung“ nach einer kurzen Sachverhaltsschilderung auf den Satz „Der Prüfungsausschuss hat in seiner Sitzung am 12.08.2009 beschlossen, dass Sie mit sofortiger Wirkung aufgrund eines schwerwiegenden Falles von der Erbringung weiterer wirtschaftswissenschaftlicher Prüfungsleistungen der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gemäß § 11 Absatz 4 Satz 4(!) DPO ausgeschlossen werden.“ Zur Begründung des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2009 wird unter II. der Sachverhalt näher dargestellt und daraus folgender Schluss gezogen: „Sie haben insoweit einen Täuschungsversuch unternommen, da Sie jemand anderen beauftragt haben, in Ihrem Namen die Klausur Wirtschaftspolitik II anzufertigen und abzugeben. Der Prüfungsausschuss hat unter Würdigung der vorliegenden Umstände einen schwerwiegenden Fall festgestellt und Sie gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4(!) der Diplomprüfungsordnung der Universität Heidelberg für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre vom 22.04.99 i.d.F. vom 27.09.04 von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausgeschlossen. Sie haben damit Ihren Prüfungsanspruch für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre verloren. Der Widerspruch war deshalb zurückzuweisen.“
49 
Damit lassen die genannten Bescheide Ermessenserwägungen nicht erkennen. Das bei den Akten befindliche Protokoll der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 12.08.2009 enthält hinsichtlich der Person des Klägers im Rahmen des protokollierten Beschlusses lediglich die Feststellung, dass es sich „um einen besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs gemäß § 11 DPO“ handele. Das Protokoll der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 14.10.2009, zu der der Widerspruch des Klägers und dessen Begründung vom 30.09.2009 vorlagen, befindet sich nicht in den Akten. Aus dem Schreiben des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses an die Universitätsverwaltung vom 27.10.2009 geht lediglich hervor, dass der Prüfungsausschuss „in der Sitzung vom 14.10.2009 beschlossen (habe), dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Der Widerspruch von Herrn A. S. liefert keinen stichhaltigen Anhaltspunkt für eine veränderte Sachlage.“ Damit ergeben sich auch keine Ermessenserwägungen aus zugänglichen Akten. Die bloße Bezeichnung des Fehlverhaltens des Klägers als „besonders“ schwerer Fall reicht hierfür nicht aus, auch wenn im Schriftsatz der Beklagten im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe - 7 K 139/10 - vom 26.01.2010 die Entscheidung als Ermessensentscheidung angesehen und mit dem Hinweis verteidigt wird, nach Ansicht des Prüfungsausschusses sei der vorliegende Sachverhalt so schwerwiegend, dass die ausgesprochene Rechtsfolge auch verhältnismäßig sei. Sie lässt noch nicht einmal erkennen, dass sich der Prüfungsausschuss des Charakters seiner Entscheidung als Ermessensentscheidung bewusst war.
50 
c) Dieses Fehlen von Ermessenserwägungen wäre nur dann unschädlich, wenn es hierauf nicht ankäme, also unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine andere als die getroffene Entscheidung rechtmäßig sein könnte. Eine solche Ermessensreduzierung „auf Null“ kann nach Ansicht des Senats aus allgemeinen Erwägungen, aber auch wegen der Besonderheiten des konkreten Falles nicht angenommen werden.
51 
Wie unter 1. ausgeführt, ist die Regelung über Sanktionsmöglichkeiten bei Täuschungen und Täuschungsversuchen in § 11 Abs. 4 DPO Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Verbindung mit dem das Prüfungswesen beherrschenden Prinzip der Chancengleichheit, die je nach Schwere des Verstoßes auch eine Differenzierung in der Schwere der Sanktion fordern. Weil dem so ist, genügt die Ermächtigung zum Erlass der hier in Rede stehenden Prüfungsordnung in § 51 Abs. 1 Satz 2 mit Abs. 2 Satz 1 UG (und vergleichbar auch in § 36 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 LHG) dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und seiner Ausgestaltung durch die Wesentlichkeitslehre. Diese Forderung nach Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit setzt sich in der Anwendung der Norm selbst - hier § 11 Abs. 4 DPO - fort. Ein Automatismus derart, dass bei schwerwiegenden Fällen des § 11 Abs. 4 DPO ein Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen „erfolgt“, dürfte im Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Daher hat die Ausübung dieses durch das Wort „kann“ eröffneten Ermessens hier besondere verfassungsrechtliche Bedeutung. Eine Beendigung des Studiums in einem bestimmten Studiengang ist nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Entscheidung verhältnismäßig ist, wobei nicht nur der konkrete Sachverhalt des Täuschungsvorgangs, sondern auch die Folgen für den Betroffenen in den Blick zu nehmen sind. Hierbei spielen auch die persönlichen Umstände, u.a. das Stadium, in dem der betreffende Studiengang abgebrochen wird, eine Rolle. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass es sich beim vom Kläger besuchten Studiengang um einen Diplomstudiengang handelt, der so bei der Beklagten und auch verbreitet in Deutschland nicht mehr angeboten wird, so dass, anders als in anderen Fällen, eine Fortsetzung des Studiums an einer anderen Universität zusätzlich erschwert wird. Angesichts dieser Umstände könnte eine Ermessensreduzierung auf Null nur in besonders schweren Fällen angenommen werden, in denen bereits im Ansatz eine andere Entscheidung undenkbar erscheint und es deshalb auf die konkreten Folgen nicht mehr ankommen kann.
52 
Einen solchen besonders schweren Fall erkennt der Senat im hier zu beurteilenden Verhalten des Klägers nicht, auch wenn das Einschalten einer anderen Person und insbesondere das Festhalten von Bediensteten der Beklagten, um der - unbekannt gebliebenen - Person das Verlassen des Universitätsgeländes und damit das Sich-Entziehen vor weiteren Ermittlungen eine erhebliche kriminelle Energie belegt. Dieses Vorgehen und der Versuch, die genauen Umstände des Täuschungsvorgehens zu vertuschen, hebt den Vorfall aus der Zahl der „gewöhnlichen“ Täuschungen heraus und macht ihn gewiss zu einem „schwerwiegenden“ Fall. Dies kann jedoch, wie dargestellt, noch nicht dazu führen, dass der Kläger ungeachtet aller weiteren Umstände zwingend mit der schwersten Sanktion zu belegen wäre. Das Ermessen war daher eröffnet und zu betätigen, da ein Extremfall, bei dem ein Ausblenden für den Kläger sprechender persönlicher wie allgemein-sachlicher Umstände wegen Ermessensreduzierung gerechtfertigt wäre, (noch) nicht vorliegt.
53 
d) Dies bedeutet zugleich, dass bei Berücksichtigung aller maßgeblichen und hier auch genannten Umstände eine Sanktion, wie sie in § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO möglich gemacht wird, zu Recht von der Beklagten ausgesprochen werden kann, auch wenn nicht völlig geklärte Umstände bei einer vorangegangenen Klausur, wie von der Beklagten vorgetragen, unberücksichtigt geblieben sind.
54 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
55 
Beschluss vom 21. November 2012
56 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. II.18.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327) auf 15.000,-- EUR festgesetzt.
57 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
29 
Die zulässige Berufung ist begründet.
30 
Die zulässige Klage ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.06.2010 wird geändert; die angefochtenen Bescheide sind wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie werden daher aufgehoben (s. dazu unter Nr. 3). Indes ist die Satzungsregelung, auf deren Grundlage diese Bescheide ergingen, gültig und nicht mangels hinreichender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (s. dazu unter Nr. 1) und erlaubt auch die Sanktion eines endgültigen Prüfungsausschlusses und damit die Beendigung des Studienganges (s. dazu unter Nr. 2).
31 
1. Die angefochtenen Bescheide sind auf § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO gestützt, Für den vorliegenden Fall des Ausschlusses von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen und der Aberkennung des Prüfungsanspruchs durch Entscheidungen vom 12.08.2009 und vom 02.11.2009 ist dessen maßgebliche Fassung die nach Änderung der Prüfungsordnung am 27.09.2004 (Mitteilungsblatt des Rektors vom 29.09.2004 S. 523). § 11 Abs. 4 Satz 1, 2 und 5 dieser Fassung sind mit der ursprünglichen Fassung dieser Sätze - § 11 Abs. 3 Satz 1, 2 und 3 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät vom 22.04.1999 (Amtsblatt „Wissenschaft, Forschung und Kunst“ 1999, 205 - PO 1999 -) - identisch und haben folgenden Wortlaut: „Versucht der Prüfling, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen, wird die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet. Ein Prüfling, der den ordnungsgemäßen Ablauf der Prüfung stört, kann von der jeweiligen Prüferin bzw. dem Prüfer oder Aufsichtsführenden von der Fortsetzung der Prüfungsleistung ausgeschlossen werden; in diesem Fall wird die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet. In schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen.“
32 
Diese Regelung ist gültig, denn sie beruht auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage.
33 
a) Der Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen wirkt sich unmittelbar und schwerwiegend auf das Grundrecht auf Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, aus. Eine solche Sanktion bedarf daher einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage.
34 
Rechtsgrundlage der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre vom 22.04.1999 ist nach ihrer Eingangsformel § 51 Abs. 1 Satz 2 des Universitätsgesetzes (UG), wonach Hochschulprüfungsordnungen Satzungen sind, die der Zustimmung des Wissenschaftsministeriums bedürfen. Nach dessen Absatz 2 Satz 1 in der jedenfalls seit Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes vom 10.01.1995 (GBl. S. 1) bis zur nachfolgenden Neubekanntmachung vom 01.02.2000 (GBl. S. 208) insoweit unveränderten Form müssen Hochschulprüfungsordnungen u.a. auch regeln 1. den Zweck der Prüfung, 3. die Anforderungen in der Prüfung, 4. Art, Zahl und Umfang der Prüfungsleistungen, dann 9. „den Ablauf des Prüfungsverfahrens, insbesondere den Beginn, die Gliederung, die Dauer des Prüfungsverfahrens, die Prüfungstermine und Prüfungsfristen und die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“ und weiter 11. „die Wiederholbarkeit einer nicht bestandenen Prüfung und die dafür geltenden Fristen“.
35 
Auch wenn dieses Gesetz in der Zwischenzeit außer Kraft getreten ist, ist dies für die Geltung der Prüfungsordnung ohne Bedeutung, soweit sie ursprünglich ordnungsgemäß erlassen wurde (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.12.1958 - 1 BvR 488/57 -, BVerfGE 9, 3, vom 25.07.1962 - 2 BvL 4/62 -, BVerfGE 14, 145, und vom 23.03.1977 - 2 BvR 812/74 -, BVerfGE 44, 216 und Senatsurteil vom 23.10.2012 - 9 S 2188/11 -, S. 10 f.). Die Überleitungsvorschrift zum am 06.01.2005 in Kraft getretenen Landeshochschulgesetz (Art. 27 § 18 Zweites Hochschulrechtsänderungsgesetz vom 01.01.2005, GBl. 1, 73) sieht in ihrem Absatz 1 vor, dass Hochschulprüfungsordnungen bis spätestens 30.09.2006 an die Bestimmungen des Landeshochschulgesetzes anzupassen sind. Anderenfalls treten „diejenigen Regelungen außer Kraft, die denjenigen des Landeshochschulgesetzes und den zur Ausführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen widersprechen“, Art. 27 § 18 Abs. 1 Satz 2 2. HRÄG. Daraus folgt, dass die hier in Rede stehende Prüfungsordnung auch über den 30.09.2006 hinaus weitergilt, wenn sie den Regelungen des Landeshochschulgesetzes nicht widerspricht.
36 
b) Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 LV kann eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden. Die Anforderungen an den Erlass einer universitären Satzung durch den Senat als Kollegialorgan einer zur Selbstverwaltung berufenen Körperschaft (§ 11 Nr. 2, § 19 Abs. 1 Satz 1 UG i.V.m. § 5 Abs. 1 UG) können insoweit über die Anforderungen an den Erlass einer Rechtsverordnung durch die Exekutive, wie sie in Art. 61 Abs. 1 LV genannt sind und - bezogen auf den insoweit wortgleichen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG - den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 03.11.1982 (- 2 BvL 28/81 -, BVerfGE 62, 203, 209) und vom 14.03.1989 (- 1 BvR 1033/82 u.a. -, BVerfGE 80, 1, 20 f.) zugrunde liegen, nicht hinausgehen.
37 
Nach dem ebenfalls zu beachtenden Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ist der Gesetzgeber zudem verpflichtet, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung oder auch einem universitären Gremium wie dem Senat der Beklagten zu überlassen, das nicht in vergleichbarer Weise wie das Parlament durch demokratische Wahlen legitimiert ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976 - VII B 157.76 -, Buchholz 421.0 Nr. 78; BVerfG, Beschluss vom 20.10.1981 - 1 BvR 640/80 -, BVerfGE 58, 257, 274 f.; BVerwG, Urteil vom 01.06.1995 - 2 C 16/94 -, BVerwGE 98, 324, 327; Bay VGH, Urteil vom 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 -, BayVBl 2004, 597). Schon aus der Ermächtigung muss für den Bürger erkennbar und vorhersehbar sein, was ihm gegenüber zulässig sein soll. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG, Eingriffe nur aufgrund eines Gesetzes zulässig sind. Der Gesetzgeber soll im Bereich der Grundrechtsausübung die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und, sofern Einzelregelungen einer Verordnung überlassen bleiben, die Tendenz und das Programm schon insoweit umreißen, dass sich der Zweck und der mögliche Inhalt der Verordnung bestimmen lassen (BVerfG, Beschluss vom 14.03.1989, a.a.O.).
38 
Dem sich daraus ergebenden Bestimmtheits- und zugleich Wesentlichkeitsgebot ist jedoch Genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung einer untergesetzlichen Norm, wie hier einer universitären Prüfungsordnung in Gestalt einer Satzung des Senats, mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze, insbesondere aus dem Zweck der Norm und dem Sinnzusammenhang erschließen lassen. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem Gesetz insgesamt ermitteln lassen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.11.1982, a.a.O., und vom 14.03.1989, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O., und BayVGH, Urteil vom 19.03.2004 a.a.O.). Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann - vor allem zur Bestätigung der Auslegung - herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1966 - 2 BvR 424/63 -, BVerfGE 19, 354, und Senatsurteil vom 23.10.2012 - 9 S 2188/11 -, Urteilsumdruck S. 11).
39 
c) § 51 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 UG genügt diesen Vorgaben. Universitäre Prüfungen dienen ganz allgemein dazu, festzustellen, ob der Studierende „bei Beurteilung seiner individuellen Leistung“ das Ziel des Studienabschnitts oder des Studiums insgesamt erreicht hat (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 UG; ähnlich § 30 Abs. 1 LHG). Daraus folgt unmittelbar, dass alle Manipulationen, die dazu geeignet sind, die individuelle Leistung zu verschleiern, einen Verstoß gegen Prüfungsvorschriften darstellen. Damit sind in Prüfungsordnungen vorgesehene Sanktionen als Folge von Täuschungsversuchen jedenfalls dann, wenn sie - wie regelmäßig - dazu dienen, eine bessere Bewertung zu erlangen, als es der tatsächlichen eigenen Leistung entspricht, von der Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 UG gedeckt.
40 
Dies gilt nicht nur dann, wenn sich die Sanktion auf die Bewertung der konkreten Einzelleistung als mangelhaft oder ihre Nichtbewertung beschränkt, sondern umfasst auch weitergehende Eingriffe in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG, soweit sie sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit halten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist als tragendes Prinzip öffentlicher Verwaltung bei jeglichem Eingriff in subjektive Rechtspositionen zu beachten (vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rn. 41 [Stand 2001]). Er ist daher auch ohne besonderen Hinweis bei der Umsetzung jeder Ermächtigung zum Eingriff in subjektive Rechte zu beachten (vgl. allg. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.). Aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, der ein tragendes Prinzip des Prüfungsrechts darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.03.1989, a.a.O.; vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.; OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 07.11.2011 - OVG 10 N 21.09 -, Juris Rn. 5 u. 6), folgt unmittelbar, dass massive Verstöße, durch die sich ein Prüfling auf drastische Weise einen erheblichen, ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den anderen Prüflingen zu verschaffen sucht, auch durch drastische Sanktionen geahndet werden können (vgl. BayVGH, Urteil vom 19.03.2004, a.a.O., BayVBl 2004, 597; im Ergebnis ebenso Sächs. OVG, Urteil vom 18.08.2010 - 2 A 142/09 -, NVwZ-RR 2011, 152, 153, und Nds. OVG, Beschluss vom 31.03.2011 - 2 LA 343/10 -, Juris). Die „Höchststrafe“ eines endgültigen Verlustes des Prüfungsanspruchs und damit der Beendigung einer Ausbildung ohne Abschluss ist daher dem Wesen des Prüfungsrechts immanent und folgt unmittelbar aus Sinn und Zweck des Prüfungswesens als Weg zur Feststellung individueller Leistung. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber, indem er in § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 UG als Inhalt von Prüfungsordnungen auch Aussagen über „die Wiederholbarkeit einer nicht bestandenen Prüfung und die dafür geltenden Fristen“ vorsah, offenbar auch die Möglichkeit eines vollständigen Verlusts des Prüfungsanspruchs - hier durch Versagen eines nochmaligen Prüfungsversuchs - im Blick hatte. Überdies könnte eine detaillierte Vorgabe des Gesetzgebers selbst an den Satzungs- oder Verordnungsgeber in der Sache kaum etwas anderes als einen ausdrücklichen Hinweis auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip (etwa: in besonders schweren Fällen kann auch der Verlust des Prüfungsanspruchs insgesamt festgestellt werden) darstellen.
41 
Dass im schulischen Bereich darüber hinausgehende, strengere Anforderungen gelten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.10.1981 - 1 BvR 640/80 -, BVerfGE 58, 257 betreffend die Anforderungen an die Entlassung eines Schülers wegen unzureichender Leistungen), zwingt zu keiner abweichenden Einschätzung. Welche Bestimmtheitsanforderungen im einzelnen erfüllt sein müssen, ist nämlich von den Besonderheiten des jeweiligen Sachbereichs sowie von Gewicht und Wirkung der zu regelnden Maßnahmen abhängig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.11.1982 - 2 BvL 28/81 -, BVerfGE 62, 203, 210 zu Bestimmungen über die Durchführung der Steuerberaterprüfung). Der Ausschluss von weiteren Prüfungen im universitären Bereich mit der Folge eines möglichen Scheiterns in einem bestimmten Studiengang ist insoweit eher mit den Voraussetzungen an eine bestimmte Ausbildung als mit dem zwangsweisen Verlassen einer weiterführenden Schule wegen unzureichender Leistungen vergleichbar, die nicht nur das Erreichen eines bestimmten akademischen Abschlusses, sondern darüber hinaus den Zugang zu akademischer Bildung überhaupt in Frage stellt. Daher würde die vom Kläger aus rechtsstaatlichen Gründen geforderte gesetzliche Regelung zwar als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips der Klarstellung dienen, ist aber aus Rechtsgründen nicht geboten, denn sie versteht sich, wie dargestellt, im Prüfungsrecht bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Beachtung des Prinzips der Chancengleichheit von selbst. Dabei ist wesentlich im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG lediglich, dass diese Sanktion in schweren Fällen ausgesprochen werden kann. Ob der untergesetzliche Normgeber diese Sanktion auch tatsächlich vorsieht, kann ihm vorbehalten bleiben.
42 
d) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht (Hess. VGH, Beschluss vom 27.09.1995 - 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 19, 30; Beaucamp/Lang, JA 2004, 213, 214) bedarf es auch für den Fall einer Sanktion, die zum Verlust des gesamten Prüfungsanspruchs und damit zur Beendigung des Studiums führt, somit jedenfalls dann keiner gesonderten ausdrücklichen Festlegung durch ein förmliches Gesetz, wenn sich eine solche Sanktion aus dem Wortlaut der Ermächtigung im Zusammenhang Ziel und Zweck des ermächtigenden Gesetzes insgesamt unter Beachtung tragender Grundsätze des Prüfungsrechts wie der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip herleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwanglos ergibt. Dies war in dem vom hessischen Verwaltungsgerichtshof zu entscheidenden Fall nicht in mit der vorliegenden Konstellation vergleichbarer Weise gegeben. Anders als hier beschränkte sich dort die Ermächtigung darauf, „die zur Durchführung der Prüfungen erforderlichen Rechtsverordnungen“ zu erlassen. Damit war die Möglichkeit der Sanktionierung eines Verstoßes gegen die Prüfungsvorschriften, etwa durch Täuschung, jener Formulierung nicht unmittelbar zu entnehmen.
43 
2. § 11 Abs. 3 Satz 3 PO 1999 (= § 11 Abs. 4 Satz 5 der aktuellen DPO) sieht „in schwerwiegenden Fällen“ den „Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen“ vor. Diese Sanktion geht über die in Satz 1 des Absatzes genannte Sanktion der Bewertung der Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ ersichtlich hinaus. Sie führt dazu, dass der Prüfling jedenfalls bei schriftlichen Prüfungsleistungen auf die Wiederholungsmöglichkeiten des § 22 DPO verwiesen ist. Die schwerere Sanktionierung muss daher einschneidender wirken als ein Zwang zur Wiederholung einer bestimmten Prüfungsleistung. Als nächste Stufe kommt nach dem Wortlaut der Norm theoretisch der endgültige Verlust einer Prüfungsmöglichkeit in einem bestimmten Prüfungsfach in Betracht. Dieser Verlust würde jedoch dazu führen, dass die Diplomprüfung insgesamt nicht bestanden ist, da der schriftliche Teil der Diplomprüfung wie auch die Diplomprüfung überhaupt nur dann als bestanden gelten kann, wenn sämtliche Teile, und sei es nach der zweiten Wiederholungsprüfung, bestanden sind (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 1, § 24 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 DPO). Daraus folgt, dass der „Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen“ den Verlust des Prüfungsanspruchs insgesamt bedeutet, jedenfalls soweit es um einen Täuschungsversuch in einer schriftlichen Prüfung geht. Denn wenn ein Studierender eine nach der Prüfungsordnung erforderliche studienbegleitende Prüfungsleistung endgültig nicht bestanden hat, erlischt die Zulassung zu diesem Studiengang (§ 32 Abs. 1 Satz 5 LHG) mit der Folge, dass er nicht mehr zu einer Prüfung zugelassen werden kann (§ 32 Abs. 1 Satz 4 LHG). Dies entspricht auch dem Wortsinn, wonach dieser Ausschluss allgemein gilt und nicht auf bestimmte weitere Prüfungsleistungen beschränkt ist (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17.06.2009 - 15 K 5332/07 -, Juris).
44 
Entgegen der Ansicht des Klägers kann ein „schwerwiegender Fall“ im Sinne von § 11 Abs. 4 Satz 5 PO auch schon dann vorliegen, wenn es lediglich um einen Täuschungsversuch in einer einzelnen Prüfung geht. Er ist nicht auf ein Fehlverhalten in einer Abschlussprüfung beschränkt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass alle zur Erlangung des Diploms im Studiengang Volkswirtschaftslehre erforderlichen Prüfungen studienbegleitend erfolgen und Einfluss auf die Abschlussnote haben (§ 19 Abs. 1 DPO).
45 
3. Die angefochtenen Bescheide sind jedoch als rechtswidrig aufzuheben, da eine Ermessensausübung des zur Entscheidung berufenen Prüfungsausschusses (§ 11 Abs. 4 und Abs. 5 DPO) nicht erkennbar ist und auch eine Ermessensreduktion auf Null nicht angenommen werden kann.
46 
a) Nach § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO „kann“ der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen. Damit ist der Prüfungsausschuss nicht nur zu einer entsprechenden Entscheidung ermächtigt, sondern er ist auch gehalten, Ermessen auszuüben, also den Zweck der Ermächtigung zu beachten und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (vgl. § 40 LVwVfG). Ermessensfehler liegen dann vor, wenn die zuständige Behörde den Zweck des ihr eröffneten Ermessens verkennt, insbesondere relevante Tatsachen nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen anstellt, den ihr gesetzten Rahmen, etwa durch unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Maßnahmen, überschreitet oder gar kein Ermessen ausübt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 12 Aufl. 2011, § 40 Rn. 58 ff.). Eine fehlerhafte oder unvollständige Ermessensentscheidung kann jedenfalls noch bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz durch Nachholen einer fehlerfreien Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn. 68 ff.). Jedoch kann die zuständige Behörde ihre Ermessenerwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich „ergänzen“ (§ 114 Satz 2 VwGO), was ein erstmaliges Ausüben von Ermessen zu diesem Zeitpunkt ausschließt (BVerwG, Urteil vom 05.09.2006 - 1 C 20/05 -, NVwZ 2007, 470, und Beschluss vom 14.01.1999 - 6 B 133/98 -, NJW 1999, 2912; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.2008 - 11 S 2889/07 -, VBlBW 2009, 264, 270; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar 3. Aufl. 2010 § 114 Rn. 207 f.; Stuhlfauth in: Bader, VwGO, Kommentar, 5. Aufl. 2011, § 114 Rn. 55).
47 
Ermessenserwägungen sind regelmäßig der Begründung der Entscheidung zu entnehmen. Sie können sich aber auch aus anderen Umständen, etwa dem Akteninhalt ergeben. Die Beweislast für eine rechtmäßige Ermessensausübung liegt bei der Behörde (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 40 Rn. 58).
48 
b) Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Bescheid des Prüfungsausschusses der Beklagten vom 12.08.2009 „über das endgültige Nichtbestehen der Diplomprüfung“ nach einer kurzen Sachverhaltsschilderung auf den Satz „Der Prüfungsausschuss hat in seiner Sitzung am 12.08.2009 beschlossen, dass Sie mit sofortiger Wirkung aufgrund eines schwerwiegenden Falles von der Erbringung weiterer wirtschaftswissenschaftlicher Prüfungsleistungen der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gemäß § 11 Absatz 4 Satz 4(!) DPO ausgeschlossen werden.“ Zur Begründung des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2009 wird unter II. der Sachverhalt näher dargestellt und daraus folgender Schluss gezogen: „Sie haben insoweit einen Täuschungsversuch unternommen, da Sie jemand anderen beauftragt haben, in Ihrem Namen die Klausur Wirtschaftspolitik II anzufertigen und abzugeben. Der Prüfungsausschuss hat unter Würdigung der vorliegenden Umstände einen schwerwiegenden Fall festgestellt und Sie gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4(!) der Diplomprüfungsordnung der Universität Heidelberg für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre vom 22.04.99 i.d.F. vom 27.09.04 von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausgeschlossen. Sie haben damit Ihren Prüfungsanspruch für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre verloren. Der Widerspruch war deshalb zurückzuweisen.“
49 
Damit lassen die genannten Bescheide Ermessenserwägungen nicht erkennen. Das bei den Akten befindliche Protokoll der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 12.08.2009 enthält hinsichtlich der Person des Klägers im Rahmen des protokollierten Beschlusses lediglich die Feststellung, dass es sich „um einen besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs gemäß § 11 DPO“ handele. Das Protokoll der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 14.10.2009, zu der der Widerspruch des Klägers und dessen Begründung vom 30.09.2009 vorlagen, befindet sich nicht in den Akten. Aus dem Schreiben des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses an die Universitätsverwaltung vom 27.10.2009 geht lediglich hervor, dass der Prüfungsausschuss „in der Sitzung vom 14.10.2009 beschlossen (habe), dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Der Widerspruch von Herrn A. S. liefert keinen stichhaltigen Anhaltspunkt für eine veränderte Sachlage.“ Damit ergeben sich auch keine Ermessenserwägungen aus zugänglichen Akten. Die bloße Bezeichnung des Fehlverhaltens des Klägers als „besonders“ schwerer Fall reicht hierfür nicht aus, auch wenn im Schriftsatz der Beklagten im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe - 7 K 139/10 - vom 26.01.2010 die Entscheidung als Ermessensentscheidung angesehen und mit dem Hinweis verteidigt wird, nach Ansicht des Prüfungsausschusses sei der vorliegende Sachverhalt so schwerwiegend, dass die ausgesprochene Rechtsfolge auch verhältnismäßig sei. Sie lässt noch nicht einmal erkennen, dass sich der Prüfungsausschuss des Charakters seiner Entscheidung als Ermessensentscheidung bewusst war.
50 
c) Dieses Fehlen von Ermessenserwägungen wäre nur dann unschädlich, wenn es hierauf nicht ankäme, also unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine andere als die getroffene Entscheidung rechtmäßig sein könnte. Eine solche Ermessensreduzierung „auf Null“ kann nach Ansicht des Senats aus allgemeinen Erwägungen, aber auch wegen der Besonderheiten des konkreten Falles nicht angenommen werden.
51 
Wie unter 1. ausgeführt, ist die Regelung über Sanktionsmöglichkeiten bei Täuschungen und Täuschungsversuchen in § 11 Abs. 4 DPO Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Verbindung mit dem das Prüfungswesen beherrschenden Prinzip der Chancengleichheit, die je nach Schwere des Verstoßes auch eine Differenzierung in der Schwere der Sanktion fordern. Weil dem so ist, genügt die Ermächtigung zum Erlass der hier in Rede stehenden Prüfungsordnung in § 51 Abs. 1 Satz 2 mit Abs. 2 Satz 1 UG (und vergleichbar auch in § 36 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 LHG) dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und seiner Ausgestaltung durch die Wesentlichkeitslehre. Diese Forderung nach Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit setzt sich in der Anwendung der Norm selbst - hier § 11 Abs. 4 DPO - fort. Ein Automatismus derart, dass bei schwerwiegenden Fällen des § 11 Abs. 4 DPO ein Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen „erfolgt“, dürfte im Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Daher hat die Ausübung dieses durch das Wort „kann“ eröffneten Ermessens hier besondere verfassungsrechtliche Bedeutung. Eine Beendigung des Studiums in einem bestimmten Studiengang ist nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Entscheidung verhältnismäßig ist, wobei nicht nur der konkrete Sachverhalt des Täuschungsvorgangs, sondern auch die Folgen für den Betroffenen in den Blick zu nehmen sind. Hierbei spielen auch die persönlichen Umstände, u.a. das Stadium, in dem der betreffende Studiengang abgebrochen wird, eine Rolle. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass es sich beim vom Kläger besuchten Studiengang um einen Diplomstudiengang handelt, der so bei der Beklagten und auch verbreitet in Deutschland nicht mehr angeboten wird, so dass, anders als in anderen Fällen, eine Fortsetzung des Studiums an einer anderen Universität zusätzlich erschwert wird. Angesichts dieser Umstände könnte eine Ermessensreduzierung auf Null nur in besonders schweren Fällen angenommen werden, in denen bereits im Ansatz eine andere Entscheidung undenkbar erscheint und es deshalb auf die konkreten Folgen nicht mehr ankommen kann.
52 
Einen solchen besonders schweren Fall erkennt der Senat im hier zu beurteilenden Verhalten des Klägers nicht, auch wenn das Einschalten einer anderen Person und insbesondere das Festhalten von Bediensteten der Beklagten, um der - unbekannt gebliebenen - Person das Verlassen des Universitätsgeländes und damit das Sich-Entziehen vor weiteren Ermittlungen eine erhebliche kriminelle Energie belegt. Dieses Vorgehen und der Versuch, die genauen Umstände des Täuschungsvorgehens zu vertuschen, hebt den Vorfall aus der Zahl der „gewöhnlichen“ Täuschungen heraus und macht ihn gewiss zu einem „schwerwiegenden“ Fall. Dies kann jedoch, wie dargestellt, noch nicht dazu führen, dass der Kläger ungeachtet aller weiteren Umstände zwingend mit der schwersten Sanktion zu belegen wäre. Das Ermessen war daher eröffnet und zu betätigen, da ein Extremfall, bei dem ein Ausblenden für den Kläger sprechender persönlicher wie allgemein-sachlicher Umstände wegen Ermessensreduzierung gerechtfertigt wäre, (noch) nicht vorliegt.
53 
d) Dies bedeutet zugleich, dass bei Berücksichtigung aller maßgeblichen und hier auch genannten Umstände eine Sanktion, wie sie in § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO möglich gemacht wird, zu Recht von der Beklagten ausgesprochen werden kann, auch wenn nicht völlig geklärte Umstände bei einer vorangegangenen Klausur, wie von der Beklagten vorgetragen, unberücksichtigt geblieben sind.
54 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
55 
Beschluss vom 21. November 2012
56 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. II.18.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327) auf 15.000,-- EUR festgesetzt.
57 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Nov. 2012 - 9 S 1823/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Nov. 2012 - 9 S 1823/12

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Nov. 2012 - 9 S 1823/12 zitiert 16 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 80


(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrund

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 39 Begründung des Verwaltungsaktes


(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behör

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Nov. 2012 - 9 S 1823/12 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Nov. 2012 - 9 S 1823/12 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 23. Okt. 2012 - 9 S 2188/11

bei uns veröffentlicht am 23.10.2012

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 1. Februar 2011 - 4 K 750/10 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 17. Juni 2010 - 7 K 3246/09

bei uns veröffentlicht am 17.06.2010

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1  Der Kläger wendet sich gegen seinen Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 23. Juli 2008 - 11 S 2889/07

bei uns veröffentlicht am 23.07.2008

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karls-ruhe vom 16. April 2007 - 3 K 2117/06 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26. Juli 2006 verpf
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Nov. 2012 - 9 S 1823/12.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. März 2015 - 9 S 2309/13

bei uns veröffentlicht am 10.03.2015

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. September 2013 - 12 K 1330/13 - wird zurückgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 D

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 15. Jan. 2013 - 3 A 1458/12

bei uns veröffentlicht am 15.01.2013

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seinen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen. 2 Der Kläger ist Studierender im Bachel

Referenzen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seinen Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen.
Der am … 1982 in Frunse/Kirgistan geborene Kläger war seit dem Wintersemester 2004/2005 im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten immatrikuliert.
Am 16.07.09 wurde im Großen Hörsaal der Chemie, Gebäude ..., N. Feld, die Klausur Wirtschaftspolitik II geschrieben, zu der sich auch der Kläger angemeldet hatte. Nach Ausgabe der Prüfungsbögen ließ einer der beiden Aufsichtführenden die Prüflinge auf einer Teilnehmerliste unterschreiben und sich dabei zum Zwecke der Identitätskontrolle einen amtlichen Ausweis (mit Lichtbild) zeigen. Die männliche Person, die für den Kläger auf der Teilnehmerliste unterschrieb, wies sich durch Vorlage des Führerscheins sowie des Studentenausweises des Klägers aus. Nachdem mit Blick auf das vorgelegte Lichtbild der Verdacht aufkam, dass es sich bei der Person nicht um den zur Prüfung angemeldeten Kläger handelt, wurde das Prüfungsamt des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften über den Sachverhalt informiert. Eine Mitarbeiterin des Instituts, die den Kläger persönlich kannte, begab sich - in Begleitung ihres Kollegen - zum Hörsaal. Dort angekommen erkannte sie, dass es sich bei der verdächtigen Person nicht um den Kläger handelte. Ein daraufhin von dieser unternommener Versuch zu fliehen blieb erfolglos. Sodann wurde der Unbekannte aus dem Hörsaal begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte die Institutsmitarbeiterin telefonisch die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte.
Die beiden Mitarbeiter des A.-W.-Instituts begleiteten den unbekannten Prüfling zum Haupteingang. Dort trafen sie auf den Kläger und eine weitere Person. Kurz darauf kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf der Kläger den Institutsmitarbeiter festhielt, so dass der Unbekannte und die dritte Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
In seiner Sitzung vom 12.08.09 stellte der Prüfungsausschuss für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre fest, dass es sich bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall vom 16.07.2009 um einen besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs gemäß § 11 Abs. 4 Satz 5 der Prüfungsordnung der Universität Heidelberg für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre vom 22.04.99 i.d.F. vom 27.09.04 (PO) handele. Es wurde beschlossen, den Kläger mit sofortiger Wirkung von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen auszuschließen. Dies wurde ihm mit Bescheid vom 12.08.09 mitgeteilt.
Gegen den ihm am 13.08.2009 zugestellten Bescheid erhob der Kläger unter dem 09.09.2009 Widerspruch, der bei der Beklagten am 14.09.2009 einging und den er mit Schreiben vom 30.09.2009 u.a. damit begründete, dass er bezweifle, ob die Reaktion der Beklagten auf den Vorfall adäquat sei, und dass der Tatbestand, wie er im Bescheid aufgeführt sei, „nicht stimmt“.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009, dem Kläger zugestellt am 04.11.2009, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Prüfungsausschuss habe sich in seiner Sitzung am 14.10.2009 nicht in der Lage gesehen, dem Widerspruch abzuhelfen. Der Kläger habe einen Täuschungsversuch unternommen, da er jemand anderen beauftragt habe, in seinem Namen die Klausur Wirtschaftspolitik II anzufertigen und abzugeben. Der Prüfungsausschuss habe unter Würdigung der vorliegenden Umstände einen besonders schwerwiegenden Fall gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 (gemeint: Abs. 4 Satz 5) PO festgestellt.
Bereits mit Bescheid vom 14.08.2009 hatte die Beklagte den Kläger mit der Begründung exmatrikuliert, dass er den Prüfungsanspruch in Studienfach Volkswirtschaftslehre endgültig verloren habe. Gegen diesen Bescheid hatte der Kläger am 26.08.2009 Widerspruch erhoben.
Am 18.11.2009 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er beantragt,
10 
den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 und deren Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 aufzuheben.
11 
Er habe von Anfang an beabsichtigt, eine von ihm selbst gefertigte Klausurlösung abzugeben. Den Mitarbeitern des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften gegenüber habe er nicht geäußert, dass es nicht einfach gewesen sei, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, und dass er dann „halt eine 5 mehr habe“ und die Klausur zum 2. Termin schreibe. Hätte man ihn damals ordnungsgemäß angehört, hätte sich dies aufklären lassen. Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob die Vorwürfe, wie sie die Beklagte ihm zu Last lege, der Wahrheit entsprechen. Denn die angegriffenen Bescheide seien nicht durch eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gedeckt. § 11 Abs. 4 Satz 5 PO ermächtige den Prüfungsausschuss allenfalls dazu, den Prüfling im Falle eines schwerwiegenden Täuschungsversuchs von einzelnen weiteren Prüfungsleistungen auszuschließen, ohne ihm dabei die Möglichkeit zu nehmen, sein Studium bei „guter Führung“ beenden zu können. Da sich die Sanktion des (vollständigen) Verlusts des Prüfungsanspruchs der Vorschrift nicht klar entnehmen lasse, verstoße sie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Unabhängig davon genüge sie jedenfalls nicht dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Die Regelung des § 34 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 LHG entspreche weder isoliert noch in ihrem Zusammenhang den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Zwar sei es nicht rechtsstaatlich erforderlich, das Sanktionssystem bei Täuschungsversuchen in allen Einzelheiten durch ein formelles Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zu regeln. Verfassungsrechtlich geboten sei indes mit Blick auf den schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG eine parlamentarische Grundentscheidung darüber, ob bei einem Täuschungsversuch ein Prüfungsausschluss zulässig sei und welche qualifizierenden Tatumstände hierfür Voraussetzung seien. Die Bestimmung könne auch nicht trotz des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für eine Übergangszeit als gültig behandelt werden. Die Bescheide verstießen auch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen sei geeignet, ihm den Zugang zu dem von ihm angestrebten Beruf endgültig zu versperren. Dies gelte umso mehr, als er sein Studium auch an keiner anderen Hochschule fortsetzen könne, da ihm nach § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG die Zulassung zu versagen sei, wenn er ein Studium im gleichen Studiengang endgültig nicht bestanden habe. Die im Ermessen der Beklagten stehende Verhängung der Sanktion sei aber jedenfalls im vorliegenden Einzelfall unverhältnismäßig. Die Beklagte hätte neben der Tatsache, dass er sich bereits im 11. Fachsemester befinde, in die Abwägung einstellen müssen, dass er noch in einem Diplom-Studiengang studiere, welcher - wegen der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge - von keiner Universität oder sonstigen Hochschule in Deutschland mehr in dieser Form angeboten werde. Er könne sein Berufsziel daher überhaupt nicht mehr verwirklichen. Selbst wenn er in einem vergleichbaren Studiengang aufgenommen würde, bekäme er kaum Studienzeiten angerechnet. Ein Täuschungsversuch in einer einzelnen studienbegleitenden Klausur, von denen er in seinem Studium ca. 30 geschrieben habe, sei jedenfalls anders zu gewichten als ein Täuschungsversuch in einer Abschlussprüfung. Die Beklagte sei bei ihrer Ermessensentscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass er schon einmal in der Klausur „Allgemeine Methodenlehre der Statistik“ am 20.04.2007 einen Täuschungsversuch begangen habe. Der Verdacht, er habe sich bei dieser Klausur durch einen anderen vertreten lassen, sei unzutreffend.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Der Ansicht des Klägers, dass für einen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen keine Rechtsgrundlage gegeben sei, werde entgegengetreten. In § 11 Abs. 4 Satz 5 der PO sei nicht nur der Ausschluss aus der aktuellen Prüfung gemeint, sondern umfasst sei auch ein Ausschluss von der Erbringung aller weiteren Prüfungsleistungen in diesem Studiengang. Die Rechtsfolge des Ausschlusses von lediglich einer einzelnen Prüfungsleistung könne auch schon mit § 11 Abs. 4 Satz 1 PO ohne das Vorliegen eines besonders schweren Falles ausgesprochen werden. Dafür, dass ein Ausschluss aus dem Studium wegen Täuschungshandlungen nicht ausgeschlossen sei, spreche auch die Regelung in § 62 Abs. 4 Nr. 4 i.V.m. § 3 Abs. 5 LHG, wonach ein Studierender exmatrikuliert werden könne, wenn vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Grundsätze wissenschaftlicher Redlichkeit und wissenschaftlicher Praxis verstoßen werde. Die vorgebrachten Argumente zu Art. 12 GG überzeugten nicht. Der Kläger habe die Bedingungen, die zu seinem Ausschluss aus dem Diplomstudium Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg geführt haben, selbst gesetzt. Insofern könne er sich jetzt nicht darauf berufen, ihm sei durch das Verhalten der Universität die Möglichkeit verschlossen, den von ihm angestrebten Beruf zu erlernen. Im Übrigen sei er nicht gehindert zu versuchen, sein Studium an einer anderen Universität fortzusetzen. Zwar sei es richtig, dass wohl die meisten Universitäten die Diplomstudiengänge zugunsten von Bachelor- und Masterstudiengängen eingestellt hätten, dies beziehe sich i.d.R. aber nur auf die Aufnahme von Studienanfängern, nicht auf Ortswechsler in höheren Semestern. Bei der Ermessensentscheidung sei nicht von einem Wiederholungsfall ausgegangen worden. Das Argument des Klägers, dass er sich bereits im 11. Fachsemester befinde, wirke nicht für, sondern gegen ihn. Von einem Studierenden im 11. Fachsemester könne man erwarten, dass allgemeine Grundsätze über Redlichkeit im Studium ihren Niederschlag auch in entsprechendem Verhalten finden müssten. Der hier vorliegende Täuschungsversuch - egal ob die vom Kläger beauftragte Person eine bereits vorgefertigte Klausur abgeben oder für den Kläger an der Klausur teilnehmen sollte - stelle einen schwerwiegenden Fall der Erschleichung einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver dar. Nach der Rechtsprechung dürfe bei der Bemessung der Sanktion in solchen Fällen sogar mitberücksichtigt werden, dass nicht allein die Beseitigung der im Einzelfall erlangten unberechtigten Vorteile geboten sei, sondern dass die Maßnahme stets auch generalpräventive Wirkung habe. Soweit der Kläger zu seinen Gunsten gewertet wissen wolle, dass der Täuschungsversuch nicht in einer Abschlussprüfung, sondern nur in einer studienbegleitenden Klausur vorgenommen worden sei, verkenne er den Charakter der studienbegleitenden Prüfungsleistungen.
15 
Am 15.01.2010 hat der Kläger um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (7 K 139/10). Mit Beschluss vom 04.02.2010 hat die Kammer den Beteiligten den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs vorgeschlagen, den diese jeweils mit Schriftsätzen vom 05.02.2010 angenommen haben.
16 
Mit Schreiben vom 09.06.2010 hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg beim Amtsgericht Heidelberg beantragt, gegen den Kläger wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung (Beauftragung einer unbekannten Person, für ihn an der Klausur teilzunehmen, sich mit seinem Führerschein auszuweisen und in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben) und wegen Nötigung (Festhalten des Geschädigten ...) gemäß §§ 240, 267, 281, 26, 52, 53 StGB einen Strafbefehl zu erlassen. Im Hinblick auf den Vorwurf einer tateinheitlich begangenen weiteren Anstiftung zur versuchten Urkundenfälschung im Zusammenhang mit dem Anfertigen der Klausur wurde gemäß § 154 a StPO (Beschränkung der Strafverfolgung auf bestimmte Gesetzesverletzungen) verfahren, weil sich bislang nicht eindeutig habe klären lassen, wie es dazu gekommen sei, dass eine vom Beschuldigten geschriebene Klausur sich im Prüfungsraum befunden habe, und welche Klausur letztlich hätte abgegeben werden sollen. In einem Vermerk des ermittelnden Beamten der Kriminalpolizei vom 26.03.2010 heißt es insoweit, dass bei der Klausur im Aufsichtsprotokoll nicht vermerkt worden sei, welcher Prüfling wann während der Prüfung den Raum verlasse. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass eine vom Kläger beauftragte Person (unbekannter Prüfungsteilnehmer) den Raum während der Prüfung verlassen habe, um dem draußen wartenden Kläger die Prüfungsunterlagen zu übergeben, damit dieser die Klausur mit (unzulässigen) Hilfsmitteln außerhalb schreiben und zu einem späteren Zeitpunkt durch einen Beauftragten die Klausur wieder in den Prüfungsraum zurückreichen konnte.
17 
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die von der Beklagten vorgelegten Akten (2 Bände), die Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg (24 Js 17145/09) sowie die Gerichtsakten des Eilverfahrens (7 K 139/10) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, Alt. 1 VwGO) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet. Die dem Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 mitgeteilte Entscheidung des Prüfungsausschusses für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre und der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
19 
Der von der Beklagten ausgesprochene Ausschluss des Klägers von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre findet seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (im Folgenden: PO) vom 22.04.1999 i.d.F. der letzten Änderung vom 27.09.2004 (Mitteilungsblatt des Rektors vom 29.09.2004, S. 523). Danach wird eine Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Prüfling versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO); in schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen (§ 11 Abs. 4 Satz 5 PO).
20 
Die Gültigkeit der satzungsrechtlichen Regelung begegnet keinen Bedenken (zur Prüfungskompetenz der Kammer vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 4 Rn. 53 f.).
21 
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters findet die Sanktionsregelung des Ausschlusses von weiteren Prüfungsleistungen in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg vom 01.01.2005 (GBl. S. 1 - LHG -) - nunmehr in der Fassung des 2. Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich vom 3.12.2008 (GBl. S. 435) - eine ausreichende formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Danach werden Hochschulprüfungen auf der Grundlage von Prüfungsordnungen abgelegt, welche Regelungen zu den in § 36 Satz 2 LHG genannten Gegenständen enthalten. Nach der Nr. 1 dieser Bestimmung sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“.
22 
Die in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG getroffene Vorgabe, es den Prüfungsordnungen zu überlassen, die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften zu regeln, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes.
23 
Bestimmungen des Prüfungsrechts, die mit den darin angeordneten Rechtsfolgen die Berufswahl und die spätere Berufsausübung berühren, unterstehen dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, der eine Regelung durch Gesetz oder durch eine auf hinreichender gesetzlicher Grundlage beruhende untergesetzliche Rechtsnorm verlangt (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07.07.1980, DÖV 1981, 584 m.w.N.). Hierbei verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den parlamentarischen Gesetzgeber allerdings, auch im Prüfungsrecht die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 58, 257, 275; 80, 1, 21 f.; 84, 34, 59; BVerwGE 56, 155; 57, 130; 65, 323, 326; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 -, Juris; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl., Rn. 33 ff.). Insoweit sind indes an die - im vorliegenden Fall einschlägige und vom Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erfasste - gesetzliche Ermächtigung zum Erlass den Berufszugang beschränkendersatzungsrechtlicher Normen der Universitäten keinesfalls höhere Anforderungen zu stellen als an die Bestimmtheit einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass staatlicher Rechtsverordnungen (vgl. Waldeyer, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Ordner 1, § 16 HRG Rn. 22; Maurer, a.a.O., § 4 Rn. 22 ff.).
24 
Nach Auffassung der Kammer ist diesen Maßstäben Genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der untergesetzlichen Norm mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfGE 80, 1, 20 f. zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.). Dabei spricht für die Befugnis des parlamentarischen Gesetzgebers, im Prüfungsrecht genauere Festlegungen untergesetzlichen Normen zu überlassen, dass dieses Rechtsgebiet in erheblichem Umfang durch verfassungsrechtliche Maßstäbe, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vorprogrammiert ist (vgl. BVerfGE 80, 1, 21 f.; BVerwGE 65, 323, 326; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
25 
Hiernach wird die Ermächtigungsvorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.
26 
Die Kammer verkennt nicht, dass die satzungsrechtliche Normierung der Möglichkeit, einen Prüfling wegen eines schwerwiegenden Täuschungsversuchs von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen in seinem Studiengang auszuschließen, jedenfalls in den Fällen, in denen das Bestehen der Prüfung von weiteren Prüfungsleistungen abhängt, zur Folge hat, dass der Prüfling den angestrebten Abschluss in diesem Studiengang nicht mehr erreichen kann (dazu noch unten). Dies stellt eine einschneidende Beeinträchtigung seines Grundrechts auf Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) dar. Gleichwohl beruht dieser Eingriff auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung.
27 
Hintergrund der Regelung ist die Überlegung, dass aufgrund des Gebotes, die Prüfungsleistung persönlich zu erbringen, und des Zweckes der Prüfung, die wahre Leistungsfähigkeit des Prüflings zu ermitteln, vorgetäuschte oder sonst erschlichene Leistungen als Grundlage eines Prüfungserfolges ausgeschlossen und insbesondere in schweren Fällen - unter Berücksichtigung des Gebots der Chancengleichheit und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - sanktioniert werden müssen (vgl. dazu Niehues, a.a.O., Rn. 447, 457 ff.).
28 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“. Dies schließt nach Auffassung der Kammer auch die Möglichkeit ein, in der Prüfungsordnung bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen den Ausschluss von weiteren Prüfungsmöglichkeiten vorzusehen. Denn der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen stellt lediglich eine Ausprägung des Wettbewerbscharakters der Prüfung und des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüflinge dar. Beides hatte der Satzungsgeber als wesentliches Merkmal des Prüfungsverfahrens bei dessen Ausgestaltung zu beachten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976 - VII B 157.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 78; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.). Der Wettbewerbscharakter von Prüfungen wie der strikt zu wahrende Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge kann es jedenfalls in schwerwiegenden Fällen der Täuschung geboten erscheinen lassen, diejenigen Prüflinge, die sich zu ihrem eigenen Vorteil nicht an die für alle Teilnehmer am Wettbewerb gleichermaßen geltenden und gleichermaßen bekannten Regeln halten, vom Wettbewerb - also von weiteren Prüfungsmöglichkeiten - auszuschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2009 - 15 K 5332/07 -, juris; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
29 
Im Übrigen gehörte die satzungsrechtliche Vorschrift über den Ausschluss von Prüfungsleistungen zu dem Normenbestand, den der baden-württembergische Gesetzgeber bei Schaffung der am 06.01.2005 in Kraft getretenen Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG vorfand. Denn die Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät sah bereits in ihrer Fassung vom 01.04.1999 in § 11 Abs. 3 Satz 3 in schwerwiegenden Fällen des Täuschungsversuchs die Sanktion des Ausschlusses von Prüfungsleistungen vor (vgl. auch entsprechende Regelungen in anderen Prüfungsordnungen, z.B. § 8 Abs. 4 Satz 3 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Psychologie vom 20.03.2002, Mitteilungsblatt des Rektors vom 28.03.2002, S. 121). Ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung sollen in der optionalen Verordnungsermächtigung des § 36 LHG, auf die in § 34 LHG Bezug genommen wird, die bisherigen Ermächtigungstatbestände in den §§ 51 Abs. 8 und 53 Abs. 1 Satz 2 UG zusammengefasst und diese um diejenigen rechtlichen Tatbestände ergänzt werden, „die im Lichte der Art. 3 und 12 Grundgesetz für rechtlich geordnete Prüfungsverfahren einschließlich organisationsrechtlicher Vorgaben sowie zur Wahrung der Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit von Hochschulprüfungen notwendig sind …“ (vgl. LT-Drucks. 13/3640, S. 210, zu § 36 LHG). Auch dies spricht dafür, dass mit dem in § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG aufgeführten Regelungsgegenstand der „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“ die bei Normerlass existierenden, vom Grundsatz der Chancengleichheit geprägten Sanktionsregelungen weiterhin von der Ermächtigung erfasst sein sollten.
30 
Nach allem beruht die Sanktionsregelung auf einer auch im Hinblick auf den darin liegenden Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend bestimmten formell-gesetzlichen Ermächtigung.
31 
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner vom Klägervertreter in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.09.1995 (- 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654) zwar angenommen hat, dass eine verordnungsrechtliche Regelung über den Ausschluss von der Prüfung wegen Fehlens der erforderlichen parlamentarischen Ermächtigung in einem formellem Gesetz mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sei, dass aber gleichwohl bis zum Vorliegen der erforderlichen parlamentarischen Leitentscheidung Täuschungsversuche bei Prüfungen geahndet und gerichtlich kontrolliert werden müssen (vgl. zur Problematik der Konsequenzen einer unmittelbaren Umsetzung der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Prinzips vom Vorbehalt des Gesetzes auch Niehues, a.a.O., Rn. 48 ff., 69 ff. m.w.N.). Deshalb seien die Gerichte gehalten, zur Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes vom vorhandenen Normenmaterial ausgehend Maßstäbe zu entwickeln, die einerseits dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers Rechnung tragen, andererseits an der Grundentscheidung in Art. 12 Abs. 1 GG zugunsten der Berufswahlfreiheit orientiert sind und insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Einschränkung dieses Grundrechts berücksichtigen, um eine verfassungskonforme Anwendung der Sanktionen im Rahmen einer Prüfung sicherzustellen (vgl. Urt. v. 27.09.1995, a.a.O.). Da die hier maßgebliche Regelung des § 11 Abs. 4 PO im Unterschied zu der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde lag, ein Sanktionsprogramm vorsieht, das unterschiedlich schweren Verstößen unterschiedliche Sanktionsstufen zuordnet (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO: bei einfachen Täuschungshandlungen Bewertung der Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0); § 11 Abs. 4 Satz 5 PO: in schwerwiegenden Fällen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen), könnte diese Regelung selbst bei Annahme einer Ungültigkeit wegen Fehlens einer parlamentarischen Ermächtigungsgrundlage auf der Basis der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs für eine Übergangszeit und daher auch im vorliegenden Fall der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.
32 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionierung von "schwerwiegenden" Täuschungsversuchen steht auch im Einklang mit dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit der Klägervertreter meint, dass sich die Sanktion des (vollständigen) Verlusts des Prüfungsanspruchs der Vorschrift nicht klar entnehmen lasse, kann dem nicht gefolgt werden.
33 
Die von der Beklagten beschlossene Sanktion, den Kläger von "weiteren" Prüfungsleistungen auszuschließen, erfasst tatsächlich alle diejenigen Prüfungsleistungen, die zeitlich nach dem Täuschungsversuch erbracht worden sind oder zu erbringen waren. Dies ergibt sich nicht nur aus der Wortwahl - das Wort "weitere" bezieht sich insofern unmissverständlich als Anknüpfungspunkt auf diejenige Prüfungsleistung, bei der eine Täuschung versucht worden ist -, sondern auch aus dem Zweck der Regelung, die den schweren Täuschungsversuch auch aus Gründen der Generalprävention dahingehend sanktionieren will, dass der Studierende ab diesem Zeitpunkt sein Recht verwirkt hat, noch weitere Prüfungsleistungen in seinem bisherigen Studiengang ablegen zu dürfen.
34 
Für diese Auslegung spricht in systematischer Hinsicht im Übrigen die der Bestimmung des § 11 Abs. 4 PO zugrunde liegende Stufung der Sanktionen: Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 PO werden „einfache“ Fälle der Täuschungshandlung damit geahndet, dass die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet wird. In diesen Fällen kann im Rahmen der Diplomprüfung eine schriftliche Abschlussprüfung jedenfalls einmal (vgl. § 22 Abs. 2 PO), unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PO zweimal wiederholt werden. Wenn dann in Satz 5 der Bestimmung der Prüfungsausschuss in „schwerwiegenden Fällen“ den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen kann (Unterstreichung nur hier), bedeutet dies zwangsläufig auch den Ausschluss von durch die Prüfungsordnung eingeräumten Wiederholungsmöglichkeiten und damit in den Fällen, in denen die Prüfungsleistung nach der Prüfungsordnung Bestehensvoraussetzung ist, auch das endgültige Nichtbestehen der Prüfung (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO) sowie das Erlöschen der Zulassung zu dem Studiengang (§§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Schließlich stellt sich auch der Begriff des "schwerwiegenden" Täuschungsversuchs als hinreichend präzise dar. Mit Blick darauf, dass Maßstab für die Beurteilung des Gewichts des Täuschungsversuchs der Grad der Beeinträchtigung der Chancengleichheit ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O.; Niehues, a.a.O., Rn. 457 ff.), und vor dem Hintergrund der in Rechtsprechung und Schrifttum erörterten Kasuistik (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 448 ff.), kann die Bestimmung mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden. Damit genügt sie dem rechtsstaatlichen Erfordernis hinreichender Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 103, 21, 33); die Konkretisierung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist im Übrigen Aufgabe der Verwaltungsbehörden und der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 87, 234, 263 f.).
35 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionsmöglichkeit verstößt auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 07.12.1976 (a.a.O.) ausgeführt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Ausschluss von einer Prüfung nicht schlechthin verbietet. Der Prüfungsausschluss ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf die darin liegende generalpräventive Wirkung ein geeignetes Mittel, um Beeinträchtigungen der Chancengleichheit durch Täuschungsversuche zu begegnen. Bei der großen Bedeutung, die dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht zukommt, kann der schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit, der vor allem in der mit einem Prüfungsausschluss verbundenen Folge des Nichtbestehens der (gesamten) Prüfung liegt, grundsätzlich nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn er auf schwere Fälle von Täuschungsversuchen beschränkt ist (vgl. Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O., und v. 12.01.1981 - 7 B 300. u. 301.80 -). Ausgehend hiervon ist auch die hier maßgebliche Bestimmung, die ebenfalls die Sanktion des Ausschlusses von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen - als "ultima ratio" - auf die "schwerwiegenden" Fälle des Täuschungsversuchs beschränkt, nicht zu beanstanden.
36 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 S. 5 i.V.m. S. 1 PO sind hier erfüllt. Der Kläger hat versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung bzw. Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen.
37 
Täuschung im Sinne des Prüfungsrechts und auch dieser Vorschrift ist die Vorspiegelung einer eigenständigen und regulär erbrachten Prüfungsleistung, um bei dem Prüfer über die ihr zugrunde liegenden Kenntnisse und Fähigkeiten einen Irrtum zu erregen. Die Sanktionen bei Täuschungen knüpfen an die Tatsache an, dass zu einer ordnungsgemäßen Prüfungsleistung die eigenständige, nur mit den zugelassenen Hilfsmitteln erfolgte Bearbeitung der Prüfungsaufgabe gehört. Eine Täuschung bzw. ein Täuschungsversuch läuft sowohl dem Prüfungszweck, das Leistungsvermögen der Prüfungsteilnehmer unverfälscht, d. h. im Rahmen der Prüfungsbedingungen festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit zuwider (Niehues, a.a.O., Rdnrn. 447, 448 m. w. N.). Die Beurteilung, ob ein Täuschungsversuch anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 30.08.1985 - 15 A 706/82 -, NVwZ 1986, 851).
38 
Die Kammer geht im Einzelnen von folgendem Sachverhalt aus:
39 
Der Kläger hatte sich für die in seinem Studiengang angesetzte Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II angemeldet, aber eine andere, bislang unbekannt gebliebene Person gebeten, sich am Vormittag des 16.07.2009 in den Großen Hörsaal der Chemie, Gebäude ..., N. Feld, zu begeben, unter seinem Namen an der Klausur teilzunehmen, in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben und sich mit seinem Führerschein auszuweisen. Damit sollten die Aufsichtführenden und die Verantwortlichen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät über die Klausurteilnahme des Klägers getäuscht werden. Der Unbekannte entsprach der Bitte: Er nahm an der genannten Klausur teil, wies sich gegenüber der Klausuraufsicht mit dem Führerschein des Klägers aus und unterschrieb in der Teilnehmerliste mit dessen Namen. Der Kläger selbst befand sich während des Klausurtermins nicht im Prüfungsraum. Nachdem der Aufsichtführende ... der weiteren Aufsichtführenden ... mitgeteilt hatte, dass er mit Blick auf das vorgelegte Lichtbild den Verdacht hege, dass es sich bei der Person nicht um den zur Prüfung angemeldeten Kläger handelt, nahm diese den Führerschein und den Studentenausweis an sich. In der Folge verließ der Unbekannte den Hörsaal, um die Toilette aufzusuchen. Als die Aufsichtführende ... nach ihm schaute, stellte sie fest, dass er sich an der Eingangstüre des Gebäudes mit einem jungen Mann unterhielt, bei dem es sich - wie sie später feststellen konnte - um den Kläger handelte. Der Anweisung der Aufsichtführenden, in den Hörsaal zurückzukehren, kam der Unbekannte kommentarlos nach. Nachdem das Prüfungsamt des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften über den Sachverhalt informiert worden war, begab sich die Zeugin ..., eine Mitarbeiterin des Instituts, die den Kläger persönlich kannte - in Begleitung ihres Kollegen, des Zeugen ... - zum Hörsaal. Dort angekommen erkannte Frau ..., dass es sich bei der verdächtigen Person nicht um den Kläger handelte. Ein daraufhin von dieser unternommener Versuch zu fliehen blieb erfolglos. Sodann wurde der Unbekannte aus dem Hörsaal begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte Frau ... telefonisch die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte. Der Zeuge ... begleitete den unbekannten Prüfling zur Glasfront im Bereich des Ausgangs des Hörsaalgebäudes. Dort trafen sie auf den Kläger und eine weitere Person. Der Kläger sprach mit dem Unbekannten in einer nicht deutschen Sprache. Es fiel ein Wort, daraufhin rannten der Unbekannte und die weitere Person aus dem Gebäude. Der Zeuge ..., der dem Unbekannten folgen wollte, wurde vom Kläger festgehalten. Der Zeuge ... wollte sich losreißen und versuchte, am Kläger vorbei zu kommen, Dieser hinderte ihn jedoch daran, indem er ihn drei bis vier Sekunden gegen die Glaswand drückte, so dass der Unbekannte und die dritte Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
40 
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen (unter Einschluss der beigezogenen Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg - 24 Js 17145/09 -) sowie der im Kern übereinstimmenden, glaubhaften Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen ... und .... Der Kläger hat sich bislang nicht substantiiert zum Sachverhalt geäußert und ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. In seiner Widerspruchsbegründung führt er lediglich pauschal aus, dass der Tatbestand, wie er im Bescheid aufgeführt ist, „nicht stimmt“. Im Klageverfahren hat er sich auf den schriftsätzlichen Vortrag beschränkt, von Anfang an beabsichtigt zu haben, eine von ihm selbst gefertigte Klausurlösung abzugeben, und den Mitarbeitern des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften gegenüber nicht geäußert zu haben, dass es nicht einfach gewesen sei, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, und dass er dann „halt eine 5 mehr habe“ und die Klausur zum 2. Termin schreibe. Dieses Vorbringen ist - unabhängig von der Frage seiner rechtlichen Erheblichkeit - nicht geeignet, die Angaben der Zeugen ernsthaft in Frage zu stellen. So hat die Zeugin ... auf Vorhalt ihrer Stellungnahme vom Juli 2099 explizit angegeben, die Worte des Klägers „habe ich halt eine 5 mehr“ gehört zu haben. Der Zeuge ... hat erklärt, der Kläger habe im Gespräch mit ihm geäußert, dass er mit den Konsequenzen jetzt leben müsse; auch hat er sich - im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Inhalt des unmittelbar nach dem Vorfall gefertigten Vermerks - daran erinnert, dass der Kläger zum Ausdruck gebracht habe, dass es „nicht einfach sei, jemanden zu finden, der die Aufgabe übernehmen könne und ihm ähnlich sehe“. Die Kammer hält die Bekundungen der Zeugen für glaubhaft. Obwohl der Vorfall bereits längere Zeit zurückliegt, waren ihre Angaben sehr detailliert. Auch waren Belastungstendenzen nicht erkennbar und die Kammer hatte den Eindruck, dass sich beide Zeugen ernsthaft bemühten, lediglich das wiederzugeben, was ihnen noch konkret erinnerlich war.
41 
Vor diesem Hintergrund hat die Kammer keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger die Absicht hatte, durch das Einschleusen eines Unbekannten in die Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II die für die Prüfung Verantwortlichen über seine eigene Klausurteilnahme zu täuschen und sich damit unter Verstoß gegen die Regeln des Prüfungsverfahrens gegenüber den anderen Prüflingen nicht leistungsbedingte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Er hat auch bereits die wesentlichen Schritte unternommen, um diese Täuschungsabsicht umzusetzen.
42 
Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat sich indes nicht eindeutig klären lassen, wie es dazu kam, dass sich eine vom Kläger geschriebene Klausur im Prüfungsraum befand (eine der sichergestellten Klausuren befand sich am Sitzplatz des Unbekannten, die andere in der dort zurückgelassenen schwarzen Tasche), und welche Klausur letztlich hätte abgegeben werden sollen (vgl. die Verfügung der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010, S. 119 der Akte des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg). Deshalb lässt sich nicht feststellen, ob es das Ziel des Klägers war, den Unbekannten auch dazu anzustiften, die Klausur für ihn anzufertigen und in seinem Namen abzugeben. Auf der Grundlage der beigezogenen Akten und Unterlagen geht die Kammer aber davon aus, dass es dem Kläger darum ging, sich die Prüfungsunterlagen von dem Unbekannten übergeben zu lassen, die Klausur dann außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen. Dies wird dadurch nahegelegt, dass eine vom Kläger geschriebene Klausur im Bereich des Sitzplatzes des Unbekannten sichergestellt wurde. Zudem hat der Unbekannte nach den konkreten Bekundungen der Aufsichtführenden ... während der Prüfung unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen, Kontakt mit dem außerhalb des Prüfungsraums wartenden Kläger aufgenommen (vgl. die Vernehmungsniederschrift vom 15.03.2010, S. 87 der Akte des Ermittlungsverfahrens). Schließlich spricht für diesen Geschehensablauf die große Zahl der Klausurteilnehmer wie die Tatsache, dass bei der Klausur im Aufsichtsprotokoll nicht vermerkt wurde, wer und wann ein Prüfling den Raum verlassen hat. Bei dieser Sachlage ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger beabsichtigte, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und sie anschließend mit Hilfe des Unbekannten abgeben zu lassen.
43 
Zu Recht hat die Beklagte einen „schwerwiegenden Fall“ im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 5 PO angenommen. Nach der Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Verhalten des Klägers um den Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) in einem außergewöhnlich schweren Fall. Die am Maßstab der Beeinträchtigung der Chancengleichheit zu ermittelnde Schwere des Täuschungsversuchs ergibt sich hier insbesondere aus dem vom Kläger geplanten und organisierten Zusammenwirken mehrerer Personen (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) sowie der bei ihm zu Tage getretenen erheblichen kriminellen Energie: Um sich gegenüber den anderen Prüflingen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, hat er sich nicht nur wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung (Beauftragung einer unbekannten Person, für ihn an der Klausur teilzunehmen, sich mit seinem Führerschein auszuweisen und in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben) strafbar gemacht (§§ 267, 281, 26, 52 StGB). Er ist vielmehr, um die Aufdeckung bzw. Aufklärung des Täuschungsmanövers zu vereiteln oder zu erschweren, nicht davor zurückgeschreckt, einen Mitarbeiter der Verwaltung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät unter Anwendung körperlicher Gewalt daran zu hindern, dem unbekannten Prüfungsteilnehmer zu folgen (vgl. den Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010). Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des Klägers auf einer Skala sanktionswürdiger Täuschungshandlungen im obersten Bereich anzusiedeln.
44 
Anhaltspunkte für Ermessensfehler des Prüfungsausschusses sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO).
45 
Ausweislich des dem Widerspruchsbescheid zugrunde liegenden Beschlusses des Prüfungsausschusses für den Studiengang Volkswirtschaftslehre vom 27.10.2009 hat der Prüfungsausschuss festgestellt, dass es sich bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall um einen „besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs“ gemäß § 11 PO handelt. Da der Tatbestand der Sanktionsnorm lediglich einen „schwerwiegenden Fall voraussetzt, wird daran deutlich, dass der Prüfungsausschuss sich bei seiner Entscheidung – in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - maßgeblich hat davon leiten lassen, dass dem klägerischen Verhalten selbst innerhalb der Gruppe schwerwiegender Fälle von Täuschungshandlungen Ausnahmecharakter zukommt. Vor diesem Hintergrund durfte der Prüfungsausschuss davon ausgehen, dass die vorzunehmende Interessenabwägung - auch mit Blick auf die besondere Bedeutung des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes der Chancengleichheit - vorgezeichnet und eine besondere Begründung nicht mehr erforderlich ist (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG).
46 
Der Einwand, die Beklagte sei von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen, verfängt nicht. Zunächst sind weder den angegriffenen Bescheiden noch den zugrunde liegenden Entscheidungen des Prüfungsausschusses greifbare Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte einen Fall des wiederholten Täuschungsversuchs angenommen hat. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, der Prüfungsausschuss habe seiner Entscheidung nur den hier vorliegenden Sachverhalt zugrunde gelegt, diesen aber für so schwerwiegend gehalten, dass er die ausgesprochene Rechtsfolge rechtfertige. Dass die Äußerungen, die dem Kläger von den Zeugen ... und ... in deren Vermerken zugeschrieben werden, jedenfalls im Wesentlichen so gefallen sind, hat die Beweisaufnahme vor der erkennenden Kammer ergeben. Der Umstand, dass die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheides offenbar davon ausgegangen ist, dass der Kläger den Unbekannten beauftragt hat, in seinem Namen die Klausur Wirtschaftpolitik II anzufertigen und abzugeben, begründet ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung der Beklagten. Denn auch wenn nach jetzigem Erkenntnisstand anzunehmen ist, dass der Kläger plante, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen, ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass sich die darin liegende Abweichung im Geschehensablauf in erheblicher Weise auf das Gewicht des Täuschungsversuchs und damit auf das Ergebnis der Ermessensentscheidung ausgewirkt haben könnte. Im Übrigen handelt es sich bei den Einzelheiten des Täuschungsversuchs um Umstände, die der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind und über die - bereits im Verwaltungsverfahren - er am besten Auskunft hätte geben können. Da er indes in keiner Weise zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat, kann es keinen Ermessensfehler begründen, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht den tatsächlichen Ablauf berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1985 - BVerwG 1 B 51.85 -, InfAuslR 1985, 199).
47 
Trotz der Folgen, die mit dem Ausschluss des Klägers von weiteren Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre für diesen verbunden sind, stehen die angegriffenen Bescheide im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
48 
Das öffentliche Interesse an einer harten Ahndung des Täuschungsversuchs überwiegt im vorliegenden Einzelfall die privaten Interessen des Klägers und lässt den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Klägers gerechtfertigt erscheinen. Gemessen am Grad der Beeinträchtigung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer stellt sich das Verhalten des Klägers - wie oben dargelegt - als Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver in einem außergewöhnlich schweren Fall dar. Ein solches Verhalten, bei dem der Prüfling, um sich nicht leistungsbedingte Vorteile zu verschaffen, sogar vor der Begehung von Straftaten nicht zurückschreckt, stellt den Wettbewerbscharakter der Prüfung massiv in Frage. Deshalb kann die Prüfungsbehörde bei der Entscheidung über die angemessene Reaktion auf den Täuschungsversuch hier - neben dem Aspekt der Sanktionierung des klägerischen Verstoßes gegen die Prüfungsordnung - dem Gesichtspunkt, dass die durch den Täuschungsversuch in Frage gestellte, verfassungsrechtlich verankerte Chancengleichheit eine auch für andere erkennbare Abschreckung gebieten kann, maßgebliche Bedeutung beimessen. Vor diesem Hintergrund kann in dem Ausschluss des Klägers von der Prüfung auch mit Blick auf dessen grundrechtlich geschützte Interessen aus Art. 12 Abs. 1 GG keine unverhältnismäßige Reaktion gesehen werden.
49 
Im Übrigen führt die ausgesprochene Sanktion entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht dazu, dass dem Kläger der Zugang zu dem von ihm angestrebten Beruf endgültig versperrt wird. Die Maßnahme beschränkt sich zunächst auf den Ausschluss vom weiteren Studium im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO sowie §§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Wie sich aus § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG ergibt, ist dem Kläger auch die Zulassung zu dem gleichen Studiengang an einer anderen Hochschule in Baden-Württemberg zu versagen. Es ist indes weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger sein Diplom-Studium nicht als Ortswechsler an einer Universität in einem anderen Bundesland fortsetzen könnte.
50 
Außerdem beschränkt sich der Ausschluss vom Studium in einem Studiengang mit im Wesentlichen gleichen Inhalt, insbesondere einem vergleichbaren Bachelor- bzw. Masterstudiengang, auf die Universitäten, die - wie die Beklagte (vgl. etwa § 12 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang „Politische Ökonomik“ vom 07.08.2006; § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Master-Studiengang Economics vom 27.03.2009) - in ihren Prüfungsordnungen entsprechende Zulassungsbeschränkungen normiert haben (vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbs. LHG). Insoweit hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass dies nicht für alle anderen Universitäten in Baden-Württemberg oder gar in der gesamten Bundesrepublik gilt. Dem entspricht es, dass die Universität Frankfurt auf Anfrage des Klägers mitgeteilt hat, dass er dort ein Bachelor-Studium aufnehmen könnte. Dass dort - wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - lediglich Studienzeiten von maximal zwei Semestern angerechnet würden, ist nicht auf die von der Beklagten ausgesprochene Sanktion zurückzuführen. Maßgeblich hierfür ist vielmehr, inwieweit der Kläger aufgrund der von ihm bisher erbrachten Studienleistungen über die für einen bestimmten Studiengang geforderten Zugangsvoraussetzungen verfügt. Dies ist indes allein seiner (Risiko-) Sphäre zuzurechnen.
51 
Schließlich erweist sich die ausgesprochene Sanktion auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sich der Täuschungsversuch (lediglich) auf eine studienbegleitende Prüfungsleistung bezog. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier maßgeblichen studienbegleitenden Prüfungsleistungen (vgl. §§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 1 PO) um vorgezogene Abschlussklausuren handelt, die es den Studierenden ermöglichen, unmittelbar nach den entsprechenden Lehrveranstaltungen ihr Wissen zeitlich gestaffelt darzubieten, dass diese aber bereits Bestandteile der Abschlussprüfung sind und ihren entsprechenden Niederschlag in der Abschlussnote finden (vgl. Haug , Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 646). Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung des Klägervertreters, einem Täuschungsversuch bei einer studienbegleitenden Prüfungsleistung komme erheblich geringeres Gewicht zu als einem Täuschungsversuch in einer Abschlussprüfung, nicht gefolgt werden.
52 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 18.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2004) auf EUR 15.000,- festgesetzt.
55 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
18 
Die als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, Alt. 1 VwGO) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet. Die dem Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 mitgeteilte Entscheidung des Prüfungsausschusses für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre und der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
19 
Der von der Beklagten ausgesprochene Ausschluss des Klägers von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre findet seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (im Folgenden: PO) vom 22.04.1999 i.d.F. der letzten Änderung vom 27.09.2004 (Mitteilungsblatt des Rektors vom 29.09.2004, S. 523). Danach wird eine Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Prüfling versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO); in schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen (§ 11 Abs. 4 Satz 5 PO).
20 
Die Gültigkeit der satzungsrechtlichen Regelung begegnet keinen Bedenken (zur Prüfungskompetenz der Kammer vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 4 Rn. 53 f.).
21 
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters findet die Sanktionsregelung des Ausschlusses von weiteren Prüfungsleistungen in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg vom 01.01.2005 (GBl. S. 1 - LHG -) - nunmehr in der Fassung des 2. Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich vom 3.12.2008 (GBl. S. 435) - eine ausreichende formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Danach werden Hochschulprüfungen auf der Grundlage von Prüfungsordnungen abgelegt, welche Regelungen zu den in § 36 Satz 2 LHG genannten Gegenständen enthalten. Nach der Nr. 1 dieser Bestimmung sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“.
22 
Die in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG getroffene Vorgabe, es den Prüfungsordnungen zu überlassen, die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften zu regeln, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes.
23 
Bestimmungen des Prüfungsrechts, die mit den darin angeordneten Rechtsfolgen die Berufswahl und die spätere Berufsausübung berühren, unterstehen dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, der eine Regelung durch Gesetz oder durch eine auf hinreichender gesetzlicher Grundlage beruhende untergesetzliche Rechtsnorm verlangt (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07.07.1980, DÖV 1981, 584 m.w.N.). Hierbei verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den parlamentarischen Gesetzgeber allerdings, auch im Prüfungsrecht die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 58, 257, 275; 80, 1, 21 f.; 84, 34, 59; BVerwGE 56, 155; 57, 130; 65, 323, 326; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 -, Juris; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl., Rn. 33 ff.). Insoweit sind indes an die - im vorliegenden Fall einschlägige und vom Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erfasste - gesetzliche Ermächtigung zum Erlass den Berufszugang beschränkendersatzungsrechtlicher Normen der Universitäten keinesfalls höhere Anforderungen zu stellen als an die Bestimmtheit einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass staatlicher Rechtsverordnungen (vgl. Waldeyer, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Ordner 1, § 16 HRG Rn. 22; Maurer, a.a.O., § 4 Rn. 22 ff.).
24 
Nach Auffassung der Kammer ist diesen Maßstäben Genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der untergesetzlichen Norm mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfGE 80, 1, 20 f. zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.). Dabei spricht für die Befugnis des parlamentarischen Gesetzgebers, im Prüfungsrecht genauere Festlegungen untergesetzlichen Normen zu überlassen, dass dieses Rechtsgebiet in erheblichem Umfang durch verfassungsrechtliche Maßstäbe, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vorprogrammiert ist (vgl. BVerfGE 80, 1, 21 f.; BVerwGE 65, 323, 326; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
25 
Hiernach wird die Ermächtigungsvorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.
26 
Die Kammer verkennt nicht, dass die satzungsrechtliche Normierung der Möglichkeit, einen Prüfling wegen eines schwerwiegenden Täuschungsversuchs von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen in seinem Studiengang auszuschließen, jedenfalls in den Fällen, in denen das Bestehen der Prüfung von weiteren Prüfungsleistungen abhängt, zur Folge hat, dass der Prüfling den angestrebten Abschluss in diesem Studiengang nicht mehr erreichen kann (dazu noch unten). Dies stellt eine einschneidende Beeinträchtigung seines Grundrechts auf Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) dar. Gleichwohl beruht dieser Eingriff auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung.
27 
Hintergrund der Regelung ist die Überlegung, dass aufgrund des Gebotes, die Prüfungsleistung persönlich zu erbringen, und des Zweckes der Prüfung, die wahre Leistungsfähigkeit des Prüflings zu ermitteln, vorgetäuschte oder sonst erschlichene Leistungen als Grundlage eines Prüfungserfolges ausgeschlossen und insbesondere in schweren Fällen - unter Berücksichtigung des Gebots der Chancengleichheit und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - sanktioniert werden müssen (vgl. dazu Niehues, a.a.O., Rn. 447, 457 ff.).
28 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“. Dies schließt nach Auffassung der Kammer auch die Möglichkeit ein, in der Prüfungsordnung bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen den Ausschluss von weiteren Prüfungsmöglichkeiten vorzusehen. Denn der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen stellt lediglich eine Ausprägung des Wettbewerbscharakters der Prüfung und des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüflinge dar. Beides hatte der Satzungsgeber als wesentliches Merkmal des Prüfungsverfahrens bei dessen Ausgestaltung zu beachten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976 - VII B 157.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 78; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.). Der Wettbewerbscharakter von Prüfungen wie der strikt zu wahrende Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge kann es jedenfalls in schwerwiegenden Fällen der Täuschung geboten erscheinen lassen, diejenigen Prüflinge, die sich zu ihrem eigenen Vorteil nicht an die für alle Teilnehmer am Wettbewerb gleichermaßen geltenden und gleichermaßen bekannten Regeln halten, vom Wettbewerb - also von weiteren Prüfungsmöglichkeiten - auszuschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2009 - 15 K 5332/07 -, juris; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
29 
Im Übrigen gehörte die satzungsrechtliche Vorschrift über den Ausschluss von Prüfungsleistungen zu dem Normenbestand, den der baden-württembergische Gesetzgeber bei Schaffung der am 06.01.2005 in Kraft getretenen Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG vorfand. Denn die Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät sah bereits in ihrer Fassung vom 01.04.1999 in § 11 Abs. 3 Satz 3 in schwerwiegenden Fällen des Täuschungsversuchs die Sanktion des Ausschlusses von Prüfungsleistungen vor (vgl. auch entsprechende Regelungen in anderen Prüfungsordnungen, z.B. § 8 Abs. 4 Satz 3 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Psychologie vom 20.03.2002, Mitteilungsblatt des Rektors vom 28.03.2002, S. 121). Ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung sollen in der optionalen Verordnungsermächtigung des § 36 LHG, auf die in § 34 LHG Bezug genommen wird, die bisherigen Ermächtigungstatbestände in den §§ 51 Abs. 8 und 53 Abs. 1 Satz 2 UG zusammengefasst und diese um diejenigen rechtlichen Tatbestände ergänzt werden, „die im Lichte der Art. 3 und 12 Grundgesetz für rechtlich geordnete Prüfungsverfahren einschließlich organisationsrechtlicher Vorgaben sowie zur Wahrung der Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit von Hochschulprüfungen notwendig sind …“ (vgl. LT-Drucks. 13/3640, S. 210, zu § 36 LHG). Auch dies spricht dafür, dass mit dem in § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG aufgeführten Regelungsgegenstand der „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“ die bei Normerlass existierenden, vom Grundsatz der Chancengleichheit geprägten Sanktionsregelungen weiterhin von der Ermächtigung erfasst sein sollten.
30 
Nach allem beruht die Sanktionsregelung auf einer auch im Hinblick auf den darin liegenden Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend bestimmten formell-gesetzlichen Ermächtigung.
31 
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner vom Klägervertreter in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.09.1995 (- 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654) zwar angenommen hat, dass eine verordnungsrechtliche Regelung über den Ausschluss von der Prüfung wegen Fehlens der erforderlichen parlamentarischen Ermächtigung in einem formellem Gesetz mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sei, dass aber gleichwohl bis zum Vorliegen der erforderlichen parlamentarischen Leitentscheidung Täuschungsversuche bei Prüfungen geahndet und gerichtlich kontrolliert werden müssen (vgl. zur Problematik der Konsequenzen einer unmittelbaren Umsetzung der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Prinzips vom Vorbehalt des Gesetzes auch Niehues, a.a.O., Rn. 48 ff., 69 ff. m.w.N.). Deshalb seien die Gerichte gehalten, zur Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes vom vorhandenen Normenmaterial ausgehend Maßstäbe zu entwickeln, die einerseits dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers Rechnung tragen, andererseits an der Grundentscheidung in Art. 12 Abs. 1 GG zugunsten der Berufswahlfreiheit orientiert sind und insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Einschränkung dieses Grundrechts berücksichtigen, um eine verfassungskonforme Anwendung der Sanktionen im Rahmen einer Prüfung sicherzustellen (vgl. Urt. v. 27.09.1995, a.a.O.). Da die hier maßgebliche Regelung des § 11 Abs. 4 PO im Unterschied zu der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde lag, ein Sanktionsprogramm vorsieht, das unterschiedlich schweren Verstößen unterschiedliche Sanktionsstufen zuordnet (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO: bei einfachen Täuschungshandlungen Bewertung der Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0); § 11 Abs. 4 Satz 5 PO: in schwerwiegenden Fällen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen), könnte diese Regelung selbst bei Annahme einer Ungültigkeit wegen Fehlens einer parlamentarischen Ermächtigungsgrundlage auf der Basis der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs für eine Übergangszeit und daher auch im vorliegenden Fall der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.
32 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionierung von "schwerwiegenden" Täuschungsversuchen steht auch im Einklang mit dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit der Klägervertreter meint, dass sich die Sanktion des (vollständigen) Verlusts des Prüfungsanspruchs der Vorschrift nicht klar entnehmen lasse, kann dem nicht gefolgt werden.
33 
Die von der Beklagten beschlossene Sanktion, den Kläger von "weiteren" Prüfungsleistungen auszuschließen, erfasst tatsächlich alle diejenigen Prüfungsleistungen, die zeitlich nach dem Täuschungsversuch erbracht worden sind oder zu erbringen waren. Dies ergibt sich nicht nur aus der Wortwahl - das Wort "weitere" bezieht sich insofern unmissverständlich als Anknüpfungspunkt auf diejenige Prüfungsleistung, bei der eine Täuschung versucht worden ist -, sondern auch aus dem Zweck der Regelung, die den schweren Täuschungsversuch auch aus Gründen der Generalprävention dahingehend sanktionieren will, dass der Studierende ab diesem Zeitpunkt sein Recht verwirkt hat, noch weitere Prüfungsleistungen in seinem bisherigen Studiengang ablegen zu dürfen.
34 
Für diese Auslegung spricht in systematischer Hinsicht im Übrigen die der Bestimmung des § 11 Abs. 4 PO zugrunde liegende Stufung der Sanktionen: Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 PO werden „einfache“ Fälle der Täuschungshandlung damit geahndet, dass die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet wird. In diesen Fällen kann im Rahmen der Diplomprüfung eine schriftliche Abschlussprüfung jedenfalls einmal (vgl. § 22 Abs. 2 PO), unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PO zweimal wiederholt werden. Wenn dann in Satz 5 der Bestimmung der Prüfungsausschuss in „schwerwiegenden Fällen“ den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen kann (Unterstreichung nur hier), bedeutet dies zwangsläufig auch den Ausschluss von durch die Prüfungsordnung eingeräumten Wiederholungsmöglichkeiten und damit in den Fällen, in denen die Prüfungsleistung nach der Prüfungsordnung Bestehensvoraussetzung ist, auch das endgültige Nichtbestehen der Prüfung (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO) sowie das Erlöschen der Zulassung zu dem Studiengang (§§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Schließlich stellt sich auch der Begriff des "schwerwiegenden" Täuschungsversuchs als hinreichend präzise dar. Mit Blick darauf, dass Maßstab für die Beurteilung des Gewichts des Täuschungsversuchs der Grad der Beeinträchtigung der Chancengleichheit ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O.; Niehues, a.a.O., Rn. 457 ff.), und vor dem Hintergrund der in Rechtsprechung und Schrifttum erörterten Kasuistik (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 448 ff.), kann die Bestimmung mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden. Damit genügt sie dem rechtsstaatlichen Erfordernis hinreichender Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 103, 21, 33); die Konkretisierung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist im Übrigen Aufgabe der Verwaltungsbehörden und der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 87, 234, 263 f.).
35 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionsmöglichkeit verstößt auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 07.12.1976 (a.a.O.) ausgeführt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Ausschluss von einer Prüfung nicht schlechthin verbietet. Der Prüfungsausschluss ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf die darin liegende generalpräventive Wirkung ein geeignetes Mittel, um Beeinträchtigungen der Chancengleichheit durch Täuschungsversuche zu begegnen. Bei der großen Bedeutung, die dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht zukommt, kann der schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit, der vor allem in der mit einem Prüfungsausschluss verbundenen Folge des Nichtbestehens der (gesamten) Prüfung liegt, grundsätzlich nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn er auf schwere Fälle von Täuschungsversuchen beschränkt ist (vgl. Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O., und v. 12.01.1981 - 7 B 300. u. 301.80 -). Ausgehend hiervon ist auch die hier maßgebliche Bestimmung, die ebenfalls die Sanktion des Ausschlusses von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen - als "ultima ratio" - auf die "schwerwiegenden" Fälle des Täuschungsversuchs beschränkt, nicht zu beanstanden.
36 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 S. 5 i.V.m. S. 1 PO sind hier erfüllt. Der Kläger hat versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung bzw. Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen.
37 
Täuschung im Sinne des Prüfungsrechts und auch dieser Vorschrift ist die Vorspiegelung einer eigenständigen und regulär erbrachten Prüfungsleistung, um bei dem Prüfer über die ihr zugrunde liegenden Kenntnisse und Fähigkeiten einen Irrtum zu erregen. Die Sanktionen bei Täuschungen knüpfen an die Tatsache an, dass zu einer ordnungsgemäßen Prüfungsleistung die eigenständige, nur mit den zugelassenen Hilfsmitteln erfolgte Bearbeitung der Prüfungsaufgabe gehört. Eine Täuschung bzw. ein Täuschungsversuch läuft sowohl dem Prüfungszweck, das Leistungsvermögen der Prüfungsteilnehmer unverfälscht, d. h. im Rahmen der Prüfungsbedingungen festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit zuwider (Niehues, a.a.O., Rdnrn. 447, 448 m. w. N.). Die Beurteilung, ob ein Täuschungsversuch anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 30.08.1985 - 15 A 706/82 -, NVwZ 1986, 851).
38 
Die Kammer geht im Einzelnen von folgendem Sachverhalt aus:
39 
Der Kläger hatte sich für die in seinem Studiengang angesetzte Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II angemeldet, aber eine andere, bislang unbekannt gebliebene Person gebeten, sich am Vormittag des 16.07.2009 in den Großen Hörsaal der Chemie, Gebäude ..., N. Feld, zu begeben, unter seinem Namen an der Klausur teilzunehmen, in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben und sich mit seinem Führerschein auszuweisen. Damit sollten die Aufsichtführenden und die Verantwortlichen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät über die Klausurteilnahme des Klägers getäuscht werden. Der Unbekannte entsprach der Bitte: Er nahm an der genannten Klausur teil, wies sich gegenüber der Klausuraufsicht mit dem Führerschein des Klägers aus und unterschrieb in der Teilnehmerliste mit dessen Namen. Der Kläger selbst befand sich während des Klausurtermins nicht im Prüfungsraum. Nachdem der Aufsichtführende ... der weiteren Aufsichtführenden ... mitgeteilt hatte, dass er mit Blick auf das vorgelegte Lichtbild den Verdacht hege, dass es sich bei der Person nicht um den zur Prüfung angemeldeten Kläger handelt, nahm diese den Führerschein und den Studentenausweis an sich. In der Folge verließ der Unbekannte den Hörsaal, um die Toilette aufzusuchen. Als die Aufsichtführende ... nach ihm schaute, stellte sie fest, dass er sich an der Eingangstüre des Gebäudes mit einem jungen Mann unterhielt, bei dem es sich - wie sie später feststellen konnte - um den Kläger handelte. Der Anweisung der Aufsichtführenden, in den Hörsaal zurückzukehren, kam der Unbekannte kommentarlos nach. Nachdem das Prüfungsamt des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften über den Sachverhalt informiert worden war, begab sich die Zeugin ..., eine Mitarbeiterin des Instituts, die den Kläger persönlich kannte - in Begleitung ihres Kollegen, des Zeugen ... - zum Hörsaal. Dort angekommen erkannte Frau ..., dass es sich bei der verdächtigen Person nicht um den Kläger handelte. Ein daraufhin von dieser unternommener Versuch zu fliehen blieb erfolglos. Sodann wurde der Unbekannte aus dem Hörsaal begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte Frau ... telefonisch die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte. Der Zeuge ... begleitete den unbekannten Prüfling zur Glasfront im Bereich des Ausgangs des Hörsaalgebäudes. Dort trafen sie auf den Kläger und eine weitere Person. Der Kläger sprach mit dem Unbekannten in einer nicht deutschen Sprache. Es fiel ein Wort, daraufhin rannten der Unbekannte und die weitere Person aus dem Gebäude. Der Zeuge ..., der dem Unbekannten folgen wollte, wurde vom Kläger festgehalten. Der Zeuge ... wollte sich losreißen und versuchte, am Kläger vorbei zu kommen, Dieser hinderte ihn jedoch daran, indem er ihn drei bis vier Sekunden gegen die Glaswand drückte, so dass der Unbekannte und die dritte Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
40 
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen (unter Einschluss der beigezogenen Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg - 24 Js 17145/09 -) sowie der im Kern übereinstimmenden, glaubhaften Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen ... und .... Der Kläger hat sich bislang nicht substantiiert zum Sachverhalt geäußert und ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. In seiner Widerspruchsbegründung führt er lediglich pauschal aus, dass der Tatbestand, wie er im Bescheid aufgeführt ist, „nicht stimmt“. Im Klageverfahren hat er sich auf den schriftsätzlichen Vortrag beschränkt, von Anfang an beabsichtigt zu haben, eine von ihm selbst gefertigte Klausurlösung abzugeben, und den Mitarbeitern des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften gegenüber nicht geäußert zu haben, dass es nicht einfach gewesen sei, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, und dass er dann „halt eine 5 mehr habe“ und die Klausur zum 2. Termin schreibe. Dieses Vorbringen ist - unabhängig von der Frage seiner rechtlichen Erheblichkeit - nicht geeignet, die Angaben der Zeugen ernsthaft in Frage zu stellen. So hat die Zeugin ... auf Vorhalt ihrer Stellungnahme vom Juli 2099 explizit angegeben, die Worte des Klägers „habe ich halt eine 5 mehr“ gehört zu haben. Der Zeuge ... hat erklärt, der Kläger habe im Gespräch mit ihm geäußert, dass er mit den Konsequenzen jetzt leben müsse; auch hat er sich - im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Inhalt des unmittelbar nach dem Vorfall gefertigten Vermerks - daran erinnert, dass der Kläger zum Ausdruck gebracht habe, dass es „nicht einfach sei, jemanden zu finden, der die Aufgabe übernehmen könne und ihm ähnlich sehe“. Die Kammer hält die Bekundungen der Zeugen für glaubhaft. Obwohl der Vorfall bereits längere Zeit zurückliegt, waren ihre Angaben sehr detailliert. Auch waren Belastungstendenzen nicht erkennbar und die Kammer hatte den Eindruck, dass sich beide Zeugen ernsthaft bemühten, lediglich das wiederzugeben, was ihnen noch konkret erinnerlich war.
41 
Vor diesem Hintergrund hat die Kammer keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger die Absicht hatte, durch das Einschleusen eines Unbekannten in die Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II die für die Prüfung Verantwortlichen über seine eigene Klausurteilnahme zu täuschen und sich damit unter Verstoß gegen die Regeln des Prüfungsverfahrens gegenüber den anderen Prüflingen nicht leistungsbedingte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Er hat auch bereits die wesentlichen Schritte unternommen, um diese Täuschungsabsicht umzusetzen.
42 
Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat sich indes nicht eindeutig klären lassen, wie es dazu kam, dass sich eine vom Kläger geschriebene Klausur im Prüfungsraum befand (eine der sichergestellten Klausuren befand sich am Sitzplatz des Unbekannten, die andere in der dort zurückgelassenen schwarzen Tasche), und welche Klausur letztlich hätte abgegeben werden sollen (vgl. die Verfügung der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010, S. 119 der Akte des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg). Deshalb lässt sich nicht feststellen, ob es das Ziel des Klägers war, den Unbekannten auch dazu anzustiften, die Klausur für ihn anzufertigen und in seinem Namen abzugeben. Auf der Grundlage der beigezogenen Akten und Unterlagen geht die Kammer aber davon aus, dass es dem Kläger darum ging, sich die Prüfungsunterlagen von dem Unbekannten übergeben zu lassen, die Klausur dann außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen. Dies wird dadurch nahegelegt, dass eine vom Kläger geschriebene Klausur im Bereich des Sitzplatzes des Unbekannten sichergestellt wurde. Zudem hat der Unbekannte nach den konkreten Bekundungen der Aufsichtführenden ... während der Prüfung unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen, Kontakt mit dem außerhalb des Prüfungsraums wartenden Kläger aufgenommen (vgl. die Vernehmungsniederschrift vom 15.03.2010, S. 87 der Akte des Ermittlungsverfahrens). Schließlich spricht für diesen Geschehensablauf die große Zahl der Klausurteilnehmer wie die Tatsache, dass bei der Klausur im Aufsichtsprotokoll nicht vermerkt wurde, wer und wann ein Prüfling den Raum verlassen hat. Bei dieser Sachlage ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger beabsichtigte, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und sie anschließend mit Hilfe des Unbekannten abgeben zu lassen.
43 
Zu Recht hat die Beklagte einen „schwerwiegenden Fall“ im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 5 PO angenommen. Nach der Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Verhalten des Klägers um den Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) in einem außergewöhnlich schweren Fall. Die am Maßstab der Beeinträchtigung der Chancengleichheit zu ermittelnde Schwere des Täuschungsversuchs ergibt sich hier insbesondere aus dem vom Kläger geplanten und organisierten Zusammenwirken mehrerer Personen (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) sowie der bei ihm zu Tage getretenen erheblichen kriminellen Energie: Um sich gegenüber den anderen Prüflingen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, hat er sich nicht nur wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung (Beauftragung einer unbekannten Person, für ihn an der Klausur teilzunehmen, sich mit seinem Führerschein auszuweisen und in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben) strafbar gemacht (§§ 267, 281, 26, 52 StGB). Er ist vielmehr, um die Aufdeckung bzw. Aufklärung des Täuschungsmanövers zu vereiteln oder zu erschweren, nicht davor zurückgeschreckt, einen Mitarbeiter der Verwaltung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät unter Anwendung körperlicher Gewalt daran zu hindern, dem unbekannten Prüfungsteilnehmer zu folgen (vgl. den Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010). Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des Klägers auf einer Skala sanktionswürdiger Täuschungshandlungen im obersten Bereich anzusiedeln.
44 
Anhaltspunkte für Ermessensfehler des Prüfungsausschusses sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO).
45 
Ausweislich des dem Widerspruchsbescheid zugrunde liegenden Beschlusses des Prüfungsausschusses für den Studiengang Volkswirtschaftslehre vom 27.10.2009 hat der Prüfungsausschuss festgestellt, dass es sich bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall um einen „besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs“ gemäß § 11 PO handelt. Da der Tatbestand der Sanktionsnorm lediglich einen „schwerwiegenden Fall voraussetzt, wird daran deutlich, dass der Prüfungsausschuss sich bei seiner Entscheidung – in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - maßgeblich hat davon leiten lassen, dass dem klägerischen Verhalten selbst innerhalb der Gruppe schwerwiegender Fälle von Täuschungshandlungen Ausnahmecharakter zukommt. Vor diesem Hintergrund durfte der Prüfungsausschuss davon ausgehen, dass die vorzunehmende Interessenabwägung - auch mit Blick auf die besondere Bedeutung des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes der Chancengleichheit - vorgezeichnet und eine besondere Begründung nicht mehr erforderlich ist (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG).
46 
Der Einwand, die Beklagte sei von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen, verfängt nicht. Zunächst sind weder den angegriffenen Bescheiden noch den zugrunde liegenden Entscheidungen des Prüfungsausschusses greifbare Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte einen Fall des wiederholten Täuschungsversuchs angenommen hat. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, der Prüfungsausschuss habe seiner Entscheidung nur den hier vorliegenden Sachverhalt zugrunde gelegt, diesen aber für so schwerwiegend gehalten, dass er die ausgesprochene Rechtsfolge rechtfertige. Dass die Äußerungen, die dem Kläger von den Zeugen ... und ... in deren Vermerken zugeschrieben werden, jedenfalls im Wesentlichen so gefallen sind, hat die Beweisaufnahme vor der erkennenden Kammer ergeben. Der Umstand, dass die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheides offenbar davon ausgegangen ist, dass der Kläger den Unbekannten beauftragt hat, in seinem Namen die Klausur Wirtschaftpolitik II anzufertigen und abzugeben, begründet ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung der Beklagten. Denn auch wenn nach jetzigem Erkenntnisstand anzunehmen ist, dass der Kläger plante, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen, ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass sich die darin liegende Abweichung im Geschehensablauf in erheblicher Weise auf das Gewicht des Täuschungsversuchs und damit auf das Ergebnis der Ermessensentscheidung ausgewirkt haben könnte. Im Übrigen handelt es sich bei den Einzelheiten des Täuschungsversuchs um Umstände, die der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind und über die - bereits im Verwaltungsverfahren - er am besten Auskunft hätte geben können. Da er indes in keiner Weise zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat, kann es keinen Ermessensfehler begründen, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht den tatsächlichen Ablauf berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1985 - BVerwG 1 B 51.85 -, InfAuslR 1985, 199).
47 
Trotz der Folgen, die mit dem Ausschluss des Klägers von weiteren Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre für diesen verbunden sind, stehen die angegriffenen Bescheide im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
48 
Das öffentliche Interesse an einer harten Ahndung des Täuschungsversuchs überwiegt im vorliegenden Einzelfall die privaten Interessen des Klägers und lässt den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Klägers gerechtfertigt erscheinen. Gemessen am Grad der Beeinträchtigung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer stellt sich das Verhalten des Klägers - wie oben dargelegt - als Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver in einem außergewöhnlich schweren Fall dar. Ein solches Verhalten, bei dem der Prüfling, um sich nicht leistungsbedingte Vorteile zu verschaffen, sogar vor der Begehung von Straftaten nicht zurückschreckt, stellt den Wettbewerbscharakter der Prüfung massiv in Frage. Deshalb kann die Prüfungsbehörde bei der Entscheidung über die angemessene Reaktion auf den Täuschungsversuch hier - neben dem Aspekt der Sanktionierung des klägerischen Verstoßes gegen die Prüfungsordnung - dem Gesichtspunkt, dass die durch den Täuschungsversuch in Frage gestellte, verfassungsrechtlich verankerte Chancengleichheit eine auch für andere erkennbare Abschreckung gebieten kann, maßgebliche Bedeutung beimessen. Vor diesem Hintergrund kann in dem Ausschluss des Klägers von der Prüfung auch mit Blick auf dessen grundrechtlich geschützte Interessen aus Art. 12 Abs. 1 GG keine unverhältnismäßige Reaktion gesehen werden.
49 
Im Übrigen führt die ausgesprochene Sanktion entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht dazu, dass dem Kläger der Zugang zu dem von ihm angestrebten Beruf endgültig versperrt wird. Die Maßnahme beschränkt sich zunächst auf den Ausschluss vom weiteren Studium im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO sowie §§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Wie sich aus § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG ergibt, ist dem Kläger auch die Zulassung zu dem gleichen Studiengang an einer anderen Hochschule in Baden-Württemberg zu versagen. Es ist indes weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger sein Diplom-Studium nicht als Ortswechsler an einer Universität in einem anderen Bundesland fortsetzen könnte.
50 
Außerdem beschränkt sich der Ausschluss vom Studium in einem Studiengang mit im Wesentlichen gleichen Inhalt, insbesondere einem vergleichbaren Bachelor- bzw. Masterstudiengang, auf die Universitäten, die - wie die Beklagte (vgl. etwa § 12 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang „Politische Ökonomik“ vom 07.08.2006; § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Master-Studiengang Economics vom 27.03.2009) - in ihren Prüfungsordnungen entsprechende Zulassungsbeschränkungen normiert haben (vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbs. LHG). Insoweit hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass dies nicht für alle anderen Universitäten in Baden-Württemberg oder gar in der gesamten Bundesrepublik gilt. Dem entspricht es, dass die Universität Frankfurt auf Anfrage des Klägers mitgeteilt hat, dass er dort ein Bachelor-Studium aufnehmen könnte. Dass dort - wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - lediglich Studienzeiten von maximal zwei Semestern angerechnet würden, ist nicht auf die von der Beklagten ausgesprochene Sanktion zurückzuführen. Maßgeblich hierfür ist vielmehr, inwieweit der Kläger aufgrund der von ihm bisher erbrachten Studienleistungen über die für einen bestimmten Studiengang geforderten Zugangsvoraussetzungen verfügt. Dies ist indes allein seiner (Risiko-) Sphäre zuzurechnen.
51 
Schließlich erweist sich die ausgesprochene Sanktion auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sich der Täuschungsversuch (lediglich) auf eine studienbegleitende Prüfungsleistung bezog. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier maßgeblichen studienbegleitenden Prüfungsleistungen (vgl. §§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 1 PO) um vorgezogene Abschlussklausuren handelt, die es den Studierenden ermöglichen, unmittelbar nach den entsprechenden Lehrveranstaltungen ihr Wissen zeitlich gestaffelt darzubieten, dass diese aber bereits Bestandteile der Abschlussprüfung sind und ihren entsprechenden Niederschlag in der Abschlussnote finden (vgl. Haug , Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 646). Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung des Klägervertreters, einem Täuschungsversuch bei einer studienbegleitenden Prüfungsleistung komme erheblich geringeres Gewicht zu als einem Täuschungsversuch in einer Abschlussprüfung, nicht gefolgt werden.
52 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 18.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2004) auf EUR 15.000,- festgesetzt.
55 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift;
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist;
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist;
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt;
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seinen Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen.
Der am … 1982 in Frunse/Kirgistan geborene Kläger war seit dem Wintersemester 2004/2005 im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten immatrikuliert.
Am 16.07.09 wurde im Großen Hörsaal der Chemie, Gebäude ..., N. Feld, die Klausur Wirtschaftspolitik II geschrieben, zu der sich auch der Kläger angemeldet hatte. Nach Ausgabe der Prüfungsbögen ließ einer der beiden Aufsichtführenden die Prüflinge auf einer Teilnehmerliste unterschreiben und sich dabei zum Zwecke der Identitätskontrolle einen amtlichen Ausweis (mit Lichtbild) zeigen. Die männliche Person, die für den Kläger auf der Teilnehmerliste unterschrieb, wies sich durch Vorlage des Führerscheins sowie des Studentenausweises des Klägers aus. Nachdem mit Blick auf das vorgelegte Lichtbild der Verdacht aufkam, dass es sich bei der Person nicht um den zur Prüfung angemeldeten Kläger handelt, wurde das Prüfungsamt des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften über den Sachverhalt informiert. Eine Mitarbeiterin des Instituts, die den Kläger persönlich kannte, begab sich - in Begleitung ihres Kollegen - zum Hörsaal. Dort angekommen erkannte sie, dass es sich bei der verdächtigen Person nicht um den Kläger handelte. Ein daraufhin von dieser unternommener Versuch zu fliehen blieb erfolglos. Sodann wurde der Unbekannte aus dem Hörsaal begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte die Institutsmitarbeiterin telefonisch die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte.
Die beiden Mitarbeiter des A.-W.-Instituts begleiteten den unbekannten Prüfling zum Haupteingang. Dort trafen sie auf den Kläger und eine weitere Person. Kurz darauf kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf der Kläger den Institutsmitarbeiter festhielt, so dass der Unbekannte und die dritte Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
In seiner Sitzung vom 12.08.09 stellte der Prüfungsausschuss für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre fest, dass es sich bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall vom 16.07.2009 um einen besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs gemäß § 11 Abs. 4 Satz 5 der Prüfungsordnung der Universität Heidelberg für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre vom 22.04.99 i.d.F. vom 27.09.04 (PO) handele. Es wurde beschlossen, den Kläger mit sofortiger Wirkung von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen auszuschließen. Dies wurde ihm mit Bescheid vom 12.08.09 mitgeteilt.
Gegen den ihm am 13.08.2009 zugestellten Bescheid erhob der Kläger unter dem 09.09.2009 Widerspruch, der bei der Beklagten am 14.09.2009 einging und den er mit Schreiben vom 30.09.2009 u.a. damit begründete, dass er bezweifle, ob die Reaktion der Beklagten auf den Vorfall adäquat sei, und dass der Tatbestand, wie er im Bescheid aufgeführt sei, „nicht stimmt“.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009, dem Kläger zugestellt am 04.11.2009, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Prüfungsausschuss habe sich in seiner Sitzung am 14.10.2009 nicht in der Lage gesehen, dem Widerspruch abzuhelfen. Der Kläger habe einen Täuschungsversuch unternommen, da er jemand anderen beauftragt habe, in seinem Namen die Klausur Wirtschaftspolitik II anzufertigen und abzugeben. Der Prüfungsausschuss habe unter Würdigung der vorliegenden Umstände einen besonders schwerwiegenden Fall gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 (gemeint: Abs. 4 Satz 5) PO festgestellt.
Bereits mit Bescheid vom 14.08.2009 hatte die Beklagte den Kläger mit der Begründung exmatrikuliert, dass er den Prüfungsanspruch in Studienfach Volkswirtschaftslehre endgültig verloren habe. Gegen diesen Bescheid hatte der Kläger am 26.08.2009 Widerspruch erhoben.
Am 18.11.2009 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er beantragt,
10 
den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 und deren Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 aufzuheben.
11 
Er habe von Anfang an beabsichtigt, eine von ihm selbst gefertigte Klausurlösung abzugeben. Den Mitarbeitern des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften gegenüber habe er nicht geäußert, dass es nicht einfach gewesen sei, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, und dass er dann „halt eine 5 mehr habe“ und die Klausur zum 2. Termin schreibe. Hätte man ihn damals ordnungsgemäß angehört, hätte sich dies aufklären lassen. Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob die Vorwürfe, wie sie die Beklagte ihm zu Last lege, der Wahrheit entsprechen. Denn die angegriffenen Bescheide seien nicht durch eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gedeckt. § 11 Abs. 4 Satz 5 PO ermächtige den Prüfungsausschuss allenfalls dazu, den Prüfling im Falle eines schwerwiegenden Täuschungsversuchs von einzelnen weiteren Prüfungsleistungen auszuschließen, ohne ihm dabei die Möglichkeit zu nehmen, sein Studium bei „guter Führung“ beenden zu können. Da sich die Sanktion des (vollständigen) Verlusts des Prüfungsanspruchs der Vorschrift nicht klar entnehmen lasse, verstoße sie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Unabhängig davon genüge sie jedenfalls nicht dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Die Regelung des § 34 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 LHG entspreche weder isoliert noch in ihrem Zusammenhang den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Zwar sei es nicht rechtsstaatlich erforderlich, das Sanktionssystem bei Täuschungsversuchen in allen Einzelheiten durch ein formelles Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zu regeln. Verfassungsrechtlich geboten sei indes mit Blick auf den schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG eine parlamentarische Grundentscheidung darüber, ob bei einem Täuschungsversuch ein Prüfungsausschluss zulässig sei und welche qualifizierenden Tatumstände hierfür Voraussetzung seien. Die Bestimmung könne auch nicht trotz des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für eine Übergangszeit als gültig behandelt werden. Die Bescheide verstießen auch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen sei geeignet, ihm den Zugang zu dem von ihm angestrebten Beruf endgültig zu versperren. Dies gelte umso mehr, als er sein Studium auch an keiner anderen Hochschule fortsetzen könne, da ihm nach § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG die Zulassung zu versagen sei, wenn er ein Studium im gleichen Studiengang endgültig nicht bestanden habe. Die im Ermessen der Beklagten stehende Verhängung der Sanktion sei aber jedenfalls im vorliegenden Einzelfall unverhältnismäßig. Die Beklagte hätte neben der Tatsache, dass er sich bereits im 11. Fachsemester befinde, in die Abwägung einstellen müssen, dass er noch in einem Diplom-Studiengang studiere, welcher - wegen der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge - von keiner Universität oder sonstigen Hochschule in Deutschland mehr in dieser Form angeboten werde. Er könne sein Berufsziel daher überhaupt nicht mehr verwirklichen. Selbst wenn er in einem vergleichbaren Studiengang aufgenommen würde, bekäme er kaum Studienzeiten angerechnet. Ein Täuschungsversuch in einer einzelnen studienbegleitenden Klausur, von denen er in seinem Studium ca. 30 geschrieben habe, sei jedenfalls anders zu gewichten als ein Täuschungsversuch in einer Abschlussprüfung. Die Beklagte sei bei ihrer Ermessensentscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass er schon einmal in der Klausur „Allgemeine Methodenlehre der Statistik“ am 20.04.2007 einen Täuschungsversuch begangen habe. Der Verdacht, er habe sich bei dieser Klausur durch einen anderen vertreten lassen, sei unzutreffend.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Der Ansicht des Klägers, dass für einen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen keine Rechtsgrundlage gegeben sei, werde entgegengetreten. In § 11 Abs. 4 Satz 5 der PO sei nicht nur der Ausschluss aus der aktuellen Prüfung gemeint, sondern umfasst sei auch ein Ausschluss von der Erbringung aller weiteren Prüfungsleistungen in diesem Studiengang. Die Rechtsfolge des Ausschlusses von lediglich einer einzelnen Prüfungsleistung könne auch schon mit § 11 Abs. 4 Satz 1 PO ohne das Vorliegen eines besonders schweren Falles ausgesprochen werden. Dafür, dass ein Ausschluss aus dem Studium wegen Täuschungshandlungen nicht ausgeschlossen sei, spreche auch die Regelung in § 62 Abs. 4 Nr. 4 i.V.m. § 3 Abs. 5 LHG, wonach ein Studierender exmatrikuliert werden könne, wenn vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Grundsätze wissenschaftlicher Redlichkeit und wissenschaftlicher Praxis verstoßen werde. Die vorgebrachten Argumente zu Art. 12 GG überzeugten nicht. Der Kläger habe die Bedingungen, die zu seinem Ausschluss aus dem Diplomstudium Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg geführt haben, selbst gesetzt. Insofern könne er sich jetzt nicht darauf berufen, ihm sei durch das Verhalten der Universität die Möglichkeit verschlossen, den von ihm angestrebten Beruf zu erlernen. Im Übrigen sei er nicht gehindert zu versuchen, sein Studium an einer anderen Universität fortzusetzen. Zwar sei es richtig, dass wohl die meisten Universitäten die Diplomstudiengänge zugunsten von Bachelor- und Masterstudiengängen eingestellt hätten, dies beziehe sich i.d.R. aber nur auf die Aufnahme von Studienanfängern, nicht auf Ortswechsler in höheren Semestern. Bei der Ermessensentscheidung sei nicht von einem Wiederholungsfall ausgegangen worden. Das Argument des Klägers, dass er sich bereits im 11. Fachsemester befinde, wirke nicht für, sondern gegen ihn. Von einem Studierenden im 11. Fachsemester könne man erwarten, dass allgemeine Grundsätze über Redlichkeit im Studium ihren Niederschlag auch in entsprechendem Verhalten finden müssten. Der hier vorliegende Täuschungsversuch - egal ob die vom Kläger beauftragte Person eine bereits vorgefertigte Klausur abgeben oder für den Kläger an der Klausur teilnehmen sollte - stelle einen schwerwiegenden Fall der Erschleichung einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver dar. Nach der Rechtsprechung dürfe bei der Bemessung der Sanktion in solchen Fällen sogar mitberücksichtigt werden, dass nicht allein die Beseitigung der im Einzelfall erlangten unberechtigten Vorteile geboten sei, sondern dass die Maßnahme stets auch generalpräventive Wirkung habe. Soweit der Kläger zu seinen Gunsten gewertet wissen wolle, dass der Täuschungsversuch nicht in einer Abschlussprüfung, sondern nur in einer studienbegleitenden Klausur vorgenommen worden sei, verkenne er den Charakter der studienbegleitenden Prüfungsleistungen.
15 
Am 15.01.2010 hat der Kläger um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (7 K 139/10). Mit Beschluss vom 04.02.2010 hat die Kammer den Beteiligten den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs vorgeschlagen, den diese jeweils mit Schriftsätzen vom 05.02.2010 angenommen haben.
16 
Mit Schreiben vom 09.06.2010 hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg beim Amtsgericht Heidelberg beantragt, gegen den Kläger wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung (Beauftragung einer unbekannten Person, für ihn an der Klausur teilzunehmen, sich mit seinem Führerschein auszuweisen und in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben) und wegen Nötigung (Festhalten des Geschädigten ...) gemäß §§ 240, 267, 281, 26, 52, 53 StGB einen Strafbefehl zu erlassen. Im Hinblick auf den Vorwurf einer tateinheitlich begangenen weiteren Anstiftung zur versuchten Urkundenfälschung im Zusammenhang mit dem Anfertigen der Klausur wurde gemäß § 154 a StPO (Beschränkung der Strafverfolgung auf bestimmte Gesetzesverletzungen) verfahren, weil sich bislang nicht eindeutig habe klären lassen, wie es dazu gekommen sei, dass eine vom Beschuldigten geschriebene Klausur sich im Prüfungsraum befunden habe, und welche Klausur letztlich hätte abgegeben werden sollen. In einem Vermerk des ermittelnden Beamten der Kriminalpolizei vom 26.03.2010 heißt es insoweit, dass bei der Klausur im Aufsichtsprotokoll nicht vermerkt worden sei, welcher Prüfling wann während der Prüfung den Raum verlasse. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass eine vom Kläger beauftragte Person (unbekannter Prüfungsteilnehmer) den Raum während der Prüfung verlassen habe, um dem draußen wartenden Kläger die Prüfungsunterlagen zu übergeben, damit dieser die Klausur mit (unzulässigen) Hilfsmitteln außerhalb schreiben und zu einem späteren Zeitpunkt durch einen Beauftragten die Klausur wieder in den Prüfungsraum zurückreichen konnte.
17 
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die von der Beklagten vorgelegten Akten (2 Bände), die Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg (24 Js 17145/09) sowie die Gerichtsakten des Eilverfahrens (7 K 139/10) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, Alt. 1 VwGO) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet. Die dem Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 mitgeteilte Entscheidung des Prüfungsausschusses für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre und der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
19 
Der von der Beklagten ausgesprochene Ausschluss des Klägers von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre findet seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (im Folgenden: PO) vom 22.04.1999 i.d.F. der letzten Änderung vom 27.09.2004 (Mitteilungsblatt des Rektors vom 29.09.2004, S. 523). Danach wird eine Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Prüfling versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO); in schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen (§ 11 Abs. 4 Satz 5 PO).
20 
Die Gültigkeit der satzungsrechtlichen Regelung begegnet keinen Bedenken (zur Prüfungskompetenz der Kammer vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 4 Rn. 53 f.).
21 
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters findet die Sanktionsregelung des Ausschlusses von weiteren Prüfungsleistungen in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg vom 01.01.2005 (GBl. S. 1 - LHG -) - nunmehr in der Fassung des 2. Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich vom 3.12.2008 (GBl. S. 435) - eine ausreichende formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Danach werden Hochschulprüfungen auf der Grundlage von Prüfungsordnungen abgelegt, welche Regelungen zu den in § 36 Satz 2 LHG genannten Gegenständen enthalten. Nach der Nr. 1 dieser Bestimmung sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“.
22 
Die in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG getroffene Vorgabe, es den Prüfungsordnungen zu überlassen, die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften zu regeln, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes.
23 
Bestimmungen des Prüfungsrechts, die mit den darin angeordneten Rechtsfolgen die Berufswahl und die spätere Berufsausübung berühren, unterstehen dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, der eine Regelung durch Gesetz oder durch eine auf hinreichender gesetzlicher Grundlage beruhende untergesetzliche Rechtsnorm verlangt (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07.07.1980, DÖV 1981, 584 m.w.N.). Hierbei verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den parlamentarischen Gesetzgeber allerdings, auch im Prüfungsrecht die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 58, 257, 275; 80, 1, 21 f.; 84, 34, 59; BVerwGE 56, 155; 57, 130; 65, 323, 326; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 -, Juris; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl., Rn. 33 ff.). Insoweit sind indes an die - im vorliegenden Fall einschlägige und vom Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erfasste - gesetzliche Ermächtigung zum Erlass den Berufszugang beschränkendersatzungsrechtlicher Normen der Universitäten keinesfalls höhere Anforderungen zu stellen als an die Bestimmtheit einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass staatlicher Rechtsverordnungen (vgl. Waldeyer, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Ordner 1, § 16 HRG Rn. 22; Maurer, a.a.O., § 4 Rn. 22 ff.).
24 
Nach Auffassung der Kammer ist diesen Maßstäben Genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der untergesetzlichen Norm mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfGE 80, 1, 20 f. zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.). Dabei spricht für die Befugnis des parlamentarischen Gesetzgebers, im Prüfungsrecht genauere Festlegungen untergesetzlichen Normen zu überlassen, dass dieses Rechtsgebiet in erheblichem Umfang durch verfassungsrechtliche Maßstäbe, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vorprogrammiert ist (vgl. BVerfGE 80, 1, 21 f.; BVerwGE 65, 323, 326; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
25 
Hiernach wird die Ermächtigungsvorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.
26 
Die Kammer verkennt nicht, dass die satzungsrechtliche Normierung der Möglichkeit, einen Prüfling wegen eines schwerwiegenden Täuschungsversuchs von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen in seinem Studiengang auszuschließen, jedenfalls in den Fällen, in denen das Bestehen der Prüfung von weiteren Prüfungsleistungen abhängt, zur Folge hat, dass der Prüfling den angestrebten Abschluss in diesem Studiengang nicht mehr erreichen kann (dazu noch unten). Dies stellt eine einschneidende Beeinträchtigung seines Grundrechts auf Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) dar. Gleichwohl beruht dieser Eingriff auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung.
27 
Hintergrund der Regelung ist die Überlegung, dass aufgrund des Gebotes, die Prüfungsleistung persönlich zu erbringen, und des Zweckes der Prüfung, die wahre Leistungsfähigkeit des Prüflings zu ermitteln, vorgetäuschte oder sonst erschlichene Leistungen als Grundlage eines Prüfungserfolges ausgeschlossen und insbesondere in schweren Fällen - unter Berücksichtigung des Gebots der Chancengleichheit und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - sanktioniert werden müssen (vgl. dazu Niehues, a.a.O., Rn. 447, 457 ff.).
28 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“. Dies schließt nach Auffassung der Kammer auch die Möglichkeit ein, in der Prüfungsordnung bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen den Ausschluss von weiteren Prüfungsmöglichkeiten vorzusehen. Denn der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen stellt lediglich eine Ausprägung des Wettbewerbscharakters der Prüfung und des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüflinge dar. Beides hatte der Satzungsgeber als wesentliches Merkmal des Prüfungsverfahrens bei dessen Ausgestaltung zu beachten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976 - VII B 157.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 78; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.). Der Wettbewerbscharakter von Prüfungen wie der strikt zu wahrende Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge kann es jedenfalls in schwerwiegenden Fällen der Täuschung geboten erscheinen lassen, diejenigen Prüflinge, die sich zu ihrem eigenen Vorteil nicht an die für alle Teilnehmer am Wettbewerb gleichermaßen geltenden und gleichermaßen bekannten Regeln halten, vom Wettbewerb - also von weiteren Prüfungsmöglichkeiten - auszuschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2009 - 15 K 5332/07 -, juris; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
29 
Im Übrigen gehörte die satzungsrechtliche Vorschrift über den Ausschluss von Prüfungsleistungen zu dem Normenbestand, den der baden-württembergische Gesetzgeber bei Schaffung der am 06.01.2005 in Kraft getretenen Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG vorfand. Denn die Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät sah bereits in ihrer Fassung vom 01.04.1999 in § 11 Abs. 3 Satz 3 in schwerwiegenden Fällen des Täuschungsversuchs die Sanktion des Ausschlusses von Prüfungsleistungen vor (vgl. auch entsprechende Regelungen in anderen Prüfungsordnungen, z.B. § 8 Abs. 4 Satz 3 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Psychologie vom 20.03.2002, Mitteilungsblatt des Rektors vom 28.03.2002, S. 121). Ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung sollen in der optionalen Verordnungsermächtigung des § 36 LHG, auf die in § 34 LHG Bezug genommen wird, die bisherigen Ermächtigungstatbestände in den §§ 51 Abs. 8 und 53 Abs. 1 Satz 2 UG zusammengefasst und diese um diejenigen rechtlichen Tatbestände ergänzt werden, „die im Lichte der Art. 3 und 12 Grundgesetz für rechtlich geordnete Prüfungsverfahren einschließlich organisationsrechtlicher Vorgaben sowie zur Wahrung der Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit von Hochschulprüfungen notwendig sind …“ (vgl. LT-Drucks. 13/3640, S. 210, zu § 36 LHG). Auch dies spricht dafür, dass mit dem in § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG aufgeführten Regelungsgegenstand der „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“ die bei Normerlass existierenden, vom Grundsatz der Chancengleichheit geprägten Sanktionsregelungen weiterhin von der Ermächtigung erfasst sein sollten.
30 
Nach allem beruht die Sanktionsregelung auf einer auch im Hinblick auf den darin liegenden Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend bestimmten formell-gesetzlichen Ermächtigung.
31 
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner vom Klägervertreter in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.09.1995 (- 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654) zwar angenommen hat, dass eine verordnungsrechtliche Regelung über den Ausschluss von der Prüfung wegen Fehlens der erforderlichen parlamentarischen Ermächtigung in einem formellem Gesetz mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sei, dass aber gleichwohl bis zum Vorliegen der erforderlichen parlamentarischen Leitentscheidung Täuschungsversuche bei Prüfungen geahndet und gerichtlich kontrolliert werden müssen (vgl. zur Problematik der Konsequenzen einer unmittelbaren Umsetzung der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Prinzips vom Vorbehalt des Gesetzes auch Niehues, a.a.O., Rn. 48 ff., 69 ff. m.w.N.). Deshalb seien die Gerichte gehalten, zur Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes vom vorhandenen Normenmaterial ausgehend Maßstäbe zu entwickeln, die einerseits dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers Rechnung tragen, andererseits an der Grundentscheidung in Art. 12 Abs. 1 GG zugunsten der Berufswahlfreiheit orientiert sind und insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Einschränkung dieses Grundrechts berücksichtigen, um eine verfassungskonforme Anwendung der Sanktionen im Rahmen einer Prüfung sicherzustellen (vgl. Urt. v. 27.09.1995, a.a.O.). Da die hier maßgebliche Regelung des § 11 Abs. 4 PO im Unterschied zu der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde lag, ein Sanktionsprogramm vorsieht, das unterschiedlich schweren Verstößen unterschiedliche Sanktionsstufen zuordnet (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO: bei einfachen Täuschungshandlungen Bewertung der Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0); § 11 Abs. 4 Satz 5 PO: in schwerwiegenden Fällen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen), könnte diese Regelung selbst bei Annahme einer Ungültigkeit wegen Fehlens einer parlamentarischen Ermächtigungsgrundlage auf der Basis der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs für eine Übergangszeit und daher auch im vorliegenden Fall der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.
32 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionierung von "schwerwiegenden" Täuschungsversuchen steht auch im Einklang mit dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit der Klägervertreter meint, dass sich die Sanktion des (vollständigen) Verlusts des Prüfungsanspruchs der Vorschrift nicht klar entnehmen lasse, kann dem nicht gefolgt werden.
33 
Die von der Beklagten beschlossene Sanktion, den Kläger von "weiteren" Prüfungsleistungen auszuschließen, erfasst tatsächlich alle diejenigen Prüfungsleistungen, die zeitlich nach dem Täuschungsversuch erbracht worden sind oder zu erbringen waren. Dies ergibt sich nicht nur aus der Wortwahl - das Wort "weitere" bezieht sich insofern unmissverständlich als Anknüpfungspunkt auf diejenige Prüfungsleistung, bei der eine Täuschung versucht worden ist -, sondern auch aus dem Zweck der Regelung, die den schweren Täuschungsversuch auch aus Gründen der Generalprävention dahingehend sanktionieren will, dass der Studierende ab diesem Zeitpunkt sein Recht verwirkt hat, noch weitere Prüfungsleistungen in seinem bisherigen Studiengang ablegen zu dürfen.
34 
Für diese Auslegung spricht in systematischer Hinsicht im Übrigen die der Bestimmung des § 11 Abs. 4 PO zugrunde liegende Stufung der Sanktionen: Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 PO werden „einfache“ Fälle der Täuschungshandlung damit geahndet, dass die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet wird. In diesen Fällen kann im Rahmen der Diplomprüfung eine schriftliche Abschlussprüfung jedenfalls einmal (vgl. § 22 Abs. 2 PO), unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PO zweimal wiederholt werden. Wenn dann in Satz 5 der Bestimmung der Prüfungsausschuss in „schwerwiegenden Fällen“ den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen kann (Unterstreichung nur hier), bedeutet dies zwangsläufig auch den Ausschluss von durch die Prüfungsordnung eingeräumten Wiederholungsmöglichkeiten und damit in den Fällen, in denen die Prüfungsleistung nach der Prüfungsordnung Bestehensvoraussetzung ist, auch das endgültige Nichtbestehen der Prüfung (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO) sowie das Erlöschen der Zulassung zu dem Studiengang (§§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Schließlich stellt sich auch der Begriff des "schwerwiegenden" Täuschungsversuchs als hinreichend präzise dar. Mit Blick darauf, dass Maßstab für die Beurteilung des Gewichts des Täuschungsversuchs der Grad der Beeinträchtigung der Chancengleichheit ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O.; Niehues, a.a.O., Rn. 457 ff.), und vor dem Hintergrund der in Rechtsprechung und Schrifttum erörterten Kasuistik (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 448 ff.), kann die Bestimmung mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden. Damit genügt sie dem rechtsstaatlichen Erfordernis hinreichender Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 103, 21, 33); die Konkretisierung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist im Übrigen Aufgabe der Verwaltungsbehörden und der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 87, 234, 263 f.).
35 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionsmöglichkeit verstößt auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 07.12.1976 (a.a.O.) ausgeführt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Ausschluss von einer Prüfung nicht schlechthin verbietet. Der Prüfungsausschluss ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf die darin liegende generalpräventive Wirkung ein geeignetes Mittel, um Beeinträchtigungen der Chancengleichheit durch Täuschungsversuche zu begegnen. Bei der großen Bedeutung, die dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht zukommt, kann der schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit, der vor allem in der mit einem Prüfungsausschluss verbundenen Folge des Nichtbestehens der (gesamten) Prüfung liegt, grundsätzlich nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn er auf schwere Fälle von Täuschungsversuchen beschränkt ist (vgl. Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O., und v. 12.01.1981 - 7 B 300. u. 301.80 -). Ausgehend hiervon ist auch die hier maßgebliche Bestimmung, die ebenfalls die Sanktion des Ausschlusses von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen - als "ultima ratio" - auf die "schwerwiegenden" Fälle des Täuschungsversuchs beschränkt, nicht zu beanstanden.
36 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 S. 5 i.V.m. S. 1 PO sind hier erfüllt. Der Kläger hat versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung bzw. Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen.
37 
Täuschung im Sinne des Prüfungsrechts und auch dieser Vorschrift ist die Vorspiegelung einer eigenständigen und regulär erbrachten Prüfungsleistung, um bei dem Prüfer über die ihr zugrunde liegenden Kenntnisse und Fähigkeiten einen Irrtum zu erregen. Die Sanktionen bei Täuschungen knüpfen an die Tatsache an, dass zu einer ordnungsgemäßen Prüfungsleistung die eigenständige, nur mit den zugelassenen Hilfsmitteln erfolgte Bearbeitung der Prüfungsaufgabe gehört. Eine Täuschung bzw. ein Täuschungsversuch läuft sowohl dem Prüfungszweck, das Leistungsvermögen der Prüfungsteilnehmer unverfälscht, d. h. im Rahmen der Prüfungsbedingungen festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit zuwider (Niehues, a.a.O., Rdnrn. 447, 448 m. w. N.). Die Beurteilung, ob ein Täuschungsversuch anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 30.08.1985 - 15 A 706/82 -, NVwZ 1986, 851).
38 
Die Kammer geht im Einzelnen von folgendem Sachverhalt aus:
39 
Der Kläger hatte sich für die in seinem Studiengang angesetzte Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II angemeldet, aber eine andere, bislang unbekannt gebliebene Person gebeten, sich am Vormittag des 16.07.2009 in den Großen Hörsaal der Chemie, Gebäude ..., N. Feld, zu begeben, unter seinem Namen an der Klausur teilzunehmen, in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben und sich mit seinem Führerschein auszuweisen. Damit sollten die Aufsichtführenden und die Verantwortlichen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät über die Klausurteilnahme des Klägers getäuscht werden. Der Unbekannte entsprach der Bitte: Er nahm an der genannten Klausur teil, wies sich gegenüber der Klausuraufsicht mit dem Führerschein des Klägers aus und unterschrieb in der Teilnehmerliste mit dessen Namen. Der Kläger selbst befand sich während des Klausurtermins nicht im Prüfungsraum. Nachdem der Aufsichtführende ... der weiteren Aufsichtführenden ... mitgeteilt hatte, dass er mit Blick auf das vorgelegte Lichtbild den Verdacht hege, dass es sich bei der Person nicht um den zur Prüfung angemeldeten Kläger handelt, nahm diese den Führerschein und den Studentenausweis an sich. In der Folge verließ der Unbekannte den Hörsaal, um die Toilette aufzusuchen. Als die Aufsichtführende ... nach ihm schaute, stellte sie fest, dass er sich an der Eingangstüre des Gebäudes mit einem jungen Mann unterhielt, bei dem es sich - wie sie später feststellen konnte - um den Kläger handelte. Der Anweisung der Aufsichtführenden, in den Hörsaal zurückzukehren, kam der Unbekannte kommentarlos nach. Nachdem das Prüfungsamt des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften über den Sachverhalt informiert worden war, begab sich die Zeugin ..., eine Mitarbeiterin des Instituts, die den Kläger persönlich kannte - in Begleitung ihres Kollegen, des Zeugen ... - zum Hörsaal. Dort angekommen erkannte Frau ..., dass es sich bei der verdächtigen Person nicht um den Kläger handelte. Ein daraufhin von dieser unternommener Versuch zu fliehen blieb erfolglos. Sodann wurde der Unbekannte aus dem Hörsaal begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte Frau ... telefonisch die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte. Der Zeuge ... begleitete den unbekannten Prüfling zur Glasfront im Bereich des Ausgangs des Hörsaalgebäudes. Dort trafen sie auf den Kläger und eine weitere Person. Der Kläger sprach mit dem Unbekannten in einer nicht deutschen Sprache. Es fiel ein Wort, daraufhin rannten der Unbekannte und die weitere Person aus dem Gebäude. Der Zeuge ..., der dem Unbekannten folgen wollte, wurde vom Kläger festgehalten. Der Zeuge ... wollte sich losreißen und versuchte, am Kläger vorbei zu kommen, Dieser hinderte ihn jedoch daran, indem er ihn drei bis vier Sekunden gegen die Glaswand drückte, so dass der Unbekannte und die dritte Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
40 
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen (unter Einschluss der beigezogenen Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg - 24 Js 17145/09 -) sowie der im Kern übereinstimmenden, glaubhaften Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen ... und .... Der Kläger hat sich bislang nicht substantiiert zum Sachverhalt geäußert und ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. In seiner Widerspruchsbegründung führt er lediglich pauschal aus, dass der Tatbestand, wie er im Bescheid aufgeführt ist, „nicht stimmt“. Im Klageverfahren hat er sich auf den schriftsätzlichen Vortrag beschränkt, von Anfang an beabsichtigt zu haben, eine von ihm selbst gefertigte Klausurlösung abzugeben, und den Mitarbeitern des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften gegenüber nicht geäußert zu haben, dass es nicht einfach gewesen sei, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, und dass er dann „halt eine 5 mehr habe“ und die Klausur zum 2. Termin schreibe. Dieses Vorbringen ist - unabhängig von der Frage seiner rechtlichen Erheblichkeit - nicht geeignet, die Angaben der Zeugen ernsthaft in Frage zu stellen. So hat die Zeugin ... auf Vorhalt ihrer Stellungnahme vom Juli 2099 explizit angegeben, die Worte des Klägers „habe ich halt eine 5 mehr“ gehört zu haben. Der Zeuge ... hat erklärt, der Kläger habe im Gespräch mit ihm geäußert, dass er mit den Konsequenzen jetzt leben müsse; auch hat er sich - im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Inhalt des unmittelbar nach dem Vorfall gefertigten Vermerks - daran erinnert, dass der Kläger zum Ausdruck gebracht habe, dass es „nicht einfach sei, jemanden zu finden, der die Aufgabe übernehmen könne und ihm ähnlich sehe“. Die Kammer hält die Bekundungen der Zeugen für glaubhaft. Obwohl der Vorfall bereits längere Zeit zurückliegt, waren ihre Angaben sehr detailliert. Auch waren Belastungstendenzen nicht erkennbar und die Kammer hatte den Eindruck, dass sich beide Zeugen ernsthaft bemühten, lediglich das wiederzugeben, was ihnen noch konkret erinnerlich war.
41 
Vor diesem Hintergrund hat die Kammer keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger die Absicht hatte, durch das Einschleusen eines Unbekannten in die Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II die für die Prüfung Verantwortlichen über seine eigene Klausurteilnahme zu täuschen und sich damit unter Verstoß gegen die Regeln des Prüfungsverfahrens gegenüber den anderen Prüflingen nicht leistungsbedingte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Er hat auch bereits die wesentlichen Schritte unternommen, um diese Täuschungsabsicht umzusetzen.
42 
Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat sich indes nicht eindeutig klären lassen, wie es dazu kam, dass sich eine vom Kläger geschriebene Klausur im Prüfungsraum befand (eine der sichergestellten Klausuren befand sich am Sitzplatz des Unbekannten, die andere in der dort zurückgelassenen schwarzen Tasche), und welche Klausur letztlich hätte abgegeben werden sollen (vgl. die Verfügung der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010, S. 119 der Akte des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg). Deshalb lässt sich nicht feststellen, ob es das Ziel des Klägers war, den Unbekannten auch dazu anzustiften, die Klausur für ihn anzufertigen und in seinem Namen abzugeben. Auf der Grundlage der beigezogenen Akten und Unterlagen geht die Kammer aber davon aus, dass es dem Kläger darum ging, sich die Prüfungsunterlagen von dem Unbekannten übergeben zu lassen, die Klausur dann außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen. Dies wird dadurch nahegelegt, dass eine vom Kläger geschriebene Klausur im Bereich des Sitzplatzes des Unbekannten sichergestellt wurde. Zudem hat der Unbekannte nach den konkreten Bekundungen der Aufsichtführenden ... während der Prüfung unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen, Kontakt mit dem außerhalb des Prüfungsraums wartenden Kläger aufgenommen (vgl. die Vernehmungsniederschrift vom 15.03.2010, S. 87 der Akte des Ermittlungsverfahrens). Schließlich spricht für diesen Geschehensablauf die große Zahl der Klausurteilnehmer wie die Tatsache, dass bei der Klausur im Aufsichtsprotokoll nicht vermerkt wurde, wer und wann ein Prüfling den Raum verlassen hat. Bei dieser Sachlage ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger beabsichtigte, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und sie anschließend mit Hilfe des Unbekannten abgeben zu lassen.
43 
Zu Recht hat die Beklagte einen „schwerwiegenden Fall“ im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 5 PO angenommen. Nach der Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Verhalten des Klägers um den Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) in einem außergewöhnlich schweren Fall. Die am Maßstab der Beeinträchtigung der Chancengleichheit zu ermittelnde Schwere des Täuschungsversuchs ergibt sich hier insbesondere aus dem vom Kläger geplanten und organisierten Zusammenwirken mehrerer Personen (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) sowie der bei ihm zu Tage getretenen erheblichen kriminellen Energie: Um sich gegenüber den anderen Prüflingen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, hat er sich nicht nur wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung (Beauftragung einer unbekannten Person, für ihn an der Klausur teilzunehmen, sich mit seinem Führerschein auszuweisen und in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben) strafbar gemacht (§§ 267, 281, 26, 52 StGB). Er ist vielmehr, um die Aufdeckung bzw. Aufklärung des Täuschungsmanövers zu vereiteln oder zu erschweren, nicht davor zurückgeschreckt, einen Mitarbeiter der Verwaltung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät unter Anwendung körperlicher Gewalt daran zu hindern, dem unbekannten Prüfungsteilnehmer zu folgen (vgl. den Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010). Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des Klägers auf einer Skala sanktionswürdiger Täuschungshandlungen im obersten Bereich anzusiedeln.
44 
Anhaltspunkte für Ermessensfehler des Prüfungsausschusses sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO).
45 
Ausweislich des dem Widerspruchsbescheid zugrunde liegenden Beschlusses des Prüfungsausschusses für den Studiengang Volkswirtschaftslehre vom 27.10.2009 hat der Prüfungsausschuss festgestellt, dass es sich bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall um einen „besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs“ gemäß § 11 PO handelt. Da der Tatbestand der Sanktionsnorm lediglich einen „schwerwiegenden Fall voraussetzt, wird daran deutlich, dass der Prüfungsausschuss sich bei seiner Entscheidung – in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - maßgeblich hat davon leiten lassen, dass dem klägerischen Verhalten selbst innerhalb der Gruppe schwerwiegender Fälle von Täuschungshandlungen Ausnahmecharakter zukommt. Vor diesem Hintergrund durfte der Prüfungsausschuss davon ausgehen, dass die vorzunehmende Interessenabwägung - auch mit Blick auf die besondere Bedeutung des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes der Chancengleichheit - vorgezeichnet und eine besondere Begründung nicht mehr erforderlich ist (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG).
46 
Der Einwand, die Beklagte sei von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen, verfängt nicht. Zunächst sind weder den angegriffenen Bescheiden noch den zugrunde liegenden Entscheidungen des Prüfungsausschusses greifbare Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte einen Fall des wiederholten Täuschungsversuchs angenommen hat. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, der Prüfungsausschuss habe seiner Entscheidung nur den hier vorliegenden Sachverhalt zugrunde gelegt, diesen aber für so schwerwiegend gehalten, dass er die ausgesprochene Rechtsfolge rechtfertige. Dass die Äußerungen, die dem Kläger von den Zeugen ... und ... in deren Vermerken zugeschrieben werden, jedenfalls im Wesentlichen so gefallen sind, hat die Beweisaufnahme vor der erkennenden Kammer ergeben. Der Umstand, dass die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheides offenbar davon ausgegangen ist, dass der Kläger den Unbekannten beauftragt hat, in seinem Namen die Klausur Wirtschaftpolitik II anzufertigen und abzugeben, begründet ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung der Beklagten. Denn auch wenn nach jetzigem Erkenntnisstand anzunehmen ist, dass der Kläger plante, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen, ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass sich die darin liegende Abweichung im Geschehensablauf in erheblicher Weise auf das Gewicht des Täuschungsversuchs und damit auf das Ergebnis der Ermessensentscheidung ausgewirkt haben könnte. Im Übrigen handelt es sich bei den Einzelheiten des Täuschungsversuchs um Umstände, die der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind und über die - bereits im Verwaltungsverfahren - er am besten Auskunft hätte geben können. Da er indes in keiner Weise zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat, kann es keinen Ermessensfehler begründen, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht den tatsächlichen Ablauf berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1985 - BVerwG 1 B 51.85 -, InfAuslR 1985, 199).
47 
Trotz der Folgen, die mit dem Ausschluss des Klägers von weiteren Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre für diesen verbunden sind, stehen die angegriffenen Bescheide im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
48 
Das öffentliche Interesse an einer harten Ahndung des Täuschungsversuchs überwiegt im vorliegenden Einzelfall die privaten Interessen des Klägers und lässt den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Klägers gerechtfertigt erscheinen. Gemessen am Grad der Beeinträchtigung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer stellt sich das Verhalten des Klägers - wie oben dargelegt - als Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver in einem außergewöhnlich schweren Fall dar. Ein solches Verhalten, bei dem der Prüfling, um sich nicht leistungsbedingte Vorteile zu verschaffen, sogar vor der Begehung von Straftaten nicht zurückschreckt, stellt den Wettbewerbscharakter der Prüfung massiv in Frage. Deshalb kann die Prüfungsbehörde bei der Entscheidung über die angemessene Reaktion auf den Täuschungsversuch hier - neben dem Aspekt der Sanktionierung des klägerischen Verstoßes gegen die Prüfungsordnung - dem Gesichtspunkt, dass die durch den Täuschungsversuch in Frage gestellte, verfassungsrechtlich verankerte Chancengleichheit eine auch für andere erkennbare Abschreckung gebieten kann, maßgebliche Bedeutung beimessen. Vor diesem Hintergrund kann in dem Ausschluss des Klägers von der Prüfung auch mit Blick auf dessen grundrechtlich geschützte Interessen aus Art. 12 Abs. 1 GG keine unverhältnismäßige Reaktion gesehen werden.
49 
Im Übrigen führt die ausgesprochene Sanktion entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht dazu, dass dem Kläger der Zugang zu dem von ihm angestrebten Beruf endgültig versperrt wird. Die Maßnahme beschränkt sich zunächst auf den Ausschluss vom weiteren Studium im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO sowie §§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Wie sich aus § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG ergibt, ist dem Kläger auch die Zulassung zu dem gleichen Studiengang an einer anderen Hochschule in Baden-Württemberg zu versagen. Es ist indes weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger sein Diplom-Studium nicht als Ortswechsler an einer Universität in einem anderen Bundesland fortsetzen könnte.
50 
Außerdem beschränkt sich der Ausschluss vom Studium in einem Studiengang mit im Wesentlichen gleichen Inhalt, insbesondere einem vergleichbaren Bachelor- bzw. Masterstudiengang, auf die Universitäten, die - wie die Beklagte (vgl. etwa § 12 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang „Politische Ökonomik“ vom 07.08.2006; § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Master-Studiengang Economics vom 27.03.2009) - in ihren Prüfungsordnungen entsprechende Zulassungsbeschränkungen normiert haben (vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbs. LHG). Insoweit hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass dies nicht für alle anderen Universitäten in Baden-Württemberg oder gar in der gesamten Bundesrepublik gilt. Dem entspricht es, dass die Universität Frankfurt auf Anfrage des Klägers mitgeteilt hat, dass er dort ein Bachelor-Studium aufnehmen könnte. Dass dort - wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - lediglich Studienzeiten von maximal zwei Semestern angerechnet würden, ist nicht auf die von der Beklagten ausgesprochene Sanktion zurückzuführen. Maßgeblich hierfür ist vielmehr, inwieweit der Kläger aufgrund der von ihm bisher erbrachten Studienleistungen über die für einen bestimmten Studiengang geforderten Zugangsvoraussetzungen verfügt. Dies ist indes allein seiner (Risiko-) Sphäre zuzurechnen.
51 
Schließlich erweist sich die ausgesprochene Sanktion auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sich der Täuschungsversuch (lediglich) auf eine studienbegleitende Prüfungsleistung bezog. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier maßgeblichen studienbegleitenden Prüfungsleistungen (vgl. §§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 1 PO) um vorgezogene Abschlussklausuren handelt, die es den Studierenden ermöglichen, unmittelbar nach den entsprechenden Lehrveranstaltungen ihr Wissen zeitlich gestaffelt darzubieten, dass diese aber bereits Bestandteile der Abschlussprüfung sind und ihren entsprechenden Niederschlag in der Abschlussnote finden (vgl. Haug , Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 646). Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung des Klägervertreters, einem Täuschungsversuch bei einer studienbegleitenden Prüfungsleistung komme erheblich geringeres Gewicht zu als einem Täuschungsversuch in einer Abschlussprüfung, nicht gefolgt werden.
52 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 18.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2004) auf EUR 15.000,- festgesetzt.
55 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
18 
Die als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, Alt. 1 VwGO) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet. Die dem Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 mitgeteilte Entscheidung des Prüfungsausschusses für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre und der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
19 
Der von der Beklagten ausgesprochene Ausschluss des Klägers von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre findet seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (im Folgenden: PO) vom 22.04.1999 i.d.F. der letzten Änderung vom 27.09.2004 (Mitteilungsblatt des Rektors vom 29.09.2004, S. 523). Danach wird eine Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Prüfling versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO); in schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen (§ 11 Abs. 4 Satz 5 PO).
20 
Die Gültigkeit der satzungsrechtlichen Regelung begegnet keinen Bedenken (zur Prüfungskompetenz der Kammer vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 4 Rn. 53 f.).
21 
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters findet die Sanktionsregelung des Ausschlusses von weiteren Prüfungsleistungen in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg vom 01.01.2005 (GBl. S. 1 - LHG -) - nunmehr in der Fassung des 2. Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich vom 3.12.2008 (GBl. S. 435) - eine ausreichende formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Danach werden Hochschulprüfungen auf der Grundlage von Prüfungsordnungen abgelegt, welche Regelungen zu den in § 36 Satz 2 LHG genannten Gegenständen enthalten. Nach der Nr. 1 dieser Bestimmung sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“.
22 
Die in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG getroffene Vorgabe, es den Prüfungsordnungen zu überlassen, die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften zu regeln, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes.
23 
Bestimmungen des Prüfungsrechts, die mit den darin angeordneten Rechtsfolgen die Berufswahl und die spätere Berufsausübung berühren, unterstehen dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, der eine Regelung durch Gesetz oder durch eine auf hinreichender gesetzlicher Grundlage beruhende untergesetzliche Rechtsnorm verlangt (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07.07.1980, DÖV 1981, 584 m.w.N.). Hierbei verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den parlamentarischen Gesetzgeber allerdings, auch im Prüfungsrecht die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 58, 257, 275; 80, 1, 21 f.; 84, 34, 59; BVerwGE 56, 155; 57, 130; 65, 323, 326; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 -, Juris; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl., Rn. 33 ff.). Insoweit sind indes an die - im vorliegenden Fall einschlägige und vom Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erfasste - gesetzliche Ermächtigung zum Erlass den Berufszugang beschränkendersatzungsrechtlicher Normen der Universitäten keinesfalls höhere Anforderungen zu stellen als an die Bestimmtheit einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass staatlicher Rechtsverordnungen (vgl. Waldeyer, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Ordner 1, § 16 HRG Rn. 22; Maurer, a.a.O., § 4 Rn. 22 ff.).
24 
Nach Auffassung der Kammer ist diesen Maßstäben Genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der untergesetzlichen Norm mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfGE 80, 1, 20 f. zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.). Dabei spricht für die Befugnis des parlamentarischen Gesetzgebers, im Prüfungsrecht genauere Festlegungen untergesetzlichen Normen zu überlassen, dass dieses Rechtsgebiet in erheblichem Umfang durch verfassungsrechtliche Maßstäbe, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vorprogrammiert ist (vgl. BVerfGE 80, 1, 21 f.; BVerwGE 65, 323, 326; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
25 
Hiernach wird die Ermächtigungsvorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.
26 
Die Kammer verkennt nicht, dass die satzungsrechtliche Normierung der Möglichkeit, einen Prüfling wegen eines schwerwiegenden Täuschungsversuchs von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen in seinem Studiengang auszuschließen, jedenfalls in den Fällen, in denen das Bestehen der Prüfung von weiteren Prüfungsleistungen abhängt, zur Folge hat, dass der Prüfling den angestrebten Abschluss in diesem Studiengang nicht mehr erreichen kann (dazu noch unten). Dies stellt eine einschneidende Beeinträchtigung seines Grundrechts auf Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) dar. Gleichwohl beruht dieser Eingriff auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung.
27 
Hintergrund der Regelung ist die Überlegung, dass aufgrund des Gebotes, die Prüfungsleistung persönlich zu erbringen, und des Zweckes der Prüfung, die wahre Leistungsfähigkeit des Prüflings zu ermitteln, vorgetäuschte oder sonst erschlichene Leistungen als Grundlage eines Prüfungserfolges ausgeschlossen und insbesondere in schweren Fällen - unter Berücksichtigung des Gebots der Chancengleichheit und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - sanktioniert werden müssen (vgl. dazu Niehues, a.a.O., Rn. 447, 457 ff.).
28 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“. Dies schließt nach Auffassung der Kammer auch die Möglichkeit ein, in der Prüfungsordnung bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen den Ausschluss von weiteren Prüfungsmöglichkeiten vorzusehen. Denn der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen stellt lediglich eine Ausprägung des Wettbewerbscharakters der Prüfung und des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüflinge dar. Beides hatte der Satzungsgeber als wesentliches Merkmal des Prüfungsverfahrens bei dessen Ausgestaltung zu beachten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976 - VII B 157.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 78; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.). Der Wettbewerbscharakter von Prüfungen wie der strikt zu wahrende Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge kann es jedenfalls in schwerwiegenden Fällen der Täuschung geboten erscheinen lassen, diejenigen Prüflinge, die sich zu ihrem eigenen Vorteil nicht an die für alle Teilnehmer am Wettbewerb gleichermaßen geltenden und gleichermaßen bekannten Regeln halten, vom Wettbewerb - also von weiteren Prüfungsmöglichkeiten - auszuschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2009 - 15 K 5332/07 -, juris; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
29 
Im Übrigen gehörte die satzungsrechtliche Vorschrift über den Ausschluss von Prüfungsleistungen zu dem Normenbestand, den der baden-württembergische Gesetzgeber bei Schaffung der am 06.01.2005 in Kraft getretenen Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG vorfand. Denn die Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät sah bereits in ihrer Fassung vom 01.04.1999 in § 11 Abs. 3 Satz 3 in schwerwiegenden Fällen des Täuschungsversuchs die Sanktion des Ausschlusses von Prüfungsleistungen vor (vgl. auch entsprechende Regelungen in anderen Prüfungsordnungen, z.B. § 8 Abs. 4 Satz 3 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Psychologie vom 20.03.2002, Mitteilungsblatt des Rektors vom 28.03.2002, S. 121). Ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung sollen in der optionalen Verordnungsermächtigung des § 36 LHG, auf die in § 34 LHG Bezug genommen wird, die bisherigen Ermächtigungstatbestände in den §§ 51 Abs. 8 und 53 Abs. 1 Satz 2 UG zusammengefasst und diese um diejenigen rechtlichen Tatbestände ergänzt werden, „die im Lichte der Art. 3 und 12 Grundgesetz für rechtlich geordnete Prüfungsverfahren einschließlich organisationsrechtlicher Vorgaben sowie zur Wahrung der Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit von Hochschulprüfungen notwendig sind …“ (vgl. LT-Drucks. 13/3640, S. 210, zu § 36 LHG). Auch dies spricht dafür, dass mit dem in § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG aufgeführten Regelungsgegenstand der „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“ die bei Normerlass existierenden, vom Grundsatz der Chancengleichheit geprägten Sanktionsregelungen weiterhin von der Ermächtigung erfasst sein sollten.
30 
Nach allem beruht die Sanktionsregelung auf einer auch im Hinblick auf den darin liegenden Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend bestimmten formell-gesetzlichen Ermächtigung.
31 
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner vom Klägervertreter in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.09.1995 (- 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654) zwar angenommen hat, dass eine verordnungsrechtliche Regelung über den Ausschluss von der Prüfung wegen Fehlens der erforderlichen parlamentarischen Ermächtigung in einem formellem Gesetz mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sei, dass aber gleichwohl bis zum Vorliegen der erforderlichen parlamentarischen Leitentscheidung Täuschungsversuche bei Prüfungen geahndet und gerichtlich kontrolliert werden müssen (vgl. zur Problematik der Konsequenzen einer unmittelbaren Umsetzung der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Prinzips vom Vorbehalt des Gesetzes auch Niehues, a.a.O., Rn. 48 ff., 69 ff. m.w.N.). Deshalb seien die Gerichte gehalten, zur Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes vom vorhandenen Normenmaterial ausgehend Maßstäbe zu entwickeln, die einerseits dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers Rechnung tragen, andererseits an der Grundentscheidung in Art. 12 Abs. 1 GG zugunsten der Berufswahlfreiheit orientiert sind und insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Einschränkung dieses Grundrechts berücksichtigen, um eine verfassungskonforme Anwendung der Sanktionen im Rahmen einer Prüfung sicherzustellen (vgl. Urt. v. 27.09.1995, a.a.O.). Da die hier maßgebliche Regelung des § 11 Abs. 4 PO im Unterschied zu der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde lag, ein Sanktionsprogramm vorsieht, das unterschiedlich schweren Verstößen unterschiedliche Sanktionsstufen zuordnet (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO: bei einfachen Täuschungshandlungen Bewertung der Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0); § 11 Abs. 4 Satz 5 PO: in schwerwiegenden Fällen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen), könnte diese Regelung selbst bei Annahme einer Ungültigkeit wegen Fehlens einer parlamentarischen Ermächtigungsgrundlage auf der Basis der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs für eine Übergangszeit und daher auch im vorliegenden Fall der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.
32 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionierung von "schwerwiegenden" Täuschungsversuchen steht auch im Einklang mit dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit der Klägervertreter meint, dass sich die Sanktion des (vollständigen) Verlusts des Prüfungsanspruchs der Vorschrift nicht klar entnehmen lasse, kann dem nicht gefolgt werden.
33 
Die von der Beklagten beschlossene Sanktion, den Kläger von "weiteren" Prüfungsleistungen auszuschließen, erfasst tatsächlich alle diejenigen Prüfungsleistungen, die zeitlich nach dem Täuschungsversuch erbracht worden sind oder zu erbringen waren. Dies ergibt sich nicht nur aus der Wortwahl - das Wort "weitere" bezieht sich insofern unmissverständlich als Anknüpfungspunkt auf diejenige Prüfungsleistung, bei der eine Täuschung versucht worden ist -, sondern auch aus dem Zweck der Regelung, die den schweren Täuschungsversuch auch aus Gründen der Generalprävention dahingehend sanktionieren will, dass der Studierende ab diesem Zeitpunkt sein Recht verwirkt hat, noch weitere Prüfungsleistungen in seinem bisherigen Studiengang ablegen zu dürfen.
34 
Für diese Auslegung spricht in systematischer Hinsicht im Übrigen die der Bestimmung des § 11 Abs. 4 PO zugrunde liegende Stufung der Sanktionen: Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 PO werden „einfache“ Fälle der Täuschungshandlung damit geahndet, dass die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet wird. In diesen Fällen kann im Rahmen der Diplomprüfung eine schriftliche Abschlussprüfung jedenfalls einmal (vgl. § 22 Abs. 2 PO), unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PO zweimal wiederholt werden. Wenn dann in Satz 5 der Bestimmung der Prüfungsausschuss in „schwerwiegenden Fällen“ den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen kann (Unterstreichung nur hier), bedeutet dies zwangsläufig auch den Ausschluss von durch die Prüfungsordnung eingeräumten Wiederholungsmöglichkeiten und damit in den Fällen, in denen die Prüfungsleistung nach der Prüfungsordnung Bestehensvoraussetzung ist, auch das endgültige Nichtbestehen der Prüfung (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO) sowie das Erlöschen der Zulassung zu dem Studiengang (§§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Schließlich stellt sich auch der Begriff des "schwerwiegenden" Täuschungsversuchs als hinreichend präzise dar. Mit Blick darauf, dass Maßstab für die Beurteilung des Gewichts des Täuschungsversuchs der Grad der Beeinträchtigung der Chancengleichheit ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O.; Niehues, a.a.O., Rn. 457 ff.), und vor dem Hintergrund der in Rechtsprechung und Schrifttum erörterten Kasuistik (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 448 ff.), kann die Bestimmung mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden. Damit genügt sie dem rechtsstaatlichen Erfordernis hinreichender Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 103, 21, 33); die Konkretisierung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist im Übrigen Aufgabe der Verwaltungsbehörden und der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 87, 234, 263 f.).
35 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionsmöglichkeit verstößt auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 07.12.1976 (a.a.O.) ausgeführt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Ausschluss von einer Prüfung nicht schlechthin verbietet. Der Prüfungsausschluss ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf die darin liegende generalpräventive Wirkung ein geeignetes Mittel, um Beeinträchtigungen der Chancengleichheit durch Täuschungsversuche zu begegnen. Bei der großen Bedeutung, die dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht zukommt, kann der schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit, der vor allem in der mit einem Prüfungsausschluss verbundenen Folge des Nichtbestehens der (gesamten) Prüfung liegt, grundsätzlich nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn er auf schwere Fälle von Täuschungsversuchen beschränkt ist (vgl. Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O., und v. 12.01.1981 - 7 B 300. u. 301.80 -). Ausgehend hiervon ist auch die hier maßgebliche Bestimmung, die ebenfalls die Sanktion des Ausschlusses von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen - als "ultima ratio" - auf die "schwerwiegenden" Fälle des Täuschungsversuchs beschränkt, nicht zu beanstanden.
36 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 S. 5 i.V.m. S. 1 PO sind hier erfüllt. Der Kläger hat versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung bzw. Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen.
37 
Täuschung im Sinne des Prüfungsrechts und auch dieser Vorschrift ist die Vorspiegelung einer eigenständigen und regulär erbrachten Prüfungsleistung, um bei dem Prüfer über die ihr zugrunde liegenden Kenntnisse und Fähigkeiten einen Irrtum zu erregen. Die Sanktionen bei Täuschungen knüpfen an die Tatsache an, dass zu einer ordnungsgemäßen Prüfungsleistung die eigenständige, nur mit den zugelassenen Hilfsmitteln erfolgte Bearbeitung der Prüfungsaufgabe gehört. Eine Täuschung bzw. ein Täuschungsversuch läuft sowohl dem Prüfungszweck, das Leistungsvermögen der Prüfungsteilnehmer unverfälscht, d. h. im Rahmen der Prüfungsbedingungen festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit zuwider (Niehues, a.a.O., Rdnrn. 447, 448 m. w. N.). Die Beurteilung, ob ein Täuschungsversuch anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 30.08.1985 - 15 A 706/82 -, NVwZ 1986, 851).
38 
Die Kammer geht im Einzelnen von folgendem Sachverhalt aus:
39 
Der Kläger hatte sich für die in seinem Studiengang angesetzte Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II angemeldet, aber eine andere, bislang unbekannt gebliebene Person gebeten, sich am Vormittag des 16.07.2009 in den Großen Hörsaal der Chemie, Gebäude ..., N. Feld, zu begeben, unter seinem Namen an der Klausur teilzunehmen, in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben und sich mit seinem Führerschein auszuweisen. Damit sollten die Aufsichtführenden und die Verantwortlichen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät über die Klausurteilnahme des Klägers getäuscht werden. Der Unbekannte entsprach der Bitte: Er nahm an der genannten Klausur teil, wies sich gegenüber der Klausuraufsicht mit dem Führerschein des Klägers aus und unterschrieb in der Teilnehmerliste mit dessen Namen. Der Kläger selbst befand sich während des Klausurtermins nicht im Prüfungsraum. Nachdem der Aufsichtführende ... der weiteren Aufsichtführenden ... mitgeteilt hatte, dass er mit Blick auf das vorgelegte Lichtbild den Verdacht hege, dass es sich bei der Person nicht um den zur Prüfung angemeldeten Kläger handelt, nahm diese den Führerschein und den Studentenausweis an sich. In der Folge verließ der Unbekannte den Hörsaal, um die Toilette aufzusuchen. Als die Aufsichtführende ... nach ihm schaute, stellte sie fest, dass er sich an der Eingangstüre des Gebäudes mit einem jungen Mann unterhielt, bei dem es sich - wie sie später feststellen konnte - um den Kläger handelte. Der Anweisung der Aufsichtführenden, in den Hörsaal zurückzukehren, kam der Unbekannte kommentarlos nach. Nachdem das Prüfungsamt des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften über den Sachverhalt informiert worden war, begab sich die Zeugin ..., eine Mitarbeiterin des Instituts, die den Kläger persönlich kannte - in Begleitung ihres Kollegen, des Zeugen ... - zum Hörsaal. Dort angekommen erkannte Frau ..., dass es sich bei der verdächtigen Person nicht um den Kläger handelte. Ein daraufhin von dieser unternommener Versuch zu fliehen blieb erfolglos. Sodann wurde der Unbekannte aus dem Hörsaal begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte Frau ... telefonisch die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte. Der Zeuge ... begleitete den unbekannten Prüfling zur Glasfront im Bereich des Ausgangs des Hörsaalgebäudes. Dort trafen sie auf den Kläger und eine weitere Person. Der Kläger sprach mit dem Unbekannten in einer nicht deutschen Sprache. Es fiel ein Wort, daraufhin rannten der Unbekannte und die weitere Person aus dem Gebäude. Der Zeuge ..., der dem Unbekannten folgen wollte, wurde vom Kläger festgehalten. Der Zeuge ... wollte sich losreißen und versuchte, am Kläger vorbei zu kommen, Dieser hinderte ihn jedoch daran, indem er ihn drei bis vier Sekunden gegen die Glaswand drückte, so dass der Unbekannte und die dritte Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
40 
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen (unter Einschluss der beigezogenen Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg - 24 Js 17145/09 -) sowie der im Kern übereinstimmenden, glaubhaften Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen ... und .... Der Kläger hat sich bislang nicht substantiiert zum Sachverhalt geäußert und ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. In seiner Widerspruchsbegründung führt er lediglich pauschal aus, dass der Tatbestand, wie er im Bescheid aufgeführt ist, „nicht stimmt“. Im Klageverfahren hat er sich auf den schriftsätzlichen Vortrag beschränkt, von Anfang an beabsichtigt zu haben, eine von ihm selbst gefertigte Klausurlösung abzugeben, und den Mitarbeitern des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften gegenüber nicht geäußert zu haben, dass es nicht einfach gewesen sei, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, und dass er dann „halt eine 5 mehr habe“ und die Klausur zum 2. Termin schreibe. Dieses Vorbringen ist - unabhängig von der Frage seiner rechtlichen Erheblichkeit - nicht geeignet, die Angaben der Zeugen ernsthaft in Frage zu stellen. So hat die Zeugin ... auf Vorhalt ihrer Stellungnahme vom Juli 2099 explizit angegeben, die Worte des Klägers „habe ich halt eine 5 mehr“ gehört zu haben. Der Zeuge ... hat erklärt, der Kläger habe im Gespräch mit ihm geäußert, dass er mit den Konsequenzen jetzt leben müsse; auch hat er sich - im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Inhalt des unmittelbar nach dem Vorfall gefertigten Vermerks - daran erinnert, dass der Kläger zum Ausdruck gebracht habe, dass es „nicht einfach sei, jemanden zu finden, der die Aufgabe übernehmen könne und ihm ähnlich sehe“. Die Kammer hält die Bekundungen der Zeugen für glaubhaft. Obwohl der Vorfall bereits längere Zeit zurückliegt, waren ihre Angaben sehr detailliert. Auch waren Belastungstendenzen nicht erkennbar und die Kammer hatte den Eindruck, dass sich beide Zeugen ernsthaft bemühten, lediglich das wiederzugeben, was ihnen noch konkret erinnerlich war.
41 
Vor diesem Hintergrund hat die Kammer keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger die Absicht hatte, durch das Einschleusen eines Unbekannten in die Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II die für die Prüfung Verantwortlichen über seine eigene Klausurteilnahme zu täuschen und sich damit unter Verstoß gegen die Regeln des Prüfungsverfahrens gegenüber den anderen Prüflingen nicht leistungsbedingte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Er hat auch bereits die wesentlichen Schritte unternommen, um diese Täuschungsabsicht umzusetzen.
42 
Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat sich indes nicht eindeutig klären lassen, wie es dazu kam, dass sich eine vom Kläger geschriebene Klausur im Prüfungsraum befand (eine der sichergestellten Klausuren befand sich am Sitzplatz des Unbekannten, die andere in der dort zurückgelassenen schwarzen Tasche), und welche Klausur letztlich hätte abgegeben werden sollen (vgl. die Verfügung der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010, S. 119 der Akte des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg). Deshalb lässt sich nicht feststellen, ob es das Ziel des Klägers war, den Unbekannten auch dazu anzustiften, die Klausur für ihn anzufertigen und in seinem Namen abzugeben. Auf der Grundlage der beigezogenen Akten und Unterlagen geht die Kammer aber davon aus, dass es dem Kläger darum ging, sich die Prüfungsunterlagen von dem Unbekannten übergeben zu lassen, die Klausur dann außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen. Dies wird dadurch nahegelegt, dass eine vom Kläger geschriebene Klausur im Bereich des Sitzplatzes des Unbekannten sichergestellt wurde. Zudem hat der Unbekannte nach den konkreten Bekundungen der Aufsichtführenden ... während der Prüfung unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen, Kontakt mit dem außerhalb des Prüfungsraums wartenden Kläger aufgenommen (vgl. die Vernehmungsniederschrift vom 15.03.2010, S. 87 der Akte des Ermittlungsverfahrens). Schließlich spricht für diesen Geschehensablauf die große Zahl der Klausurteilnehmer wie die Tatsache, dass bei der Klausur im Aufsichtsprotokoll nicht vermerkt wurde, wer und wann ein Prüfling den Raum verlassen hat. Bei dieser Sachlage ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger beabsichtigte, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und sie anschließend mit Hilfe des Unbekannten abgeben zu lassen.
43 
Zu Recht hat die Beklagte einen „schwerwiegenden Fall“ im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 5 PO angenommen. Nach der Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Verhalten des Klägers um den Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) in einem außergewöhnlich schweren Fall. Die am Maßstab der Beeinträchtigung der Chancengleichheit zu ermittelnde Schwere des Täuschungsversuchs ergibt sich hier insbesondere aus dem vom Kläger geplanten und organisierten Zusammenwirken mehrerer Personen (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) sowie der bei ihm zu Tage getretenen erheblichen kriminellen Energie: Um sich gegenüber den anderen Prüflingen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, hat er sich nicht nur wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung (Beauftragung einer unbekannten Person, für ihn an der Klausur teilzunehmen, sich mit seinem Führerschein auszuweisen und in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben) strafbar gemacht (§§ 267, 281, 26, 52 StGB). Er ist vielmehr, um die Aufdeckung bzw. Aufklärung des Täuschungsmanövers zu vereiteln oder zu erschweren, nicht davor zurückgeschreckt, einen Mitarbeiter der Verwaltung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät unter Anwendung körperlicher Gewalt daran zu hindern, dem unbekannten Prüfungsteilnehmer zu folgen (vgl. den Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010). Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des Klägers auf einer Skala sanktionswürdiger Täuschungshandlungen im obersten Bereich anzusiedeln.
44 
Anhaltspunkte für Ermessensfehler des Prüfungsausschusses sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO).
45 
Ausweislich des dem Widerspruchsbescheid zugrunde liegenden Beschlusses des Prüfungsausschusses für den Studiengang Volkswirtschaftslehre vom 27.10.2009 hat der Prüfungsausschuss festgestellt, dass es sich bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall um einen „besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs“ gemäß § 11 PO handelt. Da der Tatbestand der Sanktionsnorm lediglich einen „schwerwiegenden Fall voraussetzt, wird daran deutlich, dass der Prüfungsausschuss sich bei seiner Entscheidung – in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - maßgeblich hat davon leiten lassen, dass dem klägerischen Verhalten selbst innerhalb der Gruppe schwerwiegender Fälle von Täuschungshandlungen Ausnahmecharakter zukommt. Vor diesem Hintergrund durfte der Prüfungsausschuss davon ausgehen, dass die vorzunehmende Interessenabwägung - auch mit Blick auf die besondere Bedeutung des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes der Chancengleichheit - vorgezeichnet und eine besondere Begründung nicht mehr erforderlich ist (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG).
46 
Der Einwand, die Beklagte sei von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen, verfängt nicht. Zunächst sind weder den angegriffenen Bescheiden noch den zugrunde liegenden Entscheidungen des Prüfungsausschusses greifbare Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte einen Fall des wiederholten Täuschungsversuchs angenommen hat. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, der Prüfungsausschuss habe seiner Entscheidung nur den hier vorliegenden Sachverhalt zugrunde gelegt, diesen aber für so schwerwiegend gehalten, dass er die ausgesprochene Rechtsfolge rechtfertige. Dass die Äußerungen, die dem Kläger von den Zeugen ... und ... in deren Vermerken zugeschrieben werden, jedenfalls im Wesentlichen so gefallen sind, hat die Beweisaufnahme vor der erkennenden Kammer ergeben. Der Umstand, dass die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheides offenbar davon ausgegangen ist, dass der Kläger den Unbekannten beauftragt hat, in seinem Namen die Klausur Wirtschaftpolitik II anzufertigen und abzugeben, begründet ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung der Beklagten. Denn auch wenn nach jetzigem Erkenntnisstand anzunehmen ist, dass der Kläger plante, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen, ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass sich die darin liegende Abweichung im Geschehensablauf in erheblicher Weise auf das Gewicht des Täuschungsversuchs und damit auf das Ergebnis der Ermessensentscheidung ausgewirkt haben könnte. Im Übrigen handelt es sich bei den Einzelheiten des Täuschungsversuchs um Umstände, die der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind und über die - bereits im Verwaltungsverfahren - er am besten Auskunft hätte geben können. Da er indes in keiner Weise zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat, kann es keinen Ermessensfehler begründen, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht den tatsächlichen Ablauf berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1985 - BVerwG 1 B 51.85 -, InfAuslR 1985, 199).
47 
Trotz der Folgen, die mit dem Ausschluss des Klägers von weiteren Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre für diesen verbunden sind, stehen die angegriffenen Bescheide im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
48 
Das öffentliche Interesse an einer harten Ahndung des Täuschungsversuchs überwiegt im vorliegenden Einzelfall die privaten Interessen des Klägers und lässt den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Klägers gerechtfertigt erscheinen. Gemessen am Grad der Beeinträchtigung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer stellt sich das Verhalten des Klägers - wie oben dargelegt - als Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver in einem außergewöhnlich schweren Fall dar. Ein solches Verhalten, bei dem der Prüfling, um sich nicht leistungsbedingte Vorteile zu verschaffen, sogar vor der Begehung von Straftaten nicht zurückschreckt, stellt den Wettbewerbscharakter der Prüfung massiv in Frage. Deshalb kann die Prüfungsbehörde bei der Entscheidung über die angemessene Reaktion auf den Täuschungsversuch hier - neben dem Aspekt der Sanktionierung des klägerischen Verstoßes gegen die Prüfungsordnung - dem Gesichtspunkt, dass die durch den Täuschungsversuch in Frage gestellte, verfassungsrechtlich verankerte Chancengleichheit eine auch für andere erkennbare Abschreckung gebieten kann, maßgebliche Bedeutung beimessen. Vor diesem Hintergrund kann in dem Ausschluss des Klägers von der Prüfung auch mit Blick auf dessen grundrechtlich geschützte Interessen aus Art. 12 Abs. 1 GG keine unverhältnismäßige Reaktion gesehen werden.
49 
Im Übrigen führt die ausgesprochene Sanktion entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht dazu, dass dem Kläger der Zugang zu dem von ihm angestrebten Beruf endgültig versperrt wird. Die Maßnahme beschränkt sich zunächst auf den Ausschluss vom weiteren Studium im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO sowie §§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Wie sich aus § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG ergibt, ist dem Kläger auch die Zulassung zu dem gleichen Studiengang an einer anderen Hochschule in Baden-Württemberg zu versagen. Es ist indes weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger sein Diplom-Studium nicht als Ortswechsler an einer Universität in einem anderen Bundesland fortsetzen könnte.
50 
Außerdem beschränkt sich der Ausschluss vom Studium in einem Studiengang mit im Wesentlichen gleichen Inhalt, insbesondere einem vergleichbaren Bachelor- bzw. Masterstudiengang, auf die Universitäten, die - wie die Beklagte (vgl. etwa § 12 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang „Politische Ökonomik“ vom 07.08.2006; § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Master-Studiengang Economics vom 27.03.2009) - in ihren Prüfungsordnungen entsprechende Zulassungsbeschränkungen normiert haben (vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbs. LHG). Insoweit hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass dies nicht für alle anderen Universitäten in Baden-Württemberg oder gar in der gesamten Bundesrepublik gilt. Dem entspricht es, dass die Universität Frankfurt auf Anfrage des Klägers mitgeteilt hat, dass er dort ein Bachelor-Studium aufnehmen könnte. Dass dort - wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - lediglich Studienzeiten von maximal zwei Semestern angerechnet würden, ist nicht auf die von der Beklagten ausgesprochene Sanktion zurückzuführen. Maßgeblich hierfür ist vielmehr, inwieweit der Kläger aufgrund der von ihm bisher erbrachten Studienleistungen über die für einen bestimmten Studiengang geforderten Zugangsvoraussetzungen verfügt. Dies ist indes allein seiner (Risiko-) Sphäre zuzurechnen.
51 
Schließlich erweist sich die ausgesprochene Sanktion auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sich der Täuschungsversuch (lediglich) auf eine studienbegleitende Prüfungsleistung bezog. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier maßgeblichen studienbegleitenden Prüfungsleistungen (vgl. §§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 1 PO) um vorgezogene Abschlussklausuren handelt, die es den Studierenden ermöglichen, unmittelbar nach den entsprechenden Lehrveranstaltungen ihr Wissen zeitlich gestaffelt darzubieten, dass diese aber bereits Bestandteile der Abschlussprüfung sind und ihren entsprechenden Niederschlag in der Abschlussnote finden (vgl. Haug , Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 646). Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung des Klägervertreters, einem Täuschungsversuch bei einer studienbegleitenden Prüfungsleistung komme erheblich geringeres Gewicht zu als einem Täuschungsversuch in einer Abschlussprüfung, nicht gefolgt werden.
52 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 18.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2004) auf EUR 15.000,- festgesetzt.
55 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seinen Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen.
Der am … 1982 in Frunse/Kirgistan geborene Kläger war seit dem Wintersemester 2004/2005 im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten immatrikuliert.
Am 16.07.09 wurde im Großen Hörsaal der Chemie, Gebäude ..., N. Feld, die Klausur Wirtschaftspolitik II geschrieben, zu der sich auch der Kläger angemeldet hatte. Nach Ausgabe der Prüfungsbögen ließ einer der beiden Aufsichtführenden die Prüflinge auf einer Teilnehmerliste unterschreiben und sich dabei zum Zwecke der Identitätskontrolle einen amtlichen Ausweis (mit Lichtbild) zeigen. Die männliche Person, die für den Kläger auf der Teilnehmerliste unterschrieb, wies sich durch Vorlage des Führerscheins sowie des Studentenausweises des Klägers aus. Nachdem mit Blick auf das vorgelegte Lichtbild der Verdacht aufkam, dass es sich bei der Person nicht um den zur Prüfung angemeldeten Kläger handelt, wurde das Prüfungsamt des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften über den Sachverhalt informiert. Eine Mitarbeiterin des Instituts, die den Kläger persönlich kannte, begab sich - in Begleitung ihres Kollegen - zum Hörsaal. Dort angekommen erkannte sie, dass es sich bei der verdächtigen Person nicht um den Kläger handelte. Ein daraufhin von dieser unternommener Versuch zu fliehen blieb erfolglos. Sodann wurde der Unbekannte aus dem Hörsaal begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte die Institutsmitarbeiterin telefonisch die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte.
Die beiden Mitarbeiter des A.-W.-Instituts begleiteten den unbekannten Prüfling zum Haupteingang. Dort trafen sie auf den Kläger und eine weitere Person. Kurz darauf kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf der Kläger den Institutsmitarbeiter festhielt, so dass der Unbekannte und die dritte Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
In seiner Sitzung vom 12.08.09 stellte der Prüfungsausschuss für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre fest, dass es sich bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall vom 16.07.2009 um einen besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs gemäß § 11 Abs. 4 Satz 5 der Prüfungsordnung der Universität Heidelberg für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre vom 22.04.99 i.d.F. vom 27.09.04 (PO) handele. Es wurde beschlossen, den Kläger mit sofortiger Wirkung von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen auszuschließen. Dies wurde ihm mit Bescheid vom 12.08.09 mitgeteilt.
Gegen den ihm am 13.08.2009 zugestellten Bescheid erhob der Kläger unter dem 09.09.2009 Widerspruch, der bei der Beklagten am 14.09.2009 einging und den er mit Schreiben vom 30.09.2009 u.a. damit begründete, dass er bezweifle, ob die Reaktion der Beklagten auf den Vorfall adäquat sei, und dass der Tatbestand, wie er im Bescheid aufgeführt sei, „nicht stimmt“.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009, dem Kläger zugestellt am 04.11.2009, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Prüfungsausschuss habe sich in seiner Sitzung am 14.10.2009 nicht in der Lage gesehen, dem Widerspruch abzuhelfen. Der Kläger habe einen Täuschungsversuch unternommen, da er jemand anderen beauftragt habe, in seinem Namen die Klausur Wirtschaftspolitik II anzufertigen und abzugeben. Der Prüfungsausschuss habe unter Würdigung der vorliegenden Umstände einen besonders schwerwiegenden Fall gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 (gemeint: Abs. 4 Satz 5) PO festgestellt.
Bereits mit Bescheid vom 14.08.2009 hatte die Beklagte den Kläger mit der Begründung exmatrikuliert, dass er den Prüfungsanspruch in Studienfach Volkswirtschaftslehre endgültig verloren habe. Gegen diesen Bescheid hatte der Kläger am 26.08.2009 Widerspruch erhoben.
Am 18.11.2009 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er beantragt,
10 
den Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 und deren Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 aufzuheben.
11 
Er habe von Anfang an beabsichtigt, eine von ihm selbst gefertigte Klausurlösung abzugeben. Den Mitarbeitern des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften gegenüber habe er nicht geäußert, dass es nicht einfach gewesen sei, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, und dass er dann „halt eine 5 mehr habe“ und die Klausur zum 2. Termin schreibe. Hätte man ihn damals ordnungsgemäß angehört, hätte sich dies aufklären lassen. Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob die Vorwürfe, wie sie die Beklagte ihm zu Last lege, der Wahrheit entsprechen. Denn die angegriffenen Bescheide seien nicht durch eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage gedeckt. § 11 Abs. 4 Satz 5 PO ermächtige den Prüfungsausschuss allenfalls dazu, den Prüfling im Falle eines schwerwiegenden Täuschungsversuchs von einzelnen weiteren Prüfungsleistungen auszuschließen, ohne ihm dabei die Möglichkeit zu nehmen, sein Studium bei „guter Führung“ beenden zu können. Da sich die Sanktion des (vollständigen) Verlusts des Prüfungsanspruchs der Vorschrift nicht klar entnehmen lasse, verstoße sie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Unabhängig davon genüge sie jedenfalls nicht dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Die Regelung des § 34 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 LHG entspreche weder isoliert noch in ihrem Zusammenhang den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Zwar sei es nicht rechtsstaatlich erforderlich, das Sanktionssystem bei Täuschungsversuchen in allen Einzelheiten durch ein formelles Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zu regeln. Verfassungsrechtlich geboten sei indes mit Blick auf den schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG eine parlamentarische Grundentscheidung darüber, ob bei einem Täuschungsversuch ein Prüfungsausschluss zulässig sei und welche qualifizierenden Tatumstände hierfür Voraussetzung seien. Die Bestimmung könne auch nicht trotz des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für eine Übergangszeit als gültig behandelt werden. Die Bescheide verstießen auch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen sei geeignet, ihm den Zugang zu dem von ihm angestrebten Beruf endgültig zu versperren. Dies gelte umso mehr, als er sein Studium auch an keiner anderen Hochschule fortsetzen könne, da ihm nach § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG die Zulassung zu versagen sei, wenn er ein Studium im gleichen Studiengang endgültig nicht bestanden habe. Die im Ermessen der Beklagten stehende Verhängung der Sanktion sei aber jedenfalls im vorliegenden Einzelfall unverhältnismäßig. Die Beklagte hätte neben der Tatsache, dass er sich bereits im 11. Fachsemester befinde, in die Abwägung einstellen müssen, dass er noch in einem Diplom-Studiengang studiere, welcher - wegen der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge - von keiner Universität oder sonstigen Hochschule in Deutschland mehr in dieser Form angeboten werde. Er könne sein Berufsziel daher überhaupt nicht mehr verwirklichen. Selbst wenn er in einem vergleichbaren Studiengang aufgenommen würde, bekäme er kaum Studienzeiten angerechnet. Ein Täuschungsversuch in einer einzelnen studienbegleitenden Klausur, von denen er in seinem Studium ca. 30 geschrieben habe, sei jedenfalls anders zu gewichten als ein Täuschungsversuch in einer Abschlussprüfung. Die Beklagte sei bei ihrer Ermessensentscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass er schon einmal in der Klausur „Allgemeine Methodenlehre der Statistik“ am 20.04.2007 einen Täuschungsversuch begangen habe. Der Verdacht, er habe sich bei dieser Klausur durch einen anderen vertreten lassen, sei unzutreffend.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Der Ansicht des Klägers, dass für einen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen keine Rechtsgrundlage gegeben sei, werde entgegengetreten. In § 11 Abs. 4 Satz 5 der PO sei nicht nur der Ausschluss aus der aktuellen Prüfung gemeint, sondern umfasst sei auch ein Ausschluss von der Erbringung aller weiteren Prüfungsleistungen in diesem Studiengang. Die Rechtsfolge des Ausschlusses von lediglich einer einzelnen Prüfungsleistung könne auch schon mit § 11 Abs. 4 Satz 1 PO ohne das Vorliegen eines besonders schweren Falles ausgesprochen werden. Dafür, dass ein Ausschluss aus dem Studium wegen Täuschungshandlungen nicht ausgeschlossen sei, spreche auch die Regelung in § 62 Abs. 4 Nr. 4 i.V.m. § 3 Abs. 5 LHG, wonach ein Studierender exmatrikuliert werden könne, wenn vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Grundsätze wissenschaftlicher Redlichkeit und wissenschaftlicher Praxis verstoßen werde. Die vorgebrachten Argumente zu Art. 12 GG überzeugten nicht. Der Kläger habe die Bedingungen, die zu seinem Ausschluss aus dem Diplomstudium Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg geführt haben, selbst gesetzt. Insofern könne er sich jetzt nicht darauf berufen, ihm sei durch das Verhalten der Universität die Möglichkeit verschlossen, den von ihm angestrebten Beruf zu erlernen. Im Übrigen sei er nicht gehindert zu versuchen, sein Studium an einer anderen Universität fortzusetzen. Zwar sei es richtig, dass wohl die meisten Universitäten die Diplomstudiengänge zugunsten von Bachelor- und Masterstudiengängen eingestellt hätten, dies beziehe sich i.d.R. aber nur auf die Aufnahme von Studienanfängern, nicht auf Ortswechsler in höheren Semestern. Bei der Ermessensentscheidung sei nicht von einem Wiederholungsfall ausgegangen worden. Das Argument des Klägers, dass er sich bereits im 11. Fachsemester befinde, wirke nicht für, sondern gegen ihn. Von einem Studierenden im 11. Fachsemester könne man erwarten, dass allgemeine Grundsätze über Redlichkeit im Studium ihren Niederschlag auch in entsprechendem Verhalten finden müssten. Der hier vorliegende Täuschungsversuch - egal ob die vom Kläger beauftragte Person eine bereits vorgefertigte Klausur abgeben oder für den Kläger an der Klausur teilnehmen sollte - stelle einen schwerwiegenden Fall der Erschleichung einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver dar. Nach der Rechtsprechung dürfe bei der Bemessung der Sanktion in solchen Fällen sogar mitberücksichtigt werden, dass nicht allein die Beseitigung der im Einzelfall erlangten unberechtigten Vorteile geboten sei, sondern dass die Maßnahme stets auch generalpräventive Wirkung habe. Soweit der Kläger zu seinen Gunsten gewertet wissen wolle, dass der Täuschungsversuch nicht in einer Abschlussprüfung, sondern nur in einer studienbegleitenden Klausur vorgenommen worden sei, verkenne er den Charakter der studienbegleitenden Prüfungsleistungen.
15 
Am 15.01.2010 hat der Kläger um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (7 K 139/10). Mit Beschluss vom 04.02.2010 hat die Kammer den Beteiligten den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs vorgeschlagen, den diese jeweils mit Schriftsätzen vom 05.02.2010 angenommen haben.
16 
Mit Schreiben vom 09.06.2010 hat die Staatsanwaltschaft Heidelberg beim Amtsgericht Heidelberg beantragt, gegen den Kläger wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung (Beauftragung einer unbekannten Person, für ihn an der Klausur teilzunehmen, sich mit seinem Führerschein auszuweisen und in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben) und wegen Nötigung (Festhalten des Geschädigten ...) gemäß §§ 240, 267, 281, 26, 52, 53 StGB einen Strafbefehl zu erlassen. Im Hinblick auf den Vorwurf einer tateinheitlich begangenen weiteren Anstiftung zur versuchten Urkundenfälschung im Zusammenhang mit dem Anfertigen der Klausur wurde gemäß § 154 a StPO (Beschränkung der Strafverfolgung auf bestimmte Gesetzesverletzungen) verfahren, weil sich bislang nicht eindeutig habe klären lassen, wie es dazu gekommen sei, dass eine vom Beschuldigten geschriebene Klausur sich im Prüfungsraum befunden habe, und welche Klausur letztlich hätte abgegeben werden sollen. In einem Vermerk des ermittelnden Beamten der Kriminalpolizei vom 26.03.2010 heißt es insoweit, dass bei der Klausur im Aufsichtsprotokoll nicht vermerkt worden sei, welcher Prüfling wann während der Prüfung den Raum verlasse. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass eine vom Kläger beauftragte Person (unbekannter Prüfungsteilnehmer) den Raum während der Prüfung verlassen habe, um dem draußen wartenden Kläger die Prüfungsunterlagen zu übergeben, damit dieser die Klausur mit (unzulässigen) Hilfsmitteln außerhalb schreiben und zu einem späteren Zeitpunkt durch einen Beauftragten die Klausur wieder in den Prüfungsraum zurückreichen konnte.
17 
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die von der Beklagten vorgelegten Akten (2 Bände), die Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg (24 Js 17145/09) sowie die Gerichtsakten des Eilverfahrens (7 K 139/10) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, Alt. 1 VwGO) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet. Die dem Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 mitgeteilte Entscheidung des Prüfungsausschusses für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre und der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
19 
Der von der Beklagten ausgesprochene Ausschluss des Klägers von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre findet seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (im Folgenden: PO) vom 22.04.1999 i.d.F. der letzten Änderung vom 27.09.2004 (Mitteilungsblatt des Rektors vom 29.09.2004, S. 523). Danach wird eine Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Prüfling versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO); in schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen (§ 11 Abs. 4 Satz 5 PO).
20 
Die Gültigkeit der satzungsrechtlichen Regelung begegnet keinen Bedenken (zur Prüfungskompetenz der Kammer vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 4 Rn. 53 f.).
21 
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters findet die Sanktionsregelung des Ausschlusses von weiteren Prüfungsleistungen in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg vom 01.01.2005 (GBl. S. 1 - LHG -) - nunmehr in der Fassung des 2. Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich vom 3.12.2008 (GBl. S. 435) - eine ausreichende formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Danach werden Hochschulprüfungen auf der Grundlage von Prüfungsordnungen abgelegt, welche Regelungen zu den in § 36 Satz 2 LHG genannten Gegenständen enthalten. Nach der Nr. 1 dieser Bestimmung sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“.
22 
Die in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG getroffene Vorgabe, es den Prüfungsordnungen zu überlassen, die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften zu regeln, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes.
23 
Bestimmungen des Prüfungsrechts, die mit den darin angeordneten Rechtsfolgen die Berufswahl und die spätere Berufsausübung berühren, unterstehen dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, der eine Regelung durch Gesetz oder durch eine auf hinreichender gesetzlicher Grundlage beruhende untergesetzliche Rechtsnorm verlangt (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07.07.1980, DÖV 1981, 584 m.w.N.). Hierbei verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den parlamentarischen Gesetzgeber allerdings, auch im Prüfungsrecht die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 58, 257, 275; 80, 1, 21 f.; 84, 34, 59; BVerwGE 56, 155; 57, 130; 65, 323, 326; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 -, Juris; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl., Rn. 33 ff.). Insoweit sind indes an die - im vorliegenden Fall einschlägige und vom Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erfasste - gesetzliche Ermächtigung zum Erlass den Berufszugang beschränkendersatzungsrechtlicher Normen der Universitäten keinesfalls höhere Anforderungen zu stellen als an die Bestimmtheit einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass staatlicher Rechtsverordnungen (vgl. Waldeyer, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Ordner 1, § 16 HRG Rn. 22; Maurer, a.a.O., § 4 Rn. 22 ff.).
24 
Nach Auffassung der Kammer ist diesen Maßstäben Genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der untergesetzlichen Norm mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfGE 80, 1, 20 f. zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.). Dabei spricht für die Befugnis des parlamentarischen Gesetzgebers, im Prüfungsrecht genauere Festlegungen untergesetzlichen Normen zu überlassen, dass dieses Rechtsgebiet in erheblichem Umfang durch verfassungsrechtliche Maßstäbe, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vorprogrammiert ist (vgl. BVerfGE 80, 1, 21 f.; BVerwGE 65, 323, 326; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
25 
Hiernach wird die Ermächtigungsvorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.
26 
Die Kammer verkennt nicht, dass die satzungsrechtliche Normierung der Möglichkeit, einen Prüfling wegen eines schwerwiegenden Täuschungsversuchs von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen in seinem Studiengang auszuschließen, jedenfalls in den Fällen, in denen das Bestehen der Prüfung von weiteren Prüfungsleistungen abhängt, zur Folge hat, dass der Prüfling den angestrebten Abschluss in diesem Studiengang nicht mehr erreichen kann (dazu noch unten). Dies stellt eine einschneidende Beeinträchtigung seines Grundrechts auf Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) dar. Gleichwohl beruht dieser Eingriff auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung.
27 
Hintergrund der Regelung ist die Überlegung, dass aufgrund des Gebotes, die Prüfungsleistung persönlich zu erbringen, und des Zweckes der Prüfung, die wahre Leistungsfähigkeit des Prüflings zu ermitteln, vorgetäuschte oder sonst erschlichene Leistungen als Grundlage eines Prüfungserfolges ausgeschlossen und insbesondere in schweren Fällen - unter Berücksichtigung des Gebots der Chancengleichheit und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - sanktioniert werden müssen (vgl. dazu Niehues, a.a.O., Rn. 447, 457 ff.).
28 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“. Dies schließt nach Auffassung der Kammer auch die Möglichkeit ein, in der Prüfungsordnung bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen den Ausschluss von weiteren Prüfungsmöglichkeiten vorzusehen. Denn der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen stellt lediglich eine Ausprägung des Wettbewerbscharakters der Prüfung und des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüflinge dar. Beides hatte der Satzungsgeber als wesentliches Merkmal des Prüfungsverfahrens bei dessen Ausgestaltung zu beachten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976 - VII B 157.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 78; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.). Der Wettbewerbscharakter von Prüfungen wie der strikt zu wahrende Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge kann es jedenfalls in schwerwiegenden Fällen der Täuschung geboten erscheinen lassen, diejenigen Prüflinge, die sich zu ihrem eigenen Vorteil nicht an die für alle Teilnehmer am Wettbewerb gleichermaßen geltenden und gleichermaßen bekannten Regeln halten, vom Wettbewerb - also von weiteren Prüfungsmöglichkeiten - auszuschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2009 - 15 K 5332/07 -, juris; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
29 
Im Übrigen gehörte die satzungsrechtliche Vorschrift über den Ausschluss von Prüfungsleistungen zu dem Normenbestand, den der baden-württembergische Gesetzgeber bei Schaffung der am 06.01.2005 in Kraft getretenen Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG vorfand. Denn die Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät sah bereits in ihrer Fassung vom 01.04.1999 in § 11 Abs. 3 Satz 3 in schwerwiegenden Fällen des Täuschungsversuchs die Sanktion des Ausschlusses von Prüfungsleistungen vor (vgl. auch entsprechende Regelungen in anderen Prüfungsordnungen, z.B. § 8 Abs. 4 Satz 3 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Psychologie vom 20.03.2002, Mitteilungsblatt des Rektors vom 28.03.2002, S. 121). Ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung sollen in der optionalen Verordnungsermächtigung des § 36 LHG, auf die in § 34 LHG Bezug genommen wird, die bisherigen Ermächtigungstatbestände in den §§ 51 Abs. 8 und 53 Abs. 1 Satz 2 UG zusammengefasst und diese um diejenigen rechtlichen Tatbestände ergänzt werden, „die im Lichte der Art. 3 und 12 Grundgesetz für rechtlich geordnete Prüfungsverfahren einschließlich organisationsrechtlicher Vorgaben sowie zur Wahrung der Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit von Hochschulprüfungen notwendig sind …“ (vgl. LT-Drucks. 13/3640, S. 210, zu § 36 LHG). Auch dies spricht dafür, dass mit dem in § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG aufgeführten Regelungsgegenstand der „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“ die bei Normerlass existierenden, vom Grundsatz der Chancengleichheit geprägten Sanktionsregelungen weiterhin von der Ermächtigung erfasst sein sollten.
30 
Nach allem beruht die Sanktionsregelung auf einer auch im Hinblick auf den darin liegenden Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend bestimmten formell-gesetzlichen Ermächtigung.
31 
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner vom Klägervertreter in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.09.1995 (- 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654) zwar angenommen hat, dass eine verordnungsrechtliche Regelung über den Ausschluss von der Prüfung wegen Fehlens der erforderlichen parlamentarischen Ermächtigung in einem formellem Gesetz mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sei, dass aber gleichwohl bis zum Vorliegen der erforderlichen parlamentarischen Leitentscheidung Täuschungsversuche bei Prüfungen geahndet und gerichtlich kontrolliert werden müssen (vgl. zur Problematik der Konsequenzen einer unmittelbaren Umsetzung der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Prinzips vom Vorbehalt des Gesetzes auch Niehues, a.a.O., Rn. 48 ff., 69 ff. m.w.N.). Deshalb seien die Gerichte gehalten, zur Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes vom vorhandenen Normenmaterial ausgehend Maßstäbe zu entwickeln, die einerseits dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers Rechnung tragen, andererseits an der Grundentscheidung in Art. 12 Abs. 1 GG zugunsten der Berufswahlfreiheit orientiert sind und insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Einschränkung dieses Grundrechts berücksichtigen, um eine verfassungskonforme Anwendung der Sanktionen im Rahmen einer Prüfung sicherzustellen (vgl. Urt. v. 27.09.1995, a.a.O.). Da die hier maßgebliche Regelung des § 11 Abs. 4 PO im Unterschied zu der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde lag, ein Sanktionsprogramm vorsieht, das unterschiedlich schweren Verstößen unterschiedliche Sanktionsstufen zuordnet (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO: bei einfachen Täuschungshandlungen Bewertung der Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0); § 11 Abs. 4 Satz 5 PO: in schwerwiegenden Fällen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen), könnte diese Regelung selbst bei Annahme einer Ungültigkeit wegen Fehlens einer parlamentarischen Ermächtigungsgrundlage auf der Basis der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs für eine Übergangszeit und daher auch im vorliegenden Fall der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.
32 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionierung von "schwerwiegenden" Täuschungsversuchen steht auch im Einklang mit dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit der Klägervertreter meint, dass sich die Sanktion des (vollständigen) Verlusts des Prüfungsanspruchs der Vorschrift nicht klar entnehmen lasse, kann dem nicht gefolgt werden.
33 
Die von der Beklagten beschlossene Sanktion, den Kläger von "weiteren" Prüfungsleistungen auszuschließen, erfasst tatsächlich alle diejenigen Prüfungsleistungen, die zeitlich nach dem Täuschungsversuch erbracht worden sind oder zu erbringen waren. Dies ergibt sich nicht nur aus der Wortwahl - das Wort "weitere" bezieht sich insofern unmissverständlich als Anknüpfungspunkt auf diejenige Prüfungsleistung, bei der eine Täuschung versucht worden ist -, sondern auch aus dem Zweck der Regelung, die den schweren Täuschungsversuch auch aus Gründen der Generalprävention dahingehend sanktionieren will, dass der Studierende ab diesem Zeitpunkt sein Recht verwirkt hat, noch weitere Prüfungsleistungen in seinem bisherigen Studiengang ablegen zu dürfen.
34 
Für diese Auslegung spricht in systematischer Hinsicht im Übrigen die der Bestimmung des § 11 Abs. 4 PO zugrunde liegende Stufung der Sanktionen: Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 PO werden „einfache“ Fälle der Täuschungshandlung damit geahndet, dass die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet wird. In diesen Fällen kann im Rahmen der Diplomprüfung eine schriftliche Abschlussprüfung jedenfalls einmal (vgl. § 22 Abs. 2 PO), unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PO zweimal wiederholt werden. Wenn dann in Satz 5 der Bestimmung der Prüfungsausschuss in „schwerwiegenden Fällen“ den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen kann (Unterstreichung nur hier), bedeutet dies zwangsläufig auch den Ausschluss von durch die Prüfungsordnung eingeräumten Wiederholungsmöglichkeiten und damit in den Fällen, in denen die Prüfungsleistung nach der Prüfungsordnung Bestehensvoraussetzung ist, auch das endgültige Nichtbestehen der Prüfung (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO) sowie das Erlöschen der Zulassung zu dem Studiengang (§§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Schließlich stellt sich auch der Begriff des "schwerwiegenden" Täuschungsversuchs als hinreichend präzise dar. Mit Blick darauf, dass Maßstab für die Beurteilung des Gewichts des Täuschungsversuchs der Grad der Beeinträchtigung der Chancengleichheit ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O.; Niehues, a.a.O., Rn. 457 ff.), und vor dem Hintergrund der in Rechtsprechung und Schrifttum erörterten Kasuistik (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 448 ff.), kann die Bestimmung mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden. Damit genügt sie dem rechtsstaatlichen Erfordernis hinreichender Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 103, 21, 33); die Konkretisierung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist im Übrigen Aufgabe der Verwaltungsbehörden und der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 87, 234, 263 f.).
35 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionsmöglichkeit verstößt auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 07.12.1976 (a.a.O.) ausgeführt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Ausschluss von einer Prüfung nicht schlechthin verbietet. Der Prüfungsausschluss ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf die darin liegende generalpräventive Wirkung ein geeignetes Mittel, um Beeinträchtigungen der Chancengleichheit durch Täuschungsversuche zu begegnen. Bei der großen Bedeutung, die dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht zukommt, kann der schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit, der vor allem in der mit einem Prüfungsausschluss verbundenen Folge des Nichtbestehens der (gesamten) Prüfung liegt, grundsätzlich nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn er auf schwere Fälle von Täuschungsversuchen beschränkt ist (vgl. Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O., und v. 12.01.1981 - 7 B 300. u. 301.80 -). Ausgehend hiervon ist auch die hier maßgebliche Bestimmung, die ebenfalls die Sanktion des Ausschlusses von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen - als "ultima ratio" - auf die "schwerwiegenden" Fälle des Täuschungsversuchs beschränkt, nicht zu beanstanden.
36 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 S. 5 i.V.m. S. 1 PO sind hier erfüllt. Der Kläger hat versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung bzw. Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen.
37 
Täuschung im Sinne des Prüfungsrechts und auch dieser Vorschrift ist die Vorspiegelung einer eigenständigen und regulär erbrachten Prüfungsleistung, um bei dem Prüfer über die ihr zugrunde liegenden Kenntnisse und Fähigkeiten einen Irrtum zu erregen. Die Sanktionen bei Täuschungen knüpfen an die Tatsache an, dass zu einer ordnungsgemäßen Prüfungsleistung die eigenständige, nur mit den zugelassenen Hilfsmitteln erfolgte Bearbeitung der Prüfungsaufgabe gehört. Eine Täuschung bzw. ein Täuschungsversuch läuft sowohl dem Prüfungszweck, das Leistungsvermögen der Prüfungsteilnehmer unverfälscht, d. h. im Rahmen der Prüfungsbedingungen festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit zuwider (Niehues, a.a.O., Rdnrn. 447, 448 m. w. N.). Die Beurteilung, ob ein Täuschungsversuch anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 30.08.1985 - 15 A 706/82 -, NVwZ 1986, 851).
38 
Die Kammer geht im Einzelnen von folgendem Sachverhalt aus:
39 
Der Kläger hatte sich für die in seinem Studiengang angesetzte Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II angemeldet, aber eine andere, bislang unbekannt gebliebene Person gebeten, sich am Vormittag des 16.07.2009 in den Großen Hörsaal der Chemie, Gebäude ..., N. Feld, zu begeben, unter seinem Namen an der Klausur teilzunehmen, in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben und sich mit seinem Führerschein auszuweisen. Damit sollten die Aufsichtführenden und die Verantwortlichen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät über die Klausurteilnahme des Klägers getäuscht werden. Der Unbekannte entsprach der Bitte: Er nahm an der genannten Klausur teil, wies sich gegenüber der Klausuraufsicht mit dem Führerschein des Klägers aus und unterschrieb in der Teilnehmerliste mit dessen Namen. Der Kläger selbst befand sich während des Klausurtermins nicht im Prüfungsraum. Nachdem der Aufsichtführende ... der weiteren Aufsichtführenden ... mitgeteilt hatte, dass er mit Blick auf das vorgelegte Lichtbild den Verdacht hege, dass es sich bei der Person nicht um den zur Prüfung angemeldeten Kläger handelt, nahm diese den Führerschein und den Studentenausweis an sich. In der Folge verließ der Unbekannte den Hörsaal, um die Toilette aufzusuchen. Als die Aufsichtführende ... nach ihm schaute, stellte sie fest, dass er sich an der Eingangstüre des Gebäudes mit einem jungen Mann unterhielt, bei dem es sich - wie sie später feststellen konnte - um den Kläger handelte. Der Anweisung der Aufsichtführenden, in den Hörsaal zurückzukehren, kam der Unbekannte kommentarlos nach. Nachdem das Prüfungsamt des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften über den Sachverhalt informiert worden war, begab sich die Zeugin ..., eine Mitarbeiterin des Instituts, die den Kläger persönlich kannte - in Begleitung ihres Kollegen, des Zeugen ... - zum Hörsaal. Dort angekommen erkannte Frau ..., dass es sich bei der verdächtigen Person nicht um den Kläger handelte. Ein daraufhin von dieser unternommener Versuch zu fliehen blieb erfolglos. Sodann wurde der Unbekannte aus dem Hörsaal begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte Frau ... telefonisch die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte. Der Zeuge ... begleitete den unbekannten Prüfling zur Glasfront im Bereich des Ausgangs des Hörsaalgebäudes. Dort trafen sie auf den Kläger und eine weitere Person. Der Kläger sprach mit dem Unbekannten in einer nicht deutschen Sprache. Es fiel ein Wort, daraufhin rannten der Unbekannte und die weitere Person aus dem Gebäude. Der Zeuge ..., der dem Unbekannten folgen wollte, wurde vom Kläger festgehalten. Der Zeuge ... wollte sich losreißen und versuchte, am Kläger vorbei zu kommen, Dieser hinderte ihn jedoch daran, indem er ihn drei bis vier Sekunden gegen die Glaswand drückte, so dass der Unbekannte und die dritte Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
40 
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen (unter Einschluss der beigezogenen Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg - 24 Js 17145/09 -) sowie der im Kern übereinstimmenden, glaubhaften Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen ... und .... Der Kläger hat sich bislang nicht substantiiert zum Sachverhalt geäußert und ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. In seiner Widerspruchsbegründung führt er lediglich pauschal aus, dass der Tatbestand, wie er im Bescheid aufgeführt ist, „nicht stimmt“. Im Klageverfahren hat er sich auf den schriftsätzlichen Vortrag beschränkt, von Anfang an beabsichtigt zu haben, eine von ihm selbst gefertigte Klausurlösung abzugeben, und den Mitarbeitern des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften gegenüber nicht geäußert zu haben, dass es nicht einfach gewesen sei, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, und dass er dann „halt eine 5 mehr habe“ und die Klausur zum 2. Termin schreibe. Dieses Vorbringen ist - unabhängig von der Frage seiner rechtlichen Erheblichkeit - nicht geeignet, die Angaben der Zeugen ernsthaft in Frage zu stellen. So hat die Zeugin ... auf Vorhalt ihrer Stellungnahme vom Juli 2099 explizit angegeben, die Worte des Klägers „habe ich halt eine 5 mehr“ gehört zu haben. Der Zeuge ... hat erklärt, der Kläger habe im Gespräch mit ihm geäußert, dass er mit den Konsequenzen jetzt leben müsse; auch hat er sich - im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Inhalt des unmittelbar nach dem Vorfall gefertigten Vermerks - daran erinnert, dass der Kläger zum Ausdruck gebracht habe, dass es „nicht einfach sei, jemanden zu finden, der die Aufgabe übernehmen könne und ihm ähnlich sehe“. Die Kammer hält die Bekundungen der Zeugen für glaubhaft. Obwohl der Vorfall bereits längere Zeit zurückliegt, waren ihre Angaben sehr detailliert. Auch waren Belastungstendenzen nicht erkennbar und die Kammer hatte den Eindruck, dass sich beide Zeugen ernsthaft bemühten, lediglich das wiederzugeben, was ihnen noch konkret erinnerlich war.
41 
Vor diesem Hintergrund hat die Kammer keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger die Absicht hatte, durch das Einschleusen eines Unbekannten in die Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II die für die Prüfung Verantwortlichen über seine eigene Klausurteilnahme zu täuschen und sich damit unter Verstoß gegen die Regeln des Prüfungsverfahrens gegenüber den anderen Prüflingen nicht leistungsbedingte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Er hat auch bereits die wesentlichen Schritte unternommen, um diese Täuschungsabsicht umzusetzen.
42 
Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat sich indes nicht eindeutig klären lassen, wie es dazu kam, dass sich eine vom Kläger geschriebene Klausur im Prüfungsraum befand (eine der sichergestellten Klausuren befand sich am Sitzplatz des Unbekannten, die andere in der dort zurückgelassenen schwarzen Tasche), und welche Klausur letztlich hätte abgegeben werden sollen (vgl. die Verfügung der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010, S. 119 der Akte des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg). Deshalb lässt sich nicht feststellen, ob es das Ziel des Klägers war, den Unbekannten auch dazu anzustiften, die Klausur für ihn anzufertigen und in seinem Namen abzugeben. Auf der Grundlage der beigezogenen Akten und Unterlagen geht die Kammer aber davon aus, dass es dem Kläger darum ging, sich die Prüfungsunterlagen von dem Unbekannten übergeben zu lassen, die Klausur dann außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen. Dies wird dadurch nahegelegt, dass eine vom Kläger geschriebene Klausur im Bereich des Sitzplatzes des Unbekannten sichergestellt wurde. Zudem hat der Unbekannte nach den konkreten Bekundungen der Aufsichtführenden ... während der Prüfung unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen, Kontakt mit dem außerhalb des Prüfungsraums wartenden Kläger aufgenommen (vgl. die Vernehmungsniederschrift vom 15.03.2010, S. 87 der Akte des Ermittlungsverfahrens). Schließlich spricht für diesen Geschehensablauf die große Zahl der Klausurteilnehmer wie die Tatsache, dass bei der Klausur im Aufsichtsprotokoll nicht vermerkt wurde, wer und wann ein Prüfling den Raum verlassen hat. Bei dieser Sachlage ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger beabsichtigte, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und sie anschließend mit Hilfe des Unbekannten abgeben zu lassen.
43 
Zu Recht hat die Beklagte einen „schwerwiegenden Fall“ im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 5 PO angenommen. Nach der Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Verhalten des Klägers um den Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) in einem außergewöhnlich schweren Fall. Die am Maßstab der Beeinträchtigung der Chancengleichheit zu ermittelnde Schwere des Täuschungsversuchs ergibt sich hier insbesondere aus dem vom Kläger geplanten und organisierten Zusammenwirken mehrerer Personen (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) sowie der bei ihm zu Tage getretenen erheblichen kriminellen Energie: Um sich gegenüber den anderen Prüflingen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, hat er sich nicht nur wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung (Beauftragung einer unbekannten Person, für ihn an der Klausur teilzunehmen, sich mit seinem Führerschein auszuweisen und in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben) strafbar gemacht (§§ 267, 281, 26, 52 StGB). Er ist vielmehr, um die Aufdeckung bzw. Aufklärung des Täuschungsmanövers zu vereiteln oder zu erschweren, nicht davor zurückgeschreckt, einen Mitarbeiter der Verwaltung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät unter Anwendung körperlicher Gewalt daran zu hindern, dem unbekannten Prüfungsteilnehmer zu folgen (vgl. den Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010). Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des Klägers auf einer Skala sanktionswürdiger Täuschungshandlungen im obersten Bereich anzusiedeln.
44 
Anhaltspunkte für Ermessensfehler des Prüfungsausschusses sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO).
45 
Ausweislich des dem Widerspruchsbescheid zugrunde liegenden Beschlusses des Prüfungsausschusses für den Studiengang Volkswirtschaftslehre vom 27.10.2009 hat der Prüfungsausschuss festgestellt, dass es sich bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall um einen „besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs“ gemäß § 11 PO handelt. Da der Tatbestand der Sanktionsnorm lediglich einen „schwerwiegenden Fall voraussetzt, wird daran deutlich, dass der Prüfungsausschuss sich bei seiner Entscheidung – in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - maßgeblich hat davon leiten lassen, dass dem klägerischen Verhalten selbst innerhalb der Gruppe schwerwiegender Fälle von Täuschungshandlungen Ausnahmecharakter zukommt. Vor diesem Hintergrund durfte der Prüfungsausschuss davon ausgehen, dass die vorzunehmende Interessenabwägung - auch mit Blick auf die besondere Bedeutung des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes der Chancengleichheit - vorgezeichnet und eine besondere Begründung nicht mehr erforderlich ist (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG).
46 
Der Einwand, die Beklagte sei von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen, verfängt nicht. Zunächst sind weder den angegriffenen Bescheiden noch den zugrunde liegenden Entscheidungen des Prüfungsausschusses greifbare Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte einen Fall des wiederholten Täuschungsversuchs angenommen hat. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, der Prüfungsausschuss habe seiner Entscheidung nur den hier vorliegenden Sachverhalt zugrunde gelegt, diesen aber für so schwerwiegend gehalten, dass er die ausgesprochene Rechtsfolge rechtfertige. Dass die Äußerungen, die dem Kläger von den Zeugen ... und ... in deren Vermerken zugeschrieben werden, jedenfalls im Wesentlichen so gefallen sind, hat die Beweisaufnahme vor der erkennenden Kammer ergeben. Der Umstand, dass die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheides offenbar davon ausgegangen ist, dass der Kläger den Unbekannten beauftragt hat, in seinem Namen die Klausur Wirtschaftpolitik II anzufertigen und abzugeben, begründet ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung der Beklagten. Denn auch wenn nach jetzigem Erkenntnisstand anzunehmen ist, dass der Kläger plante, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen, ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass sich die darin liegende Abweichung im Geschehensablauf in erheblicher Weise auf das Gewicht des Täuschungsversuchs und damit auf das Ergebnis der Ermessensentscheidung ausgewirkt haben könnte. Im Übrigen handelt es sich bei den Einzelheiten des Täuschungsversuchs um Umstände, die der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind und über die - bereits im Verwaltungsverfahren - er am besten Auskunft hätte geben können. Da er indes in keiner Weise zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat, kann es keinen Ermessensfehler begründen, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht den tatsächlichen Ablauf berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1985 - BVerwG 1 B 51.85 -, InfAuslR 1985, 199).
47 
Trotz der Folgen, die mit dem Ausschluss des Klägers von weiteren Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre für diesen verbunden sind, stehen die angegriffenen Bescheide im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
48 
Das öffentliche Interesse an einer harten Ahndung des Täuschungsversuchs überwiegt im vorliegenden Einzelfall die privaten Interessen des Klägers und lässt den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Klägers gerechtfertigt erscheinen. Gemessen am Grad der Beeinträchtigung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer stellt sich das Verhalten des Klägers - wie oben dargelegt - als Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver in einem außergewöhnlich schweren Fall dar. Ein solches Verhalten, bei dem der Prüfling, um sich nicht leistungsbedingte Vorteile zu verschaffen, sogar vor der Begehung von Straftaten nicht zurückschreckt, stellt den Wettbewerbscharakter der Prüfung massiv in Frage. Deshalb kann die Prüfungsbehörde bei der Entscheidung über die angemessene Reaktion auf den Täuschungsversuch hier - neben dem Aspekt der Sanktionierung des klägerischen Verstoßes gegen die Prüfungsordnung - dem Gesichtspunkt, dass die durch den Täuschungsversuch in Frage gestellte, verfassungsrechtlich verankerte Chancengleichheit eine auch für andere erkennbare Abschreckung gebieten kann, maßgebliche Bedeutung beimessen. Vor diesem Hintergrund kann in dem Ausschluss des Klägers von der Prüfung auch mit Blick auf dessen grundrechtlich geschützte Interessen aus Art. 12 Abs. 1 GG keine unverhältnismäßige Reaktion gesehen werden.
49 
Im Übrigen führt die ausgesprochene Sanktion entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht dazu, dass dem Kläger der Zugang zu dem von ihm angestrebten Beruf endgültig versperrt wird. Die Maßnahme beschränkt sich zunächst auf den Ausschluss vom weiteren Studium im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO sowie §§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Wie sich aus § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG ergibt, ist dem Kläger auch die Zulassung zu dem gleichen Studiengang an einer anderen Hochschule in Baden-Württemberg zu versagen. Es ist indes weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger sein Diplom-Studium nicht als Ortswechsler an einer Universität in einem anderen Bundesland fortsetzen könnte.
50 
Außerdem beschränkt sich der Ausschluss vom Studium in einem Studiengang mit im Wesentlichen gleichen Inhalt, insbesondere einem vergleichbaren Bachelor- bzw. Masterstudiengang, auf die Universitäten, die - wie die Beklagte (vgl. etwa § 12 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang „Politische Ökonomik“ vom 07.08.2006; § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Master-Studiengang Economics vom 27.03.2009) - in ihren Prüfungsordnungen entsprechende Zulassungsbeschränkungen normiert haben (vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbs. LHG). Insoweit hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass dies nicht für alle anderen Universitäten in Baden-Württemberg oder gar in der gesamten Bundesrepublik gilt. Dem entspricht es, dass die Universität Frankfurt auf Anfrage des Klägers mitgeteilt hat, dass er dort ein Bachelor-Studium aufnehmen könnte. Dass dort - wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - lediglich Studienzeiten von maximal zwei Semestern angerechnet würden, ist nicht auf die von der Beklagten ausgesprochene Sanktion zurückzuführen. Maßgeblich hierfür ist vielmehr, inwieweit der Kläger aufgrund der von ihm bisher erbrachten Studienleistungen über die für einen bestimmten Studiengang geforderten Zugangsvoraussetzungen verfügt. Dies ist indes allein seiner (Risiko-) Sphäre zuzurechnen.
51 
Schließlich erweist sich die ausgesprochene Sanktion auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sich der Täuschungsversuch (lediglich) auf eine studienbegleitende Prüfungsleistung bezog. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier maßgeblichen studienbegleitenden Prüfungsleistungen (vgl. §§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 1 PO) um vorgezogene Abschlussklausuren handelt, die es den Studierenden ermöglichen, unmittelbar nach den entsprechenden Lehrveranstaltungen ihr Wissen zeitlich gestaffelt darzubieten, dass diese aber bereits Bestandteile der Abschlussprüfung sind und ihren entsprechenden Niederschlag in der Abschlussnote finden (vgl. Haug , Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 646). Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung des Klägervertreters, einem Täuschungsversuch bei einer studienbegleitenden Prüfungsleistung komme erheblich geringeres Gewicht zu als einem Täuschungsversuch in einer Abschlussprüfung, nicht gefolgt werden.
52 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 18.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2004) auf EUR 15.000,- festgesetzt.
55 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
18 
Die als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, Alt. 1 VwGO) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet. Die dem Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 12.08.2009 mitgeteilte Entscheidung des Prüfungsausschusses für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre und der Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
19 
Der von der Beklagten ausgesprochene Ausschluss des Klägers von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre findet seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (im Folgenden: PO) vom 22.04.1999 i.d.F. der letzten Änderung vom 27.09.2004 (Mitteilungsblatt des Rektors vom 29.09.2004, S. 523). Danach wird eine Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Prüfling versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO); in schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen (§ 11 Abs. 4 Satz 5 PO).
20 
Die Gültigkeit der satzungsrechtlichen Regelung begegnet keinen Bedenken (zur Prüfungskompetenz der Kammer vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 4 Rn. 53 f.).
21 
Entgegen der Auffassung des Klägervertreters findet die Sanktionsregelung des Ausschlusses von weiteren Prüfungsleistungen in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg vom 01.01.2005 (GBl. S. 1 - LHG -) - nunmehr in der Fassung des 2. Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich vom 3.12.2008 (GBl. S. 435) - eine ausreichende formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Danach werden Hochschulprüfungen auf der Grundlage von Prüfungsordnungen abgelegt, welche Regelungen zu den in § 36 Satz 2 LHG genannten Gegenständen enthalten. Nach der Nr. 1 dieser Bestimmung sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“.
22 
Die in § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG getroffene Vorgabe, es den Prüfungsordnungen zu überlassen, die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften zu regeln, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes.
23 
Bestimmungen des Prüfungsrechts, die mit den darin angeordneten Rechtsfolgen die Berufswahl und die spätere Berufsausübung berühren, unterstehen dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, der eine Regelung durch Gesetz oder durch eine auf hinreichender gesetzlicher Grundlage beruhende untergesetzliche Rechtsnorm verlangt (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07.07.1980, DÖV 1981, 584 m.w.N.). Hierbei verpflichten das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip den parlamentarischen Gesetzgeber allerdings, auch im Prüfungsrecht die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 58, 257, 275; 80, 1, 21 f.; 84, 34, 59; BVerwGE 56, 155; 57, 130; 65, 323, 326; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 -, Juris; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl., Rn. 33 ff.). Insoweit sind indes an die - im vorliegenden Fall einschlägige und vom Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erfasste - gesetzliche Ermächtigung zum Erlass den Berufszugang beschränkendersatzungsrechtlicher Normen der Universitäten keinesfalls höhere Anforderungen zu stellen als an die Bestimmtheit einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass staatlicher Rechtsverordnungen (vgl. Waldeyer, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Ordner 1, § 16 HRG Rn. 22; Maurer, a.a.O., § 4 Rn. 22 ff.).
24 
Nach Auffassung der Kammer ist diesen Maßstäben Genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der untergesetzlichen Norm mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfGE 80, 1, 20 f. zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.). Dabei spricht für die Befugnis des parlamentarischen Gesetzgebers, im Prüfungsrecht genauere Festlegungen untergesetzlichen Normen zu überlassen, dass dieses Rechtsgebiet in erheblichem Umfang durch verfassungsrechtliche Maßstäbe, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG, den aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vorprogrammiert ist (vgl. BVerfGE 80, 1, 21 f.; BVerwGE 65, 323, 326; BayVGH, Urt. v. 19.03.2004, a.a.O.; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
25 
Hiernach wird die Ermächtigungsvorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht.
26 
Die Kammer verkennt nicht, dass die satzungsrechtliche Normierung der Möglichkeit, einen Prüfling wegen eines schwerwiegenden Täuschungsversuchs von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen in seinem Studiengang auszuschließen, jedenfalls in den Fällen, in denen das Bestehen der Prüfung von weiteren Prüfungsleistungen abhängt, zur Folge hat, dass der Prüfling den angestrebten Abschluss in diesem Studiengang nicht mehr erreichen kann (dazu noch unten). Dies stellt eine einschneidende Beeinträchtigung seines Grundrechts auf Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) dar. Gleichwohl beruht dieser Eingriff auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung.
27 
Hintergrund der Regelung ist die Überlegung, dass aufgrund des Gebotes, die Prüfungsleistung persönlich zu erbringen, und des Zweckes der Prüfung, die wahre Leistungsfähigkeit des Prüflings zu ermitteln, vorgetäuschte oder sonst erschlichene Leistungen als Grundlage eines Prüfungserfolges ausgeschlossen und insbesondere in schweren Fällen - unter Berücksichtigung des Gebots der Chancengleichheit und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - sanktioniert werden müssen (vgl. dazu Niehues, a.a.O., Rn. 447, 457 ff.).
28 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG sollen die Prüfungsordnungen u.a. Regelungen enthalten über die „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“. Dies schließt nach Auffassung der Kammer auch die Möglichkeit ein, in der Prüfungsordnung bei schwerwiegenden Täuschungshandlungen den Ausschluss von weiteren Prüfungsmöglichkeiten vorzusehen. Denn der Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen stellt lediglich eine Ausprägung des Wettbewerbscharakters der Prüfung und des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüflinge dar. Beides hatte der Satzungsgeber als wesentliches Merkmal des Prüfungsverfahrens bei dessen Ausgestaltung zu beachten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976 - VII B 157.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 78; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.). Der Wettbewerbscharakter von Prüfungen wie der strikt zu wahrende Grundsatz der Chancengleichheit aller Prüflinge kann es jedenfalls in schwerwiegenden Fällen der Täuschung geboten erscheinen lassen, diejenigen Prüflinge, die sich zu ihrem eigenen Vorteil nicht an die für alle Teilnehmer am Wettbewerb gleichermaßen geltenden und gleichermaßen bekannten Regeln halten, vom Wettbewerb - also von weiteren Prüfungsmöglichkeiten - auszuschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.; BayVGH, Urt. vom 19.03.2004, a.a.O.; vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2009 - 15 K 5332/07 -, juris; Waldeyer, a.a.O., § 16 HRG Rn. 22).
29 
Im Übrigen gehörte die satzungsrechtliche Vorschrift über den Ausschluss von Prüfungsleistungen zu dem Normenbestand, den der baden-württembergische Gesetzgeber bei Schaffung der am 06.01.2005 in Kraft getretenen Ermächtigungsgrundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG vorfand. Denn die Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät sah bereits in ihrer Fassung vom 01.04.1999 in § 11 Abs. 3 Satz 3 in schwerwiegenden Fällen des Täuschungsversuchs die Sanktion des Ausschlusses von Prüfungsleistungen vor (vgl. auch entsprechende Regelungen in anderen Prüfungsordnungen, z.B. § 8 Abs. 4 Satz 3 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Psychologie vom 20.03.2002, Mitteilungsblatt des Rektors vom 28.03.2002, S. 121). Ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung sollen in der optionalen Verordnungsermächtigung des § 36 LHG, auf die in § 34 LHG Bezug genommen wird, die bisherigen Ermächtigungstatbestände in den §§ 51 Abs. 8 und 53 Abs. 1 Satz 2 UG zusammengefasst und diese um diejenigen rechtlichen Tatbestände ergänzt werden, „die im Lichte der Art. 3 und 12 Grundgesetz für rechtlich geordnete Prüfungsverfahren einschließlich organisationsrechtlicher Vorgaben sowie zur Wahrung der Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit von Hochschulprüfungen notwendig sind …“ (vgl. LT-Drucks. 13/3640, S. 210, zu § 36 LHG). Auch dies spricht dafür, dass mit dem in § 36 Satz 2 Nr. 1 LHG aufgeführten Regelungsgegenstand der „Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“ die bei Normerlass existierenden, vom Grundsatz der Chancengleichheit geprägten Sanktionsregelungen weiterhin von der Ermächtigung erfasst sein sollten.
30 
Nach allem beruht die Sanktionsregelung auf einer auch im Hinblick auf den darin liegenden Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend bestimmten formell-gesetzlichen Ermächtigung.
31 
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seiner vom Klägervertreter in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.09.1995 (- 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654) zwar angenommen hat, dass eine verordnungsrechtliche Regelung über den Ausschluss von der Prüfung wegen Fehlens der erforderlichen parlamentarischen Ermächtigung in einem formellem Gesetz mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sei, dass aber gleichwohl bis zum Vorliegen der erforderlichen parlamentarischen Leitentscheidung Täuschungsversuche bei Prüfungen geahndet und gerichtlich kontrolliert werden müssen (vgl. zur Problematik der Konsequenzen einer unmittelbaren Umsetzung der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Prinzips vom Vorbehalt des Gesetzes auch Niehues, a.a.O., Rn. 48 ff., 69 ff. m.w.N.). Deshalb seien die Gerichte gehalten, zur Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes vom vorhandenen Normenmaterial ausgehend Maßstäbe zu entwickeln, die einerseits dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers Rechnung tragen, andererseits an der Grundentscheidung in Art. 12 Abs. 1 GG zugunsten der Berufswahlfreiheit orientiert sind und insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Einschränkung dieses Grundrechts berücksichtigen, um eine verfassungskonforme Anwendung der Sanktionen im Rahmen einer Prüfung sicherzustellen (vgl. Urt. v. 27.09.1995, a.a.O.). Da die hier maßgebliche Regelung des § 11 Abs. 4 PO im Unterschied zu der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde lag, ein Sanktionsprogramm vorsieht, das unterschiedlich schweren Verstößen unterschiedliche Sanktionsstufen zuordnet (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PO: bei einfachen Täuschungshandlungen Bewertung der Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0); § 11 Abs. 4 Satz 5 PO: in schwerwiegenden Fällen Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen), könnte diese Regelung selbst bei Annahme einer Ungültigkeit wegen Fehlens einer parlamentarischen Ermächtigungsgrundlage auf der Basis der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs für eine Übergangszeit und daher auch im vorliegenden Fall der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden.
32 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionierung von "schwerwiegenden" Täuschungsversuchen steht auch im Einklang mit dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit der Klägervertreter meint, dass sich die Sanktion des (vollständigen) Verlusts des Prüfungsanspruchs der Vorschrift nicht klar entnehmen lasse, kann dem nicht gefolgt werden.
33 
Die von der Beklagten beschlossene Sanktion, den Kläger von "weiteren" Prüfungsleistungen auszuschließen, erfasst tatsächlich alle diejenigen Prüfungsleistungen, die zeitlich nach dem Täuschungsversuch erbracht worden sind oder zu erbringen waren. Dies ergibt sich nicht nur aus der Wortwahl - das Wort "weitere" bezieht sich insofern unmissverständlich als Anknüpfungspunkt auf diejenige Prüfungsleistung, bei der eine Täuschung versucht worden ist -, sondern auch aus dem Zweck der Regelung, die den schweren Täuschungsversuch auch aus Gründen der Generalprävention dahingehend sanktionieren will, dass der Studierende ab diesem Zeitpunkt sein Recht verwirkt hat, noch weitere Prüfungsleistungen in seinem bisherigen Studiengang ablegen zu dürfen.
34 
Für diese Auslegung spricht in systematischer Hinsicht im Übrigen die der Bestimmung des § 11 Abs. 4 PO zugrunde liegende Stufung der Sanktionen: Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 PO werden „einfache“ Fälle der Täuschungshandlung damit geahndet, dass die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet wird. In diesen Fällen kann im Rahmen der Diplomprüfung eine schriftliche Abschlussprüfung jedenfalls einmal (vgl. § 22 Abs. 2 PO), unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PO zweimal wiederholt werden. Wenn dann in Satz 5 der Bestimmung der Prüfungsausschuss in „schwerwiegenden Fällen“ den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen kann (Unterstreichung nur hier), bedeutet dies zwangsläufig auch den Ausschluss von durch die Prüfungsordnung eingeräumten Wiederholungsmöglichkeiten und damit in den Fällen, in denen die Prüfungsleistung nach der Prüfungsordnung Bestehensvoraussetzung ist, auch das endgültige Nichtbestehen der Prüfung (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO) sowie das Erlöschen der Zulassung zu dem Studiengang (§§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Schließlich stellt sich auch der Begriff des "schwerwiegenden" Täuschungsversuchs als hinreichend präzise dar. Mit Blick darauf, dass Maßstab für die Beurteilung des Gewichts des Täuschungsversuchs der Grad der Beeinträchtigung der Chancengleichheit ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O.; Niehues, a.a.O., Rn. 457 ff.), und vor dem Hintergrund der in Rechtsprechung und Schrifttum erörterten Kasuistik (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 448 ff.), kann die Bestimmung mit herkömmlichen juristischen Methoden ausgelegt werden. Damit genügt sie dem rechtsstaatlichen Erfordernis hinreichender Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 103, 21, 33); die Konkretisierung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist im Übrigen Aufgabe der Verwaltungsbehörden und der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 87, 234, 263 f.).
35 
Die in § 11 Abs. 4 Satz 5 i.V.m. Satz 1 PO vorgesehene Sanktionsmöglichkeit verstößt auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 07.12.1976 (a.a.O.) ausgeführt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Ausschluss von einer Prüfung nicht schlechthin verbietet. Der Prüfungsausschluss ist nicht zuletzt auch im Hinblick auf die darin liegende generalpräventive Wirkung ein geeignetes Mittel, um Beeinträchtigungen der Chancengleichheit durch Täuschungsversuche zu begegnen. Bei der großen Bedeutung, die dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht zukommt, kann der schwerwiegende Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit, der vor allem in der mit einem Prüfungsausschluss verbundenen Folge des Nichtbestehens der (gesamten) Prüfung liegt, grundsätzlich nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn er auf schwere Fälle von Täuschungsversuchen beschränkt ist (vgl. Beschl. v. 07.12.1976, a.a.O., und v. 12.01.1981 - 7 B 300. u. 301.80 -). Ausgehend hiervon ist auch die hier maßgebliche Bestimmung, die ebenfalls die Sanktion des Ausschlusses von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen - als "ultima ratio" - auf die "schwerwiegenden" Fälle des Täuschungsversuchs beschränkt, nicht zu beanstanden.
36 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 S. 5 i.V.m. S. 1 PO sind hier erfüllt. Der Kläger hat versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung bzw. Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen.
37 
Täuschung im Sinne des Prüfungsrechts und auch dieser Vorschrift ist die Vorspiegelung einer eigenständigen und regulär erbrachten Prüfungsleistung, um bei dem Prüfer über die ihr zugrunde liegenden Kenntnisse und Fähigkeiten einen Irrtum zu erregen. Die Sanktionen bei Täuschungen knüpfen an die Tatsache an, dass zu einer ordnungsgemäßen Prüfungsleistung die eigenständige, nur mit den zugelassenen Hilfsmitteln erfolgte Bearbeitung der Prüfungsaufgabe gehört. Eine Täuschung bzw. ein Täuschungsversuch läuft sowohl dem Prüfungszweck, das Leistungsvermögen der Prüfungsteilnehmer unverfälscht, d. h. im Rahmen der Prüfungsbedingungen festzustellen, als auch dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit zuwider (Niehues, a.a.O., Rdnrn. 447, 448 m. w. N.). Die Beurteilung, ob ein Täuschungsversuch anzunehmen ist, unterliegt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (OVG Nordrh.-Westf., Urt. v. 30.08.1985 - 15 A 706/82 -, NVwZ 1986, 851).
38 
Die Kammer geht im Einzelnen von folgendem Sachverhalt aus:
39 
Der Kläger hatte sich für die in seinem Studiengang angesetzte Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II angemeldet, aber eine andere, bislang unbekannt gebliebene Person gebeten, sich am Vormittag des 16.07.2009 in den Großen Hörsaal der Chemie, Gebäude ..., N. Feld, zu begeben, unter seinem Namen an der Klausur teilzunehmen, in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben und sich mit seinem Führerschein auszuweisen. Damit sollten die Aufsichtführenden und die Verantwortlichen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät über die Klausurteilnahme des Klägers getäuscht werden. Der Unbekannte entsprach der Bitte: Er nahm an der genannten Klausur teil, wies sich gegenüber der Klausuraufsicht mit dem Führerschein des Klägers aus und unterschrieb in der Teilnehmerliste mit dessen Namen. Der Kläger selbst befand sich während des Klausurtermins nicht im Prüfungsraum. Nachdem der Aufsichtführende ... der weiteren Aufsichtführenden ... mitgeteilt hatte, dass er mit Blick auf das vorgelegte Lichtbild den Verdacht hege, dass es sich bei der Person nicht um den zur Prüfung angemeldeten Kläger handelt, nahm diese den Führerschein und den Studentenausweis an sich. In der Folge verließ der Unbekannte den Hörsaal, um die Toilette aufzusuchen. Als die Aufsichtführende ... nach ihm schaute, stellte sie fest, dass er sich an der Eingangstüre des Gebäudes mit einem jungen Mann unterhielt, bei dem es sich - wie sie später feststellen konnte - um den Kläger handelte. Der Anweisung der Aufsichtführenden, in den Hörsaal zurückzukehren, kam der Unbekannte kommentarlos nach. Nachdem das Prüfungsamt des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften über den Sachverhalt informiert worden war, begab sich die Zeugin ..., eine Mitarbeiterin des Instituts, die den Kläger persönlich kannte - in Begleitung ihres Kollegen, des Zeugen ... - zum Hörsaal. Dort angekommen erkannte Frau ..., dass es sich bei der verdächtigen Person nicht um den Kläger handelte. Ein daraufhin von dieser unternommener Versuch zu fliehen blieb erfolglos. Sodann wurde der Unbekannte aus dem Hörsaal begleitet und befragt. Da er sich weigerte, seinen Namen zu nennen, und er keine Ausweispapiere bei sich hatte, verständigte Frau ... telefonisch die Polizei, deren Eintreffen sich allerdings verzögerte. Der Zeuge ... begleitete den unbekannten Prüfling zur Glasfront im Bereich des Ausgangs des Hörsaalgebäudes. Dort trafen sie auf den Kläger und eine weitere Person. Der Kläger sprach mit dem Unbekannten in einer nicht deutschen Sprache. Es fiel ein Wort, daraufhin rannten der Unbekannte und die weitere Person aus dem Gebäude. Der Zeuge ..., der dem Unbekannten folgen wollte, wurde vom Kläger festgehalten. Der Zeuge ... wollte sich losreißen und versuchte, am Kläger vorbei zu kommen, Dieser hinderte ihn jedoch daran, indem er ihn drei bis vier Sekunden gegen die Glaswand drückte, so dass der Unbekannte und die dritte Person vor Eintreffen der Polizei flüchten konnten.
40 
Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen (unter Einschluss der beigezogenen Akten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg - 24 Js 17145/09 -) sowie der im Kern übereinstimmenden, glaubhaften Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen ... und .... Der Kläger hat sich bislang nicht substantiiert zum Sachverhalt geäußert und ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. In seiner Widerspruchsbegründung führt er lediglich pauschal aus, dass der Tatbestand, wie er im Bescheid aufgeführt ist, „nicht stimmt“. Im Klageverfahren hat er sich auf den schriftsätzlichen Vortrag beschränkt, von Anfang an beabsichtigt zu haben, eine von ihm selbst gefertigte Klausurlösung abzugeben, und den Mitarbeitern des A.-W.-Instituts für Wirtschaftswissenschaften gegenüber nicht geäußert zu haben, dass es nicht einfach gewesen sei, jemanden zu finden, der ihm ähnlich sehe, und dass er dann „halt eine 5 mehr habe“ und die Klausur zum 2. Termin schreibe. Dieses Vorbringen ist - unabhängig von der Frage seiner rechtlichen Erheblichkeit - nicht geeignet, die Angaben der Zeugen ernsthaft in Frage zu stellen. So hat die Zeugin ... auf Vorhalt ihrer Stellungnahme vom Juli 2099 explizit angegeben, die Worte des Klägers „habe ich halt eine 5 mehr“ gehört zu haben. Der Zeuge ... hat erklärt, der Kläger habe im Gespräch mit ihm geäußert, dass er mit den Konsequenzen jetzt leben müsse; auch hat er sich - im Wesentlichen übereinstimmend mit dem Inhalt des unmittelbar nach dem Vorfall gefertigten Vermerks - daran erinnert, dass der Kläger zum Ausdruck gebracht habe, dass es „nicht einfach sei, jemanden zu finden, der die Aufgabe übernehmen könne und ihm ähnlich sehe“. Die Kammer hält die Bekundungen der Zeugen für glaubhaft. Obwohl der Vorfall bereits längere Zeit zurückliegt, waren ihre Angaben sehr detailliert. Auch waren Belastungstendenzen nicht erkennbar und die Kammer hatte den Eindruck, dass sich beide Zeugen ernsthaft bemühten, lediglich das wiederzugeben, was ihnen noch konkret erinnerlich war.
41 
Vor diesem Hintergrund hat die Kammer keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger die Absicht hatte, durch das Einschleusen eines Unbekannten in die Klausur im Fach Wirtschaftspolitik II die für die Prüfung Verantwortlichen über seine eigene Klausurteilnahme zu täuschen und sich damit unter Verstoß gegen die Regeln des Prüfungsverfahrens gegenüber den anderen Prüflingen nicht leistungsbedingte Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Er hat auch bereits die wesentlichen Schritte unternommen, um diese Täuschungsabsicht umzusetzen.
42 
Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat sich indes nicht eindeutig klären lassen, wie es dazu kam, dass sich eine vom Kläger geschriebene Klausur im Prüfungsraum befand (eine der sichergestellten Klausuren befand sich am Sitzplatz des Unbekannten, die andere in der dort zurückgelassenen schwarzen Tasche), und welche Klausur letztlich hätte abgegeben werden sollen (vgl. die Verfügung der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010, S. 119 der Akte des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Heidelberg). Deshalb lässt sich nicht feststellen, ob es das Ziel des Klägers war, den Unbekannten auch dazu anzustiften, die Klausur für ihn anzufertigen und in seinem Namen abzugeben. Auf der Grundlage der beigezogenen Akten und Unterlagen geht die Kammer aber davon aus, dass es dem Kläger darum ging, sich die Prüfungsunterlagen von dem Unbekannten übergeben zu lassen, die Klausur dann außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen. Dies wird dadurch nahegelegt, dass eine vom Kläger geschriebene Klausur im Bereich des Sitzplatzes des Unbekannten sichergestellt wurde. Zudem hat der Unbekannte nach den konkreten Bekundungen der Aufsichtführenden ... während der Prüfung unter dem Vorwand, die Toilette aufsuchen zu müssen, Kontakt mit dem außerhalb des Prüfungsraums wartenden Kläger aufgenommen (vgl. die Vernehmungsniederschrift vom 15.03.2010, S. 87 der Akte des Ermittlungsverfahrens). Schließlich spricht für diesen Geschehensablauf die große Zahl der Klausurteilnehmer wie die Tatsache, dass bei der Klausur im Aufsichtsprotokoll nicht vermerkt wurde, wer und wann ein Prüfling den Raum verlassen hat. Bei dieser Sachlage ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger beabsichtigte, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und sie anschließend mit Hilfe des Unbekannten abgeben zu lassen.
43 
Zu Recht hat die Beklagte einen „schwerwiegenden Fall“ im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 5 PO angenommen. Nach der Auffassung der Kammer handelt es sich bei dem Verhalten des Klägers um den Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) in einem außergewöhnlich schweren Fall. Die am Maßstab der Beeinträchtigung der Chancengleichheit zu ermittelnde Schwere des Täuschungsversuchs ergibt sich hier insbesondere aus dem vom Kläger geplanten und organisierten Zusammenwirken mehrerer Personen (vgl. Niehues, a.a.O., Rn. 459) sowie der bei ihm zu Tage getretenen erheblichen kriminellen Energie: Um sich gegenüber den anderen Prüflingen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, hat er sich nicht nur wegen Missbrauchs von Ausweispapieren in Tateinheit mit Anstiftung zur Urkundenfälschung (Beauftragung einer unbekannten Person, für ihn an der Klausur teilzunehmen, sich mit seinem Führerschein auszuweisen und in der Teilnehmerliste mit seinem Namen zu unterschreiben) strafbar gemacht (§§ 267, 281, 26, 52 StGB). Er ist vielmehr, um die Aufdeckung bzw. Aufklärung des Täuschungsmanövers zu vereiteln oder zu erschweren, nicht davor zurückgeschreckt, einen Mitarbeiter der Verwaltung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät unter Anwendung körperlicher Gewalt daran zu hindern, dem unbekannten Prüfungsteilnehmer zu folgen (vgl. den Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg vom 09.06.2010). Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten des Klägers auf einer Skala sanktionswürdiger Täuschungshandlungen im obersten Bereich anzusiedeln.
44 
Anhaltspunkte für Ermessensfehler des Prüfungsausschusses sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO).
45 
Ausweislich des dem Widerspruchsbescheid zugrunde liegenden Beschlusses des Prüfungsausschusses für den Studiengang Volkswirtschaftslehre vom 27.10.2009 hat der Prüfungsausschuss festgestellt, dass es sich bei dem vom Kläger zu verantwortenden Vorfall um einen „besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs“ gemäß § 11 PO handelt. Da der Tatbestand der Sanktionsnorm lediglich einen „schwerwiegenden Fall voraussetzt, wird daran deutlich, dass der Prüfungsausschuss sich bei seiner Entscheidung – in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - maßgeblich hat davon leiten lassen, dass dem klägerischen Verhalten selbst innerhalb der Gruppe schwerwiegender Fälle von Täuschungshandlungen Ausnahmecharakter zukommt. Vor diesem Hintergrund durfte der Prüfungsausschuss davon ausgehen, dass die vorzunehmende Interessenabwägung - auch mit Blick auf die besondere Bedeutung des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes der Chancengleichheit - vorgezeichnet und eine besondere Begründung nicht mehr erforderlich ist (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG).
46 
Der Einwand, die Beklagte sei von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen, verfängt nicht. Zunächst sind weder den angegriffenen Bescheiden noch den zugrunde liegenden Entscheidungen des Prüfungsausschusses greifbare Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte einen Fall des wiederholten Täuschungsversuchs angenommen hat. Insoweit hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, der Prüfungsausschuss habe seiner Entscheidung nur den hier vorliegenden Sachverhalt zugrunde gelegt, diesen aber für so schwerwiegend gehalten, dass er die ausgesprochene Rechtsfolge rechtfertige. Dass die Äußerungen, die dem Kläger von den Zeugen ... und ... in deren Vermerken zugeschrieben werden, jedenfalls im Wesentlichen so gefallen sind, hat die Beweisaufnahme vor der erkennenden Kammer ergeben. Der Umstand, dass die Beklagte ausweislich des Widerspruchsbescheides offenbar davon ausgegangen ist, dass der Kläger den Unbekannten beauftragt hat, in seinem Namen die Klausur Wirtschaftpolitik II anzufertigen und abzugeben, begründet ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung der Beklagten. Denn auch wenn nach jetzigem Erkenntnisstand anzunehmen ist, dass der Kläger plante, die Klausur außerhalb des Prüfungsraums unter Verwendung nicht zugelassener Hilfsmittel selbst anzufertigen und anschließend von dem unbekannten „Klausurteilnehmer“ abholen und im Prüfungsraum als ordnungsgemäß erstellte Prüfungsleistung abgeben zu lassen, ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass sich die darin liegende Abweichung im Geschehensablauf in erheblicher Weise auf das Gewicht des Täuschungsversuchs und damit auf das Ergebnis der Ermessensentscheidung ausgewirkt haben könnte. Im Übrigen handelt es sich bei den Einzelheiten des Täuschungsversuchs um Umstände, die der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind und über die - bereits im Verwaltungsverfahren - er am besten Auskunft hätte geben können. Da er indes in keiner Weise zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat, kann es keinen Ermessensfehler begründen, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht den tatsächlichen Ablauf berücksichtigt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1985 - BVerwG 1 B 51.85 -, InfAuslR 1985, 199).
47 
Trotz der Folgen, die mit dem Ausschluss des Klägers von weiteren Prüfungsleistungen im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre für diesen verbunden sind, stehen die angegriffenen Bescheide im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
48 
Das öffentliche Interesse an einer harten Ahndung des Täuschungsversuchs überwiegt im vorliegenden Einzelfall die privaten Interessen des Klägers und lässt den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Klägers gerechtfertigt erscheinen. Gemessen am Grad der Beeinträchtigung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit aller Prüfungsteilnehmer stellt sich das Verhalten des Klägers - wie oben dargelegt - als Versuch des Erschleichens einer Prüfungsleistung durch ein grobes Täuschungsmanöver in einem außergewöhnlich schweren Fall dar. Ein solches Verhalten, bei dem der Prüfling, um sich nicht leistungsbedingte Vorteile zu verschaffen, sogar vor der Begehung von Straftaten nicht zurückschreckt, stellt den Wettbewerbscharakter der Prüfung massiv in Frage. Deshalb kann die Prüfungsbehörde bei der Entscheidung über die angemessene Reaktion auf den Täuschungsversuch hier - neben dem Aspekt der Sanktionierung des klägerischen Verstoßes gegen die Prüfungsordnung - dem Gesichtspunkt, dass die durch den Täuschungsversuch in Frage gestellte, verfassungsrechtlich verankerte Chancengleichheit eine auch für andere erkennbare Abschreckung gebieten kann, maßgebliche Bedeutung beimessen. Vor diesem Hintergrund kann in dem Ausschluss des Klägers von der Prüfung auch mit Blick auf dessen grundrechtlich geschützte Interessen aus Art. 12 Abs. 1 GG keine unverhältnismäßige Reaktion gesehen werden.
49 
Im Übrigen führt die ausgesprochene Sanktion entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht dazu, dass dem Kläger der Zugang zu dem von ihm angestrebten Beruf endgültig versperrt wird. Die Maßnahme beschränkt sich zunächst auf den Ausschluss vom weiteren Studium im Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre an der Beklagten (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2, § 24 Abs. 1 PO sowie §§ 32 Abs. 1 Satz 5, 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG). Wie sich aus § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG ergibt, ist dem Kläger auch die Zulassung zu dem gleichen Studiengang an einer anderen Hochschule in Baden-Württemberg zu versagen. Es ist indes weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger sein Diplom-Studium nicht als Ortswechsler an einer Universität in einem anderen Bundesland fortsetzen könnte.
50 
Außerdem beschränkt sich der Ausschluss vom Studium in einem Studiengang mit im Wesentlichen gleichen Inhalt, insbesondere einem vergleichbaren Bachelor- bzw. Masterstudiengang, auf die Universitäten, die - wie die Beklagte (vgl. etwa § 12 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang „Politische Ökonomik“ vom 07.08.2006; § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Prüfungsordnung für den Master-Studiengang Economics vom 27.03.2009) - in ihren Prüfungsordnungen entsprechende Zulassungsbeschränkungen normiert haben (vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbs. LHG). Insoweit hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass dies nicht für alle anderen Universitäten in Baden-Württemberg oder gar in der gesamten Bundesrepublik gilt. Dem entspricht es, dass die Universität Frankfurt auf Anfrage des Klägers mitgeteilt hat, dass er dort ein Bachelor-Studium aufnehmen könnte. Dass dort - wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - lediglich Studienzeiten von maximal zwei Semestern angerechnet würden, ist nicht auf die von der Beklagten ausgesprochene Sanktion zurückzuführen. Maßgeblich hierfür ist vielmehr, inwieweit der Kläger aufgrund der von ihm bisher erbrachten Studienleistungen über die für einen bestimmten Studiengang geforderten Zugangsvoraussetzungen verfügt. Dies ist indes allein seiner (Risiko-) Sphäre zuzurechnen.
51 
Schließlich erweist sich die ausgesprochene Sanktion auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sich der Täuschungsversuch (lediglich) auf eine studienbegleitende Prüfungsleistung bezog. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass es sich bei den hier maßgeblichen studienbegleitenden Prüfungsleistungen (vgl. §§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 1 PO) um vorgezogene Abschlussklausuren handelt, die es den Studierenden ermöglichen, unmittelbar nach den entsprechenden Lehrveranstaltungen ihr Wissen zeitlich gestaffelt darzubieten, dass diese aber bereits Bestandteile der Abschlussprüfung sind und ihren entsprechenden Niederschlag in der Abschlussnote finden (vgl. Haug , Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., Rn. 646). Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung des Klägervertreters, einem Täuschungsversuch bei einer studienbegleitenden Prüfungsleistung komme erheblich geringeres Gewicht zu als einem Täuschungsversuch in einer Abschlussprüfung, nicht gefolgt werden.
52 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 18.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2004) auf EUR 15.000,- festgesetzt.
55 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 1. Februar 2011 - 4 K 750/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt vom Beklagten, der von ihm betriebenen genehmigten privaten Grund- und Hauptschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule zu verleihen.
Der im Januar 2005 gegründete Kläger betreibt in ... seit dem Schuljahr 2006/2007 die private Grund- und Hauptschule „Freie Schule ...-...“ in Ganztagesform. Nach dem im Verfahren zur Genehmigung als Ersatzschule vorgelegten pädagogischen Konzept vom 15.01.2006 soll das Lernen in altersgemischten Gruppen mit maximal 28 Kindern stattfinden, die von je einem Lehrer und einer pädagogischen Fachkraft betreut werden. Zudem soll unter anderem auf Ziffernnoten verzichtet werden. Sie werden ersetzt durch Entwicklungsberichte und ausführliche Gespräche mit Eltern und Kindern. In dem Konzept der jahrgangsübergreifenden Gruppen und der individualisierten Lerngestaltung gibt es daher „kein Sitzenbleiben mit der darin implizierten Abwertung des Kindes“. Im Einzelfall werden Kinder ein Jahr länger in der Gruppe der Grundschulkinder verbringen. Zur Beschreibung der Lernentwicklung werden Dokumentationen der Lernprozesse der Kinder, etwa in Form von angefertigten Arbeiten, Fotos und Wochenplänen herangezogen. Dokumentiert werden die Lernfortschritte halbjährlich in Entwicklungsberichten. Falls ein Kind an eine andere Schule mit Ziffernbenotung überwechselt, werden die Entwicklungsberichte durch ein herkömmliches Zeugnis ergänzt (dazu S. 6 und 30 f. des oben genannten Konzepts des Klägers).
Die Grundschule des Klägers wurde mit Bescheid vom 07.06.2006 genehmigt. Mit Bescheid vom 20.09.2007 wurde sie erstmals als private Grund- und Hauptschule genehmigt.
Mit Schreiben vom 08.05.2009 beantragte der Kläger die staatliche Anerkennung der Schule ab dem Schuljahr 2009/2010. Nach mehreren Schulbesuchen im Jahr 2009 legte das Staatliche Schulamt ... dem Regierungspräsidium einen Bericht der Schulrätin W. vom 15.12.2009 vor, die am Ende zu der Feststellung gelangt, dass die Schule die Anforderungen an die Anerkennung nach § 10 PSchG erfülle. In dem Bericht führte die Schulrätin W. unter anderem aus, die Aufnahme- und Versetzungsordnung werde angewandt. Über die Aufnahmemodalitäten sei intensiv berichtet worden, sowohl was Kinder der Klasse 1 als auch Quereinsteiger betreffe. Es gebe klare Kriterien für eine Aufnahme in die Schule.
Mit Schreiben vom 08.02.2010 gab der Kläger gegenüber dem Schulamt folgende Erklärung zur Vergabe von Ziffernnoten ab:
„Im Zuge des Antrags auf staatliche Anerkennung verpflichtet sich die Schule für alle Schülerinnen und Schüler,
1. neben den schriftlichen Entwicklungsberichten die Dokumentation unserer Leistungsaufzeichnungen so zu führen, dass jederzeit Ziffernnoten abgeleitet werden können,
2. die Aufnahme in und den Übergang zwischen unseren genehmigten Schularten und die Versetzung in die jeweils nächste Klassenstufe gemäß der MVersetzO und den Versetzungsordnungen der jeweiligen Schulformen nach diesen Ziffernnoten vorzunehmen,
3. in den Prüfungsklassen (9. Klasse aufwärts) oder bei einem Wechsel an eine andere Schule Zeugnisse mit Ziffernnoten zu erstellen und den Erziehungsberechtigten oder, im Falle deren Volljährigkeit, den Schülerinnen/Schülern zuzustellen,
10 
4. bei einer Nichtversetzung oder einer Schulempfehlung im Dissens ein schriftliches Zeugnis mit Zifferbenotung zu erstellen und den Erziehungsberechtigten oder, im Falle der Volljährigkeit, den Schülerinnen/Schülern zuzustellen.
11 
Ansonsten unterliegt die Offenlegung der Ziffernnoten dem Ermessen der betreuenden Lehrkräfte und der Schulleitung.“
12 
Mit Bescheid vom 15.02.2010 lehnte das Regierungspräsidium den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, nach eigenem fernmündlich geäußerten Bekunden sei die Schule des Klägers grundsätzlich nur bereit, Verbalzeugnisse zu erteilen. Notenzeugnisse würden nur bei einem Schulwechsel gegeben. Bei den anderen Zeugnissen bzw. Leistungsinformationen widerspreche es dem pädagogischen Selbstverständnis der Privatschule, Noten zu geben. Öffentliche Schulen müssten jedoch nach den einschlägigen Rechtsverordnungen Notenzeugnisse geben. Noten seien die Grundlage für zu erteilende Zeugnisse und dienten der Begründung der getroffenen Entscheidungen, zum Beispiel der Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe. Verbalzeugnisse könnten nicht in Ziffernnoten übersetzt werden und umgekehrt. Ziffernnoten, die Ranginformationen lieferten, würden nur schwache Zusammenhänge mit verbalen Bewertungen aufweisen. Da die für die Notengebung derzeit geltenden Rechtsverordnungen materiell Gesetzescharakter hätten, sei es nicht in das Belieben öffentlicher Schulen gestellt, von diesen Vorgaben der Notengebung abzuweichen. Es sei auch nicht zulässig, Noten zu erteilen, diese aber nicht fortlaufend bekannt zu geben. Wenn eine anerkannte Privatschule „quasi als beliehener Unternehmer“ Verwaltungsakte, wie zum Beispiel Versetzungsentscheidungen, für und gegen alle setzen wolle, müsse sie diese Verwaltungsakte in der durch die Rechtsverordnungen vorgesehenen Form begründen und bekannt geben. Sei sie dazu nicht bereit, könnten ihr die entsprechenden hoheitlichen Befugnisse nach § 10 PSchG nicht erteilt werden.
13 
Am 12.04.2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, § 10 Abs. 2 PSchG sehe hinsichtlich der Erteilung von Zeugnissen vor, dass die Ersatzschule durch die Anerkennung das Recht erhalte, diese zu erteilen. Dementsprechend könne die Erteilung solcher Zeugnisse nicht Voraussetzung für die Anerkennung sein.
14 
Auf Anforderung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger „Dokumentationen der Leistungsaufzeichnungen“ nebst zugehörigen Entwicklungsberichten vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung hat die damalige Schulleiterin der Grundschule des Klägers, Frau A., ausgeführt, statt Zeugnissen würden in allen Klassen der Grundschule am Ende des jeweiligen Schuljahres Entwicklungs- und Lernberichte entsprechend den vorgelegten Beispielen erstellt. Zum Schulhalbjahr finde jeweils ein Entwicklungsgespräch statt, zu dem die jeweilige Lehrkraft ein Protokoll erstelle. Dieses Protokoll bleibe jedoch intern. Dagegen werde der am Ende eines Schuljahres erstellte Entwicklungs- und Lernbericht den Eltern ausgehändigt und nach Hause gegeben. Einzelne Schülerarbeiten würden wie in den vorgelegten Berichten dokumentiert. Das jeweilige erste Beurteilungsblatt sei für den Schüler; das zweite Blatt bleibe jedoch intern. Herr G., der damalige Schulleiter der Hauptschule führte aus, an der Hauptschule werde ein ähnliches Vorgehen praktiziert. Für die Lehrer sei im Rahmen der Entwicklungs- und Lernberichte auch die Selbsteinschätzung von Schülern und Eltern ein wichtiges Beurteilungselement.
15 
Die Klage ist vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 01.02.2011 abgewiesen worden. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte staatliche Anerkennung seiner privaten Grund- und Hauptschule. Er halte im bisherigen Schulbetrieb die geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen für öffentliche Grund- und Hauptschulen nicht ein und erfülle die Anerkennungsvoraussetzungen eindeutig nicht. Dies werde im Bescheid des Regierungspräsidiums vom 15.02.2010, auf den verwiesen werde, ausführlich dargelegt und vom Kläger auch nicht bestritten. Die vorgelegten Unterlagen (Entwicklungs- und Lernbericht, Protokolle über Entwicklungsgespräche, Beurteilungen von Schülerarbeiten) und die Auskünfte der beiden Schulrektoren in der mündlichen Verhandlung belegten dies zudem anschaulich. Im Schulbetrieb des Klägers würden weder Noten vergeben noch Halbjahres- oder Jahreszeugnisse ausgestellt. Die verbalen Beurteilungen und Bemerkungen seien auch nicht ohne Weiteres in Noten umsetzbar und erst Recht keiner wertenden Erkenntnis wie einer Jahresnotenbildung zuführbar. Selbst wenn der Kläger daher für einen seine Schule verlassenden Schüler nachträglich ein Abgangszeugnis erstelle, entspreche dieses keineswegs den - rechtsstaatlich gebotenen - Anforderungen an eine Noten- und Zeugnisbildung, wie es die staatlichen Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen vorsähen. Abgesehen davon, dass dann eben nur dieses (letzte) Zeugnis existiere, aber nicht die genauso versetzungs- und eventuell aufnahmerelevanten Zeugnisse vorausgehender Schuljahre. Daher entspreche die Praxis des Klägers, die einen zentralen Punkt in seinem Schulkonzept darstelle, in keiner Weise den staatlichen Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen. Er biete gegenwärtig nicht die Gewähr, dass er willens und in der Lage sei, diese Vorschriften in Zukunft einzuhalten.
16 
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 02.08.2011 hat der Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
17 
Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor, der angegriffene Bescheid und das Urteil des Verwaltungsgerichts stützten sich auf Nummer 12 VVPSchG. Diese Regelung sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 23 Satz 1 Nr. 1 PSchG gedeckt. Der Verordnungsgeber dürfe nicht als Voraussetzung verlangen, was der Gesetzgeber erst als aus der Anerkennung resultierende Pflicht normiere. § 10 PSchG könne nicht so ausgelegt werden, dass schon in dessen Absatz 1 die Verpflichtung zur Einhaltung der Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen enthalten sei und dass ein diesbezügliches Verhalten der Schule deshalb in die Prognoseentscheidung einbezogen werden müsse. Die gesonderte Erwähnung der Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen in § 10 Abs. 2 PSchG wäre überflüssig, wenn sie bereits drei Jahre vor der Anerkennung eingehalten werden müssten, um die Anerkennung überhaupt zu erhalten. Darüber hinaus verkenne die angegriffene Entscheidung seine Erklärung vom 08.02.2010. Er biete schon seit längerem die Gewähr dafür, die für öffentliche Schulen geltenden Versetzungsbestimmungen einzuhalten. Er habe die Genehmigungsvoraussetzungen, deren dauerhafte Erfüllung im Wesentlichen die Anerkennungsvoraussetzung bilde, schon seit Aufnahme des Unterrichts erfüllt. Nicht entschieden habe das Verwaltungsgericht, ob die von ihm - dem Kläger - erklärte Form der Erfüllung der Versetzungsbestimmungen den Anforderungen des § 10 Abs. 2 PSchG entspreche. Dies sei, wie sich aus der Stellungnahme des staatlichen Schulamts ergebe, durchaus der Fall. Er habe einen Weg aufgezeigt, wie er die Vorschriften zur Noten- und Zeugnisvergabe einhalten könne, ohne seine pädagogischen Eigenheiten aufzugeben. Art. 7 Abs. 4 GG sichere die pädagogische Freiheit auch derjenigen Schulen, die eine Anerkennung beantragen oder bereits anerkannt seien. Auch für diese Schulen dürfe eine Konformität mit dem öffentlichen Schulwesen nicht erzwungen werden.
18 
Der Kläger beantragt,
19 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 01.02.2011 - 4 K 750/10 - zu ändern und das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.02.2010 zu verpflichten, seiner privaten Grund- und Hauptschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule zu verleihen.
20 
Das beklagte Land beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Es ist der Ansicht, das angegriffene Urteil habe zutreffend dargelegt, dass der Kläger nicht bereit sei, die für entsprechende öffentliche Schulen geltenden Regelungen zur Notenvergabe und -bekanntmachung einzuhalten. Eine staatlich anerkannte Ersatzschule sei befugt, Verwaltungsakte wie zum Beispiel Versetzungsentscheidungen und Abschlussprüfungen mit Wirkung für und gegen Personen und öffentliche Einrichtungen zu erlassen. Dies setze voraus, dass sie sich an die für öffentliche Schulen geltenden Regelungen halte. Die Existenz einer genehmigten Ersatzschule sei durch die Verweigerung der Anerkennung nicht beeinträchtigt. Die Bezuschussung erfolge davon unabhängig. Ein „Qualitätssiegel“ sei mit der Anerkennung nicht verbunden. Darüber hinaus sei Nummer 12 VVPSchG von der Ermächtigung des § 23 PSchG gedeckt. § 10 PSchG verlange, dass der Antragsteller die Gewähr dafür biete, dass er dauernd die aufgrund des Schulgesetzes an entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Noten- und Versetzungsbestimmungen erfülle, bevor seiner Einrichtung die Eigenschaft einer anerkannten Privatschule verliehen werde. Der Kläger habe bisher unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, die Noten- und Zeugnisvergabe nicht so zu handhaben, wie dies an öffentlichen Schulen Pflicht sei.
23 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten (3 Bände zur Grund- und Hauptschule und 1 Band zur Realschule), die Akten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen in den Verfahren 4 K 750/10, 4 K 1818/10 und 4 K 1804/10 sowie ein zum Verfahren 4 K 750/10 vorgelegter Ordner und sechs blaue und zwei grüne dem Senat vorgelegte Schnellhefter mit Unterlagen des Klägers vor. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf diese Akten und die im vorliegenden Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
25 
Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere genügt sie den Erfordernissen des § 124a Abs. 6 VwGO. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.02.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte der vom Kläger betriebenen privaten Grund- und Hauptschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule verleiht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
1. Nach § 10 Abs. 1 des Privatschulgesetzes (PSchG) verleiht die obere Schulaufsichtsbehörde - das Regierungspräsidium (vgl. § 34 Abs. 1 des Schulgesetzes - SchG) - einer Ersatzschule, welche die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen beziehungsweise an Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG gestellten Anforderungen erfüllt, die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule. Mit der Anerkennung erhält die Ersatzschule nach § 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG das Recht, nach den allgemein für öffentliche Schulen beziehungsweise für Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen.
27 
Nach Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz (VVPSchG) in der Fassung vom 20.07.1971 (GBl. S. 346), zuletzt geändert durch Artikel 53 des Gesetzes vom 01.07.2004 (GBl. S. 469, 502), werden die gestellten Anforderungen unbeschadet der Vorschriften des § 5 Abs. 2 PSchG von einer Ersatzschule im Sinne des § 3 Abs. 1 PSchG erfüllt, wenn
28 
a) dem Unterricht ein von der Schulaufsichtsbehörde genehmigter Lehrplan zugrunde liegt;
b) das Lehrziel der entsprechenden öffentlichen Schule erreicht wird;
c) der Übertritt eines Schülers von der Ersatzschule an die entsprechende öffentliche Schule und umgekehrt ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist;
d) die für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen angewendet werden;
e) der Leiter der Schule die für seine Aufgabe erforderliche wissenschaftliche und pädagogische Eignung besitzt;
f) die Lehrer in der Regel die Anstellungsfähigkeit für das ihrer Tätigkeit entsprechende Lehramt an öffentlichen Schulen besitzen. Auf diese Voraussetzung kann in einem den besonderen Gegebenheiten der betreffenden Privatschule angemessenem Umfang verzichtet werden.
29 
Nach Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG muss die Ersatzschule die gestellten Anforderungen grundsätzlich drei Jahre erfüllt haben, bevor angenommen werden kann, dass die Schule diese Anforderungen auf die Dauer erfüllt.
30 
Nach Nummer 12 Abs. 4 VVPSchG stehen Zeugnisse der anerkannten Ersatzschulen und Prüfungen, die an diesen Schulen nach den für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Prüfungsordnungen abgelegt werden, den entsprechenden Zeugnissen und Prüfungen der öffentlichen Schulen gleich.
31 
2. Diese Regelungen begegnen weder in formeller noch in materieller Hinsicht rechtlichen Bedenken. Dabei sind die genannten Regelungen vorliegend nur insoweit von Bedeutung, als sie auf die für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben Bezug nehmen. Die für Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG geltenden Anforderungen sind hier nicht von Bedeutung. Bei der vom Kläger betriebenen Schule handelt es sich nicht um eine Schule im Sinne von § 3 Abs. 2 PSchG, insbesondere nicht um eine Waldorfschule.
32 
a) Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 4 VVPSchG beruht auf einer hinreichenden Rechtsgrundlage und hält sich in deren Grenzen.
33 
(1) Bei der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz handelt es sich nicht um eine Verwaltungsvorschrift, sondern um eine Rechtsverordnung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27.05.1981 - XI 3377/78 - und vom 12.06.1986 - 9 S 265/86 -; BVerwG, Urteil vom 18.11.1983 - 7 C 114/81 -, BVerwGE 68, 185). Dies ergibt sich mittlerweile bereits aus der Überschrift der Norm. Bis zum 31.12.2004 hatte die Überschrift noch „Vorschriften zum Vollzug des Privatschulgesetzes“ gelautet. Allerdings wurden die Ursprungsfassung der Norm sowie alle Folgeänderungen im Gesetzblatt des Landes veröffentlicht (vgl. Art. 63 Abs. 2 LV).
34 
(2) Die oben genannten Bestimmungen der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz sind laut der Eingangsformel der Verordnung noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2, § 13 Abs. 2 Satz 2 und § 25 des Privatschulgesetzes in der Fassung vom 14.05.1968 (GBl. S. 223), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 07.04.1970 (GBl. S. 130), gestützt. Dem Zitiergebot aus Art. 61 Abs. 1 Satz 3 LV wurde damit Rechnung getragen.
35 
(3) Die genannten Verordnungsbestimmungen sind nicht dadurch außer Kraft getreten, dass die Ermächtigungsnormen, insbesondere § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968, mittlerweile aufgehoben wurden und das Privatschulgesetz nun in § 23 Satz 1 Nr. 1 PSchG eine neue Ermächtigungsgrundlage für Vollzugsverordnungen zum Privatschulgesetz enthält (vgl. speziell zur VVPSchG den Senatsbeschluss vom 12.06.1986 - 9 S 265/86 -; allgemein: Senatsbeschluss vom 17.12.1996 - 9 S 300/94 -, Juris Rn. 36). Es ist anerkannt, dass das nachträgliche Erlöschen oder auch die nachträgliche Änderung einer Ermächtigung ohne Einfluss auf den Rechtsbestand einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung ist. Dies gilt auch dann, wenn die inhaltlichen Voraussetzungen der Ermächtigung später entfallen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.12.1958 - 1 BvR 488/57 -, BVerfGE 9, 3, vom 25.07.1962 - 2 BvL 4/62 -, BVerfGE 14, 245, und vom 23.03.1977 - 2 BvR 812/74 -, BVerfGE 44, 216).
36 
(4) Die Rechtsgrundlage des § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 genügt den Vorgaben von Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 LV, insbesondere dem Bestimmtheitsgebot. Nach den genannten Normen der Landesverfassung kann die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden.
37 
§ 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 ist hinreichend bestimmt in diesem Sinne. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt (vgl. Urteile vom 27.05.1981, a.a.O., und vom 12.06.1986, a.a.O.). Zwar war in § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 nur geregelt, dass das zuständige Ministerium im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Privatschulgesetzes erlässt. Jedoch braucht der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht ausdrücklich im Text des ermächtigenden Gesetzes zu bestimmen. Vielmehr gelten auch für die Interpretation von Ermächtigungsnormen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können also, wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift, der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem ganzen Gesetz ermitteln lassen. Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann - vor allem zur Bestätigung des Ergebnisses der Auslegung - herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1966 - 2 BvR 424/63 -, BVerfGE 19, 354).
38 
Vorliegend war und ist zur Konkretisierung der Auslegung von § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 vor allem § 10 PSchG heranzuziehen, der noch heute im Wesentlichen unverändert gilt. Beide Normen zusammengenommen sind nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. Sie geben mit ausreichender Klarheit einen Rahmen für eine Rechtsverordnung vor, mit der die Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung präzisiert werden. Die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule ist danach unter anderem nur möglich, wenn die Ersatzschule die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt (§ 10 Abs.1 PSchG). Mit der Anerkennung erhält die Ersatzschule das Recht, nach den allgemein für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG).
39 
(5) Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 4 VVPSchG hält sich in den Grenzen dieser Ermächtigungsnormen.
40 
(a) Dass eine Ersatzschule die für eine staatliche Anerkennung gestellten Anforderungen unbeschadet der Vorschriften des § 5 Abs. 2 PSchG nach Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d VVPSchG nur erfüllt, wenn die für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen anwendet werden, war und ist von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Billigung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 18.11.1983, a.a.O.).
41 
(b) Von der genannten gesetzlichen Ermächtigung gedeckt ist des Weiteren Nummer 12 Abs. 4 VVPSchG, der bestimmt, dass Zeugnisse der anerkannten Ersatzschulen und Prüfungen, die an diesen Schulen nach den für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Prüfungsordnungen abgelegt werden, den entsprechenden Zeugnissen und Prüfungen der öffentlichen Schulen gleich stehen. Diese Vorschrift ist bereits im Wesentlichen durch § 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG vorgegeben.
42 
Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 VVPSchG sowie § 10 Abs. 1 und 2 Satz 1 PSchG sind auch so zu verstehen, dass die für die Erteilung von Zeugnissen an öffentlichen Schulen geltenden Regelungen ebenfalls zu den Anforderungen nach § 10 Abs. 1 PSchG gehören, die von der Ersatzschule bereits während der Bewährungszeit von grundsätzlich drei Jahren nach Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG beachtet werden müssen, auch wenn ihre Zeugnisse noch keine hoheitlich anerkannten Berechtigungen darstellen. Zwar sprechen zunächst der Wortlaut und die Systematik von Nummer 12 Abs. 1 bis 4 VVPSchG gegen eine Einbeziehung der Vorschriften über die Zeugniserteilung in den Kreis der vorab einzuhaltenden Anforderungen. Denn die Vorschriften über die Zeugniserteilung werden in Nummer 12 Abs. 1 VVPSchG nicht genannt. Vielmehr normiert zunächst Nummer 12 Abs. 1 VVPSchG diejenigen Vorschriften, die beachtet werden müssen, damit die gestellten Anforderungen erfüllt werden.
43 
Für die Annahme, dass auch die vorherige Einhaltung der Zeugniserteilungsvorschriften verlangt werden kann, spricht jedoch, dass gerade diese Vorschriften von der Ersatzschule beachtet werden müssen, wenn sie nach ihrer Anerkennung öffentliche Berechtigungen vergeben will. Daher muss die Ersatzschule gerade bezüglich dieser Vorschriften die Gewähr bieten, sich dauernd an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften halten zu können und zu wollen. Der Wortlaut des § 10 PSchG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Der Zweck der Anerkennung setzt es vielmehr als selbstverständlich voraus, dass insbesondere die für die Erteilung von Zeugnissen geltenden Regelungen eingehalten werden. Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass vor allem die - in Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d VVPSchG explizit erwähnten - Versetzungsbestimmungen einen engen Zusammenhang mit den Regelungen der Noten- und Zeugnisvergabe aufweisen, weil Noten in öffentlichen Schulen in der Regel entscheidend für die Versetzung sind.
44 
(c) Auch Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Die Regelung verlangt, dass die Ersatzschule die gestellten Anforderungen grundsätzlich drei Jahre erfüllt haben muss, bevor angenommen werden kann, dass die Schule diese Anforderungen auf Dauer erfüllt. § 10 Abs. 1 PSchG macht zur Voraussetzung für den normierten Anspruch auf staatliche Anerkennung, dass die Ersatzschule „die Gewähr bietet, dass sie dauernd“ die an sie gestellten Anforderungen erfüllt. Damit ist Grundlage für die Entscheidung über den Anspruch zwar eine Prognose. Allerdings muss die Prognose auf einer hinreichenden Tatsachenbasis beruhen. Dies ist schon deshalb erforderlich, damit die betreffenden Schüler und ihre Eltern bei ihrer Entscheidung, ob die betreffende Ersatzschule besucht werden soll, über eine rechtssichere Grundlage verfügen, auf die sie vertrauen können. Damit verbietet sich eine nicht auf belegten Tatsachen, sondern nur auf Absichtserklärungen der Ersatzschule beruhende Anerkennung „ins Blaue hinein“, bei der die Gefahr besteht, dass sie bald wegen Nichteinhaltung der Anforderungen widerrufen werden muss oder dass Streit über die Einhaltung der Anforderungen entsteht. § 10 Abs. 1 PSchG lässt sich das gesetzliche Ziel entnehmen, dass vor einer Anerkennung sichergestellt sein muss, dass die Ersatzschule die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Daher bietet die gesetzliche Grundlage des § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 nach ihrem Inhalt, Zweck und Ausmaß (Art. 61 Abs. 1 Satz 2 LV) eine Grundlage für eine Bewährungsfrist, wobei sich auch die Dauer von drei Jahren in dem vom gesetzlichen Zweck vorgegebenen Rahmen hält.
45 
b) Die genannten Regelungen der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz sowie die Regelungen in § 10 PSchG sind auch im Übrigen mit der Verfassung vereinbar.
46 
aa) Nach dem Grundgesetz haben die Länder die ausschließliche Befugnis zur Regelung des Privatschulwesens (Art. 30, 70 ff. GG). Ihre Gesetzgebungsbefugnis ist in sachlicher Hinsicht durch Art. 7 Abs. 4 und 5 GG eingeschränkt. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG will die Freiheit im Schulwesen verwirklichen; er gewährleistet jedermann das Grundrecht, Privatschulen zu errichten.
47 
Das Recht zur Errichtung von Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen (Ersatzschulen) ist jedoch durch den Vorbehalt staatlicher Genehmigung beschränkt (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG); ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung ist nur unter den in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 GG aufgeführten Voraussetzungen verfassungsverbürgt. Mit dieser Gründungsfreiheit verbindet Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG zugleich eine Garantie der Privatschule als Institution, die der Privatschule verfassungskräftig eine ihrer Eigenart entsprechende Verwirklichung sichert. Der dem staatlichen Einfluss damit entzogene Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Privatschule ein eigenverantwortlich geprägter und gestalteter Unterricht erteilt wird, insbesondere soweit er die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und Lehrinhalte betrifft. Diese Gewährleistung bedeutet die Absage an ein staatliches Schulmonopol und ist zugleich eine Wertentscheidung, die eine Benachteiligung gleichwertiger Ersatzschulen gegenüber den entsprechenden staatlichen Schulen allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen und -inhalte verbietet. Dieses Offensein des Staates für die Vielfalt der Formen und Inhalte, in denen Schule sich darstellen kann, entspricht den Wertvorstellungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die sich zur Würde des Menschen und zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität bekennt. Das Grundrecht der Privatschulfreiheit bedeutet allerdings nicht, dass die Privatschule eine staatsfreie Schule ist. Ebenso wie die Weimarer Reichsverfassung bekennt sich das Grundgesetz, jedoch mit verstärkten Garantien, zu dem „System der begrenzten Unterrichtsfreiheit" der Privatschulen. Denn die Länder haben nicht nur die Gesetzgebungszuständigkeit für das Privatschulwesen; nach Art. 7 Abs. 1 GG unterstehen die Privatschulen auch ihrer Schulaufsicht. Die staatliche Schulaufsicht nach Art. 7 Abs. 1 GG ist aber bei den Privatschulen ebenso wenig wie bei den öffentlichen Schulen ein umfassendes staatliches Bestimmungsrecht über die Schulen; vielmehr ist sie insbesondere durch Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG modifiziert (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195, 200 f.).
48 
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Verwaltungsgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht und ein erheblicher Teil der Literatur angeschlossen haben, verbietet das Grundgesetz grundsätzlich nicht die Heraushebung einer Gruppe der Ersatzschulen als „anerkannte Ersatzschulen“. Die nur diesen Schulen verliehenen Befugnisse sind keine Berechtigungen, die nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG allen Ersatzschulen zukommen müssen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14.11.1969, a.a.O., 201, und vom 11.06.1974 - 1 BvR 82/71 -, BVerfGE 37, 314; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 18.11.1983, a.a.O., und vom 13.12.2000 - 6 C 5/00 -, BVerwGE 112, 263; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004 -, Vf. 11-VII-02 -, Juris Rn. 32; OVG LSA, Urteil vom 15.12.2010 - 3 L 426/08 -, Juris Rn. 45; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, Rn. 1014 ff.; Avenarius, in: ders., Schulrecht, 8. Aufl. 2010, Rn. 15.653; Kösling, Die private Schule gemäß Art. 7 Abs. 4, 5 GG, 2005, S. 205 ff.; Badura, in: Maunz/Dürig , GG, Art. 7 Abs. 4 bis 6 Rn. 116 ; Gröschner, in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 7 Rn. 109; Uhle, in: Epping/Hillgruber , BeckOK GG, Art. 7 Rn. 88; Schmitt-Kammler/Thiel, in: Sachs , GG, 6. Aufl. 2011, Art. 7 Rn. 71).
49 
Weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Regelung des Art. 7 Abs. 2 bis 4 GG kann eine staatliche Verpflichtung entnommen werden, den Ersatzschulen derartige Berechtigungen einzuräumen. Auszugehen ist davon, dass das Grundgesetz die Frage der Berechtigungen nicht ausdrücklich behandelt hat, so dass die Annahme naheliegt, diese Regelung solle dem Landesgesetzgeber überlassen bleiben. Im Übrigen regeln Art. 7 Abs. 2 bis 4 und Abs. 5 GG nur die Voraussetzungen, unter denen die Genehmigung für die Errichtung einer Ersatzschule zu erteilen oder zu versagen ist. Diese Regelung betrifft einen anderen Sachverhalt, als ihn die Anerkennung zum Gegenstand hat. Das Genehmigungserfordernis hat den Sinn, die Allgemeinheit vor unzureichenden Bildungseinrichtungen zu schützen. Durch die Erteilung der Genehmigung wird festgestellt, dass Bedenken gegen die Errichtung der Schule nicht bestehen und dass der Besuch der Schule als Erfüllung der Schulpflicht gilt; damit wird ihr die freie Betätigung im schulischen Bereich in den ihr wesensgemäßen Formen des Privatrechts gewährt. Wenn aber eine anerkannte Privatschule den Bildungsgrad ihrer Schüler mit öffentlich-rechtlicher „Außenwirkung" feststellt, das heißt öffentlich-rechtliche Zugangsberechtigungen vermittelt oder Berechtigungen zur Führung einer Berufsbezeichnung erteilt, dann übt sie hoheitliche Funktionen aus, die ihr aus dem privatrechtlichen Status nicht zukommen, sondern von einem Hoheitsträger übertragen werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 203).
50 
Hinzu kommt, dass die Beantwortung der Frage, ob eine Privatschule mit „Öffentlichkeitsrechten" ausgestattet werden kann, entscheidend von der auf Dauer gewährleisteten Qualität der einzelnen Schule abhängen muss, während der Begriff der Ersatzschule nach der Regelung des Art. 7 Abs. 4 und Abs. 5 GG nur von den dort allgemein bestimmten Voraussetzungen abhängt. Die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG umschreiben nur den äußeren Rahmen der Ersatzschule, innerhalb dessen sie Bildung und Erziehung weitgehend mit eigenen, vom Staat nicht geprägten Methoden, Inhalten und Zielen verwirklichen kann. Zwar schließt die Genehmigung die Erwartung ein, dass die Schule bei der vorausgesetzten Anlage in Erziehungszielen, personellen und sachlichen Mitteln ihren Schülern eine Ausbildung und Erziehung vermitteln wird, die nicht hinter der durch eine öffentliche Schule zu erlangenden zurücksteht. Ob sich diese Erwartungen erfüllen werden, hängt jedoch nicht von der Planung und dem Ziel der Schule, sondern ihrer Bewährung ab, die in der Regel erst nach einer gewissen Dauer, also noch nicht bei der Genehmigung der Ersatzschule, beurteilt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 204).
51 
cc) In der Literatur wird diese Rechtsprechung teilweise für fehlerhaft gehalten. So wird argumentiert, der in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG verwendete Begriff „als Ersatz für öffentliche Schulen“ beinhalte auch das Recht zur Zeugnisvergabe mit öffentlich-rechtlicher Wirkung (vgl. Müller/Kromer, NVwZ 1984, 77, 80; Ogorek, DÖV 2010, 341, 344; a. A. insoweit: Seidel, Die Anerkennung der privaten Ersatzschule und ihre Auswirkungen auf das Privatrechtsverhältnis, 2005, S. 86 ff.). Auch wird der Anpassungsdruck, der durch die Einhaltung der für öffentliche Schulen geltenden Anforderungen erzeugt wird, für zu groß gehalten und darin ein Eingriff in die Privatschulfreiheit gesehen (vgl. Ogorek a.a.O., 346; Müller/Kromer, a.a.O.). Aus diesem Grund wird unter anderem vertreten, dass eine Anerkennung lediglich voraussetze, dass die Genehmigungsvoraussetzungen als Ersatzschule dauerhaft eingehalten werden. Erst nach einer solchen Anerkennung sei die Ersatzschule verpflichtet, zur Aufgabenerfüllung im Bereich des Berechtigungswesens für die Aufnahme, Versetzung, Prüfung und das Zeugnis von Schülern die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften anzuwenden (vgl. Seidel, a.a.O., S. 107).
52 
dd) Diesen Auffassungen ist jedoch nicht zu folgen (so auch der Senatsbeschluss vom 08.04.2011 - 9 S 884/11 -, VBlBW 2011, 476). „Ersetzend“ wirken die Ersatzschulen im Wesentlichen nur hinsichtlich der Schulpflicht (vgl. Kösling, Die private Schule gemäß Art. 7 Abs. 4, 5 GG, 2005, S. 179). Es ist nämlich - wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat - davon auszugehen, dass zum Bereich der Privatschule, auf den sich die Gewährleistung in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG bezieht, auch die Feststellung des Ausbildungserfolges in Zeugnissen und Prüfungen gehört. Dagegen gehört die Regelung, ob und welche Berechtigungen Prüfung und Zeugnis nach außen vermitteln, nicht dazu, auch wenn diese Regelung nicht ohne Einfluss auf die Lehrziele der Schule ist, die nicht zuletzt zu diesen Berechtigungen hinführen soll. Die Ordnung des Berechtigungswesens ist in ihrer Zielrichtung nicht auf das Schulwesen beschränkt, sondern erstreckt sich auf das Berufsleben dort, wo für die Berufswahl und Berufsausübung in den durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Grenzen ein Allgemeininteresse an einer besonderen Qualifikation in Anspruch genommen werden muss oder wird. Hier hat das Eigenbestimmungsrecht der Privatschule keinen Platz; die Ordnung des Berechtigungswesens ist eine natürliche Aufgabe des Staates, die dieser auch seit jeher für sich in Anspruch genommen hat. Mit der Ordnung des Berechtigungswesens ist notwendig die Aufsicht darüber verbunden, dass die Berechtigungen nur den Schülern zuerkannt werden, die den entsprechenden Bildungsgrad erworben haben. Diese Aufsicht betrifft ebenso wenig wie die Ordnung des Berechtigungswesens innere Schulangelegenheiten. Deshalb wird der Staat in der Gestaltung dieser Aufsicht grundsätzlich nicht durch Art. 7 Abs. 4 GG beschränkt, der den Privatschulen nur eine Teilhabe am Schulwesen sichert, den Staat aber nicht verpflichtet, die Feststellung der für die Berechtigungen erforderlichen Voraussetzungen durch die Privatschulen selbst vornehmen zu lassen, soweit es sich um ihre Schüler handelt. Insoweit sind die Länder bei der Einordnung des Privatschulwesens in das System der Berechtigungen durch Art. 7 Abs. 4 GG nicht beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 205 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O., Rn. 32).
53 
Dass die Verleihung öffentlich anerkannter Berechtigungen eine staatliche Aufgabe ist, wird im Übrigen durch Art. 17 Abs. 3 LV bestätigt, der bestimmt, dass Prüfungen, durch die eine solche Berechtigung erworben werden soll, vor staatlichen oder staatlich ermächtigten Stellen abgelegt werden müssen.
54 
Darüber hinaus dürfen auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Länder - auch wenn Art. 7 Abs. 4 GG keinen Anspruch auf Anerkennung der Ersatzschulen gewährt und der Landesgesetzgeber deshalb die Erteilung der Anerkennung von besonderen, über die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG hinausgehenden Bedingungen abhängig machen kann - das Institut der Anerkennung und die mit ihm verbundenen wirtschaftlichen Vorteile nicht dazu benutzen, die Ersatzschulen zur Anpassung an die öffentlichen Schulen in einem der Sache nach nicht gebotenen Umfang zu veranlassen oder unter Verletzung des Gleichheitsgebotes einzelne Privatschulen gegenüber anderen Schulen zu benachteiligen. Es würde mit Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren sein, wenn die Ersatzschulen ohne sachlichen Grund zur Aufgabe ihrer Selbstbestimmung veranlasst werden würden (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 208 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O., Rn. 33). Es würde gegen Art. 7 Abs. 4 GG verstoßen, wenn der Staat den Schülern von Ersatzschulen den Weg zu den Berechtigungen versperren würde. Ebenso muss der Staat bei der Beurteilung, ob einem Privatschüler die Berechtigung zuzuerkennen ist, den besonderen Erziehungszielen der Privatschulen Rechnung tragen, soweit dies bei Würdigung von Inhalt und Bedeutung der Berechtigung, insbesondere unter Beachtung des Gebotes der „Gleichheit der Startchancen" möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 206 f.).
55 
Das Verlangen nach Anpassung an die Zugangsvoraussetzungen der öffentlichen Schulen als Bedingung für die Anerkennung ist jedoch nicht sachwidrig. Darauf, dass auch eine Ersatzschule mit anderen Zulassungsverfahren eine zur Erlangung der Berechtigungen ausreichende Ausbildung vermitteln kann, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Ersatzschule, die ihre Schüler nach den für die öffentliche Schule geltenden Prinzipien auswählt, bietet dem Staat eine besondere Gewähr für einen der öffentlichen Schule entsprechenden Ausbildungserfolg sowohl während der einzelnen Ausbildungsabschnitte als auch bei Abschluss der Ausbildung. Der Staat kann deshalb eher auf eine besondere Kontrolle der von diesen Schulen erteilten Berechtigungen verzichten (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 209).
56 
Auch liegt es im Wesen derartiger Berechtigungen, dass das Prinzip der Gleichwertigkeit gegenüber dem Prinzip der Gleichartigkeit weitgehend zurücktreten muss. Darüber hinaus bestimmen Grad und Inhalt der von den öffentlichen Schulen vermittelten Schulausbildung die Voraussetzungen, unter denen die Berechtigung erteilt wird, da der Staat bei der Ordnung des Berechtigungswesens an die öffentliche Schule als Regelschule anknüpfen muss (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 207).
57 
Durch die Anerkennung wird auch nicht den nicht anerkannten Ersatzschulen, deren Schüler in der Regel zur Erlangung einer staatlich anerkannten Berechtigung eine Schulfremdenprüfung ablegen müssen, die Gleichwertigkeit in Bezug auf den Leistungserfolg im Vergleich mit den staatlichen Schulen oder den anerkannten Privatschulen abgesprochen. Vielmehr wird lediglich bei der Feststellung, ob der die Berechtigungen vermittelnde Leistungserfolg im Einzelfall erreicht ist, über die nicht anerkannten Ersatzschulen eine besondere, der Bedeutung der Berechtigungen angemessene Kontrolle ausgeübt, die im Fall der anerkannten Privatschulen entbehrlich erscheint. Diese Privatschulen, die sich bei der Schülerauswahl den öffentlichen Schulen angepasst und sich zudem einer verstärkten Schulaufsicht unterworfen haben, bieten bereits auf Grund dieser gewissermaßen vorverlegten Kontrolle die Gewähr für eine dauernde Gleichmäßigkeit im Leistungsstand und für die Einhaltung der den Berechtigungen zugrunde gelegten Normen (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 207).
58 
ee) Daher kann von Verfassungs wegen privaten Schulen, die eine staatliche Anerkennung begehren, die Einhaltung folgender Vorgaben abverlangt werden:
59 
(1) Den anerkannten Ersatzschulen kann auferlegt werden, die für die staatlichen Schulen geltenden Versetzungsordnungen zu übernehmen. Erst die Anwendung der staatlichen Versetzungsordnung stellt rechtlich sicher, dass der Leistungsstand der Schüler an Privatschulen für den Schuljahreswechsel demjenigen der Schüler an öffentlichen Schulen entspricht (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.12.2000, a.a.O., und vom 18.11.1983, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.). Eine Ersatzschule, die ihre Schüler nach den für die öffentliche Schule geltenden Prinzipien auswählt und für das Fortschreiten der Schüler in der Schule eine dem staatlichen Schulwesen entsprechende Handhabung garantiert, bietet dem Staat - unter dessen Aufsicht sie steht (Art. 7 Abs. 1 GG) - eine besondere Gewähr für einen der öffentlichen Schule entsprechenden Ausbildungserfolg sowohl während der einzelnen Ausbildungsabschnitte als auch bei Abschluss der Ausbildung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.).
60 
Bei allein genehmigten Ersatzschulen kann dagegen nicht verlangt werden, dass am Ende jedes Schuljahres ein Wechsel von der Ersatzschule auf eine öffentliche Schule möglich ist. Denn eine nur genehmigte Ersatzschule muss nur zum Abschluss des schulischen Bildungsganges eine den staatlichen Schulen gleichwertige Qualifikation erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 08.06.2011 - 1 BvR 759/08 u.a. -, Juris Rn. 21). Daher ist es in diesem Fall gleichgültig, welchen Leistungsstand die Schüler jeweils am Ende eines Schuljahres besitzen. Eine Jahrgangsmischung ist an solchen Schulen vom Zweck der Privatschulfreiheit geschützt. Daher kann das für öffentliche Schulen geltende Prinzip der Jahrgangsklassen nicht für allein genehmigte private Ersatzschulen gelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2000, a.a.O.).
61 
(2) Darüber hinaus kann von staatlich anerkannten Ersatzschulen verlangt werden, dass sie die für öffentliche Schulen geltenden Aufnahmebestimmungen beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.1983, a.a.O.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.).
62 
(3) Des Weiteren kann von staatlich anerkannten Ersatzschulen verlangt werden, dass diese bei Prüfungen und Zeugnissen Anforderungen stellen, die denen der öffentlichen Schulen gleichwertig sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O.). Eine anerkannte Ersatzschule muss die staatlichen Prüfungsregelungen im Wesentlichen übernehmen. Findet beispielsweise in einem Land eine zentrale Abschlussprüfung statt, muss die Privatschule das entsprechende Prüfungsverfahren durchführen (vgl. Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 1015 f.; Avenarius, a.a.O. Rn. 15.655; Seidel, a.a.O., S. 104 f.).
63 
Dass eine anerkannte Ersatzschule bei der Durchführung von Prüfungen und der Erteilung von Zeugnissen die hierfür geltenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben einhalten muss, folgt letztlich aus der Anerkennung selbst. Mit der Anerkennung wird die Ersatzschule Beliehener, ihr wird die hoheitliche Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen übertragen. Daher muss sie sich auch an die entsprechenden rechtlichen Vorgaben halten.
64 
(4) Schließlich ist es verfassungsrechtlich zulässig, wenn § 10 Abs. 1 PSchG in Verbindung mit Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 VVPSchG von Ersatzschulen verlangt, dass vor der Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule die für öffentliche Schulen geltenden Anforderungen, insbesondere die Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen sowie die Regeln über die Zeugniserteilung, während eines Zeitraums von grundsätzlich drei Jahren eingehalten werden. Dies stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatschulfreiheit dar.
65 
Soweit der Staat Anforderungen an die Anerkennung von Ersatzschulen stellt, kann dies als Eingriff in die Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewertet werden. Ein unmittelbarer Eingriff liegt allerdings nicht vor. Denn die Privatschulfreiheit wird hier nicht durch ein Gebot oder Verbot verkürzt. Allerdings kann man von einem mittelbaren Eingriff ausgehen. Denn die Verpflichtung zur Anpassung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben hat beträchtliche Auswirkungen auf den von Art. 7 Abs. 4 GG geschützten Bereich. Die Befugnis, staatlich anerkannte Prüfungen durchzuführen und Zeugnisse erteilen zu dürfen, ist auch für eine Privatschule von erheblicher Bedeutung. Für potentielle und aktuelle Schüler einer Privatschule und deren Eltern spielt es eine große Rolle, ob Zeugnisse und Abschlüsse im außerschulischen Bereich als verbindlich gelten oder ob eine Schulfremdenprüfung durchgeführt werden muss (vgl. Ogorek, a.a.O, 342). Durch diesen nachvollziehbaren Wunsch der „Kunden“ der Privatschulen werden diese dem Druck ausgesetzt, die Anerkennungsvoraussetzungen einzuhalten und insoweit von dem eigenen Konzept abzuweichen. Dieser Druck ist dem Staat insoweit zurechenbar, weil er erheblich und der Staat sich dessen bewusst ist.
66 
Diesen Eingriff hat das Bundesverfassungsgericht allerdings - wie oben dargestellt - in einem § 11 des Hessischen Privatschulgesetzes vom 27.04.1953 (GVBl. S. 57) betreffenden Verfahren der konkreten Normenkontrolle, dessen Ausgangsrechtsstreit die Zeit nach der Anerkennung betraf, der Sache nach jedenfalls mit Blick auf diesen Zeitraum für gerechtfertigt gehalten. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht bereits in diesem Verfahren im Ansatz festgestellt, dass die staatliche Anerkennung einer Schule verfassungsrechtlich von ihrer Bewährung abhängig gemacht werden darf, weil in der Regel erst nach einer gewissen Dauer beurteilt werden kann, ob sie die Erwartungen erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 204).
67 
Ausgehend hiervon erweist es sich vorliegend als verhältnismäßig, wenn während eines Zeitraums von grundsätzlich drei Jahren vor der Anerkennung verlangt wird, dass die für die öffentlich-rechtlichen Schulen geltenden Anforderungen eingehalten werden.
68 
Eine solche Bewährungsfrist vor der staatlichen Anerkennung ist geeignet, sicherzustellen, dass nur solche Schulen anerkannt werden und in der Folge öffentlich anerkannte Prüfungen durchführen und Zeugnisse erteilen, die auf Dauer dazu in der Lage und bereit sind, die für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen zu beachten. Wie das Verwaltungsgericht bereits ausführt hat, handelt es sich bei der Anerkennung zwar um eine behördliche Prognoseentscheidung, die durch die Gerichte voll überprüfbar ist. Die Schulbehörde kann eine solche Entscheidung jedoch mit größerer Ergebnissicherheit treffen, wenn sie über eine hinreichende Tatsachenbasis verfügt.
69 
Die Einhaltung einer grundsätzlich dreijährigen Bewährungsfrist ist auch erforderlich. Es sind keine milderen, aber gleich geeigneten Mittel erkennbar um das Ziel zu erreichen, dass nur solche Schulen anerkannt werden, die auch in der Lage und willens sind, zu garantieren, dass der von der Ersatzschule bestätigte Leistungserfolg dem einer öffentlichen Schule entspricht. Zwar wäre es ein milderes Mittel, wenn die Ersatzschulen erst ab Anerkennung an die für entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen gebunden wären. Jedoch wäre ein solches Vorgehen der Behörde nicht genauso effektiv. Denn dann erhielte eine Ersatzschule allein aufgrund einer weitgehend spekulativen Prognose die Möglichkeit, der Allgemeinheit gegenüber gültige Zeugnisse und Berechtigungen zu erteilen. Wäre die Behörde bei einem später festgestellten Verstoß dazu verpflichtet, die Anerkennung zu widerrufen, wären in der Zwischenzeit ausgestellte Berechtigungen dennoch wirksam. Da ein hinreichend sicheres Urteil über die Bewährung einer Privatschule bei der Einhaltung etwa von Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen jedenfalls die Beobachtung mehrerer Schuljahre hintereinander voraussetzt, durfte der Verordnungsgeber mit Blick auf den ihm insoweit eingeräumten Einschätzungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.04.2009 -1 BvR 121/08 -, Juris Rn. 41) auch die Dauer der Bewährungsfrist von grundsätzlich drei Jahren für erforderlich halten.
70 
Schließlich ist die Bewährungsfrist auch angemessen. Zwar muss eine Ersatzschule durch die Einhaltung einer Bewährungsfrist gegebenenfalls Abstriche von ihrem an sich vorgesehenen pädagogischen Konzept machen und dies für einen Zeitraum, in dem sie noch keine „Gegenleistung“ dafür erhält. Möglicherweise reduziert eine Vorabbindung an die für öffentliche Schulen geltenden Aufnahmevoraussetzungen den Kreis der potentiellen Schüler der Schule. Dieses Interesse wiegt jedoch nicht besonders schwer; insbesondere dann, wenn sich die Bewährungsfrist über einen relativ überschaubaren Zeitraum erstreckt. Denn im Anschluss an diesen Zeitraum muss die betreffende Ersatzschule die für eine öffentliche Schule geltenden Regelungen ohnehin einhalten. Die Gefahr, dass potentielle Schüler von den Bestimmungen abgeschreckt werden, ist vor allem dann gering, wenn die Möglichkeit besteht, dass noch alle mit Beginn der Bewährungszeit aufgenommenen Schüler in den Genuss der Rechte aus der Anerkennung kommen können. Im Übrigen ist eine gewissermaßen vorverlegte Kontrolle dem System der Anerkennung immanent (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 208). Schließlich steht die Norm mit Blick darauf, dass die Bewährungsfrist „grundsätzlich drei Jahre“ beträgt, einer flexiblen Handhabung insbesondere auch zur Berücksichtigung einzelfallbezogener Besonderheiten nicht entgegen.
71 
Ob etwas anderes gelten muss und der vorherige Betrieb der Schule und eine Bewährung nicht verlangt werden dürfen, wenn die Schule ohne eine Anerkennung nicht betrieben werden kann (so: Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 1017), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn dies wird hier nicht geltend gemacht. Die Schule existiert bereits ohne Anerkennung.
72 
3. Ausgehend von diesen Vorgaben erfüllt der Kläger nicht die nach § 10 Abs. 1 PSchG und Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 VVPSchG gestellten Anforderungen.
73 
a) Der Kläger bietet keine Gewähr, sich dauernd an die für öffentliche Grund- und Hauptschulen geltenden Zeugnisbestimmungen zu halten. Der Beklagte stützt die Versagung der Anerkennung in seinem Bescheid daher zur Recht darauf, dass der Kläger nicht regelmäßig Notenzeugnisse nach der Notenbildungsverordnung (NVO) vom 05.05.1983 (GBl. S. 324), zuletzt geändert durch Art. 9 der Verordnung vom 11.04.2012 (GBl. S. 334, 354), erteilt. Bei einer Schule, welche die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule begehrt, muss das Prinzip der bloßen Gleichwertigkeit gegenüber dem Prinzip der Gleichartigkeit auch insoweit zurücktreten.
74 
aa) Die Notenbildungsverordnung bestimmt in § 3 Abs. 1, dass Schüler für jedes Schuljahr ein Zeugnis über ihre Leistungen erhalten, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. In den Abschlussklassen erhalten sie nach § 3 Abs. 2 NVO zudem ein Halbjahreszeugnis, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Die Schüler der Klasse 4 der Grundschule erhalten jedoch für das erste Schulhalbjahr nur eine Halbjahresinformation. Nach § 4 Abs. 1 NVO erhalten im Übrigen grundsätzlich alle Schüler für das erste Schulhalbjahr eine Halbjahresinformation über ihre Leistungen in den einzelnen Unterrichtsfächern. Die Leistungen der Schüler werden nach § 5 NVO mit den Noten „sehr gut (1)“, „gut (2)“, „befriedigend (3)“, „ausreichend (4)“, „mangelhaft (5)“ und „ungenügend (6)“ bewertet. In den Klassen 1 und 2 tritt hiervon abweichend nach der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen vom 29.11.1983 (GBl. 1984 S. 3), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.2007 (GBl. S. 277), ein Schulbericht an die Stelle des Jahreszeugnisses und der Halbjahresinformation. Im Schulbericht finden sich keine Noten, sondern unter anderem sachliche Feststellungen zum Verhaltensbereich, zum Arbeitsbereich und zum Lernbereich.
75 
Die §§ 7 ff. NVO enthalten Bestimmungen zur Feststellung der Schülerleistungen, insbesondere über Klassenarbeiten und Wiederholungsarbeiten, aber auch über mündliche und praktische Leistungen. § 7 NVO beinhaltet hierzu allgemeine Vorgaben, wie Regeln, mit denen die Transparenz der Bewertungskriterien und der Notenbildung sichergestellt werden soll. So hat beispielsweise nach § 7 Abs. 1 Satz 3 NVO der Fachlehrer zum Beginn seines Unterrichts bekanntzugeben, wie er in der Regel die verschiedenen Leistungen bei der Notenbildung gewichten wird. § 9 Abs. 1 NVO legt für die Werkrealschulen und Hauptschulen die jedenfalls anzufertigende Zahl an Klassenarbeiten in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch fest. So müssen in Haupt- und Werkrealschulen im Fach Deutsch in den Klassen 5 bis 9 jeweils mindestens vier Klassenarbeiten pro Schuljahr geschrieben werden (§ 9 Abs. 5 Satz 4 NVO lässt insoweit keine Reduktion durch gleichwertige Leistungen zu). Die Notenbildungsverordnung unterscheidet zudem Klassenarbeiten von schriftlichen Wiederholungsarbeiten, die in der Regel nur bis zu 20 Minuten dauern sollen und als Nachweis dafür dienen, mit welchem Erfolg die Hausaufgaben bewältigt wurden (vgl. § 8 NVO).
76 
Für Grundschüler gelten bezüglich der Feststellung von Schülerleistungen Besonderheiten (vgl. § 11 Abs. 1 NVO). Diese ergeben sich aus der genannten Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen. So sind nach § 2 Abs. 2 dieser Verordnung in den Klassen 3 und 4 im Schuljahr in Deutsch mindestens zehn schriftliche Arbeiten, darunter fünf Aufsätze, und in Mathematik mindestens acht schriftliche Arbeiten zu fertigen, die der Lernkontrolle und dem Leistungsnachweis dienen.
77 
bb) Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die Gewähr bietet, sich dauernd an diese Vorgaben zu halten.
78 
(1) Dies ergibt sich schon daraus, dass er in den vergangenen drei Jahren nicht regelmäßig Zeugnisse entsprechend der Notenbildungsverordnung ausgegeben hat. Damit kann nicht angenommen werden, dass er die Gewähr dafür bietet, dauernd entsprechend der Notenbildungsverordnung Zeugnisse auszugeben.
79 
(a) Es genügt nicht den Vorgaben der Notenbildungsverordnung, wenn der Kläger nach seinen Angaben Notenzeugnisse allein in Jahrgangsstufe 9 und ggf. in Zukunft ab Jahrgangsstufe 8, bei einem Wechsel eines Schülers auf eine andere Schule sowie bei „Nichtversetzung“ oder Ausspruch einer „Schulempfehlung“ im Dissens mit den Eltern Zeugnisse mit Leistungsnoten nach § 5 NVO ausgibt. Denn § 3 Abs. 1 und 4 NVO verlangen grundsätzlich, dass für jeden Schüler in jedem Schuljahr zu einem bestimmten Termin ein Zeugnis nach § 5 NVO ausgegeben wird.
80 
(b) Abgesehen davon genügen auch die vom Kläger bei Bedarf sowie in Jahrgangsstufe 9 und ggf. in Zukunft in Jahrgangsstufe 8 ausgestellten Zeugnisse nicht den für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben für die Notenbildung.
81 
Denn das vom Kläger schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung durch die Schulleiterin der Hauptschule des Klägers näher erläuterte Bewertungssystem der Schule des Klägers ist nicht in der Lage, Leistungsnoten zu erzeugen, die den für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben genügen. Der Kläger hat zwar behauptet, er dokumentiere und archiviere Arbeiten und Lernergebnisse der Schüler und sei in der Lage, aufgrund eines Leistungsbewertungssystems, das zunächst Symbole verwendet habe und mittlerweile mit Punkten arbeite, jederzeit bei Bedarf Noten nach § 5 NVO erzeugen zu können. Dies konnte jedoch anhand der vorgelegten Unterlagen in der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Senats dargestellt werden. So wurde die dort für den Kläger anwesende Schulleiterin seiner Haupt-, Real- und Förderschule, Frau B., vom Senat gebeten, für den Schüler „L..., Lernjahr 1-3“ aufgrund des „Linearen Leistungsbewertungssystems der Primarstufe SJ 2011/12“ sowie der „Dokumentation Inhalte Mathe Lj 3 2011/12 L...“ darzustellen, welche Endnote der Schüler im Lernjahr 3 im Fach Mathematik erhalten würde. Dazu war sie indes nicht in der Lage. Sie verwies zwar auf die in der Dokumentation in der letzten Spalte festgehaltenen Punktzahlen. Da diese jedoch nicht auf eine theoretisch erreichbare Gesamtpunktzahl Bezug nehmen, sind sie allein nicht aussagekräftig. Zwar finden sich in dem gleichen Schnellhefter weiter hinten zwei Beispiele für von dem Schüler gelöste schriftliche Aufgaben im Fach Mathematik, bei denen neben der erreichten Punktzahl eine Bezugsgröße angegeben ist. Eine dieser Punktzahlen entspricht der in der Dokumentation genannten Punktzahl nur nach einer rechnerischen Rundung nach oben. Insgesamt bleibt es jedoch dabei, dass die Dokumentation als solche nicht für die Notengebung auswertbar ist. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als dort mit dem Buchstaben „m“ bezeichnete mündliche Noten in großer Zahl vermerkt sind. Denn diesbezüglich findet sich nirgends eine Relationsgröße.
82 
Darüber hinaus ist in der mündlichen Verhandlung auch unklar geblieben, in welchem Verhältnis die in der „Dokumentation“ aufgeführten Leistungen, insbesondere schriftliche und mündliche Leistungen, zueinander stehen, also mit welchem Gewicht sie jeweils in die Gesamtbewertung einfließen. Dies konnte von der Schulleiterin des Klägers nicht geklärt werden, die lediglich darauf verwiesen hat, die Notengebung sei Sache des Fachlehrers, der auch zur Ableitung einer Ziffernnote in der Lage sei.
83 
Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag des Klägers und den Angaben der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung neben den aufgrund des „linearen Leistungsbewertungssystems“ gewonnenen Punktebewertungen auch die Selbsteinschätzung des jeweiligen Schülers und seiner Eltern sowie Entwicklungsbriefe, mit denen die Lern- und Verhaltensentwicklung in allen Lernbereichen am Ende des Schuljahres ausführlich beschrieben wird, Eingang in die Notenbildung finden. Die Schulleiterin gab weiter dazu an, dass nicht allgemein gesagt werden könne, in welchem konkreten Verhältnis diese Bewertungen zu den mit Punkten bewerteten Arbeiten der Schüler in die Gesamtbewertung bzw. die potentiell zu erteilende Note einfließen. Abgesehen davon, dass es problematisch ist, aus Verbalnoten Ziffernnoten abzuleiten (vgl. Maier, Was leisten Verbalzeugnisse?, in: Grundschule 2003, S. 72, 74), ist damit nicht ersichtlich, dass es zumindest für eine Jahrgangsstufe allgemeingültige Bewertungskriterien für die Gewichtung der verschiedenen Leistungen der Schüler gibt. Deren Existenz wird indes von § 7 Abs. 1 Satz 3 NVO vorausgesetzt, weil der Fachlehrer zu Beginn des Unterrichts bekanntgeben muss, wie er in der Regel die verschiedenen Leistungen bei der Notenbildung gewichten wird. Die Existenz und die Kommunikation solcher Regeln ist auch notwendig, um später gegebenenfalls eine gerichtliche Überprüfung der Notenbildung zu ermöglichen.
84 
Schließlich ist auch nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der Kläger für die Beurteilung der Schülerleistungen auf die von der Notenbildungsverordnung und der Verordnung über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen vorgeschriebenen Leistungen abstellt.
85 
Zunächst ist nicht ersichtlich, dass er die nach § 9 Abs. 1 NVO in der Hauptschule erforderliche Zahl von Klassenarbeiten im Fach Deutsch anfertigen lässt. In den vorgelegten Unterlagen, den beiden die Hauptschule betreffenden Portfolios, finden sich zwar einige sog. „Lernzielkontrollen“. Dabei ist jedoch völlig unklar, ob diese das Niveau einer Klassenarbeit im Sinne von § 8 Abs. 1 NVO erreichen oder ob es sich um schriftliche Wiederholungsarbeiten im Sinne von § 8 Abs. 2 NVO handelt. Für das Fach Englisch finden sich in den Portfolios keine Beispiele für schriftliche Arbeiten, obwohl auch hier solche Arbeiten von § 9 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 NVO verlangt werden.
86 
Mit den vorgelegten Unterlagen ist auch die Einhaltung der für die Grundschule geltenden Vorgaben der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen zur Leistungsfeststellung nicht nachgewiesen. Es wurden für die Kinder M... und L... etwa für das Schuljahr 2011/12 nur Beispiele von Lernstandskontrollen vorgelegt, davon 4 bzw. 3 Kontrollen im Fach Deutsch und nur je zwei im Fach Mathematik. Beide Kinder befanden sich in dem beispielhaft dargestellten Schuljahr im vierten bzw. dritten „Lernjahr“. Auch wenn die vorgelegten Unterlagen nur beispielhafte Auszüge darstellen und nach Angaben der Schulleiterin des Klägers nicht vollständig sind, ist die erforderliche Zahl an Arbeiten in den Fächern Deutsch, insbesondere Aufsätze, sowie in Mathematik damit nicht dargetan.
87 
Dass die genannten Vorgaben für schriftliche Arbeiten zur Leistungsfeststellung für die Schule des Klägers keine Rolle spielen, wird im Übrigen durch die Angabe der Schulleiterin des Klägers bestätigt. Sie gab an, für die Leistungsbewertung sei keine bestimmte Anzahl von herausgehobenen Klassenarbeiten vorgesehen. Daher würde dies den Schülern vorab auch nicht kommuniziert.
88 
(2) Der Senat ist außerdem nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger nach einer Anerkennung an die Vorgaben der Notenbildungsverordnung und der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen halten würde.
89 
Zwar hat die Schulleiterin der Hauptschule des Klägers gegen Ende der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats behauptet, die Schule werde nach einer Anerkennung Notenzeugnisse erteilen. Diese Absichtserklärung widerspricht jedoch dem der Genehmigung zugrundeliegenden und auch noch am 22.10.2012 auf der Internet-Homepage des Klägers veröffentlichten Konzept seiner Schule. Danach ersetzen ausführliche und vielfältige Lerndokumentationen und die zwei Mal im Jahr stattfindenden Entwicklungsgespräche, welche die Lernbegleiter zusammen mit Eltern und Schülern führen, die Ziffernbenotung. Hierauf legen die Eltern der Schüler des Klägers Wert, sie wünschen in aller Regel keine Zeugnisse mit Ziffernnoten. Dies hat die Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Auch die vorgelegten schriftlichen Erklärungen des Klägers stützen nicht die Behauptung der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung, nach einer Anerkennung Ziffernnoten erteilen zu wollen. Der Kläger hat mit seinen schriftlichen Darlegungen bislang immer versucht, einen Weg aufzuzeigen, wie er die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften über die Noten- und Zeugnisvergabe handhaben möchte, ohne seine pädagogischen Eigenheiten aufzugeben (vgl. die Schriftsätze vom 24.11.2011, 31.08.2012 und 17.09.2012). Bezüglich dieses Wegs ist jedoch soeben festgestellt worden, dass er den für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften nicht entspricht.
90 
b) Der Kläger hat sich darüber hinaus weder in den vergangenen drei Jahren an die für öffentliche Grund- und Hauptschulen geltenden Versetzungsbestimmungen gehalten noch wird er dies voraussichtlich in Zukunft tun. Damit bietet er auch insoweit nicht nach § 10 Abs. 1 PSchG und Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d und Abs. 2 Satz 1 VVPSchG die Gewähr, dass er dauernd die an öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt.
91 
aa) Anforderungen an die Versetzung von Schülern in der Grundschule ergeben sich aus der Grundschulversetzungsordnung vom 30.01.1984 (GBl. S. 145), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 08.12.2011 (GBl. S. 562). In § 1 Abs. 2 dieser Verordnung sind für bestimmte Klassenstufen bezüglich bestimmter Fächer Notengrenzen für die Versetzung festgelegt. In § 2 Abs. 1 und 2 der Grundschulversetzungsordnung wird bestimmt, dass dann, wenn in den Klassen 2 bis 4 in den Fächern Deutsch, Mathematik sowie ab Klasse 3 im Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur nur von einem Lehrer unterrichtet wird, dieser sechs Wochen vor Aushändigung der Jahreszeugnisse alle Schüler, bei denen die Versetzung gefährdet erscheint, dem Schulleiter schriftlich meldet. Der Schulleiter hat sich dann einen Eindruck von der Leistung der Schüler zu verschaffen. An ein- und zweiklassigen Schulen ist die Meldung an das Staatliche Schulamt zu richten. § 3 der Grundschulversetzungsordnung enthält Bestimmungen über die Aussetzung der Versetzungsentscheidung durch die Klassenkonferenz.
92 
Für die Hauptschule regelt nun die Werkrealschulverordnung (WRSVO) vom 11.04.2012 (GBl. S. 334) die Versetzung. Die Anforderungen an die Versetzung sowie das Versetzungsverfahren ergeben sich aus den §§ 4 bis 11 WRSVO. Die dort normierten Versetzungsanforderungen gehen von Schulklassen (vgl. auch § 1 Abs. 1 WRSVO) sowie von Schulnoten nach der Notenbildungsverordnung aus. Zuvor galt die Werkrealschulverordnung vom 11.11.2009 (GBl. S. 693) mit ähnlichen Versetzungsanforderungen.
93 
bb) Diese Vorgaben beachtet der Kläger weder bislang noch ist davon auszugehen, dass er sie zukünftig beachten wird. Die Schule des Klägers gliedert sich nicht in nach Jahrgängen differenzierende Schulklassen, wie dies in den genannten Versetzungsbestimmungen vorausgesetzt wird. Darüber hinaus erteilt er nicht regelmäßig Noten nach den für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen, die für die Entscheidung über die Versetzung bzw. Nichtversetzung maßgeblich sind.
94 
Nichtversetzungsentscheidungen im Sinne der genannten Vorschriften sind im Konzept der Schule des Klägers allerdings auch nicht vorgesehen. Dies ergibt sich aus dem im Tatbestand dargestellten der Genehmigung als Ersatzschule zugrundeliegenden Konzept der Schule des Klägers vom 15.01.2006. Zwar behauptet dieser, bei einer Nichtversetzung ein Zeugnis mit Ziffernnoten zu erteilen. Allerdings ist es bislang noch nicht zu einer solchen Nichtversetzungsentscheidung gekommen. Dies mag an der Qualität der Schüler bzw. des Unterrichts der Schule liegen. Seine Ursache hat dies jedoch auch im Schulkonzept des Klägers. Die Schule des Klägers gliedert sich derzeit in fünf Stammgruppen. In der Primarstufe (Jahrgangsstufen 1 bis 4) gibt es derzeit zwei parallele Gruppen 1a und 1 b mit jeweils 17 bzw. 18 Schülern. Des Weiteren gibt es eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 5 und 6 mit 15 Schülern, eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 7 und 8 mit 21 Schülern und eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 9 und 10 mit 15 Schülern. Innerhalb der Stammgruppe lernen die Schüler nach ihrem individuellen Tempo. Maßstab für das Voranschreiten eines Schülers und damit für die „Versetzung“ im Sinne des Vortrags des Klägers ist insbesondere die Erfüllung des Bildungsplans. Der Lernerfolg wird in einem Lernkompetenz-Buch/Pensenbuch dokumentiert. Erreicht ein Schüler in einem Schuljahr nicht die Vorgaben des Bildungsplans, bekommt er die betreffenden Aufgaben des vergangenen Schuljahres erneut vorgelegt, um Defizite abzubauen. Ein „Sitzenbleiben“ ist im Konzept des Klägers nicht vorgesehen.
95 
cc) Soweit der Kläger vorträgt, er wende die Multilaterale Versetzungsordnung vom 12.12.2010 (GBl. 2011 S. 9, ber. K.u.U. S. 120) an, die den Übergang zwischen Hauptschulen, Werkrealschulen, Realschulen und Gymnasien der Normalform regelt, ist dies für das vorliegende Verfahren nur insoweit von Belang, als es um den Übergang innerhalb der Sekundarstufe auf die Hauptschule des Klägers geht. Der Übergang in die Realschule des Klägers spielt hier keine Rolle. Denn für die von ihm betriebene Realschule begehrt er mit der vorliegenden Klage keine staatliche Anerkennung.
96 
Die Anwendung der §§ 9 bis 12 der Multilateralen Versetzungsverordnung für den Übergang vom Gymnasium oder einer Realschule in die Hauptschule des Klägers scheitert jedoch ebenfalls daran, dass diese Regelungen ein Jahrgangsklassensystem voraussetzen. Die Schule des Klägers kennt jedoch keine Jahrgangsklassen, sondern nur sog. „Stammgruppen“, in denen die Schüler individuell und jahrgangsübergreifend unterrichtet werden.
97 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
98 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
99 
Beschluss vom 23. Oktober 2012
100 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. II.38.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004, NVwZ 2004, 1327). Der dort für die Genehmigung vorgeschlagene Streitwert ist auch für die geltend gemachte Anerkennung anzusetzen.

Gründe

 
24 
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
25 
Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere genügt sie den Erfordernissen des § 124a Abs. 6 VwGO. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.02.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte der vom Kläger betriebenen privaten Grund- und Hauptschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule verleiht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
1. Nach § 10 Abs. 1 des Privatschulgesetzes (PSchG) verleiht die obere Schulaufsichtsbehörde - das Regierungspräsidium (vgl. § 34 Abs. 1 des Schulgesetzes - SchG) - einer Ersatzschule, welche die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen beziehungsweise an Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG gestellten Anforderungen erfüllt, die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule. Mit der Anerkennung erhält die Ersatzschule nach § 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG das Recht, nach den allgemein für öffentliche Schulen beziehungsweise für Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen.
27 
Nach Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz (VVPSchG) in der Fassung vom 20.07.1971 (GBl. S. 346), zuletzt geändert durch Artikel 53 des Gesetzes vom 01.07.2004 (GBl. S. 469, 502), werden die gestellten Anforderungen unbeschadet der Vorschriften des § 5 Abs. 2 PSchG von einer Ersatzschule im Sinne des § 3 Abs. 1 PSchG erfüllt, wenn
28 
a) dem Unterricht ein von der Schulaufsichtsbehörde genehmigter Lehrplan zugrunde liegt;
b) das Lehrziel der entsprechenden öffentlichen Schule erreicht wird;
c) der Übertritt eines Schülers von der Ersatzschule an die entsprechende öffentliche Schule und umgekehrt ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist;
d) die für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen angewendet werden;
e) der Leiter der Schule die für seine Aufgabe erforderliche wissenschaftliche und pädagogische Eignung besitzt;
f) die Lehrer in der Regel die Anstellungsfähigkeit für das ihrer Tätigkeit entsprechende Lehramt an öffentlichen Schulen besitzen. Auf diese Voraussetzung kann in einem den besonderen Gegebenheiten der betreffenden Privatschule angemessenem Umfang verzichtet werden.
29 
Nach Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG muss die Ersatzschule die gestellten Anforderungen grundsätzlich drei Jahre erfüllt haben, bevor angenommen werden kann, dass die Schule diese Anforderungen auf die Dauer erfüllt.
30 
Nach Nummer 12 Abs. 4 VVPSchG stehen Zeugnisse der anerkannten Ersatzschulen und Prüfungen, die an diesen Schulen nach den für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Prüfungsordnungen abgelegt werden, den entsprechenden Zeugnissen und Prüfungen der öffentlichen Schulen gleich.
31 
2. Diese Regelungen begegnen weder in formeller noch in materieller Hinsicht rechtlichen Bedenken. Dabei sind die genannten Regelungen vorliegend nur insoweit von Bedeutung, als sie auf die für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben Bezug nehmen. Die für Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG geltenden Anforderungen sind hier nicht von Bedeutung. Bei der vom Kläger betriebenen Schule handelt es sich nicht um eine Schule im Sinne von § 3 Abs. 2 PSchG, insbesondere nicht um eine Waldorfschule.
32 
a) Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 4 VVPSchG beruht auf einer hinreichenden Rechtsgrundlage und hält sich in deren Grenzen.
33 
(1) Bei der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz handelt es sich nicht um eine Verwaltungsvorschrift, sondern um eine Rechtsverordnung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27.05.1981 - XI 3377/78 - und vom 12.06.1986 - 9 S 265/86 -; BVerwG, Urteil vom 18.11.1983 - 7 C 114/81 -, BVerwGE 68, 185). Dies ergibt sich mittlerweile bereits aus der Überschrift der Norm. Bis zum 31.12.2004 hatte die Überschrift noch „Vorschriften zum Vollzug des Privatschulgesetzes“ gelautet. Allerdings wurden die Ursprungsfassung der Norm sowie alle Folgeänderungen im Gesetzblatt des Landes veröffentlicht (vgl. Art. 63 Abs. 2 LV).
34 
(2) Die oben genannten Bestimmungen der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz sind laut der Eingangsformel der Verordnung noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2, § 13 Abs. 2 Satz 2 und § 25 des Privatschulgesetzes in der Fassung vom 14.05.1968 (GBl. S. 223), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 07.04.1970 (GBl. S. 130), gestützt. Dem Zitiergebot aus Art. 61 Abs. 1 Satz 3 LV wurde damit Rechnung getragen.
35 
(3) Die genannten Verordnungsbestimmungen sind nicht dadurch außer Kraft getreten, dass die Ermächtigungsnormen, insbesondere § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968, mittlerweile aufgehoben wurden und das Privatschulgesetz nun in § 23 Satz 1 Nr. 1 PSchG eine neue Ermächtigungsgrundlage für Vollzugsverordnungen zum Privatschulgesetz enthält (vgl. speziell zur VVPSchG den Senatsbeschluss vom 12.06.1986 - 9 S 265/86 -; allgemein: Senatsbeschluss vom 17.12.1996 - 9 S 300/94 -, Juris Rn. 36). Es ist anerkannt, dass das nachträgliche Erlöschen oder auch die nachträgliche Änderung einer Ermächtigung ohne Einfluss auf den Rechtsbestand einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung ist. Dies gilt auch dann, wenn die inhaltlichen Voraussetzungen der Ermächtigung später entfallen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.12.1958 - 1 BvR 488/57 -, BVerfGE 9, 3, vom 25.07.1962 - 2 BvL 4/62 -, BVerfGE 14, 245, und vom 23.03.1977 - 2 BvR 812/74 -, BVerfGE 44, 216).
36 
(4) Die Rechtsgrundlage des § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 genügt den Vorgaben von Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 LV, insbesondere dem Bestimmtheitsgebot. Nach den genannten Normen der Landesverfassung kann die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden.
37 
§ 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 ist hinreichend bestimmt in diesem Sinne. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt (vgl. Urteile vom 27.05.1981, a.a.O., und vom 12.06.1986, a.a.O.). Zwar war in § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 nur geregelt, dass das zuständige Ministerium im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Privatschulgesetzes erlässt. Jedoch braucht der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht ausdrücklich im Text des ermächtigenden Gesetzes zu bestimmen. Vielmehr gelten auch für die Interpretation von Ermächtigungsnormen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können also, wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift, der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem ganzen Gesetz ermitteln lassen. Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann - vor allem zur Bestätigung des Ergebnisses der Auslegung - herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1966 - 2 BvR 424/63 -, BVerfGE 19, 354).
38 
Vorliegend war und ist zur Konkretisierung der Auslegung von § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 vor allem § 10 PSchG heranzuziehen, der noch heute im Wesentlichen unverändert gilt. Beide Normen zusammengenommen sind nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. Sie geben mit ausreichender Klarheit einen Rahmen für eine Rechtsverordnung vor, mit der die Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung präzisiert werden. Die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule ist danach unter anderem nur möglich, wenn die Ersatzschule die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt (§ 10 Abs.1 PSchG). Mit der Anerkennung erhält die Ersatzschule das Recht, nach den allgemein für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG).
39 
(5) Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 4 VVPSchG hält sich in den Grenzen dieser Ermächtigungsnormen.
40 
(a) Dass eine Ersatzschule die für eine staatliche Anerkennung gestellten Anforderungen unbeschadet der Vorschriften des § 5 Abs. 2 PSchG nach Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d VVPSchG nur erfüllt, wenn die für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen anwendet werden, war und ist von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Billigung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 18.11.1983, a.a.O.).
41 
(b) Von der genannten gesetzlichen Ermächtigung gedeckt ist des Weiteren Nummer 12 Abs. 4 VVPSchG, der bestimmt, dass Zeugnisse der anerkannten Ersatzschulen und Prüfungen, die an diesen Schulen nach den für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Prüfungsordnungen abgelegt werden, den entsprechenden Zeugnissen und Prüfungen der öffentlichen Schulen gleich stehen. Diese Vorschrift ist bereits im Wesentlichen durch § 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG vorgegeben.
42 
Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 VVPSchG sowie § 10 Abs. 1 und 2 Satz 1 PSchG sind auch so zu verstehen, dass die für die Erteilung von Zeugnissen an öffentlichen Schulen geltenden Regelungen ebenfalls zu den Anforderungen nach § 10 Abs. 1 PSchG gehören, die von der Ersatzschule bereits während der Bewährungszeit von grundsätzlich drei Jahren nach Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG beachtet werden müssen, auch wenn ihre Zeugnisse noch keine hoheitlich anerkannten Berechtigungen darstellen. Zwar sprechen zunächst der Wortlaut und die Systematik von Nummer 12 Abs. 1 bis 4 VVPSchG gegen eine Einbeziehung der Vorschriften über die Zeugniserteilung in den Kreis der vorab einzuhaltenden Anforderungen. Denn die Vorschriften über die Zeugniserteilung werden in Nummer 12 Abs. 1 VVPSchG nicht genannt. Vielmehr normiert zunächst Nummer 12 Abs. 1 VVPSchG diejenigen Vorschriften, die beachtet werden müssen, damit die gestellten Anforderungen erfüllt werden.
43 
Für die Annahme, dass auch die vorherige Einhaltung der Zeugniserteilungsvorschriften verlangt werden kann, spricht jedoch, dass gerade diese Vorschriften von der Ersatzschule beachtet werden müssen, wenn sie nach ihrer Anerkennung öffentliche Berechtigungen vergeben will. Daher muss die Ersatzschule gerade bezüglich dieser Vorschriften die Gewähr bieten, sich dauernd an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften halten zu können und zu wollen. Der Wortlaut des § 10 PSchG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Der Zweck der Anerkennung setzt es vielmehr als selbstverständlich voraus, dass insbesondere die für die Erteilung von Zeugnissen geltenden Regelungen eingehalten werden. Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass vor allem die - in Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d VVPSchG explizit erwähnten - Versetzungsbestimmungen einen engen Zusammenhang mit den Regelungen der Noten- und Zeugnisvergabe aufweisen, weil Noten in öffentlichen Schulen in der Regel entscheidend für die Versetzung sind.
44 
(c) Auch Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Die Regelung verlangt, dass die Ersatzschule die gestellten Anforderungen grundsätzlich drei Jahre erfüllt haben muss, bevor angenommen werden kann, dass die Schule diese Anforderungen auf Dauer erfüllt. § 10 Abs. 1 PSchG macht zur Voraussetzung für den normierten Anspruch auf staatliche Anerkennung, dass die Ersatzschule „die Gewähr bietet, dass sie dauernd“ die an sie gestellten Anforderungen erfüllt. Damit ist Grundlage für die Entscheidung über den Anspruch zwar eine Prognose. Allerdings muss die Prognose auf einer hinreichenden Tatsachenbasis beruhen. Dies ist schon deshalb erforderlich, damit die betreffenden Schüler und ihre Eltern bei ihrer Entscheidung, ob die betreffende Ersatzschule besucht werden soll, über eine rechtssichere Grundlage verfügen, auf die sie vertrauen können. Damit verbietet sich eine nicht auf belegten Tatsachen, sondern nur auf Absichtserklärungen der Ersatzschule beruhende Anerkennung „ins Blaue hinein“, bei der die Gefahr besteht, dass sie bald wegen Nichteinhaltung der Anforderungen widerrufen werden muss oder dass Streit über die Einhaltung der Anforderungen entsteht. § 10 Abs. 1 PSchG lässt sich das gesetzliche Ziel entnehmen, dass vor einer Anerkennung sichergestellt sein muss, dass die Ersatzschule die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Daher bietet die gesetzliche Grundlage des § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 nach ihrem Inhalt, Zweck und Ausmaß (Art. 61 Abs. 1 Satz 2 LV) eine Grundlage für eine Bewährungsfrist, wobei sich auch die Dauer von drei Jahren in dem vom gesetzlichen Zweck vorgegebenen Rahmen hält.
45 
b) Die genannten Regelungen der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz sowie die Regelungen in § 10 PSchG sind auch im Übrigen mit der Verfassung vereinbar.
46 
aa) Nach dem Grundgesetz haben die Länder die ausschließliche Befugnis zur Regelung des Privatschulwesens (Art. 30, 70 ff. GG). Ihre Gesetzgebungsbefugnis ist in sachlicher Hinsicht durch Art. 7 Abs. 4 und 5 GG eingeschränkt. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG will die Freiheit im Schulwesen verwirklichen; er gewährleistet jedermann das Grundrecht, Privatschulen zu errichten.
47 
Das Recht zur Errichtung von Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen (Ersatzschulen) ist jedoch durch den Vorbehalt staatlicher Genehmigung beschränkt (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG); ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung ist nur unter den in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 GG aufgeführten Voraussetzungen verfassungsverbürgt. Mit dieser Gründungsfreiheit verbindet Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG zugleich eine Garantie der Privatschule als Institution, die der Privatschule verfassungskräftig eine ihrer Eigenart entsprechende Verwirklichung sichert. Der dem staatlichen Einfluss damit entzogene Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Privatschule ein eigenverantwortlich geprägter und gestalteter Unterricht erteilt wird, insbesondere soweit er die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und Lehrinhalte betrifft. Diese Gewährleistung bedeutet die Absage an ein staatliches Schulmonopol und ist zugleich eine Wertentscheidung, die eine Benachteiligung gleichwertiger Ersatzschulen gegenüber den entsprechenden staatlichen Schulen allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen und -inhalte verbietet. Dieses Offensein des Staates für die Vielfalt der Formen und Inhalte, in denen Schule sich darstellen kann, entspricht den Wertvorstellungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die sich zur Würde des Menschen und zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität bekennt. Das Grundrecht der Privatschulfreiheit bedeutet allerdings nicht, dass die Privatschule eine staatsfreie Schule ist. Ebenso wie die Weimarer Reichsverfassung bekennt sich das Grundgesetz, jedoch mit verstärkten Garantien, zu dem „System der begrenzten Unterrichtsfreiheit" der Privatschulen. Denn die Länder haben nicht nur die Gesetzgebungszuständigkeit für das Privatschulwesen; nach Art. 7 Abs. 1 GG unterstehen die Privatschulen auch ihrer Schulaufsicht. Die staatliche Schulaufsicht nach Art. 7 Abs. 1 GG ist aber bei den Privatschulen ebenso wenig wie bei den öffentlichen Schulen ein umfassendes staatliches Bestimmungsrecht über die Schulen; vielmehr ist sie insbesondere durch Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG modifiziert (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195, 200 f.).
48 
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Verwaltungsgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht und ein erheblicher Teil der Literatur angeschlossen haben, verbietet das Grundgesetz grundsätzlich nicht die Heraushebung einer Gruppe der Ersatzschulen als „anerkannte Ersatzschulen“. Die nur diesen Schulen verliehenen Befugnisse sind keine Berechtigungen, die nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG allen Ersatzschulen zukommen müssen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14.11.1969, a.a.O., 201, und vom 11.06.1974 - 1 BvR 82/71 -, BVerfGE 37, 314; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 18.11.1983, a.a.O., und vom 13.12.2000 - 6 C 5/00 -, BVerwGE 112, 263; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004 -, Vf. 11-VII-02 -, Juris Rn. 32; OVG LSA, Urteil vom 15.12.2010 - 3 L 426/08 -, Juris Rn. 45; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, Rn. 1014 ff.; Avenarius, in: ders., Schulrecht, 8. Aufl. 2010, Rn. 15.653; Kösling, Die private Schule gemäß Art. 7 Abs. 4, 5 GG, 2005, S. 205 ff.; Badura, in: Maunz/Dürig , GG, Art. 7 Abs. 4 bis 6 Rn. 116 ; Gröschner, in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 7 Rn. 109; Uhle, in: Epping/Hillgruber , BeckOK GG, Art. 7 Rn. 88; Schmitt-Kammler/Thiel, in: Sachs , GG, 6. Aufl. 2011, Art. 7 Rn. 71).
49 
Weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Regelung des Art. 7 Abs. 2 bis 4 GG kann eine staatliche Verpflichtung entnommen werden, den Ersatzschulen derartige Berechtigungen einzuräumen. Auszugehen ist davon, dass das Grundgesetz die Frage der Berechtigungen nicht ausdrücklich behandelt hat, so dass die Annahme naheliegt, diese Regelung solle dem Landesgesetzgeber überlassen bleiben. Im Übrigen regeln Art. 7 Abs. 2 bis 4 und Abs. 5 GG nur die Voraussetzungen, unter denen die Genehmigung für die Errichtung einer Ersatzschule zu erteilen oder zu versagen ist. Diese Regelung betrifft einen anderen Sachverhalt, als ihn die Anerkennung zum Gegenstand hat. Das Genehmigungserfordernis hat den Sinn, die Allgemeinheit vor unzureichenden Bildungseinrichtungen zu schützen. Durch die Erteilung der Genehmigung wird festgestellt, dass Bedenken gegen die Errichtung der Schule nicht bestehen und dass der Besuch der Schule als Erfüllung der Schulpflicht gilt; damit wird ihr die freie Betätigung im schulischen Bereich in den ihr wesensgemäßen Formen des Privatrechts gewährt. Wenn aber eine anerkannte Privatschule den Bildungsgrad ihrer Schüler mit öffentlich-rechtlicher „Außenwirkung" feststellt, das heißt öffentlich-rechtliche Zugangsberechtigungen vermittelt oder Berechtigungen zur Führung einer Berufsbezeichnung erteilt, dann übt sie hoheitliche Funktionen aus, die ihr aus dem privatrechtlichen Status nicht zukommen, sondern von einem Hoheitsträger übertragen werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 203).
50 
Hinzu kommt, dass die Beantwortung der Frage, ob eine Privatschule mit „Öffentlichkeitsrechten" ausgestattet werden kann, entscheidend von der auf Dauer gewährleisteten Qualität der einzelnen Schule abhängen muss, während der Begriff der Ersatzschule nach der Regelung des Art. 7 Abs. 4 und Abs. 5 GG nur von den dort allgemein bestimmten Voraussetzungen abhängt. Die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG umschreiben nur den äußeren Rahmen der Ersatzschule, innerhalb dessen sie Bildung und Erziehung weitgehend mit eigenen, vom Staat nicht geprägten Methoden, Inhalten und Zielen verwirklichen kann. Zwar schließt die Genehmigung die Erwartung ein, dass die Schule bei der vorausgesetzten Anlage in Erziehungszielen, personellen und sachlichen Mitteln ihren Schülern eine Ausbildung und Erziehung vermitteln wird, die nicht hinter der durch eine öffentliche Schule zu erlangenden zurücksteht. Ob sich diese Erwartungen erfüllen werden, hängt jedoch nicht von der Planung und dem Ziel der Schule, sondern ihrer Bewährung ab, die in der Regel erst nach einer gewissen Dauer, also noch nicht bei der Genehmigung der Ersatzschule, beurteilt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 204).
51 
cc) In der Literatur wird diese Rechtsprechung teilweise für fehlerhaft gehalten. So wird argumentiert, der in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG verwendete Begriff „als Ersatz für öffentliche Schulen“ beinhalte auch das Recht zur Zeugnisvergabe mit öffentlich-rechtlicher Wirkung (vgl. Müller/Kromer, NVwZ 1984, 77, 80; Ogorek, DÖV 2010, 341, 344; a. A. insoweit: Seidel, Die Anerkennung der privaten Ersatzschule und ihre Auswirkungen auf das Privatrechtsverhältnis, 2005, S. 86 ff.). Auch wird der Anpassungsdruck, der durch die Einhaltung der für öffentliche Schulen geltenden Anforderungen erzeugt wird, für zu groß gehalten und darin ein Eingriff in die Privatschulfreiheit gesehen (vgl. Ogorek a.a.O., 346; Müller/Kromer, a.a.O.). Aus diesem Grund wird unter anderem vertreten, dass eine Anerkennung lediglich voraussetze, dass die Genehmigungsvoraussetzungen als Ersatzschule dauerhaft eingehalten werden. Erst nach einer solchen Anerkennung sei die Ersatzschule verpflichtet, zur Aufgabenerfüllung im Bereich des Berechtigungswesens für die Aufnahme, Versetzung, Prüfung und das Zeugnis von Schülern die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften anzuwenden (vgl. Seidel, a.a.O., S. 107).
52 
dd) Diesen Auffassungen ist jedoch nicht zu folgen (so auch der Senatsbeschluss vom 08.04.2011 - 9 S 884/11 -, VBlBW 2011, 476). „Ersetzend“ wirken die Ersatzschulen im Wesentlichen nur hinsichtlich der Schulpflicht (vgl. Kösling, Die private Schule gemäß Art. 7 Abs. 4, 5 GG, 2005, S. 179). Es ist nämlich - wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat - davon auszugehen, dass zum Bereich der Privatschule, auf den sich die Gewährleistung in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG bezieht, auch die Feststellung des Ausbildungserfolges in Zeugnissen und Prüfungen gehört. Dagegen gehört die Regelung, ob und welche Berechtigungen Prüfung und Zeugnis nach außen vermitteln, nicht dazu, auch wenn diese Regelung nicht ohne Einfluss auf die Lehrziele der Schule ist, die nicht zuletzt zu diesen Berechtigungen hinführen soll. Die Ordnung des Berechtigungswesens ist in ihrer Zielrichtung nicht auf das Schulwesen beschränkt, sondern erstreckt sich auf das Berufsleben dort, wo für die Berufswahl und Berufsausübung in den durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Grenzen ein Allgemeininteresse an einer besonderen Qualifikation in Anspruch genommen werden muss oder wird. Hier hat das Eigenbestimmungsrecht der Privatschule keinen Platz; die Ordnung des Berechtigungswesens ist eine natürliche Aufgabe des Staates, die dieser auch seit jeher für sich in Anspruch genommen hat. Mit der Ordnung des Berechtigungswesens ist notwendig die Aufsicht darüber verbunden, dass die Berechtigungen nur den Schülern zuerkannt werden, die den entsprechenden Bildungsgrad erworben haben. Diese Aufsicht betrifft ebenso wenig wie die Ordnung des Berechtigungswesens innere Schulangelegenheiten. Deshalb wird der Staat in der Gestaltung dieser Aufsicht grundsätzlich nicht durch Art. 7 Abs. 4 GG beschränkt, der den Privatschulen nur eine Teilhabe am Schulwesen sichert, den Staat aber nicht verpflichtet, die Feststellung der für die Berechtigungen erforderlichen Voraussetzungen durch die Privatschulen selbst vornehmen zu lassen, soweit es sich um ihre Schüler handelt. Insoweit sind die Länder bei der Einordnung des Privatschulwesens in das System der Berechtigungen durch Art. 7 Abs. 4 GG nicht beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 205 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O., Rn. 32).
53 
Dass die Verleihung öffentlich anerkannter Berechtigungen eine staatliche Aufgabe ist, wird im Übrigen durch Art. 17 Abs. 3 LV bestätigt, der bestimmt, dass Prüfungen, durch die eine solche Berechtigung erworben werden soll, vor staatlichen oder staatlich ermächtigten Stellen abgelegt werden müssen.
54 
Darüber hinaus dürfen auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Länder - auch wenn Art. 7 Abs. 4 GG keinen Anspruch auf Anerkennung der Ersatzschulen gewährt und der Landesgesetzgeber deshalb die Erteilung der Anerkennung von besonderen, über die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG hinausgehenden Bedingungen abhängig machen kann - das Institut der Anerkennung und die mit ihm verbundenen wirtschaftlichen Vorteile nicht dazu benutzen, die Ersatzschulen zur Anpassung an die öffentlichen Schulen in einem der Sache nach nicht gebotenen Umfang zu veranlassen oder unter Verletzung des Gleichheitsgebotes einzelne Privatschulen gegenüber anderen Schulen zu benachteiligen. Es würde mit Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren sein, wenn die Ersatzschulen ohne sachlichen Grund zur Aufgabe ihrer Selbstbestimmung veranlasst werden würden (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 208 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O., Rn. 33). Es würde gegen Art. 7 Abs. 4 GG verstoßen, wenn der Staat den Schülern von Ersatzschulen den Weg zu den Berechtigungen versperren würde. Ebenso muss der Staat bei der Beurteilung, ob einem Privatschüler die Berechtigung zuzuerkennen ist, den besonderen Erziehungszielen der Privatschulen Rechnung tragen, soweit dies bei Würdigung von Inhalt und Bedeutung der Berechtigung, insbesondere unter Beachtung des Gebotes der „Gleichheit der Startchancen" möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 206 f.).
55 
Das Verlangen nach Anpassung an die Zugangsvoraussetzungen der öffentlichen Schulen als Bedingung für die Anerkennung ist jedoch nicht sachwidrig. Darauf, dass auch eine Ersatzschule mit anderen Zulassungsverfahren eine zur Erlangung der Berechtigungen ausreichende Ausbildung vermitteln kann, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Ersatzschule, die ihre Schüler nach den für die öffentliche Schule geltenden Prinzipien auswählt, bietet dem Staat eine besondere Gewähr für einen der öffentlichen Schule entsprechenden Ausbildungserfolg sowohl während der einzelnen Ausbildungsabschnitte als auch bei Abschluss der Ausbildung. Der Staat kann deshalb eher auf eine besondere Kontrolle der von diesen Schulen erteilten Berechtigungen verzichten (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 209).
56 
Auch liegt es im Wesen derartiger Berechtigungen, dass das Prinzip der Gleichwertigkeit gegenüber dem Prinzip der Gleichartigkeit weitgehend zurücktreten muss. Darüber hinaus bestimmen Grad und Inhalt der von den öffentlichen Schulen vermittelten Schulausbildung die Voraussetzungen, unter denen die Berechtigung erteilt wird, da der Staat bei der Ordnung des Berechtigungswesens an die öffentliche Schule als Regelschule anknüpfen muss (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 207).
57 
Durch die Anerkennung wird auch nicht den nicht anerkannten Ersatzschulen, deren Schüler in der Regel zur Erlangung einer staatlich anerkannten Berechtigung eine Schulfremdenprüfung ablegen müssen, die Gleichwertigkeit in Bezug auf den Leistungserfolg im Vergleich mit den staatlichen Schulen oder den anerkannten Privatschulen abgesprochen. Vielmehr wird lediglich bei der Feststellung, ob der die Berechtigungen vermittelnde Leistungserfolg im Einzelfall erreicht ist, über die nicht anerkannten Ersatzschulen eine besondere, der Bedeutung der Berechtigungen angemessene Kontrolle ausgeübt, die im Fall der anerkannten Privatschulen entbehrlich erscheint. Diese Privatschulen, die sich bei der Schülerauswahl den öffentlichen Schulen angepasst und sich zudem einer verstärkten Schulaufsicht unterworfen haben, bieten bereits auf Grund dieser gewissermaßen vorverlegten Kontrolle die Gewähr für eine dauernde Gleichmäßigkeit im Leistungsstand und für die Einhaltung der den Berechtigungen zugrunde gelegten Normen (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 207).
58 
ee) Daher kann von Verfassungs wegen privaten Schulen, die eine staatliche Anerkennung begehren, die Einhaltung folgender Vorgaben abverlangt werden:
59 
(1) Den anerkannten Ersatzschulen kann auferlegt werden, die für die staatlichen Schulen geltenden Versetzungsordnungen zu übernehmen. Erst die Anwendung der staatlichen Versetzungsordnung stellt rechtlich sicher, dass der Leistungsstand der Schüler an Privatschulen für den Schuljahreswechsel demjenigen der Schüler an öffentlichen Schulen entspricht (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.12.2000, a.a.O., und vom 18.11.1983, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.). Eine Ersatzschule, die ihre Schüler nach den für die öffentliche Schule geltenden Prinzipien auswählt und für das Fortschreiten der Schüler in der Schule eine dem staatlichen Schulwesen entsprechende Handhabung garantiert, bietet dem Staat - unter dessen Aufsicht sie steht (Art. 7 Abs. 1 GG) - eine besondere Gewähr für einen der öffentlichen Schule entsprechenden Ausbildungserfolg sowohl während der einzelnen Ausbildungsabschnitte als auch bei Abschluss der Ausbildung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.).
60 
Bei allein genehmigten Ersatzschulen kann dagegen nicht verlangt werden, dass am Ende jedes Schuljahres ein Wechsel von der Ersatzschule auf eine öffentliche Schule möglich ist. Denn eine nur genehmigte Ersatzschule muss nur zum Abschluss des schulischen Bildungsganges eine den staatlichen Schulen gleichwertige Qualifikation erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 08.06.2011 - 1 BvR 759/08 u.a. -, Juris Rn. 21). Daher ist es in diesem Fall gleichgültig, welchen Leistungsstand die Schüler jeweils am Ende eines Schuljahres besitzen. Eine Jahrgangsmischung ist an solchen Schulen vom Zweck der Privatschulfreiheit geschützt. Daher kann das für öffentliche Schulen geltende Prinzip der Jahrgangsklassen nicht für allein genehmigte private Ersatzschulen gelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2000, a.a.O.).
61 
(2) Darüber hinaus kann von staatlich anerkannten Ersatzschulen verlangt werden, dass sie die für öffentliche Schulen geltenden Aufnahmebestimmungen beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.1983, a.a.O.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.).
62 
(3) Des Weiteren kann von staatlich anerkannten Ersatzschulen verlangt werden, dass diese bei Prüfungen und Zeugnissen Anforderungen stellen, die denen der öffentlichen Schulen gleichwertig sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O.). Eine anerkannte Ersatzschule muss die staatlichen Prüfungsregelungen im Wesentlichen übernehmen. Findet beispielsweise in einem Land eine zentrale Abschlussprüfung statt, muss die Privatschule das entsprechende Prüfungsverfahren durchführen (vgl. Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 1015 f.; Avenarius, a.a.O. Rn. 15.655; Seidel, a.a.O., S. 104 f.).
63 
Dass eine anerkannte Ersatzschule bei der Durchführung von Prüfungen und der Erteilung von Zeugnissen die hierfür geltenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben einhalten muss, folgt letztlich aus der Anerkennung selbst. Mit der Anerkennung wird die Ersatzschule Beliehener, ihr wird die hoheitliche Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen übertragen. Daher muss sie sich auch an die entsprechenden rechtlichen Vorgaben halten.
64 
(4) Schließlich ist es verfassungsrechtlich zulässig, wenn § 10 Abs. 1 PSchG in Verbindung mit Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 VVPSchG von Ersatzschulen verlangt, dass vor der Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule die für öffentliche Schulen geltenden Anforderungen, insbesondere die Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen sowie die Regeln über die Zeugniserteilung, während eines Zeitraums von grundsätzlich drei Jahren eingehalten werden. Dies stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatschulfreiheit dar.
65 
Soweit der Staat Anforderungen an die Anerkennung von Ersatzschulen stellt, kann dies als Eingriff in die Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewertet werden. Ein unmittelbarer Eingriff liegt allerdings nicht vor. Denn die Privatschulfreiheit wird hier nicht durch ein Gebot oder Verbot verkürzt. Allerdings kann man von einem mittelbaren Eingriff ausgehen. Denn die Verpflichtung zur Anpassung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben hat beträchtliche Auswirkungen auf den von Art. 7 Abs. 4 GG geschützten Bereich. Die Befugnis, staatlich anerkannte Prüfungen durchzuführen und Zeugnisse erteilen zu dürfen, ist auch für eine Privatschule von erheblicher Bedeutung. Für potentielle und aktuelle Schüler einer Privatschule und deren Eltern spielt es eine große Rolle, ob Zeugnisse und Abschlüsse im außerschulischen Bereich als verbindlich gelten oder ob eine Schulfremdenprüfung durchgeführt werden muss (vgl. Ogorek, a.a.O, 342). Durch diesen nachvollziehbaren Wunsch der „Kunden“ der Privatschulen werden diese dem Druck ausgesetzt, die Anerkennungsvoraussetzungen einzuhalten und insoweit von dem eigenen Konzept abzuweichen. Dieser Druck ist dem Staat insoweit zurechenbar, weil er erheblich und der Staat sich dessen bewusst ist.
66 
Diesen Eingriff hat das Bundesverfassungsgericht allerdings - wie oben dargestellt - in einem § 11 des Hessischen Privatschulgesetzes vom 27.04.1953 (GVBl. S. 57) betreffenden Verfahren der konkreten Normenkontrolle, dessen Ausgangsrechtsstreit die Zeit nach der Anerkennung betraf, der Sache nach jedenfalls mit Blick auf diesen Zeitraum für gerechtfertigt gehalten. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht bereits in diesem Verfahren im Ansatz festgestellt, dass die staatliche Anerkennung einer Schule verfassungsrechtlich von ihrer Bewährung abhängig gemacht werden darf, weil in der Regel erst nach einer gewissen Dauer beurteilt werden kann, ob sie die Erwartungen erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 204).
67 
Ausgehend hiervon erweist es sich vorliegend als verhältnismäßig, wenn während eines Zeitraums von grundsätzlich drei Jahren vor der Anerkennung verlangt wird, dass die für die öffentlich-rechtlichen Schulen geltenden Anforderungen eingehalten werden.
68 
Eine solche Bewährungsfrist vor der staatlichen Anerkennung ist geeignet, sicherzustellen, dass nur solche Schulen anerkannt werden und in der Folge öffentlich anerkannte Prüfungen durchführen und Zeugnisse erteilen, die auf Dauer dazu in der Lage und bereit sind, die für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen zu beachten. Wie das Verwaltungsgericht bereits ausführt hat, handelt es sich bei der Anerkennung zwar um eine behördliche Prognoseentscheidung, die durch die Gerichte voll überprüfbar ist. Die Schulbehörde kann eine solche Entscheidung jedoch mit größerer Ergebnissicherheit treffen, wenn sie über eine hinreichende Tatsachenbasis verfügt.
69 
Die Einhaltung einer grundsätzlich dreijährigen Bewährungsfrist ist auch erforderlich. Es sind keine milderen, aber gleich geeigneten Mittel erkennbar um das Ziel zu erreichen, dass nur solche Schulen anerkannt werden, die auch in der Lage und willens sind, zu garantieren, dass der von der Ersatzschule bestätigte Leistungserfolg dem einer öffentlichen Schule entspricht. Zwar wäre es ein milderes Mittel, wenn die Ersatzschulen erst ab Anerkennung an die für entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen gebunden wären. Jedoch wäre ein solches Vorgehen der Behörde nicht genauso effektiv. Denn dann erhielte eine Ersatzschule allein aufgrund einer weitgehend spekulativen Prognose die Möglichkeit, der Allgemeinheit gegenüber gültige Zeugnisse und Berechtigungen zu erteilen. Wäre die Behörde bei einem später festgestellten Verstoß dazu verpflichtet, die Anerkennung zu widerrufen, wären in der Zwischenzeit ausgestellte Berechtigungen dennoch wirksam. Da ein hinreichend sicheres Urteil über die Bewährung einer Privatschule bei der Einhaltung etwa von Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen jedenfalls die Beobachtung mehrerer Schuljahre hintereinander voraussetzt, durfte der Verordnungsgeber mit Blick auf den ihm insoweit eingeräumten Einschätzungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.04.2009 -1 BvR 121/08 -, Juris Rn. 41) auch die Dauer der Bewährungsfrist von grundsätzlich drei Jahren für erforderlich halten.
70 
Schließlich ist die Bewährungsfrist auch angemessen. Zwar muss eine Ersatzschule durch die Einhaltung einer Bewährungsfrist gegebenenfalls Abstriche von ihrem an sich vorgesehenen pädagogischen Konzept machen und dies für einen Zeitraum, in dem sie noch keine „Gegenleistung“ dafür erhält. Möglicherweise reduziert eine Vorabbindung an die für öffentliche Schulen geltenden Aufnahmevoraussetzungen den Kreis der potentiellen Schüler der Schule. Dieses Interesse wiegt jedoch nicht besonders schwer; insbesondere dann, wenn sich die Bewährungsfrist über einen relativ überschaubaren Zeitraum erstreckt. Denn im Anschluss an diesen Zeitraum muss die betreffende Ersatzschule die für eine öffentliche Schule geltenden Regelungen ohnehin einhalten. Die Gefahr, dass potentielle Schüler von den Bestimmungen abgeschreckt werden, ist vor allem dann gering, wenn die Möglichkeit besteht, dass noch alle mit Beginn der Bewährungszeit aufgenommenen Schüler in den Genuss der Rechte aus der Anerkennung kommen können. Im Übrigen ist eine gewissermaßen vorverlegte Kontrolle dem System der Anerkennung immanent (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 208). Schließlich steht die Norm mit Blick darauf, dass die Bewährungsfrist „grundsätzlich drei Jahre“ beträgt, einer flexiblen Handhabung insbesondere auch zur Berücksichtigung einzelfallbezogener Besonderheiten nicht entgegen.
71 
Ob etwas anderes gelten muss und der vorherige Betrieb der Schule und eine Bewährung nicht verlangt werden dürfen, wenn die Schule ohne eine Anerkennung nicht betrieben werden kann (so: Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 1017), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn dies wird hier nicht geltend gemacht. Die Schule existiert bereits ohne Anerkennung.
72 
3. Ausgehend von diesen Vorgaben erfüllt der Kläger nicht die nach § 10 Abs. 1 PSchG und Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 VVPSchG gestellten Anforderungen.
73 
a) Der Kläger bietet keine Gewähr, sich dauernd an die für öffentliche Grund- und Hauptschulen geltenden Zeugnisbestimmungen zu halten. Der Beklagte stützt die Versagung der Anerkennung in seinem Bescheid daher zur Recht darauf, dass der Kläger nicht regelmäßig Notenzeugnisse nach der Notenbildungsverordnung (NVO) vom 05.05.1983 (GBl. S. 324), zuletzt geändert durch Art. 9 der Verordnung vom 11.04.2012 (GBl. S. 334, 354), erteilt. Bei einer Schule, welche die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule begehrt, muss das Prinzip der bloßen Gleichwertigkeit gegenüber dem Prinzip der Gleichartigkeit auch insoweit zurücktreten.
74 
aa) Die Notenbildungsverordnung bestimmt in § 3 Abs. 1, dass Schüler für jedes Schuljahr ein Zeugnis über ihre Leistungen erhalten, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. In den Abschlussklassen erhalten sie nach § 3 Abs. 2 NVO zudem ein Halbjahreszeugnis, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Die Schüler der Klasse 4 der Grundschule erhalten jedoch für das erste Schulhalbjahr nur eine Halbjahresinformation. Nach § 4 Abs. 1 NVO erhalten im Übrigen grundsätzlich alle Schüler für das erste Schulhalbjahr eine Halbjahresinformation über ihre Leistungen in den einzelnen Unterrichtsfächern. Die Leistungen der Schüler werden nach § 5 NVO mit den Noten „sehr gut (1)“, „gut (2)“, „befriedigend (3)“, „ausreichend (4)“, „mangelhaft (5)“ und „ungenügend (6)“ bewertet. In den Klassen 1 und 2 tritt hiervon abweichend nach der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen vom 29.11.1983 (GBl. 1984 S. 3), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.2007 (GBl. S. 277), ein Schulbericht an die Stelle des Jahreszeugnisses und der Halbjahresinformation. Im Schulbericht finden sich keine Noten, sondern unter anderem sachliche Feststellungen zum Verhaltensbereich, zum Arbeitsbereich und zum Lernbereich.
75 
Die §§ 7 ff. NVO enthalten Bestimmungen zur Feststellung der Schülerleistungen, insbesondere über Klassenarbeiten und Wiederholungsarbeiten, aber auch über mündliche und praktische Leistungen. § 7 NVO beinhaltet hierzu allgemeine Vorgaben, wie Regeln, mit denen die Transparenz der Bewertungskriterien und der Notenbildung sichergestellt werden soll. So hat beispielsweise nach § 7 Abs. 1 Satz 3 NVO der Fachlehrer zum Beginn seines Unterrichts bekanntzugeben, wie er in der Regel die verschiedenen Leistungen bei der Notenbildung gewichten wird. § 9 Abs. 1 NVO legt für die Werkrealschulen und Hauptschulen die jedenfalls anzufertigende Zahl an Klassenarbeiten in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch fest. So müssen in Haupt- und Werkrealschulen im Fach Deutsch in den Klassen 5 bis 9 jeweils mindestens vier Klassenarbeiten pro Schuljahr geschrieben werden (§ 9 Abs. 5 Satz 4 NVO lässt insoweit keine Reduktion durch gleichwertige Leistungen zu). Die Notenbildungsverordnung unterscheidet zudem Klassenarbeiten von schriftlichen Wiederholungsarbeiten, die in der Regel nur bis zu 20 Minuten dauern sollen und als Nachweis dafür dienen, mit welchem Erfolg die Hausaufgaben bewältigt wurden (vgl. § 8 NVO).
76 
Für Grundschüler gelten bezüglich der Feststellung von Schülerleistungen Besonderheiten (vgl. § 11 Abs. 1 NVO). Diese ergeben sich aus der genannten Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen. So sind nach § 2 Abs. 2 dieser Verordnung in den Klassen 3 und 4 im Schuljahr in Deutsch mindestens zehn schriftliche Arbeiten, darunter fünf Aufsätze, und in Mathematik mindestens acht schriftliche Arbeiten zu fertigen, die der Lernkontrolle und dem Leistungsnachweis dienen.
77 
bb) Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die Gewähr bietet, sich dauernd an diese Vorgaben zu halten.
78 
(1) Dies ergibt sich schon daraus, dass er in den vergangenen drei Jahren nicht regelmäßig Zeugnisse entsprechend der Notenbildungsverordnung ausgegeben hat. Damit kann nicht angenommen werden, dass er die Gewähr dafür bietet, dauernd entsprechend der Notenbildungsverordnung Zeugnisse auszugeben.
79 
(a) Es genügt nicht den Vorgaben der Notenbildungsverordnung, wenn der Kläger nach seinen Angaben Notenzeugnisse allein in Jahrgangsstufe 9 und ggf. in Zukunft ab Jahrgangsstufe 8, bei einem Wechsel eines Schülers auf eine andere Schule sowie bei „Nichtversetzung“ oder Ausspruch einer „Schulempfehlung“ im Dissens mit den Eltern Zeugnisse mit Leistungsnoten nach § 5 NVO ausgibt. Denn § 3 Abs. 1 und 4 NVO verlangen grundsätzlich, dass für jeden Schüler in jedem Schuljahr zu einem bestimmten Termin ein Zeugnis nach § 5 NVO ausgegeben wird.
80 
(b) Abgesehen davon genügen auch die vom Kläger bei Bedarf sowie in Jahrgangsstufe 9 und ggf. in Zukunft in Jahrgangsstufe 8 ausgestellten Zeugnisse nicht den für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben für die Notenbildung.
81 
Denn das vom Kläger schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung durch die Schulleiterin der Hauptschule des Klägers näher erläuterte Bewertungssystem der Schule des Klägers ist nicht in der Lage, Leistungsnoten zu erzeugen, die den für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben genügen. Der Kläger hat zwar behauptet, er dokumentiere und archiviere Arbeiten und Lernergebnisse der Schüler und sei in der Lage, aufgrund eines Leistungsbewertungssystems, das zunächst Symbole verwendet habe und mittlerweile mit Punkten arbeite, jederzeit bei Bedarf Noten nach § 5 NVO erzeugen zu können. Dies konnte jedoch anhand der vorgelegten Unterlagen in der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Senats dargestellt werden. So wurde die dort für den Kläger anwesende Schulleiterin seiner Haupt-, Real- und Förderschule, Frau B., vom Senat gebeten, für den Schüler „L..., Lernjahr 1-3“ aufgrund des „Linearen Leistungsbewertungssystems der Primarstufe SJ 2011/12“ sowie der „Dokumentation Inhalte Mathe Lj 3 2011/12 L...“ darzustellen, welche Endnote der Schüler im Lernjahr 3 im Fach Mathematik erhalten würde. Dazu war sie indes nicht in der Lage. Sie verwies zwar auf die in der Dokumentation in der letzten Spalte festgehaltenen Punktzahlen. Da diese jedoch nicht auf eine theoretisch erreichbare Gesamtpunktzahl Bezug nehmen, sind sie allein nicht aussagekräftig. Zwar finden sich in dem gleichen Schnellhefter weiter hinten zwei Beispiele für von dem Schüler gelöste schriftliche Aufgaben im Fach Mathematik, bei denen neben der erreichten Punktzahl eine Bezugsgröße angegeben ist. Eine dieser Punktzahlen entspricht der in der Dokumentation genannten Punktzahl nur nach einer rechnerischen Rundung nach oben. Insgesamt bleibt es jedoch dabei, dass die Dokumentation als solche nicht für die Notengebung auswertbar ist. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als dort mit dem Buchstaben „m“ bezeichnete mündliche Noten in großer Zahl vermerkt sind. Denn diesbezüglich findet sich nirgends eine Relationsgröße.
82 
Darüber hinaus ist in der mündlichen Verhandlung auch unklar geblieben, in welchem Verhältnis die in der „Dokumentation“ aufgeführten Leistungen, insbesondere schriftliche und mündliche Leistungen, zueinander stehen, also mit welchem Gewicht sie jeweils in die Gesamtbewertung einfließen. Dies konnte von der Schulleiterin des Klägers nicht geklärt werden, die lediglich darauf verwiesen hat, die Notengebung sei Sache des Fachlehrers, der auch zur Ableitung einer Ziffernnote in der Lage sei.
83 
Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag des Klägers und den Angaben der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung neben den aufgrund des „linearen Leistungsbewertungssystems“ gewonnenen Punktebewertungen auch die Selbsteinschätzung des jeweiligen Schülers und seiner Eltern sowie Entwicklungsbriefe, mit denen die Lern- und Verhaltensentwicklung in allen Lernbereichen am Ende des Schuljahres ausführlich beschrieben wird, Eingang in die Notenbildung finden. Die Schulleiterin gab weiter dazu an, dass nicht allgemein gesagt werden könne, in welchem konkreten Verhältnis diese Bewertungen zu den mit Punkten bewerteten Arbeiten der Schüler in die Gesamtbewertung bzw. die potentiell zu erteilende Note einfließen. Abgesehen davon, dass es problematisch ist, aus Verbalnoten Ziffernnoten abzuleiten (vgl. Maier, Was leisten Verbalzeugnisse?, in: Grundschule 2003, S. 72, 74), ist damit nicht ersichtlich, dass es zumindest für eine Jahrgangsstufe allgemeingültige Bewertungskriterien für die Gewichtung der verschiedenen Leistungen der Schüler gibt. Deren Existenz wird indes von § 7 Abs. 1 Satz 3 NVO vorausgesetzt, weil der Fachlehrer zu Beginn des Unterrichts bekanntgeben muss, wie er in der Regel die verschiedenen Leistungen bei der Notenbildung gewichten wird. Die Existenz und die Kommunikation solcher Regeln ist auch notwendig, um später gegebenenfalls eine gerichtliche Überprüfung der Notenbildung zu ermöglichen.
84 
Schließlich ist auch nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der Kläger für die Beurteilung der Schülerleistungen auf die von der Notenbildungsverordnung und der Verordnung über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen vorgeschriebenen Leistungen abstellt.
85 
Zunächst ist nicht ersichtlich, dass er die nach § 9 Abs. 1 NVO in der Hauptschule erforderliche Zahl von Klassenarbeiten im Fach Deutsch anfertigen lässt. In den vorgelegten Unterlagen, den beiden die Hauptschule betreffenden Portfolios, finden sich zwar einige sog. „Lernzielkontrollen“. Dabei ist jedoch völlig unklar, ob diese das Niveau einer Klassenarbeit im Sinne von § 8 Abs. 1 NVO erreichen oder ob es sich um schriftliche Wiederholungsarbeiten im Sinne von § 8 Abs. 2 NVO handelt. Für das Fach Englisch finden sich in den Portfolios keine Beispiele für schriftliche Arbeiten, obwohl auch hier solche Arbeiten von § 9 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 NVO verlangt werden.
86 
Mit den vorgelegten Unterlagen ist auch die Einhaltung der für die Grundschule geltenden Vorgaben der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen zur Leistungsfeststellung nicht nachgewiesen. Es wurden für die Kinder M... und L... etwa für das Schuljahr 2011/12 nur Beispiele von Lernstandskontrollen vorgelegt, davon 4 bzw. 3 Kontrollen im Fach Deutsch und nur je zwei im Fach Mathematik. Beide Kinder befanden sich in dem beispielhaft dargestellten Schuljahr im vierten bzw. dritten „Lernjahr“. Auch wenn die vorgelegten Unterlagen nur beispielhafte Auszüge darstellen und nach Angaben der Schulleiterin des Klägers nicht vollständig sind, ist die erforderliche Zahl an Arbeiten in den Fächern Deutsch, insbesondere Aufsätze, sowie in Mathematik damit nicht dargetan.
87 
Dass die genannten Vorgaben für schriftliche Arbeiten zur Leistungsfeststellung für die Schule des Klägers keine Rolle spielen, wird im Übrigen durch die Angabe der Schulleiterin des Klägers bestätigt. Sie gab an, für die Leistungsbewertung sei keine bestimmte Anzahl von herausgehobenen Klassenarbeiten vorgesehen. Daher würde dies den Schülern vorab auch nicht kommuniziert.
88 
(2) Der Senat ist außerdem nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger nach einer Anerkennung an die Vorgaben der Notenbildungsverordnung und der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen halten würde.
89 
Zwar hat die Schulleiterin der Hauptschule des Klägers gegen Ende der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats behauptet, die Schule werde nach einer Anerkennung Notenzeugnisse erteilen. Diese Absichtserklärung widerspricht jedoch dem der Genehmigung zugrundeliegenden und auch noch am 22.10.2012 auf der Internet-Homepage des Klägers veröffentlichten Konzept seiner Schule. Danach ersetzen ausführliche und vielfältige Lerndokumentationen und die zwei Mal im Jahr stattfindenden Entwicklungsgespräche, welche die Lernbegleiter zusammen mit Eltern und Schülern führen, die Ziffernbenotung. Hierauf legen die Eltern der Schüler des Klägers Wert, sie wünschen in aller Regel keine Zeugnisse mit Ziffernnoten. Dies hat die Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Auch die vorgelegten schriftlichen Erklärungen des Klägers stützen nicht die Behauptung der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung, nach einer Anerkennung Ziffernnoten erteilen zu wollen. Der Kläger hat mit seinen schriftlichen Darlegungen bislang immer versucht, einen Weg aufzuzeigen, wie er die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften über die Noten- und Zeugnisvergabe handhaben möchte, ohne seine pädagogischen Eigenheiten aufzugeben (vgl. die Schriftsätze vom 24.11.2011, 31.08.2012 und 17.09.2012). Bezüglich dieses Wegs ist jedoch soeben festgestellt worden, dass er den für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften nicht entspricht.
90 
b) Der Kläger hat sich darüber hinaus weder in den vergangenen drei Jahren an die für öffentliche Grund- und Hauptschulen geltenden Versetzungsbestimmungen gehalten noch wird er dies voraussichtlich in Zukunft tun. Damit bietet er auch insoweit nicht nach § 10 Abs. 1 PSchG und Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d und Abs. 2 Satz 1 VVPSchG die Gewähr, dass er dauernd die an öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt.
91 
aa) Anforderungen an die Versetzung von Schülern in der Grundschule ergeben sich aus der Grundschulversetzungsordnung vom 30.01.1984 (GBl. S. 145), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 08.12.2011 (GBl. S. 562). In § 1 Abs. 2 dieser Verordnung sind für bestimmte Klassenstufen bezüglich bestimmter Fächer Notengrenzen für die Versetzung festgelegt. In § 2 Abs. 1 und 2 der Grundschulversetzungsordnung wird bestimmt, dass dann, wenn in den Klassen 2 bis 4 in den Fächern Deutsch, Mathematik sowie ab Klasse 3 im Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur nur von einem Lehrer unterrichtet wird, dieser sechs Wochen vor Aushändigung der Jahreszeugnisse alle Schüler, bei denen die Versetzung gefährdet erscheint, dem Schulleiter schriftlich meldet. Der Schulleiter hat sich dann einen Eindruck von der Leistung der Schüler zu verschaffen. An ein- und zweiklassigen Schulen ist die Meldung an das Staatliche Schulamt zu richten. § 3 der Grundschulversetzungsordnung enthält Bestimmungen über die Aussetzung der Versetzungsentscheidung durch die Klassenkonferenz.
92 
Für die Hauptschule regelt nun die Werkrealschulverordnung (WRSVO) vom 11.04.2012 (GBl. S. 334) die Versetzung. Die Anforderungen an die Versetzung sowie das Versetzungsverfahren ergeben sich aus den §§ 4 bis 11 WRSVO. Die dort normierten Versetzungsanforderungen gehen von Schulklassen (vgl. auch § 1 Abs. 1 WRSVO) sowie von Schulnoten nach der Notenbildungsverordnung aus. Zuvor galt die Werkrealschulverordnung vom 11.11.2009 (GBl. S. 693) mit ähnlichen Versetzungsanforderungen.
93 
bb) Diese Vorgaben beachtet der Kläger weder bislang noch ist davon auszugehen, dass er sie zukünftig beachten wird. Die Schule des Klägers gliedert sich nicht in nach Jahrgängen differenzierende Schulklassen, wie dies in den genannten Versetzungsbestimmungen vorausgesetzt wird. Darüber hinaus erteilt er nicht regelmäßig Noten nach den für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen, die für die Entscheidung über die Versetzung bzw. Nichtversetzung maßgeblich sind.
94 
Nichtversetzungsentscheidungen im Sinne der genannten Vorschriften sind im Konzept der Schule des Klägers allerdings auch nicht vorgesehen. Dies ergibt sich aus dem im Tatbestand dargestellten der Genehmigung als Ersatzschule zugrundeliegenden Konzept der Schule des Klägers vom 15.01.2006. Zwar behauptet dieser, bei einer Nichtversetzung ein Zeugnis mit Ziffernnoten zu erteilen. Allerdings ist es bislang noch nicht zu einer solchen Nichtversetzungsentscheidung gekommen. Dies mag an der Qualität der Schüler bzw. des Unterrichts der Schule liegen. Seine Ursache hat dies jedoch auch im Schulkonzept des Klägers. Die Schule des Klägers gliedert sich derzeit in fünf Stammgruppen. In der Primarstufe (Jahrgangsstufen 1 bis 4) gibt es derzeit zwei parallele Gruppen 1a und 1 b mit jeweils 17 bzw. 18 Schülern. Des Weiteren gibt es eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 5 und 6 mit 15 Schülern, eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 7 und 8 mit 21 Schülern und eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 9 und 10 mit 15 Schülern. Innerhalb der Stammgruppe lernen die Schüler nach ihrem individuellen Tempo. Maßstab für das Voranschreiten eines Schülers und damit für die „Versetzung“ im Sinne des Vortrags des Klägers ist insbesondere die Erfüllung des Bildungsplans. Der Lernerfolg wird in einem Lernkompetenz-Buch/Pensenbuch dokumentiert. Erreicht ein Schüler in einem Schuljahr nicht die Vorgaben des Bildungsplans, bekommt er die betreffenden Aufgaben des vergangenen Schuljahres erneut vorgelegt, um Defizite abzubauen. Ein „Sitzenbleiben“ ist im Konzept des Klägers nicht vorgesehen.
95 
cc) Soweit der Kläger vorträgt, er wende die Multilaterale Versetzungsordnung vom 12.12.2010 (GBl. 2011 S. 9, ber. K.u.U. S. 120) an, die den Übergang zwischen Hauptschulen, Werkrealschulen, Realschulen und Gymnasien der Normalform regelt, ist dies für das vorliegende Verfahren nur insoweit von Belang, als es um den Übergang innerhalb der Sekundarstufe auf die Hauptschule des Klägers geht. Der Übergang in die Realschule des Klägers spielt hier keine Rolle. Denn für die von ihm betriebene Realschule begehrt er mit der vorliegenden Klage keine staatliche Anerkennung.
96 
Die Anwendung der §§ 9 bis 12 der Multilateralen Versetzungsverordnung für den Übergang vom Gymnasium oder einer Realschule in die Hauptschule des Klägers scheitert jedoch ebenfalls daran, dass diese Regelungen ein Jahrgangsklassensystem voraussetzen. Die Schule des Klägers kennt jedoch keine Jahrgangsklassen, sondern nur sog. „Stammgruppen“, in denen die Schüler individuell und jahrgangsübergreifend unterrichtet werden.
97 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
98 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
99 
Beschluss vom 23. Oktober 2012
100 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. II.38.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004, NVwZ 2004, 1327). Der dort für die Genehmigung vorgeschlagene Streitwert ist auch für die geltend gemachte Anerkennung anzusetzen.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karls-ruhe vom 16. April 2007 - 3 K 2117/06 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26. Juli 2006 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16. März 1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt zwei Drittel, der Beklagte ein Drittel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Befristung der Wirkungen seiner 1999 verfügten Ausweisung auf den heutigen Zeitpunkt.
Der 1981 in ... geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Nach der Trennung der Eltern im Juli 1986 wuchs er zusammen mit seiner 1984 geborenen Schwester bei seiner Mutter auf, die seit 1998 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Er ist mit einer in ... lebenden Deutschen verlobt.
Der Kläger besuchte für zwei Jahre die Grundschule und im Anschluss daran verschiedene Förderschulen. Seit der Mitte der 6. Klasse hat er überhaupt keine Schule mehr besucht. Einen Schulabschluss hat er nicht erlangt. Als Jugendlicher war er wiederholt stationär in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht.
Ab August 1999 war der Kläger für ein halbes Jahr als Helfer in der Landschaftspflege bei der Arbeiterwohlfahrt beschäftigt. Im Anschluss daran arbeitete er acht Monate für die Spedition S. in .... Wegen Unstimmigkeiten mit dem Arbeitgeber beendete er dieses Arbeitsverhältnis. Nach einem Jahr als ungelernter Arbeiter bei einer Dachdeckerei kehrte er zur Spedition S. zurück. Dort arbeitete er bis Ende 2002 als Möbelpacker. Danach lebte er - unterbrochen von einer einmonatigen Beschäftigung bei der Fa. H. W. GmbH im Dezember 2004 - bis zu seiner Festnahme am 11.04.2005 von Arbeitslosenunterstützung.
Bereits im Alter von 10 Jahren begann der Kläger damit, Haschisch zu rauchen. Sein Cannabiskonsum steigerte sich stetig. Im Alter von 14 Jahren kam er auch in Kontakt mit anderen Drogen wie Speed, LSD und Ecstasy. 1996 begann er zudem damit, Kokain zu konsumieren. Sein anfänglich seltener Kokainkonsum steigerte sich kontinuierlich. Ab 2002 nahm er wöchentlich und in dem Zeitraum vor seiner letzten Verhaftung im April 2005 täglich Kokain zu sich. Nach einem kalten Entzug in der Untersuchungshaft nahm er Kontakt mit der Drogenberatung auf. Trotz Therapiebereitschaft konnte der Kläger keine Therapie antreten, weil die Staatsanwaltschaft ... es mit Bescheid vom 29.03.2007 - 1 VRs 11 Js 1640/05 - abgelehnt hatte, die weitere Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zurückzustellen.
Ein Aufenthaltstitel wurde dem Kläger nie erteilt oder ausgestellt. Ein am 17.11.1999 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis-EG wurde nicht beschieden.
Strafrechtlich trat der Kläger als Jugendlicher insbesondere mit einer Vielzahl von Diebstahlsdelikten in Erscheinung. Zuletzt wurde er als Jugendlicher mit Urteil des Amtsgerichts ... - Bezirksjugendschöffengericht II - vom 08.10.1998 - 12 Ls 34 Js 2490/98 AK 115/98 - wegen Diebstahls in drei Fällen sowie versuchten Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung vorangegangener Urteile des Amtsgerichts ... - Jugendschöffengericht - vom 20.03.1997 und vom 27.11.1997 zu einer einheitlichen Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Kläger war in dieser Sache seit dem 26.01.1998 in Untersuchungshaft. Die Vollstreckung der Restjugendstrafe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 30.06.1999 gemäß § 88 JGG mit Wirkung ab dem 20.07.1999 zur Bewährung ausgesetzt.
Mit Verfügung vom 16.03.1999, bezüglich der Abschiebungsandrohung ergänzt durch Verfügung vom 10.08.1999, wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm die Abschiebung nach Italien an. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass der Kläger die Voraussetzungen einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG erfülle. Besonderen Ausweisungsschutz genieße er nicht, da ihm bisher noch keine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei. Es liege auch kein atypischer Sachverhalt vor, der es rechtfertige, von der Regelausweisung abzusehen. Die Ausweisung sei aus spezialpräventiven Gründen geboten. Auch die Anforderungen des § 12 AufenthG/EWG seien erfüllt.
Den gegen diese Verfügung eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.1999 zurück.
10 
Mit Urteil vom 16.08.1999 - 12 K 1791/99 - hob das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Verfügungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.03. und vom 10.08.1999 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 14.05.1999 auf. Es führte aus, die Ausweisung genüge nicht den erhöhten Anforderungen, die bei der Ausweisung eines Unionsbürgers und faktischen Inländers zu beachten seien. Sie verstoße gegen § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AufenthG/EWG, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung von einer lediglich geringen Wiederholungsgefahr auszugehen sei.
11 
Mit Urteil vom 17.08.2000 - Ls 23 Js 7950/99 Hw. AK 72/00 Hw. - verurteilte das Amtsgericht ... den Kläger wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Der Kläger hatte am 08.02.1999 als Heranwachsender im Alter von 18 Jahren in der Vollzugsanstalt ... zusammen mit drei Mittätern einen Mithäftling zusammengeschlagen. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen war Anlass der Tat, dass einer der Mittäter drei Tage zuvor von dem Geschädigten und einem weiteren Jugendstrafgefangenen zum Oralverkehr gezwungen worden war.
12 
Nach Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 16.08.1999 schlossen der Kläger und der Beklagte am 20.02.2002 vor dem erkennenden Senat einen Vergleich (11 S 253/01): Der Kläger nahm die Klage gegen die Ausweisungsverfügung zurück. Der Beklagte verpflichtete sich, der Erteilung einer Duldung und deren Verlängerung für jeweils drei Monate bis längstens 20.02.2004 zuzustimmen. Diese Zustimmung galt nur unter der Bedingung, dass der Kläger nicht erneut straffällig werde, keinen Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 2 AuslG erfülle und sein Arbeitsverhältnis nicht aus von ihm zu vertretenden Gründen beende. Ferner verpflichtete sich der Beklagte, bei ordnungsgemäßem und beanstandungsfreiem Ablauf der Duldungszeit auf Antrag des Klägers die Wirkungen der Ausweisung auf den 20.02.2004 zu befristen.
13 
In der Folgezeit wurde der Kläger erneut straffällig:
14 
- Mit Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 02.12.2002 - 5 Cs 12 Js 9542/02 - wurde gegen ihn eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen wegen Diebstahls verhängt. Der Kläger hatte in den Geschäftsräumen der Volksbank Geldscheine im Wert von 100 EUR an sich genommen, die eine andere Bankkundin am Automaten angefordert, aber versehentlich nicht entnommen hatte.
15 
- Mit Urteil des Landgerichts ... vom 17.10.2005 - 1 KLs 11 Js 1640/05 - wurde er wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in 15 sowie gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls in zwei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Haschisch, Marihuana, Kokain) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. In dem Zeitraum vom 04.06.2004 bis 22.03.2005 beging der Kläger zusammen mit einem Mittäter, mit dem er seit seiner Kindheit befreundet war, aufgrund eines zuvor gefassten Tatentschlusses 17 Einbrüche in Autohäuser, Kfz-Werkstätten und TÜV-Niederlassungen in den Landkreisen ..., ... und .... In allen Fällen stiegen der Kläger und sein Mittäter in die Räumlichkeiten ein oder brachen Fenster oder Türen auf, suchten in den Räumen gezielt nach Bargeld, nach dem Tresor oder sonstigen Wertsachenbehältnissen und entwendeten diese entweder ganz oder öffneten den Tresor mittels eines Winkelschleifers vor Ort. Neben dem entwendeten Bargeld nahmen sie in zahlreichen Fällen Wertgegenstände wie Notebooks, Digitalkameras und Mobiltelefone an sich, um diese für sich zu behalten oder später gegen Geld abzusetzen. Der Gesamtwert des entwendeten Bargelds sowie der Vermögensgegenstände belief sich auf ca. 70.000,-- EUR. Der Kläger gab seinen Beuteanteil im Wesentlichen für den Kauf von Drogen aus. Hinsichtlich des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hielt es die Strafkammer aufgrund des lediglich geringfügig überschrittenen Grenzwerts zur nicht geringen Menge und der Abhängigkeit des Klägers für angemessen, insoweit nur die Mindeststrafe zu verhängen. Die Kammer stimmte der Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe nach § 35 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 BtMG zu. Die beantragte Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zum Zweidrittelzeitpunkt wurde vom Landgericht ... - Strafvollstreckungskammer - mit Beschluss vom 21.09.2007 - 12 StVK 572/07 - abgelehnt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - 2 Ws 315/07 - als unbegründet verworfen: Zwar habe der Kläger im Strafvollzug eine gewisse Nachreifung erfahren. Doch bestehe derzeit keine ausreichende Chance dahin, dass er in Zukunft keine weiteren Straftaten begehen werde. Insbesondere die nicht aufgearbeitete Drogenproblematik wirke sich als ungünstiger destabilisierender Faktor aus.
16 
Bereits am 09.08.2004 hatte der Kläger die Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung beantragt.
17 
Mit Bescheid vom 26.07.2006, zugestellt am 27.07.2006, befristete das Regierungspräsidium Karlsruhe - ohne den Kläger zuvor anzuhören - die Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 auf vier Jahre nach der Ausreise und verfügte ferner, dass die Befristung unter der Bedingung erfolge, dass der Kläger im Befristungszeitraum nicht erneut straffällig werde und polizeiliche Führungszeugnisse, lückenlose Wohnsitznachweise sowie einen Nachweis über die erfolgreiche Durchführung einer Drogentherapie vorlege. Rechtsgrundlage für die Befristung sei § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Die Dauer der Sperrwirkung orientiere sich daran, wann der Ausweisungszweck voraussichtlich erfüllt sein werde. Art. 6 GG gebiete keine kürzere Befristung. Bei der Fristbemessung sei die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Bemessung der Sperrwirkung bei Befristungsentscheidungen nach § 8 Abs. 2 AuslG vom 25.01.2002 - VwV Befristung - berücksichtigt worden. Diese sehe bei EU-Bürgern einen Zeitraum zwischen sechs Monaten und fünf Jahren zuzüglich des festgesetzten Strafmaßes vor, wobei das Freizügigkeitsrecht des EU-Bürgers angemessen zu berücksichtigen sei. Der Ausweisung habe die Verurteilung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten zugrunde gelegen. Die Festsetzung der Wiedereinreisefrist am unteren Ende des zeitlichen Rahmens komme nicht in Betracht, weil der Kläger inzwischen erneut zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden sei. Die Befristung der Sperrwirkung auf vier Jahre nach Ausreise erscheine damit unter Würdigung aller Umstände als geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig.
18 
Am 28.08.2006 (Montag) hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung seiner Verfügung vom 26.07.2006 zu verpflichten, die Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 auf den Zeitpunkt sofort nach der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland zu befristen. Er äußert Zweifel daran, ob die Ausweisung überhaupt noch wirksam sei. Aufgrund der Nichtdurchführung eines Vorverfahrens und des damit vorliegenden Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG sei die Verfügung rechtswidrig. Die vom Beklagten aufgestellten Bedingungen seien mit § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU nicht vereinbar und führten ebenfalls zur Rechtswidrigkeit der Verfügung. Es sei davon auszugehen, dass seine Ausweisung aufgrund der geänderten Rechtslage, insbesondere Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie -, zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr in Betracht komme und die Sperrfrist von vier Jahren deshalb unverhältnismäßig sei. Auch gemessen an Art. 8 EMRK sei die Sperrfrist unverhältnismäßig. Er sei faktischer Inländer und spreche nur sehr rudimentär italienisch. Abgesehen von einem kurzen Urlaubsaufenthalt sei er nie in Italien gewesen. Nachdem seine in ... lebende Großmutter vor mehreren Jahren verstorben sei, bestünden nicht einmal familiäre Bande nach Italien. Zudem sei er mit einer Deutschen verlobt und beabsichtige, diese zu heiraten.
19 
Mit Urteil vom 16.04.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Für eine formelle Rechtswidrigkeit der Verfügung vom 26.07.2006 aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 9 der RL 64/221/EG sei schon deshalb nichts ersichtlich, weil diese Richtlinie mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden sei. Die Verfügung sei auch materiell rechtmäßig. Die Ausweisung, die nach wie vor wirksam sei, habe zum Entfallen der Freizügigkeitsberechtigung des Klägers geführt. Entsprechend Nr. 1.5 der - über Art. 3 Abs. 1 GG Außenwirkung entfaltenden - VwV Befristung stehe Unionsbürgern ein Anspruch auf sofortige Befristung zu, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Befristungsantrag keine Gründe mehr vorlägen, die eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts nach dem FreizügG/EU und dem zugrunde liegenden Gemeinschaftsrecht rechtfertigten. Im Fall des Klägers seien solche Gründe indes unverändert gegeben. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er nach seiner Entlassung aus der Haft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten, schwere Straftaten eingeschlossen, begehen werde. Da gegen den Kläger Haftstrafen von zusammen sechs Jahren und drei Monaten verhängt worden seien, lägen auch zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit gemäß Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG vor. Auch die Dauer der Sperrfrist sowie die im Bescheid vom 26.07.2006 formulierten Bedingungen seien nicht zu beanstanden.
20 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Bezüglich der Frage, ob er einen Anspruch auf sofortige Befristung der Wirkung der Ausweisung habe, sei auf das aktuell maßgebliche Recht, d.h. auf das FreizügG/EU in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007, abzustellen. Danach habe er einen Rechtsanspruch auf Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt. Weder der Beklagte noch das Erstgericht hätten eine aktualisierte Prüfung vorgenommen, ob die Sperrfrist von vier Jahren für einen in Deutschland geborenen Unionsbürger, einen faktischen Inländer, der alle familiären und sonstigen Bindungen in Deutschland habe und mit einer in Waldshut lebenden deutschen Frau verlobt sei, noch angemessen sei. Der Beklagte habe einseitig die Straftaten in den Vordergrund seiner Ermessensentscheidung gestellt und damit das Abwägungsmaterial falsch zusammengestellt. Die besonderen persönlichen Verhältnisse des Klägers, insbesondere dessen Stellung als faktischer Inländer, seien nicht ausreichend gewürdigt worden. § 6 Abs. 5 FreizügG/EU und Art. 8 EMRK geböten eine Befristung auf Null.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. April 2007 - 3 K 2117/06 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26. Juli 2006 zu verpflichten, die Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16. März 1999 auf den 23. Juli 2008 zu befristen.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er erwidert, maßgeblicher Gesichtspunkt für die Dauer der Befristung sei die von dem Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr. Dass zum jetzigen Zeitpunkt nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU eine Verlustfeststellung nicht mehr verfügt werden könnte, könne bei der Bestimmung des Befristungszeitpunkts nicht die entscheidende Rolle spielen. Zum Zeitpunkt der Ausweisung sei die RL 2004/38/EG noch nicht in Kraft gewesen und die Bundesrepublik habe noch keine zwingenden Ausweisungsgründe definiert. Die VwV Befristung vom 25.01.2002 werde bei der Ausübung des Befristungsermessens nach wie vor zugrunde gelegt. Die Neuregelungen des § 5 FreizügG/EU (gemeint: § 6 FreizügG/EU) hätten erheblichen Einfluss auf den Umfang des noch verbleibenden Ermessens. Bei Durchschnittsfällen ohne weitere negative Aspekte sei es kaum möglich, den Ablauf der Frist auf einen deutlich späteren Zeitpunkt festzusetzen. Beim Kläger handele es sich aber gerade nicht um einen Durchschnittsfall. Er sei wiederholt straffällig geworden, sein gesamter Lebensweg sei durch fehlende Konstanz und Stabilität gekennzeichnet und auch die Justiz gehe von einer ungünstigen Sozialprognose aus.
26 
Ausweislich des unter dem 10.07.2008 vorgelegten Vollzugsberichts der Justizvollzugsanstalt ... wurde der Vollzugsplan vom 19.12.2007, der die Gewährung von Vollzugslockerungen vorgesehen hatte, mit Verfügung vom 25.02.2008 widerrufen, nachdem der Kläger die Abgabe einer Urinkontrolle verweigert habe. Mit Schreiben vom 20.04.2008 habe der Kläger mitgeteilt, auf Lockerungen bzw. eine Verlegung in den offenen Vollzug zu verzichten. Ansonsten sei der Vollzug, bis auf einen Verstoß gegen das Rauchverbot am 07.02.2008, unauffällig verlaufen.
27 
Der Kläger ist in der Berufungsverhandlung angehört worden und hat ergänzend angegeben: Er kenne seine Verlobte seit 15 Jahren; seit 5 ½ Jahren seien sie verlobt. Sie besuche ihn regelmäßig in der Haft; nach seiner Haftentlassung wollten sie heiraten. Er wolle nicht nach ... zurückkehren, sondern in ..., wo er einen Arbeitsplatz in einer Pizzeria in Aussicht habe, eine Wohnung suchen. Seine Verlobte sei bereit, nach ... umzuziehen. Im Vollzug habe er in der Schneiderei gearbeitet. Daneben habe er einen Deutschkurs belegt. Einen Italienischkurs habe er nach fünf Monaten aufgegeben, weil er damals damit gerechnet habe, eine Drogentherapie antreten zu dürfen. Als Kind sei er zwei- oder dreimal mit seinen Großeltern bei der Urgroßmutter in ... gewesen, die inzwischen verstorben sei. Zu Verwandten väterlicherseits habe er überhaupt keinen Kontakt. Eine längerfristige Ausreise nach Italien könne er sich nicht vorstellen. Seine Verlobte sei nicht bereit, ihn zu begleiten. Der Vorwurf, er habe die Abgabe einer Urinprobe verweigert, sei unzutreffend. Er habe zu dem fraglichen Zeitpunkt kein Wasser lassen können und eine Nachholung der Urinkontrolle sei ihm verwehrt worden. Nach seiner Haftentlassung wolle er eine ambulante Drogentherapie durchführen.
28 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten, der unteren Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
29 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
30 
Soweit der Kläger über den erstinstanzlich gestellten Antrag hinausgehend nicht die Befristung „auf den Zeitpunkt sofort nach der Ausreise“, sondern auf den 23.07.2008, d.h. den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, begehrt, stellt dies eine in der Berufungsinstanz zulässige Klageänderung in der Form der Erweiterung des Klageantrags (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) dar. Nach § 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als eine Klageänderung anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Die Vorschrift regelt eine Antragsänderung, die rechtstechnisch als privilegierte Klageänderung behandelt wird. Die Formulierung „ist es nicht als eine Klageänderung anzusehen“ bedeutet nicht, dass in diesen Fällen keine Klageänderung vorliegt, sondern bewirkt, dass die genannten Erweiterungen bzw. Beschränkungen ohne Rücksicht auf ihre dogmatische Einordnung privilegiert werden. Dies ist ein gesetzlich geregelter Fall der Sachdienlichkeit, der ohne weiteres zur Zulässigkeit der Klageänderung führt (Kuntze in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 91 Rn. 5). Voraussetzung für die Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO ist, dass der Klagegrund sich nicht ändert und der Antrag nicht ersetzt wird. Es muss sich deswegen um ein Maius oder Minus handeln und nicht um ein Aliud (Schmid in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 91 Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Klagegrund, d.h. der Sachverhalt, aus dem sich die erstrebte Rechtsfolge ergeben soll, bleibt unverändert. Der Antrag wird nicht ersetzt, sondern - geringfügig - erweitert. Der Kläger begehrt eine Befristung auf den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, d.h. ohne vorherige Ausreise.
31 
Die Berufung ist jedoch nur zum Teil begründet. Der Kläger muss die Wirkungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990 als Folge der Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 gegen sich gelten lassen (unten 1.). Über den geltend gemachten Befristungsanspruch ist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden (unten 2.). Nach den für die Fristbemessung maßgeblichen Grundsätzen (unten 3.) kann der Kläger nicht verlangen, dass die Wirkungen der Ausweisung auf den 23.07.2008 - den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - befristet werden (unten 4.). Er hat, da der Befristungsbescheid vom 26.07.2006 ungeachtet dessen an einem beachtlichen Verfahrensfehler und an Ermessensfehlern leidet, auf seinen als Minus im Verpflichtungsantrag enthaltenen Antrag aber einen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides und auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; unten 5.).
32 
1. Die Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 hat zur Folge, dass der Kläger nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990). Diese Wirkungen entfaltet die Ausweisung auch heute noch, so dass das Befristungsbegehren nicht etwa deshalb ins Leere geht und mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig ist, weil die Ausweisung gegenstandslos geworden wäre. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist geklärt, dass vor dem 01.01.2005 unter Geltung des AuslG 1990 und des AufenthG/EWG bestandskräftig gewordene Ausweisungen von Unionsbürgern nicht mit Inkrafttreten des FreizügG/EU gegenstandslos geworden, sondern weiterhin wirksam sind (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 – 1 C 21.07 – BVerwGE 129, 243 = NVwZ 2008, 82 = EZAR NF 10 Nr. 8; ebenso zuvor bereits VGH BW, Beschl. v. 18.08.2005 – 13 S 1253/05 – und Urt. v. 24.01.2007 – 13 S 451/06 – InfAuslR 2007, 182 = EZAR NF 93 Nr. 3; BayVGH, Beschl. v. 21.03.2006 – 19 CE 06.721 – juris; OVG RP, Urt. v. 08.02.2007 – 7 A 11318/06.OVG – InfAuslR 2007, 226; vgl. auch Epe in GK-AufenthG, IX-2 § 1 Rn. 21 m.w.N.; Harms in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 6 FreizügG/EU Rn. 32; Hailbronner, AuslR, Kommentar, D 1 § 7 Rn. 25; a.A. OVG B-Brb., B. v. 15.03.2006 – OVG 8 S 123.05 – InfAuslR 2006, 259 = NVwZ 2006, 953; Gutmann, InfAuslR 2005, 125 und InfAuslR 2008, 105).
33 
2. a) Grundlage des Befristungsanspruchs ist nicht etwa § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, sondern § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Nach dieser Vorschrift wird das durch die Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU ausgelöste Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU) auf Antrag befristet. Mit Blick auf die in § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG getroffene Übergangsregelung werden von dieser Anspruchsgrundlage in sinngemäßer Anwendung auch die fortwirkenden Rechtsfolgen der vor Inkrafttreten des FreizügG/EU am 01.01.2005 bestandskräftig gewordenen Ausweisung eines Unionsbürgers erfasst. § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU betrifft als Sonderregelung im Sinne des § 11 Abs. 2 FreizügG/EU nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, zu denen auch der Kläger zählt (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.).
34 
§ 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU gewährt Unionsbürgern - anders als die Regelbefristung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für Drittstaater - einen strikten Rechtsanspruch auf Befristung („ob“); nur über die Länge der Frist ist nach Ermessen zu entscheiden. Damit geht die Vorschrift über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG hinaus, die lediglich einen fristgebundenen Verbescheidungsanspruch vorsehen (umgesetzt in dem durch Gesetz vom 19.08.2007 [BGBl. I S. 1970] angefügten Satz 4 des § 7 Abs. 2 FreizügG/EU). Mit der Ausgestaltung der Befristung als gebundener Entscheidung und einem damit korrespondierenden Anspruch bringt der Gesetzgeber den hohen Rang zum Ausdruck, den er dem gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrecht beimisst. Denn als Ausnahmen vom Grundprinzip der Freizügigkeit dürfen das an eine Verlustfeststellung bzw. Ausweisung anknüpfende Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht unbegrenzt gelten, sondern ein davon betroffener Unionsbürger hat nach angemessener Zeit Anspruch auf erneute Prüfung und Entscheidung nach Maßgabe der aktuellen Sachlage (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O. unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 17.06.1997 - Rs. C-65/95 u. C-111/95 [Shingara und Radiom] - Slg. 1997, I-3343 Rn. 40 ff. = EZAR 81 Nr. 34). Von einem solchen Rechtsanspruch ist der Beklagte zu Recht ausgegangen.
35 
b) Für die Prüfung des Befristungsanspruchs ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = EZAR NF 48 Nr. 9; BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Dies muss auch gelten, soweit - wie hier - die Behörde bereits eine Ermessensentscheidung über die Dauer der Sperrfrist getroffen hat und es um deren Überprüfung geht: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 29.04.2004 - Rs. C-482/01 u. C-493/01 [Orfanopoulos u. Oliveri] - Slg. 2004, I-5257 Rn. 82 = InfAuslR 2004, 268) sind die innerstaatlichen Gerichte verpflichtet, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats verfügten Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann, die das Verhalten des Betroffenen für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Daran anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Erfordernis der Berücksichtigung neuer Tatsachen nicht nur für einen Sachvortrag gilt, der den Wegfall oder eine Verminderung der von dem Betroffenen für die öffentliche Ordnung ausgehenden Gefährdung mit sich bringen kann. Aus dem Erfordernis, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt bestehen muss, zu dem die Ausweisung erfolgt, ergebe sich darüber hinaus, dass entscheidungserhebliche neue Tatsachen umfassend zu berücksichtigen sind. Dies gelte auch für Tatsachen, die für die an den Grundrechten und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu orientierende Interessenabwägung von Bedeutung sind. Daraus folge, dass die Tatsachengerichte verpflichtet sind zu prüfen, ob die behördliche Gefährdungsprognose und die Ermessensentscheidung bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Ergebnis auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruhen (BVerwG, Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 = InfAuslR 2005, 18). Diese Erwägungen sind uneingeschränkt auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU zu übertragen, da auch insoweit ähnlich wie bei der Ausweisung oder nunmehr bei der Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU zu prüfen ist, ob von dem Unionsbürger (noch) eine gegenwärtige Gefahr ausgeht (in diesem Sinne bereits Renner, ZAR 2004, 195<197>; siehe zu den für die Fristbemessung maßgeblichen Grundsätzen im Einzelnen unten 3.). Keiner Entscheidung bedarf vorliegend, ob dies, was im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 = InfAuslR 2008, 156) zu bejahen sein könnte, auch für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Befristungsentscheidungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gilt. Grundlage des Befristungsanspruchs ist daher § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU in der Fassung des am 28.08.2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970).
36 
3. Bei der im behördlichen Auswahlermessen verbleibenden Bestimmung der Länge der Frist sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.) in einem ersten Schritt das Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung bzw. Ausweisung sowie der mit der Maßnahme verfolgte spezialpräventive Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der Prüfung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände auch jetzt noch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen. Die Behörde hat dazu auch das Verhalten des Betroffenen nach der Ausweisung zu würdigen und im Wege einer Prognose auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachenbasis die (Höchst-)Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen. Im Falle einer langfristig fortbestehenden Rückfall- bzw. Gefährdungsprognose ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers aber auch bei Unionsbürgern ein langfristiger Ausschluss der Wiedereinreise nicht ausgeschlossen (BT-Drs. 15/420 S. 105). Die im Rahmen des ersten Schritts von der Behörde zu treffende Gefahrprognose muss - ebenso wie bei der Ausweisung (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 16.10.1989 - I B 106.89 - EZAR 124 Nr. 11 = InfAuslR 1990, 4 <5> m.w.N.; Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1711 ff.) - gerichtlich voll überprüfbar sein.
37 
In einem zweiten Schritt muss sich die an der Erreichung des Zwecks der Verlustfeststellung bzw. Ausweisung orientierende äußerste Frist an höherrangigem Recht, d.h. gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und ggf. relativieren lassen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde ein rechtsstaatliches Mittel dafür, fortwirkende einschneidende Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.08.2000 - 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> = InfAuslR 2000, 483 zur Regelbefristung). Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange des Unionsbürgers in den Blick zu nehmen. Haben z.B. familiäre Belange des Betroffenen durch die Geburt eines Kindes im Bundesgebiet nach der Ausweisung an Gewicht gewonnen, folgt daraus eine Ermessensverdichtung in Richtung auf eine kürzere Frist. Die Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles nach Gewichtung der jeweiligen Belange vorzunehmen ist, kann im Extremfall bis zu einer Ermessensreduzierung auf Null mit dem Ergebnis einer Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt, d.h. auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz, führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O. u. Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140 <150 f.> = InfAuslR 2000, 176). Kraft des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts muss in diesen Fällen die Befristung so erfolgen, dass sich das dem Unionsbürger zustehende Freizügigkeitsrecht sogleich entfalten kann. Der Anwendungsvorrang erfordert es, dass die Befristung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, wie insbesondere der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU, wonach eine Frist erst mit der Ausreise beginnt (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 - a.a.O. zu § 8 Abs. 2 Satz 4 AuslG 1990). In den Fällen des Wegfalls der notwendigen qualifizierten Wiederholungsgefahr ist daher auch nach Ergehen einer Feststellungsentscheidung nach § 6 FreizügG/EU die Ausreise des ansonsten Freizügigkeitsberechtigten entgegen der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU nicht Voraussetzung für das erneute Entstehen des Aufenthaltsrechts.
38 
4. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Beklagte nicht verpflichtet, die Befristung auf den heutigen Tag - d.h. ohne Einhaltung einer mit der Ausreise beginnenden angemessenen Frist - auszusprechen. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass eine Befristung auf den heutigen Tag nach dem Zweck der Ermächtigung die allein rechtmäßige Ermessensbetätigung wäre (vgl. § 114 VwGO).
39 
a) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der spezialpräventive Zweck der Ausweisung schon jetzt erreicht ist. Vielmehr geht von dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung für die öffentliche Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
40 
Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 04.09.2007 , a.a.O.) ausgeführt hat, es bedürfe der Prüfung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände „auch jetzt noch“ das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die hohen Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen, ist dies nach Auffassung des Senats nicht dahingehend zu verstehen, dass im Rahmen des Befristungsverfahrens nochmals geprüft werden muss, ob die der bestandskräftigen Ausweisung zugrunde liegenden Umstände diese gerechtfertigt haben. Die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Ausweisung steht in diesem Verfahren nicht erneut zur Überprüfung. Es ist vielmehr eine Gefährdungsprognose auf heutiger Tatsachenbasis vorzunehmen, bei der bezogen auf den jetzigen Entscheidungszeitpunkt unabhängig von der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Ausweisung zu prüfen ist, ob die Aufrechterhaltung der Sperrwirkungen gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU gerechtfertigt ist. Die vom Kläger nach der Ausweisung als Erwachsener begangenen Straftaten sind daher ebenso zu berücksichtigen wie seine zum Zeitpunkt der Ausweisung noch nicht so gravierende, unbewältigte Drogenproblematik.
41 
Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe getroffene Prognose, die gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. oben 3.), ist danach nicht zu beanstanden: Die vom Kläger zwischen Juni 2004 und März 2005 begangenen Straftaten des gemeinschaftlichen Diebstahls in 15 sowie des gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls in zwei Fällen sind der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Es handelt sich um eine Häufung von Fällen mittlerer Kriminalität, bei denen der Senat jedenfalls aufgrund der gewerbsmäßigen Begehung (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) davon ausgeht, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU). Auch zum heutigen Zeitpunkt ist bei dem Kläger insbesondere aufgrund der unbewältigten Drogenproblematik eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung gleichartiger Eigentums- und Vermögensdelikte nach Entlassung aus der Strafhaft weiterhin gegeben. Die bloße Therapiebereitschaft steht der Annahme der auch von den Strafvollstreckungsgerichten (vgl. die Beschlüsse des LG ... vom 21.09.2007 - 12 StVK 572/07 - und des OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - 2 Ws 315/07 -) bejahten Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Die Gefahr, dass der Kläger, ebenso wie nach Verbüßung seiner Jugendstrafe, nach der Haftentlassung erneut Drogen konsumieren und zur Finanzierung des Drogenkonsums erhebliche Straftaten begehen wird, erscheint relativ hoch. Sie wird nicht dadurch gemindert, dass er einen Arbeitsplatz in Aussicht hat und seine Verlobte zu heiraten beabsichtigt. Insoweit spricht gegen eine günstige Prognose, dass der Kläger nie dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert war, er vielmehr wiederholt Arbeitsverhältnisse aus freien Stücken beendete und dass auch die Beziehung zu seiner Verlobten ihm nicht genügend Halt gegeben hat, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Er vermochte schließlich selbst unter dem Druck der Ausweisung, der erlittenen Jugendhaft und des 2002 geschlossenen Bewährungsvergleichs sein Verhalten nicht durchgreifend zu ändern. Die notwendige qualifizierte Wiederholungsgefahr besteht daher zur Überzeugung des Senats fort.
42 
b) Diese Wiederholungsgefahr wird nicht dadurch relativiert, dass der ursprüngliche Ausweisungsanlass - die vom Kläger als Jugendlicher begangenen Straftaten - weniger gewichtig war. Auch wenn das Verwaltungsgericht Karlsruhe (Urt. v. 16.08.1999 - 12 K 1791/99 -) zu Recht davon ausgegangen ist, dass es damals an einer tatsächlichen, gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, gefehlt hat, so führt dies nur dazu, dass der Grund für die Ausweisung nur mit dem ihm zukommenden geringeren Gewicht bei der Ausübung des Befristungsermessens zu berücksichtigen ist, eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich hieraus jedoch angesichts der heute bestehenden qualifizierten Wiederholungsgefahr nicht.
43 
c) Entgegen der Auffassung des Klägers folgt eine Ermessensreduktion auf Null auch nicht aus § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, weil die Ausweisung, um deren Sperrwirkung es geht, vor dem 01.05.2006 bestandskräftig wurde und daher das erhöhte Schutzniveau dieser Vorschrift hier nicht zu beachten ist.
44 
aa) § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) setzen die zweite und dritte Stufe des durch Art. 28 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG eingeführten erhöhten Ausweisungsschutzes für bestimmte Personengruppen um. Nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU, der Art. 28 Abs. 2 RL 2004/38/EG umsetzt, ist die Verlustfeststellung nach Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt (vgl. § 4 a FreizügG/EU) nur noch aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zulässig. Nach zehnjährigem Aufenthalt darf eine Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, der Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG umsetzt, nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit verfügt werden. Diese Anforderungen beziehen sich nach ihrem Standort im Gesetz allein auf Verlustfeststellungen nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU, nicht aber auf Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Nach ihrem Sinn und Zweck müssen diese Anforderungen jedoch gewissermaßen spiegelbildlich auch für die Befristungsentscheidung gelten, wenn die Verlustfeststellung, deren Wirkungen befristet werden, unter Beachtung des erhöhten Ausweisungsschutzes gemäß Art. 28 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie 2004/38/EG erlassen wurde oder hätte erlassen werden müssen. Letzteres trifft auf alle Verlustfeststellungen zu, die bei Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 40 der RL 2004/38/EG am 30.04.2006 noch nicht bestandskräftig waren (zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 28 Abs. 2 und 3 RL 2004/38/EG ab diesem Zeitpunkt vgl. Epe in GK-AufenthG, IX-2 Vor § 1 Rn. 35, 43 ff.). Wollte man im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU auch in Fällen erhöhten Ausweisungsschutzes nur prüfen, ob auf heutiger Tatsachenbasis die Gefährdungsprognose gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU Bestand hat, würde dies zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass etwa trotz Wegfalls zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit bei einem Unionsbürger, der Ausweisungsschutz nach der dritten Stufe genießt, der Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht weiterhin gerechtfertigt wäre, sofern „nur“ noch eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU vorliegt. Dies würde zu einer unzulässigen Aushöhlung des erhöhten Ausweisungsschutzes nach § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU führen.
45 
bb) Hier waren bei der bereits 2002 bestandskräftig gewordenen Ausweisung die Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 und 3 der RL 2004/38/EG nicht zu beachten, so dass auch im Befristungsverfahren nur die Anforderungen des - dem bisherigen gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutz entsprechenden - Ausweisungsschutzes auf der ersten Stufe gemäß Art. 28 Abs. 1 der RL 2004/38/EG einzuhalten sind. Diese erste Stufe des gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutzes ist in § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU umgesetzt. Folgerichtig ist daher, soweit es um Altausweisungen geht, auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.) nicht zu prüfen, ob bei dem ausgewiesenen Unionsbürger aktuell nach der heutigen Rechtslage noch eine Verlustfeststellung getroffen werden könnte. Zu prüfen ist in diesen Übergangsfällen allein, ob die gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU noch aufrecht erhalten werden können. Auch gemeinschaftsrechtlich ist es nicht geboten, den mit der seit dem 01.05.2006 unmittelbar anwendbaren RL 2004/38/EG eingeführten erhöhten Ausweisungsschutz auch zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig ausgewiesenen Unionsbürgern zugute kommen zu lassen. Art. 28 RL 2004/38/EG bezieht sich auf Ausweisungen, nicht aber auf Befristungsentscheidungen. Die erhöhten Anforderungen nach dieser Vorschrift sind daher nur bei Ausweisungen/Verlustfeststellungen zu beachten, bei denen der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem 30.04.2006 liegt (vgl. EuGH, Urt. v. 04.10.2007 – Rs. C-349/06 [Polat] – Slg. 2007, I-08167 Rdn. 26 f. = InfAuslR 2007, 425 = NVwZ 2008, 59 = EZAR NF 19 Nr. 22, wobei der EuGH dort nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt bei Beachtung seiner eigenen Rechtsprechung zum maßgeblichen Zeitpunkt wohl zu einer Anwendbarkeit der RL 2004/38/EG hätte kommen müssen). Nichts anderes ergibt sich aus Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG. Nach dieser Vorschrift können ausgewiesene Unionsbürger nach einem angemessenen Zeitraum, jedenfalls aber drei Jahre nach Vollstreckung des nach Gemeinschaftsrecht ordnungsgemäß erlassenen Aufenthaltsverbots dessen Aufhebung unter Hinweis darauf beantragen, dass eine „materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben“. Mit einer „materiellen Änderung der Umstände“ sind Änderungen des Sachverhalts, nicht hingegen Rechtsänderungen gemeint. Sowohl im ursprünglichen wie auch im geänderten Kommissionsvorschlag hieß es „Änderung des Sachverhalts“ (vgl. KOM (2001) 257 endg. und KOM (2003) 199 endg., jeweils Art. 30 Abs. 2). Die schließlich verabschiedete Formulierung findet sich erstmals im Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 (ABl. EG C 54E/12 <23>). Zur Begründung heißt es dort, die Abänderungen machten den Text klarer. Zwar trifft das Gegenteil zu, doch ergibt sich aus den Materialien jedenfalls, dass nur eine redaktionelle Änderung beabsichtigt war. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine Gefährdungsprognose auf neuer Tatsachenbasis zu treffen ist, steht daher auch mit Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG im Einklang.
46 
d) Auch aus Nr. 1.5 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Bemessung der Sperrwirkung bei Befristungsentscheidungen nach § 8 Abs. 2 AuslG vom 25.01.2002 - Az.: 1362/129 - (VwV Befristung), die nach Auskunft des Beklagten bei der Ausübung des Befristungsermessens nach wie vor zugrunde gelegt wird, ergibt sich - i.V.m. Art. 3 GG - keine Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne, dass der Kläger einen Anspruch auf sofortige Befristung hätte. Dort heißt es:
47 
„Es ist zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung noch Gründe vorliegen, die eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts nach § 12 AufenthG/EWG und dem zugrunde liegenden Gemeinschaftsrecht rechtfertigen. Liegen solche Gründe nicht mehr vor, darf die Befristung nicht von der vorherigen Ausreise des Betroffenen abhängig gemacht werden, so dass dem Betroffenen ein Anspruch auf sofortige Befristung zusteht.“
48 
Diese Verwaltungsvorschrift kann lediglich über eine gleichbleibende Verwaltungspraxis nach Art 3 Abs. 1 GG Außenwirkung zugunsten des Ausländers haben. Sie ist somit entsprechend dem wirklichen Willen des Erklärenden (hier: der obersten Landesbehörde) und ihrer tatsächlichen Handhabung auszulegen und anzuwenden, so dass der Wortlaut der Verwaltungsvorschrift erst über die ihm folgende ständige Verwaltungspraxis Außenwirkung für den Ausländer entfaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 = InfAuslR 2001, 70; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.04.2002 - 13 S 314/02 - ESVGH 52, 200). In der Verwaltungspraxis wird diese Verwaltungsvorschrift nach Auskunft des Beklagten nicht in dem Sinne angewandt, dass bei einer Altausweisung, die den heutigen Anforderungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU nicht entspricht, stets eine Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt vorzunehmen ist. Dies gelte nur im Durchschnittsfall, sofern „keine weiteren negativen Aspekte gegen den EU-Bürger in das Ermessen eingestellt werden müssen“. Im Übrigen hätten die Neuregelungen des § 6 FreizügG/EU erhebliche Auswirkungen auf den Umfang des noch verbleibenden Ermessens, führten aber nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Vorliegend ist zu Lasten des Klägers insbesondere seine unbewältigte Drogenproblematik in das Ermessen einzustellen, so dass eine Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf die tatsächliche Handhabung der VwV Befristung ausscheidet.
49 
e) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger die in dem gerichtlichen Vergleich vom 20.02.2002 für eine Befristung der Ausweisung vorgesehenen Bedingungen nicht erfüllt hat und daher aus diesem Vergleich keinen Anspruch auf sofortige Befristung ableiten kann.
50 
f) Aus Art. 8 EMRK folgt ebenfalls keine zu einem Anspruch auf sofortige Befristung führende Ermessensreduzierung auf Null.
51 
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff in diese Rechte ist nach Abs. 2 der Vorschrift nur statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen ist, ein legitimes Ziel verfolgt und zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist. Die Wirkungen der Ausweisung dürfen angesichts des Schutzgebots des Art. 8 EMRK nicht länger aufrecht erhalten werden, wenn von dem Ausländer keine konkrete und entsprechend schwere Gefahr für ein wichtiges Schutzgut mehr ausgeht und demgemäß die mit seiner Anwesenheit verbundene Beeinträchtigung von Belangen der Bundesrepublik Deutschland nicht so gewichtig ist, dass sie die Beeinträchtigung seiner Rechte auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens eindeutig überwiegt.
52 
aa) Der Schutzbereich von Art. 8 EMRK umfasst neben weiteren hier nicht einschlägigen Gewährleistungen zum einen das Familienleben, zum anderen das Privatleben. Vorliegend ist nicht der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens, wohl aber der des Rechts auf Achtung des Privatlebens eröffnet: Bei Beziehungen zwischen nahen Verwandten außerhalb der klassischen Kleinfamilie kommt es darauf an, ob die tatsächlich bestehenden Bindungen hinreichend für die Annahme einer familiären Beziehung sind. Beziehungen zwischen Erwachsenen unterliegen nicht notwendig dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung des Familienlebens. Es müssen besondere zusätzliche Aspekte der Abhängigkeit hinzutreten, die weiter reichen als normale affektive Beziehungen (EGMR, Urt. v. 17.04.2003 - Nr. 52853/99 [Yilmaz] - NJW 2004, 2147 Rn. 44 m.w.N.; Urt. v. 15.07.2003 - Nr. 52206/99 [Mokrani] - InfAuslR 2004, 183; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl., § 22 Rn. 18 m.w.N.). Art. 8 EMRK vermittelt insoweit keinen weitergehenden Schutz als Art. 6 GG bei familiären Beziehungen unter Volljährigen. Die Beziehung des volljährigen Klägers zu seiner Mutter und zu seiner Schwester unterfallen danach nicht dem Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens. Anhaltspunkte für ein besonderes Angewiesensein des Klägers auf ein Zusammenleben mit seiner Mutter und/oder seiner Schwester sind nicht dargelegt worden und auch nicht ersichtlich. Gleiches gilt im Ergebnis für die Beziehung des Klägers zu seiner Verlobten. Zwar ist für das Vorliegen einer Familie i.S.v. Art. 8 EMRK nicht in jedem Fall notwendig, dass zwei Personen ihre Beziehung rechtlich formalisiert haben. Der EGMR unterscheidet nicht zwischen einer „ehelichen“ und einer „nichtehelichen“ Familie, sondern stellt auf ein tatsächlich bestehendes Familienleben ab, welches er aber grundsätzlich nur dann bejaht, wenn aus einer nichtehelichen Partnerschaft Kinder hervorgegangen sind (vgl. EGMR, Urt. v. 13.06.1979 [Marcks] - NJW 1979, 2449; Urt. v. 18.12.1986 - 6/1985/92/139 [Johnston u.a.] - EuGRZ 1987, 313; Urt. v. 26.05.1994 - 16/1993/411/490 [Keegan] - NJW 1995, 2153; Urt. v. 13.07.2000 - 25735/94 [Elsholz] - NJW 2001, 2315; Urt. v. 12.07.2001 - 25702/94 [K. u. T.] - NJW 2003, 809). Danach ist der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens auch insoweit nicht berührt.
53 
bb) Unzweifelhaft stellt die Ausweisung, die nach der nunmehr erfolgten Befristung ihrer Wirkungen ein vierjähriges Aufenthaltsverbot im Bundesgebiet zur Folge hat, einen Eingriff in das Recht des Klägers auf Achtung seines Privatlebens dar. Dieser Eingriff verfolgt indes legitime Ziele im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, nämlich die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Verhinderung von strafbaren Handlungen. Er ist darüber hinaus notwendig zur Erreichung dieser Ziele. Ein Eingriff ist nach der Rechtsprechung des EGMR notwendig, wenn ein dringendes soziales Bedürfnis besteht und er verhältnismäßig zum legitimen Ziel ist (Urt. v. 22.04.2004 - Nr. 42703/98 [Radovanovic] - InfAuslR 2004, 374). Es muss ein gerechter Ausgleich getroffen werden zwischen dem Recht des Klägers auf Achtung des Privatlebens auf der einen und den Interessen der öffentlichen Sicherheit und der Verhinderung von Straftaten auf der anderen Seite. Erforderlich ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Beachtung der vom EGMR entwickelten Kriterien, die im Wesentlichen in den Entscheidungen Boultif und Üner zusammengefasst worden sind (EGMR, Urt. v. 02.08.2001 - Nr. 54273/00 [Boultif] - InfAuslR 2001, 476; Urt. v. 05.07.2005 - Nr. 46410/99 [Üner] - InfAuslR 2005, 450 = DVBl 2006, 688). Nach diesen Entscheidungen sind zu berücksichtigen die Art und Schwere der begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthalts in dem Staat, aus dem der Betreffende ausgewiesen werden soll, die seit Begehen der Straftat vergangene Zeit und das Verhalten des Betroffenen seit der Tat, die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten, die familiäre Situation des Betroffenen und gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben hinweisen, ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte, ob der Verbindung Kinder entstammen und schließlich die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das der Betroffene ausgewiesen werden soll. Von Bedeutung ist ferner das Interesse und Wohl der Kinder sowie die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland oder zum Bestimmungsland. Bei Ausweisungen von Immigranten der zweiten Generation, zu denen der Kläger gehört, berücksichtigt der EGMR neben den genannten allgemeinen Kriterien die besonderen Bindungen, die diese Personen mit dem Aufenthaltsstaat eingegangen sind, in dem sie ihre Erziehung erhalten, den Großteil ihrer sozialen Kontakte geknüpft und folglich ihre eigene Identität entwickelt haben (EGMR, Urt. v. 26.09.1997 - 85/1996/704/896 [Mehemi] - InfAuslR 1997, 30 = NVwZ 1998, 164; Urt. v. 21.10.1997 - 122/1996/741/940 [Boujlifa] - InfAuslR 1998, 1). Demgemäß erachtet es der EGMR neben der Intensität der Bindung und dem Alter des Ausgewiesenen für maßgeblich, welche Sprache der Ausgewiesene spricht und ob es Verwandte oder andere soziale Beziehungen im Herkunftsstaat bzw. umgekehrt familiäre Bindungen oder Verwandte im Aufenthaltsstaat gibt (EGMR, Entsch. v. 04.10.2001 - 43359/98 [Adam] - EuGRZ 2002, 582 = NJW 2003, 2595).
54 
Daran gemessen gebietet Art. 8 Abs. 2 EMRK es nicht, von einer Aufenthaltsbeendigung abzusehen und die Wirkungen der Ausweisung auf sofort zu befristen:
55 
(1) Negativ fallen zunächst Art und Schwere der begangenen Straftaten ins Gewicht. Die vom Kläger zuletzt begangenen Einbruchdiebstähle, die zur Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten geführt haben, sind der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Erschwerend ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um Jugendverfehlungen gehandelt hat und dass die Taten gewerbsmäßig begangen wurden. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass es sich „nur“ um Eigentumsdelikte ohne Gewaltanwendung gegenüber Personen gehandelt hat. Der Senat verkennt nicht, dass der EGMR bei derartigen Delikten vereinzelt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte aus Art. 8 Abs. 1 EMRK angenommen hat: In der Sache Beljoudi (Urt. v. 26.03.1992 - 55/1990/246/317 - InfAuslR 1993, 86) war der dortige algerische Beschwerdeführer wegen einer Vielzahl von Diebstahlsdelikten zu Freiheitsstrafen von insgesamt 12 Jahren und 5 Monaten verurteilt worden. Der EGMR sah seine Ausweisung aus Frankreich gleichwohl als unverhältnismäßig an. Der Fall ist allerdings durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer in Frankreich als Kind damals französischer Eltern geboren war und selbst die französische Staatsangehörigkeit nur deshalb verloren hatte, weil seine Eltern es versäumt hatten, innerhalb einer bestimmten Frist eine Beibehaltungserklärung abzugeben. Zudem war der Beschwerdeführer seit mehr als 20 Jahren mit einer Französin verheiratet. In der Sache Jakupovic (Urt. v. 06.02.2003 - Nr. 36757/97 - InfAuslR 2004, 184) ging es um Jugendstraftaten; zudem war für den EGMR entscheidend, dass der Beschwerdeführer im Alter von 16 Jahren alleine in das zum Zeitpunkt der Ausweisung noch von den Folgen des Bürgerkriegs geprägte Bosnien-Herzegowina abgeschoben werden sollte. Diesen Entscheidungen, die jeweils einige hier nicht vorliegende Besonderheiten aufweisen, lässt sich nach Auffassung des Senats nicht entnehmen, dass Einwanderer der zweiten Generation wegen Eigentumsdelikten grundsätzlich nicht ausgewiesen werden dürften, wenn bei ihnen - wie bei dem Kläger - die Gefahr der Begehung weiterer, gleichartiger Straftaten besteht.
56 
Bei der Würdigung der Vorgeschichte und des Nachtatverhaltens fällt negativ ins Gewicht, dass der Kläger sich die Verurteilung zu Jugendstrafen und die Ausweisung nicht hat zur Warnung dienen lassen und selbst die ihm in dem aufenthaltsrechtlichen Bewährungsvergleich im Februar 2002 eingeräumte Chance nicht genutzt hat, künftig ein straffreies Leben zu führen. Dass er seit der letzten Verurteilung keine weiteren Straftaten begangen hat, kann ebenfalls nicht zu seinen Gunsten gewertet werden, weil er die zuletzt verhängte Freiheitsstrafe immer noch verbüßt und daher noch keine Gelegenheit hatte, sich in Freiheit zu bewähren. Negativ schlägt auch die unbewältigte Drogenproblematik zu Buche, wenngleich insoweit die Therapiebereitschaft zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen ist.
57 
(2) Zu Gunsten des Klägers fällt ins Gewicht, dass er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und dementsprechend auch seine Schulzeit im Bundesgebiet verbracht hat. Des Weiteren ist von Bedeutung, dass seine Mutter inzwischen Deutsche ist. Gleichwohl ist - gemessen an der Aufenthaltsdauer - der Grad der Integration im Bundesgebiet nicht besonders ausgeprägt: Der Kläger hat weder einen Schulabschluss erlangt noch verfügt er über eine Berufsausbildung. Soweit er einer Erwerbstätigkeit nachging, handelte es sich um Aushilfstätigkeiten. Mehrfach hat er ein Arbeitsverhältnis von sich aus beendet. Besondere Integrationsleistungen (beispielsweise Aktivitäten in Parteien oder Vereinen, Teilnahme am gesellschaftlichen/kulturellen Leben) sind nicht feststellbar. Um eine Einbürgerung hat sich der Kläger offenbar nie bemüht. Er hat noch keine eigene Familie gegründet, sondern ist lediglich mit einer Deutschen verlobt. Von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kann derzeit nicht ausgegangen werden, so dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung des Familienlebens insoweit keine Vorwirkung entfalten. Die Trennung von der Verlobten, die nach den Angaben des Klägers nicht bereit wäre, ihn nach Italien zu begleiten, stellt allerdings einen gravierenden Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar.
58 
(3) Bei der Würdigung des Grades der Entwurzelung im Herkunftsstaat ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls noch über Grundkenntnisse der italienischen Sprache verfügt. Ihm kann nicht geglaubt werden, dass in seiner Familie, insbesondere mit den Großeltern, ausschließlich deutsch gesprochen wurde. Auch wenn der Kläger, was der Senat ihm glaubt, über keine familiären Bindungen und sonstigen sozialen Kontakte nach Italien verfügt, ist zu berücksichtigen, dass die Kulturdifferenz zu Italien nicht besonders groß ist und die Lebensverhältnisse in Italien, welches ebenfalls Mitglied der EU und als führende Wirtschaftsmacht Mitglied der G8 ist, sich von denen in Deutschland nicht grundlegend unterscheiden. Die Schwierigkeiten, mit denen der Kläger dort konfrontiert wird, sind nicht unüberwindbar. Sie sind ihm als Mann im arbeitsfähigen Alter zuzumuten. Dass er in der Lage ist, seine rudimentären Italienischkenntnisse nötigenfalls auszubauen, hat er bereits durch die vorübergehende Teilnahme an einem Italienischkurs in der Strafhaft unter Beweis gestellt. Im Übrigen ist zu bedenken, dass der Kläger zur Ausübung einer der von ihm angestrebten Tätigkeit in einer Pizzeria in ... vergleichbaren Tätigkeit in Italien - selbst wenn man die Möglichkeit, eine solche in überwiegend deutschsprachigen Gebieten Südtirols zu suchen, außer Acht lässt - keiner vertieften Italienischkenntnisse bedarf.
59 
(4) Schließlich ist im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, dass der Kläger infolge der ausgesprochenen Befristung eine konkrete Rückkehrperspektive hat. Als Unionsbürger kann er nach Ablauf der Frist bei Erfüllung der der Befristungsentscheidung beigefügten Bedingungen unter Berufung auf sein Freizügigkeitsrecht aus Art. 18 EG wieder in das Bundesgebiet einreisen. Diese Bedingungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie dienen dem Zweck des Verwaltungsakts in der Hauptsache, indem sie sicherstellen, dass der spezialpräventive Ausweisungszweck bei Wirksamwerden der Befristung erfüllt ist und von dem Kläger keine erhebliche Gefahr mehr ausgeht. Die Bedingung der Straffreiheit ist allerdings entsprechend den für die Verlustfeststellung bei Unionsbürgern geltenden Maßstäben einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur solche Straftaten schädlich sind und den Eintritt der Bedingung hindern, die die weitere Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen. Bei einer solchen Auslegung sind die Bedingungen mit § 36 Abs. 3 LVwVfG vereinbar. Auch Gemeinschaftsrecht steht den Bedingungen nicht entgegen. Aus Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG folgt lediglich ein Bescheidungsanspruch; inhaltliche Vorgaben für die Befristung des Aufenthaltsverbots finden sich dort nicht. Auch dem primären Gemeinschaftsrecht lässt sich nicht entnehmen, dass bei Fortbestehen einer qualifizierten Wiederholungsgefahr gleichwohl die Wirkungen einer Ausweisung befristet werden müssten.
60 
5. Der Befristungsbescheid vom 26.07.2006 ist aber gleichwohl rechtswidrig, weil er an einem beachtlichen Verfahrensfehler und an Ermessensfehlern leidet. Der Kläger hat daher auf seinen als Minus im Verpflichtungsantrag enthaltenen Bescheidungsantrag einen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides und auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
61 
a) Zwar war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, Art. 9 der RL 64/221/EWG nicht zu beachten, weil zum einen diese Vorschrift auf Befristungsentscheidungen nicht anwendbar war und zum anderen die Richtlinie 64/221/EWG durch Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben wurde.
62 
b) Ein beachtlicher Verfahrensfehler liegt jedoch darin, dass das Regierungspräsidium vor Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts die nach § 28 Abs. 1 LVwVfG gebotene Anhörung unterlassen hat. Diese war weder nach § 28 Abs. 2 LVwVfG noch nach § 82 AufenthG entbehrlich und der Anhörungsmangel ist auch nicht geheilt worden.
63 
aa) Eine Anhörung war nicht nach § 28 Abs. 2 LVwVfG entbehrlich. In Betracht zu ziehen ist insoweit allein der Tatbestand des § 28 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll. Diese Regelung betrifft die Fälle einer Entscheidung auf Grund eigener Angaben eines Beteiligten. Die Anhörung wird hier durch die eigenen Angaben des Betroffenen gewissermaßen vorweggenommen. Die Vorschrift ist jedoch einschränkend auszulegen: Eigene Angaben können eine Entscheidung ohne weitere Anhörung nur dann rechtfertigen, wenn nach Lage des konkreten Falles die Angaben des Beteiligten Entscheidungsgrundlage sind und die Möglichkeit auszuschließen ist, dass die Anhörung neue Gesichtspunkte ergeben könnte, die eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 28 Rn. 65). Diese Voraussetzungen liegen hier schon mit Blick auf den langen Zeitraum von nahezu zwei Jahren zwischen Antragstellung und Entscheidung nicht vor, der es nahelegt, dass zwischenzeitlich neue, bei Antragstellung noch nicht vorgetragene Umstände eingetreten sind, die für die Entscheidung erheblich sein können.
64 
bb) Die Anhörung war auch nicht im Hinblick auf § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entbehrlich. Dabei kann offen bleiben, ob diese Vorschrift, auf die in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU nicht verwiesen wird, auf den Kläger als Unionsbürger überhaupt anwendbar ist. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf den Kläger als infolge der bestandskräftigen Ausweisung derzeit nicht freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger über eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 2 FreizügG/EU, der nach seinem Wortlaut eine Nichtbestehens- oder Verlustfeststellung voraussetzt, anwendbar ist, folgt hieraus nicht, dass von der Anhörung abgesehen werden konnte. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist der Ausländer u.a. verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen. Die sich aus § 24 Abs. 1 LVwVfG ergebende Pflicht der Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen wird damit für den Anwendungsbereich des AufenthG in gewisser Weise begrenzt, aber nicht aufgehoben. Die Verpflichtung aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist durch die Anlassbezogenheit beschränkt, verlangt also nicht die permanente Offenlegung der Verhältnisse gegenüber der Ausländerbehörde (Albrecht in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 82 AufenthG Rn. 5; ebenso bereits zu § 70 AuslG 1990 OVG NRW, Beschl. v. 01.02.2000 - 18 B 1120/99 - InfAuslR 2000, 279 = NVwZ 2000, 1445). Vorliegend durfte der Kläger danach davon ausgehen, dass das Regierungspräsidium, welches über den Befristungsantrag auf aktualisierter Tatsachengrundlage zu entscheiden hatte, ihm vor einer Entscheidung zumindest nach § 82 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine Frist zur Geltendmachung der für ihn günstigen Umstände setzen würde.
65 
cc) Der Anhörungsmangel ist auch nicht geheilt worden. Eine Heilung nach § 46 LVwVfG scheidet schon deshalb aus, weil es sich bei der Befristungsentscheidung hinsichtlich der Bemessung der Frist nicht um einen gebundenen Verwaltungsakt handelt. Eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG ist nicht erfolgt. Nach dieser Vorschrift ist der Verstoß gegen § 28 Abs. 1 LVwVfG unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung nachgeholt wird. Eine Heilung tritt allerdings nur insoweit ein, als die Anhörung formell ordnungsgemäß erfolgt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht werden kann (funktionelle Äquivalenz). Dies setzt u.a. voraus, dass die Ergebnisse der Anhörung von der zur Entscheidung in der Sache berufenen Behörde nicht nur zur Kenntnis, sondern auch zum Anlass genommen werden, die Entscheidung selbst kritisch zu überdenken (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 26). Nicht ausreichend ist die Anhörung durch das Gericht; sie stellt keine Nachholung durch die Behörde dar und führt deshalb nicht zur Heilung (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 27). Nach diesen Maßstäben hat vorliegend keine Nachholung der Anhörung, die nach § 45 Abs. 2 LVwVfG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat möglich gewesen wäre, stattgefunden. Es genügt nicht, dass der Kläger sich im Klageverfahren geäußert und das Regierungspräsidium dies zur Kenntnis genommen hat.
66 
c) Ein Ermessensfehler liegt darin, dass der Beklagte im Befristungsbescheid infolge des Anhörungsmangels bei Abwägung der gegenläufigen Interessen von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, der eine rechtliche Fehlgewichtung zu Folge hat. Er hat die lediglich rudimentären italienischen Sprachkenntnisse des Klägers, seine vollständig fehlenden Bindungen nach Italien sowie die Beziehung zu seiner deutschen Verlobten infolge der unterbliebenen Anhörung nicht berücksichtigt und damit zu berücksichtigende wesentliche Gesichtspunkte bei der Ermessensausübung außer Acht gelassen.
67 
d) Ermessensfehlerhaft ist es des Weiteren, dass die Dauer der Haftstrafe, die Anlass für die Ausweisung war, maßgeblich in die Bemessung der Sperrfrist eingeflossen ist. Im Rahmen der bei Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU vorzunehmenden Prüfung, ob die Aufrechterhaltung der Sperrwirkungen gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU heute (noch) gerechtfertigt ist, ist die Dauer der Haftstrafen, die zur Ausweisung geführt haben, nur von begrenzter Aussagekraft. Inwieweit sich hier aus der 1998 erfolgten Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Rückschlüsse auf die aktuell von dem Kläger ausgehenden Gefahren ziehen lassen, ist nicht ersichtlich und wird auch in der angefochtenen Verfügung nicht erläutert. Die Begründung erschöpft sich insoweit in einem Hinweis auf die VwV Befristung und auf die Praktikabilität einer solchen Vorgehensweise.
68 
Nach 1.2.1 der vom Regierungspräsidium angewandten VwV Befristung wird bei der Berechnung des Befristungsrahmens das festgesetzte Strafmaß berücksichtigt. Zur Begründung heißt es dort, dies sei gerechtfertigt, weil sich die Strafbemessung des Strafrichters gemäß § 46 StGB nach der Schwere der Schuld des Täters richte. Nach dieser Vorschrift ist - im Erwachsenenstrafrecht - die Schuld des Täters Grundlage für die Strafzumessung. Das bedeutet, dass die Strafe zwar nicht allein nach der Schuld zu bemessen ist, wohl aber, dass die Schuld der Faktor ist, dem bei der Zumessung das größte Gewicht zukommt (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 46 Rn. 19 m.w.N.). Bei der Befristungsentscheidung sind demgegenüber die mit der Ausweisung verfolgten präventiven Zwecke maßgeblich. Die Behörde hat auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachenbasis die Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Die Berücksichtigung des Strafmaßes bei der Bemessung der Frist ist danach grundsätzlich sachwidrig. Das Strafmaß gibt zwar Anhaltspunkte für die Schwere des Delikts und kann mittelbar je nach Art der Straftat Anlass sein, bei besonders gefährlichen Delikten geringere Anforderungen an den Grad der Wiederholungsgefahr zu stellen. Es indiziert aber grundsätzlich keine fortdauernde Wiederholungsgefahr. So ist es denkbar, dass ein Täter wegen einer singulären Einzeltat auf Grund der Schwere des Delikts und der Schuld zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt wird, von ihm aber gleichwohl nur eine geringe Wiederholungsgefahr ausgeht.
69 
Diese Überlegungen gelten uneingeschränkt nur für das Erwachsenenstrafrecht. Die Jugendstrafe ist demgegenüber nicht primär Schuldstrafe, sondern Erziehungsstrafe. Der Richter verhängt gemäß § 17 Abs. 2 JGG Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. Wird die Jugendstrafe nicht mit der Schwere der Schuld, sondern mit schädlichen Neigungen begründet, so hat dies eine starke Indizwirkung auch für die im Ausweisungsrecht zu prüfende Wiederholungsgefahr. Erfolgt etwa zeitnah nach der Verurteilung zu einer Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen eine Ausweisung, so wird es in der Regel nicht zu beanstanden sein, wenn die Ausländerbehörde aus der Verurteilung auf eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung gleichartiger Delikte schließt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Indizwirkung eines solchen Strafurteils nicht durch zwischenzeitliche Vollstreckungsentscheidungen (vgl. § 88 JGG) in Frage gestellt ist. Im Befristungsverfahren liegt allerdings typischerweise - wie auch hier - die strafgerichtliche Verurteilung lange zurück und erlaubt schon aufgrund dessen keinen Schluss auf eine aktuelle Wiederholungsgefahr. Vorliegend ist die Heranziehung des Strafmaßes der 1998 verhängten Jugendstrafe daher sachwidrig. Sachgerecht wäre es demgegenüber, die jüngsten Strafvollstreckungsentscheidungen - hier die Beschlüsse des LG ... vom 21.09.2007, 20.03.2008 und 10.04.2008 sowie den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - heranzuziehen und zu würdigen.
70 
e) Diese Ermessensfehler sind nicht nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt worden. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO ist u.a., dass durch die Ergänzung der Verwaltungsakt nicht in seinem gewollten Wesen oder Ausspruch verändert wird. Eine Wesensänderung ist anzunehmen, wenn sich durch die Ergänzung der Streitstoff ändert. Damit sind nur unwesentliche Korrekturen als zulässig anzusehen (Kuntze in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 114 Rn. 54; Nds. OVG, Beschl. v. 26.04.2007 - 5 ME 122/07 - juris). Nicht zulässig ist der Austausch maßgeblicher oder tragender Erwägungen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 72; Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 114 Rn. 89; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 114 Rn. 208). Es ist ein strenger Maßstab anzulegen, da die Ergänzung nur zur Aufrechterhaltung der getroffenen Entscheidung möglich ist und ohnehin eine Tendenz bestehen kann, eine getroffene Entscheidung zu halten, d.h. bei der Abwägung nicht frei und unvoreingenommen zu sein (Kuntze, a.a.O. Rn. 55). Daran gemessen wäre hier eine - im Übrigen nicht erfolgte - Ergänzung unzulässig gewesen, da infolge der unterbliebenen Anhörung gerade eine neue Ermessensbetätigung unter Einstellung der außer Acht gelassen, wesentlichen Gesichtspunkte geboten ist.
71 
f) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass es für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung geboten sein dürfte, die Strafvollstreckungsakten und die Gefangenenpersonalakten beizuziehen (vgl. - zur Ausweisung - Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1261.1 m.w.N. und - zur Heranziehung der Strafakten - BVerfG, Beschl. v. 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300 = InfAuslR 2007, 443).
II.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
73 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 23. Juli 2008
75 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
29 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
30 
Soweit der Kläger über den erstinstanzlich gestellten Antrag hinausgehend nicht die Befristung „auf den Zeitpunkt sofort nach der Ausreise“, sondern auf den 23.07.2008, d.h. den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, begehrt, stellt dies eine in der Berufungsinstanz zulässige Klageänderung in der Form der Erweiterung des Klageantrags (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) dar. Nach § 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als eine Klageänderung anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Die Vorschrift regelt eine Antragsänderung, die rechtstechnisch als privilegierte Klageänderung behandelt wird. Die Formulierung „ist es nicht als eine Klageänderung anzusehen“ bedeutet nicht, dass in diesen Fällen keine Klageänderung vorliegt, sondern bewirkt, dass die genannten Erweiterungen bzw. Beschränkungen ohne Rücksicht auf ihre dogmatische Einordnung privilegiert werden. Dies ist ein gesetzlich geregelter Fall der Sachdienlichkeit, der ohne weiteres zur Zulässigkeit der Klageänderung führt (Kuntze in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 91 Rn. 5). Voraussetzung für die Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO ist, dass der Klagegrund sich nicht ändert und der Antrag nicht ersetzt wird. Es muss sich deswegen um ein Maius oder Minus handeln und nicht um ein Aliud (Schmid in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 91 Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Klagegrund, d.h. der Sachverhalt, aus dem sich die erstrebte Rechtsfolge ergeben soll, bleibt unverändert. Der Antrag wird nicht ersetzt, sondern - geringfügig - erweitert. Der Kläger begehrt eine Befristung auf den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, d.h. ohne vorherige Ausreise.
31 
Die Berufung ist jedoch nur zum Teil begründet. Der Kläger muss die Wirkungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990 als Folge der Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 gegen sich gelten lassen (unten 1.). Über den geltend gemachten Befristungsanspruch ist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden (unten 2.). Nach den für die Fristbemessung maßgeblichen Grundsätzen (unten 3.) kann der Kläger nicht verlangen, dass die Wirkungen der Ausweisung auf den 23.07.2008 - den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - befristet werden (unten 4.). Er hat, da der Befristungsbescheid vom 26.07.2006 ungeachtet dessen an einem beachtlichen Verfahrensfehler und an Ermessensfehlern leidet, auf seinen als Minus im Verpflichtungsantrag enthaltenen Antrag aber einen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides und auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; unten 5.).
32 
1. Die Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 hat zur Folge, dass der Kläger nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990). Diese Wirkungen entfaltet die Ausweisung auch heute noch, so dass das Befristungsbegehren nicht etwa deshalb ins Leere geht und mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig ist, weil die Ausweisung gegenstandslos geworden wäre. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist geklärt, dass vor dem 01.01.2005 unter Geltung des AuslG 1990 und des AufenthG/EWG bestandskräftig gewordene Ausweisungen von Unionsbürgern nicht mit Inkrafttreten des FreizügG/EU gegenstandslos geworden, sondern weiterhin wirksam sind (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 – 1 C 21.07 – BVerwGE 129, 243 = NVwZ 2008, 82 = EZAR NF 10 Nr. 8; ebenso zuvor bereits VGH BW, Beschl. v. 18.08.2005 – 13 S 1253/05 – und Urt. v. 24.01.2007 – 13 S 451/06 – InfAuslR 2007, 182 = EZAR NF 93 Nr. 3; BayVGH, Beschl. v. 21.03.2006 – 19 CE 06.721 – juris; OVG RP, Urt. v. 08.02.2007 – 7 A 11318/06.OVG – InfAuslR 2007, 226; vgl. auch Epe in GK-AufenthG, IX-2 § 1 Rn. 21 m.w.N.; Harms in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 6 FreizügG/EU Rn. 32; Hailbronner, AuslR, Kommentar, D 1 § 7 Rn. 25; a.A. OVG B-Brb., B. v. 15.03.2006 – OVG 8 S 123.05 – InfAuslR 2006, 259 = NVwZ 2006, 953; Gutmann, InfAuslR 2005, 125 und InfAuslR 2008, 105).
33 
2. a) Grundlage des Befristungsanspruchs ist nicht etwa § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, sondern § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Nach dieser Vorschrift wird das durch die Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU ausgelöste Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU) auf Antrag befristet. Mit Blick auf die in § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG getroffene Übergangsregelung werden von dieser Anspruchsgrundlage in sinngemäßer Anwendung auch die fortwirkenden Rechtsfolgen der vor Inkrafttreten des FreizügG/EU am 01.01.2005 bestandskräftig gewordenen Ausweisung eines Unionsbürgers erfasst. § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU betrifft als Sonderregelung im Sinne des § 11 Abs. 2 FreizügG/EU nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, zu denen auch der Kläger zählt (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.).
34 
§ 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU gewährt Unionsbürgern - anders als die Regelbefristung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für Drittstaater - einen strikten Rechtsanspruch auf Befristung („ob“); nur über die Länge der Frist ist nach Ermessen zu entscheiden. Damit geht die Vorschrift über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG hinaus, die lediglich einen fristgebundenen Verbescheidungsanspruch vorsehen (umgesetzt in dem durch Gesetz vom 19.08.2007 [BGBl. I S. 1970] angefügten Satz 4 des § 7 Abs. 2 FreizügG/EU). Mit der Ausgestaltung der Befristung als gebundener Entscheidung und einem damit korrespondierenden Anspruch bringt der Gesetzgeber den hohen Rang zum Ausdruck, den er dem gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrecht beimisst. Denn als Ausnahmen vom Grundprinzip der Freizügigkeit dürfen das an eine Verlustfeststellung bzw. Ausweisung anknüpfende Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht unbegrenzt gelten, sondern ein davon betroffener Unionsbürger hat nach angemessener Zeit Anspruch auf erneute Prüfung und Entscheidung nach Maßgabe der aktuellen Sachlage (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O. unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 17.06.1997 - Rs. C-65/95 u. C-111/95 [Shingara und Radiom] - Slg. 1997, I-3343 Rn. 40 ff. = EZAR 81 Nr. 34). Von einem solchen Rechtsanspruch ist der Beklagte zu Recht ausgegangen.
35 
b) Für die Prüfung des Befristungsanspruchs ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = EZAR NF 48 Nr. 9; BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Dies muss auch gelten, soweit - wie hier - die Behörde bereits eine Ermessensentscheidung über die Dauer der Sperrfrist getroffen hat und es um deren Überprüfung geht: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 29.04.2004 - Rs. C-482/01 u. C-493/01 [Orfanopoulos u. Oliveri] - Slg. 2004, I-5257 Rn. 82 = InfAuslR 2004, 268) sind die innerstaatlichen Gerichte verpflichtet, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats verfügten Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann, die das Verhalten des Betroffenen für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Daran anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Erfordernis der Berücksichtigung neuer Tatsachen nicht nur für einen Sachvortrag gilt, der den Wegfall oder eine Verminderung der von dem Betroffenen für die öffentliche Ordnung ausgehenden Gefährdung mit sich bringen kann. Aus dem Erfordernis, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt bestehen muss, zu dem die Ausweisung erfolgt, ergebe sich darüber hinaus, dass entscheidungserhebliche neue Tatsachen umfassend zu berücksichtigen sind. Dies gelte auch für Tatsachen, die für die an den Grundrechten und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu orientierende Interessenabwägung von Bedeutung sind. Daraus folge, dass die Tatsachengerichte verpflichtet sind zu prüfen, ob die behördliche Gefährdungsprognose und die Ermessensentscheidung bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Ergebnis auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruhen (BVerwG, Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 = InfAuslR 2005, 18). Diese Erwägungen sind uneingeschränkt auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU zu übertragen, da auch insoweit ähnlich wie bei der Ausweisung oder nunmehr bei der Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU zu prüfen ist, ob von dem Unionsbürger (noch) eine gegenwärtige Gefahr ausgeht (in diesem Sinne bereits Renner, ZAR 2004, 195<197>; siehe zu den für die Fristbemessung maßgeblichen Grundsätzen im Einzelnen unten 3.). Keiner Entscheidung bedarf vorliegend, ob dies, was im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 = InfAuslR 2008, 156) zu bejahen sein könnte, auch für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Befristungsentscheidungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gilt. Grundlage des Befristungsanspruchs ist daher § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU in der Fassung des am 28.08.2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970).
36 
3. Bei der im behördlichen Auswahlermessen verbleibenden Bestimmung der Länge der Frist sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.) in einem ersten Schritt das Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung bzw. Ausweisung sowie der mit der Maßnahme verfolgte spezialpräventive Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der Prüfung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände auch jetzt noch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen. Die Behörde hat dazu auch das Verhalten des Betroffenen nach der Ausweisung zu würdigen und im Wege einer Prognose auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachenbasis die (Höchst-)Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen. Im Falle einer langfristig fortbestehenden Rückfall- bzw. Gefährdungsprognose ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers aber auch bei Unionsbürgern ein langfristiger Ausschluss der Wiedereinreise nicht ausgeschlossen (BT-Drs. 15/420 S. 105). Die im Rahmen des ersten Schritts von der Behörde zu treffende Gefahrprognose muss - ebenso wie bei der Ausweisung (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 16.10.1989 - I B 106.89 - EZAR 124 Nr. 11 = InfAuslR 1990, 4 <5> m.w.N.; Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1711 ff.) - gerichtlich voll überprüfbar sein.
37 
In einem zweiten Schritt muss sich die an der Erreichung des Zwecks der Verlustfeststellung bzw. Ausweisung orientierende äußerste Frist an höherrangigem Recht, d.h. gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und ggf. relativieren lassen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde ein rechtsstaatliches Mittel dafür, fortwirkende einschneidende Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.08.2000 - 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> = InfAuslR 2000, 483 zur Regelbefristung). Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange des Unionsbürgers in den Blick zu nehmen. Haben z.B. familiäre Belange des Betroffenen durch die Geburt eines Kindes im Bundesgebiet nach der Ausweisung an Gewicht gewonnen, folgt daraus eine Ermessensverdichtung in Richtung auf eine kürzere Frist. Die Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles nach Gewichtung der jeweiligen Belange vorzunehmen ist, kann im Extremfall bis zu einer Ermessensreduzierung auf Null mit dem Ergebnis einer Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt, d.h. auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz, führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O. u. Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140 <150 f.> = InfAuslR 2000, 176). Kraft des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts muss in diesen Fällen die Befristung so erfolgen, dass sich das dem Unionsbürger zustehende Freizügigkeitsrecht sogleich entfalten kann. Der Anwendungsvorrang erfordert es, dass die Befristung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, wie insbesondere der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU, wonach eine Frist erst mit der Ausreise beginnt (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 - a.a.O. zu § 8 Abs. 2 Satz 4 AuslG 1990). In den Fällen des Wegfalls der notwendigen qualifizierten Wiederholungsgefahr ist daher auch nach Ergehen einer Feststellungsentscheidung nach § 6 FreizügG/EU die Ausreise des ansonsten Freizügigkeitsberechtigten entgegen der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU nicht Voraussetzung für das erneute Entstehen des Aufenthaltsrechts.
38 
4. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Beklagte nicht verpflichtet, die Befristung auf den heutigen Tag - d.h. ohne Einhaltung einer mit der Ausreise beginnenden angemessenen Frist - auszusprechen. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass eine Befristung auf den heutigen Tag nach dem Zweck der Ermächtigung die allein rechtmäßige Ermessensbetätigung wäre (vgl. § 114 VwGO).
39 
a) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der spezialpräventive Zweck der Ausweisung schon jetzt erreicht ist. Vielmehr geht von dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung für die öffentliche Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
40 
Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 04.09.2007 , a.a.O.) ausgeführt hat, es bedürfe der Prüfung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände „auch jetzt noch“ das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die hohen Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen, ist dies nach Auffassung des Senats nicht dahingehend zu verstehen, dass im Rahmen des Befristungsverfahrens nochmals geprüft werden muss, ob die der bestandskräftigen Ausweisung zugrunde liegenden Umstände diese gerechtfertigt haben. Die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Ausweisung steht in diesem Verfahren nicht erneut zur Überprüfung. Es ist vielmehr eine Gefährdungsprognose auf heutiger Tatsachenbasis vorzunehmen, bei der bezogen auf den jetzigen Entscheidungszeitpunkt unabhängig von der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Ausweisung zu prüfen ist, ob die Aufrechterhaltung der Sperrwirkungen gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU gerechtfertigt ist. Die vom Kläger nach der Ausweisung als Erwachsener begangenen Straftaten sind daher ebenso zu berücksichtigen wie seine zum Zeitpunkt der Ausweisung noch nicht so gravierende, unbewältigte Drogenproblematik.
41 
Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe getroffene Prognose, die gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. oben 3.), ist danach nicht zu beanstanden: Die vom Kläger zwischen Juni 2004 und März 2005 begangenen Straftaten des gemeinschaftlichen Diebstahls in 15 sowie des gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls in zwei Fällen sind der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Es handelt sich um eine Häufung von Fällen mittlerer Kriminalität, bei denen der Senat jedenfalls aufgrund der gewerbsmäßigen Begehung (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) davon ausgeht, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU). Auch zum heutigen Zeitpunkt ist bei dem Kläger insbesondere aufgrund der unbewältigten Drogenproblematik eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung gleichartiger Eigentums- und Vermögensdelikte nach Entlassung aus der Strafhaft weiterhin gegeben. Die bloße Therapiebereitschaft steht der Annahme der auch von den Strafvollstreckungsgerichten (vgl. die Beschlüsse des LG ... vom 21.09.2007 - 12 StVK 572/07 - und des OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - 2 Ws 315/07 -) bejahten Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Die Gefahr, dass der Kläger, ebenso wie nach Verbüßung seiner Jugendstrafe, nach der Haftentlassung erneut Drogen konsumieren und zur Finanzierung des Drogenkonsums erhebliche Straftaten begehen wird, erscheint relativ hoch. Sie wird nicht dadurch gemindert, dass er einen Arbeitsplatz in Aussicht hat und seine Verlobte zu heiraten beabsichtigt. Insoweit spricht gegen eine günstige Prognose, dass der Kläger nie dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert war, er vielmehr wiederholt Arbeitsverhältnisse aus freien Stücken beendete und dass auch die Beziehung zu seiner Verlobten ihm nicht genügend Halt gegeben hat, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Er vermochte schließlich selbst unter dem Druck der Ausweisung, der erlittenen Jugendhaft und des 2002 geschlossenen Bewährungsvergleichs sein Verhalten nicht durchgreifend zu ändern. Die notwendige qualifizierte Wiederholungsgefahr besteht daher zur Überzeugung des Senats fort.
42 
b) Diese Wiederholungsgefahr wird nicht dadurch relativiert, dass der ursprüngliche Ausweisungsanlass - die vom Kläger als Jugendlicher begangenen Straftaten - weniger gewichtig war. Auch wenn das Verwaltungsgericht Karlsruhe (Urt. v. 16.08.1999 - 12 K 1791/99 -) zu Recht davon ausgegangen ist, dass es damals an einer tatsächlichen, gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, gefehlt hat, so führt dies nur dazu, dass der Grund für die Ausweisung nur mit dem ihm zukommenden geringeren Gewicht bei der Ausübung des Befristungsermessens zu berücksichtigen ist, eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich hieraus jedoch angesichts der heute bestehenden qualifizierten Wiederholungsgefahr nicht.
43 
c) Entgegen der Auffassung des Klägers folgt eine Ermessensreduktion auf Null auch nicht aus § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, weil die Ausweisung, um deren Sperrwirkung es geht, vor dem 01.05.2006 bestandskräftig wurde und daher das erhöhte Schutzniveau dieser Vorschrift hier nicht zu beachten ist.
44 
aa) § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) setzen die zweite und dritte Stufe des durch Art. 28 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG eingeführten erhöhten Ausweisungsschutzes für bestimmte Personengruppen um. Nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU, der Art. 28 Abs. 2 RL 2004/38/EG umsetzt, ist die Verlustfeststellung nach Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt (vgl. § 4 a FreizügG/EU) nur noch aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zulässig. Nach zehnjährigem Aufenthalt darf eine Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, der Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG umsetzt, nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit verfügt werden. Diese Anforderungen beziehen sich nach ihrem Standort im Gesetz allein auf Verlustfeststellungen nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU, nicht aber auf Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Nach ihrem Sinn und Zweck müssen diese Anforderungen jedoch gewissermaßen spiegelbildlich auch für die Befristungsentscheidung gelten, wenn die Verlustfeststellung, deren Wirkungen befristet werden, unter Beachtung des erhöhten Ausweisungsschutzes gemäß Art. 28 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie 2004/38/EG erlassen wurde oder hätte erlassen werden müssen. Letzteres trifft auf alle Verlustfeststellungen zu, die bei Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 40 der RL 2004/38/EG am 30.04.2006 noch nicht bestandskräftig waren (zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 28 Abs. 2 und 3 RL 2004/38/EG ab diesem Zeitpunkt vgl. Epe in GK-AufenthG, IX-2 Vor § 1 Rn. 35, 43 ff.). Wollte man im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU auch in Fällen erhöhten Ausweisungsschutzes nur prüfen, ob auf heutiger Tatsachenbasis die Gefährdungsprognose gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU Bestand hat, würde dies zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass etwa trotz Wegfalls zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit bei einem Unionsbürger, der Ausweisungsschutz nach der dritten Stufe genießt, der Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht weiterhin gerechtfertigt wäre, sofern „nur“ noch eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU vorliegt. Dies würde zu einer unzulässigen Aushöhlung des erhöhten Ausweisungsschutzes nach § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU führen.
45 
bb) Hier waren bei der bereits 2002 bestandskräftig gewordenen Ausweisung die Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 und 3 der RL 2004/38/EG nicht zu beachten, so dass auch im Befristungsverfahren nur die Anforderungen des - dem bisherigen gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutz entsprechenden - Ausweisungsschutzes auf der ersten Stufe gemäß Art. 28 Abs. 1 der RL 2004/38/EG einzuhalten sind. Diese erste Stufe des gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutzes ist in § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU umgesetzt. Folgerichtig ist daher, soweit es um Altausweisungen geht, auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.) nicht zu prüfen, ob bei dem ausgewiesenen Unionsbürger aktuell nach der heutigen Rechtslage noch eine Verlustfeststellung getroffen werden könnte. Zu prüfen ist in diesen Übergangsfällen allein, ob die gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU noch aufrecht erhalten werden können. Auch gemeinschaftsrechtlich ist es nicht geboten, den mit der seit dem 01.05.2006 unmittelbar anwendbaren RL 2004/38/EG eingeführten erhöhten Ausweisungsschutz auch zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig ausgewiesenen Unionsbürgern zugute kommen zu lassen. Art. 28 RL 2004/38/EG bezieht sich auf Ausweisungen, nicht aber auf Befristungsentscheidungen. Die erhöhten Anforderungen nach dieser Vorschrift sind daher nur bei Ausweisungen/Verlustfeststellungen zu beachten, bei denen der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem 30.04.2006 liegt (vgl. EuGH, Urt. v. 04.10.2007 – Rs. C-349/06 [Polat] – Slg. 2007, I-08167 Rdn. 26 f. = InfAuslR 2007, 425 = NVwZ 2008, 59 = EZAR NF 19 Nr. 22, wobei der EuGH dort nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt bei Beachtung seiner eigenen Rechtsprechung zum maßgeblichen Zeitpunkt wohl zu einer Anwendbarkeit der RL 2004/38/EG hätte kommen müssen). Nichts anderes ergibt sich aus Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG. Nach dieser Vorschrift können ausgewiesene Unionsbürger nach einem angemessenen Zeitraum, jedenfalls aber drei Jahre nach Vollstreckung des nach Gemeinschaftsrecht ordnungsgemäß erlassenen Aufenthaltsverbots dessen Aufhebung unter Hinweis darauf beantragen, dass eine „materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben“. Mit einer „materiellen Änderung der Umstände“ sind Änderungen des Sachverhalts, nicht hingegen Rechtsänderungen gemeint. Sowohl im ursprünglichen wie auch im geänderten Kommissionsvorschlag hieß es „Änderung des Sachverhalts“ (vgl. KOM (2001) 257 endg. und KOM (2003) 199 endg., jeweils Art. 30 Abs. 2). Die schließlich verabschiedete Formulierung findet sich erstmals im Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 (ABl. EG C 54E/12 <23>). Zur Begründung heißt es dort, die Abänderungen machten den Text klarer. Zwar trifft das Gegenteil zu, doch ergibt sich aus den Materialien jedenfalls, dass nur eine redaktionelle Änderung beabsichtigt war. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine Gefährdungsprognose auf neuer Tatsachenbasis zu treffen ist, steht daher auch mit Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG im Einklang.
46 
d) Auch aus Nr. 1.5 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Bemessung der Sperrwirkung bei Befristungsentscheidungen nach § 8 Abs. 2 AuslG vom 25.01.2002 - Az.: 1362/129 - (VwV Befristung), die nach Auskunft des Beklagten bei der Ausübung des Befristungsermessens nach wie vor zugrunde gelegt wird, ergibt sich - i.V.m. Art. 3 GG - keine Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne, dass der Kläger einen Anspruch auf sofortige Befristung hätte. Dort heißt es:
47 
„Es ist zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung noch Gründe vorliegen, die eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts nach § 12 AufenthG/EWG und dem zugrunde liegenden Gemeinschaftsrecht rechtfertigen. Liegen solche Gründe nicht mehr vor, darf die Befristung nicht von der vorherigen Ausreise des Betroffenen abhängig gemacht werden, so dass dem Betroffenen ein Anspruch auf sofortige Befristung zusteht.“
48 
Diese Verwaltungsvorschrift kann lediglich über eine gleichbleibende Verwaltungspraxis nach Art 3 Abs. 1 GG Außenwirkung zugunsten des Ausländers haben. Sie ist somit entsprechend dem wirklichen Willen des Erklärenden (hier: der obersten Landesbehörde) und ihrer tatsächlichen Handhabung auszulegen und anzuwenden, so dass der Wortlaut der Verwaltungsvorschrift erst über die ihm folgende ständige Verwaltungspraxis Außenwirkung für den Ausländer entfaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 = InfAuslR 2001, 70; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.04.2002 - 13 S 314/02 - ESVGH 52, 200). In der Verwaltungspraxis wird diese Verwaltungsvorschrift nach Auskunft des Beklagten nicht in dem Sinne angewandt, dass bei einer Altausweisung, die den heutigen Anforderungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU nicht entspricht, stets eine Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt vorzunehmen ist. Dies gelte nur im Durchschnittsfall, sofern „keine weiteren negativen Aspekte gegen den EU-Bürger in das Ermessen eingestellt werden müssen“. Im Übrigen hätten die Neuregelungen des § 6 FreizügG/EU erhebliche Auswirkungen auf den Umfang des noch verbleibenden Ermessens, führten aber nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Vorliegend ist zu Lasten des Klägers insbesondere seine unbewältigte Drogenproblematik in das Ermessen einzustellen, so dass eine Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf die tatsächliche Handhabung der VwV Befristung ausscheidet.
49 
e) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger die in dem gerichtlichen Vergleich vom 20.02.2002 für eine Befristung der Ausweisung vorgesehenen Bedingungen nicht erfüllt hat und daher aus diesem Vergleich keinen Anspruch auf sofortige Befristung ableiten kann.
50 
f) Aus Art. 8 EMRK folgt ebenfalls keine zu einem Anspruch auf sofortige Befristung führende Ermessensreduzierung auf Null.
51 
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff in diese Rechte ist nach Abs. 2 der Vorschrift nur statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen ist, ein legitimes Ziel verfolgt und zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist. Die Wirkungen der Ausweisung dürfen angesichts des Schutzgebots des Art. 8 EMRK nicht länger aufrecht erhalten werden, wenn von dem Ausländer keine konkrete und entsprechend schwere Gefahr für ein wichtiges Schutzgut mehr ausgeht und demgemäß die mit seiner Anwesenheit verbundene Beeinträchtigung von Belangen der Bundesrepublik Deutschland nicht so gewichtig ist, dass sie die Beeinträchtigung seiner Rechte auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens eindeutig überwiegt.
52 
aa) Der Schutzbereich von Art. 8 EMRK umfasst neben weiteren hier nicht einschlägigen Gewährleistungen zum einen das Familienleben, zum anderen das Privatleben. Vorliegend ist nicht der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens, wohl aber der des Rechts auf Achtung des Privatlebens eröffnet: Bei Beziehungen zwischen nahen Verwandten außerhalb der klassischen Kleinfamilie kommt es darauf an, ob die tatsächlich bestehenden Bindungen hinreichend für die Annahme einer familiären Beziehung sind. Beziehungen zwischen Erwachsenen unterliegen nicht notwendig dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung des Familienlebens. Es müssen besondere zusätzliche Aspekte der Abhängigkeit hinzutreten, die weiter reichen als normale affektive Beziehungen (EGMR, Urt. v. 17.04.2003 - Nr. 52853/99 [Yilmaz] - NJW 2004, 2147 Rn. 44 m.w.N.; Urt. v. 15.07.2003 - Nr. 52206/99 [Mokrani] - InfAuslR 2004, 183; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl., § 22 Rn. 18 m.w.N.). Art. 8 EMRK vermittelt insoweit keinen weitergehenden Schutz als Art. 6 GG bei familiären Beziehungen unter Volljährigen. Die Beziehung des volljährigen Klägers zu seiner Mutter und zu seiner Schwester unterfallen danach nicht dem Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens. Anhaltspunkte für ein besonderes Angewiesensein des Klägers auf ein Zusammenleben mit seiner Mutter und/oder seiner Schwester sind nicht dargelegt worden und auch nicht ersichtlich. Gleiches gilt im Ergebnis für die Beziehung des Klägers zu seiner Verlobten. Zwar ist für das Vorliegen einer Familie i.S.v. Art. 8 EMRK nicht in jedem Fall notwendig, dass zwei Personen ihre Beziehung rechtlich formalisiert haben. Der EGMR unterscheidet nicht zwischen einer „ehelichen“ und einer „nichtehelichen“ Familie, sondern stellt auf ein tatsächlich bestehendes Familienleben ab, welches er aber grundsätzlich nur dann bejaht, wenn aus einer nichtehelichen Partnerschaft Kinder hervorgegangen sind (vgl. EGMR, Urt. v. 13.06.1979 [Marcks] - NJW 1979, 2449; Urt. v. 18.12.1986 - 6/1985/92/139 [Johnston u.a.] - EuGRZ 1987, 313; Urt. v. 26.05.1994 - 16/1993/411/490 [Keegan] - NJW 1995, 2153; Urt. v. 13.07.2000 - 25735/94 [Elsholz] - NJW 2001, 2315; Urt. v. 12.07.2001 - 25702/94 [K. u. T.] - NJW 2003, 809). Danach ist der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens auch insoweit nicht berührt.
53 
bb) Unzweifelhaft stellt die Ausweisung, die nach der nunmehr erfolgten Befristung ihrer Wirkungen ein vierjähriges Aufenthaltsverbot im Bundesgebiet zur Folge hat, einen Eingriff in das Recht des Klägers auf Achtung seines Privatlebens dar. Dieser Eingriff verfolgt indes legitime Ziele im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, nämlich die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Verhinderung von strafbaren Handlungen. Er ist darüber hinaus notwendig zur Erreichung dieser Ziele. Ein Eingriff ist nach der Rechtsprechung des EGMR notwendig, wenn ein dringendes soziales Bedürfnis besteht und er verhältnismäßig zum legitimen Ziel ist (Urt. v. 22.04.2004 - Nr. 42703/98 [Radovanovic] - InfAuslR 2004, 374). Es muss ein gerechter Ausgleich getroffen werden zwischen dem Recht des Klägers auf Achtung des Privatlebens auf der einen und den Interessen der öffentlichen Sicherheit und der Verhinderung von Straftaten auf der anderen Seite. Erforderlich ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Beachtung der vom EGMR entwickelten Kriterien, die im Wesentlichen in den Entscheidungen Boultif und Üner zusammengefasst worden sind (EGMR, Urt. v. 02.08.2001 - Nr. 54273/00 [Boultif] - InfAuslR 2001, 476; Urt. v. 05.07.2005 - Nr. 46410/99 [Üner] - InfAuslR 2005, 450 = DVBl 2006, 688). Nach diesen Entscheidungen sind zu berücksichtigen die Art und Schwere der begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthalts in dem Staat, aus dem der Betreffende ausgewiesen werden soll, die seit Begehen der Straftat vergangene Zeit und das Verhalten des Betroffenen seit der Tat, die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten, die familiäre Situation des Betroffenen und gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben hinweisen, ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte, ob der Verbindung Kinder entstammen und schließlich die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das der Betroffene ausgewiesen werden soll. Von Bedeutung ist ferner das Interesse und Wohl der Kinder sowie die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland oder zum Bestimmungsland. Bei Ausweisungen von Immigranten der zweiten Generation, zu denen der Kläger gehört, berücksichtigt der EGMR neben den genannten allgemeinen Kriterien die besonderen Bindungen, die diese Personen mit dem Aufenthaltsstaat eingegangen sind, in dem sie ihre Erziehung erhalten, den Großteil ihrer sozialen Kontakte geknüpft und folglich ihre eigene Identität entwickelt haben (EGMR, Urt. v. 26.09.1997 - 85/1996/704/896 [Mehemi] - InfAuslR 1997, 30 = NVwZ 1998, 164; Urt. v. 21.10.1997 - 122/1996/741/940 [Boujlifa] - InfAuslR 1998, 1). Demgemäß erachtet es der EGMR neben der Intensität der Bindung und dem Alter des Ausgewiesenen für maßgeblich, welche Sprache der Ausgewiesene spricht und ob es Verwandte oder andere soziale Beziehungen im Herkunftsstaat bzw. umgekehrt familiäre Bindungen oder Verwandte im Aufenthaltsstaat gibt (EGMR, Entsch. v. 04.10.2001 - 43359/98 [Adam] - EuGRZ 2002, 582 = NJW 2003, 2595).
54 
Daran gemessen gebietet Art. 8 Abs. 2 EMRK es nicht, von einer Aufenthaltsbeendigung abzusehen und die Wirkungen der Ausweisung auf sofort zu befristen:
55 
(1) Negativ fallen zunächst Art und Schwere der begangenen Straftaten ins Gewicht. Die vom Kläger zuletzt begangenen Einbruchdiebstähle, die zur Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten geführt haben, sind der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Erschwerend ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um Jugendverfehlungen gehandelt hat und dass die Taten gewerbsmäßig begangen wurden. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass es sich „nur“ um Eigentumsdelikte ohne Gewaltanwendung gegenüber Personen gehandelt hat. Der Senat verkennt nicht, dass der EGMR bei derartigen Delikten vereinzelt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte aus Art. 8 Abs. 1 EMRK angenommen hat: In der Sache Beljoudi (Urt. v. 26.03.1992 - 55/1990/246/317 - InfAuslR 1993, 86) war der dortige algerische Beschwerdeführer wegen einer Vielzahl von Diebstahlsdelikten zu Freiheitsstrafen von insgesamt 12 Jahren und 5 Monaten verurteilt worden. Der EGMR sah seine Ausweisung aus Frankreich gleichwohl als unverhältnismäßig an. Der Fall ist allerdings durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer in Frankreich als Kind damals französischer Eltern geboren war und selbst die französische Staatsangehörigkeit nur deshalb verloren hatte, weil seine Eltern es versäumt hatten, innerhalb einer bestimmten Frist eine Beibehaltungserklärung abzugeben. Zudem war der Beschwerdeführer seit mehr als 20 Jahren mit einer Französin verheiratet. In der Sache Jakupovic (Urt. v. 06.02.2003 - Nr. 36757/97 - InfAuslR 2004, 184) ging es um Jugendstraftaten; zudem war für den EGMR entscheidend, dass der Beschwerdeführer im Alter von 16 Jahren alleine in das zum Zeitpunkt der Ausweisung noch von den Folgen des Bürgerkriegs geprägte Bosnien-Herzegowina abgeschoben werden sollte. Diesen Entscheidungen, die jeweils einige hier nicht vorliegende Besonderheiten aufweisen, lässt sich nach Auffassung des Senats nicht entnehmen, dass Einwanderer der zweiten Generation wegen Eigentumsdelikten grundsätzlich nicht ausgewiesen werden dürften, wenn bei ihnen - wie bei dem Kläger - die Gefahr der Begehung weiterer, gleichartiger Straftaten besteht.
56 
Bei der Würdigung der Vorgeschichte und des Nachtatverhaltens fällt negativ ins Gewicht, dass der Kläger sich die Verurteilung zu Jugendstrafen und die Ausweisung nicht hat zur Warnung dienen lassen und selbst die ihm in dem aufenthaltsrechtlichen Bewährungsvergleich im Februar 2002 eingeräumte Chance nicht genutzt hat, künftig ein straffreies Leben zu führen. Dass er seit der letzten Verurteilung keine weiteren Straftaten begangen hat, kann ebenfalls nicht zu seinen Gunsten gewertet werden, weil er die zuletzt verhängte Freiheitsstrafe immer noch verbüßt und daher noch keine Gelegenheit hatte, sich in Freiheit zu bewähren. Negativ schlägt auch die unbewältigte Drogenproblematik zu Buche, wenngleich insoweit die Therapiebereitschaft zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen ist.
57 
(2) Zu Gunsten des Klägers fällt ins Gewicht, dass er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und dementsprechend auch seine Schulzeit im Bundesgebiet verbracht hat. Des Weiteren ist von Bedeutung, dass seine Mutter inzwischen Deutsche ist. Gleichwohl ist - gemessen an der Aufenthaltsdauer - der Grad der Integration im Bundesgebiet nicht besonders ausgeprägt: Der Kläger hat weder einen Schulabschluss erlangt noch verfügt er über eine Berufsausbildung. Soweit er einer Erwerbstätigkeit nachging, handelte es sich um Aushilfstätigkeiten. Mehrfach hat er ein Arbeitsverhältnis von sich aus beendet. Besondere Integrationsleistungen (beispielsweise Aktivitäten in Parteien oder Vereinen, Teilnahme am gesellschaftlichen/kulturellen Leben) sind nicht feststellbar. Um eine Einbürgerung hat sich der Kläger offenbar nie bemüht. Er hat noch keine eigene Familie gegründet, sondern ist lediglich mit einer Deutschen verlobt. Von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kann derzeit nicht ausgegangen werden, so dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung des Familienlebens insoweit keine Vorwirkung entfalten. Die Trennung von der Verlobten, die nach den Angaben des Klägers nicht bereit wäre, ihn nach Italien zu begleiten, stellt allerdings einen gravierenden Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar.
58 
(3) Bei der Würdigung des Grades der Entwurzelung im Herkunftsstaat ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls noch über Grundkenntnisse der italienischen Sprache verfügt. Ihm kann nicht geglaubt werden, dass in seiner Familie, insbesondere mit den Großeltern, ausschließlich deutsch gesprochen wurde. Auch wenn der Kläger, was der Senat ihm glaubt, über keine familiären Bindungen und sonstigen sozialen Kontakte nach Italien verfügt, ist zu berücksichtigen, dass die Kulturdifferenz zu Italien nicht besonders groß ist und die Lebensverhältnisse in Italien, welches ebenfalls Mitglied der EU und als führende Wirtschaftsmacht Mitglied der G8 ist, sich von denen in Deutschland nicht grundlegend unterscheiden. Die Schwierigkeiten, mit denen der Kläger dort konfrontiert wird, sind nicht unüberwindbar. Sie sind ihm als Mann im arbeitsfähigen Alter zuzumuten. Dass er in der Lage ist, seine rudimentären Italienischkenntnisse nötigenfalls auszubauen, hat er bereits durch die vorübergehende Teilnahme an einem Italienischkurs in der Strafhaft unter Beweis gestellt. Im Übrigen ist zu bedenken, dass der Kläger zur Ausübung einer der von ihm angestrebten Tätigkeit in einer Pizzeria in ... vergleichbaren Tätigkeit in Italien - selbst wenn man die Möglichkeit, eine solche in überwiegend deutschsprachigen Gebieten Südtirols zu suchen, außer Acht lässt - keiner vertieften Italienischkenntnisse bedarf.
59 
(4) Schließlich ist im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, dass der Kläger infolge der ausgesprochenen Befristung eine konkrete Rückkehrperspektive hat. Als Unionsbürger kann er nach Ablauf der Frist bei Erfüllung der der Befristungsentscheidung beigefügten Bedingungen unter Berufung auf sein Freizügigkeitsrecht aus Art. 18 EG wieder in das Bundesgebiet einreisen. Diese Bedingungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie dienen dem Zweck des Verwaltungsakts in der Hauptsache, indem sie sicherstellen, dass der spezialpräventive Ausweisungszweck bei Wirksamwerden der Befristung erfüllt ist und von dem Kläger keine erhebliche Gefahr mehr ausgeht. Die Bedingung der Straffreiheit ist allerdings entsprechend den für die Verlustfeststellung bei Unionsbürgern geltenden Maßstäben einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur solche Straftaten schädlich sind und den Eintritt der Bedingung hindern, die die weitere Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen. Bei einer solchen Auslegung sind die Bedingungen mit § 36 Abs. 3 LVwVfG vereinbar. Auch Gemeinschaftsrecht steht den Bedingungen nicht entgegen. Aus Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG folgt lediglich ein Bescheidungsanspruch; inhaltliche Vorgaben für die Befristung des Aufenthaltsverbots finden sich dort nicht. Auch dem primären Gemeinschaftsrecht lässt sich nicht entnehmen, dass bei Fortbestehen einer qualifizierten Wiederholungsgefahr gleichwohl die Wirkungen einer Ausweisung befristet werden müssten.
60 
5. Der Befristungsbescheid vom 26.07.2006 ist aber gleichwohl rechtswidrig, weil er an einem beachtlichen Verfahrensfehler und an Ermessensfehlern leidet. Der Kläger hat daher auf seinen als Minus im Verpflichtungsantrag enthaltenen Bescheidungsantrag einen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides und auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
61 
a) Zwar war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, Art. 9 der RL 64/221/EWG nicht zu beachten, weil zum einen diese Vorschrift auf Befristungsentscheidungen nicht anwendbar war und zum anderen die Richtlinie 64/221/EWG durch Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben wurde.
62 
b) Ein beachtlicher Verfahrensfehler liegt jedoch darin, dass das Regierungspräsidium vor Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts die nach § 28 Abs. 1 LVwVfG gebotene Anhörung unterlassen hat. Diese war weder nach § 28 Abs. 2 LVwVfG noch nach § 82 AufenthG entbehrlich und der Anhörungsmangel ist auch nicht geheilt worden.
63 
aa) Eine Anhörung war nicht nach § 28 Abs. 2 LVwVfG entbehrlich. In Betracht zu ziehen ist insoweit allein der Tatbestand des § 28 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll. Diese Regelung betrifft die Fälle einer Entscheidung auf Grund eigener Angaben eines Beteiligten. Die Anhörung wird hier durch die eigenen Angaben des Betroffenen gewissermaßen vorweggenommen. Die Vorschrift ist jedoch einschränkend auszulegen: Eigene Angaben können eine Entscheidung ohne weitere Anhörung nur dann rechtfertigen, wenn nach Lage des konkreten Falles die Angaben des Beteiligten Entscheidungsgrundlage sind und die Möglichkeit auszuschließen ist, dass die Anhörung neue Gesichtspunkte ergeben könnte, die eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 28 Rn. 65). Diese Voraussetzungen liegen hier schon mit Blick auf den langen Zeitraum von nahezu zwei Jahren zwischen Antragstellung und Entscheidung nicht vor, der es nahelegt, dass zwischenzeitlich neue, bei Antragstellung noch nicht vorgetragene Umstände eingetreten sind, die für die Entscheidung erheblich sein können.
64 
bb) Die Anhörung war auch nicht im Hinblick auf § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entbehrlich. Dabei kann offen bleiben, ob diese Vorschrift, auf die in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU nicht verwiesen wird, auf den Kläger als Unionsbürger überhaupt anwendbar ist. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf den Kläger als infolge der bestandskräftigen Ausweisung derzeit nicht freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger über eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 2 FreizügG/EU, der nach seinem Wortlaut eine Nichtbestehens- oder Verlustfeststellung voraussetzt, anwendbar ist, folgt hieraus nicht, dass von der Anhörung abgesehen werden konnte. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist der Ausländer u.a. verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen. Die sich aus § 24 Abs. 1 LVwVfG ergebende Pflicht der Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen wird damit für den Anwendungsbereich des AufenthG in gewisser Weise begrenzt, aber nicht aufgehoben. Die Verpflichtung aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist durch die Anlassbezogenheit beschränkt, verlangt also nicht die permanente Offenlegung der Verhältnisse gegenüber der Ausländerbehörde (Albrecht in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 82 AufenthG Rn. 5; ebenso bereits zu § 70 AuslG 1990 OVG NRW, Beschl. v. 01.02.2000 - 18 B 1120/99 - InfAuslR 2000, 279 = NVwZ 2000, 1445). Vorliegend durfte der Kläger danach davon ausgehen, dass das Regierungspräsidium, welches über den Befristungsantrag auf aktualisierter Tatsachengrundlage zu entscheiden hatte, ihm vor einer Entscheidung zumindest nach § 82 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine Frist zur Geltendmachung der für ihn günstigen Umstände setzen würde.
65 
cc) Der Anhörungsmangel ist auch nicht geheilt worden. Eine Heilung nach § 46 LVwVfG scheidet schon deshalb aus, weil es sich bei der Befristungsentscheidung hinsichtlich der Bemessung der Frist nicht um einen gebundenen Verwaltungsakt handelt. Eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG ist nicht erfolgt. Nach dieser Vorschrift ist der Verstoß gegen § 28 Abs. 1 LVwVfG unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung nachgeholt wird. Eine Heilung tritt allerdings nur insoweit ein, als die Anhörung formell ordnungsgemäß erfolgt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht werden kann (funktionelle Äquivalenz). Dies setzt u.a. voraus, dass die Ergebnisse der Anhörung von der zur Entscheidung in der Sache berufenen Behörde nicht nur zur Kenntnis, sondern auch zum Anlass genommen werden, die Entscheidung selbst kritisch zu überdenken (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 26). Nicht ausreichend ist die Anhörung durch das Gericht; sie stellt keine Nachholung durch die Behörde dar und führt deshalb nicht zur Heilung (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 27). Nach diesen Maßstäben hat vorliegend keine Nachholung der Anhörung, die nach § 45 Abs. 2 LVwVfG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat möglich gewesen wäre, stattgefunden. Es genügt nicht, dass der Kläger sich im Klageverfahren geäußert und das Regierungspräsidium dies zur Kenntnis genommen hat.
66 
c) Ein Ermessensfehler liegt darin, dass der Beklagte im Befristungsbescheid infolge des Anhörungsmangels bei Abwägung der gegenläufigen Interessen von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, der eine rechtliche Fehlgewichtung zu Folge hat. Er hat die lediglich rudimentären italienischen Sprachkenntnisse des Klägers, seine vollständig fehlenden Bindungen nach Italien sowie die Beziehung zu seiner deutschen Verlobten infolge der unterbliebenen Anhörung nicht berücksichtigt und damit zu berücksichtigende wesentliche Gesichtspunkte bei der Ermessensausübung außer Acht gelassen.
67 
d) Ermessensfehlerhaft ist es des Weiteren, dass die Dauer der Haftstrafe, die Anlass für die Ausweisung war, maßgeblich in die Bemessung der Sperrfrist eingeflossen ist. Im Rahmen der bei Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU vorzunehmenden Prüfung, ob die Aufrechterhaltung der Sperrwirkungen gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU heute (noch) gerechtfertigt ist, ist die Dauer der Haftstrafen, die zur Ausweisung geführt haben, nur von begrenzter Aussagekraft. Inwieweit sich hier aus der 1998 erfolgten Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Rückschlüsse auf die aktuell von dem Kläger ausgehenden Gefahren ziehen lassen, ist nicht ersichtlich und wird auch in der angefochtenen Verfügung nicht erläutert. Die Begründung erschöpft sich insoweit in einem Hinweis auf die VwV Befristung und auf die Praktikabilität einer solchen Vorgehensweise.
68 
Nach 1.2.1 der vom Regierungspräsidium angewandten VwV Befristung wird bei der Berechnung des Befristungsrahmens das festgesetzte Strafmaß berücksichtigt. Zur Begründung heißt es dort, dies sei gerechtfertigt, weil sich die Strafbemessung des Strafrichters gemäß § 46 StGB nach der Schwere der Schuld des Täters richte. Nach dieser Vorschrift ist - im Erwachsenenstrafrecht - die Schuld des Täters Grundlage für die Strafzumessung. Das bedeutet, dass die Strafe zwar nicht allein nach der Schuld zu bemessen ist, wohl aber, dass die Schuld der Faktor ist, dem bei der Zumessung das größte Gewicht zukommt (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 46 Rn. 19 m.w.N.). Bei der Befristungsentscheidung sind demgegenüber die mit der Ausweisung verfolgten präventiven Zwecke maßgeblich. Die Behörde hat auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachenbasis die Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Die Berücksichtigung des Strafmaßes bei der Bemessung der Frist ist danach grundsätzlich sachwidrig. Das Strafmaß gibt zwar Anhaltspunkte für die Schwere des Delikts und kann mittelbar je nach Art der Straftat Anlass sein, bei besonders gefährlichen Delikten geringere Anforderungen an den Grad der Wiederholungsgefahr zu stellen. Es indiziert aber grundsätzlich keine fortdauernde Wiederholungsgefahr. So ist es denkbar, dass ein Täter wegen einer singulären Einzeltat auf Grund der Schwere des Delikts und der Schuld zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt wird, von ihm aber gleichwohl nur eine geringe Wiederholungsgefahr ausgeht.
69 
Diese Überlegungen gelten uneingeschränkt nur für das Erwachsenenstrafrecht. Die Jugendstrafe ist demgegenüber nicht primär Schuldstrafe, sondern Erziehungsstrafe. Der Richter verhängt gemäß § 17 Abs. 2 JGG Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. Wird die Jugendstrafe nicht mit der Schwere der Schuld, sondern mit schädlichen Neigungen begründet, so hat dies eine starke Indizwirkung auch für die im Ausweisungsrecht zu prüfende Wiederholungsgefahr. Erfolgt etwa zeitnah nach der Verurteilung zu einer Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen eine Ausweisung, so wird es in der Regel nicht zu beanstanden sein, wenn die Ausländerbehörde aus der Verurteilung auf eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung gleichartiger Delikte schließt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Indizwirkung eines solchen Strafurteils nicht durch zwischenzeitliche Vollstreckungsentscheidungen (vgl. § 88 JGG) in Frage gestellt ist. Im Befristungsverfahren liegt allerdings typischerweise - wie auch hier - die strafgerichtliche Verurteilung lange zurück und erlaubt schon aufgrund dessen keinen Schluss auf eine aktuelle Wiederholungsgefahr. Vorliegend ist die Heranziehung des Strafmaßes der 1998 verhängten Jugendstrafe daher sachwidrig. Sachgerecht wäre es demgegenüber, die jüngsten Strafvollstreckungsentscheidungen - hier die Beschlüsse des LG ... vom 21.09.2007, 20.03.2008 und 10.04.2008 sowie den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - heranzuziehen und zu würdigen.
70 
e) Diese Ermessensfehler sind nicht nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt worden. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO ist u.a., dass durch die Ergänzung der Verwaltungsakt nicht in seinem gewollten Wesen oder Ausspruch verändert wird. Eine Wesensänderung ist anzunehmen, wenn sich durch die Ergänzung der Streitstoff ändert. Damit sind nur unwesentliche Korrekturen als zulässig anzusehen (Kuntze in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 114 Rn. 54; Nds. OVG, Beschl. v. 26.04.2007 - 5 ME 122/07 - juris). Nicht zulässig ist der Austausch maßgeblicher oder tragender Erwägungen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 72; Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 114 Rn. 89; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 114 Rn. 208). Es ist ein strenger Maßstab anzulegen, da die Ergänzung nur zur Aufrechterhaltung der getroffenen Entscheidung möglich ist und ohnehin eine Tendenz bestehen kann, eine getroffene Entscheidung zu halten, d.h. bei der Abwägung nicht frei und unvoreingenommen zu sein (Kuntze, a.a.O. Rn. 55). Daran gemessen wäre hier eine - im Übrigen nicht erfolgte - Ergänzung unzulässig gewesen, da infolge der unterbliebenen Anhörung gerade eine neue Ermessensbetätigung unter Einstellung der außer Acht gelassen, wesentlichen Gesichtspunkte geboten ist.
71 
f) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass es für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung geboten sein dürfte, die Strafvollstreckungsakten und die Gefangenenpersonalakten beizuziehen (vgl. - zur Ausweisung - Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1261.1 m.w.N. und - zur Heranziehung der Strafakten - BVerfG, Beschl. v. 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300 = InfAuslR 2007, 443).
II.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
73 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 23. Juli 2008
75 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 1. Februar 2011 - 4 K 750/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt vom Beklagten, der von ihm betriebenen genehmigten privaten Grund- und Hauptschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule zu verleihen.
Der im Januar 2005 gegründete Kläger betreibt in ... seit dem Schuljahr 2006/2007 die private Grund- und Hauptschule „Freie Schule ...-...“ in Ganztagesform. Nach dem im Verfahren zur Genehmigung als Ersatzschule vorgelegten pädagogischen Konzept vom 15.01.2006 soll das Lernen in altersgemischten Gruppen mit maximal 28 Kindern stattfinden, die von je einem Lehrer und einer pädagogischen Fachkraft betreut werden. Zudem soll unter anderem auf Ziffernnoten verzichtet werden. Sie werden ersetzt durch Entwicklungsberichte und ausführliche Gespräche mit Eltern und Kindern. In dem Konzept der jahrgangsübergreifenden Gruppen und der individualisierten Lerngestaltung gibt es daher „kein Sitzenbleiben mit der darin implizierten Abwertung des Kindes“. Im Einzelfall werden Kinder ein Jahr länger in der Gruppe der Grundschulkinder verbringen. Zur Beschreibung der Lernentwicklung werden Dokumentationen der Lernprozesse der Kinder, etwa in Form von angefertigten Arbeiten, Fotos und Wochenplänen herangezogen. Dokumentiert werden die Lernfortschritte halbjährlich in Entwicklungsberichten. Falls ein Kind an eine andere Schule mit Ziffernbenotung überwechselt, werden die Entwicklungsberichte durch ein herkömmliches Zeugnis ergänzt (dazu S. 6 und 30 f. des oben genannten Konzepts des Klägers).
Die Grundschule des Klägers wurde mit Bescheid vom 07.06.2006 genehmigt. Mit Bescheid vom 20.09.2007 wurde sie erstmals als private Grund- und Hauptschule genehmigt.
Mit Schreiben vom 08.05.2009 beantragte der Kläger die staatliche Anerkennung der Schule ab dem Schuljahr 2009/2010. Nach mehreren Schulbesuchen im Jahr 2009 legte das Staatliche Schulamt ... dem Regierungspräsidium einen Bericht der Schulrätin W. vom 15.12.2009 vor, die am Ende zu der Feststellung gelangt, dass die Schule die Anforderungen an die Anerkennung nach § 10 PSchG erfülle. In dem Bericht führte die Schulrätin W. unter anderem aus, die Aufnahme- und Versetzungsordnung werde angewandt. Über die Aufnahmemodalitäten sei intensiv berichtet worden, sowohl was Kinder der Klasse 1 als auch Quereinsteiger betreffe. Es gebe klare Kriterien für eine Aufnahme in die Schule.
Mit Schreiben vom 08.02.2010 gab der Kläger gegenüber dem Schulamt folgende Erklärung zur Vergabe von Ziffernnoten ab:
„Im Zuge des Antrags auf staatliche Anerkennung verpflichtet sich die Schule für alle Schülerinnen und Schüler,
1. neben den schriftlichen Entwicklungsberichten die Dokumentation unserer Leistungsaufzeichnungen so zu führen, dass jederzeit Ziffernnoten abgeleitet werden können,
2. die Aufnahme in und den Übergang zwischen unseren genehmigten Schularten und die Versetzung in die jeweils nächste Klassenstufe gemäß der MVersetzO und den Versetzungsordnungen der jeweiligen Schulformen nach diesen Ziffernnoten vorzunehmen,
3. in den Prüfungsklassen (9. Klasse aufwärts) oder bei einem Wechsel an eine andere Schule Zeugnisse mit Ziffernnoten zu erstellen und den Erziehungsberechtigten oder, im Falle deren Volljährigkeit, den Schülerinnen/Schülern zuzustellen,
10 
4. bei einer Nichtversetzung oder einer Schulempfehlung im Dissens ein schriftliches Zeugnis mit Zifferbenotung zu erstellen und den Erziehungsberechtigten oder, im Falle der Volljährigkeit, den Schülerinnen/Schülern zuzustellen.
11 
Ansonsten unterliegt die Offenlegung der Ziffernnoten dem Ermessen der betreuenden Lehrkräfte und der Schulleitung.“
12 
Mit Bescheid vom 15.02.2010 lehnte das Regierungspräsidium den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, nach eigenem fernmündlich geäußerten Bekunden sei die Schule des Klägers grundsätzlich nur bereit, Verbalzeugnisse zu erteilen. Notenzeugnisse würden nur bei einem Schulwechsel gegeben. Bei den anderen Zeugnissen bzw. Leistungsinformationen widerspreche es dem pädagogischen Selbstverständnis der Privatschule, Noten zu geben. Öffentliche Schulen müssten jedoch nach den einschlägigen Rechtsverordnungen Notenzeugnisse geben. Noten seien die Grundlage für zu erteilende Zeugnisse und dienten der Begründung der getroffenen Entscheidungen, zum Beispiel der Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe. Verbalzeugnisse könnten nicht in Ziffernnoten übersetzt werden und umgekehrt. Ziffernnoten, die Ranginformationen lieferten, würden nur schwache Zusammenhänge mit verbalen Bewertungen aufweisen. Da die für die Notengebung derzeit geltenden Rechtsverordnungen materiell Gesetzescharakter hätten, sei es nicht in das Belieben öffentlicher Schulen gestellt, von diesen Vorgaben der Notengebung abzuweichen. Es sei auch nicht zulässig, Noten zu erteilen, diese aber nicht fortlaufend bekannt zu geben. Wenn eine anerkannte Privatschule „quasi als beliehener Unternehmer“ Verwaltungsakte, wie zum Beispiel Versetzungsentscheidungen, für und gegen alle setzen wolle, müsse sie diese Verwaltungsakte in der durch die Rechtsverordnungen vorgesehenen Form begründen und bekannt geben. Sei sie dazu nicht bereit, könnten ihr die entsprechenden hoheitlichen Befugnisse nach § 10 PSchG nicht erteilt werden.
13 
Am 12.04.2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, § 10 Abs. 2 PSchG sehe hinsichtlich der Erteilung von Zeugnissen vor, dass die Ersatzschule durch die Anerkennung das Recht erhalte, diese zu erteilen. Dementsprechend könne die Erteilung solcher Zeugnisse nicht Voraussetzung für die Anerkennung sein.
14 
Auf Anforderung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger „Dokumentationen der Leistungsaufzeichnungen“ nebst zugehörigen Entwicklungsberichten vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung hat die damalige Schulleiterin der Grundschule des Klägers, Frau A., ausgeführt, statt Zeugnissen würden in allen Klassen der Grundschule am Ende des jeweiligen Schuljahres Entwicklungs- und Lernberichte entsprechend den vorgelegten Beispielen erstellt. Zum Schulhalbjahr finde jeweils ein Entwicklungsgespräch statt, zu dem die jeweilige Lehrkraft ein Protokoll erstelle. Dieses Protokoll bleibe jedoch intern. Dagegen werde der am Ende eines Schuljahres erstellte Entwicklungs- und Lernbericht den Eltern ausgehändigt und nach Hause gegeben. Einzelne Schülerarbeiten würden wie in den vorgelegten Berichten dokumentiert. Das jeweilige erste Beurteilungsblatt sei für den Schüler; das zweite Blatt bleibe jedoch intern. Herr G., der damalige Schulleiter der Hauptschule führte aus, an der Hauptschule werde ein ähnliches Vorgehen praktiziert. Für die Lehrer sei im Rahmen der Entwicklungs- und Lernberichte auch die Selbsteinschätzung von Schülern und Eltern ein wichtiges Beurteilungselement.
15 
Die Klage ist vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 01.02.2011 abgewiesen worden. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte staatliche Anerkennung seiner privaten Grund- und Hauptschule. Er halte im bisherigen Schulbetrieb die geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen für öffentliche Grund- und Hauptschulen nicht ein und erfülle die Anerkennungsvoraussetzungen eindeutig nicht. Dies werde im Bescheid des Regierungspräsidiums vom 15.02.2010, auf den verwiesen werde, ausführlich dargelegt und vom Kläger auch nicht bestritten. Die vorgelegten Unterlagen (Entwicklungs- und Lernbericht, Protokolle über Entwicklungsgespräche, Beurteilungen von Schülerarbeiten) und die Auskünfte der beiden Schulrektoren in der mündlichen Verhandlung belegten dies zudem anschaulich. Im Schulbetrieb des Klägers würden weder Noten vergeben noch Halbjahres- oder Jahreszeugnisse ausgestellt. Die verbalen Beurteilungen und Bemerkungen seien auch nicht ohne Weiteres in Noten umsetzbar und erst Recht keiner wertenden Erkenntnis wie einer Jahresnotenbildung zuführbar. Selbst wenn der Kläger daher für einen seine Schule verlassenden Schüler nachträglich ein Abgangszeugnis erstelle, entspreche dieses keineswegs den - rechtsstaatlich gebotenen - Anforderungen an eine Noten- und Zeugnisbildung, wie es die staatlichen Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen vorsähen. Abgesehen davon, dass dann eben nur dieses (letzte) Zeugnis existiere, aber nicht die genauso versetzungs- und eventuell aufnahmerelevanten Zeugnisse vorausgehender Schuljahre. Daher entspreche die Praxis des Klägers, die einen zentralen Punkt in seinem Schulkonzept darstelle, in keiner Weise den staatlichen Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen. Er biete gegenwärtig nicht die Gewähr, dass er willens und in der Lage sei, diese Vorschriften in Zukunft einzuhalten.
16 
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Beschluss vom 02.08.2011 hat der Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
17 
Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor, der angegriffene Bescheid und das Urteil des Verwaltungsgerichts stützten sich auf Nummer 12 VVPSchG. Diese Regelung sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 23 Satz 1 Nr. 1 PSchG gedeckt. Der Verordnungsgeber dürfe nicht als Voraussetzung verlangen, was der Gesetzgeber erst als aus der Anerkennung resultierende Pflicht normiere. § 10 PSchG könne nicht so ausgelegt werden, dass schon in dessen Absatz 1 die Verpflichtung zur Einhaltung der Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen enthalten sei und dass ein diesbezügliches Verhalten der Schule deshalb in die Prognoseentscheidung einbezogen werden müsse. Die gesonderte Erwähnung der Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen in § 10 Abs. 2 PSchG wäre überflüssig, wenn sie bereits drei Jahre vor der Anerkennung eingehalten werden müssten, um die Anerkennung überhaupt zu erhalten. Darüber hinaus verkenne die angegriffene Entscheidung seine Erklärung vom 08.02.2010. Er biete schon seit längerem die Gewähr dafür, die für öffentliche Schulen geltenden Versetzungsbestimmungen einzuhalten. Er habe die Genehmigungsvoraussetzungen, deren dauerhafte Erfüllung im Wesentlichen die Anerkennungsvoraussetzung bilde, schon seit Aufnahme des Unterrichts erfüllt. Nicht entschieden habe das Verwaltungsgericht, ob die von ihm - dem Kläger - erklärte Form der Erfüllung der Versetzungsbestimmungen den Anforderungen des § 10 Abs. 2 PSchG entspreche. Dies sei, wie sich aus der Stellungnahme des staatlichen Schulamts ergebe, durchaus der Fall. Er habe einen Weg aufgezeigt, wie er die Vorschriften zur Noten- und Zeugnisvergabe einhalten könne, ohne seine pädagogischen Eigenheiten aufzugeben. Art. 7 Abs. 4 GG sichere die pädagogische Freiheit auch derjenigen Schulen, die eine Anerkennung beantragen oder bereits anerkannt seien. Auch für diese Schulen dürfe eine Konformität mit dem öffentlichen Schulwesen nicht erzwungen werden.
18 
Der Kläger beantragt,
19 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 01.02.2011 - 4 K 750/10 - zu ändern und das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.02.2010 zu verpflichten, seiner privaten Grund- und Hauptschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule zu verleihen.
20 
Das beklagte Land beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Es ist der Ansicht, das angegriffene Urteil habe zutreffend dargelegt, dass der Kläger nicht bereit sei, die für entsprechende öffentliche Schulen geltenden Regelungen zur Notenvergabe und -bekanntmachung einzuhalten. Eine staatlich anerkannte Ersatzschule sei befugt, Verwaltungsakte wie zum Beispiel Versetzungsentscheidungen und Abschlussprüfungen mit Wirkung für und gegen Personen und öffentliche Einrichtungen zu erlassen. Dies setze voraus, dass sie sich an die für öffentliche Schulen geltenden Regelungen halte. Die Existenz einer genehmigten Ersatzschule sei durch die Verweigerung der Anerkennung nicht beeinträchtigt. Die Bezuschussung erfolge davon unabhängig. Ein „Qualitätssiegel“ sei mit der Anerkennung nicht verbunden. Darüber hinaus sei Nummer 12 VVPSchG von der Ermächtigung des § 23 PSchG gedeckt. § 10 PSchG verlange, dass der Antragsteller die Gewähr dafür biete, dass er dauernd die aufgrund des Schulgesetzes an entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Noten- und Versetzungsbestimmungen erfülle, bevor seiner Einrichtung die Eigenschaft einer anerkannten Privatschule verliehen werde. Der Kläger habe bisher unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, die Noten- und Zeugnisvergabe nicht so zu handhaben, wie dies an öffentlichen Schulen Pflicht sei.
23 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten (3 Bände zur Grund- und Hauptschule und 1 Band zur Realschule), die Akten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen in den Verfahren 4 K 750/10, 4 K 1818/10 und 4 K 1804/10 sowie ein zum Verfahren 4 K 750/10 vorgelegter Ordner und sechs blaue und zwei grüne dem Senat vorgelegte Schnellhefter mit Unterlagen des Klägers vor. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf diese Akten und die im vorliegenden Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
25 
Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere genügt sie den Erfordernissen des § 124a Abs. 6 VwGO. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.02.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte der vom Kläger betriebenen privaten Grund- und Hauptschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule verleiht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
1. Nach § 10 Abs. 1 des Privatschulgesetzes (PSchG) verleiht die obere Schulaufsichtsbehörde - das Regierungspräsidium (vgl. § 34 Abs. 1 des Schulgesetzes - SchG) - einer Ersatzschule, welche die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen beziehungsweise an Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG gestellten Anforderungen erfüllt, die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule. Mit der Anerkennung erhält die Ersatzschule nach § 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG das Recht, nach den allgemein für öffentliche Schulen beziehungsweise für Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen.
27 
Nach Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz (VVPSchG) in der Fassung vom 20.07.1971 (GBl. S. 346), zuletzt geändert durch Artikel 53 des Gesetzes vom 01.07.2004 (GBl. S. 469, 502), werden die gestellten Anforderungen unbeschadet der Vorschriften des § 5 Abs. 2 PSchG von einer Ersatzschule im Sinne des § 3 Abs. 1 PSchG erfüllt, wenn
28 
a) dem Unterricht ein von der Schulaufsichtsbehörde genehmigter Lehrplan zugrunde liegt;
b) das Lehrziel der entsprechenden öffentlichen Schule erreicht wird;
c) der Übertritt eines Schülers von der Ersatzschule an die entsprechende öffentliche Schule und umgekehrt ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist;
d) die für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen angewendet werden;
e) der Leiter der Schule die für seine Aufgabe erforderliche wissenschaftliche und pädagogische Eignung besitzt;
f) die Lehrer in der Regel die Anstellungsfähigkeit für das ihrer Tätigkeit entsprechende Lehramt an öffentlichen Schulen besitzen. Auf diese Voraussetzung kann in einem den besonderen Gegebenheiten der betreffenden Privatschule angemessenem Umfang verzichtet werden.
29 
Nach Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG muss die Ersatzschule die gestellten Anforderungen grundsätzlich drei Jahre erfüllt haben, bevor angenommen werden kann, dass die Schule diese Anforderungen auf die Dauer erfüllt.
30 
Nach Nummer 12 Abs. 4 VVPSchG stehen Zeugnisse der anerkannten Ersatzschulen und Prüfungen, die an diesen Schulen nach den für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Prüfungsordnungen abgelegt werden, den entsprechenden Zeugnissen und Prüfungen der öffentlichen Schulen gleich.
31 
2. Diese Regelungen begegnen weder in formeller noch in materieller Hinsicht rechtlichen Bedenken. Dabei sind die genannten Regelungen vorliegend nur insoweit von Bedeutung, als sie auf die für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben Bezug nehmen. Die für Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG geltenden Anforderungen sind hier nicht von Bedeutung. Bei der vom Kläger betriebenen Schule handelt es sich nicht um eine Schule im Sinne von § 3 Abs. 2 PSchG, insbesondere nicht um eine Waldorfschule.
32 
a) Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 4 VVPSchG beruht auf einer hinreichenden Rechtsgrundlage und hält sich in deren Grenzen.
33 
(1) Bei der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz handelt es sich nicht um eine Verwaltungsvorschrift, sondern um eine Rechtsverordnung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27.05.1981 - XI 3377/78 - und vom 12.06.1986 - 9 S 265/86 -; BVerwG, Urteil vom 18.11.1983 - 7 C 114/81 -, BVerwGE 68, 185). Dies ergibt sich mittlerweile bereits aus der Überschrift der Norm. Bis zum 31.12.2004 hatte die Überschrift noch „Vorschriften zum Vollzug des Privatschulgesetzes“ gelautet. Allerdings wurden die Ursprungsfassung der Norm sowie alle Folgeänderungen im Gesetzblatt des Landes veröffentlicht (vgl. Art. 63 Abs. 2 LV).
34 
(2) Die oben genannten Bestimmungen der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz sind laut der Eingangsformel der Verordnung noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2, § 13 Abs. 2 Satz 2 und § 25 des Privatschulgesetzes in der Fassung vom 14.05.1968 (GBl. S. 223), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 07.04.1970 (GBl. S. 130), gestützt. Dem Zitiergebot aus Art. 61 Abs. 1 Satz 3 LV wurde damit Rechnung getragen.
35 
(3) Die genannten Verordnungsbestimmungen sind nicht dadurch außer Kraft getreten, dass die Ermächtigungsnormen, insbesondere § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968, mittlerweile aufgehoben wurden und das Privatschulgesetz nun in § 23 Satz 1 Nr. 1 PSchG eine neue Ermächtigungsgrundlage für Vollzugsverordnungen zum Privatschulgesetz enthält (vgl. speziell zur VVPSchG den Senatsbeschluss vom 12.06.1986 - 9 S 265/86 -; allgemein: Senatsbeschluss vom 17.12.1996 - 9 S 300/94 -, Juris Rn. 36). Es ist anerkannt, dass das nachträgliche Erlöschen oder auch die nachträgliche Änderung einer Ermächtigung ohne Einfluss auf den Rechtsbestand einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung ist. Dies gilt auch dann, wenn die inhaltlichen Voraussetzungen der Ermächtigung später entfallen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.12.1958 - 1 BvR 488/57 -, BVerfGE 9, 3, vom 25.07.1962 - 2 BvL 4/62 -, BVerfGE 14, 245, und vom 23.03.1977 - 2 BvR 812/74 -, BVerfGE 44, 216).
36 
(4) Die Rechtsgrundlage des § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 genügt den Vorgaben von Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 LV, insbesondere dem Bestimmtheitsgebot. Nach den genannten Normen der Landesverfassung kann die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden.
37 
§ 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 ist hinreichend bestimmt in diesem Sinne. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt (vgl. Urteile vom 27.05.1981, a.a.O., und vom 12.06.1986, a.a.O.). Zwar war in § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 nur geregelt, dass das zuständige Ministerium im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Privatschulgesetzes erlässt. Jedoch braucht der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht ausdrücklich im Text des ermächtigenden Gesetzes zu bestimmen. Vielmehr gelten auch für die Interpretation von Ermächtigungsnormen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können also, wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift, der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem ganzen Gesetz ermitteln lassen. Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann - vor allem zur Bestätigung des Ergebnisses der Auslegung - herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1966 - 2 BvR 424/63 -, BVerfGE 19, 354).
38 
Vorliegend war und ist zur Konkretisierung der Auslegung von § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 vor allem § 10 PSchG heranzuziehen, der noch heute im Wesentlichen unverändert gilt. Beide Normen zusammengenommen sind nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. Sie geben mit ausreichender Klarheit einen Rahmen für eine Rechtsverordnung vor, mit der die Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung präzisiert werden. Die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule ist danach unter anderem nur möglich, wenn die Ersatzschule die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt (§ 10 Abs.1 PSchG). Mit der Anerkennung erhält die Ersatzschule das Recht, nach den allgemein für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG).
39 
(5) Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 4 VVPSchG hält sich in den Grenzen dieser Ermächtigungsnormen.
40 
(a) Dass eine Ersatzschule die für eine staatliche Anerkennung gestellten Anforderungen unbeschadet der Vorschriften des § 5 Abs. 2 PSchG nach Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d VVPSchG nur erfüllt, wenn die für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen anwendet werden, war und ist von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Billigung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 18.11.1983, a.a.O.).
41 
(b) Von der genannten gesetzlichen Ermächtigung gedeckt ist des Weiteren Nummer 12 Abs. 4 VVPSchG, der bestimmt, dass Zeugnisse der anerkannten Ersatzschulen und Prüfungen, die an diesen Schulen nach den für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Prüfungsordnungen abgelegt werden, den entsprechenden Zeugnissen und Prüfungen der öffentlichen Schulen gleich stehen. Diese Vorschrift ist bereits im Wesentlichen durch § 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG vorgegeben.
42 
Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 VVPSchG sowie § 10 Abs. 1 und 2 Satz 1 PSchG sind auch so zu verstehen, dass die für die Erteilung von Zeugnissen an öffentlichen Schulen geltenden Regelungen ebenfalls zu den Anforderungen nach § 10 Abs. 1 PSchG gehören, die von der Ersatzschule bereits während der Bewährungszeit von grundsätzlich drei Jahren nach Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG beachtet werden müssen, auch wenn ihre Zeugnisse noch keine hoheitlich anerkannten Berechtigungen darstellen. Zwar sprechen zunächst der Wortlaut und die Systematik von Nummer 12 Abs. 1 bis 4 VVPSchG gegen eine Einbeziehung der Vorschriften über die Zeugniserteilung in den Kreis der vorab einzuhaltenden Anforderungen. Denn die Vorschriften über die Zeugniserteilung werden in Nummer 12 Abs. 1 VVPSchG nicht genannt. Vielmehr normiert zunächst Nummer 12 Abs. 1 VVPSchG diejenigen Vorschriften, die beachtet werden müssen, damit die gestellten Anforderungen erfüllt werden.
43 
Für die Annahme, dass auch die vorherige Einhaltung der Zeugniserteilungsvorschriften verlangt werden kann, spricht jedoch, dass gerade diese Vorschriften von der Ersatzschule beachtet werden müssen, wenn sie nach ihrer Anerkennung öffentliche Berechtigungen vergeben will. Daher muss die Ersatzschule gerade bezüglich dieser Vorschriften die Gewähr bieten, sich dauernd an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften halten zu können und zu wollen. Der Wortlaut des § 10 PSchG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Der Zweck der Anerkennung setzt es vielmehr als selbstverständlich voraus, dass insbesondere die für die Erteilung von Zeugnissen geltenden Regelungen eingehalten werden. Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass vor allem die - in Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d VVPSchG explizit erwähnten - Versetzungsbestimmungen einen engen Zusammenhang mit den Regelungen der Noten- und Zeugnisvergabe aufweisen, weil Noten in öffentlichen Schulen in der Regel entscheidend für die Versetzung sind.
44 
(c) Auch Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Die Regelung verlangt, dass die Ersatzschule die gestellten Anforderungen grundsätzlich drei Jahre erfüllt haben muss, bevor angenommen werden kann, dass die Schule diese Anforderungen auf Dauer erfüllt. § 10 Abs. 1 PSchG macht zur Voraussetzung für den normierten Anspruch auf staatliche Anerkennung, dass die Ersatzschule „die Gewähr bietet, dass sie dauernd“ die an sie gestellten Anforderungen erfüllt. Damit ist Grundlage für die Entscheidung über den Anspruch zwar eine Prognose. Allerdings muss die Prognose auf einer hinreichenden Tatsachenbasis beruhen. Dies ist schon deshalb erforderlich, damit die betreffenden Schüler und ihre Eltern bei ihrer Entscheidung, ob die betreffende Ersatzschule besucht werden soll, über eine rechtssichere Grundlage verfügen, auf die sie vertrauen können. Damit verbietet sich eine nicht auf belegten Tatsachen, sondern nur auf Absichtserklärungen der Ersatzschule beruhende Anerkennung „ins Blaue hinein“, bei der die Gefahr besteht, dass sie bald wegen Nichteinhaltung der Anforderungen widerrufen werden muss oder dass Streit über die Einhaltung der Anforderungen entsteht. § 10 Abs. 1 PSchG lässt sich das gesetzliche Ziel entnehmen, dass vor einer Anerkennung sichergestellt sein muss, dass die Ersatzschule die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Daher bietet die gesetzliche Grundlage des § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 nach ihrem Inhalt, Zweck und Ausmaß (Art. 61 Abs. 1 Satz 2 LV) eine Grundlage für eine Bewährungsfrist, wobei sich auch die Dauer von drei Jahren in dem vom gesetzlichen Zweck vorgegebenen Rahmen hält.
45 
b) Die genannten Regelungen der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz sowie die Regelungen in § 10 PSchG sind auch im Übrigen mit der Verfassung vereinbar.
46 
aa) Nach dem Grundgesetz haben die Länder die ausschließliche Befugnis zur Regelung des Privatschulwesens (Art. 30, 70 ff. GG). Ihre Gesetzgebungsbefugnis ist in sachlicher Hinsicht durch Art. 7 Abs. 4 und 5 GG eingeschränkt. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG will die Freiheit im Schulwesen verwirklichen; er gewährleistet jedermann das Grundrecht, Privatschulen zu errichten.
47 
Das Recht zur Errichtung von Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen (Ersatzschulen) ist jedoch durch den Vorbehalt staatlicher Genehmigung beschränkt (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG); ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung ist nur unter den in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 GG aufgeführten Voraussetzungen verfassungsverbürgt. Mit dieser Gründungsfreiheit verbindet Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG zugleich eine Garantie der Privatschule als Institution, die der Privatschule verfassungskräftig eine ihrer Eigenart entsprechende Verwirklichung sichert. Der dem staatlichen Einfluss damit entzogene Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Privatschule ein eigenverantwortlich geprägter und gestalteter Unterricht erteilt wird, insbesondere soweit er die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und Lehrinhalte betrifft. Diese Gewährleistung bedeutet die Absage an ein staatliches Schulmonopol und ist zugleich eine Wertentscheidung, die eine Benachteiligung gleichwertiger Ersatzschulen gegenüber den entsprechenden staatlichen Schulen allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen und -inhalte verbietet. Dieses Offensein des Staates für die Vielfalt der Formen und Inhalte, in denen Schule sich darstellen kann, entspricht den Wertvorstellungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die sich zur Würde des Menschen und zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität bekennt. Das Grundrecht der Privatschulfreiheit bedeutet allerdings nicht, dass die Privatschule eine staatsfreie Schule ist. Ebenso wie die Weimarer Reichsverfassung bekennt sich das Grundgesetz, jedoch mit verstärkten Garantien, zu dem „System der begrenzten Unterrichtsfreiheit" der Privatschulen. Denn die Länder haben nicht nur die Gesetzgebungszuständigkeit für das Privatschulwesen; nach Art. 7 Abs. 1 GG unterstehen die Privatschulen auch ihrer Schulaufsicht. Die staatliche Schulaufsicht nach Art. 7 Abs. 1 GG ist aber bei den Privatschulen ebenso wenig wie bei den öffentlichen Schulen ein umfassendes staatliches Bestimmungsrecht über die Schulen; vielmehr ist sie insbesondere durch Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG modifiziert (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195, 200 f.).
48 
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Verwaltungsgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht und ein erheblicher Teil der Literatur angeschlossen haben, verbietet das Grundgesetz grundsätzlich nicht die Heraushebung einer Gruppe der Ersatzschulen als „anerkannte Ersatzschulen“. Die nur diesen Schulen verliehenen Befugnisse sind keine Berechtigungen, die nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG allen Ersatzschulen zukommen müssen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14.11.1969, a.a.O., 201, und vom 11.06.1974 - 1 BvR 82/71 -, BVerfGE 37, 314; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 18.11.1983, a.a.O., und vom 13.12.2000 - 6 C 5/00 -, BVerwGE 112, 263; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004 -, Vf. 11-VII-02 -, Juris Rn. 32; OVG LSA, Urteil vom 15.12.2010 - 3 L 426/08 -, Juris Rn. 45; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, Rn. 1014 ff.; Avenarius, in: ders., Schulrecht, 8. Aufl. 2010, Rn. 15.653; Kösling, Die private Schule gemäß Art. 7 Abs. 4, 5 GG, 2005, S. 205 ff.; Badura, in: Maunz/Dürig , GG, Art. 7 Abs. 4 bis 6 Rn. 116 ; Gröschner, in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 7 Rn. 109; Uhle, in: Epping/Hillgruber , BeckOK GG, Art. 7 Rn. 88; Schmitt-Kammler/Thiel, in: Sachs , GG, 6. Aufl. 2011, Art. 7 Rn. 71).
49 
Weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Regelung des Art. 7 Abs. 2 bis 4 GG kann eine staatliche Verpflichtung entnommen werden, den Ersatzschulen derartige Berechtigungen einzuräumen. Auszugehen ist davon, dass das Grundgesetz die Frage der Berechtigungen nicht ausdrücklich behandelt hat, so dass die Annahme naheliegt, diese Regelung solle dem Landesgesetzgeber überlassen bleiben. Im Übrigen regeln Art. 7 Abs. 2 bis 4 und Abs. 5 GG nur die Voraussetzungen, unter denen die Genehmigung für die Errichtung einer Ersatzschule zu erteilen oder zu versagen ist. Diese Regelung betrifft einen anderen Sachverhalt, als ihn die Anerkennung zum Gegenstand hat. Das Genehmigungserfordernis hat den Sinn, die Allgemeinheit vor unzureichenden Bildungseinrichtungen zu schützen. Durch die Erteilung der Genehmigung wird festgestellt, dass Bedenken gegen die Errichtung der Schule nicht bestehen und dass der Besuch der Schule als Erfüllung der Schulpflicht gilt; damit wird ihr die freie Betätigung im schulischen Bereich in den ihr wesensgemäßen Formen des Privatrechts gewährt. Wenn aber eine anerkannte Privatschule den Bildungsgrad ihrer Schüler mit öffentlich-rechtlicher „Außenwirkung" feststellt, das heißt öffentlich-rechtliche Zugangsberechtigungen vermittelt oder Berechtigungen zur Führung einer Berufsbezeichnung erteilt, dann übt sie hoheitliche Funktionen aus, die ihr aus dem privatrechtlichen Status nicht zukommen, sondern von einem Hoheitsträger übertragen werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 203).
50 
Hinzu kommt, dass die Beantwortung der Frage, ob eine Privatschule mit „Öffentlichkeitsrechten" ausgestattet werden kann, entscheidend von der auf Dauer gewährleisteten Qualität der einzelnen Schule abhängen muss, während der Begriff der Ersatzschule nach der Regelung des Art. 7 Abs. 4 und Abs. 5 GG nur von den dort allgemein bestimmten Voraussetzungen abhängt. Die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG umschreiben nur den äußeren Rahmen der Ersatzschule, innerhalb dessen sie Bildung und Erziehung weitgehend mit eigenen, vom Staat nicht geprägten Methoden, Inhalten und Zielen verwirklichen kann. Zwar schließt die Genehmigung die Erwartung ein, dass die Schule bei der vorausgesetzten Anlage in Erziehungszielen, personellen und sachlichen Mitteln ihren Schülern eine Ausbildung und Erziehung vermitteln wird, die nicht hinter der durch eine öffentliche Schule zu erlangenden zurücksteht. Ob sich diese Erwartungen erfüllen werden, hängt jedoch nicht von der Planung und dem Ziel der Schule, sondern ihrer Bewährung ab, die in der Regel erst nach einer gewissen Dauer, also noch nicht bei der Genehmigung der Ersatzschule, beurteilt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 204).
51 
cc) In der Literatur wird diese Rechtsprechung teilweise für fehlerhaft gehalten. So wird argumentiert, der in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG verwendete Begriff „als Ersatz für öffentliche Schulen“ beinhalte auch das Recht zur Zeugnisvergabe mit öffentlich-rechtlicher Wirkung (vgl. Müller/Kromer, NVwZ 1984, 77, 80; Ogorek, DÖV 2010, 341, 344; a. A. insoweit: Seidel, Die Anerkennung der privaten Ersatzschule und ihre Auswirkungen auf das Privatrechtsverhältnis, 2005, S. 86 ff.). Auch wird der Anpassungsdruck, der durch die Einhaltung der für öffentliche Schulen geltenden Anforderungen erzeugt wird, für zu groß gehalten und darin ein Eingriff in die Privatschulfreiheit gesehen (vgl. Ogorek a.a.O., 346; Müller/Kromer, a.a.O.). Aus diesem Grund wird unter anderem vertreten, dass eine Anerkennung lediglich voraussetze, dass die Genehmigungsvoraussetzungen als Ersatzschule dauerhaft eingehalten werden. Erst nach einer solchen Anerkennung sei die Ersatzschule verpflichtet, zur Aufgabenerfüllung im Bereich des Berechtigungswesens für die Aufnahme, Versetzung, Prüfung und das Zeugnis von Schülern die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften anzuwenden (vgl. Seidel, a.a.O., S. 107).
52 
dd) Diesen Auffassungen ist jedoch nicht zu folgen (so auch der Senatsbeschluss vom 08.04.2011 - 9 S 884/11 -, VBlBW 2011, 476). „Ersetzend“ wirken die Ersatzschulen im Wesentlichen nur hinsichtlich der Schulpflicht (vgl. Kösling, Die private Schule gemäß Art. 7 Abs. 4, 5 GG, 2005, S. 179). Es ist nämlich - wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat - davon auszugehen, dass zum Bereich der Privatschule, auf den sich die Gewährleistung in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG bezieht, auch die Feststellung des Ausbildungserfolges in Zeugnissen und Prüfungen gehört. Dagegen gehört die Regelung, ob und welche Berechtigungen Prüfung und Zeugnis nach außen vermitteln, nicht dazu, auch wenn diese Regelung nicht ohne Einfluss auf die Lehrziele der Schule ist, die nicht zuletzt zu diesen Berechtigungen hinführen soll. Die Ordnung des Berechtigungswesens ist in ihrer Zielrichtung nicht auf das Schulwesen beschränkt, sondern erstreckt sich auf das Berufsleben dort, wo für die Berufswahl und Berufsausübung in den durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Grenzen ein Allgemeininteresse an einer besonderen Qualifikation in Anspruch genommen werden muss oder wird. Hier hat das Eigenbestimmungsrecht der Privatschule keinen Platz; die Ordnung des Berechtigungswesens ist eine natürliche Aufgabe des Staates, die dieser auch seit jeher für sich in Anspruch genommen hat. Mit der Ordnung des Berechtigungswesens ist notwendig die Aufsicht darüber verbunden, dass die Berechtigungen nur den Schülern zuerkannt werden, die den entsprechenden Bildungsgrad erworben haben. Diese Aufsicht betrifft ebenso wenig wie die Ordnung des Berechtigungswesens innere Schulangelegenheiten. Deshalb wird der Staat in der Gestaltung dieser Aufsicht grundsätzlich nicht durch Art. 7 Abs. 4 GG beschränkt, der den Privatschulen nur eine Teilhabe am Schulwesen sichert, den Staat aber nicht verpflichtet, die Feststellung der für die Berechtigungen erforderlichen Voraussetzungen durch die Privatschulen selbst vornehmen zu lassen, soweit es sich um ihre Schüler handelt. Insoweit sind die Länder bei der Einordnung des Privatschulwesens in das System der Berechtigungen durch Art. 7 Abs. 4 GG nicht beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 205 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O., Rn. 32).
53 
Dass die Verleihung öffentlich anerkannter Berechtigungen eine staatliche Aufgabe ist, wird im Übrigen durch Art. 17 Abs. 3 LV bestätigt, der bestimmt, dass Prüfungen, durch die eine solche Berechtigung erworben werden soll, vor staatlichen oder staatlich ermächtigten Stellen abgelegt werden müssen.
54 
Darüber hinaus dürfen auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Länder - auch wenn Art. 7 Abs. 4 GG keinen Anspruch auf Anerkennung der Ersatzschulen gewährt und der Landesgesetzgeber deshalb die Erteilung der Anerkennung von besonderen, über die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG hinausgehenden Bedingungen abhängig machen kann - das Institut der Anerkennung und die mit ihm verbundenen wirtschaftlichen Vorteile nicht dazu benutzen, die Ersatzschulen zur Anpassung an die öffentlichen Schulen in einem der Sache nach nicht gebotenen Umfang zu veranlassen oder unter Verletzung des Gleichheitsgebotes einzelne Privatschulen gegenüber anderen Schulen zu benachteiligen. Es würde mit Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren sein, wenn die Ersatzschulen ohne sachlichen Grund zur Aufgabe ihrer Selbstbestimmung veranlasst werden würden (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 208 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O., Rn. 33). Es würde gegen Art. 7 Abs. 4 GG verstoßen, wenn der Staat den Schülern von Ersatzschulen den Weg zu den Berechtigungen versperren würde. Ebenso muss der Staat bei der Beurteilung, ob einem Privatschüler die Berechtigung zuzuerkennen ist, den besonderen Erziehungszielen der Privatschulen Rechnung tragen, soweit dies bei Würdigung von Inhalt und Bedeutung der Berechtigung, insbesondere unter Beachtung des Gebotes der „Gleichheit der Startchancen" möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 206 f.).
55 
Das Verlangen nach Anpassung an die Zugangsvoraussetzungen der öffentlichen Schulen als Bedingung für die Anerkennung ist jedoch nicht sachwidrig. Darauf, dass auch eine Ersatzschule mit anderen Zulassungsverfahren eine zur Erlangung der Berechtigungen ausreichende Ausbildung vermitteln kann, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Ersatzschule, die ihre Schüler nach den für die öffentliche Schule geltenden Prinzipien auswählt, bietet dem Staat eine besondere Gewähr für einen der öffentlichen Schule entsprechenden Ausbildungserfolg sowohl während der einzelnen Ausbildungsabschnitte als auch bei Abschluss der Ausbildung. Der Staat kann deshalb eher auf eine besondere Kontrolle der von diesen Schulen erteilten Berechtigungen verzichten (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 209).
56 
Auch liegt es im Wesen derartiger Berechtigungen, dass das Prinzip der Gleichwertigkeit gegenüber dem Prinzip der Gleichartigkeit weitgehend zurücktreten muss. Darüber hinaus bestimmen Grad und Inhalt der von den öffentlichen Schulen vermittelten Schulausbildung die Voraussetzungen, unter denen die Berechtigung erteilt wird, da der Staat bei der Ordnung des Berechtigungswesens an die öffentliche Schule als Regelschule anknüpfen muss (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 207).
57 
Durch die Anerkennung wird auch nicht den nicht anerkannten Ersatzschulen, deren Schüler in der Regel zur Erlangung einer staatlich anerkannten Berechtigung eine Schulfremdenprüfung ablegen müssen, die Gleichwertigkeit in Bezug auf den Leistungserfolg im Vergleich mit den staatlichen Schulen oder den anerkannten Privatschulen abgesprochen. Vielmehr wird lediglich bei der Feststellung, ob der die Berechtigungen vermittelnde Leistungserfolg im Einzelfall erreicht ist, über die nicht anerkannten Ersatzschulen eine besondere, der Bedeutung der Berechtigungen angemessene Kontrolle ausgeübt, die im Fall der anerkannten Privatschulen entbehrlich erscheint. Diese Privatschulen, die sich bei der Schülerauswahl den öffentlichen Schulen angepasst und sich zudem einer verstärkten Schulaufsicht unterworfen haben, bieten bereits auf Grund dieser gewissermaßen vorverlegten Kontrolle die Gewähr für eine dauernde Gleichmäßigkeit im Leistungsstand und für die Einhaltung der den Berechtigungen zugrunde gelegten Normen (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 207).
58 
ee) Daher kann von Verfassungs wegen privaten Schulen, die eine staatliche Anerkennung begehren, die Einhaltung folgender Vorgaben abverlangt werden:
59 
(1) Den anerkannten Ersatzschulen kann auferlegt werden, die für die staatlichen Schulen geltenden Versetzungsordnungen zu übernehmen. Erst die Anwendung der staatlichen Versetzungsordnung stellt rechtlich sicher, dass der Leistungsstand der Schüler an Privatschulen für den Schuljahreswechsel demjenigen der Schüler an öffentlichen Schulen entspricht (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.12.2000, a.a.O., und vom 18.11.1983, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.). Eine Ersatzschule, die ihre Schüler nach den für die öffentliche Schule geltenden Prinzipien auswählt und für das Fortschreiten der Schüler in der Schule eine dem staatlichen Schulwesen entsprechende Handhabung garantiert, bietet dem Staat - unter dessen Aufsicht sie steht (Art. 7 Abs. 1 GG) - eine besondere Gewähr für einen der öffentlichen Schule entsprechenden Ausbildungserfolg sowohl während der einzelnen Ausbildungsabschnitte als auch bei Abschluss der Ausbildung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.).
60 
Bei allein genehmigten Ersatzschulen kann dagegen nicht verlangt werden, dass am Ende jedes Schuljahres ein Wechsel von der Ersatzschule auf eine öffentliche Schule möglich ist. Denn eine nur genehmigte Ersatzschule muss nur zum Abschluss des schulischen Bildungsganges eine den staatlichen Schulen gleichwertige Qualifikation erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 08.06.2011 - 1 BvR 759/08 u.a. -, Juris Rn. 21). Daher ist es in diesem Fall gleichgültig, welchen Leistungsstand die Schüler jeweils am Ende eines Schuljahres besitzen. Eine Jahrgangsmischung ist an solchen Schulen vom Zweck der Privatschulfreiheit geschützt. Daher kann das für öffentliche Schulen geltende Prinzip der Jahrgangsklassen nicht für allein genehmigte private Ersatzschulen gelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2000, a.a.O.).
61 
(2) Darüber hinaus kann von staatlich anerkannten Ersatzschulen verlangt werden, dass sie die für öffentliche Schulen geltenden Aufnahmebestimmungen beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.1983, a.a.O.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.).
62 
(3) Des Weiteren kann von staatlich anerkannten Ersatzschulen verlangt werden, dass diese bei Prüfungen und Zeugnissen Anforderungen stellen, die denen der öffentlichen Schulen gleichwertig sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O.). Eine anerkannte Ersatzschule muss die staatlichen Prüfungsregelungen im Wesentlichen übernehmen. Findet beispielsweise in einem Land eine zentrale Abschlussprüfung statt, muss die Privatschule das entsprechende Prüfungsverfahren durchführen (vgl. Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 1015 f.; Avenarius, a.a.O. Rn. 15.655; Seidel, a.a.O., S. 104 f.).
63 
Dass eine anerkannte Ersatzschule bei der Durchführung von Prüfungen und der Erteilung von Zeugnissen die hierfür geltenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben einhalten muss, folgt letztlich aus der Anerkennung selbst. Mit der Anerkennung wird die Ersatzschule Beliehener, ihr wird die hoheitliche Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen übertragen. Daher muss sie sich auch an die entsprechenden rechtlichen Vorgaben halten.
64 
(4) Schließlich ist es verfassungsrechtlich zulässig, wenn § 10 Abs. 1 PSchG in Verbindung mit Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 VVPSchG von Ersatzschulen verlangt, dass vor der Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule die für öffentliche Schulen geltenden Anforderungen, insbesondere die Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen sowie die Regeln über die Zeugniserteilung, während eines Zeitraums von grundsätzlich drei Jahren eingehalten werden. Dies stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatschulfreiheit dar.
65 
Soweit der Staat Anforderungen an die Anerkennung von Ersatzschulen stellt, kann dies als Eingriff in die Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewertet werden. Ein unmittelbarer Eingriff liegt allerdings nicht vor. Denn die Privatschulfreiheit wird hier nicht durch ein Gebot oder Verbot verkürzt. Allerdings kann man von einem mittelbaren Eingriff ausgehen. Denn die Verpflichtung zur Anpassung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben hat beträchtliche Auswirkungen auf den von Art. 7 Abs. 4 GG geschützten Bereich. Die Befugnis, staatlich anerkannte Prüfungen durchzuführen und Zeugnisse erteilen zu dürfen, ist auch für eine Privatschule von erheblicher Bedeutung. Für potentielle und aktuelle Schüler einer Privatschule und deren Eltern spielt es eine große Rolle, ob Zeugnisse und Abschlüsse im außerschulischen Bereich als verbindlich gelten oder ob eine Schulfremdenprüfung durchgeführt werden muss (vgl. Ogorek, a.a.O, 342). Durch diesen nachvollziehbaren Wunsch der „Kunden“ der Privatschulen werden diese dem Druck ausgesetzt, die Anerkennungsvoraussetzungen einzuhalten und insoweit von dem eigenen Konzept abzuweichen. Dieser Druck ist dem Staat insoweit zurechenbar, weil er erheblich und der Staat sich dessen bewusst ist.
66 
Diesen Eingriff hat das Bundesverfassungsgericht allerdings - wie oben dargestellt - in einem § 11 des Hessischen Privatschulgesetzes vom 27.04.1953 (GVBl. S. 57) betreffenden Verfahren der konkreten Normenkontrolle, dessen Ausgangsrechtsstreit die Zeit nach der Anerkennung betraf, der Sache nach jedenfalls mit Blick auf diesen Zeitraum für gerechtfertigt gehalten. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht bereits in diesem Verfahren im Ansatz festgestellt, dass die staatliche Anerkennung einer Schule verfassungsrechtlich von ihrer Bewährung abhängig gemacht werden darf, weil in der Regel erst nach einer gewissen Dauer beurteilt werden kann, ob sie die Erwartungen erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 204).
67 
Ausgehend hiervon erweist es sich vorliegend als verhältnismäßig, wenn während eines Zeitraums von grundsätzlich drei Jahren vor der Anerkennung verlangt wird, dass die für die öffentlich-rechtlichen Schulen geltenden Anforderungen eingehalten werden.
68 
Eine solche Bewährungsfrist vor der staatlichen Anerkennung ist geeignet, sicherzustellen, dass nur solche Schulen anerkannt werden und in der Folge öffentlich anerkannte Prüfungen durchführen und Zeugnisse erteilen, die auf Dauer dazu in der Lage und bereit sind, die für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen zu beachten. Wie das Verwaltungsgericht bereits ausführt hat, handelt es sich bei der Anerkennung zwar um eine behördliche Prognoseentscheidung, die durch die Gerichte voll überprüfbar ist. Die Schulbehörde kann eine solche Entscheidung jedoch mit größerer Ergebnissicherheit treffen, wenn sie über eine hinreichende Tatsachenbasis verfügt.
69 
Die Einhaltung einer grundsätzlich dreijährigen Bewährungsfrist ist auch erforderlich. Es sind keine milderen, aber gleich geeigneten Mittel erkennbar um das Ziel zu erreichen, dass nur solche Schulen anerkannt werden, die auch in der Lage und willens sind, zu garantieren, dass der von der Ersatzschule bestätigte Leistungserfolg dem einer öffentlichen Schule entspricht. Zwar wäre es ein milderes Mittel, wenn die Ersatzschulen erst ab Anerkennung an die für entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen gebunden wären. Jedoch wäre ein solches Vorgehen der Behörde nicht genauso effektiv. Denn dann erhielte eine Ersatzschule allein aufgrund einer weitgehend spekulativen Prognose die Möglichkeit, der Allgemeinheit gegenüber gültige Zeugnisse und Berechtigungen zu erteilen. Wäre die Behörde bei einem später festgestellten Verstoß dazu verpflichtet, die Anerkennung zu widerrufen, wären in der Zwischenzeit ausgestellte Berechtigungen dennoch wirksam. Da ein hinreichend sicheres Urteil über die Bewährung einer Privatschule bei der Einhaltung etwa von Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen jedenfalls die Beobachtung mehrerer Schuljahre hintereinander voraussetzt, durfte der Verordnungsgeber mit Blick auf den ihm insoweit eingeräumten Einschätzungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.04.2009 -1 BvR 121/08 -, Juris Rn. 41) auch die Dauer der Bewährungsfrist von grundsätzlich drei Jahren für erforderlich halten.
70 
Schließlich ist die Bewährungsfrist auch angemessen. Zwar muss eine Ersatzschule durch die Einhaltung einer Bewährungsfrist gegebenenfalls Abstriche von ihrem an sich vorgesehenen pädagogischen Konzept machen und dies für einen Zeitraum, in dem sie noch keine „Gegenleistung“ dafür erhält. Möglicherweise reduziert eine Vorabbindung an die für öffentliche Schulen geltenden Aufnahmevoraussetzungen den Kreis der potentiellen Schüler der Schule. Dieses Interesse wiegt jedoch nicht besonders schwer; insbesondere dann, wenn sich die Bewährungsfrist über einen relativ überschaubaren Zeitraum erstreckt. Denn im Anschluss an diesen Zeitraum muss die betreffende Ersatzschule die für eine öffentliche Schule geltenden Regelungen ohnehin einhalten. Die Gefahr, dass potentielle Schüler von den Bestimmungen abgeschreckt werden, ist vor allem dann gering, wenn die Möglichkeit besteht, dass noch alle mit Beginn der Bewährungszeit aufgenommenen Schüler in den Genuss der Rechte aus der Anerkennung kommen können. Im Übrigen ist eine gewissermaßen vorverlegte Kontrolle dem System der Anerkennung immanent (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 208). Schließlich steht die Norm mit Blick darauf, dass die Bewährungsfrist „grundsätzlich drei Jahre“ beträgt, einer flexiblen Handhabung insbesondere auch zur Berücksichtigung einzelfallbezogener Besonderheiten nicht entgegen.
71 
Ob etwas anderes gelten muss und der vorherige Betrieb der Schule und eine Bewährung nicht verlangt werden dürfen, wenn die Schule ohne eine Anerkennung nicht betrieben werden kann (so: Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 1017), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn dies wird hier nicht geltend gemacht. Die Schule existiert bereits ohne Anerkennung.
72 
3. Ausgehend von diesen Vorgaben erfüllt der Kläger nicht die nach § 10 Abs. 1 PSchG und Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 VVPSchG gestellten Anforderungen.
73 
a) Der Kläger bietet keine Gewähr, sich dauernd an die für öffentliche Grund- und Hauptschulen geltenden Zeugnisbestimmungen zu halten. Der Beklagte stützt die Versagung der Anerkennung in seinem Bescheid daher zur Recht darauf, dass der Kläger nicht regelmäßig Notenzeugnisse nach der Notenbildungsverordnung (NVO) vom 05.05.1983 (GBl. S. 324), zuletzt geändert durch Art. 9 der Verordnung vom 11.04.2012 (GBl. S. 334, 354), erteilt. Bei einer Schule, welche die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule begehrt, muss das Prinzip der bloßen Gleichwertigkeit gegenüber dem Prinzip der Gleichartigkeit auch insoweit zurücktreten.
74 
aa) Die Notenbildungsverordnung bestimmt in § 3 Abs. 1, dass Schüler für jedes Schuljahr ein Zeugnis über ihre Leistungen erhalten, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. In den Abschlussklassen erhalten sie nach § 3 Abs. 2 NVO zudem ein Halbjahreszeugnis, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Die Schüler der Klasse 4 der Grundschule erhalten jedoch für das erste Schulhalbjahr nur eine Halbjahresinformation. Nach § 4 Abs. 1 NVO erhalten im Übrigen grundsätzlich alle Schüler für das erste Schulhalbjahr eine Halbjahresinformation über ihre Leistungen in den einzelnen Unterrichtsfächern. Die Leistungen der Schüler werden nach § 5 NVO mit den Noten „sehr gut (1)“, „gut (2)“, „befriedigend (3)“, „ausreichend (4)“, „mangelhaft (5)“ und „ungenügend (6)“ bewertet. In den Klassen 1 und 2 tritt hiervon abweichend nach der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen vom 29.11.1983 (GBl. 1984 S. 3), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.2007 (GBl. S. 277), ein Schulbericht an die Stelle des Jahreszeugnisses und der Halbjahresinformation. Im Schulbericht finden sich keine Noten, sondern unter anderem sachliche Feststellungen zum Verhaltensbereich, zum Arbeitsbereich und zum Lernbereich.
75 
Die §§ 7 ff. NVO enthalten Bestimmungen zur Feststellung der Schülerleistungen, insbesondere über Klassenarbeiten und Wiederholungsarbeiten, aber auch über mündliche und praktische Leistungen. § 7 NVO beinhaltet hierzu allgemeine Vorgaben, wie Regeln, mit denen die Transparenz der Bewertungskriterien und der Notenbildung sichergestellt werden soll. So hat beispielsweise nach § 7 Abs. 1 Satz 3 NVO der Fachlehrer zum Beginn seines Unterrichts bekanntzugeben, wie er in der Regel die verschiedenen Leistungen bei der Notenbildung gewichten wird. § 9 Abs. 1 NVO legt für die Werkrealschulen und Hauptschulen die jedenfalls anzufertigende Zahl an Klassenarbeiten in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch fest. So müssen in Haupt- und Werkrealschulen im Fach Deutsch in den Klassen 5 bis 9 jeweils mindestens vier Klassenarbeiten pro Schuljahr geschrieben werden (§ 9 Abs. 5 Satz 4 NVO lässt insoweit keine Reduktion durch gleichwertige Leistungen zu). Die Notenbildungsverordnung unterscheidet zudem Klassenarbeiten von schriftlichen Wiederholungsarbeiten, die in der Regel nur bis zu 20 Minuten dauern sollen und als Nachweis dafür dienen, mit welchem Erfolg die Hausaufgaben bewältigt wurden (vgl. § 8 NVO).
76 
Für Grundschüler gelten bezüglich der Feststellung von Schülerleistungen Besonderheiten (vgl. § 11 Abs. 1 NVO). Diese ergeben sich aus der genannten Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen. So sind nach § 2 Abs. 2 dieser Verordnung in den Klassen 3 und 4 im Schuljahr in Deutsch mindestens zehn schriftliche Arbeiten, darunter fünf Aufsätze, und in Mathematik mindestens acht schriftliche Arbeiten zu fertigen, die der Lernkontrolle und dem Leistungsnachweis dienen.
77 
bb) Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die Gewähr bietet, sich dauernd an diese Vorgaben zu halten.
78 
(1) Dies ergibt sich schon daraus, dass er in den vergangenen drei Jahren nicht regelmäßig Zeugnisse entsprechend der Notenbildungsverordnung ausgegeben hat. Damit kann nicht angenommen werden, dass er die Gewähr dafür bietet, dauernd entsprechend der Notenbildungsverordnung Zeugnisse auszugeben.
79 
(a) Es genügt nicht den Vorgaben der Notenbildungsverordnung, wenn der Kläger nach seinen Angaben Notenzeugnisse allein in Jahrgangsstufe 9 und ggf. in Zukunft ab Jahrgangsstufe 8, bei einem Wechsel eines Schülers auf eine andere Schule sowie bei „Nichtversetzung“ oder Ausspruch einer „Schulempfehlung“ im Dissens mit den Eltern Zeugnisse mit Leistungsnoten nach § 5 NVO ausgibt. Denn § 3 Abs. 1 und 4 NVO verlangen grundsätzlich, dass für jeden Schüler in jedem Schuljahr zu einem bestimmten Termin ein Zeugnis nach § 5 NVO ausgegeben wird.
80 
(b) Abgesehen davon genügen auch die vom Kläger bei Bedarf sowie in Jahrgangsstufe 9 und ggf. in Zukunft in Jahrgangsstufe 8 ausgestellten Zeugnisse nicht den für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben für die Notenbildung.
81 
Denn das vom Kläger schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung durch die Schulleiterin der Hauptschule des Klägers näher erläuterte Bewertungssystem der Schule des Klägers ist nicht in der Lage, Leistungsnoten zu erzeugen, die den für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben genügen. Der Kläger hat zwar behauptet, er dokumentiere und archiviere Arbeiten und Lernergebnisse der Schüler und sei in der Lage, aufgrund eines Leistungsbewertungssystems, das zunächst Symbole verwendet habe und mittlerweile mit Punkten arbeite, jederzeit bei Bedarf Noten nach § 5 NVO erzeugen zu können. Dies konnte jedoch anhand der vorgelegten Unterlagen in der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Senats dargestellt werden. So wurde die dort für den Kläger anwesende Schulleiterin seiner Haupt-, Real- und Förderschule, Frau B., vom Senat gebeten, für den Schüler „L..., Lernjahr 1-3“ aufgrund des „Linearen Leistungsbewertungssystems der Primarstufe SJ 2011/12“ sowie der „Dokumentation Inhalte Mathe Lj 3 2011/12 L...“ darzustellen, welche Endnote der Schüler im Lernjahr 3 im Fach Mathematik erhalten würde. Dazu war sie indes nicht in der Lage. Sie verwies zwar auf die in der Dokumentation in der letzten Spalte festgehaltenen Punktzahlen. Da diese jedoch nicht auf eine theoretisch erreichbare Gesamtpunktzahl Bezug nehmen, sind sie allein nicht aussagekräftig. Zwar finden sich in dem gleichen Schnellhefter weiter hinten zwei Beispiele für von dem Schüler gelöste schriftliche Aufgaben im Fach Mathematik, bei denen neben der erreichten Punktzahl eine Bezugsgröße angegeben ist. Eine dieser Punktzahlen entspricht der in der Dokumentation genannten Punktzahl nur nach einer rechnerischen Rundung nach oben. Insgesamt bleibt es jedoch dabei, dass die Dokumentation als solche nicht für die Notengebung auswertbar ist. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als dort mit dem Buchstaben „m“ bezeichnete mündliche Noten in großer Zahl vermerkt sind. Denn diesbezüglich findet sich nirgends eine Relationsgröße.
82 
Darüber hinaus ist in der mündlichen Verhandlung auch unklar geblieben, in welchem Verhältnis die in der „Dokumentation“ aufgeführten Leistungen, insbesondere schriftliche und mündliche Leistungen, zueinander stehen, also mit welchem Gewicht sie jeweils in die Gesamtbewertung einfließen. Dies konnte von der Schulleiterin des Klägers nicht geklärt werden, die lediglich darauf verwiesen hat, die Notengebung sei Sache des Fachlehrers, der auch zur Ableitung einer Ziffernnote in der Lage sei.
83 
Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag des Klägers und den Angaben der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung neben den aufgrund des „linearen Leistungsbewertungssystems“ gewonnenen Punktebewertungen auch die Selbsteinschätzung des jeweiligen Schülers und seiner Eltern sowie Entwicklungsbriefe, mit denen die Lern- und Verhaltensentwicklung in allen Lernbereichen am Ende des Schuljahres ausführlich beschrieben wird, Eingang in die Notenbildung finden. Die Schulleiterin gab weiter dazu an, dass nicht allgemein gesagt werden könne, in welchem konkreten Verhältnis diese Bewertungen zu den mit Punkten bewerteten Arbeiten der Schüler in die Gesamtbewertung bzw. die potentiell zu erteilende Note einfließen. Abgesehen davon, dass es problematisch ist, aus Verbalnoten Ziffernnoten abzuleiten (vgl. Maier, Was leisten Verbalzeugnisse?, in: Grundschule 2003, S. 72, 74), ist damit nicht ersichtlich, dass es zumindest für eine Jahrgangsstufe allgemeingültige Bewertungskriterien für die Gewichtung der verschiedenen Leistungen der Schüler gibt. Deren Existenz wird indes von § 7 Abs. 1 Satz 3 NVO vorausgesetzt, weil der Fachlehrer zu Beginn des Unterrichts bekanntgeben muss, wie er in der Regel die verschiedenen Leistungen bei der Notenbildung gewichten wird. Die Existenz und die Kommunikation solcher Regeln ist auch notwendig, um später gegebenenfalls eine gerichtliche Überprüfung der Notenbildung zu ermöglichen.
84 
Schließlich ist auch nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der Kläger für die Beurteilung der Schülerleistungen auf die von der Notenbildungsverordnung und der Verordnung über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen vorgeschriebenen Leistungen abstellt.
85 
Zunächst ist nicht ersichtlich, dass er die nach § 9 Abs. 1 NVO in der Hauptschule erforderliche Zahl von Klassenarbeiten im Fach Deutsch anfertigen lässt. In den vorgelegten Unterlagen, den beiden die Hauptschule betreffenden Portfolios, finden sich zwar einige sog. „Lernzielkontrollen“. Dabei ist jedoch völlig unklar, ob diese das Niveau einer Klassenarbeit im Sinne von § 8 Abs. 1 NVO erreichen oder ob es sich um schriftliche Wiederholungsarbeiten im Sinne von § 8 Abs. 2 NVO handelt. Für das Fach Englisch finden sich in den Portfolios keine Beispiele für schriftliche Arbeiten, obwohl auch hier solche Arbeiten von § 9 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 NVO verlangt werden.
86 
Mit den vorgelegten Unterlagen ist auch die Einhaltung der für die Grundschule geltenden Vorgaben der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen zur Leistungsfeststellung nicht nachgewiesen. Es wurden für die Kinder M... und L... etwa für das Schuljahr 2011/12 nur Beispiele von Lernstandskontrollen vorgelegt, davon 4 bzw. 3 Kontrollen im Fach Deutsch und nur je zwei im Fach Mathematik. Beide Kinder befanden sich in dem beispielhaft dargestellten Schuljahr im vierten bzw. dritten „Lernjahr“. Auch wenn die vorgelegten Unterlagen nur beispielhafte Auszüge darstellen und nach Angaben der Schulleiterin des Klägers nicht vollständig sind, ist die erforderliche Zahl an Arbeiten in den Fächern Deutsch, insbesondere Aufsätze, sowie in Mathematik damit nicht dargetan.
87 
Dass die genannten Vorgaben für schriftliche Arbeiten zur Leistungsfeststellung für die Schule des Klägers keine Rolle spielen, wird im Übrigen durch die Angabe der Schulleiterin des Klägers bestätigt. Sie gab an, für die Leistungsbewertung sei keine bestimmte Anzahl von herausgehobenen Klassenarbeiten vorgesehen. Daher würde dies den Schülern vorab auch nicht kommuniziert.
88 
(2) Der Senat ist außerdem nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger nach einer Anerkennung an die Vorgaben der Notenbildungsverordnung und der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen halten würde.
89 
Zwar hat die Schulleiterin der Hauptschule des Klägers gegen Ende der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats behauptet, die Schule werde nach einer Anerkennung Notenzeugnisse erteilen. Diese Absichtserklärung widerspricht jedoch dem der Genehmigung zugrundeliegenden und auch noch am 22.10.2012 auf der Internet-Homepage des Klägers veröffentlichten Konzept seiner Schule. Danach ersetzen ausführliche und vielfältige Lerndokumentationen und die zwei Mal im Jahr stattfindenden Entwicklungsgespräche, welche die Lernbegleiter zusammen mit Eltern und Schülern führen, die Ziffernbenotung. Hierauf legen die Eltern der Schüler des Klägers Wert, sie wünschen in aller Regel keine Zeugnisse mit Ziffernnoten. Dies hat die Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Auch die vorgelegten schriftlichen Erklärungen des Klägers stützen nicht die Behauptung der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung, nach einer Anerkennung Ziffernnoten erteilen zu wollen. Der Kläger hat mit seinen schriftlichen Darlegungen bislang immer versucht, einen Weg aufzuzeigen, wie er die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften über die Noten- und Zeugnisvergabe handhaben möchte, ohne seine pädagogischen Eigenheiten aufzugeben (vgl. die Schriftsätze vom 24.11.2011, 31.08.2012 und 17.09.2012). Bezüglich dieses Wegs ist jedoch soeben festgestellt worden, dass er den für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften nicht entspricht.
90 
b) Der Kläger hat sich darüber hinaus weder in den vergangenen drei Jahren an die für öffentliche Grund- und Hauptschulen geltenden Versetzungsbestimmungen gehalten noch wird er dies voraussichtlich in Zukunft tun. Damit bietet er auch insoweit nicht nach § 10 Abs. 1 PSchG und Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d und Abs. 2 Satz 1 VVPSchG die Gewähr, dass er dauernd die an öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt.
91 
aa) Anforderungen an die Versetzung von Schülern in der Grundschule ergeben sich aus der Grundschulversetzungsordnung vom 30.01.1984 (GBl. S. 145), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 08.12.2011 (GBl. S. 562). In § 1 Abs. 2 dieser Verordnung sind für bestimmte Klassenstufen bezüglich bestimmter Fächer Notengrenzen für die Versetzung festgelegt. In § 2 Abs. 1 und 2 der Grundschulversetzungsordnung wird bestimmt, dass dann, wenn in den Klassen 2 bis 4 in den Fächern Deutsch, Mathematik sowie ab Klasse 3 im Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur nur von einem Lehrer unterrichtet wird, dieser sechs Wochen vor Aushändigung der Jahreszeugnisse alle Schüler, bei denen die Versetzung gefährdet erscheint, dem Schulleiter schriftlich meldet. Der Schulleiter hat sich dann einen Eindruck von der Leistung der Schüler zu verschaffen. An ein- und zweiklassigen Schulen ist die Meldung an das Staatliche Schulamt zu richten. § 3 der Grundschulversetzungsordnung enthält Bestimmungen über die Aussetzung der Versetzungsentscheidung durch die Klassenkonferenz.
92 
Für die Hauptschule regelt nun die Werkrealschulverordnung (WRSVO) vom 11.04.2012 (GBl. S. 334) die Versetzung. Die Anforderungen an die Versetzung sowie das Versetzungsverfahren ergeben sich aus den §§ 4 bis 11 WRSVO. Die dort normierten Versetzungsanforderungen gehen von Schulklassen (vgl. auch § 1 Abs. 1 WRSVO) sowie von Schulnoten nach der Notenbildungsverordnung aus. Zuvor galt die Werkrealschulverordnung vom 11.11.2009 (GBl. S. 693) mit ähnlichen Versetzungsanforderungen.
93 
bb) Diese Vorgaben beachtet der Kläger weder bislang noch ist davon auszugehen, dass er sie zukünftig beachten wird. Die Schule des Klägers gliedert sich nicht in nach Jahrgängen differenzierende Schulklassen, wie dies in den genannten Versetzungsbestimmungen vorausgesetzt wird. Darüber hinaus erteilt er nicht regelmäßig Noten nach den für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen, die für die Entscheidung über die Versetzung bzw. Nichtversetzung maßgeblich sind.
94 
Nichtversetzungsentscheidungen im Sinne der genannten Vorschriften sind im Konzept der Schule des Klägers allerdings auch nicht vorgesehen. Dies ergibt sich aus dem im Tatbestand dargestellten der Genehmigung als Ersatzschule zugrundeliegenden Konzept der Schule des Klägers vom 15.01.2006. Zwar behauptet dieser, bei einer Nichtversetzung ein Zeugnis mit Ziffernnoten zu erteilen. Allerdings ist es bislang noch nicht zu einer solchen Nichtversetzungsentscheidung gekommen. Dies mag an der Qualität der Schüler bzw. des Unterrichts der Schule liegen. Seine Ursache hat dies jedoch auch im Schulkonzept des Klägers. Die Schule des Klägers gliedert sich derzeit in fünf Stammgruppen. In der Primarstufe (Jahrgangsstufen 1 bis 4) gibt es derzeit zwei parallele Gruppen 1a und 1 b mit jeweils 17 bzw. 18 Schülern. Des Weiteren gibt es eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 5 und 6 mit 15 Schülern, eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 7 und 8 mit 21 Schülern und eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 9 und 10 mit 15 Schülern. Innerhalb der Stammgruppe lernen die Schüler nach ihrem individuellen Tempo. Maßstab für das Voranschreiten eines Schülers und damit für die „Versetzung“ im Sinne des Vortrags des Klägers ist insbesondere die Erfüllung des Bildungsplans. Der Lernerfolg wird in einem Lernkompetenz-Buch/Pensenbuch dokumentiert. Erreicht ein Schüler in einem Schuljahr nicht die Vorgaben des Bildungsplans, bekommt er die betreffenden Aufgaben des vergangenen Schuljahres erneut vorgelegt, um Defizite abzubauen. Ein „Sitzenbleiben“ ist im Konzept des Klägers nicht vorgesehen.
95 
cc) Soweit der Kläger vorträgt, er wende die Multilaterale Versetzungsordnung vom 12.12.2010 (GBl. 2011 S. 9, ber. K.u.U. S. 120) an, die den Übergang zwischen Hauptschulen, Werkrealschulen, Realschulen und Gymnasien der Normalform regelt, ist dies für das vorliegende Verfahren nur insoweit von Belang, als es um den Übergang innerhalb der Sekundarstufe auf die Hauptschule des Klägers geht. Der Übergang in die Realschule des Klägers spielt hier keine Rolle. Denn für die von ihm betriebene Realschule begehrt er mit der vorliegenden Klage keine staatliche Anerkennung.
96 
Die Anwendung der §§ 9 bis 12 der Multilateralen Versetzungsverordnung für den Übergang vom Gymnasium oder einer Realschule in die Hauptschule des Klägers scheitert jedoch ebenfalls daran, dass diese Regelungen ein Jahrgangsklassensystem voraussetzen. Die Schule des Klägers kennt jedoch keine Jahrgangsklassen, sondern nur sog. „Stammgruppen“, in denen die Schüler individuell und jahrgangsübergreifend unterrichtet werden.
97 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
98 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
99 
Beschluss vom 23. Oktober 2012
100 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. II.38.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004, NVwZ 2004, 1327). Der dort für die Genehmigung vorgeschlagene Streitwert ist auch für die geltend gemachte Anerkennung anzusetzen.

Gründe

 
24 
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
25 
Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere genügt sie den Erfordernissen des § 124a Abs. 6 VwGO. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 15.02.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte der vom Kläger betriebenen privaten Grund- und Hauptschule die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule verleiht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
26 
1. Nach § 10 Abs. 1 des Privatschulgesetzes (PSchG) verleiht die obere Schulaufsichtsbehörde - das Regierungspräsidium (vgl. § 34 Abs. 1 des Schulgesetzes - SchG) - einer Ersatzschule, welche die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen beziehungsweise an Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG gestellten Anforderungen erfüllt, die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule. Mit der Anerkennung erhält die Ersatzschule nach § 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG das Recht, nach den allgemein für öffentliche Schulen beziehungsweise für Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen.
27 
Nach Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz (VVPSchG) in der Fassung vom 20.07.1971 (GBl. S. 346), zuletzt geändert durch Artikel 53 des Gesetzes vom 01.07.2004 (GBl. S. 469, 502), werden die gestellten Anforderungen unbeschadet der Vorschriften des § 5 Abs. 2 PSchG von einer Ersatzschule im Sinne des § 3 Abs. 1 PSchG erfüllt, wenn
28 
a) dem Unterricht ein von der Schulaufsichtsbehörde genehmigter Lehrplan zugrunde liegt;
b) das Lehrziel der entsprechenden öffentlichen Schule erreicht wird;
c) der Übertritt eines Schülers von der Ersatzschule an die entsprechende öffentliche Schule und umgekehrt ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist;
d) die für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen angewendet werden;
e) der Leiter der Schule die für seine Aufgabe erforderliche wissenschaftliche und pädagogische Eignung besitzt;
f) die Lehrer in der Regel die Anstellungsfähigkeit für das ihrer Tätigkeit entsprechende Lehramt an öffentlichen Schulen besitzen. Auf diese Voraussetzung kann in einem den besonderen Gegebenheiten der betreffenden Privatschule angemessenem Umfang verzichtet werden.
29 
Nach Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG muss die Ersatzschule die gestellten Anforderungen grundsätzlich drei Jahre erfüllt haben, bevor angenommen werden kann, dass die Schule diese Anforderungen auf die Dauer erfüllt.
30 
Nach Nummer 12 Abs. 4 VVPSchG stehen Zeugnisse der anerkannten Ersatzschulen und Prüfungen, die an diesen Schulen nach den für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Prüfungsordnungen abgelegt werden, den entsprechenden Zeugnissen und Prüfungen der öffentlichen Schulen gleich.
31 
2. Diese Regelungen begegnen weder in formeller noch in materieller Hinsicht rechtlichen Bedenken. Dabei sind die genannten Regelungen vorliegend nur insoweit von Bedeutung, als sie auf die für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben Bezug nehmen. Die für Schulen im Sinne des § 3 Abs. 2 PSchG geltenden Anforderungen sind hier nicht von Bedeutung. Bei der vom Kläger betriebenen Schule handelt es sich nicht um eine Schule im Sinne von § 3 Abs. 2 PSchG, insbesondere nicht um eine Waldorfschule.
32 
a) Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 4 VVPSchG beruht auf einer hinreichenden Rechtsgrundlage und hält sich in deren Grenzen.
33 
(1) Bei der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz handelt es sich nicht um eine Verwaltungsvorschrift, sondern um eine Rechtsverordnung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27.05.1981 - XI 3377/78 - und vom 12.06.1986 - 9 S 265/86 -; BVerwG, Urteil vom 18.11.1983 - 7 C 114/81 -, BVerwGE 68, 185). Dies ergibt sich mittlerweile bereits aus der Überschrift der Norm. Bis zum 31.12.2004 hatte die Überschrift noch „Vorschriften zum Vollzug des Privatschulgesetzes“ gelautet. Allerdings wurden die Ursprungsfassung der Norm sowie alle Folgeänderungen im Gesetzblatt des Landes veröffentlicht (vgl. Art. 63 Abs. 2 LV).
34 
(2) Die oben genannten Bestimmungen der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz sind laut der Eingangsformel der Verordnung noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2, § 13 Abs. 2 Satz 2 und § 25 des Privatschulgesetzes in der Fassung vom 14.05.1968 (GBl. S. 223), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 07.04.1970 (GBl. S. 130), gestützt. Dem Zitiergebot aus Art. 61 Abs. 1 Satz 3 LV wurde damit Rechnung getragen.
35 
(3) Die genannten Verordnungsbestimmungen sind nicht dadurch außer Kraft getreten, dass die Ermächtigungsnormen, insbesondere § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968, mittlerweile aufgehoben wurden und das Privatschulgesetz nun in § 23 Satz 1 Nr. 1 PSchG eine neue Ermächtigungsgrundlage für Vollzugsverordnungen zum Privatschulgesetz enthält (vgl. speziell zur VVPSchG den Senatsbeschluss vom 12.06.1986 - 9 S 265/86 -; allgemein: Senatsbeschluss vom 17.12.1996 - 9 S 300/94 -, Juris Rn. 36). Es ist anerkannt, dass das nachträgliche Erlöschen oder auch die nachträgliche Änderung einer Ermächtigung ohne Einfluss auf den Rechtsbestand einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung ist. Dies gilt auch dann, wenn die inhaltlichen Voraussetzungen der Ermächtigung später entfallen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.12.1958 - 1 BvR 488/57 -, BVerfGE 9, 3, vom 25.07.1962 - 2 BvL 4/62 -, BVerfGE 14, 245, und vom 23.03.1977 - 2 BvR 812/74 -, BVerfGE 44, 216).
36 
(4) Die Rechtsgrundlage des § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 genügt den Vorgaben von Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und 2 LV, insbesondere dem Bestimmtheitsgebot. Nach den genannten Normen der Landesverfassung kann die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden.
37 
§ 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 ist hinreichend bestimmt in diesem Sinne. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt (vgl. Urteile vom 27.05.1981, a.a.O., und vom 12.06.1986, a.a.O.). Zwar war in § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 nur geregelt, dass das zuständige Ministerium im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Privatschulgesetzes erlässt. Jedoch braucht der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht ausdrücklich im Text des ermächtigenden Gesetzes zu bestimmen. Vielmehr gelten auch für die Interpretation von Ermächtigungsnormen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können also, wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift, der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem ganzen Gesetz ermitteln lassen. Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann - vor allem zur Bestätigung des Ergebnisses der Auslegung - herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1966 - 2 BvR 424/63 -, BVerfGE 19, 354).
38 
Vorliegend war und ist zur Konkretisierung der Auslegung von § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 vor allem § 10 PSchG heranzuziehen, der noch heute im Wesentlichen unverändert gilt. Beide Normen zusammengenommen sind nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. Sie geben mit ausreichender Klarheit einen Rahmen für eine Rechtsverordnung vor, mit der die Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung präzisiert werden. Die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule ist danach unter anderem nur möglich, wenn die Ersatzschule die Gewähr dafür bietet, dass sie dauernd die aufgrund des Gesetzes an entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt (§ 10 Abs.1 PSchG). Mit der Anerkennung erhält die Ersatzschule das Recht, nach den allgemein für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG).
39 
(5) Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 4 VVPSchG hält sich in den Grenzen dieser Ermächtigungsnormen.
40 
(a) Dass eine Ersatzschule die für eine staatliche Anerkennung gestellten Anforderungen unbeschadet der Vorschriften des § 5 Abs. 2 PSchG nach Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d VVPSchG nur erfüllt, wenn die für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen anwendet werden, war und ist von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Billigung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 18.11.1983, a.a.O.).
41 
(b) Von der genannten gesetzlichen Ermächtigung gedeckt ist des Weiteren Nummer 12 Abs. 4 VVPSchG, der bestimmt, dass Zeugnisse der anerkannten Ersatzschulen und Prüfungen, die an diesen Schulen nach den für die entsprechenden öffentlichen Schulen geltenden Prüfungsordnungen abgelegt werden, den entsprechenden Zeugnissen und Prüfungen der öffentlichen Schulen gleich stehen. Diese Vorschrift ist bereits im Wesentlichen durch § 10 Abs. 2 Satz 1 PSchG vorgegeben.
42 
Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 VVPSchG sowie § 10 Abs. 1 und 2 Satz 1 PSchG sind auch so zu verstehen, dass die für die Erteilung von Zeugnissen an öffentlichen Schulen geltenden Regelungen ebenfalls zu den Anforderungen nach § 10 Abs. 1 PSchG gehören, die von der Ersatzschule bereits während der Bewährungszeit von grundsätzlich drei Jahren nach Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG beachtet werden müssen, auch wenn ihre Zeugnisse noch keine hoheitlich anerkannten Berechtigungen darstellen. Zwar sprechen zunächst der Wortlaut und die Systematik von Nummer 12 Abs. 1 bis 4 VVPSchG gegen eine Einbeziehung der Vorschriften über die Zeugniserteilung in den Kreis der vorab einzuhaltenden Anforderungen. Denn die Vorschriften über die Zeugniserteilung werden in Nummer 12 Abs. 1 VVPSchG nicht genannt. Vielmehr normiert zunächst Nummer 12 Abs. 1 VVPSchG diejenigen Vorschriften, die beachtet werden müssen, damit die gestellten Anforderungen erfüllt werden.
43 
Für die Annahme, dass auch die vorherige Einhaltung der Zeugniserteilungsvorschriften verlangt werden kann, spricht jedoch, dass gerade diese Vorschriften von der Ersatzschule beachtet werden müssen, wenn sie nach ihrer Anerkennung öffentliche Berechtigungen vergeben will. Daher muss die Ersatzschule gerade bezüglich dieser Vorschriften die Gewähr bieten, sich dauernd an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften halten zu können und zu wollen. Der Wortlaut des § 10 PSchG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Der Zweck der Anerkennung setzt es vielmehr als selbstverständlich voraus, dass insbesondere die für die Erteilung von Zeugnissen geltenden Regelungen eingehalten werden. Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass vor allem die - in Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d VVPSchG explizit erwähnten - Versetzungsbestimmungen einen engen Zusammenhang mit den Regelungen der Noten- und Zeugnisvergabe aufweisen, weil Noten in öffentlichen Schulen in der Regel entscheidend für die Versetzung sind.
44 
(c) Auch Nummer 12 Abs. 2 Satz 1 VVPSchG hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Die Regelung verlangt, dass die Ersatzschule die gestellten Anforderungen grundsätzlich drei Jahre erfüllt haben muss, bevor angenommen werden kann, dass die Schule diese Anforderungen auf Dauer erfüllt. § 10 Abs. 1 PSchG macht zur Voraussetzung für den normierten Anspruch auf staatliche Anerkennung, dass die Ersatzschule „die Gewähr bietet, dass sie dauernd“ die an sie gestellten Anforderungen erfüllt. Damit ist Grundlage für die Entscheidung über den Anspruch zwar eine Prognose. Allerdings muss die Prognose auf einer hinreichenden Tatsachenbasis beruhen. Dies ist schon deshalb erforderlich, damit die betreffenden Schüler und ihre Eltern bei ihrer Entscheidung, ob die betreffende Ersatzschule besucht werden soll, über eine rechtssichere Grundlage verfügen, auf die sie vertrauen können. Damit verbietet sich eine nicht auf belegten Tatsachen, sondern nur auf Absichtserklärungen der Ersatzschule beruhende Anerkennung „ins Blaue hinein“, bei der die Gefahr besteht, dass sie bald wegen Nichteinhaltung der Anforderungen widerrufen werden muss oder dass Streit über die Einhaltung der Anforderungen entsteht. § 10 Abs. 1 PSchG lässt sich das gesetzliche Ziel entnehmen, dass vor einer Anerkennung sichergestellt sein muss, dass die Ersatzschule die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Daher bietet die gesetzliche Grundlage des § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 PSchG in der Fassung vom 14.05.1968 nach ihrem Inhalt, Zweck und Ausmaß (Art. 61 Abs. 1 Satz 2 LV) eine Grundlage für eine Bewährungsfrist, wobei sich auch die Dauer von drei Jahren in dem vom gesetzlichen Zweck vorgegebenen Rahmen hält.
45 
b) Die genannten Regelungen der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz sowie die Regelungen in § 10 PSchG sind auch im Übrigen mit der Verfassung vereinbar.
46 
aa) Nach dem Grundgesetz haben die Länder die ausschließliche Befugnis zur Regelung des Privatschulwesens (Art. 30, 70 ff. GG). Ihre Gesetzgebungsbefugnis ist in sachlicher Hinsicht durch Art. 7 Abs. 4 und 5 GG eingeschränkt. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG will die Freiheit im Schulwesen verwirklichen; er gewährleistet jedermann das Grundrecht, Privatschulen zu errichten.
47 
Das Recht zur Errichtung von Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen (Ersatzschulen) ist jedoch durch den Vorbehalt staatlicher Genehmigung beschränkt (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG); ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung ist nur unter den in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 GG aufgeführten Voraussetzungen verfassungsverbürgt. Mit dieser Gründungsfreiheit verbindet Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG zugleich eine Garantie der Privatschule als Institution, die der Privatschule verfassungskräftig eine ihrer Eigenart entsprechende Verwirklichung sichert. Der dem staatlichen Einfluss damit entzogene Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass in der Privatschule ein eigenverantwortlich geprägter und gestalteter Unterricht erteilt wird, insbesondere soweit er die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und Lehrinhalte betrifft. Diese Gewährleistung bedeutet die Absage an ein staatliches Schulmonopol und ist zugleich eine Wertentscheidung, die eine Benachteiligung gleichwertiger Ersatzschulen gegenüber den entsprechenden staatlichen Schulen allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen und -inhalte verbietet. Dieses Offensein des Staates für die Vielfalt der Formen und Inhalte, in denen Schule sich darstellen kann, entspricht den Wertvorstellungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, die sich zur Würde des Menschen und zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität bekennt. Das Grundrecht der Privatschulfreiheit bedeutet allerdings nicht, dass die Privatschule eine staatsfreie Schule ist. Ebenso wie die Weimarer Reichsverfassung bekennt sich das Grundgesetz, jedoch mit verstärkten Garantien, zu dem „System der begrenzten Unterrichtsfreiheit" der Privatschulen. Denn die Länder haben nicht nur die Gesetzgebungszuständigkeit für das Privatschulwesen; nach Art. 7 Abs. 1 GG unterstehen die Privatschulen auch ihrer Schulaufsicht. Die staatliche Schulaufsicht nach Art. 7 Abs. 1 GG ist aber bei den Privatschulen ebenso wenig wie bei den öffentlichen Schulen ein umfassendes staatliches Bestimmungsrecht über die Schulen; vielmehr ist sie insbesondere durch Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG modifiziert (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195, 200 f.).
48 
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Verwaltungsgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht und ein erheblicher Teil der Literatur angeschlossen haben, verbietet das Grundgesetz grundsätzlich nicht die Heraushebung einer Gruppe der Ersatzschulen als „anerkannte Ersatzschulen“. Die nur diesen Schulen verliehenen Befugnisse sind keine Berechtigungen, die nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG allen Ersatzschulen zukommen müssen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14.11.1969, a.a.O., 201, und vom 11.06.1974 - 1 BvR 82/71 -, BVerfGE 37, 314; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 18.11.1983, a.a.O., und vom 13.12.2000 - 6 C 5/00 -, BVerwGE 112, 263; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004 -, Vf. 11-VII-02 -, Juris Rn. 32; OVG LSA, Urteil vom 15.12.2010 - 3 L 426/08 -, Juris Rn. 45; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, Rn. 1014 ff.; Avenarius, in: ders., Schulrecht, 8. Aufl. 2010, Rn. 15.653; Kösling, Die private Schule gemäß Art. 7 Abs. 4, 5 GG, 2005, S. 205 ff.; Badura, in: Maunz/Dürig , GG, Art. 7 Abs. 4 bis 6 Rn. 116 ; Gröschner, in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 7 Rn. 109; Uhle, in: Epping/Hillgruber , BeckOK GG, Art. 7 Rn. 88; Schmitt-Kammler/Thiel, in: Sachs , GG, 6. Aufl. 2011, Art. 7 Rn. 71).
49 
Weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Regelung des Art. 7 Abs. 2 bis 4 GG kann eine staatliche Verpflichtung entnommen werden, den Ersatzschulen derartige Berechtigungen einzuräumen. Auszugehen ist davon, dass das Grundgesetz die Frage der Berechtigungen nicht ausdrücklich behandelt hat, so dass die Annahme naheliegt, diese Regelung solle dem Landesgesetzgeber überlassen bleiben. Im Übrigen regeln Art. 7 Abs. 2 bis 4 und Abs. 5 GG nur die Voraussetzungen, unter denen die Genehmigung für die Errichtung einer Ersatzschule zu erteilen oder zu versagen ist. Diese Regelung betrifft einen anderen Sachverhalt, als ihn die Anerkennung zum Gegenstand hat. Das Genehmigungserfordernis hat den Sinn, die Allgemeinheit vor unzureichenden Bildungseinrichtungen zu schützen. Durch die Erteilung der Genehmigung wird festgestellt, dass Bedenken gegen die Errichtung der Schule nicht bestehen und dass der Besuch der Schule als Erfüllung der Schulpflicht gilt; damit wird ihr die freie Betätigung im schulischen Bereich in den ihr wesensgemäßen Formen des Privatrechts gewährt. Wenn aber eine anerkannte Privatschule den Bildungsgrad ihrer Schüler mit öffentlich-rechtlicher „Außenwirkung" feststellt, das heißt öffentlich-rechtliche Zugangsberechtigungen vermittelt oder Berechtigungen zur Führung einer Berufsbezeichnung erteilt, dann übt sie hoheitliche Funktionen aus, die ihr aus dem privatrechtlichen Status nicht zukommen, sondern von einem Hoheitsträger übertragen werden müssen (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 203).
50 
Hinzu kommt, dass die Beantwortung der Frage, ob eine Privatschule mit „Öffentlichkeitsrechten" ausgestattet werden kann, entscheidend von der auf Dauer gewährleisteten Qualität der einzelnen Schule abhängen muss, während der Begriff der Ersatzschule nach der Regelung des Art. 7 Abs. 4 und Abs. 5 GG nur von den dort allgemein bestimmten Voraussetzungen abhängt. Die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG umschreiben nur den äußeren Rahmen der Ersatzschule, innerhalb dessen sie Bildung und Erziehung weitgehend mit eigenen, vom Staat nicht geprägten Methoden, Inhalten und Zielen verwirklichen kann. Zwar schließt die Genehmigung die Erwartung ein, dass die Schule bei der vorausgesetzten Anlage in Erziehungszielen, personellen und sachlichen Mitteln ihren Schülern eine Ausbildung und Erziehung vermitteln wird, die nicht hinter der durch eine öffentliche Schule zu erlangenden zurücksteht. Ob sich diese Erwartungen erfüllen werden, hängt jedoch nicht von der Planung und dem Ziel der Schule, sondern ihrer Bewährung ab, die in der Regel erst nach einer gewissen Dauer, also noch nicht bei der Genehmigung der Ersatzschule, beurteilt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 204).
51 
cc) In der Literatur wird diese Rechtsprechung teilweise für fehlerhaft gehalten. So wird argumentiert, der in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG verwendete Begriff „als Ersatz für öffentliche Schulen“ beinhalte auch das Recht zur Zeugnisvergabe mit öffentlich-rechtlicher Wirkung (vgl. Müller/Kromer, NVwZ 1984, 77, 80; Ogorek, DÖV 2010, 341, 344; a. A. insoweit: Seidel, Die Anerkennung der privaten Ersatzschule und ihre Auswirkungen auf das Privatrechtsverhältnis, 2005, S. 86 ff.). Auch wird der Anpassungsdruck, der durch die Einhaltung der für öffentliche Schulen geltenden Anforderungen erzeugt wird, für zu groß gehalten und darin ein Eingriff in die Privatschulfreiheit gesehen (vgl. Ogorek a.a.O., 346; Müller/Kromer, a.a.O.). Aus diesem Grund wird unter anderem vertreten, dass eine Anerkennung lediglich voraussetze, dass die Genehmigungsvoraussetzungen als Ersatzschule dauerhaft eingehalten werden. Erst nach einer solchen Anerkennung sei die Ersatzschule verpflichtet, zur Aufgabenerfüllung im Bereich des Berechtigungswesens für die Aufnahme, Versetzung, Prüfung und das Zeugnis von Schülern die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften anzuwenden (vgl. Seidel, a.a.O., S. 107).
52 
dd) Diesen Auffassungen ist jedoch nicht zu folgen (so auch der Senatsbeschluss vom 08.04.2011 - 9 S 884/11 -, VBlBW 2011, 476). „Ersetzend“ wirken die Ersatzschulen im Wesentlichen nur hinsichtlich der Schulpflicht (vgl. Kösling, Die private Schule gemäß Art. 7 Abs. 4, 5 GG, 2005, S. 179). Es ist nämlich - wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat - davon auszugehen, dass zum Bereich der Privatschule, auf den sich die Gewährleistung in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG bezieht, auch die Feststellung des Ausbildungserfolges in Zeugnissen und Prüfungen gehört. Dagegen gehört die Regelung, ob und welche Berechtigungen Prüfung und Zeugnis nach außen vermitteln, nicht dazu, auch wenn diese Regelung nicht ohne Einfluss auf die Lehrziele der Schule ist, die nicht zuletzt zu diesen Berechtigungen hinführen soll. Die Ordnung des Berechtigungswesens ist in ihrer Zielrichtung nicht auf das Schulwesen beschränkt, sondern erstreckt sich auf das Berufsleben dort, wo für die Berufswahl und Berufsausübung in den durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Grenzen ein Allgemeininteresse an einer besonderen Qualifikation in Anspruch genommen werden muss oder wird. Hier hat das Eigenbestimmungsrecht der Privatschule keinen Platz; die Ordnung des Berechtigungswesens ist eine natürliche Aufgabe des Staates, die dieser auch seit jeher für sich in Anspruch genommen hat. Mit der Ordnung des Berechtigungswesens ist notwendig die Aufsicht darüber verbunden, dass die Berechtigungen nur den Schülern zuerkannt werden, die den entsprechenden Bildungsgrad erworben haben. Diese Aufsicht betrifft ebenso wenig wie die Ordnung des Berechtigungswesens innere Schulangelegenheiten. Deshalb wird der Staat in der Gestaltung dieser Aufsicht grundsätzlich nicht durch Art. 7 Abs. 4 GG beschränkt, der den Privatschulen nur eine Teilhabe am Schulwesen sichert, den Staat aber nicht verpflichtet, die Feststellung der für die Berechtigungen erforderlichen Voraussetzungen durch die Privatschulen selbst vornehmen zu lassen, soweit es sich um ihre Schüler handelt. Insoweit sind die Länder bei der Einordnung des Privatschulwesens in das System der Berechtigungen durch Art. 7 Abs. 4 GG nicht beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 205 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O., Rn. 32).
53 
Dass die Verleihung öffentlich anerkannter Berechtigungen eine staatliche Aufgabe ist, wird im Übrigen durch Art. 17 Abs. 3 LV bestätigt, der bestimmt, dass Prüfungen, durch die eine solche Berechtigung erworben werden soll, vor staatlichen oder staatlich ermächtigten Stellen abgelegt werden müssen.
54 
Darüber hinaus dürfen auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Länder - auch wenn Art. 7 Abs. 4 GG keinen Anspruch auf Anerkennung der Ersatzschulen gewährt und der Landesgesetzgeber deshalb die Erteilung der Anerkennung von besonderen, über die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG hinausgehenden Bedingungen abhängig machen kann - das Institut der Anerkennung und die mit ihm verbundenen wirtschaftlichen Vorteile nicht dazu benutzen, die Ersatzschulen zur Anpassung an die öffentlichen Schulen in einem der Sache nach nicht gebotenen Umfang zu veranlassen oder unter Verletzung des Gleichheitsgebotes einzelne Privatschulen gegenüber anderen Schulen zu benachteiligen. Es würde mit Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren sein, wenn die Ersatzschulen ohne sachlichen Grund zur Aufgabe ihrer Selbstbestimmung veranlasst werden würden (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 208 f.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O., Rn. 33). Es würde gegen Art. 7 Abs. 4 GG verstoßen, wenn der Staat den Schülern von Ersatzschulen den Weg zu den Berechtigungen versperren würde. Ebenso muss der Staat bei der Beurteilung, ob einem Privatschüler die Berechtigung zuzuerkennen ist, den besonderen Erziehungszielen der Privatschulen Rechnung tragen, soweit dies bei Würdigung von Inhalt und Bedeutung der Berechtigung, insbesondere unter Beachtung des Gebotes der „Gleichheit der Startchancen" möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 206 f.).
55 
Das Verlangen nach Anpassung an die Zugangsvoraussetzungen der öffentlichen Schulen als Bedingung für die Anerkennung ist jedoch nicht sachwidrig. Darauf, dass auch eine Ersatzschule mit anderen Zulassungsverfahren eine zur Erlangung der Berechtigungen ausreichende Ausbildung vermitteln kann, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Ersatzschule, die ihre Schüler nach den für die öffentliche Schule geltenden Prinzipien auswählt, bietet dem Staat eine besondere Gewähr für einen der öffentlichen Schule entsprechenden Ausbildungserfolg sowohl während der einzelnen Ausbildungsabschnitte als auch bei Abschluss der Ausbildung. Der Staat kann deshalb eher auf eine besondere Kontrolle der von diesen Schulen erteilten Berechtigungen verzichten (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 209).
56 
Auch liegt es im Wesen derartiger Berechtigungen, dass das Prinzip der Gleichwertigkeit gegenüber dem Prinzip der Gleichartigkeit weitgehend zurücktreten muss. Darüber hinaus bestimmen Grad und Inhalt der von den öffentlichen Schulen vermittelten Schulausbildung die Voraussetzungen, unter denen die Berechtigung erteilt wird, da der Staat bei der Ordnung des Berechtigungswesens an die öffentliche Schule als Regelschule anknüpfen muss (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 207).
57 
Durch die Anerkennung wird auch nicht den nicht anerkannten Ersatzschulen, deren Schüler in der Regel zur Erlangung einer staatlich anerkannten Berechtigung eine Schulfremdenprüfung ablegen müssen, die Gleichwertigkeit in Bezug auf den Leistungserfolg im Vergleich mit den staatlichen Schulen oder den anerkannten Privatschulen abgesprochen. Vielmehr wird lediglich bei der Feststellung, ob der die Berechtigungen vermittelnde Leistungserfolg im Einzelfall erreicht ist, über die nicht anerkannten Ersatzschulen eine besondere, der Bedeutung der Berechtigungen angemessene Kontrolle ausgeübt, die im Fall der anerkannten Privatschulen entbehrlich erscheint. Diese Privatschulen, die sich bei der Schülerauswahl den öffentlichen Schulen angepasst und sich zudem einer verstärkten Schulaufsicht unterworfen haben, bieten bereits auf Grund dieser gewissermaßen vorverlegten Kontrolle die Gewähr für eine dauernde Gleichmäßigkeit im Leistungsstand und für die Einhaltung der den Berechtigungen zugrunde gelegten Normen (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 207).
58 
ee) Daher kann von Verfassungs wegen privaten Schulen, die eine staatliche Anerkennung begehren, die Einhaltung folgender Vorgaben abverlangt werden:
59 
(1) Den anerkannten Ersatzschulen kann auferlegt werden, die für die staatlichen Schulen geltenden Versetzungsordnungen zu übernehmen. Erst die Anwendung der staatlichen Versetzungsordnung stellt rechtlich sicher, dass der Leistungsstand der Schüler an Privatschulen für den Schuljahreswechsel demjenigen der Schüler an öffentlichen Schulen entspricht (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.12.2000, a.a.O., und vom 18.11.1983, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.). Eine Ersatzschule, die ihre Schüler nach den für die öffentliche Schule geltenden Prinzipien auswählt und für das Fortschreiten der Schüler in der Schule eine dem staatlichen Schulwesen entsprechende Handhabung garantiert, bietet dem Staat - unter dessen Aufsicht sie steht (Art. 7 Abs. 1 GG) - eine besondere Gewähr für einen der öffentlichen Schule entsprechenden Ausbildungserfolg sowohl während der einzelnen Ausbildungsabschnitte als auch bei Abschluss der Ausbildung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.).
60 
Bei allein genehmigten Ersatzschulen kann dagegen nicht verlangt werden, dass am Ende jedes Schuljahres ein Wechsel von der Ersatzschule auf eine öffentliche Schule möglich ist. Denn eine nur genehmigte Ersatzschule muss nur zum Abschluss des schulischen Bildungsganges eine den staatlichen Schulen gleichwertige Qualifikation erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 08.06.2011 - 1 BvR 759/08 u.a. -, Juris Rn. 21). Daher ist es in diesem Fall gleichgültig, welchen Leistungsstand die Schüler jeweils am Ende eines Schuljahres besitzen. Eine Jahrgangsmischung ist an solchen Schulen vom Zweck der Privatschulfreiheit geschützt. Daher kann das für öffentliche Schulen geltende Prinzip der Jahrgangsklassen nicht für allein genehmigte private Ersatzschulen gelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2000, a.a.O.).
61 
(2) Darüber hinaus kann von staatlich anerkannten Ersatzschulen verlangt werden, dass sie die für öffentliche Schulen geltenden Aufnahmebestimmungen beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.1983, a.a.O.; BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.05.1981, a.a.O.).
62 
(3) Des Weiteren kann von staatlich anerkannten Ersatzschulen verlangt werden, dass diese bei Prüfungen und Zeugnissen Anforderungen stellen, die denen der öffentlichen Schulen gleichwertig sind (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 17.03.2004, a.a.O.). Eine anerkannte Ersatzschule muss die staatlichen Prüfungsregelungen im Wesentlichen übernehmen. Findet beispielsweise in einem Land eine zentrale Abschlussprüfung statt, muss die Privatschule das entsprechende Prüfungsverfahren durchführen (vgl. Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 1015 f.; Avenarius, a.a.O. Rn. 15.655; Seidel, a.a.O., S. 104 f.).
63 
Dass eine anerkannte Ersatzschule bei der Durchführung von Prüfungen und der Erteilung von Zeugnissen die hierfür geltenden öffentlich-rechtlichen Vorgaben einhalten muss, folgt letztlich aus der Anerkennung selbst. Mit der Anerkennung wird die Ersatzschule Beliehener, ihr wird die hoheitliche Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen übertragen. Daher muss sie sich auch an die entsprechenden rechtlichen Vorgaben halten.
64 
(4) Schließlich ist es verfassungsrechtlich zulässig, wenn § 10 Abs. 1 PSchG in Verbindung mit Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 VVPSchG von Ersatzschulen verlangt, dass vor der Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule die für öffentliche Schulen geltenden Anforderungen, insbesondere die Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen sowie die Regeln über die Zeugniserteilung, während eines Zeitraums von grundsätzlich drei Jahren eingehalten werden. Dies stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatschulfreiheit dar.
65 
Soweit der Staat Anforderungen an die Anerkennung von Ersatzschulen stellt, kann dies als Eingriff in die Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewertet werden. Ein unmittelbarer Eingriff liegt allerdings nicht vor. Denn die Privatschulfreiheit wird hier nicht durch ein Gebot oder Verbot verkürzt. Allerdings kann man von einem mittelbaren Eingriff ausgehen. Denn die Verpflichtung zur Anpassung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben hat beträchtliche Auswirkungen auf den von Art. 7 Abs. 4 GG geschützten Bereich. Die Befugnis, staatlich anerkannte Prüfungen durchzuführen und Zeugnisse erteilen zu dürfen, ist auch für eine Privatschule von erheblicher Bedeutung. Für potentielle und aktuelle Schüler einer Privatschule und deren Eltern spielt es eine große Rolle, ob Zeugnisse und Abschlüsse im außerschulischen Bereich als verbindlich gelten oder ob eine Schulfremdenprüfung durchgeführt werden muss (vgl. Ogorek, a.a.O, 342). Durch diesen nachvollziehbaren Wunsch der „Kunden“ der Privatschulen werden diese dem Druck ausgesetzt, die Anerkennungsvoraussetzungen einzuhalten und insoweit von dem eigenen Konzept abzuweichen. Dieser Druck ist dem Staat insoweit zurechenbar, weil er erheblich und der Staat sich dessen bewusst ist.
66 
Diesen Eingriff hat das Bundesverfassungsgericht allerdings - wie oben dargestellt - in einem § 11 des Hessischen Privatschulgesetzes vom 27.04.1953 (GVBl. S. 57) betreffenden Verfahren der konkreten Normenkontrolle, dessen Ausgangsrechtsstreit die Zeit nach der Anerkennung betraf, der Sache nach jedenfalls mit Blick auf diesen Zeitraum für gerechtfertigt gehalten. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht bereits in diesem Verfahren im Ansatz festgestellt, dass die staatliche Anerkennung einer Schule verfassungsrechtlich von ihrer Bewährung abhängig gemacht werden darf, weil in der Regel erst nach einer gewissen Dauer beurteilt werden kann, ob sie die Erwartungen erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 204).
67 
Ausgehend hiervon erweist es sich vorliegend als verhältnismäßig, wenn während eines Zeitraums von grundsätzlich drei Jahren vor der Anerkennung verlangt wird, dass die für die öffentlich-rechtlichen Schulen geltenden Anforderungen eingehalten werden.
68 
Eine solche Bewährungsfrist vor der staatlichen Anerkennung ist geeignet, sicherzustellen, dass nur solche Schulen anerkannt werden und in der Folge öffentlich anerkannte Prüfungen durchführen und Zeugnisse erteilen, die auf Dauer dazu in der Lage und bereit sind, die für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen zu beachten. Wie das Verwaltungsgericht bereits ausführt hat, handelt es sich bei der Anerkennung zwar um eine behördliche Prognoseentscheidung, die durch die Gerichte voll überprüfbar ist. Die Schulbehörde kann eine solche Entscheidung jedoch mit größerer Ergebnissicherheit treffen, wenn sie über eine hinreichende Tatsachenbasis verfügt.
69 
Die Einhaltung einer grundsätzlich dreijährigen Bewährungsfrist ist auch erforderlich. Es sind keine milderen, aber gleich geeigneten Mittel erkennbar um das Ziel zu erreichen, dass nur solche Schulen anerkannt werden, die auch in der Lage und willens sind, zu garantieren, dass der von der Ersatzschule bestätigte Leistungserfolg dem einer öffentlichen Schule entspricht. Zwar wäre es ein milderes Mittel, wenn die Ersatzschulen erst ab Anerkennung an die für entsprechende öffentliche Schulen gestellten Anforderungen gebunden wären. Jedoch wäre ein solches Vorgehen der Behörde nicht genauso effektiv. Denn dann erhielte eine Ersatzschule allein aufgrund einer weitgehend spekulativen Prognose die Möglichkeit, der Allgemeinheit gegenüber gültige Zeugnisse und Berechtigungen zu erteilen. Wäre die Behörde bei einem später festgestellten Verstoß dazu verpflichtet, die Anerkennung zu widerrufen, wären in der Zwischenzeit ausgestellte Berechtigungen dennoch wirksam. Da ein hinreichend sicheres Urteil über die Bewährung einer Privatschule bei der Einhaltung etwa von Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen jedenfalls die Beobachtung mehrerer Schuljahre hintereinander voraussetzt, durfte der Verordnungsgeber mit Blick auf den ihm insoweit eingeräumten Einschätzungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.04.2009 -1 BvR 121/08 -, Juris Rn. 41) auch die Dauer der Bewährungsfrist von grundsätzlich drei Jahren für erforderlich halten.
70 
Schließlich ist die Bewährungsfrist auch angemessen. Zwar muss eine Ersatzschule durch die Einhaltung einer Bewährungsfrist gegebenenfalls Abstriche von ihrem an sich vorgesehenen pädagogischen Konzept machen und dies für einen Zeitraum, in dem sie noch keine „Gegenleistung“ dafür erhält. Möglicherweise reduziert eine Vorabbindung an die für öffentliche Schulen geltenden Aufnahmevoraussetzungen den Kreis der potentiellen Schüler der Schule. Dieses Interesse wiegt jedoch nicht besonders schwer; insbesondere dann, wenn sich die Bewährungsfrist über einen relativ überschaubaren Zeitraum erstreckt. Denn im Anschluss an diesen Zeitraum muss die betreffende Ersatzschule die für eine öffentliche Schule geltenden Regelungen ohnehin einhalten. Die Gefahr, dass potentielle Schüler von den Bestimmungen abgeschreckt werden, ist vor allem dann gering, wenn die Möglichkeit besteht, dass noch alle mit Beginn der Bewährungszeit aufgenommenen Schüler in den Genuss der Rechte aus der Anerkennung kommen können. Im Übrigen ist eine gewissermaßen vorverlegte Kontrolle dem System der Anerkennung immanent (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1969, a.a.O., 208). Schließlich steht die Norm mit Blick darauf, dass die Bewährungsfrist „grundsätzlich drei Jahre“ beträgt, einer flexiblen Handhabung insbesondere auch zur Berücksichtigung einzelfallbezogener Besonderheiten nicht entgegen.
71 
Ob etwas anderes gelten muss und der vorherige Betrieb der Schule und eine Bewährung nicht verlangt werden dürfen, wenn die Schule ohne eine Anerkennung nicht betrieben werden kann (so: Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 1017), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn dies wird hier nicht geltend gemacht. Die Schule existiert bereits ohne Anerkennung.
72 
3. Ausgehend von diesen Vorgaben erfüllt der Kläger nicht die nach § 10 Abs. 1 PSchG und Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 VVPSchG gestellten Anforderungen.
73 
a) Der Kläger bietet keine Gewähr, sich dauernd an die für öffentliche Grund- und Hauptschulen geltenden Zeugnisbestimmungen zu halten. Der Beklagte stützt die Versagung der Anerkennung in seinem Bescheid daher zur Recht darauf, dass der Kläger nicht regelmäßig Notenzeugnisse nach der Notenbildungsverordnung (NVO) vom 05.05.1983 (GBl. S. 324), zuletzt geändert durch Art. 9 der Verordnung vom 11.04.2012 (GBl. S. 334, 354), erteilt. Bei einer Schule, welche die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule begehrt, muss das Prinzip der bloßen Gleichwertigkeit gegenüber dem Prinzip der Gleichartigkeit auch insoweit zurücktreten.
74 
aa) Die Notenbildungsverordnung bestimmt in § 3 Abs. 1, dass Schüler für jedes Schuljahr ein Zeugnis über ihre Leistungen erhalten, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. In den Abschlussklassen erhalten sie nach § 3 Abs. 2 NVO zudem ein Halbjahreszeugnis, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Die Schüler der Klasse 4 der Grundschule erhalten jedoch für das erste Schulhalbjahr nur eine Halbjahresinformation. Nach § 4 Abs. 1 NVO erhalten im Übrigen grundsätzlich alle Schüler für das erste Schulhalbjahr eine Halbjahresinformation über ihre Leistungen in den einzelnen Unterrichtsfächern. Die Leistungen der Schüler werden nach § 5 NVO mit den Noten „sehr gut (1)“, „gut (2)“, „befriedigend (3)“, „ausreichend (4)“, „mangelhaft (5)“ und „ungenügend (6)“ bewertet. In den Klassen 1 und 2 tritt hiervon abweichend nach der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen vom 29.11.1983 (GBl. 1984 S. 3), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.2007 (GBl. S. 277), ein Schulbericht an die Stelle des Jahreszeugnisses und der Halbjahresinformation. Im Schulbericht finden sich keine Noten, sondern unter anderem sachliche Feststellungen zum Verhaltensbereich, zum Arbeitsbereich und zum Lernbereich.
75 
Die §§ 7 ff. NVO enthalten Bestimmungen zur Feststellung der Schülerleistungen, insbesondere über Klassenarbeiten und Wiederholungsarbeiten, aber auch über mündliche und praktische Leistungen. § 7 NVO beinhaltet hierzu allgemeine Vorgaben, wie Regeln, mit denen die Transparenz der Bewertungskriterien und der Notenbildung sichergestellt werden soll. So hat beispielsweise nach § 7 Abs. 1 Satz 3 NVO der Fachlehrer zum Beginn seines Unterrichts bekanntzugeben, wie er in der Regel die verschiedenen Leistungen bei der Notenbildung gewichten wird. § 9 Abs. 1 NVO legt für die Werkrealschulen und Hauptschulen die jedenfalls anzufertigende Zahl an Klassenarbeiten in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch fest. So müssen in Haupt- und Werkrealschulen im Fach Deutsch in den Klassen 5 bis 9 jeweils mindestens vier Klassenarbeiten pro Schuljahr geschrieben werden (§ 9 Abs. 5 Satz 4 NVO lässt insoweit keine Reduktion durch gleichwertige Leistungen zu). Die Notenbildungsverordnung unterscheidet zudem Klassenarbeiten von schriftlichen Wiederholungsarbeiten, die in der Regel nur bis zu 20 Minuten dauern sollen und als Nachweis dafür dienen, mit welchem Erfolg die Hausaufgaben bewältigt wurden (vgl. § 8 NVO).
76 
Für Grundschüler gelten bezüglich der Feststellung von Schülerleistungen Besonderheiten (vgl. § 11 Abs. 1 NVO). Diese ergeben sich aus der genannten Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen. So sind nach § 2 Abs. 2 dieser Verordnung in den Klassen 3 und 4 im Schuljahr in Deutsch mindestens zehn schriftliche Arbeiten, darunter fünf Aufsätze, und in Mathematik mindestens acht schriftliche Arbeiten zu fertigen, die der Lernkontrolle und dem Leistungsnachweis dienen.
77 
bb) Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die Gewähr bietet, sich dauernd an diese Vorgaben zu halten.
78 
(1) Dies ergibt sich schon daraus, dass er in den vergangenen drei Jahren nicht regelmäßig Zeugnisse entsprechend der Notenbildungsverordnung ausgegeben hat. Damit kann nicht angenommen werden, dass er die Gewähr dafür bietet, dauernd entsprechend der Notenbildungsverordnung Zeugnisse auszugeben.
79 
(a) Es genügt nicht den Vorgaben der Notenbildungsverordnung, wenn der Kläger nach seinen Angaben Notenzeugnisse allein in Jahrgangsstufe 9 und ggf. in Zukunft ab Jahrgangsstufe 8, bei einem Wechsel eines Schülers auf eine andere Schule sowie bei „Nichtversetzung“ oder Ausspruch einer „Schulempfehlung“ im Dissens mit den Eltern Zeugnisse mit Leistungsnoten nach § 5 NVO ausgibt. Denn § 3 Abs. 1 und 4 NVO verlangen grundsätzlich, dass für jeden Schüler in jedem Schuljahr zu einem bestimmten Termin ein Zeugnis nach § 5 NVO ausgegeben wird.
80 
(b) Abgesehen davon genügen auch die vom Kläger bei Bedarf sowie in Jahrgangsstufe 9 und ggf. in Zukunft in Jahrgangsstufe 8 ausgestellten Zeugnisse nicht den für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben für die Notenbildung.
81 
Denn das vom Kläger schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung durch die Schulleiterin der Hauptschule des Klägers näher erläuterte Bewertungssystem der Schule des Klägers ist nicht in der Lage, Leistungsnoten zu erzeugen, die den für öffentliche Schulen geltenden Vorgaben genügen. Der Kläger hat zwar behauptet, er dokumentiere und archiviere Arbeiten und Lernergebnisse der Schüler und sei in der Lage, aufgrund eines Leistungsbewertungssystems, das zunächst Symbole verwendet habe und mittlerweile mit Punkten arbeite, jederzeit bei Bedarf Noten nach § 5 NVO erzeugen zu können. Dies konnte jedoch anhand der vorgelegten Unterlagen in der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Senats dargestellt werden. So wurde die dort für den Kläger anwesende Schulleiterin seiner Haupt-, Real- und Förderschule, Frau B., vom Senat gebeten, für den Schüler „L..., Lernjahr 1-3“ aufgrund des „Linearen Leistungsbewertungssystems der Primarstufe SJ 2011/12“ sowie der „Dokumentation Inhalte Mathe Lj 3 2011/12 L...“ darzustellen, welche Endnote der Schüler im Lernjahr 3 im Fach Mathematik erhalten würde. Dazu war sie indes nicht in der Lage. Sie verwies zwar auf die in der Dokumentation in der letzten Spalte festgehaltenen Punktzahlen. Da diese jedoch nicht auf eine theoretisch erreichbare Gesamtpunktzahl Bezug nehmen, sind sie allein nicht aussagekräftig. Zwar finden sich in dem gleichen Schnellhefter weiter hinten zwei Beispiele für von dem Schüler gelöste schriftliche Aufgaben im Fach Mathematik, bei denen neben der erreichten Punktzahl eine Bezugsgröße angegeben ist. Eine dieser Punktzahlen entspricht der in der Dokumentation genannten Punktzahl nur nach einer rechnerischen Rundung nach oben. Insgesamt bleibt es jedoch dabei, dass die Dokumentation als solche nicht für die Notengebung auswertbar ist. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als dort mit dem Buchstaben „m“ bezeichnete mündliche Noten in großer Zahl vermerkt sind. Denn diesbezüglich findet sich nirgends eine Relationsgröße.
82 
Darüber hinaus ist in der mündlichen Verhandlung auch unklar geblieben, in welchem Verhältnis die in der „Dokumentation“ aufgeführten Leistungen, insbesondere schriftliche und mündliche Leistungen, zueinander stehen, also mit welchem Gewicht sie jeweils in die Gesamtbewertung einfließen. Dies konnte von der Schulleiterin des Klägers nicht geklärt werden, die lediglich darauf verwiesen hat, die Notengebung sei Sache des Fachlehrers, der auch zur Ableitung einer Ziffernnote in der Lage sei.
83 
Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag des Klägers und den Angaben der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung neben den aufgrund des „linearen Leistungsbewertungssystems“ gewonnenen Punktebewertungen auch die Selbsteinschätzung des jeweiligen Schülers und seiner Eltern sowie Entwicklungsbriefe, mit denen die Lern- und Verhaltensentwicklung in allen Lernbereichen am Ende des Schuljahres ausführlich beschrieben wird, Eingang in die Notenbildung finden. Die Schulleiterin gab weiter dazu an, dass nicht allgemein gesagt werden könne, in welchem konkreten Verhältnis diese Bewertungen zu den mit Punkten bewerteten Arbeiten der Schüler in die Gesamtbewertung bzw. die potentiell zu erteilende Note einfließen. Abgesehen davon, dass es problematisch ist, aus Verbalnoten Ziffernnoten abzuleiten (vgl. Maier, Was leisten Verbalzeugnisse?, in: Grundschule 2003, S. 72, 74), ist damit nicht ersichtlich, dass es zumindest für eine Jahrgangsstufe allgemeingültige Bewertungskriterien für die Gewichtung der verschiedenen Leistungen der Schüler gibt. Deren Existenz wird indes von § 7 Abs. 1 Satz 3 NVO vorausgesetzt, weil der Fachlehrer zu Beginn des Unterrichts bekanntgeben muss, wie er in der Regel die verschiedenen Leistungen bei der Notenbildung gewichten wird. Die Existenz und die Kommunikation solcher Regeln ist auch notwendig, um später gegebenenfalls eine gerichtliche Überprüfung der Notenbildung zu ermöglichen.
84 
Schließlich ist auch nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der Kläger für die Beurteilung der Schülerleistungen auf die von der Notenbildungsverordnung und der Verordnung über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen vorgeschriebenen Leistungen abstellt.
85 
Zunächst ist nicht ersichtlich, dass er die nach § 9 Abs. 1 NVO in der Hauptschule erforderliche Zahl von Klassenarbeiten im Fach Deutsch anfertigen lässt. In den vorgelegten Unterlagen, den beiden die Hauptschule betreffenden Portfolios, finden sich zwar einige sog. „Lernzielkontrollen“. Dabei ist jedoch völlig unklar, ob diese das Niveau einer Klassenarbeit im Sinne von § 8 Abs. 1 NVO erreichen oder ob es sich um schriftliche Wiederholungsarbeiten im Sinne von § 8 Abs. 2 NVO handelt. Für das Fach Englisch finden sich in den Portfolios keine Beispiele für schriftliche Arbeiten, obwohl auch hier solche Arbeiten von § 9 Abs. 1 Satz 1 HS. 2 NVO verlangt werden.
86 
Mit den vorgelegten Unterlagen ist auch die Einhaltung der für die Grundschule geltenden Vorgaben der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen zur Leistungsfeststellung nicht nachgewiesen. Es wurden für die Kinder M... und L... etwa für das Schuljahr 2011/12 nur Beispiele von Lernstandskontrollen vorgelegt, davon 4 bzw. 3 Kontrollen im Fach Deutsch und nur je zwei im Fach Mathematik. Beide Kinder befanden sich in dem beispielhaft dargestellten Schuljahr im vierten bzw. dritten „Lernjahr“. Auch wenn die vorgelegten Unterlagen nur beispielhafte Auszüge darstellen und nach Angaben der Schulleiterin des Klägers nicht vollständig sind, ist die erforderliche Zahl an Arbeiten in den Fächern Deutsch, insbesondere Aufsätze, sowie in Mathematik damit nicht dargetan.
87 
Dass die genannten Vorgaben für schriftliche Arbeiten zur Leistungsfeststellung für die Schule des Klägers keine Rolle spielen, wird im Übrigen durch die Angabe der Schulleiterin des Klägers bestätigt. Sie gab an, für die Leistungsbewertung sei keine bestimmte Anzahl von herausgehobenen Klassenarbeiten vorgesehen. Daher würde dies den Schülern vorab auch nicht kommuniziert.
88 
(2) Der Senat ist außerdem nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger nach einer Anerkennung an die Vorgaben der Notenbildungsverordnung und der Verordnung des Kultusministeriums über die Schülerbeurteilung in Grundschulen und Sonderschulen halten würde.
89 
Zwar hat die Schulleiterin der Hauptschule des Klägers gegen Ende der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats behauptet, die Schule werde nach einer Anerkennung Notenzeugnisse erteilen. Diese Absichtserklärung widerspricht jedoch dem der Genehmigung zugrundeliegenden und auch noch am 22.10.2012 auf der Internet-Homepage des Klägers veröffentlichten Konzept seiner Schule. Danach ersetzen ausführliche und vielfältige Lerndokumentationen und die zwei Mal im Jahr stattfindenden Entwicklungsgespräche, welche die Lernbegleiter zusammen mit Eltern und Schülern führen, die Ziffernbenotung. Hierauf legen die Eltern der Schüler des Klägers Wert, sie wünschen in aller Regel keine Zeugnisse mit Ziffernnoten. Dies hat die Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Auch die vorgelegten schriftlichen Erklärungen des Klägers stützen nicht die Behauptung der Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung, nach einer Anerkennung Ziffernnoten erteilen zu wollen. Der Kläger hat mit seinen schriftlichen Darlegungen bislang immer versucht, einen Weg aufzuzeigen, wie er die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften über die Noten- und Zeugnisvergabe handhaben möchte, ohne seine pädagogischen Eigenheiten aufzugeben (vgl. die Schriftsätze vom 24.11.2011, 31.08.2012 und 17.09.2012). Bezüglich dieses Wegs ist jedoch soeben festgestellt worden, dass er den für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften nicht entspricht.
90 
b) Der Kläger hat sich darüber hinaus weder in den vergangenen drei Jahren an die für öffentliche Grund- und Hauptschulen geltenden Versetzungsbestimmungen gehalten noch wird er dies voraussichtlich in Zukunft tun. Damit bietet er auch insoweit nicht nach § 10 Abs. 1 PSchG und Nummer 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d und Abs. 2 Satz 1 VVPSchG die Gewähr, dass er dauernd die an öffentliche Schulen gestellten Anforderungen erfüllt.
91 
aa) Anforderungen an die Versetzung von Schülern in der Grundschule ergeben sich aus der Grundschulversetzungsordnung vom 30.01.1984 (GBl. S. 145), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 08.12.2011 (GBl. S. 562). In § 1 Abs. 2 dieser Verordnung sind für bestimmte Klassenstufen bezüglich bestimmter Fächer Notengrenzen für die Versetzung festgelegt. In § 2 Abs. 1 und 2 der Grundschulversetzungsordnung wird bestimmt, dass dann, wenn in den Klassen 2 bis 4 in den Fächern Deutsch, Mathematik sowie ab Klasse 3 im Fächerverbund Mensch, Natur und Kultur nur von einem Lehrer unterrichtet wird, dieser sechs Wochen vor Aushändigung der Jahreszeugnisse alle Schüler, bei denen die Versetzung gefährdet erscheint, dem Schulleiter schriftlich meldet. Der Schulleiter hat sich dann einen Eindruck von der Leistung der Schüler zu verschaffen. An ein- und zweiklassigen Schulen ist die Meldung an das Staatliche Schulamt zu richten. § 3 der Grundschulversetzungsordnung enthält Bestimmungen über die Aussetzung der Versetzungsentscheidung durch die Klassenkonferenz.
92 
Für die Hauptschule regelt nun die Werkrealschulverordnung (WRSVO) vom 11.04.2012 (GBl. S. 334) die Versetzung. Die Anforderungen an die Versetzung sowie das Versetzungsverfahren ergeben sich aus den §§ 4 bis 11 WRSVO. Die dort normierten Versetzungsanforderungen gehen von Schulklassen (vgl. auch § 1 Abs. 1 WRSVO) sowie von Schulnoten nach der Notenbildungsverordnung aus. Zuvor galt die Werkrealschulverordnung vom 11.11.2009 (GBl. S. 693) mit ähnlichen Versetzungsanforderungen.
93 
bb) Diese Vorgaben beachtet der Kläger weder bislang noch ist davon auszugehen, dass er sie zukünftig beachten wird. Die Schule des Klägers gliedert sich nicht in nach Jahrgängen differenzierende Schulklassen, wie dies in den genannten Versetzungsbestimmungen vorausgesetzt wird. Darüber hinaus erteilt er nicht regelmäßig Noten nach den für öffentliche Schulen geltenden Bestimmungen, die für die Entscheidung über die Versetzung bzw. Nichtversetzung maßgeblich sind.
94 
Nichtversetzungsentscheidungen im Sinne der genannten Vorschriften sind im Konzept der Schule des Klägers allerdings auch nicht vorgesehen. Dies ergibt sich aus dem im Tatbestand dargestellten der Genehmigung als Ersatzschule zugrundeliegenden Konzept der Schule des Klägers vom 15.01.2006. Zwar behauptet dieser, bei einer Nichtversetzung ein Zeugnis mit Ziffernnoten zu erteilen. Allerdings ist es bislang noch nicht zu einer solchen Nichtversetzungsentscheidung gekommen. Dies mag an der Qualität der Schüler bzw. des Unterrichts der Schule liegen. Seine Ursache hat dies jedoch auch im Schulkonzept des Klägers. Die Schule des Klägers gliedert sich derzeit in fünf Stammgruppen. In der Primarstufe (Jahrgangsstufen 1 bis 4) gibt es derzeit zwei parallele Gruppen 1a und 1 b mit jeweils 17 bzw. 18 Schülern. Des Weiteren gibt es eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 5 und 6 mit 15 Schülern, eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 7 und 8 mit 21 Schülern und eine Stammgruppe für die Jahrgangsstufen 9 und 10 mit 15 Schülern. Innerhalb der Stammgruppe lernen die Schüler nach ihrem individuellen Tempo. Maßstab für das Voranschreiten eines Schülers und damit für die „Versetzung“ im Sinne des Vortrags des Klägers ist insbesondere die Erfüllung des Bildungsplans. Der Lernerfolg wird in einem Lernkompetenz-Buch/Pensenbuch dokumentiert. Erreicht ein Schüler in einem Schuljahr nicht die Vorgaben des Bildungsplans, bekommt er die betreffenden Aufgaben des vergangenen Schuljahres erneut vorgelegt, um Defizite abzubauen. Ein „Sitzenbleiben“ ist im Konzept des Klägers nicht vorgesehen.
95 
cc) Soweit der Kläger vorträgt, er wende die Multilaterale Versetzungsordnung vom 12.12.2010 (GBl. 2011 S. 9, ber. K.u.U. S. 120) an, die den Übergang zwischen Hauptschulen, Werkrealschulen, Realschulen und Gymnasien der Normalform regelt, ist dies für das vorliegende Verfahren nur insoweit von Belang, als es um den Übergang innerhalb der Sekundarstufe auf die Hauptschule des Klägers geht. Der Übergang in die Realschule des Klägers spielt hier keine Rolle. Denn für die von ihm betriebene Realschule begehrt er mit der vorliegenden Klage keine staatliche Anerkennung.
96 
Die Anwendung der §§ 9 bis 12 der Multilateralen Versetzungsverordnung für den Übergang vom Gymnasium oder einer Realschule in die Hauptschule des Klägers scheitert jedoch ebenfalls daran, dass diese Regelungen ein Jahrgangsklassensystem voraussetzen. Die Schule des Klägers kennt jedoch keine Jahrgangsklassen, sondern nur sog. „Stammgruppen“, in denen die Schüler individuell und jahrgangsübergreifend unterrichtet werden.
97 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
98 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
99 
Beschluss vom 23. Oktober 2012
100 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. II.38.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004, NVwZ 2004, 1327). Der dort für die Genehmigung vorgeschlagene Streitwert ist auch für die geltend gemachte Anerkennung anzusetzen.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karls-ruhe vom 16. April 2007 - 3 K 2117/06 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26. Juli 2006 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16. März 1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt zwei Drittel, der Beklagte ein Drittel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Befristung der Wirkungen seiner 1999 verfügten Ausweisung auf den heutigen Zeitpunkt.
Der 1981 in ... geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Nach der Trennung der Eltern im Juli 1986 wuchs er zusammen mit seiner 1984 geborenen Schwester bei seiner Mutter auf, die seit 1998 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Er ist mit einer in ... lebenden Deutschen verlobt.
Der Kläger besuchte für zwei Jahre die Grundschule und im Anschluss daran verschiedene Förderschulen. Seit der Mitte der 6. Klasse hat er überhaupt keine Schule mehr besucht. Einen Schulabschluss hat er nicht erlangt. Als Jugendlicher war er wiederholt stationär in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht.
Ab August 1999 war der Kläger für ein halbes Jahr als Helfer in der Landschaftspflege bei der Arbeiterwohlfahrt beschäftigt. Im Anschluss daran arbeitete er acht Monate für die Spedition S. in .... Wegen Unstimmigkeiten mit dem Arbeitgeber beendete er dieses Arbeitsverhältnis. Nach einem Jahr als ungelernter Arbeiter bei einer Dachdeckerei kehrte er zur Spedition S. zurück. Dort arbeitete er bis Ende 2002 als Möbelpacker. Danach lebte er - unterbrochen von einer einmonatigen Beschäftigung bei der Fa. H. W. GmbH im Dezember 2004 - bis zu seiner Festnahme am 11.04.2005 von Arbeitslosenunterstützung.
Bereits im Alter von 10 Jahren begann der Kläger damit, Haschisch zu rauchen. Sein Cannabiskonsum steigerte sich stetig. Im Alter von 14 Jahren kam er auch in Kontakt mit anderen Drogen wie Speed, LSD und Ecstasy. 1996 begann er zudem damit, Kokain zu konsumieren. Sein anfänglich seltener Kokainkonsum steigerte sich kontinuierlich. Ab 2002 nahm er wöchentlich und in dem Zeitraum vor seiner letzten Verhaftung im April 2005 täglich Kokain zu sich. Nach einem kalten Entzug in der Untersuchungshaft nahm er Kontakt mit der Drogenberatung auf. Trotz Therapiebereitschaft konnte der Kläger keine Therapie antreten, weil die Staatsanwaltschaft ... es mit Bescheid vom 29.03.2007 - 1 VRs 11 Js 1640/05 - abgelehnt hatte, die weitere Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zurückzustellen.
Ein Aufenthaltstitel wurde dem Kläger nie erteilt oder ausgestellt. Ein am 17.11.1999 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis-EG wurde nicht beschieden.
Strafrechtlich trat der Kläger als Jugendlicher insbesondere mit einer Vielzahl von Diebstahlsdelikten in Erscheinung. Zuletzt wurde er als Jugendlicher mit Urteil des Amtsgerichts ... - Bezirksjugendschöffengericht II - vom 08.10.1998 - 12 Ls 34 Js 2490/98 AK 115/98 - wegen Diebstahls in drei Fällen sowie versuchten Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung vorangegangener Urteile des Amtsgerichts ... - Jugendschöffengericht - vom 20.03.1997 und vom 27.11.1997 zu einer einheitlichen Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Kläger war in dieser Sache seit dem 26.01.1998 in Untersuchungshaft. Die Vollstreckung der Restjugendstrafe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 30.06.1999 gemäß § 88 JGG mit Wirkung ab dem 20.07.1999 zur Bewährung ausgesetzt.
Mit Verfügung vom 16.03.1999, bezüglich der Abschiebungsandrohung ergänzt durch Verfügung vom 10.08.1999, wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm die Abschiebung nach Italien an. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass der Kläger die Voraussetzungen einer Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG erfülle. Besonderen Ausweisungsschutz genieße er nicht, da ihm bisher noch keine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei. Es liege auch kein atypischer Sachverhalt vor, der es rechtfertige, von der Regelausweisung abzusehen. Die Ausweisung sei aus spezialpräventiven Gründen geboten. Auch die Anforderungen des § 12 AufenthG/EWG seien erfüllt.
Den gegen diese Verfügung eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.1999 zurück.
10 
Mit Urteil vom 16.08.1999 - 12 K 1791/99 - hob das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Verfügungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16.03. und vom 10.08.1999 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 14.05.1999 auf. Es führte aus, die Ausweisung genüge nicht den erhöhten Anforderungen, die bei der Ausweisung eines Unionsbürgers und faktischen Inländers zu beachten seien. Sie verstoße gegen § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AufenthG/EWG, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung von einer lediglich geringen Wiederholungsgefahr auszugehen sei.
11 
Mit Urteil vom 17.08.2000 - Ls 23 Js 7950/99 Hw. AK 72/00 Hw. - verurteilte das Amtsgericht ... den Kläger wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Der Kläger hatte am 08.02.1999 als Heranwachsender im Alter von 18 Jahren in der Vollzugsanstalt ... zusammen mit drei Mittätern einen Mithäftling zusammengeschlagen. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen war Anlass der Tat, dass einer der Mittäter drei Tage zuvor von dem Geschädigten und einem weiteren Jugendstrafgefangenen zum Oralverkehr gezwungen worden war.
12 
Nach Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 16.08.1999 schlossen der Kläger und der Beklagte am 20.02.2002 vor dem erkennenden Senat einen Vergleich (11 S 253/01): Der Kläger nahm die Klage gegen die Ausweisungsverfügung zurück. Der Beklagte verpflichtete sich, der Erteilung einer Duldung und deren Verlängerung für jeweils drei Monate bis längstens 20.02.2004 zuzustimmen. Diese Zustimmung galt nur unter der Bedingung, dass der Kläger nicht erneut straffällig werde, keinen Ausweisungsgrund nach § 46 Nr. 2 AuslG erfülle und sein Arbeitsverhältnis nicht aus von ihm zu vertretenden Gründen beende. Ferner verpflichtete sich der Beklagte, bei ordnungsgemäßem und beanstandungsfreiem Ablauf der Duldungszeit auf Antrag des Klägers die Wirkungen der Ausweisung auf den 20.02.2004 zu befristen.
13 
In der Folgezeit wurde der Kläger erneut straffällig:
14 
- Mit Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 02.12.2002 - 5 Cs 12 Js 9542/02 - wurde gegen ihn eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen wegen Diebstahls verhängt. Der Kläger hatte in den Geschäftsräumen der Volksbank Geldscheine im Wert von 100 EUR an sich genommen, die eine andere Bankkundin am Automaten angefordert, aber versehentlich nicht entnommen hatte.
15 
- Mit Urteil des Landgerichts ... vom 17.10.2005 - 1 KLs 11 Js 1640/05 - wurde er wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in 15 sowie gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls in zwei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Haschisch, Marihuana, Kokain) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. In dem Zeitraum vom 04.06.2004 bis 22.03.2005 beging der Kläger zusammen mit einem Mittäter, mit dem er seit seiner Kindheit befreundet war, aufgrund eines zuvor gefassten Tatentschlusses 17 Einbrüche in Autohäuser, Kfz-Werkstätten und TÜV-Niederlassungen in den Landkreisen ..., ... und .... In allen Fällen stiegen der Kläger und sein Mittäter in die Räumlichkeiten ein oder brachen Fenster oder Türen auf, suchten in den Räumen gezielt nach Bargeld, nach dem Tresor oder sonstigen Wertsachenbehältnissen und entwendeten diese entweder ganz oder öffneten den Tresor mittels eines Winkelschleifers vor Ort. Neben dem entwendeten Bargeld nahmen sie in zahlreichen Fällen Wertgegenstände wie Notebooks, Digitalkameras und Mobiltelefone an sich, um diese für sich zu behalten oder später gegen Geld abzusetzen. Der Gesamtwert des entwendeten Bargelds sowie der Vermögensgegenstände belief sich auf ca. 70.000,-- EUR. Der Kläger gab seinen Beuteanteil im Wesentlichen für den Kauf von Drogen aus. Hinsichtlich des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hielt es die Strafkammer aufgrund des lediglich geringfügig überschrittenen Grenzwerts zur nicht geringen Menge und der Abhängigkeit des Klägers für angemessen, insoweit nur die Mindeststrafe zu verhängen. Die Kammer stimmte der Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe nach § 35 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 BtMG zu. Die beantragte Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zum Zweidrittelzeitpunkt wurde vom Landgericht ... - Strafvollstreckungskammer - mit Beschluss vom 21.09.2007 - 12 StVK 572/07 - abgelehnt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - 2 Ws 315/07 - als unbegründet verworfen: Zwar habe der Kläger im Strafvollzug eine gewisse Nachreifung erfahren. Doch bestehe derzeit keine ausreichende Chance dahin, dass er in Zukunft keine weiteren Straftaten begehen werde. Insbesondere die nicht aufgearbeitete Drogenproblematik wirke sich als ungünstiger destabilisierender Faktor aus.
16 
Bereits am 09.08.2004 hatte der Kläger die Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung beantragt.
17 
Mit Bescheid vom 26.07.2006, zugestellt am 27.07.2006, befristete das Regierungspräsidium Karlsruhe - ohne den Kläger zuvor anzuhören - die Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 auf vier Jahre nach der Ausreise und verfügte ferner, dass die Befristung unter der Bedingung erfolge, dass der Kläger im Befristungszeitraum nicht erneut straffällig werde und polizeiliche Führungszeugnisse, lückenlose Wohnsitznachweise sowie einen Nachweis über die erfolgreiche Durchführung einer Drogentherapie vorlege. Rechtsgrundlage für die Befristung sei § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Die Dauer der Sperrwirkung orientiere sich daran, wann der Ausweisungszweck voraussichtlich erfüllt sein werde. Art. 6 GG gebiete keine kürzere Befristung. Bei der Fristbemessung sei die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Bemessung der Sperrwirkung bei Befristungsentscheidungen nach § 8 Abs. 2 AuslG vom 25.01.2002 - VwV Befristung - berücksichtigt worden. Diese sehe bei EU-Bürgern einen Zeitraum zwischen sechs Monaten und fünf Jahren zuzüglich des festgesetzten Strafmaßes vor, wobei das Freizügigkeitsrecht des EU-Bürgers angemessen zu berücksichtigen sei. Der Ausweisung habe die Verurteilung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten zugrunde gelegen. Die Festsetzung der Wiedereinreisefrist am unteren Ende des zeitlichen Rahmens komme nicht in Betracht, weil der Kläger inzwischen erneut zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden sei. Die Befristung der Sperrwirkung auf vier Jahre nach Ausreise erscheine damit unter Würdigung aller Umstände als geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig.
18 
Am 28.08.2006 (Montag) hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten unter Aufhebung seiner Verfügung vom 26.07.2006 zu verpflichten, die Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 auf den Zeitpunkt sofort nach der Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland zu befristen. Er äußert Zweifel daran, ob die Ausweisung überhaupt noch wirksam sei. Aufgrund der Nichtdurchführung eines Vorverfahrens und des damit vorliegenden Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG sei die Verfügung rechtswidrig. Die vom Beklagten aufgestellten Bedingungen seien mit § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU nicht vereinbar und führten ebenfalls zur Rechtswidrigkeit der Verfügung. Es sei davon auszugehen, dass seine Ausweisung aufgrund der geänderten Rechtslage, insbesondere Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie -, zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr in Betracht komme und die Sperrfrist von vier Jahren deshalb unverhältnismäßig sei. Auch gemessen an Art. 8 EMRK sei die Sperrfrist unverhältnismäßig. Er sei faktischer Inländer und spreche nur sehr rudimentär italienisch. Abgesehen von einem kurzen Urlaubsaufenthalt sei er nie in Italien gewesen. Nachdem seine in ... lebende Großmutter vor mehreren Jahren verstorben sei, bestünden nicht einmal familiäre Bande nach Italien. Zudem sei er mit einer Deutschen verlobt und beabsichtige, diese zu heiraten.
19 
Mit Urteil vom 16.04.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Für eine formelle Rechtswidrigkeit der Verfügung vom 26.07.2006 aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 9 der RL 64/221/EG sei schon deshalb nichts ersichtlich, weil diese Richtlinie mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden sei. Die Verfügung sei auch materiell rechtmäßig. Die Ausweisung, die nach wie vor wirksam sei, habe zum Entfallen der Freizügigkeitsberechtigung des Klägers geführt. Entsprechend Nr. 1.5 der - über Art. 3 Abs. 1 GG Außenwirkung entfaltenden - VwV Befristung stehe Unionsbürgern ein Anspruch auf sofortige Befristung zu, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Befristungsantrag keine Gründe mehr vorlägen, die eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts nach dem FreizügG/EU und dem zugrunde liegenden Gemeinschaftsrecht rechtfertigten. Im Fall des Klägers seien solche Gründe indes unverändert gegeben. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er nach seiner Entlassung aus der Haft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten, schwere Straftaten eingeschlossen, begehen werde. Da gegen den Kläger Haftstrafen von zusammen sechs Jahren und drei Monaten verhängt worden seien, lägen auch zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit gemäß Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG vor. Auch die Dauer der Sperrfrist sowie die im Bescheid vom 26.07.2006 formulierten Bedingungen seien nicht zu beanstanden.
20 
Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Bezüglich der Frage, ob er einen Anspruch auf sofortige Befristung der Wirkung der Ausweisung habe, sei auf das aktuell maßgebliche Recht, d.h. auf das FreizügG/EU in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007, abzustellen. Danach habe er einen Rechtsanspruch auf Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt. Weder der Beklagte noch das Erstgericht hätten eine aktualisierte Prüfung vorgenommen, ob die Sperrfrist von vier Jahren für einen in Deutschland geborenen Unionsbürger, einen faktischen Inländer, der alle familiären und sonstigen Bindungen in Deutschland habe und mit einer in Waldshut lebenden deutschen Frau verlobt sei, noch angemessen sei. Der Beklagte habe einseitig die Straftaten in den Vordergrund seiner Ermessensentscheidung gestellt und damit das Abwägungsmaterial falsch zusammengestellt. Die besonderen persönlichen Verhältnisse des Klägers, insbesondere dessen Stellung als faktischer Inländer, seien nicht ausreichend gewürdigt worden. § 6 Abs. 5 FreizügG/EU und Art. 8 EMRK geböten eine Befristung auf Null.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. April 2007 - 3 K 2117/06 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26. Juli 2006 zu verpflichten, die Sperrwirkung der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 16. März 1999 auf den 23. Juli 2008 zu befristen.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er erwidert, maßgeblicher Gesichtspunkt für die Dauer der Befristung sei die von dem Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr. Dass zum jetzigen Zeitpunkt nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU eine Verlustfeststellung nicht mehr verfügt werden könnte, könne bei der Bestimmung des Befristungszeitpunkts nicht die entscheidende Rolle spielen. Zum Zeitpunkt der Ausweisung sei die RL 2004/38/EG noch nicht in Kraft gewesen und die Bundesrepublik habe noch keine zwingenden Ausweisungsgründe definiert. Die VwV Befristung vom 25.01.2002 werde bei der Ausübung des Befristungsermessens nach wie vor zugrunde gelegt. Die Neuregelungen des § 5 FreizügG/EU (gemeint: § 6 FreizügG/EU) hätten erheblichen Einfluss auf den Umfang des noch verbleibenden Ermessens. Bei Durchschnittsfällen ohne weitere negative Aspekte sei es kaum möglich, den Ablauf der Frist auf einen deutlich späteren Zeitpunkt festzusetzen. Beim Kläger handele es sich aber gerade nicht um einen Durchschnittsfall. Er sei wiederholt straffällig geworden, sein gesamter Lebensweg sei durch fehlende Konstanz und Stabilität gekennzeichnet und auch die Justiz gehe von einer ungünstigen Sozialprognose aus.
26 
Ausweislich des unter dem 10.07.2008 vorgelegten Vollzugsberichts der Justizvollzugsanstalt ... wurde der Vollzugsplan vom 19.12.2007, der die Gewährung von Vollzugslockerungen vorgesehen hatte, mit Verfügung vom 25.02.2008 widerrufen, nachdem der Kläger die Abgabe einer Urinkontrolle verweigert habe. Mit Schreiben vom 20.04.2008 habe der Kläger mitgeteilt, auf Lockerungen bzw. eine Verlegung in den offenen Vollzug zu verzichten. Ansonsten sei der Vollzug, bis auf einen Verstoß gegen das Rauchverbot am 07.02.2008, unauffällig verlaufen.
27 
Der Kläger ist in der Berufungsverhandlung angehört worden und hat ergänzend angegeben: Er kenne seine Verlobte seit 15 Jahren; seit 5 ½ Jahren seien sie verlobt. Sie besuche ihn regelmäßig in der Haft; nach seiner Haftentlassung wollten sie heiraten. Er wolle nicht nach ... zurückkehren, sondern in ..., wo er einen Arbeitsplatz in einer Pizzeria in Aussicht habe, eine Wohnung suchen. Seine Verlobte sei bereit, nach ... umzuziehen. Im Vollzug habe er in der Schneiderei gearbeitet. Daneben habe er einen Deutschkurs belegt. Einen Italienischkurs habe er nach fünf Monaten aufgegeben, weil er damals damit gerechnet habe, eine Drogentherapie antreten zu dürfen. Als Kind sei er zwei- oder dreimal mit seinen Großeltern bei der Urgroßmutter in ... gewesen, die inzwischen verstorben sei. Zu Verwandten väterlicherseits habe er überhaupt keinen Kontakt. Eine längerfristige Ausreise nach Italien könne er sich nicht vorstellen. Seine Verlobte sei nicht bereit, ihn zu begleiten. Der Vorwurf, er habe die Abgabe einer Urinprobe verweigert, sei unzutreffend. Er habe zu dem fraglichen Zeitpunkt kein Wasser lassen können und eine Nachholung der Urinkontrolle sei ihm verwehrt worden. Nach seiner Haftentlassung wolle er eine ambulante Drogentherapie durchführen.
28 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Beklagten, der unteren Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
29 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
30 
Soweit der Kläger über den erstinstanzlich gestellten Antrag hinausgehend nicht die Befristung „auf den Zeitpunkt sofort nach der Ausreise“, sondern auf den 23.07.2008, d.h. den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, begehrt, stellt dies eine in der Berufungsinstanz zulässige Klageänderung in der Form der Erweiterung des Klageantrags (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) dar. Nach § 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als eine Klageänderung anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Die Vorschrift regelt eine Antragsänderung, die rechtstechnisch als privilegierte Klageänderung behandelt wird. Die Formulierung „ist es nicht als eine Klageänderung anzusehen“ bedeutet nicht, dass in diesen Fällen keine Klageänderung vorliegt, sondern bewirkt, dass die genannten Erweiterungen bzw. Beschränkungen ohne Rücksicht auf ihre dogmatische Einordnung privilegiert werden. Dies ist ein gesetzlich geregelter Fall der Sachdienlichkeit, der ohne weiteres zur Zulässigkeit der Klageänderung führt (Kuntze in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 91 Rn. 5). Voraussetzung für die Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO ist, dass der Klagegrund sich nicht ändert und der Antrag nicht ersetzt wird. Es muss sich deswegen um ein Maius oder Minus handeln und nicht um ein Aliud (Schmid in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 91 Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Klagegrund, d.h. der Sachverhalt, aus dem sich die erstrebte Rechtsfolge ergeben soll, bleibt unverändert. Der Antrag wird nicht ersetzt, sondern - geringfügig - erweitert. Der Kläger begehrt eine Befristung auf den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, d.h. ohne vorherige Ausreise.
31 
Die Berufung ist jedoch nur zum Teil begründet. Der Kläger muss die Wirkungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990 als Folge der Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 gegen sich gelten lassen (unten 1.). Über den geltend gemachten Befristungsanspruch ist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden (unten 2.). Nach den für die Fristbemessung maßgeblichen Grundsätzen (unten 3.) kann der Kläger nicht verlangen, dass die Wirkungen der Ausweisung auf den 23.07.2008 - den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - befristet werden (unten 4.). Er hat, da der Befristungsbescheid vom 26.07.2006 ungeachtet dessen an einem beachtlichen Verfahrensfehler und an Ermessensfehlern leidet, auf seinen als Minus im Verpflichtungsantrag enthaltenen Antrag aber einen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides und auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; unten 5.).
32 
1. Die Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 hat zur Folge, dass der Kläger nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990). Diese Wirkungen entfaltet die Ausweisung auch heute noch, so dass das Befristungsbegehren nicht etwa deshalb ins Leere geht und mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig ist, weil die Ausweisung gegenstandslos geworden wäre. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist geklärt, dass vor dem 01.01.2005 unter Geltung des AuslG 1990 und des AufenthG/EWG bestandskräftig gewordene Ausweisungen von Unionsbürgern nicht mit Inkrafttreten des FreizügG/EU gegenstandslos geworden, sondern weiterhin wirksam sind (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 – 1 C 21.07 – BVerwGE 129, 243 = NVwZ 2008, 82 = EZAR NF 10 Nr. 8; ebenso zuvor bereits VGH BW, Beschl. v. 18.08.2005 – 13 S 1253/05 – und Urt. v. 24.01.2007 – 13 S 451/06 – InfAuslR 2007, 182 = EZAR NF 93 Nr. 3; BayVGH, Beschl. v. 21.03.2006 – 19 CE 06.721 – juris; OVG RP, Urt. v. 08.02.2007 – 7 A 11318/06.OVG – InfAuslR 2007, 226; vgl. auch Epe in GK-AufenthG, IX-2 § 1 Rn. 21 m.w.N.; Harms in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 6 FreizügG/EU Rn. 32; Hailbronner, AuslR, Kommentar, D 1 § 7 Rn. 25; a.A. OVG B-Brb., B. v. 15.03.2006 – OVG 8 S 123.05 – InfAuslR 2006, 259 = NVwZ 2006, 953; Gutmann, InfAuslR 2005, 125 und InfAuslR 2008, 105).
33 
2. a) Grundlage des Befristungsanspruchs ist nicht etwa § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, sondern § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Nach dieser Vorschrift wird das durch die Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU ausgelöste Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU) auf Antrag befristet. Mit Blick auf die in § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG getroffene Übergangsregelung werden von dieser Anspruchsgrundlage in sinngemäßer Anwendung auch die fortwirkenden Rechtsfolgen der vor Inkrafttreten des FreizügG/EU am 01.01.2005 bestandskräftig gewordenen Ausweisung eines Unionsbürgers erfasst. § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU betrifft als Sonderregelung im Sinne des § 11 Abs. 2 FreizügG/EU nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, zu denen auch der Kläger zählt (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.).
34 
§ 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU gewährt Unionsbürgern - anders als die Regelbefristung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für Drittstaater - einen strikten Rechtsanspruch auf Befristung („ob“); nur über die Länge der Frist ist nach Ermessen zu entscheiden. Damit geht die Vorschrift über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG hinaus, die lediglich einen fristgebundenen Verbescheidungsanspruch vorsehen (umgesetzt in dem durch Gesetz vom 19.08.2007 [BGBl. I S. 1970] angefügten Satz 4 des § 7 Abs. 2 FreizügG/EU). Mit der Ausgestaltung der Befristung als gebundener Entscheidung und einem damit korrespondierenden Anspruch bringt der Gesetzgeber den hohen Rang zum Ausdruck, den er dem gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrecht beimisst. Denn als Ausnahmen vom Grundprinzip der Freizügigkeit dürfen das an eine Verlustfeststellung bzw. Ausweisung anknüpfende Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht unbegrenzt gelten, sondern ein davon betroffener Unionsbürger hat nach angemessener Zeit Anspruch auf erneute Prüfung und Entscheidung nach Maßgabe der aktuellen Sachlage (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O. unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 17.06.1997 - Rs. C-65/95 u. C-111/95 [Shingara und Radiom] - Slg. 1997, I-3343 Rn. 40 ff. = EZAR 81 Nr. 34). Von einem solchen Rechtsanspruch ist der Beklagte zu Recht ausgegangen.
35 
b) Für die Prüfung des Befristungsanspruchs ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = EZAR NF 48 Nr. 9; BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Dies muss auch gelten, soweit - wie hier - die Behörde bereits eine Ermessensentscheidung über die Dauer der Sperrfrist getroffen hat und es um deren Überprüfung geht: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 29.04.2004 - Rs. C-482/01 u. C-493/01 [Orfanopoulos u. Oliveri] - Slg. 2004, I-5257 Rn. 82 = InfAuslR 2004, 268) sind die innerstaatlichen Gerichte verpflichtet, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats verfügten Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann, die das Verhalten des Betroffenen für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Daran anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Erfordernis der Berücksichtigung neuer Tatsachen nicht nur für einen Sachvortrag gilt, der den Wegfall oder eine Verminderung der von dem Betroffenen für die öffentliche Ordnung ausgehenden Gefährdung mit sich bringen kann. Aus dem Erfordernis, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt bestehen muss, zu dem die Ausweisung erfolgt, ergebe sich darüber hinaus, dass entscheidungserhebliche neue Tatsachen umfassend zu berücksichtigen sind. Dies gelte auch für Tatsachen, die für die an den Grundrechten und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu orientierende Interessenabwägung von Bedeutung sind. Daraus folge, dass die Tatsachengerichte verpflichtet sind zu prüfen, ob die behördliche Gefährdungsprognose und die Ermessensentscheidung bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Ergebnis auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruhen (BVerwG, Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 = InfAuslR 2005, 18). Diese Erwägungen sind uneingeschränkt auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU zu übertragen, da auch insoweit ähnlich wie bei der Ausweisung oder nunmehr bei der Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU zu prüfen ist, ob von dem Unionsbürger (noch) eine gegenwärtige Gefahr ausgeht (in diesem Sinne bereits Renner, ZAR 2004, 195<197>; siehe zu den für die Fristbemessung maßgeblichen Grundsätzen im Einzelnen unten 3.). Keiner Entscheidung bedarf vorliegend, ob dies, was im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 = InfAuslR 2008, 156) zu bejahen sein könnte, auch für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Befristungsentscheidungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gilt. Grundlage des Befristungsanspruchs ist daher § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU in der Fassung des am 28.08.2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970).
36 
3. Bei der im behördlichen Auswahlermessen verbleibenden Bestimmung der Länge der Frist sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.) in einem ersten Schritt das Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung bzw. Ausweisung sowie der mit der Maßnahme verfolgte spezialpräventive Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der Prüfung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände auch jetzt noch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen. Die Behörde hat dazu auch das Verhalten des Betroffenen nach der Ausweisung zu würdigen und im Wege einer Prognose auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachenbasis die (Höchst-)Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen. Im Falle einer langfristig fortbestehenden Rückfall- bzw. Gefährdungsprognose ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers aber auch bei Unionsbürgern ein langfristiger Ausschluss der Wiedereinreise nicht ausgeschlossen (BT-Drs. 15/420 S. 105). Die im Rahmen des ersten Schritts von der Behörde zu treffende Gefahrprognose muss - ebenso wie bei der Ausweisung (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 16.10.1989 - I B 106.89 - EZAR 124 Nr. 11 = InfAuslR 1990, 4 <5> m.w.N.; Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1711 ff.) - gerichtlich voll überprüfbar sein.
37 
In einem zweiten Schritt muss sich die an der Erreichung des Zwecks der Verlustfeststellung bzw. Ausweisung orientierende äußerste Frist an höherrangigem Recht, d.h. gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und ggf. relativieren lassen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde ein rechtsstaatliches Mittel dafür, fortwirkende einschneidende Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.08.2000 - 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> = InfAuslR 2000, 483 zur Regelbefristung). Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange des Unionsbürgers in den Blick zu nehmen. Haben z.B. familiäre Belange des Betroffenen durch die Geburt eines Kindes im Bundesgebiet nach der Ausweisung an Gewicht gewonnen, folgt daraus eine Ermessensverdichtung in Richtung auf eine kürzere Frist. Die Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles nach Gewichtung der jeweiligen Belange vorzunehmen ist, kann im Extremfall bis zu einer Ermessensreduzierung auf Null mit dem Ergebnis einer Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt, d.h. auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz, führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O. u. Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140 <150 f.> = InfAuslR 2000, 176). Kraft des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts muss in diesen Fällen die Befristung so erfolgen, dass sich das dem Unionsbürger zustehende Freizügigkeitsrecht sogleich entfalten kann. Der Anwendungsvorrang erfordert es, dass die Befristung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, wie insbesondere der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU, wonach eine Frist erst mit der Ausreise beginnt (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 - a.a.O. zu § 8 Abs. 2 Satz 4 AuslG 1990). In den Fällen des Wegfalls der notwendigen qualifizierten Wiederholungsgefahr ist daher auch nach Ergehen einer Feststellungsentscheidung nach § 6 FreizügG/EU die Ausreise des ansonsten Freizügigkeitsberechtigten entgegen der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU nicht Voraussetzung für das erneute Entstehen des Aufenthaltsrechts.
38 
4. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Beklagte nicht verpflichtet, die Befristung auf den heutigen Tag - d.h. ohne Einhaltung einer mit der Ausreise beginnenden angemessenen Frist - auszusprechen. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass eine Befristung auf den heutigen Tag nach dem Zweck der Ermächtigung die allein rechtmäßige Ermessensbetätigung wäre (vgl. § 114 VwGO).
39 
a) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der spezialpräventive Zweck der Ausweisung schon jetzt erreicht ist. Vielmehr geht von dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung für die öffentliche Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
40 
Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 04.09.2007 , a.a.O.) ausgeführt hat, es bedürfe der Prüfung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände „auch jetzt noch“ das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die hohen Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen, ist dies nach Auffassung des Senats nicht dahingehend zu verstehen, dass im Rahmen des Befristungsverfahrens nochmals geprüft werden muss, ob die der bestandskräftigen Ausweisung zugrunde liegenden Umstände diese gerechtfertigt haben. Die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Ausweisung steht in diesem Verfahren nicht erneut zur Überprüfung. Es ist vielmehr eine Gefährdungsprognose auf heutiger Tatsachenbasis vorzunehmen, bei der bezogen auf den jetzigen Entscheidungszeitpunkt unabhängig von der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Ausweisung zu prüfen ist, ob die Aufrechterhaltung der Sperrwirkungen gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU gerechtfertigt ist. Die vom Kläger nach der Ausweisung als Erwachsener begangenen Straftaten sind daher ebenso zu berücksichtigen wie seine zum Zeitpunkt der Ausweisung noch nicht so gravierende, unbewältigte Drogenproblematik.
41 
Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe getroffene Prognose, die gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. oben 3.), ist danach nicht zu beanstanden: Die vom Kläger zwischen Juni 2004 und März 2005 begangenen Straftaten des gemeinschaftlichen Diebstahls in 15 sowie des gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls in zwei Fällen sind der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Es handelt sich um eine Häufung von Fällen mittlerer Kriminalität, bei denen der Senat jedenfalls aufgrund der gewerbsmäßigen Begehung (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) davon ausgeht, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU). Auch zum heutigen Zeitpunkt ist bei dem Kläger insbesondere aufgrund der unbewältigten Drogenproblematik eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung gleichartiger Eigentums- und Vermögensdelikte nach Entlassung aus der Strafhaft weiterhin gegeben. Die bloße Therapiebereitschaft steht der Annahme der auch von den Strafvollstreckungsgerichten (vgl. die Beschlüsse des LG ... vom 21.09.2007 - 12 StVK 572/07 - und des OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - 2 Ws 315/07 -) bejahten Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Die Gefahr, dass der Kläger, ebenso wie nach Verbüßung seiner Jugendstrafe, nach der Haftentlassung erneut Drogen konsumieren und zur Finanzierung des Drogenkonsums erhebliche Straftaten begehen wird, erscheint relativ hoch. Sie wird nicht dadurch gemindert, dass er einen Arbeitsplatz in Aussicht hat und seine Verlobte zu heiraten beabsichtigt. Insoweit spricht gegen eine günstige Prognose, dass der Kläger nie dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert war, er vielmehr wiederholt Arbeitsverhältnisse aus freien Stücken beendete und dass auch die Beziehung zu seiner Verlobten ihm nicht genügend Halt gegeben hat, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Er vermochte schließlich selbst unter dem Druck der Ausweisung, der erlittenen Jugendhaft und des 2002 geschlossenen Bewährungsvergleichs sein Verhalten nicht durchgreifend zu ändern. Die notwendige qualifizierte Wiederholungsgefahr besteht daher zur Überzeugung des Senats fort.
42 
b) Diese Wiederholungsgefahr wird nicht dadurch relativiert, dass der ursprüngliche Ausweisungsanlass - die vom Kläger als Jugendlicher begangenen Straftaten - weniger gewichtig war. Auch wenn das Verwaltungsgericht Karlsruhe (Urt. v. 16.08.1999 - 12 K 1791/99 -) zu Recht davon ausgegangen ist, dass es damals an einer tatsächlichen, gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, gefehlt hat, so führt dies nur dazu, dass der Grund für die Ausweisung nur mit dem ihm zukommenden geringeren Gewicht bei der Ausübung des Befristungsermessens zu berücksichtigen ist, eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich hieraus jedoch angesichts der heute bestehenden qualifizierten Wiederholungsgefahr nicht.
43 
c) Entgegen der Auffassung des Klägers folgt eine Ermessensreduktion auf Null auch nicht aus § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, weil die Ausweisung, um deren Sperrwirkung es geht, vor dem 01.05.2006 bestandskräftig wurde und daher das erhöhte Schutzniveau dieser Vorschrift hier nicht zu beachten ist.
44 
aa) § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) setzen die zweite und dritte Stufe des durch Art. 28 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG eingeführten erhöhten Ausweisungsschutzes für bestimmte Personengruppen um. Nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU, der Art. 28 Abs. 2 RL 2004/38/EG umsetzt, ist die Verlustfeststellung nach Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt (vgl. § 4 a FreizügG/EU) nur noch aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zulässig. Nach zehnjährigem Aufenthalt darf eine Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, der Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG umsetzt, nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit verfügt werden. Diese Anforderungen beziehen sich nach ihrem Standort im Gesetz allein auf Verlustfeststellungen nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU, nicht aber auf Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Nach ihrem Sinn und Zweck müssen diese Anforderungen jedoch gewissermaßen spiegelbildlich auch für die Befristungsentscheidung gelten, wenn die Verlustfeststellung, deren Wirkungen befristet werden, unter Beachtung des erhöhten Ausweisungsschutzes gemäß Art. 28 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie 2004/38/EG erlassen wurde oder hätte erlassen werden müssen. Letzteres trifft auf alle Verlustfeststellungen zu, die bei Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 40 der RL 2004/38/EG am 30.04.2006 noch nicht bestandskräftig waren (zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 28 Abs. 2 und 3 RL 2004/38/EG ab diesem Zeitpunkt vgl. Epe in GK-AufenthG, IX-2 Vor § 1 Rn. 35, 43 ff.). Wollte man im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU auch in Fällen erhöhten Ausweisungsschutzes nur prüfen, ob auf heutiger Tatsachenbasis die Gefährdungsprognose gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU Bestand hat, würde dies zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass etwa trotz Wegfalls zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit bei einem Unionsbürger, der Ausweisungsschutz nach der dritten Stufe genießt, der Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht weiterhin gerechtfertigt wäre, sofern „nur“ noch eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU vorliegt. Dies würde zu einer unzulässigen Aushöhlung des erhöhten Ausweisungsschutzes nach § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU führen.
45 
bb) Hier waren bei der bereits 2002 bestandskräftig gewordenen Ausweisung die Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 und 3 der RL 2004/38/EG nicht zu beachten, so dass auch im Befristungsverfahren nur die Anforderungen des - dem bisherigen gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutz entsprechenden - Ausweisungsschutzes auf der ersten Stufe gemäß Art. 28 Abs. 1 der RL 2004/38/EG einzuhalten sind. Diese erste Stufe des gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutzes ist in § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU umgesetzt. Folgerichtig ist daher, soweit es um Altausweisungen geht, auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.) nicht zu prüfen, ob bei dem ausgewiesenen Unionsbürger aktuell nach der heutigen Rechtslage noch eine Verlustfeststellung getroffen werden könnte. Zu prüfen ist in diesen Übergangsfällen allein, ob die gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU noch aufrecht erhalten werden können. Auch gemeinschaftsrechtlich ist es nicht geboten, den mit der seit dem 01.05.2006 unmittelbar anwendbaren RL 2004/38/EG eingeführten erhöhten Ausweisungsschutz auch zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig ausgewiesenen Unionsbürgern zugute kommen zu lassen. Art. 28 RL 2004/38/EG bezieht sich auf Ausweisungen, nicht aber auf Befristungsentscheidungen. Die erhöhten Anforderungen nach dieser Vorschrift sind daher nur bei Ausweisungen/Verlustfeststellungen zu beachten, bei denen der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem 30.04.2006 liegt (vgl. EuGH, Urt. v. 04.10.2007 – Rs. C-349/06 [Polat] – Slg. 2007, I-08167 Rdn. 26 f. = InfAuslR 2007, 425 = NVwZ 2008, 59 = EZAR NF 19 Nr. 22, wobei der EuGH dort nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt bei Beachtung seiner eigenen Rechtsprechung zum maßgeblichen Zeitpunkt wohl zu einer Anwendbarkeit der RL 2004/38/EG hätte kommen müssen). Nichts anderes ergibt sich aus Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG. Nach dieser Vorschrift können ausgewiesene Unionsbürger nach einem angemessenen Zeitraum, jedenfalls aber drei Jahre nach Vollstreckung des nach Gemeinschaftsrecht ordnungsgemäß erlassenen Aufenthaltsverbots dessen Aufhebung unter Hinweis darauf beantragen, dass eine „materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben“. Mit einer „materiellen Änderung der Umstände“ sind Änderungen des Sachverhalts, nicht hingegen Rechtsänderungen gemeint. Sowohl im ursprünglichen wie auch im geänderten Kommissionsvorschlag hieß es „Änderung des Sachverhalts“ (vgl. KOM (2001) 257 endg. und KOM (2003) 199 endg., jeweils Art. 30 Abs. 2). Die schließlich verabschiedete Formulierung findet sich erstmals im Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 (ABl. EG C 54E/12 <23>). Zur Begründung heißt es dort, die Abänderungen machten den Text klarer. Zwar trifft das Gegenteil zu, doch ergibt sich aus den Materialien jedenfalls, dass nur eine redaktionelle Änderung beabsichtigt war. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine Gefährdungsprognose auf neuer Tatsachenbasis zu treffen ist, steht daher auch mit Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG im Einklang.
46 
d) Auch aus Nr. 1.5 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Bemessung der Sperrwirkung bei Befristungsentscheidungen nach § 8 Abs. 2 AuslG vom 25.01.2002 - Az.: 1362/129 - (VwV Befristung), die nach Auskunft des Beklagten bei der Ausübung des Befristungsermessens nach wie vor zugrunde gelegt wird, ergibt sich - i.V.m. Art. 3 GG - keine Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne, dass der Kläger einen Anspruch auf sofortige Befristung hätte. Dort heißt es:
47 
„Es ist zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung noch Gründe vorliegen, die eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts nach § 12 AufenthG/EWG und dem zugrunde liegenden Gemeinschaftsrecht rechtfertigen. Liegen solche Gründe nicht mehr vor, darf die Befristung nicht von der vorherigen Ausreise des Betroffenen abhängig gemacht werden, so dass dem Betroffenen ein Anspruch auf sofortige Befristung zusteht.“
48 
Diese Verwaltungsvorschrift kann lediglich über eine gleichbleibende Verwaltungspraxis nach Art 3 Abs. 1 GG Außenwirkung zugunsten des Ausländers haben. Sie ist somit entsprechend dem wirklichen Willen des Erklärenden (hier: der obersten Landesbehörde) und ihrer tatsächlichen Handhabung auszulegen und anzuwenden, so dass der Wortlaut der Verwaltungsvorschrift erst über die ihm folgende ständige Verwaltungspraxis Außenwirkung für den Ausländer entfaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 = InfAuslR 2001, 70; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.04.2002 - 13 S 314/02 - ESVGH 52, 200). In der Verwaltungspraxis wird diese Verwaltungsvorschrift nach Auskunft des Beklagten nicht in dem Sinne angewandt, dass bei einer Altausweisung, die den heutigen Anforderungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU nicht entspricht, stets eine Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt vorzunehmen ist. Dies gelte nur im Durchschnittsfall, sofern „keine weiteren negativen Aspekte gegen den EU-Bürger in das Ermessen eingestellt werden müssen“. Im Übrigen hätten die Neuregelungen des § 6 FreizügG/EU erhebliche Auswirkungen auf den Umfang des noch verbleibenden Ermessens, führten aber nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Vorliegend ist zu Lasten des Klägers insbesondere seine unbewältigte Drogenproblematik in das Ermessen einzustellen, so dass eine Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf die tatsächliche Handhabung der VwV Befristung ausscheidet.
49 
e) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger die in dem gerichtlichen Vergleich vom 20.02.2002 für eine Befristung der Ausweisung vorgesehenen Bedingungen nicht erfüllt hat und daher aus diesem Vergleich keinen Anspruch auf sofortige Befristung ableiten kann.
50 
f) Aus Art. 8 EMRK folgt ebenfalls keine zu einem Anspruch auf sofortige Befristung führende Ermessensreduzierung auf Null.
51 
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff in diese Rechte ist nach Abs. 2 der Vorschrift nur statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen ist, ein legitimes Ziel verfolgt und zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist. Die Wirkungen der Ausweisung dürfen angesichts des Schutzgebots des Art. 8 EMRK nicht länger aufrecht erhalten werden, wenn von dem Ausländer keine konkrete und entsprechend schwere Gefahr für ein wichtiges Schutzgut mehr ausgeht und demgemäß die mit seiner Anwesenheit verbundene Beeinträchtigung von Belangen der Bundesrepublik Deutschland nicht so gewichtig ist, dass sie die Beeinträchtigung seiner Rechte auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens eindeutig überwiegt.
52 
aa) Der Schutzbereich von Art. 8 EMRK umfasst neben weiteren hier nicht einschlägigen Gewährleistungen zum einen das Familienleben, zum anderen das Privatleben. Vorliegend ist nicht der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens, wohl aber der des Rechts auf Achtung des Privatlebens eröffnet: Bei Beziehungen zwischen nahen Verwandten außerhalb der klassischen Kleinfamilie kommt es darauf an, ob die tatsächlich bestehenden Bindungen hinreichend für die Annahme einer familiären Beziehung sind. Beziehungen zwischen Erwachsenen unterliegen nicht notwendig dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung des Familienlebens. Es müssen besondere zusätzliche Aspekte der Abhängigkeit hinzutreten, die weiter reichen als normale affektive Beziehungen (EGMR, Urt. v. 17.04.2003 - Nr. 52853/99 [Yilmaz] - NJW 2004, 2147 Rn. 44 m.w.N.; Urt. v. 15.07.2003 - Nr. 52206/99 [Mokrani] - InfAuslR 2004, 183; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl., § 22 Rn. 18 m.w.N.). Art. 8 EMRK vermittelt insoweit keinen weitergehenden Schutz als Art. 6 GG bei familiären Beziehungen unter Volljährigen. Die Beziehung des volljährigen Klägers zu seiner Mutter und zu seiner Schwester unterfallen danach nicht dem Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens. Anhaltspunkte für ein besonderes Angewiesensein des Klägers auf ein Zusammenleben mit seiner Mutter und/oder seiner Schwester sind nicht dargelegt worden und auch nicht ersichtlich. Gleiches gilt im Ergebnis für die Beziehung des Klägers zu seiner Verlobten. Zwar ist für das Vorliegen einer Familie i.S.v. Art. 8 EMRK nicht in jedem Fall notwendig, dass zwei Personen ihre Beziehung rechtlich formalisiert haben. Der EGMR unterscheidet nicht zwischen einer „ehelichen“ und einer „nichtehelichen“ Familie, sondern stellt auf ein tatsächlich bestehendes Familienleben ab, welches er aber grundsätzlich nur dann bejaht, wenn aus einer nichtehelichen Partnerschaft Kinder hervorgegangen sind (vgl. EGMR, Urt. v. 13.06.1979 [Marcks] - NJW 1979, 2449; Urt. v. 18.12.1986 - 6/1985/92/139 [Johnston u.a.] - EuGRZ 1987, 313; Urt. v. 26.05.1994 - 16/1993/411/490 [Keegan] - NJW 1995, 2153; Urt. v. 13.07.2000 - 25735/94 [Elsholz] - NJW 2001, 2315; Urt. v. 12.07.2001 - 25702/94 [K. u. T.] - NJW 2003, 809). Danach ist der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens auch insoweit nicht berührt.
53 
bb) Unzweifelhaft stellt die Ausweisung, die nach der nunmehr erfolgten Befristung ihrer Wirkungen ein vierjähriges Aufenthaltsverbot im Bundesgebiet zur Folge hat, einen Eingriff in das Recht des Klägers auf Achtung seines Privatlebens dar. Dieser Eingriff verfolgt indes legitime Ziele im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, nämlich die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Verhinderung von strafbaren Handlungen. Er ist darüber hinaus notwendig zur Erreichung dieser Ziele. Ein Eingriff ist nach der Rechtsprechung des EGMR notwendig, wenn ein dringendes soziales Bedürfnis besteht und er verhältnismäßig zum legitimen Ziel ist (Urt. v. 22.04.2004 - Nr. 42703/98 [Radovanovic] - InfAuslR 2004, 374). Es muss ein gerechter Ausgleich getroffen werden zwischen dem Recht des Klägers auf Achtung des Privatlebens auf der einen und den Interessen der öffentlichen Sicherheit und der Verhinderung von Straftaten auf der anderen Seite. Erforderlich ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Beachtung der vom EGMR entwickelten Kriterien, die im Wesentlichen in den Entscheidungen Boultif und Üner zusammengefasst worden sind (EGMR, Urt. v. 02.08.2001 - Nr. 54273/00 [Boultif] - InfAuslR 2001, 476; Urt. v. 05.07.2005 - Nr. 46410/99 [Üner] - InfAuslR 2005, 450 = DVBl 2006, 688). Nach diesen Entscheidungen sind zu berücksichtigen die Art und Schwere der begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthalts in dem Staat, aus dem der Betreffende ausgewiesen werden soll, die seit Begehen der Straftat vergangene Zeit und das Verhalten des Betroffenen seit der Tat, die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten, die familiäre Situation des Betroffenen und gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben hinweisen, ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte, ob der Verbindung Kinder entstammen und schließlich die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das der Betroffene ausgewiesen werden soll. Von Bedeutung ist ferner das Interesse und Wohl der Kinder sowie die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland oder zum Bestimmungsland. Bei Ausweisungen von Immigranten der zweiten Generation, zu denen der Kläger gehört, berücksichtigt der EGMR neben den genannten allgemeinen Kriterien die besonderen Bindungen, die diese Personen mit dem Aufenthaltsstaat eingegangen sind, in dem sie ihre Erziehung erhalten, den Großteil ihrer sozialen Kontakte geknüpft und folglich ihre eigene Identität entwickelt haben (EGMR, Urt. v. 26.09.1997 - 85/1996/704/896 [Mehemi] - InfAuslR 1997, 30 = NVwZ 1998, 164; Urt. v. 21.10.1997 - 122/1996/741/940 [Boujlifa] - InfAuslR 1998, 1). Demgemäß erachtet es der EGMR neben der Intensität der Bindung und dem Alter des Ausgewiesenen für maßgeblich, welche Sprache der Ausgewiesene spricht und ob es Verwandte oder andere soziale Beziehungen im Herkunftsstaat bzw. umgekehrt familiäre Bindungen oder Verwandte im Aufenthaltsstaat gibt (EGMR, Entsch. v. 04.10.2001 - 43359/98 [Adam] - EuGRZ 2002, 582 = NJW 2003, 2595).
54 
Daran gemessen gebietet Art. 8 Abs. 2 EMRK es nicht, von einer Aufenthaltsbeendigung abzusehen und die Wirkungen der Ausweisung auf sofort zu befristen:
55 
(1) Negativ fallen zunächst Art und Schwere der begangenen Straftaten ins Gewicht. Die vom Kläger zuletzt begangenen Einbruchdiebstähle, die zur Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten geführt haben, sind der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Erschwerend ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um Jugendverfehlungen gehandelt hat und dass die Taten gewerbsmäßig begangen wurden. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass es sich „nur“ um Eigentumsdelikte ohne Gewaltanwendung gegenüber Personen gehandelt hat. Der Senat verkennt nicht, dass der EGMR bei derartigen Delikten vereinzelt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte aus Art. 8 Abs. 1 EMRK angenommen hat: In der Sache Beljoudi (Urt. v. 26.03.1992 - 55/1990/246/317 - InfAuslR 1993, 86) war der dortige algerische Beschwerdeführer wegen einer Vielzahl von Diebstahlsdelikten zu Freiheitsstrafen von insgesamt 12 Jahren und 5 Monaten verurteilt worden. Der EGMR sah seine Ausweisung aus Frankreich gleichwohl als unverhältnismäßig an. Der Fall ist allerdings durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer in Frankreich als Kind damals französischer Eltern geboren war und selbst die französische Staatsangehörigkeit nur deshalb verloren hatte, weil seine Eltern es versäumt hatten, innerhalb einer bestimmten Frist eine Beibehaltungserklärung abzugeben. Zudem war der Beschwerdeführer seit mehr als 20 Jahren mit einer Französin verheiratet. In der Sache Jakupovic (Urt. v. 06.02.2003 - Nr. 36757/97 - InfAuslR 2004, 184) ging es um Jugendstraftaten; zudem war für den EGMR entscheidend, dass der Beschwerdeführer im Alter von 16 Jahren alleine in das zum Zeitpunkt der Ausweisung noch von den Folgen des Bürgerkriegs geprägte Bosnien-Herzegowina abgeschoben werden sollte. Diesen Entscheidungen, die jeweils einige hier nicht vorliegende Besonderheiten aufweisen, lässt sich nach Auffassung des Senats nicht entnehmen, dass Einwanderer der zweiten Generation wegen Eigentumsdelikten grundsätzlich nicht ausgewiesen werden dürften, wenn bei ihnen - wie bei dem Kläger - die Gefahr der Begehung weiterer, gleichartiger Straftaten besteht.
56 
Bei der Würdigung der Vorgeschichte und des Nachtatverhaltens fällt negativ ins Gewicht, dass der Kläger sich die Verurteilung zu Jugendstrafen und die Ausweisung nicht hat zur Warnung dienen lassen und selbst die ihm in dem aufenthaltsrechtlichen Bewährungsvergleich im Februar 2002 eingeräumte Chance nicht genutzt hat, künftig ein straffreies Leben zu führen. Dass er seit der letzten Verurteilung keine weiteren Straftaten begangen hat, kann ebenfalls nicht zu seinen Gunsten gewertet werden, weil er die zuletzt verhängte Freiheitsstrafe immer noch verbüßt und daher noch keine Gelegenheit hatte, sich in Freiheit zu bewähren. Negativ schlägt auch die unbewältigte Drogenproblematik zu Buche, wenngleich insoweit die Therapiebereitschaft zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen ist.
57 
(2) Zu Gunsten des Klägers fällt ins Gewicht, dass er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und dementsprechend auch seine Schulzeit im Bundesgebiet verbracht hat. Des Weiteren ist von Bedeutung, dass seine Mutter inzwischen Deutsche ist. Gleichwohl ist - gemessen an der Aufenthaltsdauer - der Grad der Integration im Bundesgebiet nicht besonders ausgeprägt: Der Kläger hat weder einen Schulabschluss erlangt noch verfügt er über eine Berufsausbildung. Soweit er einer Erwerbstätigkeit nachging, handelte es sich um Aushilfstätigkeiten. Mehrfach hat er ein Arbeitsverhältnis von sich aus beendet. Besondere Integrationsleistungen (beispielsweise Aktivitäten in Parteien oder Vereinen, Teilnahme am gesellschaftlichen/kulturellen Leben) sind nicht feststellbar. Um eine Einbürgerung hat sich der Kläger offenbar nie bemüht. Er hat noch keine eigene Familie gegründet, sondern ist lediglich mit einer Deutschen verlobt. Von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kann derzeit nicht ausgegangen werden, so dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung des Familienlebens insoweit keine Vorwirkung entfalten. Die Trennung von der Verlobten, die nach den Angaben des Klägers nicht bereit wäre, ihn nach Italien zu begleiten, stellt allerdings einen gravierenden Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar.
58 
(3) Bei der Würdigung des Grades der Entwurzelung im Herkunftsstaat ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls noch über Grundkenntnisse der italienischen Sprache verfügt. Ihm kann nicht geglaubt werden, dass in seiner Familie, insbesondere mit den Großeltern, ausschließlich deutsch gesprochen wurde. Auch wenn der Kläger, was der Senat ihm glaubt, über keine familiären Bindungen und sonstigen sozialen Kontakte nach Italien verfügt, ist zu berücksichtigen, dass die Kulturdifferenz zu Italien nicht besonders groß ist und die Lebensverhältnisse in Italien, welches ebenfalls Mitglied der EU und als führende Wirtschaftsmacht Mitglied der G8 ist, sich von denen in Deutschland nicht grundlegend unterscheiden. Die Schwierigkeiten, mit denen der Kläger dort konfrontiert wird, sind nicht unüberwindbar. Sie sind ihm als Mann im arbeitsfähigen Alter zuzumuten. Dass er in der Lage ist, seine rudimentären Italienischkenntnisse nötigenfalls auszubauen, hat er bereits durch die vorübergehende Teilnahme an einem Italienischkurs in der Strafhaft unter Beweis gestellt. Im Übrigen ist zu bedenken, dass der Kläger zur Ausübung einer der von ihm angestrebten Tätigkeit in einer Pizzeria in ... vergleichbaren Tätigkeit in Italien - selbst wenn man die Möglichkeit, eine solche in überwiegend deutschsprachigen Gebieten Südtirols zu suchen, außer Acht lässt - keiner vertieften Italienischkenntnisse bedarf.
59 
(4) Schließlich ist im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, dass der Kläger infolge der ausgesprochenen Befristung eine konkrete Rückkehrperspektive hat. Als Unionsbürger kann er nach Ablauf der Frist bei Erfüllung der der Befristungsentscheidung beigefügten Bedingungen unter Berufung auf sein Freizügigkeitsrecht aus Art. 18 EG wieder in das Bundesgebiet einreisen. Diese Bedingungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie dienen dem Zweck des Verwaltungsakts in der Hauptsache, indem sie sicherstellen, dass der spezialpräventive Ausweisungszweck bei Wirksamwerden der Befristung erfüllt ist und von dem Kläger keine erhebliche Gefahr mehr ausgeht. Die Bedingung der Straffreiheit ist allerdings entsprechend den für die Verlustfeststellung bei Unionsbürgern geltenden Maßstäben einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur solche Straftaten schädlich sind und den Eintritt der Bedingung hindern, die die weitere Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen. Bei einer solchen Auslegung sind die Bedingungen mit § 36 Abs. 3 LVwVfG vereinbar. Auch Gemeinschaftsrecht steht den Bedingungen nicht entgegen. Aus Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG folgt lediglich ein Bescheidungsanspruch; inhaltliche Vorgaben für die Befristung des Aufenthaltsverbots finden sich dort nicht. Auch dem primären Gemeinschaftsrecht lässt sich nicht entnehmen, dass bei Fortbestehen einer qualifizierten Wiederholungsgefahr gleichwohl die Wirkungen einer Ausweisung befristet werden müssten.
60 
5. Der Befristungsbescheid vom 26.07.2006 ist aber gleichwohl rechtswidrig, weil er an einem beachtlichen Verfahrensfehler und an Ermessensfehlern leidet. Der Kläger hat daher auf seinen als Minus im Verpflichtungsantrag enthaltenen Bescheidungsantrag einen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides und auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
61 
a) Zwar war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, Art. 9 der RL 64/221/EWG nicht zu beachten, weil zum einen diese Vorschrift auf Befristungsentscheidungen nicht anwendbar war und zum anderen die Richtlinie 64/221/EWG durch Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben wurde.
62 
b) Ein beachtlicher Verfahrensfehler liegt jedoch darin, dass das Regierungspräsidium vor Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts die nach § 28 Abs. 1 LVwVfG gebotene Anhörung unterlassen hat. Diese war weder nach § 28 Abs. 2 LVwVfG noch nach § 82 AufenthG entbehrlich und der Anhörungsmangel ist auch nicht geheilt worden.
63 
aa) Eine Anhörung war nicht nach § 28 Abs. 2 LVwVfG entbehrlich. In Betracht zu ziehen ist insoweit allein der Tatbestand des § 28 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll. Diese Regelung betrifft die Fälle einer Entscheidung auf Grund eigener Angaben eines Beteiligten. Die Anhörung wird hier durch die eigenen Angaben des Betroffenen gewissermaßen vorweggenommen. Die Vorschrift ist jedoch einschränkend auszulegen: Eigene Angaben können eine Entscheidung ohne weitere Anhörung nur dann rechtfertigen, wenn nach Lage des konkreten Falles die Angaben des Beteiligten Entscheidungsgrundlage sind und die Möglichkeit auszuschließen ist, dass die Anhörung neue Gesichtspunkte ergeben könnte, die eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 28 Rn. 65). Diese Voraussetzungen liegen hier schon mit Blick auf den langen Zeitraum von nahezu zwei Jahren zwischen Antragstellung und Entscheidung nicht vor, der es nahelegt, dass zwischenzeitlich neue, bei Antragstellung noch nicht vorgetragene Umstände eingetreten sind, die für die Entscheidung erheblich sein können.
64 
bb) Die Anhörung war auch nicht im Hinblick auf § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entbehrlich. Dabei kann offen bleiben, ob diese Vorschrift, auf die in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU nicht verwiesen wird, auf den Kläger als Unionsbürger überhaupt anwendbar ist. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf den Kläger als infolge der bestandskräftigen Ausweisung derzeit nicht freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger über eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 2 FreizügG/EU, der nach seinem Wortlaut eine Nichtbestehens- oder Verlustfeststellung voraussetzt, anwendbar ist, folgt hieraus nicht, dass von der Anhörung abgesehen werden konnte. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist der Ausländer u.a. verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen. Die sich aus § 24 Abs. 1 LVwVfG ergebende Pflicht der Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen wird damit für den Anwendungsbereich des AufenthG in gewisser Weise begrenzt, aber nicht aufgehoben. Die Verpflichtung aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist durch die Anlassbezogenheit beschränkt, verlangt also nicht die permanente Offenlegung der Verhältnisse gegenüber der Ausländerbehörde (Albrecht in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 82 AufenthG Rn. 5; ebenso bereits zu § 70 AuslG 1990 OVG NRW, Beschl. v. 01.02.2000 - 18 B 1120/99 - InfAuslR 2000, 279 = NVwZ 2000, 1445). Vorliegend durfte der Kläger danach davon ausgehen, dass das Regierungspräsidium, welches über den Befristungsantrag auf aktualisierter Tatsachengrundlage zu entscheiden hatte, ihm vor einer Entscheidung zumindest nach § 82 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine Frist zur Geltendmachung der für ihn günstigen Umstände setzen würde.
65 
cc) Der Anhörungsmangel ist auch nicht geheilt worden. Eine Heilung nach § 46 LVwVfG scheidet schon deshalb aus, weil es sich bei der Befristungsentscheidung hinsichtlich der Bemessung der Frist nicht um einen gebundenen Verwaltungsakt handelt. Eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG ist nicht erfolgt. Nach dieser Vorschrift ist der Verstoß gegen § 28 Abs. 1 LVwVfG unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung nachgeholt wird. Eine Heilung tritt allerdings nur insoweit ein, als die Anhörung formell ordnungsgemäß erfolgt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht werden kann (funktionelle Äquivalenz). Dies setzt u.a. voraus, dass die Ergebnisse der Anhörung von der zur Entscheidung in der Sache berufenen Behörde nicht nur zur Kenntnis, sondern auch zum Anlass genommen werden, die Entscheidung selbst kritisch zu überdenken (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 26). Nicht ausreichend ist die Anhörung durch das Gericht; sie stellt keine Nachholung durch die Behörde dar und führt deshalb nicht zur Heilung (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 27). Nach diesen Maßstäben hat vorliegend keine Nachholung der Anhörung, die nach § 45 Abs. 2 LVwVfG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat möglich gewesen wäre, stattgefunden. Es genügt nicht, dass der Kläger sich im Klageverfahren geäußert und das Regierungspräsidium dies zur Kenntnis genommen hat.
66 
c) Ein Ermessensfehler liegt darin, dass der Beklagte im Befristungsbescheid infolge des Anhörungsmangels bei Abwägung der gegenläufigen Interessen von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, der eine rechtliche Fehlgewichtung zu Folge hat. Er hat die lediglich rudimentären italienischen Sprachkenntnisse des Klägers, seine vollständig fehlenden Bindungen nach Italien sowie die Beziehung zu seiner deutschen Verlobten infolge der unterbliebenen Anhörung nicht berücksichtigt und damit zu berücksichtigende wesentliche Gesichtspunkte bei der Ermessensausübung außer Acht gelassen.
67 
d) Ermessensfehlerhaft ist es des Weiteren, dass die Dauer der Haftstrafe, die Anlass für die Ausweisung war, maßgeblich in die Bemessung der Sperrfrist eingeflossen ist. Im Rahmen der bei Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU vorzunehmenden Prüfung, ob die Aufrechterhaltung der Sperrwirkungen gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU heute (noch) gerechtfertigt ist, ist die Dauer der Haftstrafen, die zur Ausweisung geführt haben, nur von begrenzter Aussagekraft. Inwieweit sich hier aus der 1998 erfolgten Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Rückschlüsse auf die aktuell von dem Kläger ausgehenden Gefahren ziehen lassen, ist nicht ersichtlich und wird auch in der angefochtenen Verfügung nicht erläutert. Die Begründung erschöpft sich insoweit in einem Hinweis auf die VwV Befristung und auf die Praktikabilität einer solchen Vorgehensweise.
68 
Nach 1.2.1 der vom Regierungspräsidium angewandten VwV Befristung wird bei der Berechnung des Befristungsrahmens das festgesetzte Strafmaß berücksichtigt. Zur Begründung heißt es dort, dies sei gerechtfertigt, weil sich die Strafbemessung des Strafrichters gemäß § 46 StGB nach der Schwere der Schuld des Täters richte. Nach dieser Vorschrift ist - im Erwachsenenstrafrecht - die Schuld des Täters Grundlage für die Strafzumessung. Das bedeutet, dass die Strafe zwar nicht allein nach der Schuld zu bemessen ist, wohl aber, dass die Schuld der Faktor ist, dem bei der Zumessung das größte Gewicht zukommt (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 46 Rn. 19 m.w.N.). Bei der Befristungsentscheidung sind demgegenüber die mit der Ausweisung verfolgten präventiven Zwecke maßgeblich. Die Behörde hat auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachenbasis die Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Die Berücksichtigung des Strafmaßes bei der Bemessung der Frist ist danach grundsätzlich sachwidrig. Das Strafmaß gibt zwar Anhaltspunkte für die Schwere des Delikts und kann mittelbar je nach Art der Straftat Anlass sein, bei besonders gefährlichen Delikten geringere Anforderungen an den Grad der Wiederholungsgefahr zu stellen. Es indiziert aber grundsätzlich keine fortdauernde Wiederholungsgefahr. So ist es denkbar, dass ein Täter wegen einer singulären Einzeltat auf Grund der Schwere des Delikts und der Schuld zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt wird, von ihm aber gleichwohl nur eine geringe Wiederholungsgefahr ausgeht.
69 
Diese Überlegungen gelten uneingeschränkt nur für das Erwachsenenstrafrecht. Die Jugendstrafe ist demgegenüber nicht primär Schuldstrafe, sondern Erziehungsstrafe. Der Richter verhängt gemäß § 17 Abs. 2 JGG Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. Wird die Jugendstrafe nicht mit der Schwere der Schuld, sondern mit schädlichen Neigungen begründet, so hat dies eine starke Indizwirkung auch für die im Ausweisungsrecht zu prüfende Wiederholungsgefahr. Erfolgt etwa zeitnah nach der Verurteilung zu einer Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen eine Ausweisung, so wird es in der Regel nicht zu beanstanden sein, wenn die Ausländerbehörde aus der Verurteilung auf eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung gleichartiger Delikte schließt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Indizwirkung eines solchen Strafurteils nicht durch zwischenzeitliche Vollstreckungsentscheidungen (vgl. § 88 JGG) in Frage gestellt ist. Im Befristungsverfahren liegt allerdings typischerweise - wie auch hier - die strafgerichtliche Verurteilung lange zurück und erlaubt schon aufgrund dessen keinen Schluss auf eine aktuelle Wiederholungsgefahr. Vorliegend ist die Heranziehung des Strafmaßes der 1998 verhängten Jugendstrafe daher sachwidrig. Sachgerecht wäre es demgegenüber, die jüngsten Strafvollstreckungsentscheidungen - hier die Beschlüsse des LG ... vom 21.09.2007, 20.03.2008 und 10.04.2008 sowie den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - heranzuziehen und zu würdigen.
70 
e) Diese Ermessensfehler sind nicht nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt worden. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO ist u.a., dass durch die Ergänzung der Verwaltungsakt nicht in seinem gewollten Wesen oder Ausspruch verändert wird. Eine Wesensänderung ist anzunehmen, wenn sich durch die Ergänzung der Streitstoff ändert. Damit sind nur unwesentliche Korrekturen als zulässig anzusehen (Kuntze in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 114 Rn. 54; Nds. OVG, Beschl. v. 26.04.2007 - 5 ME 122/07 - juris). Nicht zulässig ist der Austausch maßgeblicher oder tragender Erwägungen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 72; Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 114 Rn. 89; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 114 Rn. 208). Es ist ein strenger Maßstab anzulegen, da die Ergänzung nur zur Aufrechterhaltung der getroffenen Entscheidung möglich ist und ohnehin eine Tendenz bestehen kann, eine getroffene Entscheidung zu halten, d.h. bei der Abwägung nicht frei und unvoreingenommen zu sein (Kuntze, a.a.O. Rn. 55). Daran gemessen wäre hier eine - im Übrigen nicht erfolgte - Ergänzung unzulässig gewesen, da infolge der unterbliebenen Anhörung gerade eine neue Ermessensbetätigung unter Einstellung der außer Acht gelassen, wesentlichen Gesichtspunkte geboten ist.
71 
f) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass es für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung geboten sein dürfte, die Strafvollstreckungsakten und die Gefangenenpersonalakten beizuziehen (vgl. - zur Ausweisung - Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1261.1 m.w.N. und - zur Heranziehung der Strafakten - BVerfG, Beschl. v. 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300 = InfAuslR 2007, 443).
II.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
73 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 23. Juli 2008
75 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
I.
29 
Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
30 
Soweit der Kläger über den erstinstanzlich gestellten Antrag hinausgehend nicht die Befristung „auf den Zeitpunkt sofort nach der Ausreise“, sondern auf den 23.07.2008, d.h. den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, begehrt, stellt dies eine in der Berufungsinstanz zulässige Klageänderung in der Form der Erweiterung des Klageantrags (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO) dar. Nach § 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als eine Klageänderung anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Die Vorschrift regelt eine Antragsänderung, die rechtstechnisch als privilegierte Klageänderung behandelt wird. Die Formulierung „ist es nicht als eine Klageänderung anzusehen“ bedeutet nicht, dass in diesen Fällen keine Klageänderung vorliegt, sondern bewirkt, dass die genannten Erweiterungen bzw. Beschränkungen ohne Rücksicht auf ihre dogmatische Einordnung privilegiert werden. Dies ist ein gesetzlich geregelter Fall der Sachdienlichkeit, der ohne weiteres zur Zulässigkeit der Klageänderung führt (Kuntze in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 91 Rn. 5). Voraussetzung für die Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO ist, dass der Klagegrund sich nicht ändert und der Antrag nicht ersetzt wird. Es muss sich deswegen um ein Maius oder Minus handeln und nicht um ein Aliud (Schmid in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 91 Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Klagegrund, d.h. der Sachverhalt, aus dem sich die erstrebte Rechtsfolge ergeben soll, bleibt unverändert. Der Antrag wird nicht ersetzt, sondern - geringfügig - erweitert. Der Kläger begehrt eine Befristung auf den Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, d.h. ohne vorherige Ausreise.
31 
Die Berufung ist jedoch nur zum Teil begründet. Der Kläger muss die Wirkungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990 als Folge der Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 gegen sich gelten lassen (unten 1.). Über den geltend gemachten Befristungsanspruch ist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden (unten 2.). Nach den für die Fristbemessung maßgeblichen Grundsätzen (unten 3.) kann der Kläger nicht verlangen, dass die Wirkungen der Ausweisung auf den 23.07.2008 - den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - befristet werden (unten 4.). Er hat, da der Befristungsbescheid vom 26.07.2006 ungeachtet dessen an einem beachtlichen Verfahrensfehler und an Ermessensfehlern leidet, auf seinen als Minus im Verpflichtungsantrag enthaltenen Antrag aber einen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides und auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; unten 5.).
32 
1. Die Ausweisungsverfügung vom 16.03.1999 hat zur Folge, dass der Kläger nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990). Diese Wirkungen entfaltet die Ausweisung auch heute noch, so dass das Befristungsbegehren nicht etwa deshalb ins Leere geht und mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig ist, weil die Ausweisung gegenstandslos geworden wäre. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist geklärt, dass vor dem 01.01.2005 unter Geltung des AuslG 1990 und des AufenthG/EWG bestandskräftig gewordene Ausweisungen von Unionsbürgern nicht mit Inkrafttreten des FreizügG/EU gegenstandslos geworden, sondern weiterhin wirksam sind (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 – 1 C 21.07 – BVerwGE 129, 243 = NVwZ 2008, 82 = EZAR NF 10 Nr. 8; ebenso zuvor bereits VGH BW, Beschl. v. 18.08.2005 – 13 S 1253/05 – und Urt. v. 24.01.2007 – 13 S 451/06 – InfAuslR 2007, 182 = EZAR NF 93 Nr. 3; BayVGH, Beschl. v. 21.03.2006 – 19 CE 06.721 – juris; OVG RP, Urt. v. 08.02.2007 – 7 A 11318/06.OVG – InfAuslR 2007, 226; vgl. auch Epe in GK-AufenthG, IX-2 § 1 Rn. 21 m.w.N.; Harms in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 6 FreizügG/EU Rn. 32; Hailbronner, AuslR, Kommentar, D 1 § 7 Rn. 25; a.A. OVG B-Brb., B. v. 15.03.2006 – OVG 8 S 123.05 – InfAuslR 2006, 259 = NVwZ 2006, 953; Gutmann, InfAuslR 2005, 125 und InfAuslR 2008, 105).
33 
2. a) Grundlage des Befristungsanspruchs ist nicht etwa § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, sondern § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Nach dieser Vorschrift wird das durch die Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU ausgelöste Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU) auf Antrag befristet. Mit Blick auf die in § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG getroffene Übergangsregelung werden von dieser Anspruchsgrundlage in sinngemäßer Anwendung auch die fortwirkenden Rechtsfolgen der vor Inkrafttreten des FreizügG/EU am 01.01.2005 bestandskräftig gewordenen Ausweisung eines Unionsbürgers erfasst. § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU betrifft als Sonderregelung im Sinne des § 11 Abs. 2 FreizügG/EU nicht (mehr) freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, zu denen auch der Kläger zählt (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.).
34 
§ 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU gewährt Unionsbürgern - anders als die Regelbefristung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für Drittstaater - einen strikten Rechtsanspruch auf Befristung („ob“); nur über die Länge der Frist ist nach Ermessen zu entscheiden. Damit geht die Vorschrift über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG hinaus, die lediglich einen fristgebundenen Verbescheidungsanspruch vorsehen (umgesetzt in dem durch Gesetz vom 19.08.2007 [BGBl. I S. 1970] angefügten Satz 4 des § 7 Abs. 2 FreizügG/EU). Mit der Ausgestaltung der Befristung als gebundener Entscheidung und einem damit korrespondierenden Anspruch bringt der Gesetzgeber den hohen Rang zum Ausdruck, den er dem gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrecht beimisst. Denn als Ausnahmen vom Grundprinzip der Freizügigkeit dürfen das an eine Verlustfeststellung bzw. Ausweisung anknüpfende Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht unbegrenzt gelten, sondern ein davon betroffener Unionsbürger hat nach angemessener Zeit Anspruch auf erneute Prüfung und Entscheidung nach Maßgabe der aktuellen Sachlage (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O. unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 17.06.1997 - Rs. C-65/95 u. C-111/95 [Shingara und Radiom] - Slg. 1997, I-3343 Rn. 40 ff. = EZAR 81 Nr. 34). Von einem solchen Rechtsanspruch ist der Beklagte zu Recht ausgegangen.
35 
b) Für die Prüfung des Befristungsanspruchs ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = EZAR NF 48 Nr. 9; BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Dies muss auch gelten, soweit - wie hier - die Behörde bereits eine Ermessensentscheidung über die Dauer der Sperrfrist getroffen hat und es um deren Überprüfung geht: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 29.04.2004 - Rs. C-482/01 u. C-493/01 [Orfanopoulos u. Oliveri] - Slg. 2004, I-5257 Rn. 82 = InfAuslR 2004, 268) sind die innerstaatlichen Gerichte verpflichtet, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats verfügten Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann, die das Verhalten des Betroffenen für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Daran anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Erfordernis der Berücksichtigung neuer Tatsachen nicht nur für einen Sachvortrag gilt, der den Wegfall oder eine Verminderung der von dem Betroffenen für die öffentliche Ordnung ausgehenden Gefährdung mit sich bringen kann. Aus dem Erfordernis, dass eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt bestehen muss, zu dem die Ausweisung erfolgt, ergebe sich darüber hinaus, dass entscheidungserhebliche neue Tatsachen umfassend zu berücksichtigen sind. Dies gelte auch für Tatsachen, die für die an den Grundrechten und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu orientierende Interessenabwägung von Bedeutung sind. Daraus folge, dass die Tatsachengerichte verpflichtet sind zu prüfen, ob die behördliche Gefährdungsprognose und die Ermessensentscheidung bezogen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Ergebnis auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruhen (BVerwG, Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 = InfAuslR 2005, 18). Diese Erwägungen sind uneingeschränkt auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU zu übertragen, da auch insoweit ähnlich wie bei der Ausweisung oder nunmehr bei der Verlustfeststellung nach § 6 FreizügG/EU zu prüfen ist, ob von dem Unionsbürger (noch) eine gegenwärtige Gefahr ausgeht (in diesem Sinne bereits Renner, ZAR 2004, 195<197>; siehe zu den für die Fristbemessung maßgeblichen Grundsätzen im Einzelnen unten 3.). Keiner Entscheidung bedarf vorliegend, ob dies, was im Anschluss an die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 = InfAuslR 2008, 156) zu bejahen sein könnte, auch für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Befristungsentscheidungen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gilt. Grundlage des Befristungsanspruchs ist daher § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU in der Fassung des am 28.08.2007 in Kraft getretenen Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970).
36 
3. Bei der im behördlichen Auswahlermessen verbleibenden Bestimmung der Länge der Frist sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.) in einem ersten Schritt das Gewicht des Grundes für die Verlustfeststellung bzw. Ausweisung sowie der mit der Maßnahme verfolgte spezialpräventive Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der Prüfung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände auch jetzt noch das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen. Die Behörde hat dazu auch das Verhalten des Betroffenen nach der Ausweisung zu würdigen und im Wege einer Prognose auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachenbasis die (Höchst-)Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen. Im Falle einer langfristig fortbestehenden Rückfall- bzw. Gefährdungsprognose ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers aber auch bei Unionsbürgern ein langfristiger Ausschluss der Wiedereinreise nicht ausgeschlossen (BT-Drs. 15/420 S. 105). Die im Rahmen des ersten Schritts von der Behörde zu treffende Gefahrprognose muss - ebenso wie bei der Ausweisung (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 16.10.1989 - I B 106.89 - EZAR 124 Nr. 11 = InfAuslR 1990, 4 <5> m.w.N.; Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1711 ff.) - gerichtlich voll überprüfbar sein.
37 
In einem zweiten Schritt muss sich die an der Erreichung des Zwecks der Verlustfeststellung bzw. Ausweisung orientierende äußerste Frist an höherrangigem Recht, d.h. gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen messen und ggf. relativieren lassen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde ein rechtsstaatliches Mittel dafür, fortwirkende einschneidende Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.08.2000 - 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> = InfAuslR 2000, 483 zur Regelbefristung). Dabei sind insbesondere die in § 6 Abs. 3 FreizügG/EU genannten schutzwürdigen Belange des Unionsbürgers in den Blick zu nehmen. Haben z.B. familiäre Belange des Betroffenen durch die Geburt eines Kindes im Bundesgebiet nach der Ausweisung an Gewicht gewonnen, folgt daraus eine Ermessensverdichtung in Richtung auf eine kürzere Frist. Die Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles nach Gewichtung der jeweiligen Belange vorzunehmen ist, kann im Extremfall bis zu einer Ermessensreduzierung auf Null mit dem Ergebnis einer Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt, d.h. auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz, führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O. u. Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140 <150 f.> = InfAuslR 2000, 176). Kraft des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts muss in diesen Fällen die Befristung so erfolgen, dass sich das dem Unionsbürger zustehende Freizügigkeitsrecht sogleich entfalten kann. Der Anwendungsvorrang erfordert es, dass die Befristung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, wie insbesondere der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU, wonach eine Frist erst mit der Ausreise beginnt (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 - a.a.O. zu § 8 Abs. 2 Satz 4 AuslG 1990). In den Fällen des Wegfalls der notwendigen qualifizierten Wiederholungsgefahr ist daher auch nach Ergehen einer Feststellungsentscheidung nach § 6 FreizügG/EU die Ausreise des ansonsten Freizügigkeitsberechtigten entgegen der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU nicht Voraussetzung für das erneute Entstehen des Aufenthaltsrechts.
38 
4. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Beklagte nicht verpflichtet, die Befristung auf den heutigen Tag - d.h. ohne Einhaltung einer mit der Ausreise beginnenden angemessenen Frist - auszusprechen. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass eine Befristung auf den heutigen Tag nach dem Zweck der Ermächtigung die allein rechtmäßige Ermessensbetätigung wäre (vgl. § 114 VwGO).
39 
a) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der spezialpräventive Zweck der Ausweisung schon jetzt erreicht ist. Vielmehr geht von dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung für die öffentliche Ordnung aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
40 
Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 04.09.2007 , a.a.O.) ausgeführt hat, es bedürfe der Prüfung im Einzelfall, ob die vorliegenden Umstände „auch jetzt noch“ das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die hohen Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen, ist dies nach Auffassung des Senats nicht dahingehend zu verstehen, dass im Rahmen des Befristungsverfahrens nochmals geprüft werden muss, ob die der bestandskräftigen Ausweisung zugrunde liegenden Umstände diese gerechtfertigt haben. Die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Ausweisung steht in diesem Verfahren nicht erneut zur Überprüfung. Es ist vielmehr eine Gefährdungsprognose auf heutiger Tatsachenbasis vorzunehmen, bei der bezogen auf den jetzigen Entscheidungszeitpunkt unabhängig von der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Ausweisung zu prüfen ist, ob die Aufrechterhaltung der Sperrwirkungen gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU gerechtfertigt ist. Die vom Kläger nach der Ausweisung als Erwachsener begangenen Straftaten sind daher ebenso zu berücksichtigen wie seine zum Zeitpunkt der Ausweisung noch nicht so gravierende, unbewältigte Drogenproblematik.
41 
Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe getroffene Prognose, die gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. oben 3.), ist danach nicht zu beanstanden: Die vom Kläger zwischen Juni 2004 und März 2005 begangenen Straftaten des gemeinschaftlichen Diebstahls in 15 sowie des gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls in zwei Fällen sind der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Es handelt sich um eine Häufung von Fällen mittlerer Kriminalität, bei denen der Senat jedenfalls aufgrund der gewerbsmäßigen Begehung (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB) davon ausgeht, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU). Auch zum heutigen Zeitpunkt ist bei dem Kläger insbesondere aufgrund der unbewältigten Drogenproblematik eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung gleichartiger Eigentums- und Vermögensdelikte nach Entlassung aus der Strafhaft weiterhin gegeben. Die bloße Therapiebereitschaft steht der Annahme der auch von den Strafvollstreckungsgerichten (vgl. die Beschlüsse des LG ... vom 21.09.2007 - 12 StVK 572/07 - und des OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - 2 Ws 315/07 -) bejahten Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Die Gefahr, dass der Kläger, ebenso wie nach Verbüßung seiner Jugendstrafe, nach der Haftentlassung erneut Drogen konsumieren und zur Finanzierung des Drogenkonsums erhebliche Straftaten begehen wird, erscheint relativ hoch. Sie wird nicht dadurch gemindert, dass er einen Arbeitsplatz in Aussicht hat und seine Verlobte zu heiraten beabsichtigt. Insoweit spricht gegen eine günstige Prognose, dass der Kläger nie dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert war, er vielmehr wiederholt Arbeitsverhältnisse aus freien Stücken beendete und dass auch die Beziehung zu seiner Verlobten ihm nicht genügend Halt gegeben hat, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten. Er vermochte schließlich selbst unter dem Druck der Ausweisung, der erlittenen Jugendhaft und des 2002 geschlossenen Bewährungsvergleichs sein Verhalten nicht durchgreifend zu ändern. Die notwendige qualifizierte Wiederholungsgefahr besteht daher zur Überzeugung des Senats fort.
42 
b) Diese Wiederholungsgefahr wird nicht dadurch relativiert, dass der ursprüngliche Ausweisungsanlass - die vom Kläger als Jugendlicher begangenen Straftaten - weniger gewichtig war. Auch wenn das Verwaltungsgericht Karlsruhe (Urt. v. 16.08.1999 - 12 K 1791/99 -) zu Recht davon ausgegangen ist, dass es damals an einer tatsächlichen, gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, gefehlt hat, so führt dies nur dazu, dass der Grund für die Ausweisung nur mit dem ihm zukommenden geringeren Gewicht bei der Ausübung des Befristungsermessens zu berücksichtigen ist, eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich hieraus jedoch angesichts der heute bestehenden qualifizierten Wiederholungsgefahr nicht.
43 
c) Entgegen der Auffassung des Klägers folgt eine Ermessensreduktion auf Null auch nicht aus § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, weil die Ausweisung, um deren Sperrwirkung es geht, vor dem 01.05.2006 bestandskräftig wurde und daher das erhöhte Schutzniveau dieser Vorschrift hier nicht zu beachten ist.
44 
aa) § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) setzen die zweite und dritte Stufe des durch Art. 28 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG eingeführten erhöhten Ausweisungsschutzes für bestimmte Personengruppen um. Nach § 6 Abs. 4 FreizügG/EU, der Art. 28 Abs. 2 RL 2004/38/EG umsetzt, ist die Verlustfeststellung nach Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt (vgl. § 4 a FreizügG/EU) nur noch aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zulässig. Nach zehnjährigem Aufenthalt darf eine Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs. 5 FreizügG/EU, der Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG umsetzt, nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit verfügt werden. Diese Anforderungen beziehen sich nach ihrem Standort im Gesetz allein auf Verlustfeststellungen nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU, nicht aber auf Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU. Nach ihrem Sinn und Zweck müssen diese Anforderungen jedoch gewissermaßen spiegelbildlich auch für die Befristungsentscheidung gelten, wenn die Verlustfeststellung, deren Wirkungen befristet werden, unter Beachtung des erhöhten Ausweisungsschutzes gemäß Art. 28 Abs. 2 oder 3 der Richtlinie 2004/38/EG erlassen wurde oder hätte erlassen werden müssen. Letzteres trifft auf alle Verlustfeststellungen zu, die bei Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 40 der RL 2004/38/EG am 30.04.2006 noch nicht bestandskräftig waren (zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 28 Abs. 2 und 3 RL 2004/38/EG ab diesem Zeitpunkt vgl. Epe in GK-AufenthG, IX-2 Vor § 1 Rn. 35, 43 ff.). Wollte man im Rahmen des § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU auch in Fällen erhöhten Ausweisungsschutzes nur prüfen, ob auf heutiger Tatsachenbasis die Gefährdungsprognose gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU Bestand hat, würde dies zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass etwa trotz Wegfalls zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit bei einem Unionsbürger, der Ausweisungsschutz nach der dritten Stufe genießt, der Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht weiterhin gerechtfertigt wäre, sofern „nur“ noch eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU vorliegt. Dies würde zu einer unzulässigen Aushöhlung des erhöhten Ausweisungsschutzes nach § 6 Abs. 4 und 5 FreizügG/EU führen.
45 
bb) Hier waren bei der bereits 2002 bestandskräftig gewordenen Ausweisung die Anforderungen des Art. 28 Abs. 2 und 3 der RL 2004/38/EG nicht zu beachten, so dass auch im Befristungsverfahren nur die Anforderungen des - dem bisherigen gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutz entsprechenden - Ausweisungsschutzes auf der ersten Stufe gemäß Art. 28 Abs. 1 der RL 2004/38/EG einzuhalten sind. Diese erste Stufe des gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutzes ist in § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU umgesetzt. Folgerichtig ist daher, soweit es um Altausweisungen geht, auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.) nicht zu prüfen, ob bei dem ausgewiesenen Unionsbürger aktuell nach der heutigen Rechtslage noch eine Verlustfeststellung getroffen werden könnte. Zu prüfen ist in diesen Übergangsfällen allein, ob die gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU noch aufrecht erhalten werden können. Auch gemeinschaftsrechtlich ist es nicht geboten, den mit der seit dem 01.05.2006 unmittelbar anwendbaren RL 2004/38/EG eingeführten erhöhten Ausweisungsschutz auch zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig ausgewiesenen Unionsbürgern zugute kommen zu lassen. Art. 28 RL 2004/38/EG bezieht sich auf Ausweisungen, nicht aber auf Befristungsentscheidungen. Die erhöhten Anforderungen nach dieser Vorschrift sind daher nur bei Ausweisungen/Verlustfeststellungen zu beachten, bei denen der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem 30.04.2006 liegt (vgl. EuGH, Urt. v. 04.10.2007 – Rs. C-349/06 [Polat] – Slg. 2007, I-08167 Rdn. 26 f. = InfAuslR 2007, 425 = NVwZ 2008, 59 = EZAR NF 19 Nr. 22, wobei der EuGH dort nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt bei Beachtung seiner eigenen Rechtsprechung zum maßgeblichen Zeitpunkt wohl zu einer Anwendbarkeit der RL 2004/38/EG hätte kommen müssen). Nichts anderes ergibt sich aus Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG. Nach dieser Vorschrift können ausgewiesene Unionsbürger nach einem angemessenen Zeitraum, jedenfalls aber drei Jahre nach Vollstreckung des nach Gemeinschaftsrecht ordnungsgemäß erlassenen Aufenthaltsverbots dessen Aufhebung unter Hinweis darauf beantragen, dass eine „materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben“. Mit einer „materiellen Änderung der Umstände“ sind Änderungen des Sachverhalts, nicht hingegen Rechtsänderungen gemeint. Sowohl im ursprünglichen wie auch im geänderten Kommissionsvorschlag hieß es „Änderung des Sachverhalts“ (vgl. KOM (2001) 257 endg. und KOM (2003) 199 endg., jeweils Art. 30 Abs. 2). Die schließlich verabschiedete Formulierung findet sich erstmals im Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 (ABl. EG C 54E/12 <23>). Zur Begründung heißt es dort, die Abänderungen machten den Text klarer. Zwar trifft das Gegenteil zu, doch ergibt sich aus den Materialien jedenfalls, dass nur eine redaktionelle Änderung beabsichtigt war. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine Gefährdungsprognose auf neuer Tatsachenbasis zu treffen ist, steht daher auch mit Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG im Einklang.
46 
d) Auch aus Nr. 1.5 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Bemessung der Sperrwirkung bei Befristungsentscheidungen nach § 8 Abs. 2 AuslG vom 25.01.2002 - Az.: 1362/129 - (VwV Befristung), die nach Auskunft des Beklagten bei der Ausübung des Befristungsermessens nach wie vor zugrunde gelegt wird, ergibt sich - i.V.m. Art. 3 GG - keine Ermessensreduzierung auf Null in dem Sinne, dass der Kläger einen Anspruch auf sofortige Befristung hätte. Dort heißt es:
47 
„Es ist zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung noch Gründe vorliegen, die eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts nach § 12 AufenthG/EWG und dem zugrunde liegenden Gemeinschaftsrecht rechtfertigen. Liegen solche Gründe nicht mehr vor, darf die Befristung nicht von der vorherigen Ausreise des Betroffenen abhängig gemacht werden, so dass dem Betroffenen ein Anspruch auf sofortige Befristung zusteht.“
48 
Diese Verwaltungsvorschrift kann lediglich über eine gleichbleibende Verwaltungspraxis nach Art 3 Abs. 1 GG Außenwirkung zugunsten des Ausländers haben. Sie ist somit entsprechend dem wirklichen Willen des Erklärenden (hier: der obersten Landesbehörde) und ihrer tatsächlichen Handhabung auszulegen und anzuwenden, so dass der Wortlaut der Verwaltungsvorschrift erst über die ihm folgende ständige Verwaltungspraxis Außenwirkung für den Ausländer entfaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63 = InfAuslR 2001, 70; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 20.04.2002 - 13 S 314/02 - ESVGH 52, 200). In der Verwaltungspraxis wird diese Verwaltungsvorschrift nach Auskunft des Beklagten nicht in dem Sinne angewandt, dass bei einer Altausweisung, die den heutigen Anforderungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU nicht entspricht, stets eine Befristung auf den Jetzt-Zeitpunkt vorzunehmen ist. Dies gelte nur im Durchschnittsfall, sofern „keine weiteren negativen Aspekte gegen den EU-Bürger in das Ermessen eingestellt werden müssen“. Im Übrigen hätten die Neuregelungen des § 6 FreizügG/EU erhebliche Auswirkungen auf den Umfang des noch verbleibenden Ermessens, führten aber nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Vorliegend ist zu Lasten des Klägers insbesondere seine unbewältigte Drogenproblematik in das Ermessen einzustellen, so dass eine Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf die tatsächliche Handhabung der VwV Befristung ausscheidet.
49 
e) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger die in dem gerichtlichen Vergleich vom 20.02.2002 für eine Befristung der Ausweisung vorgesehenen Bedingungen nicht erfüllt hat und daher aus diesem Vergleich keinen Anspruch auf sofortige Befristung ableiten kann.
50 
f) Aus Art. 8 EMRK folgt ebenfalls keine zu einem Anspruch auf sofortige Befristung führende Ermessensreduzierung auf Null.
51 
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff in diese Rechte ist nach Abs. 2 der Vorschrift nur statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen ist, ein legitimes Ziel verfolgt und zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist. Die Wirkungen der Ausweisung dürfen angesichts des Schutzgebots des Art. 8 EMRK nicht länger aufrecht erhalten werden, wenn von dem Ausländer keine konkrete und entsprechend schwere Gefahr für ein wichtiges Schutzgut mehr ausgeht und demgemäß die mit seiner Anwesenheit verbundene Beeinträchtigung von Belangen der Bundesrepublik Deutschland nicht so gewichtig ist, dass sie die Beeinträchtigung seiner Rechte auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens eindeutig überwiegt.
52 
aa) Der Schutzbereich von Art. 8 EMRK umfasst neben weiteren hier nicht einschlägigen Gewährleistungen zum einen das Familienleben, zum anderen das Privatleben. Vorliegend ist nicht der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens, wohl aber der des Rechts auf Achtung des Privatlebens eröffnet: Bei Beziehungen zwischen nahen Verwandten außerhalb der klassischen Kleinfamilie kommt es darauf an, ob die tatsächlich bestehenden Bindungen hinreichend für die Annahme einer familiären Beziehung sind. Beziehungen zwischen Erwachsenen unterliegen nicht notwendig dem Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung des Familienlebens. Es müssen besondere zusätzliche Aspekte der Abhängigkeit hinzutreten, die weiter reichen als normale affektive Beziehungen (EGMR, Urt. v. 17.04.2003 - Nr. 52853/99 [Yilmaz] - NJW 2004, 2147 Rn. 44 m.w.N.; Urt. v. 15.07.2003 - Nr. 52206/99 [Mokrani] - InfAuslR 2004, 183; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl., § 22 Rn. 18 m.w.N.). Art. 8 EMRK vermittelt insoweit keinen weitergehenden Schutz als Art. 6 GG bei familiären Beziehungen unter Volljährigen. Die Beziehung des volljährigen Klägers zu seiner Mutter und zu seiner Schwester unterfallen danach nicht dem Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens. Anhaltspunkte für ein besonderes Angewiesensein des Klägers auf ein Zusammenleben mit seiner Mutter und/oder seiner Schwester sind nicht dargelegt worden und auch nicht ersichtlich. Gleiches gilt im Ergebnis für die Beziehung des Klägers zu seiner Verlobten. Zwar ist für das Vorliegen einer Familie i.S.v. Art. 8 EMRK nicht in jedem Fall notwendig, dass zwei Personen ihre Beziehung rechtlich formalisiert haben. Der EGMR unterscheidet nicht zwischen einer „ehelichen“ und einer „nichtehelichen“ Familie, sondern stellt auf ein tatsächlich bestehendes Familienleben ab, welches er aber grundsätzlich nur dann bejaht, wenn aus einer nichtehelichen Partnerschaft Kinder hervorgegangen sind (vgl. EGMR, Urt. v. 13.06.1979 [Marcks] - NJW 1979, 2449; Urt. v. 18.12.1986 - 6/1985/92/139 [Johnston u.a.] - EuGRZ 1987, 313; Urt. v. 26.05.1994 - 16/1993/411/490 [Keegan] - NJW 1995, 2153; Urt. v. 13.07.2000 - 25735/94 [Elsholz] - NJW 2001, 2315; Urt. v. 12.07.2001 - 25702/94 [K. u. T.] - NJW 2003, 809). Danach ist der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens auch insoweit nicht berührt.
53 
bb) Unzweifelhaft stellt die Ausweisung, die nach der nunmehr erfolgten Befristung ihrer Wirkungen ein vierjähriges Aufenthaltsverbot im Bundesgebiet zur Folge hat, einen Eingriff in das Recht des Klägers auf Achtung seines Privatlebens dar. Dieser Eingriff verfolgt indes legitime Ziele im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, nämlich die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Verhinderung von strafbaren Handlungen. Er ist darüber hinaus notwendig zur Erreichung dieser Ziele. Ein Eingriff ist nach der Rechtsprechung des EGMR notwendig, wenn ein dringendes soziales Bedürfnis besteht und er verhältnismäßig zum legitimen Ziel ist (Urt. v. 22.04.2004 - Nr. 42703/98 [Radovanovic] - InfAuslR 2004, 374). Es muss ein gerechter Ausgleich getroffen werden zwischen dem Recht des Klägers auf Achtung des Privatlebens auf der einen und den Interessen der öffentlichen Sicherheit und der Verhinderung von Straftaten auf der anderen Seite. Erforderlich ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Beachtung der vom EGMR entwickelten Kriterien, die im Wesentlichen in den Entscheidungen Boultif und Üner zusammengefasst worden sind (EGMR, Urt. v. 02.08.2001 - Nr. 54273/00 [Boultif] - InfAuslR 2001, 476; Urt. v. 05.07.2005 - Nr. 46410/99 [Üner] - InfAuslR 2005, 450 = DVBl 2006, 688). Nach diesen Entscheidungen sind zu berücksichtigen die Art und Schwere der begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthalts in dem Staat, aus dem der Betreffende ausgewiesen werden soll, die seit Begehen der Straftat vergangene Zeit und das Verhalten des Betroffenen seit der Tat, die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten, die familiäre Situation des Betroffenen und gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben hinweisen, ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte, ob der Verbindung Kinder entstammen und schließlich die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das der Betroffene ausgewiesen werden soll. Von Bedeutung ist ferner das Interesse und Wohl der Kinder sowie die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland oder zum Bestimmungsland. Bei Ausweisungen von Immigranten der zweiten Generation, zu denen der Kläger gehört, berücksichtigt der EGMR neben den genannten allgemeinen Kriterien die besonderen Bindungen, die diese Personen mit dem Aufenthaltsstaat eingegangen sind, in dem sie ihre Erziehung erhalten, den Großteil ihrer sozialen Kontakte geknüpft und folglich ihre eigene Identität entwickelt haben (EGMR, Urt. v. 26.09.1997 - 85/1996/704/896 [Mehemi] - InfAuslR 1997, 30 = NVwZ 1998, 164; Urt. v. 21.10.1997 - 122/1996/741/940 [Boujlifa] - InfAuslR 1998, 1). Demgemäß erachtet es der EGMR neben der Intensität der Bindung und dem Alter des Ausgewiesenen für maßgeblich, welche Sprache der Ausgewiesene spricht und ob es Verwandte oder andere soziale Beziehungen im Herkunftsstaat bzw. umgekehrt familiäre Bindungen oder Verwandte im Aufenthaltsstaat gibt (EGMR, Entsch. v. 04.10.2001 - 43359/98 [Adam] - EuGRZ 2002, 582 = NJW 2003, 2595).
54 
Daran gemessen gebietet Art. 8 Abs. 2 EMRK es nicht, von einer Aufenthaltsbeendigung abzusehen und die Wirkungen der Ausweisung auf sofort zu befristen:
55 
(1) Negativ fallen zunächst Art und Schwere der begangenen Straftaten ins Gewicht. Die vom Kläger zuletzt begangenen Einbruchdiebstähle, die zur Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten geführt haben, sind der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Erschwerend ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um Jugendverfehlungen gehandelt hat und dass die Taten gewerbsmäßig begangen wurden. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass es sich „nur“ um Eigentumsdelikte ohne Gewaltanwendung gegenüber Personen gehandelt hat. Der Senat verkennt nicht, dass der EGMR bei derartigen Delikten vereinzelt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte aus Art. 8 Abs. 1 EMRK angenommen hat: In der Sache Beljoudi (Urt. v. 26.03.1992 - 55/1990/246/317 - InfAuslR 1993, 86) war der dortige algerische Beschwerdeführer wegen einer Vielzahl von Diebstahlsdelikten zu Freiheitsstrafen von insgesamt 12 Jahren und 5 Monaten verurteilt worden. Der EGMR sah seine Ausweisung aus Frankreich gleichwohl als unverhältnismäßig an. Der Fall ist allerdings durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer in Frankreich als Kind damals französischer Eltern geboren war und selbst die französische Staatsangehörigkeit nur deshalb verloren hatte, weil seine Eltern es versäumt hatten, innerhalb einer bestimmten Frist eine Beibehaltungserklärung abzugeben. Zudem war der Beschwerdeführer seit mehr als 20 Jahren mit einer Französin verheiratet. In der Sache Jakupovic (Urt. v. 06.02.2003 - Nr. 36757/97 - InfAuslR 2004, 184) ging es um Jugendstraftaten; zudem war für den EGMR entscheidend, dass der Beschwerdeführer im Alter von 16 Jahren alleine in das zum Zeitpunkt der Ausweisung noch von den Folgen des Bürgerkriegs geprägte Bosnien-Herzegowina abgeschoben werden sollte. Diesen Entscheidungen, die jeweils einige hier nicht vorliegende Besonderheiten aufweisen, lässt sich nach Auffassung des Senats nicht entnehmen, dass Einwanderer der zweiten Generation wegen Eigentumsdelikten grundsätzlich nicht ausgewiesen werden dürften, wenn bei ihnen - wie bei dem Kläger - die Gefahr der Begehung weiterer, gleichartiger Straftaten besteht.
56 
Bei der Würdigung der Vorgeschichte und des Nachtatverhaltens fällt negativ ins Gewicht, dass der Kläger sich die Verurteilung zu Jugendstrafen und die Ausweisung nicht hat zur Warnung dienen lassen und selbst die ihm in dem aufenthaltsrechtlichen Bewährungsvergleich im Februar 2002 eingeräumte Chance nicht genutzt hat, künftig ein straffreies Leben zu führen. Dass er seit der letzten Verurteilung keine weiteren Straftaten begangen hat, kann ebenfalls nicht zu seinen Gunsten gewertet werden, weil er die zuletzt verhängte Freiheitsstrafe immer noch verbüßt und daher noch keine Gelegenheit hatte, sich in Freiheit zu bewähren. Negativ schlägt auch die unbewältigte Drogenproblematik zu Buche, wenngleich insoweit die Therapiebereitschaft zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen ist.
57 
(2) Zu Gunsten des Klägers fällt ins Gewicht, dass er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und dementsprechend auch seine Schulzeit im Bundesgebiet verbracht hat. Des Weiteren ist von Bedeutung, dass seine Mutter inzwischen Deutsche ist. Gleichwohl ist - gemessen an der Aufenthaltsdauer - der Grad der Integration im Bundesgebiet nicht besonders ausgeprägt: Der Kläger hat weder einen Schulabschluss erlangt noch verfügt er über eine Berufsausbildung. Soweit er einer Erwerbstätigkeit nachging, handelte es sich um Aushilfstätigkeiten. Mehrfach hat er ein Arbeitsverhältnis von sich aus beendet. Besondere Integrationsleistungen (beispielsweise Aktivitäten in Parteien oder Vereinen, Teilnahme am gesellschaftlichen/kulturellen Leben) sind nicht feststellbar. Um eine Einbürgerung hat sich der Kläger offenbar nie bemüht. Er hat noch keine eigene Familie gegründet, sondern ist lediglich mit einer Deutschen verlobt. Von einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung kann derzeit nicht ausgegangen werden, so dass Art. 6 GG und Art. 8 EMRK in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung des Familienlebens insoweit keine Vorwirkung entfalten. Die Trennung von der Verlobten, die nach den Angaben des Klägers nicht bereit wäre, ihn nach Italien zu begleiten, stellt allerdings einen gravierenden Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar.
58 
(3) Bei der Würdigung des Grades der Entwurzelung im Herkunftsstaat ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls noch über Grundkenntnisse der italienischen Sprache verfügt. Ihm kann nicht geglaubt werden, dass in seiner Familie, insbesondere mit den Großeltern, ausschließlich deutsch gesprochen wurde. Auch wenn der Kläger, was der Senat ihm glaubt, über keine familiären Bindungen und sonstigen sozialen Kontakte nach Italien verfügt, ist zu berücksichtigen, dass die Kulturdifferenz zu Italien nicht besonders groß ist und die Lebensverhältnisse in Italien, welches ebenfalls Mitglied der EU und als führende Wirtschaftsmacht Mitglied der G8 ist, sich von denen in Deutschland nicht grundlegend unterscheiden. Die Schwierigkeiten, mit denen der Kläger dort konfrontiert wird, sind nicht unüberwindbar. Sie sind ihm als Mann im arbeitsfähigen Alter zuzumuten. Dass er in der Lage ist, seine rudimentären Italienischkenntnisse nötigenfalls auszubauen, hat er bereits durch die vorübergehende Teilnahme an einem Italienischkurs in der Strafhaft unter Beweis gestellt. Im Übrigen ist zu bedenken, dass der Kläger zur Ausübung einer der von ihm angestrebten Tätigkeit in einer Pizzeria in ... vergleichbaren Tätigkeit in Italien - selbst wenn man die Möglichkeit, eine solche in überwiegend deutschsprachigen Gebieten Südtirols zu suchen, außer Acht lässt - keiner vertieften Italienischkenntnisse bedarf.
59 
(4) Schließlich ist im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, dass der Kläger infolge der ausgesprochenen Befristung eine konkrete Rückkehrperspektive hat. Als Unionsbürger kann er nach Ablauf der Frist bei Erfüllung der der Befristungsentscheidung beigefügten Bedingungen unter Berufung auf sein Freizügigkeitsrecht aus Art. 18 EG wieder in das Bundesgebiet einreisen. Diese Bedingungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie dienen dem Zweck des Verwaltungsakts in der Hauptsache, indem sie sicherstellen, dass der spezialpräventive Ausweisungszweck bei Wirksamwerden der Befristung erfüllt ist und von dem Kläger keine erhebliche Gefahr mehr ausgeht. Die Bedingung der Straffreiheit ist allerdings entsprechend den für die Verlustfeststellung bei Unionsbürgern geltenden Maßstäben einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur solche Straftaten schädlich sind und den Eintritt der Bedingung hindern, die die weitere Aufrechterhaltung der gesetzlichen Sperrwirkungen als Dauereingriff in das Freizügigkeitsrecht mit Blick auf die Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU tragen. Bei einer solchen Auslegung sind die Bedingungen mit § 36 Abs. 3 LVwVfG vereinbar. Auch Gemeinschaftsrecht steht den Bedingungen nicht entgegen. Aus Art. 32 Abs. 1 RL 2004/38/EG folgt lediglich ein Bescheidungsanspruch; inhaltliche Vorgaben für die Befristung des Aufenthaltsverbots finden sich dort nicht. Auch dem primären Gemeinschaftsrecht lässt sich nicht entnehmen, dass bei Fortbestehen einer qualifizierten Wiederholungsgefahr gleichwohl die Wirkungen einer Ausweisung befristet werden müssten.
60 
5. Der Befristungsbescheid vom 26.07.2006 ist aber gleichwohl rechtswidrig, weil er an einem beachtlichen Verfahrensfehler und an Ermessensfehlern leidet. Der Kläger hat daher auf seinen als Minus im Verpflichtungsantrag enthaltenen Bescheidungsantrag einen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides und auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
61 
a) Zwar war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, Art. 9 der RL 64/221/EWG nicht zu beachten, weil zum einen diese Vorschrift auf Befristungsentscheidungen nicht anwendbar war und zum anderen die Richtlinie 64/221/EWG durch Art. 38 Abs. 2 RL 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben wurde.
62 
b) Ein beachtlicher Verfahrensfehler liegt jedoch darin, dass das Regierungspräsidium vor Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts die nach § 28 Abs. 1 LVwVfG gebotene Anhörung unterlassen hat. Diese war weder nach § 28 Abs. 2 LVwVfG noch nach § 82 AufenthG entbehrlich und der Anhörungsmangel ist auch nicht geheilt worden.
63 
aa) Eine Anhörung war nicht nach § 28 Abs. 2 LVwVfG entbehrlich. In Betracht zu ziehen ist insoweit allein der Tatbestand des § 28 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll. Diese Regelung betrifft die Fälle einer Entscheidung auf Grund eigener Angaben eines Beteiligten. Die Anhörung wird hier durch die eigenen Angaben des Betroffenen gewissermaßen vorweggenommen. Die Vorschrift ist jedoch einschränkend auszulegen: Eigene Angaben können eine Entscheidung ohne weitere Anhörung nur dann rechtfertigen, wenn nach Lage des konkreten Falles die Angaben des Beteiligten Entscheidungsgrundlage sind und die Möglichkeit auszuschließen ist, dass die Anhörung neue Gesichtspunkte ergeben könnte, die eine für den Antragsteller günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 28 Rn. 65). Diese Voraussetzungen liegen hier schon mit Blick auf den langen Zeitraum von nahezu zwei Jahren zwischen Antragstellung und Entscheidung nicht vor, der es nahelegt, dass zwischenzeitlich neue, bei Antragstellung noch nicht vorgetragene Umstände eingetreten sind, die für die Entscheidung erheblich sein können.
64 
bb) Die Anhörung war auch nicht im Hinblick auf § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG entbehrlich. Dabei kann offen bleiben, ob diese Vorschrift, auf die in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU nicht verwiesen wird, auf den Kläger als Unionsbürger überhaupt anwendbar ist. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf den Kläger als infolge der bestandskräftigen Ausweisung derzeit nicht freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger über eine analoge Anwendung des § 11 Abs. 2 FreizügG/EU, der nach seinem Wortlaut eine Nichtbestehens- oder Verlustfeststellung voraussetzt, anwendbar ist, folgt hieraus nicht, dass von der Anhörung abgesehen werden konnte. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist der Ausländer u.a. verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen. Die sich aus § 24 Abs. 1 LVwVfG ergebende Pflicht der Behörde zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen wird damit für den Anwendungsbereich des AufenthG in gewisser Weise begrenzt, aber nicht aufgehoben. Die Verpflichtung aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist durch die Anlassbezogenheit beschränkt, verlangt also nicht die permanente Offenlegung der Verhältnisse gegenüber der Ausländerbehörde (Albrecht in Storr u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 82 AufenthG Rn. 5; ebenso bereits zu § 70 AuslG 1990 OVG NRW, Beschl. v. 01.02.2000 - 18 B 1120/99 - InfAuslR 2000, 279 = NVwZ 2000, 1445). Vorliegend durfte der Kläger danach davon ausgehen, dass das Regierungspräsidium, welches über den Befristungsantrag auf aktualisierter Tatsachengrundlage zu entscheiden hatte, ihm vor einer Entscheidung zumindest nach § 82 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine Frist zur Geltendmachung der für ihn günstigen Umstände setzen würde.
65 
cc) Der Anhörungsmangel ist auch nicht geheilt worden. Eine Heilung nach § 46 LVwVfG scheidet schon deshalb aus, weil es sich bei der Befristungsentscheidung hinsichtlich der Bemessung der Frist nicht um einen gebundenen Verwaltungsakt handelt. Eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG ist nicht erfolgt. Nach dieser Vorschrift ist der Verstoß gegen § 28 Abs. 1 LVwVfG unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung nachgeholt wird. Eine Heilung tritt allerdings nur insoweit ein, als die Anhörung formell ordnungsgemäß erfolgt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht werden kann (funktionelle Äquivalenz). Dies setzt u.a. voraus, dass die Ergebnisse der Anhörung von der zur Entscheidung in der Sache berufenen Behörde nicht nur zur Kenntnis, sondern auch zum Anlass genommen werden, die Entscheidung selbst kritisch zu überdenken (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 26). Nicht ausreichend ist die Anhörung durch das Gericht; sie stellt keine Nachholung durch die Behörde dar und führt deshalb nicht zur Heilung (Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 27). Nach diesen Maßstäben hat vorliegend keine Nachholung der Anhörung, die nach § 45 Abs. 2 LVwVfG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat möglich gewesen wäre, stattgefunden. Es genügt nicht, dass der Kläger sich im Klageverfahren geäußert und das Regierungspräsidium dies zur Kenntnis genommen hat.
66 
c) Ein Ermessensfehler liegt darin, dass der Beklagte im Befristungsbescheid infolge des Anhörungsmangels bei Abwägung der gegenläufigen Interessen von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist, der eine rechtliche Fehlgewichtung zu Folge hat. Er hat die lediglich rudimentären italienischen Sprachkenntnisse des Klägers, seine vollständig fehlenden Bindungen nach Italien sowie die Beziehung zu seiner deutschen Verlobten infolge der unterbliebenen Anhörung nicht berücksichtigt und damit zu berücksichtigende wesentliche Gesichtspunkte bei der Ermessensausübung außer Acht gelassen.
67 
d) Ermessensfehlerhaft ist es des Weiteren, dass die Dauer der Haftstrafe, die Anlass für die Ausweisung war, maßgeblich in die Bemessung der Sperrfrist eingeflossen ist. Im Rahmen der bei Befristungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU vorzunehmenden Prüfung, ob die Aufrechterhaltung der Sperrwirkungen gemessen an § 6 Abs. 1 und 2 FreizügG/EU heute (noch) gerechtfertigt ist, ist die Dauer der Haftstrafen, die zur Ausweisung geführt haben, nur von begrenzter Aussagekraft. Inwieweit sich hier aus der 1998 erfolgten Verurteilung des Klägers zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten Rückschlüsse auf die aktuell von dem Kläger ausgehenden Gefahren ziehen lassen, ist nicht ersichtlich und wird auch in der angefochtenen Verfügung nicht erläutert. Die Begründung erschöpft sich insoweit in einem Hinweis auf die VwV Befristung und auf die Praktikabilität einer solchen Vorgehensweise.
68 
Nach 1.2.1 der vom Regierungspräsidium angewandten VwV Befristung wird bei der Berechnung des Befristungsrahmens das festgesetzte Strafmaß berücksichtigt. Zur Begründung heißt es dort, dies sei gerechtfertigt, weil sich die Strafbemessung des Strafrichters gemäß § 46 StGB nach der Schwere der Schuld des Täters richte. Nach dieser Vorschrift ist - im Erwachsenenstrafrecht - die Schuld des Täters Grundlage für die Strafzumessung. Das bedeutet, dass die Strafe zwar nicht allein nach der Schuld zu bemessen ist, wohl aber, dass die Schuld der Faktor ist, dem bei der Zumessung das größte Gewicht zukommt (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 46 Rn. 19 m.w.N.). Bei der Befristungsentscheidung sind demgegenüber die mit der Ausweisung verfolgten präventiven Zwecke maßgeblich. Die Behörde hat auf der Grundlage einer aktualisierten Tatsachenbasis die Frist nach dem mutmaßlichen Eintritt der Zweckerreichung zu bemessen (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21.07 - a.a.O.). Die Berücksichtigung des Strafmaßes bei der Bemessung der Frist ist danach grundsätzlich sachwidrig. Das Strafmaß gibt zwar Anhaltspunkte für die Schwere des Delikts und kann mittelbar je nach Art der Straftat Anlass sein, bei besonders gefährlichen Delikten geringere Anforderungen an den Grad der Wiederholungsgefahr zu stellen. Es indiziert aber grundsätzlich keine fortdauernde Wiederholungsgefahr. So ist es denkbar, dass ein Täter wegen einer singulären Einzeltat auf Grund der Schwere des Delikts und der Schuld zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt wird, von ihm aber gleichwohl nur eine geringe Wiederholungsgefahr ausgeht.
69 
Diese Überlegungen gelten uneingeschränkt nur für das Erwachsenenstrafrecht. Die Jugendstrafe ist demgegenüber nicht primär Schuldstrafe, sondern Erziehungsstrafe. Der Richter verhängt gemäß § 17 Abs. 2 JGG Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist. Wird die Jugendstrafe nicht mit der Schwere der Schuld, sondern mit schädlichen Neigungen begründet, so hat dies eine starke Indizwirkung auch für die im Ausweisungsrecht zu prüfende Wiederholungsgefahr. Erfolgt etwa zeitnah nach der Verurteilung zu einer Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen eine Ausweisung, so wird es in der Regel nicht zu beanstanden sein, wenn die Ausländerbehörde aus der Verurteilung auf eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Begehung gleichartiger Delikte schließt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Indizwirkung eines solchen Strafurteils nicht durch zwischenzeitliche Vollstreckungsentscheidungen (vgl. § 88 JGG) in Frage gestellt ist. Im Befristungsverfahren liegt allerdings typischerweise - wie auch hier - die strafgerichtliche Verurteilung lange zurück und erlaubt schon aufgrund dessen keinen Schluss auf eine aktuelle Wiederholungsgefahr. Vorliegend ist die Heranziehung des Strafmaßes der 1998 verhängten Jugendstrafe daher sachwidrig. Sachgerecht wäre es demgegenüber, die jüngsten Strafvollstreckungsentscheidungen - hier die Beschlüsse des LG ... vom 21.09.2007, 20.03.2008 und 10.04.2008 sowie den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 23.11.2007 - heranzuziehen und zu würdigen.
70 
e) Diese Ermessensfehler sind nicht nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt worden. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO ist u.a., dass durch die Ergänzung der Verwaltungsakt nicht in seinem gewollten Wesen oder Ausspruch verändert wird. Eine Wesensänderung ist anzunehmen, wenn sich durch die Ergänzung der Streitstoff ändert. Damit sind nur unwesentliche Korrekturen als zulässig anzusehen (Kuntze in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 114 Rn. 54; Nds. OVG, Beschl. v. 26.04.2007 - 5 ME 122/07 - juris). Nicht zulässig ist der Austausch maßgeblicher oder tragender Erwägungen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 72; Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 114 Rn. 89; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 114 Rn. 208). Es ist ein strenger Maßstab anzulegen, da die Ergänzung nur zur Aufrechterhaltung der getroffenen Entscheidung möglich ist und ohnehin eine Tendenz bestehen kann, eine getroffene Entscheidung zu halten, d.h. bei der Abwägung nicht frei und unvoreingenommen zu sein (Kuntze, a.a.O. Rn. 55). Daran gemessen wäre hier eine - im Übrigen nicht erfolgte - Ergänzung unzulässig gewesen, da infolge der unterbliebenen Anhörung gerade eine neue Ermessensbetätigung unter Einstellung der außer Acht gelassen, wesentlichen Gesichtspunkte geboten ist.
71 
f) Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass es für eine fehlerfreie Ermessensentscheidung geboten sein dürfte, die Strafvollstreckungsakten und die Gefangenenpersonalakten beizuziehen (vgl. - zur Ausweisung - Discher in GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff. AufenthG Rn. 1261.1 m.w.N. und - zur Heranziehung der Strafakten - BVerfG, Beschl. v. 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300 = InfAuslR 2007, 443).
II.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
73 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 23. Juli 2008
75 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.