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| Die zulässige Berufung ist begründet. |
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| Die zulässige Klage ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.06.2010 wird geändert; die angefochtenen Bescheide sind wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie werden daher aufgehoben (s. dazu unter Nr. 3). Indes ist die Satzungsregelung, auf deren Grundlage diese Bescheide ergingen, gültig und nicht mangels hinreichender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (s. dazu unter Nr. 1) und erlaubt auch die Sanktion eines endgültigen Prüfungsausschlusses und damit die Beendigung des Studienganges (s. dazu unter Nr. 2). |
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| 1. Die angefochtenen Bescheide sind auf § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO gestützt, Für den vorliegenden Fall des Ausschlusses von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen und der Aberkennung des Prüfungsanspruchs durch Entscheidungen vom 12.08.2009 und vom 02.11.2009 ist dessen maßgebliche Fassung die nach Änderung der Prüfungsordnung am 27.09.2004 (Mitteilungsblatt des Rektors vom 29.09.2004 S. 523). § 11 Abs. 4 Satz 1, 2 und 5 dieser Fassung sind mit der ursprünglichen Fassung dieser Sätze - § 11 Abs. 3 Satz 1, 2 und 3 der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät vom 22.04.1999 (Amtsblatt „Wissenschaft, Forschung und Kunst“ 1999, 205 - PO 1999 -) - identisch und haben folgenden Wortlaut: „Versucht der Prüfling, das Ergebnis seiner Prüfungsleistungen durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen, wird die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet. Ein Prüfling, der den ordnungsgemäßen Ablauf der Prüfung stört, kann von der jeweiligen Prüferin bzw. dem Prüfer oder Aufsichtsführenden von der Fortsetzung der Prüfungsleistung ausgeschlossen werden; in diesem Fall wird die betreffende Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet. In schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen.“ |
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| Diese Regelung ist gültig, denn sie beruht auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. |
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| a) Der Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen wirkt sich unmittelbar und schwerwiegend auf das Grundrecht auf Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, aus. Eine solche Sanktion bedarf daher einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. |
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| Rechtsgrundlage der Prüfungsordnung der Beklagten für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre vom 22.04.1999 ist nach ihrer Eingangsformel § 51 Abs. 1 Satz 2 des Universitätsgesetzes (UG), wonach Hochschulprüfungsordnungen Satzungen sind, die der Zustimmung des Wissenschaftsministeriums bedürfen. Nach dessen Absatz 2 Satz 1 in der jedenfalls seit Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes vom 10.01.1995 (GBl. S. 1) bis zur nachfolgenden Neubekanntmachung vom 01.02.2000 (GBl. S. 208) insoweit unveränderten Form müssen Hochschulprüfungsordnungen u.a. auch regeln 1. den Zweck der Prüfung, 3. die Anforderungen in der Prüfung, 4. Art, Zahl und Umfang der Prüfungsleistungen, dann 9. „den Ablauf des Prüfungsverfahrens, insbesondere den Beginn, die Gliederung, die Dauer des Prüfungsverfahrens, die Prüfungstermine und Prüfungsfristen und die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“ und weiter 11. „die Wiederholbarkeit einer nicht bestandenen Prüfung und die dafür geltenden Fristen“. |
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| Auch wenn dieses Gesetz in der Zwischenzeit außer Kraft getreten ist, ist dies für die Geltung der Prüfungsordnung ohne Bedeutung, soweit sie ursprünglich ordnungsgemäß erlassen wurde (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.12.1958 - 1 BvR 488/57 -, BVerfGE 9, 3, vom 25.07.1962 - 2 BvL 4/62 -, BVerfGE 14, 145, und vom 23.03.1977 - 2 BvR 812/74 -, BVerfGE 44, 216 und Senatsurteil vom 23.10.2012 - 9 S 2188/11 -, S. 10 f.). Die Überleitungsvorschrift zum am 06.01.2005 in Kraft getretenen Landeshochschulgesetz (Art. 27 § 18 Zweites Hochschulrechtsänderungsgesetz vom 01.01.2005, GBl. 1, 73) sieht in ihrem Absatz 1 vor, dass Hochschulprüfungsordnungen bis spätestens 30.09.2006 an die Bestimmungen des Landeshochschulgesetzes anzupassen sind. Anderenfalls treten „diejenigen Regelungen außer Kraft, die denjenigen des Landeshochschulgesetzes und den zur Ausführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen widersprechen“, Art. 27 § 18 Abs. 1 Satz 2 2. HRÄG. Daraus folgt, dass die hier in Rede stehende Prüfungsordnung auch über den 30.09.2006 hinaus weitergilt, wenn sie den Regelungen des Landeshochschulgesetzes nicht widerspricht. |
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| b) Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 LV kann eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden. Die Anforderungen an den Erlass einer universitären Satzung durch den Senat als Kollegialorgan einer zur Selbstverwaltung berufenen Körperschaft (§ 11 Nr. 2, § 19 Abs. 1 Satz 1 UG i.V.m. § 5 Abs. 1 UG) können insoweit über die Anforderungen an den Erlass einer Rechtsverordnung durch die Exekutive, wie sie in Art. 61 Abs. 1 LV genannt sind und - bezogen auf den insoweit wortgleichen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG - den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 03.11.1982 (- 2 BvL 28/81 -, BVerfGE 62, 203, 209) und vom 14.03.1989 (- 1 BvR 1033/82 u.a. -, BVerfGE 80, 1, 20 f.) zugrunde liegen, nicht hinausgehen. |
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| Nach dem ebenfalls zu beachtenden Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ist der Gesetzgeber zudem verpflichtet, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung oder auch einem universitären Gremium wie dem Senat der Beklagten zu überlassen, das nicht in vergleichbarer Weise wie das Parlament durch demokratische Wahlen legitimiert ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976 - VII B 157.76 -, Buchholz 421.0 Nr. 78; BVerfG, Beschluss vom 20.10.1981 - 1 BvR 640/80 -, BVerfGE 58, 257, 274 f.; BVerwG, Urteil vom 01.06.1995 - 2 C 16/94 -, BVerwGE 98, 324, 327; Bay VGH, Urteil vom 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 -, BayVBl 2004, 597). Schon aus der Ermächtigung muss für den Bürger erkennbar und vorhersehbar sein, was ihm gegenüber zulässig sein soll. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG, Eingriffe nur aufgrund eines Gesetzes zulässig sind. Der Gesetzgeber soll im Bereich der Grundrechtsausübung die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und, sofern Einzelregelungen einer Verordnung überlassen bleiben, die Tendenz und das Programm schon insoweit umreißen, dass sich der Zweck und der mögliche Inhalt der Verordnung bestimmen lassen (BVerfG, Beschluss vom 14.03.1989, a.a.O.). |
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| Dem sich daraus ergebenden Bestimmtheits- und zugleich Wesentlichkeitsgebot ist jedoch Genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestaltung einer untergesetzlichen Norm, wie hier einer universitären Prüfungsordnung in Gestalt einer Satzung des Senats, mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze, insbesondere aus dem Zweck der Norm und dem Sinnzusammenhang erschließen lassen. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem Gesetz insgesamt ermitteln lassen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.11.1982, a.a.O., und vom 14.03.1989, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O., und BayVGH, Urteil vom 19.03.2004 a.a.O.). Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann - vor allem zur Bestätigung der Auslegung - herangezogen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1966 - 2 BvR 424/63 -, BVerfGE 19, 354, und Senatsurteil vom 23.10.2012 - 9 S 2188/11 -, Urteilsumdruck S. 11). |
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| c) § 51 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 UG genügt diesen Vorgaben. Universitäre Prüfungen dienen ganz allgemein dazu, festzustellen, ob der Studierende „bei Beurteilung seiner individuellen Leistung“ das Ziel des Studienabschnitts oder des Studiums insgesamt erreicht hat (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 UG; ähnlich § 30 Abs. 1 LHG). Daraus folgt unmittelbar, dass alle Manipulationen, die dazu geeignet sind, die individuelle Leistung zu verschleiern, einen Verstoß gegen Prüfungsvorschriften darstellen. Damit sind in Prüfungsordnungen vorgesehene Sanktionen als Folge von Täuschungsversuchen jedenfalls dann, wenn sie - wie regelmäßig - dazu dienen, eine bessere Bewertung zu erlangen, als es der tatsächlichen eigenen Leistung entspricht, von der Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 UG gedeckt. |
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| Dies gilt nicht nur dann, wenn sich die Sanktion auf die Bewertung der konkreten Einzelleistung als mangelhaft oder ihre Nichtbewertung beschränkt, sondern umfasst auch weitergehende Eingriffe in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG, soweit sie sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit halten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist als tragendes Prinzip öffentlicher Verwaltung bei jeglichem Eingriff in subjektive Rechtspositionen zu beachten (vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rn. 41 [Stand 2001]). Er ist daher auch ohne besonderen Hinweis bei der Umsetzung jeder Ermächtigung zum Eingriff in subjektive Rechte zu beachten (vgl. allg. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.). Aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, der ein tragendes Prinzip des Prüfungsrechts darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.03.1989, a.a.O.; vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.12.1976, a.a.O.; OVG Berlin-Bbg, Beschluss vom 07.11.2011 - OVG 10 N 21.09 -, Juris Rn. 5 u. 6), folgt unmittelbar, dass massive Verstöße, durch die sich ein Prüfling auf drastische Weise einen erheblichen, ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den anderen Prüflingen zu verschaffen sucht, auch durch drastische Sanktionen geahndet werden können (vgl. BayVGH, Urteil vom 19.03.2004, a.a.O., BayVBl 2004, 597; im Ergebnis ebenso Sächs. OVG, Urteil vom 18.08.2010 - 2 A 142/09 -, NVwZ-RR 2011, 152, 153, und Nds. OVG, Beschluss vom 31.03.2011 - 2 LA 343/10 -, Juris). Die „Höchststrafe“ eines endgültigen Verlustes des Prüfungsanspruchs und damit der Beendigung einer Ausbildung ohne Abschluss ist daher dem Wesen des Prüfungsrechts immanent und folgt unmittelbar aus Sinn und Zweck des Prüfungswesens als Weg zur Feststellung individueller Leistung. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber, indem er in § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 UG als Inhalt von Prüfungsordnungen auch Aussagen über „die Wiederholbarkeit einer nicht bestandenen Prüfung und die dafür geltenden Fristen“ vorsah, offenbar auch die Möglichkeit eines vollständigen Verlusts des Prüfungsanspruchs - hier durch Versagen eines nochmaligen Prüfungsversuchs - im Blick hatte. Überdies könnte eine detaillierte Vorgabe des Gesetzgebers selbst an den Satzungs- oder Verordnungsgeber in der Sache kaum etwas anderes als einen ausdrücklichen Hinweis auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip (etwa: in besonders schweren Fällen kann auch der Verlust des Prüfungsanspruchs insgesamt festgestellt werden) darstellen. |
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| Dass im schulischen Bereich darüber hinausgehende, strengere Anforderungen gelten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.10.1981 - 1 BvR 640/80 -, BVerfGE 58, 257 betreffend die Anforderungen an die Entlassung eines Schülers wegen unzureichender Leistungen), zwingt zu keiner abweichenden Einschätzung. Welche Bestimmtheitsanforderungen im einzelnen erfüllt sein müssen, ist nämlich von den Besonderheiten des jeweiligen Sachbereichs sowie von Gewicht und Wirkung der zu regelnden Maßnahmen abhängig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.11.1982 - 2 BvL 28/81 -, BVerfGE 62, 203, 210 zu Bestimmungen über die Durchführung der Steuerberaterprüfung). Der Ausschluss von weiteren Prüfungen im universitären Bereich mit der Folge eines möglichen Scheiterns in einem bestimmten Studiengang ist insoweit eher mit den Voraussetzungen an eine bestimmte Ausbildung als mit dem zwangsweisen Verlassen einer weiterführenden Schule wegen unzureichender Leistungen vergleichbar, die nicht nur das Erreichen eines bestimmten akademischen Abschlusses, sondern darüber hinaus den Zugang zu akademischer Bildung überhaupt in Frage stellt. Daher würde die vom Kläger aus rechtsstaatlichen Gründen geforderte gesetzliche Regelung zwar als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips der Klarstellung dienen, ist aber aus Rechtsgründen nicht geboten, denn sie versteht sich, wie dargestellt, im Prüfungsrecht bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Beachtung des Prinzips der Chancengleichheit von selbst. Dabei ist wesentlich im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG lediglich, dass diese Sanktion in schweren Fällen ausgesprochen werden kann. Ob der untergesetzliche Normgeber diese Sanktion auch tatsächlich vorsieht, kann ihm vorbehalten bleiben. |
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| d) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht (Hess. VGH, Beschluss vom 27.09.1995 - 1 UE 3026/94 -, NVwZ-RR 1996, 654; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 19, 30; Beaucamp/Lang, JA 2004, 213, 214) bedarf es auch für den Fall einer Sanktion, die zum Verlust des gesamten Prüfungsanspruchs und damit zur Beendigung des Studiums führt, somit jedenfalls dann keiner gesonderten ausdrücklichen Festlegung durch ein förmliches Gesetz, wenn sich eine solche Sanktion aus dem Wortlaut der Ermächtigung im Zusammenhang Ziel und Zweck des ermächtigenden Gesetzes insgesamt unter Beachtung tragender Grundsätze des Prüfungsrechts wie der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip herleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwanglos ergibt. Dies war in dem vom hessischen Verwaltungsgerichtshof zu entscheidenden Fall nicht in mit der vorliegenden Konstellation vergleichbarer Weise gegeben. Anders als hier beschränkte sich dort die Ermächtigung darauf, „die zur Durchführung der Prüfungen erforderlichen Rechtsverordnungen“ zu erlassen. Damit war die Möglichkeit der Sanktionierung eines Verstoßes gegen die Prüfungsvorschriften, etwa durch Täuschung, jener Formulierung nicht unmittelbar zu entnehmen. |
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| 2. § 11 Abs. 3 Satz 3 PO 1999 (= § 11 Abs. 4 Satz 5 der aktuellen DPO) sieht „in schwerwiegenden Fällen“ den „Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen“ vor. Diese Sanktion geht über die in Satz 1 des Absatzes genannte Sanktion der Bewertung der Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ ersichtlich hinaus. Sie führt dazu, dass der Prüfling jedenfalls bei schriftlichen Prüfungsleistungen auf die Wiederholungsmöglichkeiten des § 22 DPO verwiesen ist. Die schwerere Sanktionierung muss daher einschneidender wirken als ein Zwang zur Wiederholung einer bestimmten Prüfungsleistung. Als nächste Stufe kommt nach dem Wortlaut der Norm theoretisch der endgültige Verlust einer Prüfungsmöglichkeit in einem bestimmten Prüfungsfach in Betracht. Dieser Verlust würde jedoch dazu führen, dass die Diplomprüfung insgesamt nicht bestanden ist, da der schriftliche Teil der Diplomprüfung wie auch die Diplomprüfung überhaupt nur dann als bestanden gelten kann, wenn sämtliche Teile, und sei es nach der zweiten Wiederholungsprüfung, bestanden sind (vgl. § 22 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 1, § 24 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 DPO). Daraus folgt, dass der „Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen“ den Verlust des Prüfungsanspruchs insgesamt bedeutet, jedenfalls soweit es um einen Täuschungsversuch in einer schriftlichen Prüfung geht. Denn wenn ein Studierender eine nach der Prüfungsordnung erforderliche studienbegleitende Prüfungsleistung endgültig nicht bestanden hat, erlischt die Zulassung zu diesem Studiengang (§ 32 Abs. 1 Satz 5 LHG) mit der Folge, dass er nicht mehr zu einer Prüfung zugelassen werden kann (§ 32 Abs. 1 Satz 4 LHG). Dies entspricht auch dem Wortsinn, wonach dieser Ausschluss allgemein gilt und nicht auf bestimmte weitere Prüfungsleistungen beschränkt ist (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 17.06.2009 - 15 K 5332/07 -, Juris). |
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| Entgegen der Ansicht des Klägers kann ein „schwerwiegender Fall“ im Sinne von § 11 Abs. 4 Satz 5 PO auch schon dann vorliegen, wenn es lediglich um einen Täuschungsversuch in einer einzelnen Prüfung geht. Er ist nicht auf ein Fehlverhalten in einer Abschlussprüfung beschränkt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass alle zur Erlangung des Diploms im Studiengang Volkswirtschaftslehre erforderlichen Prüfungen studienbegleitend erfolgen und Einfluss auf die Abschlussnote haben (§ 19 Abs. 1 DPO). |
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| 3. Die angefochtenen Bescheide sind jedoch als rechtswidrig aufzuheben, da eine Ermessensausübung des zur Entscheidung berufenen Prüfungsausschusses (§ 11 Abs. 4 und Abs. 5 DPO) nicht erkennbar ist und auch eine Ermessensreduktion auf Null nicht angenommen werden kann. |
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| a) Nach § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO „kann“ der Prüfungsausschuss den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausschließen. Damit ist der Prüfungsausschuss nicht nur zu einer entsprechenden Entscheidung ermächtigt, sondern er ist auch gehalten, Ermessen auszuüben, also den Zweck der Ermächtigung zu beachten und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (vgl. § 40 LVwVfG). Ermessensfehler liegen dann vor, wenn die zuständige Behörde den Zweck des ihr eröffneten Ermessens verkennt, insbesondere relevante Tatsachen nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen anstellt, den ihr gesetzten Rahmen, etwa durch unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Maßnahmen, überschreitet oder gar kein Ermessen ausübt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 12 Aufl. 2011, § 40 Rn. 58 ff.). Eine fehlerhafte oder unvollständige Ermessensentscheidung kann jedenfalls noch bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz durch Nachholen einer fehlerfreien Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn. 68 ff.). Jedoch kann die zuständige Behörde ihre Ermessenerwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich „ergänzen“ (§ 114 Satz 2 VwGO), was ein erstmaliges Ausüben von Ermessen zu diesem Zeitpunkt ausschließt (BVerwG, Urteil vom 05.09.2006 - 1 C 20/05 -, NVwZ 2007, 470, und Beschluss vom 14.01.1999 - 6 B 133/98 -, NJW 1999, 2912; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.07.2008 - 11 S 2889/07 -, VBlBW 2009, 264, 270; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar 3. Aufl. 2010 § 114 Rn. 207 f.; Stuhlfauth in: Bader, VwGO, Kommentar, 5. Aufl. 2011, § 114 Rn. 55). |
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| Ermessenserwägungen sind regelmäßig der Begründung der Entscheidung zu entnehmen. Sie können sich aber auch aus anderen Umständen, etwa dem Akteninhalt ergeben. Die Beweislast für eine rechtmäßige Ermessensausübung liegt bei der Behörde (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 40 Rn. 58). |
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| b) Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Bescheid des Prüfungsausschusses der Beklagten vom 12.08.2009 „über das endgültige Nichtbestehen der Diplomprüfung“ nach einer kurzen Sachverhaltsschilderung auf den Satz „Der Prüfungsausschuss hat in seiner Sitzung am 12.08.2009 beschlossen, dass Sie mit sofortiger Wirkung aufgrund eines schwerwiegenden Falles von der Erbringung weiterer wirtschaftswissenschaftlicher Prüfungsleistungen der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gemäß § 11 Absatz 4 Satz 4(!) DPO ausgeschlossen werden.“ Zur Begründung des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2009 wird unter II. der Sachverhalt näher dargestellt und daraus folgender Schluss gezogen: „Sie haben insoweit einen Täuschungsversuch unternommen, da Sie jemand anderen beauftragt haben, in Ihrem Namen die Klausur Wirtschaftspolitik II anzufertigen und abzugeben. Der Prüfungsausschuss hat unter Würdigung der vorliegenden Umstände einen schwerwiegenden Fall festgestellt und Sie gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4(!) der Diplomprüfungsordnung der Universität Heidelberg für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre vom 22.04.99 i.d.F. vom 27.09.04 von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen ausgeschlossen. Sie haben damit Ihren Prüfungsanspruch für den Diplomstudiengang Volkswirtschaftslehre verloren. Der Widerspruch war deshalb zurückzuweisen.“ |
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| Damit lassen die genannten Bescheide Ermessenserwägungen nicht erkennen. Das bei den Akten befindliche Protokoll der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 12.08.2009 enthält hinsichtlich der Person des Klägers im Rahmen des protokollierten Beschlusses lediglich die Feststellung, dass es sich „um einen besonders schweren Fall eines Täuschungsversuchs gemäß § 11 DPO“ handele. Das Protokoll der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 14.10.2009, zu der der Widerspruch des Klägers und dessen Begründung vom 30.09.2009 vorlagen, befindet sich nicht in den Akten. Aus dem Schreiben des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses an die Universitätsverwaltung vom 27.10.2009 geht lediglich hervor, dass der Prüfungsausschuss „in der Sitzung vom 14.10.2009 beschlossen (habe), dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Der Widerspruch von Herrn A. S. liefert keinen stichhaltigen Anhaltspunkt für eine veränderte Sachlage.“ Damit ergeben sich auch keine Ermessenserwägungen aus zugänglichen Akten. Die bloße Bezeichnung des Fehlverhaltens des Klägers als „besonders“ schwerer Fall reicht hierfür nicht aus, auch wenn im Schriftsatz der Beklagten im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe - 7 K 139/10 - vom 26.01.2010 die Entscheidung als Ermessensentscheidung angesehen und mit dem Hinweis verteidigt wird, nach Ansicht des Prüfungsausschusses sei der vorliegende Sachverhalt so schwerwiegend, dass die ausgesprochene Rechtsfolge auch verhältnismäßig sei. Sie lässt noch nicht einmal erkennen, dass sich der Prüfungsausschuss des Charakters seiner Entscheidung als Ermessensentscheidung bewusst war. |
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| c) Dieses Fehlen von Ermessenserwägungen wäre nur dann unschädlich, wenn es hierauf nicht ankäme, also unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine andere als die getroffene Entscheidung rechtmäßig sein könnte. Eine solche Ermessensreduzierung „auf Null“ kann nach Ansicht des Senats aus allgemeinen Erwägungen, aber auch wegen der Besonderheiten des konkreten Falles nicht angenommen werden. |
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| Wie unter 1. ausgeführt, ist die Regelung über Sanktionsmöglichkeiten bei Täuschungen und Täuschungsversuchen in § 11 Abs. 4 DPO Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Verbindung mit dem das Prüfungswesen beherrschenden Prinzip der Chancengleichheit, die je nach Schwere des Verstoßes auch eine Differenzierung in der Schwere der Sanktion fordern. Weil dem so ist, genügt die Ermächtigung zum Erlass der hier in Rede stehenden Prüfungsordnung in § 51 Abs. 1 Satz 2 mit Abs. 2 Satz 1 UG (und vergleichbar auch in § 36 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 LHG) dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und seiner Ausgestaltung durch die Wesentlichkeitslehre. Diese Forderung nach Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit setzt sich in der Anwendung der Norm selbst - hier § 11 Abs. 4 DPO - fort. Ein Automatismus derart, dass bei schwerwiegenden Fällen des § 11 Abs. 4 DPO ein Ausschluss von weiteren Prüfungsleistungen „erfolgt“, dürfte im Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Daher hat die Ausübung dieses durch das Wort „kann“ eröffneten Ermessens hier besondere verfassungsrechtliche Bedeutung. Eine Beendigung des Studiums in einem bestimmten Studiengang ist nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Entscheidung verhältnismäßig ist, wobei nicht nur der konkrete Sachverhalt des Täuschungsvorgangs, sondern auch die Folgen für den Betroffenen in den Blick zu nehmen sind. Hierbei spielen auch die persönlichen Umstände, u.a. das Stadium, in dem der betreffende Studiengang abgebrochen wird, eine Rolle. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass es sich beim vom Kläger besuchten Studiengang um einen Diplomstudiengang handelt, der so bei der Beklagten und auch verbreitet in Deutschland nicht mehr angeboten wird, so dass, anders als in anderen Fällen, eine Fortsetzung des Studiums an einer anderen Universität zusätzlich erschwert wird. Angesichts dieser Umstände könnte eine Ermessensreduzierung auf Null nur in besonders schweren Fällen angenommen werden, in denen bereits im Ansatz eine andere Entscheidung undenkbar erscheint und es deshalb auf die konkreten Folgen nicht mehr ankommen kann. |
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| Einen solchen besonders schweren Fall erkennt der Senat im hier zu beurteilenden Verhalten des Klägers nicht, auch wenn das Einschalten einer anderen Person und insbesondere das Festhalten von Bediensteten der Beklagten, um der - unbekannt gebliebenen - Person das Verlassen des Universitätsgeländes und damit das Sich-Entziehen vor weiteren Ermittlungen eine erhebliche kriminelle Energie belegt. Dieses Vorgehen und der Versuch, die genauen Umstände des Täuschungsvorgehens zu vertuschen, hebt den Vorfall aus der Zahl der „gewöhnlichen“ Täuschungen heraus und macht ihn gewiss zu einem „schwerwiegenden“ Fall. Dies kann jedoch, wie dargestellt, noch nicht dazu führen, dass der Kläger ungeachtet aller weiteren Umstände zwingend mit der schwersten Sanktion zu belegen wäre. Das Ermessen war daher eröffnet und zu betätigen, da ein Extremfall, bei dem ein Ausblenden für den Kläger sprechender persönlicher wie allgemein-sachlicher Umstände wegen Ermessensreduzierung gerechtfertigt wäre, (noch) nicht vorliegt. |
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| d) Dies bedeutet zugleich, dass bei Berücksichtigung aller maßgeblichen und hier auch genannten Umstände eine Sanktion, wie sie in § 11 Abs. 4 Satz 5 DPO möglich gemacht wird, zu Recht von der Beklagten ausgesprochen werden kann, auch wenn nicht völlig geklärte Umstände bei einer vorangegangenen Klausur, wie von der Beklagten vorgetragen, unberücksichtigt geblieben sind. |
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| Beschluss vom 21. November 2012 |
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| Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. II.18.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327) auf 15.000,-- EUR festgesetzt. |
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