Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 31. März 2014 - 2 S 2366/13

bei uns veröffentlicht am31.03.2014

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2013 - 1 K 437/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag.
Der Kläger ist seit 1977 Eigentümer des unbebauten, 841 m² großen Grundstücks FIst.-Nr. 3762/3 der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981, der für das Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. 1982/83 wurde im Zuge der Erschließung des Gebietes die Wasserversorgungsleitung in der vor dem Grundstück des Klägers verlaufenden öffentlichen Straße verlegt. Dabei wurde auch ein „Blindanschluss“ für das Grundstück des Klägers hergestellt.
Die Beklagte hatte die Entgeltzahlungen für die Versorgung mit Trinkwasser seit Mitte der 70er Jahre privatrechtlich geregelt. Am 09.11.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung - WVS -). Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 WVS trat diese Satzung am 01.01.2007 in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 WVS betreibt die Beklagte die Wasserversorgung seither als öffentliche Einrichtung. Nach § 25 WVS erhebt sie zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen einen Wasserversorgungsbeitrag.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 - zugestellt am 20.12.2011 - setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für das Grundstück Flst.-Nr. 3762/3 einen Wasserversorgungsbeitrag in Höhe von 2.222,68 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurück.
Am 15.03.2013 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.09.2013 abgewiesen hat. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Für das veranlagte Grundstück sei die abstrakte Beitragsschuld entstanden. Bei dem Grundstück handele es sich um Bauland, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" liege. Für ein solches Grundstück entstehe die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden könne (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; §§ 36 Abs. 1 Nr. 1, 26 Abs. 2 WVS). Die Anschlussmöglichkeit bestehe hier bereits seit 1982/83. Nach dem Vortrag der Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung in das unbebaute Grundstück gelegt worden, die allerdings verschlossen worden sei (sogenannter Blindanschluss).
Die Entstehung der abstrakten Beitragsschuld setze ferner das Vorliegen einer gültigen Satzung voraus (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG). Auch diese Voraussetzung sei mit Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 erfüllt. Die Beklagte habe mit Erlass dieser Satzung die Beitragspflicht auch mit Wirkung für das Grundstück des Klägers begründen können, obwohl die Anschlussmöglichkeit zu einem Zeitpunkt geschaffen worden sei, als die Beklagte über keine Wasserversorgungssatzung verfügt habe. Das Kommunalabgabengesetz enthalte keine Vorschriften, denen entnommen werden könne, dass anschließbare Baugrundstücke, die die Vorteilslage bereits vor Inkrafttreten der Satzung erhalten hätten, von der Beitragspflicht ausgenommen seien. § 32 Abs. 2 KAG betreffe lediglich Grundstücke, die schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätten angeschlossen werden können, jedoch noch nicht angeschlossen worden seien. Diese Fallkonstellation liege hier jedoch nicht vor, da das Grundstück des Klägers erst 1982/83 die Anschlussmöglichkeit erhalten habe.
Die Beitragsschuld sei auch nicht durch Erfüllung erloschen. Unstreitig sei gegenüber dem Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides für das streitige Grundstück kein Wasserversorgungsbeitragsbescheid ergangen. Der Kläger behaupte lediglich, die Beklagte habe ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses verlangt, das er auch entrichtet habe. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses für das veranlagte Grundstück habe er jedoch keine Nachweise vorgelegt. Demgegenüber habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die Sachkontenblätter der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. Dort seien alle geforderten Baukostenzuschüsse einzeln aufgeführt. Die in den Sachkontenblättern aufgeführten drei Zahlungen des Klägers über 2.000,-- DM (11.06.1982), über 626,-- DM (18.08.1982) und über 451,14 DM (31.12.1982) bezögen sich auf drei Belege, die aber nicht das veranlagte Grundstück beträfen. In den Rechnungsbelegen würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus ziehe die Beklagte zutreffend den Schluss, dass die Zahlungen nur die beiden bebauten Grundstücke des Klägers (FIst.-Nrn. 3792/2 und 3792) betreffen könnten. Dieser Darstellung sei der Kläger nicht mehr entgegengetreten. Unabhängig davon trage er nach allgemeinen Grundsätzen für den Einwand der Erfüllung die materielle Beweislast.
Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO betrage die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginne gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Da die abstrakte Beitragsschuld hier am 01.01.2007 entstanden sei, habe die Festsetzungsfrist am 01.01.2008 begonnen zu laufen und am 31.12.2011 geendet. Diese Frist sei mit Erlass des angefochtenen Wasserversorgungsbeitragsbescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, den der Kläger am 20.12.2011 erhalten habe.
Die Beklagte habe ihr Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags auch nicht verwirkt. Auch dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen sei, berühre die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung nicht. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte Ende 2006 dazu entschlossen habe, die bis dahin praktizierte privatrechtliche Entgeltregelung aufzugeben und künftig zur Finanzierung ihrer öffentlichen Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben zu erheben. Eine solche Umstellung sei von der Organisationsgewalt der Beklagten gedeckt. Es treffe nicht zu, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 privatrechtliche Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger bereits verjährt gewesen seien. Denn der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Anschlussnehmer gewesen. Da sein Grundstück bis heute unbebaut sei, habe es an einer Verbindung des Verteilungsnetzes mit einer Anlage des Klägers gefehlt.
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Ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, neben der grundsätzlich maßgeblichen AVBWasserV eigene allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser aufzustellen, könne offen bleiben. Ein zivilrechtlicher Anspruch nach den AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 sei ebenfalls nicht entstanden. Nr. 3.6 der AVB-Wasser sehe zwar vor, dass das städtische Wasserwerk der Beklagten berechtigt sei, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge" für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Alle Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 zur Ermittlung des „Wasserversorgungsbeitrags" ließen jedoch eindeutig erkennen, dass für unbebaute Grundstücke, deren Bebauung auch nicht unmittelbar bevorstehe, das Entgelt nicht berechnet werden könne. Alle Bestimmungen stellten nämlich auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück ab.
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Entgegen der Auffassung des Klägers folge auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) nicht, dass die Beitragserhebung im vorliegenden Fall rechtswidrig sei. Allein die Tatsache, dass zwischen der Verschaffung der Vorteilslage und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag hier nahezu 30 Jahre verstrichen seien, könne die Rechtswidrigkeit nicht begründen. Der Kläger habe 1982/83 durch die Anschlussmöglichkeit einen dauerhaften Vorteil erhalten. Diese Vorteilslage dauere bis heute an. Sie ermögliche es dem Kläger, sein Grundstück baulich zu nutzen. Dass er bis zum Erlass der Wasserversorgungssatzung keinen privatrechtlichen Baukostenzuschuss zu entrichten gehabt habe, liege allein daran, dass er von der Anschlussmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Es sei für ihn nach den Bestimmungen der AVBWasserV ohne weiteres erkennbar gewesen, dass er einen Baukostenzuschuss zu entrichten habe, sobald er auf seinem Grundstück eine Anlage errichte und diese mit dem öffentlichen Versorgungsnetz verbinde. Dies gelte umso mehr, als er für seine beiden bebauten Grundstücke im Jahr 1982 derartige Baukostenzuschüsse entrichtet habe.
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Der Kläger hat am 11.11.2013 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet: Für sein Grundstück bestehe seit dem Jahr 1982 eine Anschlussmöglichkeit. Die Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 sei ohne Rückwirkung am 01.01.2007 in Kraft getreten. Deshalb falle der Tatbestand der Anschlussmöglichkeit nicht in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Satzung. Damit sei die sachliche Beitragsschuld auf der Grundlage dieser Satzung nicht entstanden. Es liege ein bereits abgeschlossener Sachverhalt vor, denn die Vorteilslage für sein Grundstück sei bereits 1982/1983 entstanden. Damals sei die Versorgung mit Trinkwasser privatrechtlich geregelt gewesen. Nach Nr. 3.6 AVB-Wasser der Beklagten sei diese berechtigt gewesen, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten Wasserversorgungsbeiträge für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Daraus folge, dass die sachliche Beitragsschuld hier 1982/1983 entstanden sei. Die Beitragshöhe habe sich nach der maximalen Nutzungsmöglichkeit gerichtet. Seiner Erinnerung nach sei die Beitragsschuld auch beglichen worden. Entsprechende Belege seien nach nunmehr 30 Jahren bei ihm jedoch nicht mehr auffindbar. Die Beweislast liege bei der Beklagten. Aus dem Gesamtzusammenhang gehe hervor, dass zwischen ihm und der Beklagten ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis bestanden habe. Da die Beklagte einen Anschluss tatsächlich hergestellt habe, sei davon auszugehen, dass auch ein entsprechender Antrag gestellt und ein Vertragsverhältnis - jedenfalls durch konkludente Handlungen - begründet worden sei. Andernfalls hätte die Beklagte das Grundstück zur Herstellung des Grundstücksanschlusses zu Unrecht betreten.
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Selbst wenn man davon ausgehe, dass 1982/1983 die entstandene Beitragsschuld weder festgesetzt noch gezahlt worden sei, sei diese Schuld inzwischen veranlagungsverjährt. Er verweise auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Danach sei für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden könnten, verfassungsrechtlich geboten. Hier liege der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung, nämlich der tatsächliche Anschluss, 30 Jahre zurück. Die Auffassung der Beklagten würde es ermöglichen, den Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze unendlich hinauszuschieben. Damit würde der Interessenkonflikt einseitig zu Lasten der Abgabenschuldner gelöst. Die Verjährung könne nämlich unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen. Die sachliche Beitragspflicht sei hier im zeitlichen Geltungsbereich der AVB-Wasser im Jahr 1982 entstanden. Eine erneute Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nach Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung scheide bereits im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung aus.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.09.2013 - 1 K 437/13 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 aufzuheben,
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie führt zur Begründung aus: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Gemäß § 32 Abs. 1 KAG entstehe die Beitragsschuld, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Beide Voraussetzungen müssten gleichzeitig vorliegen. Die Wasserversorgungssatzung der Beklagten sei am 01.01.2007 in Kraft getreten. Vor Inkrafttreten der Satzung sei das Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet gewesen. Gemäß § 9 AVB-WasserV sei das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuss zu verlangen. Ziffer 3.6 AVB-Wasser i.V. mit Ziffer 1 der Anlage 2 konkretisiere die Höhe des Baukostenzuschusses. Daraus ergebe sich, dass Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragsschuld damals stets gewesen sei, dass das maßgebliche Grundstück tatsächlich an die Versorgungsleitungen angeschlossen gewesen sei. Dies sei beim Grundstück des Klägers nicht der Fall gewesen. Es gebe keine Unterlagen über einen Anschluss des Grundstücks oder einen bezahlten Baukostenzuschuss. Von einem tatsächlichen Anschluss könne erst ausgegangen werden, wenn das Grundstück über eine Hausanschlussleitung dauerhaft und betriebsfertig verbunden sei. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Anschluss verschlossen worden sei. Das Grundstück des Klägers besitze lediglich einen solchen „Blindanschluss“. Der Hinweis des Klägers auf die Regelung unter Ziffer 3.6 AVB-Wasser bleibe ohne Erfolg. Die Möglichkeit einer Heranziehung vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten habe damals nur bestehen können, wenn die Anschlussarbeiten zeitnah erfolgten, also konkret geplant seien. Bis zum Inkrafttreten der Versorgungssatzung habe es an den rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Beteiligung des Klägers an den Kosten für die Errichtung der sein Grundstück unstreitig erschließenden Wasserversorgungsleitungen gefehlt. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu einer teilweisen Kostentragung herangezogen zu werden.
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Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte unter dem 17./18.02.2014 mitgeteilt: Auch nach nochmaliger Überprüfung sei weder ein Antrag noch eine entsprechende Annahmeerklärung auffindbar. Anträge auf Wasserversorgung aus dem Zeitraum 1982/83 seien größtenteils nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist entsorgt worden. Die Erschließung eines Baugebiets mit der Hauptleitung und den Grundstücksanschlüssen im öffentlichen Straßenraum („Blindanschlüsse“) erfolge im Vorfeld unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung. Um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, würden die Grundstücksanschlüsse häufig - wie auch im vorliegenden Fall - in das Privatgrundstück hinein verlängert. Bei einer geplanten Bebauung stelle der Eigentümer einen Antrag auf Anschluss an die Wasserversorgung. Wenn ein Vertragsverhältnis bestehe, installiere die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung. Nach den von dem Kläger vorgelegten Fotografien habe sich hier auf dem Anschluss noch die Endkappe (ohne Entnahmemöglichkeit) befunden. Vergleichbare (Blind-) Anschlüsse seien in vergleichbaren Fällen routinemäßig hergestellt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
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Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
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Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
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a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
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b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
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c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
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Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
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Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
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3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
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a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
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b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
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aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
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bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
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Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
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cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
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Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
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Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
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Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
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dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
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Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
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Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
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5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
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6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

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(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. März 2009 - 5 K 3734/08 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Geltendmachung von Abschiebungskosten durch den Beklagten.
Die am … 1968 geborene Klägerin war ursprünglich rumänische Staatsangehörige. Seit 2007 besitzt sie die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie reiste am 07.10.1989 in die Bundesrepublik ein und stellte einen Antrag auf ihre Anerkennung als Asylberechtigte, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 05.02.1991 ablehnte. Ihre hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 15.08.1991 - A 6 K 8266/91 - ab. Mit Bescheid vom 11.03.1991 drohte die Stadt Geislingen an der Steige der Klägerin die Abschiebung in ihr Heimatland an, falls sie nicht innerhalb von zwei Wochen die Bundesrepublik verlasse. Am 11.11.1991 wurde die Klägerin nach Rumänien abgeschoben. Am 25.01.1992 heiratete sie in Rumänien einen deutschen Staatsangehörigen und reiste im Wege der Familienzusammenführung am 31.08.1992 erneut in das Bundesgebiet ein, wo sie sich seither bis zu ihrer Einbürgerung rechtmäßig als Ausländerin aufhielt.
Mit Bescheid vom 24.09.2008 setzte das Regierungspräsidium Stuttgart für die am 11.11.1991 durchgeführte Abschiebung der Klägerin nach Bukarest Kosten in Höhe von 744,27 EUR fest, die sich aus Polizei-/Transportkosten der Polizeidirektion Göppingen in Höhe von 215,59 EUR und Flugkosten in Höhe von 528,68 EUR zusammensetzen.
Die Klägerin hat am 01.10.2008 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Sie beruft sich darauf, dass die Forderung verjährt oder zumindest verwirkt sei. Sie halte sich seit dem Jahr 1992 rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies sei den Behörden von Anfang an bekannt gewesen. Eine Kostenerhebung nach erst 16 Jahren sei nicht rechtmäßig. Zudem sei nicht ersichtlich und belegt, wie sich der Betrag der Abschiebungskosten zusammensetze. Seinerzeit hätten die Beamten von etwa 700,-- DM gesprochen, sie habe diese jedoch nicht bezahlen können, da die Abschiebung ohne Vorankündigung mitten in der Nacht erfolgt sei.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat vorgetragen: Die Verjährung von Ansprüchen auf Erstattung von Abschiebungskosten erfolge gemäß § 70 Abs. 1 AufenthG sechs Jahre nach Fälligkeit. Wenn die Behörde keinen späteren Zeitpunkt bestimme, würden die Kosten mit Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner gemäß der Regelung des § 17 VwKostG fällig. Daher beginne die Verjährungsfrist erst mit der Zustellung des Leistungsbescheids am 25.09.2008.
Mit Urteil vom 10.03.2009 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Leistungsbescheid aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Die durch die Abschiebung der Klägerin im Jahr 1991 entstandene Kostenschuld sei im Zeitpunkt der Geltendmachung durch den angefochtenen Leistungsbescheid verjährt gewesen. Wie das Verwaltungsgericht Karlsruhe (Beschluss vom 02.04.2008 und Urteil vom 29.07.2008 - 5 K 547/08 -) sei das Gericht der Auffassung, dass die aufenthaltsrechtlichen Spezialvorschriften mit der sechsjährigen Frist ab Fälligkeit nur die sogenannte Zahlungsverjährung regelten, nicht aber die Entstehungs- bzw. Festsetzungsverjährung, für welche ergänzend die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwKostG gelte. In der Literatur werde zwar angenommen, aus der Regelung einer pauschalen und undifferenzierten ausländerrechtlichen Sechsjahresfrist für die Verjährung folge, dass für eine Anwendung der günstigeren Vierjahresfrist für die Entstehungsverjährung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwKostG kein Raum mehr sei, weil diese die ihr zugedachte Funktion einer Begrenzung der Fälligkeitsverjährung nicht erfüllen könne. Dem könne sich die Kammer aber nicht anschließen. Zweck des § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwKostG sei es nicht, die dreijährige Fälligkeitsverjährung von Alt. 1 der Vorschrift zu begrenzen. Sie habe vielmehr einen eigenständigen Bezugsrahmen und knüpfe gerade nicht an die Fälligkeit, sondern schon an die Entstehung der Kostenschuld an. Diese Auffassung entspreche den einschlägigen allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungskostenrechts und der Abgabenordnung, in denen jeweils zwischen Entstehungs- bzw. Festsetzungs- und Fälligkeitsverjährung unterschieden werde. Sie trage auch allein dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung, denn die ausschließliche Anwendung der sechsjährigen Verjährungsfrist ab Fälligkeit würde dazu führen, dass es für die Festsetzung dieser Art von Kostenschuld überhaupt keine Verjährungsgrenze gäbe. Hierfür fänden sich keine Anhaltspunkte in den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens. Zu der Vorgängervorschrift des § 83 Abs. 4 AuslG 1990 heiße es, der neue Absatz 4 sei eine notwendige Ergänzung des § 83 AuslG, um die „Beitreibung“ von (u.a.) Abschiebungskosten zu erleichtern. Die Beitreibung sei jedoch ein Akt der Vollziehung und setze die Festsetzung der Kostenschuld voraus. In systematischer Hinsicht seien die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes ersichtlich nur ergänzender, zum Teil auch klarstellender Natur. Diese Auslegung des Verjährungstatbestands führe nicht etwa zu sachwidrigen Ergebnissen. Es sei nicht ersichtlich, dass Abschiebungskosten in ständiger Verwaltungspraxis typischerweise erst nach Ablauf von vier Jahren geltend gemacht würden. Sei der Betroffene ausgereist, sei die Verjährung regelmäßig gemäß § 70 Abs. 2 AufenthG unterbrochen. Zu Kostenausfällen könne es deshalb nur kommen, wenn beispielsweise die Ausreise des Betroffenen erst mehr als vier Jahre nach einer Vorführmaßnahme erfolgt sei. Im übrigen erscheine es keinesfalls als sachwidrig, mit der vierjährigen Frist zur Festsetzung der Kostenschuld der Behörde aufzugeben, über diese zeitnah zu entscheiden. Lediglich ergänzend weise das Gericht darauf hin, dass bei der vorliegenden individuellen Fallgestaltung wohl davon auszugehen sei, dass der Beklagte den Kostenerstattungsanspruch zudem verwirkt habe.
Der Beklagte hat am 08.04.2009 die - vom Verwaltungsgericht in seinem ihm am 18.03.2009 zugestellten Urteil zugelassene - Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er mit Schriftsatz vom 05.05.2009, der am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist, aus: Würde man der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen, liefe die ausländerrechtliche sechsjährige Verjährungsvorschrift praktisch ins Leere. Es sei nicht überzeugend, dass zwischen der Entstehungsverjährung und der Zahlungsverjährung unterschieden werde. Wenn der Gesetzgeber dies gewollt hätte, hätte er in § 70 Abs. 1 AufenthG denselben Hinweis wie in Abs. 2 aufgenommen. Dort sei der Verweis auf das VwKostG gerade aus Gründen der Klarstellung aufgenommen worden, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe. Überzeugender sei die in der Literatur vertretene Auffassung, wonach es hier keine absolute Verjährungsfrist gebe, die unabhängig von einer Geltendmachung durch die zuständige Behörde bereits durch die Entstehung in Lauf gesetzt werden solle. Die von der Verjährungsregelung erfassten Kosten nach § 67 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG seien gerade Kosten, die typischerweise weit vor einer Ausreise oder Abschiebung anfallen könnten. So könnten zwischen einer Vorführmaßnahme und den dabei entstehenden Kosten und der tatsächlichen Ausreise einige Jahre liegen. Insoweit spreche schon die Gesetzesbegründung zu § 83 Abs. 4 AuslG 1990 für diese Auffassung, auch wenn der Begriff „Beitreibung“ möglicherweise unglücklich gewählt worden sei. Der Gesetzgeber habe die Notwendigkeit erkannt, die Kostenregelung zu ergänzen, um die Geltendmachung von Kosten auch zu einem späteren Zeitpunkt zu erleichtern. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch deshalb fragwürdig, weil einerseits angenommen werde, es gebe überhaupt keine Verjährungsgrenze, und andererseits die Kostenschuld in der Rechtssache wegen Verwirkung erloschen sein solle. Damit werde die Lösung angesprochen, welche die Literaturmeinung vertrete, um dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung zu tragen. Hier sei jedoch die Kostenschuld auch wegen Verwirkung nicht erloschen. Das Gericht habe zur Begründung nur den langen Zeitablauf herangezogen. Daneben müsse auch ein sogenanntes Umstandsmoment vorliegen, an dem es hier fehle.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.03.2009 - 5 K 3734/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Die Klägerin beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Sie macht geltend: Der Leistungsbescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin nicht mehr Ausländerin im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG sei. Sie habe zudem zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben. Insoweit werde auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Höchstfürsorglich werde der Einwand der Verwirkung erhoben. Das Umstandsmoment sei darin zu sehen, dass die Klägerin durch die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit ohne weiteres den Eindruck hätte haben dürfen, dass diese Kosten gegenüber einer Deutschen nicht länger geltend gemacht würden. Höchstfürsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Höhe der Kosten nicht aufgeschlüsselt sei. Neben der Klägerin sei eine weitere Person abgeschoben worden, weshalb die Fahrt zum Flughafen nach Frankfurt über Schwäbisch Gmünd erfolgt sei.
13 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
14 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Diese waren wie die Verfahrensakte des Berufungsverfahrens Gegenstand der Beratung und Entscheidung; hierauf wird ergänzend wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist zu Recht (im Anschluss an VG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2008 - 5 K 547/08 - juris) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage begründet ist. Der angefochtene Kostenbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Kostenbescheid dürfte § 66 Abs. 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 AufenthG sein. § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt insoweit als Übergangsvorschrift nur, dass die vor dem 01.01.2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere u.a. Entscheidungen über Kosten und Gebühren wirksam bleiben. Nach allgemeinen Grundsätzen dürfte sich jedoch die Entstehung der geltend gemachten Kosten noch nach dem damals geltenden Recht richten, da das neue Recht wohl insoweit keine Rückwirkung für sich beansprucht, ihre Geltendmachung (durch Leistungsbescheid) aber nach dem zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz. Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil die einschlägigen Vorschriften des Ausländergesetzes (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 83 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 3 AuslG) denen des Aufenthaltsgesetzes entsprechen (so zu Recht VG Karlsruhe, a.a.O.).
17 
Nach § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer u.a. Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, zu tragen. Diese Kosten umfassen nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG die bei der Vorbereitung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten und gemäß Nr. 3 der Vorschrift sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstandenen Kosten einschließlich der Personalkosten. Von diesen Kosten sind auch Kosten der Polizei umfasst, welche die Ausländerbehörde hinzuzieht (BVerwG, Urteil vom 14.06.2005 - 1 C 11.04 - BVerwGE 123, 382 -). Gemäß § 67 Abs. 3 AufenthG ist die zuständige Behörde befugt, den Kostenerstattungsanspruch durch Leistungsbescheid geltend zu machen.
18 
Überwiegendes spricht dafür, dass der angefochtene Leistungsbescheid nicht schon deshalb rechtswidrig ist, weil die Klägerin mittlerweile eingebürgert worden ist. Zwar hat nach § 66 Abs. 1 AufenthG nur ein „Ausländer“ die Kosten einer Abschiebung zu tragen. Hier war die Klägerin aber bereits bei Erlass des angefochtenen Bescheids keine Ausländerin im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG mehr, sondern Deutsche. Dennoch dürfte ihre Heranziehung zu den Kosten der am 11.11.1991 erfolgten Abschiebung nicht schon an diesem Erfordernis scheitern. Denn maßgeblich dürfte in Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht nicht auf den Zeitpunkt der Geltendmachung der Gebührenforderung, sondern auf die Entstehung der Abgabenschuld abzustellen sein. Dies kann jedoch ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die geltend gemachten Kosten der Höhe nach gerechtfertigt sind:
19 
Denn die erst nach etwa 16 Jahren nach der Abschiebung der Klägerin festgesetzte Kostenschuld war im Zeitpunkt der Geltendmachung durch den angefochtenen Leistungsbescheid verjährt. Für die Festsetzung der Kosten einer Abschiebung gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG.
20 
Zwar verjähren nach § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG Ansprüche auf die in § 83 Abs. 1 AuslG bzw. § 67 Abs. 1 AufenthG genannten Kosten sechs Jahre nach Eintritt der Fälligkeit; auch bestimmt § 17 VwKostG, dass Kosten grundsätzlich (erst) mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner fällig werden.
21 
Wie das Verwaltungsgericht ist jedoch auch der Senat der Auffassung, dass § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG und § 70 Abs. 1 AufenthG mit der sechsjährigen Frist ab Fälligkeit nur die so genannte Zahlungsverjährung, nicht aber die Festsetzungsverjährung regeln (ebenso VG Karlsruhe, a.a.O.). Für die Festsetzungsverjährung gilt (ergänzend) die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG verjährt der Anspruch auf Zahlung der Kosten unabhängig von der ab Fälligkeit zu bestimmenden Dreijahresfrist spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung.
22 
Entscheidend fallen für diese Auslegung der Sinn und Zweck der Regelung ins Gewicht. Verjährungsvorschriften haben die Aufgabe, dem Rechtsfrieden zu dienen und Rechtssicherheit herzustellen. Nach einer bestimmten Zeit soll der Verpflichtete die Sicherheit haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit dieser Zielrichtung wäre die Auslegung des Beklagten nicht zu vereinbaren. Da die Fälligkeit der Kostenforderung vom Erlass eines Kostenbescheides abhängt, könnte vor Erlass eines solchen Bescheids überhaupt keine Verjährung eintreten. Es wäre vollkommen in das freie Belieben der Behörde gestellt, wann sie ihren Kostenanspruch geltend macht und damit fällig stellt. Erst dann würde überhaupt eine Verjährungsfrist zu laufen beginnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2005 – 3 C 38.04 – BVerwGE 123, 92). Dies zeigt der vorliegende Fall deutlich, in dem die Behörde erst nach etwa 16 Jahren einen Leistungsbescheid erlassen hat, ohne dass für diese späte Geltendmachung nachvollziehbare Gründe vorhanden sind. Denn nachdem die Klägerin im Jahre 1992 zum Zwecke des Familiennachzugs erneut ins Bundesgebiet eingereist ist, war ihr Aufenthaltsort den Behörden ständig bekannt.
23 
Daher überzeugt letztlich auch die in der Literatur vertretene Auffassung nicht, aus der Regelung der ausländerrechtlichen Sechsjahresfrist für die Verjährung folge, dass für eine Anwendung der Vierjahresfrist für die Entstehungsverjährung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG kein Raum sei, weil diese die ihr in § 20 Abs. 1 VwKostG zugedachte Funktion einer Begrenzung der Fälligkeitsverjährung nicht erfüllen könne; daher könne die Behörde bis zur Grenze der Verwirkung den Lauf der Verjährungsfrist selbst steuern (vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 70 Rn. 5 bis 7; Hailbronner, AufenthG § 70 Rn. 3). Denn wenn man dieser Auffassung folgen wollte, könnten die hier einschlägigen Verjährungsfristen ihre aus dem Rechtsstaatsgebot und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) folgende Funktion nicht erfüllen. Die Behörde könnte ohne jede zeitliche Begrenzung die Festsetzung der Forderung hinauszögern, selbst wenn - wie hier - hierfür weder ein praktisches Bedürfnis noch ein nachvollziehbarer sachlicher Grund vorliegt (in diese Richtung auch OVG Hamburg, Urteil vom 03.12.2008 – 5 Bf 259/06 – juris).
24 
Auch das Rechtsinstitut der Verwirkung ist in Fällen der vorliegenden Art nicht geeignet, eine zeitliche Schranke der Inanspruchnahme zu begründen. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 – 4 C 2.00 – BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 – 2 C 23/95 – BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 – V C 18.76 – BVerwGE 52, 16). Jedenfalls an der letzten Voraussetzung fehlt es regelmäßig in Sachverhalten der vorliegenden Art, in denen es um die Geltendmachung von Abschiebungskosten geht. Es ist kaum ein Fall denkbar, in dem ein Ausländer im Vertrauen darauf, nicht mehr zu Abschiebungskosten herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
25 
Eine Auslegung, die - wie dargelegt - dazu führen würde, dass der Beginn des Laufs der Verjährung im freien Belieben der Behörde steht und auch noch nach Jahrzehnten ohne jede zeitliche Begrenzung eine Kostenfestsetzung erfolgen könnte, ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen jedenfalls dann nicht mehr vereinbar, wenn auch eine Korrektur durch das Rechtsinstitut der Verwirkung typischerweise nicht möglich sein wird. Daher kommt auch den vom Beklagten nicht ohne jede Berechtigung angeführten systematischen Erwägungen, wonach die aufenthaltsrechtlichen Kostenersatzvorschriften als spezielle Vorschriften den allgemeinen Regelungen des VwKostG grundsätzlich vorgehen, keine durchschlagende Bedeutung zu. Aus den dargestellten grundsätzlichen, verfassungsrechtlich determinierten Erwägungen ist der Auslegung zu folgen, dass für die Festsetzungsverjährung die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG gilt und sich die in § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG und § 70 Abs. 1 AufenthG geregelte sechsjährige Frist ab Fälligkeit nur auf die Zahlungsverjährung, nicht aber auf die Festsetzungsverjährung bezieht.
26 
Diese Auslegung steht zudem noch in Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift. Dadurch, dass § 70 Abs. 1 AufenthG explizit, gerade auf die Fälligkeit als Beginn der Verjährung Bezug nimmt, lässt die Vorschrift die nach Auffassung des Senats zutreffende Interpretation zu, dass sie auch nur in Bezug auf die an die Fälligkeit anknüpfende Zahlungsverjährung eine abschließende Sonderregelung treffen wollte. Dies widerspricht auch nicht der Absicht des Gesetzgebers, soweit diese in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommen ist. In den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zum Erlass von § 83 Abs. 4 AuslG heißt es, der neue Absatz 4 sei eine notwendige Ergänzung des § 83 AuslG, um die „Beitreibung“ von Zurückweisungs-, Zurückschiebungs- und Abschiebungskosten, insbesondere von Beförderungsunternehmern, zu erleichtern (BT-Drucks. 12/2062 <46> zu Abs. 4). Nach dem üblichen Sprachgebrauch ist die hier ausdrücklich erwähnte „Beitreibung“ ein Akt der Vollziehung, der die vorherige Festsetzung der Kostenschuld begrifflich voraussetzt (ebenso bereits VG Karlsruhe, a.a.O.).
27 
Diese Auslegung ist schließlich auch systemgerecht, denn sie entspricht den allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Abgabenrechts. Anders als im Zivilrecht wird dort typischerweise zwischen Festsetzungs- und Zahlungsverjährung unterschieden. Beispielhaft kann insoweit auf §§ 169 ff. AO einerseits - die regeln, bis zu welchem Zeitpunkt eine Forderung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden darf - und die §§ 228 ff. AO andererseits - die bestimmen, wie lange aus der festgesetzten Abgabenschuld noch die Zahlung verlangt werden kann - verwiesen werden. Versteht man § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG als Regelung der Zahlungsverjährung und § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG als Regelung der Festsetzungsverjährung, fügt sich dies ohne weiteres in dieses abgabenrechtliche System ein. Demgegenüber gibt es im öffentlichen Recht - soweit ersichtlich - kein anderes Beispiel, in dem eine Forderung überhaupt keiner Festsetzungsverjährung unterliegt.
28 
Auch dass hiernach die Festsetzungsverjährung mit vier Jahren kürzer ist als die Zahlungsverjährung mit sechs Jahren, stellt keinen Bruch innerhalb des öffentlichen Abgabenrechts dar. Insoweit kann ebenfalls beispielhaft auf die Regelungen der Abgabenordnung verwiesen werden. Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen (Nr. 1) und vier Jahre für Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes sind (Nr. 2). Demgegenüber beträgt die Zahlungsverjährungsfrist fünf Jahre (§ 228 Satz 2 AO); sie ist also auch im Geltungsbereich der Abgabenordnung im Regelfall länger als die Festsetzungsfrist. Nur wenn eine Steuer hinterzogen worden ist, beträgt die Festsetzungsfrist zehn Jahre, und soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Dies zeigt, dass die Festsetzungsfrist keinesfalls zwingend länger sein muss als die Zahlungsfrist.
29 
Es trifft zudem nicht zu, dass die vom Gesetzgeber abweichend von allgemeinen Regelungen bestimmte Sechs-Jahres-Frist für die Verjährung der ausländerrechtlichen Kostenersatzansprüche ins Leere liefe, wenn für die Entstehungsverjährung weiterhin die Vier-Jahres-Frist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG gilt. Vielmehr trägt die Verlängerung der Fälligkeitsverjährung gerade dem Bedürfnis Rechnung, dass eine einmal festgesetzte Kostenschuld auch nach längerer Zeit als sonst üblich beigetrieben werden kann (vgl. bereits VG Karlsruhe, a.a.O.).
30 
Die von dem Beklagten angeführten Praktikabilitätserwägungen stehen dieser Auslegung ebenfalls nicht entgegen. Auch bei einer vierjährigen Festsetzungsverjährung können die Kosten vorbereitender Maßnahmen i.S.v. § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie beispielsweise Vorführkosten - zeitnah festgesetzt werden. Es ist rechtlich nicht geboten, solche Kosten erst nach einer Abschiebung zusammen mit den eigentlichen Abschiebungskosten festzusetzen. Zwar ist es der Behörde nicht verwehrt, Kosten wegen verschiedener, über mehrere Jahre hinweg erfolgter Maßnahmen in einem Kostenbescheid zusammenzufassen; es besteht jedoch umgekehrt auch keine Rechtspflicht, alle Kosten erst dann festzusetzen, wenn die eigentliche Abschiebung bereits stattgefunden hat.
31 
Schließlich sind die berechtigten Interessen der Behörden durch die umfangreichen gesetzlichen Unterbrechungsvorschriften (vgl. hierzu Funke-Kaiser GK-AufenthG, § 70 Rn. 8 ff.) auch dann gewahrt, wenn man eine vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist annimmt. Hält sich der Betroffene im Ausland auf, ist die Verjährung regelmäßig gemäß § 70 Abs. 2 AufenthG unterbrochen. Gerade aber auch in den Fällen, in denen ein Ausländer untertaucht, ist die Verjährung regelmäßig unterbrochen. Nach § 70 Abs. 2 AufenthG ist dies dann der Fall, wenn der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet nicht festgestellt werden kann, weil er einer gesetzlichen Melde- oder Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist. Auch eine schriftliche Zahlungsaufforderung oder Ermittlungen über Wohnsitz und Aufenthalt des Pflichtigen unterbrechen die Verjährung (§ 20 Abs. 3 VwKostG). Durch diese Unterbrechungsvorschriften dürfte jedenfalls im Regelfall sichergestellt sein, dass gerade in „Missbrauchsfällen“, auf die sich der Beklagte beruft, die Kostenforderung nicht vorschnell verjährt.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
34 
Beschluss vom 30. Juli 2009
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG auf 744,27 EUR festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
15 
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist zu Recht (im Anschluss an VG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2008 - 5 K 547/08 - juris) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage begründet ist. Der angefochtene Kostenbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Kostenbescheid dürfte § 66 Abs. 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 AufenthG sein. § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt insoweit als Übergangsvorschrift nur, dass die vor dem 01.01.2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere u.a. Entscheidungen über Kosten und Gebühren wirksam bleiben. Nach allgemeinen Grundsätzen dürfte sich jedoch die Entstehung der geltend gemachten Kosten noch nach dem damals geltenden Recht richten, da das neue Recht wohl insoweit keine Rückwirkung für sich beansprucht, ihre Geltendmachung (durch Leistungsbescheid) aber nach dem zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz. Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil die einschlägigen Vorschriften des Ausländergesetzes (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 83 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 3 AuslG) denen des Aufenthaltsgesetzes entsprechen (so zu Recht VG Karlsruhe, a.a.O.).
17 
Nach § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer u.a. Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, zu tragen. Diese Kosten umfassen nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG die bei der Vorbereitung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten und gemäß Nr. 3 der Vorschrift sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstandenen Kosten einschließlich der Personalkosten. Von diesen Kosten sind auch Kosten der Polizei umfasst, welche die Ausländerbehörde hinzuzieht (BVerwG, Urteil vom 14.06.2005 - 1 C 11.04 - BVerwGE 123, 382 -). Gemäß § 67 Abs. 3 AufenthG ist die zuständige Behörde befugt, den Kostenerstattungsanspruch durch Leistungsbescheid geltend zu machen.
18 
Überwiegendes spricht dafür, dass der angefochtene Leistungsbescheid nicht schon deshalb rechtswidrig ist, weil die Klägerin mittlerweile eingebürgert worden ist. Zwar hat nach § 66 Abs. 1 AufenthG nur ein „Ausländer“ die Kosten einer Abschiebung zu tragen. Hier war die Klägerin aber bereits bei Erlass des angefochtenen Bescheids keine Ausländerin im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG mehr, sondern Deutsche. Dennoch dürfte ihre Heranziehung zu den Kosten der am 11.11.1991 erfolgten Abschiebung nicht schon an diesem Erfordernis scheitern. Denn maßgeblich dürfte in Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht nicht auf den Zeitpunkt der Geltendmachung der Gebührenforderung, sondern auf die Entstehung der Abgabenschuld abzustellen sein. Dies kann jedoch ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die geltend gemachten Kosten der Höhe nach gerechtfertigt sind:
19 
Denn die erst nach etwa 16 Jahren nach der Abschiebung der Klägerin festgesetzte Kostenschuld war im Zeitpunkt der Geltendmachung durch den angefochtenen Leistungsbescheid verjährt. Für die Festsetzung der Kosten einer Abschiebung gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG.
20 
Zwar verjähren nach § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG Ansprüche auf die in § 83 Abs. 1 AuslG bzw. § 67 Abs. 1 AufenthG genannten Kosten sechs Jahre nach Eintritt der Fälligkeit; auch bestimmt § 17 VwKostG, dass Kosten grundsätzlich (erst) mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner fällig werden.
21 
Wie das Verwaltungsgericht ist jedoch auch der Senat der Auffassung, dass § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG und § 70 Abs. 1 AufenthG mit der sechsjährigen Frist ab Fälligkeit nur die so genannte Zahlungsverjährung, nicht aber die Festsetzungsverjährung regeln (ebenso VG Karlsruhe, a.a.O.). Für die Festsetzungsverjährung gilt (ergänzend) die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG verjährt der Anspruch auf Zahlung der Kosten unabhängig von der ab Fälligkeit zu bestimmenden Dreijahresfrist spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung.
22 
Entscheidend fallen für diese Auslegung der Sinn und Zweck der Regelung ins Gewicht. Verjährungsvorschriften haben die Aufgabe, dem Rechtsfrieden zu dienen und Rechtssicherheit herzustellen. Nach einer bestimmten Zeit soll der Verpflichtete die Sicherheit haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit dieser Zielrichtung wäre die Auslegung des Beklagten nicht zu vereinbaren. Da die Fälligkeit der Kostenforderung vom Erlass eines Kostenbescheides abhängt, könnte vor Erlass eines solchen Bescheids überhaupt keine Verjährung eintreten. Es wäre vollkommen in das freie Belieben der Behörde gestellt, wann sie ihren Kostenanspruch geltend macht und damit fällig stellt. Erst dann würde überhaupt eine Verjährungsfrist zu laufen beginnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2005 – 3 C 38.04 – BVerwGE 123, 92). Dies zeigt der vorliegende Fall deutlich, in dem die Behörde erst nach etwa 16 Jahren einen Leistungsbescheid erlassen hat, ohne dass für diese späte Geltendmachung nachvollziehbare Gründe vorhanden sind. Denn nachdem die Klägerin im Jahre 1992 zum Zwecke des Familiennachzugs erneut ins Bundesgebiet eingereist ist, war ihr Aufenthaltsort den Behörden ständig bekannt.
23 
Daher überzeugt letztlich auch die in der Literatur vertretene Auffassung nicht, aus der Regelung der ausländerrechtlichen Sechsjahresfrist für die Verjährung folge, dass für eine Anwendung der Vierjahresfrist für die Entstehungsverjährung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG kein Raum sei, weil diese die ihr in § 20 Abs. 1 VwKostG zugedachte Funktion einer Begrenzung der Fälligkeitsverjährung nicht erfüllen könne; daher könne die Behörde bis zur Grenze der Verwirkung den Lauf der Verjährungsfrist selbst steuern (vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 70 Rn. 5 bis 7; Hailbronner, AufenthG § 70 Rn. 3). Denn wenn man dieser Auffassung folgen wollte, könnten die hier einschlägigen Verjährungsfristen ihre aus dem Rechtsstaatsgebot und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) folgende Funktion nicht erfüllen. Die Behörde könnte ohne jede zeitliche Begrenzung die Festsetzung der Forderung hinauszögern, selbst wenn - wie hier - hierfür weder ein praktisches Bedürfnis noch ein nachvollziehbarer sachlicher Grund vorliegt (in diese Richtung auch OVG Hamburg, Urteil vom 03.12.2008 – 5 Bf 259/06 – juris).
24 
Auch das Rechtsinstitut der Verwirkung ist in Fällen der vorliegenden Art nicht geeignet, eine zeitliche Schranke der Inanspruchnahme zu begründen. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 – 4 C 2.00 – BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 – 2 C 23/95 – BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 – V C 18.76 – BVerwGE 52, 16). Jedenfalls an der letzten Voraussetzung fehlt es regelmäßig in Sachverhalten der vorliegenden Art, in denen es um die Geltendmachung von Abschiebungskosten geht. Es ist kaum ein Fall denkbar, in dem ein Ausländer im Vertrauen darauf, nicht mehr zu Abschiebungskosten herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
25 
Eine Auslegung, die - wie dargelegt - dazu führen würde, dass der Beginn des Laufs der Verjährung im freien Belieben der Behörde steht und auch noch nach Jahrzehnten ohne jede zeitliche Begrenzung eine Kostenfestsetzung erfolgen könnte, ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen jedenfalls dann nicht mehr vereinbar, wenn auch eine Korrektur durch das Rechtsinstitut der Verwirkung typischerweise nicht möglich sein wird. Daher kommt auch den vom Beklagten nicht ohne jede Berechtigung angeführten systematischen Erwägungen, wonach die aufenthaltsrechtlichen Kostenersatzvorschriften als spezielle Vorschriften den allgemeinen Regelungen des VwKostG grundsätzlich vorgehen, keine durchschlagende Bedeutung zu. Aus den dargestellten grundsätzlichen, verfassungsrechtlich determinierten Erwägungen ist der Auslegung zu folgen, dass für die Festsetzungsverjährung die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG gilt und sich die in § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG und § 70 Abs. 1 AufenthG geregelte sechsjährige Frist ab Fälligkeit nur auf die Zahlungsverjährung, nicht aber auf die Festsetzungsverjährung bezieht.
26 
Diese Auslegung steht zudem noch in Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift. Dadurch, dass § 70 Abs. 1 AufenthG explizit, gerade auf die Fälligkeit als Beginn der Verjährung Bezug nimmt, lässt die Vorschrift die nach Auffassung des Senats zutreffende Interpretation zu, dass sie auch nur in Bezug auf die an die Fälligkeit anknüpfende Zahlungsverjährung eine abschließende Sonderregelung treffen wollte. Dies widerspricht auch nicht der Absicht des Gesetzgebers, soweit diese in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommen ist. In den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zum Erlass von § 83 Abs. 4 AuslG heißt es, der neue Absatz 4 sei eine notwendige Ergänzung des § 83 AuslG, um die „Beitreibung“ von Zurückweisungs-, Zurückschiebungs- und Abschiebungskosten, insbesondere von Beförderungsunternehmern, zu erleichtern (BT-Drucks. 12/2062 <46> zu Abs. 4). Nach dem üblichen Sprachgebrauch ist die hier ausdrücklich erwähnte „Beitreibung“ ein Akt der Vollziehung, der die vorherige Festsetzung der Kostenschuld begrifflich voraussetzt (ebenso bereits VG Karlsruhe, a.a.O.).
27 
Diese Auslegung ist schließlich auch systemgerecht, denn sie entspricht den allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Abgabenrechts. Anders als im Zivilrecht wird dort typischerweise zwischen Festsetzungs- und Zahlungsverjährung unterschieden. Beispielhaft kann insoweit auf §§ 169 ff. AO einerseits - die regeln, bis zu welchem Zeitpunkt eine Forderung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden darf - und die §§ 228 ff. AO andererseits - die bestimmen, wie lange aus der festgesetzten Abgabenschuld noch die Zahlung verlangt werden kann - verwiesen werden. Versteht man § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG als Regelung der Zahlungsverjährung und § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG als Regelung der Festsetzungsverjährung, fügt sich dies ohne weiteres in dieses abgabenrechtliche System ein. Demgegenüber gibt es im öffentlichen Recht - soweit ersichtlich - kein anderes Beispiel, in dem eine Forderung überhaupt keiner Festsetzungsverjährung unterliegt.
28 
Auch dass hiernach die Festsetzungsverjährung mit vier Jahren kürzer ist als die Zahlungsverjährung mit sechs Jahren, stellt keinen Bruch innerhalb des öffentlichen Abgabenrechts dar. Insoweit kann ebenfalls beispielhaft auf die Regelungen der Abgabenordnung verwiesen werden. Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen (Nr. 1) und vier Jahre für Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes sind (Nr. 2). Demgegenüber beträgt die Zahlungsverjährungsfrist fünf Jahre (§ 228 Satz 2 AO); sie ist also auch im Geltungsbereich der Abgabenordnung im Regelfall länger als die Festsetzungsfrist. Nur wenn eine Steuer hinterzogen worden ist, beträgt die Festsetzungsfrist zehn Jahre, und soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Dies zeigt, dass die Festsetzungsfrist keinesfalls zwingend länger sein muss als die Zahlungsfrist.
29 
Es trifft zudem nicht zu, dass die vom Gesetzgeber abweichend von allgemeinen Regelungen bestimmte Sechs-Jahres-Frist für die Verjährung der ausländerrechtlichen Kostenersatzansprüche ins Leere liefe, wenn für die Entstehungsverjährung weiterhin die Vier-Jahres-Frist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG gilt. Vielmehr trägt die Verlängerung der Fälligkeitsverjährung gerade dem Bedürfnis Rechnung, dass eine einmal festgesetzte Kostenschuld auch nach längerer Zeit als sonst üblich beigetrieben werden kann (vgl. bereits VG Karlsruhe, a.a.O.).
30 
Die von dem Beklagten angeführten Praktikabilitätserwägungen stehen dieser Auslegung ebenfalls nicht entgegen. Auch bei einer vierjährigen Festsetzungsverjährung können die Kosten vorbereitender Maßnahmen i.S.v. § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie beispielsweise Vorführkosten - zeitnah festgesetzt werden. Es ist rechtlich nicht geboten, solche Kosten erst nach einer Abschiebung zusammen mit den eigentlichen Abschiebungskosten festzusetzen. Zwar ist es der Behörde nicht verwehrt, Kosten wegen verschiedener, über mehrere Jahre hinweg erfolgter Maßnahmen in einem Kostenbescheid zusammenzufassen; es besteht jedoch umgekehrt auch keine Rechtspflicht, alle Kosten erst dann festzusetzen, wenn die eigentliche Abschiebung bereits stattgefunden hat.
31 
Schließlich sind die berechtigten Interessen der Behörden durch die umfangreichen gesetzlichen Unterbrechungsvorschriften (vgl. hierzu Funke-Kaiser GK-AufenthG, § 70 Rn. 8 ff.) auch dann gewahrt, wenn man eine vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist annimmt. Hält sich der Betroffene im Ausland auf, ist die Verjährung regelmäßig gemäß § 70 Abs. 2 AufenthG unterbrochen. Gerade aber auch in den Fällen, in denen ein Ausländer untertaucht, ist die Verjährung regelmäßig unterbrochen. Nach § 70 Abs. 2 AufenthG ist dies dann der Fall, wenn der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet nicht festgestellt werden kann, weil er einer gesetzlichen Melde- oder Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist. Auch eine schriftliche Zahlungsaufforderung oder Ermittlungen über Wohnsitz und Aufenthalt des Pflichtigen unterbrechen die Verjährung (§ 20 Abs. 3 VwKostG). Durch diese Unterbrechungsvorschriften dürfte jedenfalls im Regelfall sichergestellt sein, dass gerade in „Missbrauchsfällen“, auf die sich der Beklagte beruft, die Kostenforderung nicht vorschnell verjährt.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
34 
Beschluss vom 30. Juli 2009
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG auf 744,27 EUR festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. März 2009 - 5 K 3734/08 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Geltendmachung von Abschiebungskosten durch den Beklagten.
Die am … 1968 geborene Klägerin war ursprünglich rumänische Staatsangehörige. Seit 2007 besitzt sie die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie reiste am 07.10.1989 in die Bundesrepublik ein und stellte einen Antrag auf ihre Anerkennung als Asylberechtigte, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 05.02.1991 ablehnte. Ihre hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 15.08.1991 - A 6 K 8266/91 - ab. Mit Bescheid vom 11.03.1991 drohte die Stadt Geislingen an der Steige der Klägerin die Abschiebung in ihr Heimatland an, falls sie nicht innerhalb von zwei Wochen die Bundesrepublik verlasse. Am 11.11.1991 wurde die Klägerin nach Rumänien abgeschoben. Am 25.01.1992 heiratete sie in Rumänien einen deutschen Staatsangehörigen und reiste im Wege der Familienzusammenführung am 31.08.1992 erneut in das Bundesgebiet ein, wo sie sich seither bis zu ihrer Einbürgerung rechtmäßig als Ausländerin aufhielt.
Mit Bescheid vom 24.09.2008 setzte das Regierungspräsidium Stuttgart für die am 11.11.1991 durchgeführte Abschiebung der Klägerin nach Bukarest Kosten in Höhe von 744,27 EUR fest, die sich aus Polizei-/Transportkosten der Polizeidirektion Göppingen in Höhe von 215,59 EUR und Flugkosten in Höhe von 528,68 EUR zusammensetzen.
Die Klägerin hat am 01.10.2008 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Sie beruft sich darauf, dass die Forderung verjährt oder zumindest verwirkt sei. Sie halte sich seit dem Jahr 1992 rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies sei den Behörden von Anfang an bekannt gewesen. Eine Kostenerhebung nach erst 16 Jahren sei nicht rechtmäßig. Zudem sei nicht ersichtlich und belegt, wie sich der Betrag der Abschiebungskosten zusammensetze. Seinerzeit hätten die Beamten von etwa 700,-- DM gesprochen, sie habe diese jedoch nicht bezahlen können, da die Abschiebung ohne Vorankündigung mitten in der Nacht erfolgt sei.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat vorgetragen: Die Verjährung von Ansprüchen auf Erstattung von Abschiebungskosten erfolge gemäß § 70 Abs. 1 AufenthG sechs Jahre nach Fälligkeit. Wenn die Behörde keinen späteren Zeitpunkt bestimme, würden die Kosten mit Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner gemäß der Regelung des § 17 VwKostG fällig. Daher beginne die Verjährungsfrist erst mit der Zustellung des Leistungsbescheids am 25.09.2008.
Mit Urteil vom 10.03.2009 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Leistungsbescheid aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Die durch die Abschiebung der Klägerin im Jahr 1991 entstandene Kostenschuld sei im Zeitpunkt der Geltendmachung durch den angefochtenen Leistungsbescheid verjährt gewesen. Wie das Verwaltungsgericht Karlsruhe (Beschluss vom 02.04.2008 und Urteil vom 29.07.2008 - 5 K 547/08 -) sei das Gericht der Auffassung, dass die aufenthaltsrechtlichen Spezialvorschriften mit der sechsjährigen Frist ab Fälligkeit nur die sogenannte Zahlungsverjährung regelten, nicht aber die Entstehungs- bzw. Festsetzungsverjährung, für welche ergänzend die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwKostG gelte. In der Literatur werde zwar angenommen, aus der Regelung einer pauschalen und undifferenzierten ausländerrechtlichen Sechsjahresfrist für die Verjährung folge, dass für eine Anwendung der günstigeren Vierjahresfrist für die Entstehungsverjährung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwKostG kein Raum mehr sei, weil diese die ihr zugedachte Funktion einer Begrenzung der Fälligkeitsverjährung nicht erfüllen könne. Dem könne sich die Kammer aber nicht anschließen. Zweck des § 20 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwKostG sei es nicht, die dreijährige Fälligkeitsverjährung von Alt. 1 der Vorschrift zu begrenzen. Sie habe vielmehr einen eigenständigen Bezugsrahmen und knüpfe gerade nicht an die Fälligkeit, sondern schon an die Entstehung der Kostenschuld an. Diese Auffassung entspreche den einschlägigen allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungskostenrechts und der Abgabenordnung, in denen jeweils zwischen Entstehungs- bzw. Festsetzungs- und Fälligkeitsverjährung unterschieden werde. Sie trage auch allein dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung, denn die ausschließliche Anwendung der sechsjährigen Verjährungsfrist ab Fälligkeit würde dazu führen, dass es für die Festsetzung dieser Art von Kostenschuld überhaupt keine Verjährungsgrenze gäbe. Hierfür fänden sich keine Anhaltspunkte in den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens. Zu der Vorgängervorschrift des § 83 Abs. 4 AuslG 1990 heiße es, der neue Absatz 4 sei eine notwendige Ergänzung des § 83 AuslG, um die „Beitreibung“ von (u.a.) Abschiebungskosten zu erleichtern. Die Beitreibung sei jedoch ein Akt der Vollziehung und setze die Festsetzung der Kostenschuld voraus. In systematischer Hinsicht seien die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes ersichtlich nur ergänzender, zum Teil auch klarstellender Natur. Diese Auslegung des Verjährungstatbestands führe nicht etwa zu sachwidrigen Ergebnissen. Es sei nicht ersichtlich, dass Abschiebungskosten in ständiger Verwaltungspraxis typischerweise erst nach Ablauf von vier Jahren geltend gemacht würden. Sei der Betroffene ausgereist, sei die Verjährung regelmäßig gemäß § 70 Abs. 2 AufenthG unterbrochen. Zu Kostenausfällen könne es deshalb nur kommen, wenn beispielsweise die Ausreise des Betroffenen erst mehr als vier Jahre nach einer Vorführmaßnahme erfolgt sei. Im übrigen erscheine es keinesfalls als sachwidrig, mit der vierjährigen Frist zur Festsetzung der Kostenschuld der Behörde aufzugeben, über diese zeitnah zu entscheiden. Lediglich ergänzend weise das Gericht darauf hin, dass bei der vorliegenden individuellen Fallgestaltung wohl davon auszugehen sei, dass der Beklagte den Kostenerstattungsanspruch zudem verwirkt habe.
Der Beklagte hat am 08.04.2009 die - vom Verwaltungsgericht in seinem ihm am 18.03.2009 zugestellten Urteil zugelassene - Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er mit Schriftsatz vom 05.05.2009, der am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist, aus: Würde man der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen, liefe die ausländerrechtliche sechsjährige Verjährungsvorschrift praktisch ins Leere. Es sei nicht überzeugend, dass zwischen der Entstehungsverjährung und der Zahlungsverjährung unterschieden werde. Wenn der Gesetzgeber dies gewollt hätte, hätte er in § 70 Abs. 1 AufenthG denselben Hinweis wie in Abs. 2 aufgenommen. Dort sei der Verweis auf das VwKostG gerade aus Gründen der Klarstellung aufgenommen worden, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe. Überzeugender sei die in der Literatur vertretene Auffassung, wonach es hier keine absolute Verjährungsfrist gebe, die unabhängig von einer Geltendmachung durch die zuständige Behörde bereits durch die Entstehung in Lauf gesetzt werden solle. Die von der Verjährungsregelung erfassten Kosten nach § 67 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG seien gerade Kosten, die typischerweise weit vor einer Ausreise oder Abschiebung anfallen könnten. So könnten zwischen einer Vorführmaßnahme und den dabei entstehenden Kosten und der tatsächlichen Ausreise einige Jahre liegen. Insoweit spreche schon die Gesetzesbegründung zu § 83 Abs. 4 AuslG 1990 für diese Auffassung, auch wenn der Begriff „Beitreibung“ möglicherweise unglücklich gewählt worden sei. Der Gesetzgeber habe die Notwendigkeit erkannt, die Kostenregelung zu ergänzen, um die Geltendmachung von Kosten auch zu einem späteren Zeitpunkt zu erleichtern. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch deshalb fragwürdig, weil einerseits angenommen werde, es gebe überhaupt keine Verjährungsgrenze, und andererseits die Kostenschuld in der Rechtssache wegen Verwirkung erloschen sein solle. Damit werde die Lösung angesprochen, welche die Literaturmeinung vertrete, um dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung zu tragen. Hier sei jedoch die Kostenschuld auch wegen Verwirkung nicht erloschen. Das Gericht habe zur Begründung nur den langen Zeitablauf herangezogen. Daneben müsse auch ein sogenanntes Umstandsmoment vorliegen, an dem es hier fehle.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.03.2009 - 5 K 3734/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Die Klägerin beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Sie macht geltend: Der Leistungsbescheid sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin nicht mehr Ausländerin im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG sei. Sie habe zudem zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben. Insoweit werde auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Höchstfürsorglich werde der Einwand der Verwirkung erhoben. Das Umstandsmoment sei darin zu sehen, dass die Klägerin durch die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit ohne weiteres den Eindruck hätte haben dürfen, dass diese Kosten gegenüber einer Deutschen nicht länger geltend gemacht würden. Höchstfürsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Höhe der Kosten nicht aufgeschlüsselt sei. Neben der Klägerin sei eine weitere Person abgeschoben worden, weshalb die Fahrt zum Flughafen nach Frankfurt über Schwäbisch Gmünd erfolgt sei.
13 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
14 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Diese waren wie die Verfahrensakte des Berufungsverfahrens Gegenstand der Beratung und Entscheidung; hierauf wird ergänzend wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist zu Recht (im Anschluss an VG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2008 - 5 K 547/08 - juris) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage begründet ist. Der angefochtene Kostenbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Kostenbescheid dürfte § 66 Abs. 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 AufenthG sein. § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt insoweit als Übergangsvorschrift nur, dass die vor dem 01.01.2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere u.a. Entscheidungen über Kosten und Gebühren wirksam bleiben. Nach allgemeinen Grundsätzen dürfte sich jedoch die Entstehung der geltend gemachten Kosten noch nach dem damals geltenden Recht richten, da das neue Recht wohl insoweit keine Rückwirkung für sich beansprucht, ihre Geltendmachung (durch Leistungsbescheid) aber nach dem zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz. Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil die einschlägigen Vorschriften des Ausländergesetzes (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 83 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 3 AuslG) denen des Aufenthaltsgesetzes entsprechen (so zu Recht VG Karlsruhe, a.a.O.).
17 
Nach § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer u.a. Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, zu tragen. Diese Kosten umfassen nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG die bei der Vorbereitung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten und gemäß Nr. 3 der Vorschrift sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstandenen Kosten einschließlich der Personalkosten. Von diesen Kosten sind auch Kosten der Polizei umfasst, welche die Ausländerbehörde hinzuzieht (BVerwG, Urteil vom 14.06.2005 - 1 C 11.04 - BVerwGE 123, 382 -). Gemäß § 67 Abs. 3 AufenthG ist die zuständige Behörde befugt, den Kostenerstattungsanspruch durch Leistungsbescheid geltend zu machen.
18 
Überwiegendes spricht dafür, dass der angefochtene Leistungsbescheid nicht schon deshalb rechtswidrig ist, weil die Klägerin mittlerweile eingebürgert worden ist. Zwar hat nach § 66 Abs. 1 AufenthG nur ein „Ausländer“ die Kosten einer Abschiebung zu tragen. Hier war die Klägerin aber bereits bei Erlass des angefochtenen Bescheids keine Ausländerin im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG mehr, sondern Deutsche. Dennoch dürfte ihre Heranziehung zu den Kosten der am 11.11.1991 erfolgten Abschiebung nicht schon an diesem Erfordernis scheitern. Denn maßgeblich dürfte in Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht nicht auf den Zeitpunkt der Geltendmachung der Gebührenforderung, sondern auf die Entstehung der Abgabenschuld abzustellen sein. Dies kann jedoch ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die geltend gemachten Kosten der Höhe nach gerechtfertigt sind:
19 
Denn die erst nach etwa 16 Jahren nach der Abschiebung der Klägerin festgesetzte Kostenschuld war im Zeitpunkt der Geltendmachung durch den angefochtenen Leistungsbescheid verjährt. Für die Festsetzung der Kosten einer Abschiebung gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG.
20 
Zwar verjähren nach § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG Ansprüche auf die in § 83 Abs. 1 AuslG bzw. § 67 Abs. 1 AufenthG genannten Kosten sechs Jahre nach Eintritt der Fälligkeit; auch bestimmt § 17 VwKostG, dass Kosten grundsätzlich (erst) mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner fällig werden.
21 
Wie das Verwaltungsgericht ist jedoch auch der Senat der Auffassung, dass § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG und § 70 Abs. 1 AufenthG mit der sechsjährigen Frist ab Fälligkeit nur die so genannte Zahlungsverjährung, nicht aber die Festsetzungsverjährung regeln (ebenso VG Karlsruhe, a.a.O.). Für die Festsetzungsverjährung gilt (ergänzend) die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG verjährt der Anspruch auf Zahlung der Kosten unabhängig von der ab Fälligkeit zu bestimmenden Dreijahresfrist spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung.
22 
Entscheidend fallen für diese Auslegung der Sinn und Zweck der Regelung ins Gewicht. Verjährungsvorschriften haben die Aufgabe, dem Rechtsfrieden zu dienen und Rechtssicherheit herzustellen. Nach einer bestimmten Zeit soll der Verpflichtete die Sicherheit haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit dieser Zielrichtung wäre die Auslegung des Beklagten nicht zu vereinbaren. Da die Fälligkeit der Kostenforderung vom Erlass eines Kostenbescheides abhängt, könnte vor Erlass eines solchen Bescheids überhaupt keine Verjährung eintreten. Es wäre vollkommen in das freie Belieben der Behörde gestellt, wann sie ihren Kostenanspruch geltend macht und damit fällig stellt. Erst dann würde überhaupt eine Verjährungsfrist zu laufen beginnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2005 – 3 C 38.04 – BVerwGE 123, 92). Dies zeigt der vorliegende Fall deutlich, in dem die Behörde erst nach etwa 16 Jahren einen Leistungsbescheid erlassen hat, ohne dass für diese späte Geltendmachung nachvollziehbare Gründe vorhanden sind. Denn nachdem die Klägerin im Jahre 1992 zum Zwecke des Familiennachzugs erneut ins Bundesgebiet eingereist ist, war ihr Aufenthaltsort den Behörden ständig bekannt.
23 
Daher überzeugt letztlich auch die in der Literatur vertretene Auffassung nicht, aus der Regelung der ausländerrechtlichen Sechsjahresfrist für die Verjährung folge, dass für eine Anwendung der Vierjahresfrist für die Entstehungsverjährung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG kein Raum sei, weil diese die ihr in § 20 Abs. 1 VwKostG zugedachte Funktion einer Begrenzung der Fälligkeitsverjährung nicht erfüllen könne; daher könne die Behörde bis zur Grenze der Verwirkung den Lauf der Verjährungsfrist selbst steuern (vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 70 Rn. 5 bis 7; Hailbronner, AufenthG § 70 Rn. 3). Denn wenn man dieser Auffassung folgen wollte, könnten die hier einschlägigen Verjährungsfristen ihre aus dem Rechtsstaatsgebot und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) folgende Funktion nicht erfüllen. Die Behörde könnte ohne jede zeitliche Begrenzung die Festsetzung der Forderung hinauszögern, selbst wenn - wie hier - hierfür weder ein praktisches Bedürfnis noch ein nachvollziehbarer sachlicher Grund vorliegt (in diese Richtung auch OVG Hamburg, Urteil vom 03.12.2008 – 5 Bf 259/06 – juris).
24 
Auch das Rechtsinstitut der Verwirkung ist in Fällen der vorliegenden Art nicht geeignet, eine zeitliche Schranke der Inanspruchnahme zu begründen. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 – 4 C 2.00 – BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 – 2 C 23/95 – BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 – V C 18.76 – BVerwGE 52, 16). Jedenfalls an der letzten Voraussetzung fehlt es regelmäßig in Sachverhalten der vorliegenden Art, in denen es um die Geltendmachung von Abschiebungskosten geht. Es ist kaum ein Fall denkbar, in dem ein Ausländer im Vertrauen darauf, nicht mehr zu Abschiebungskosten herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
25 
Eine Auslegung, die - wie dargelegt - dazu führen würde, dass der Beginn des Laufs der Verjährung im freien Belieben der Behörde steht und auch noch nach Jahrzehnten ohne jede zeitliche Begrenzung eine Kostenfestsetzung erfolgen könnte, ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen jedenfalls dann nicht mehr vereinbar, wenn auch eine Korrektur durch das Rechtsinstitut der Verwirkung typischerweise nicht möglich sein wird. Daher kommt auch den vom Beklagten nicht ohne jede Berechtigung angeführten systematischen Erwägungen, wonach die aufenthaltsrechtlichen Kostenersatzvorschriften als spezielle Vorschriften den allgemeinen Regelungen des VwKostG grundsätzlich vorgehen, keine durchschlagende Bedeutung zu. Aus den dargestellten grundsätzlichen, verfassungsrechtlich determinierten Erwägungen ist der Auslegung zu folgen, dass für die Festsetzungsverjährung die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG gilt und sich die in § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG und § 70 Abs. 1 AufenthG geregelte sechsjährige Frist ab Fälligkeit nur auf die Zahlungsverjährung, nicht aber auf die Festsetzungsverjährung bezieht.
26 
Diese Auslegung steht zudem noch in Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift. Dadurch, dass § 70 Abs. 1 AufenthG explizit, gerade auf die Fälligkeit als Beginn der Verjährung Bezug nimmt, lässt die Vorschrift die nach Auffassung des Senats zutreffende Interpretation zu, dass sie auch nur in Bezug auf die an die Fälligkeit anknüpfende Zahlungsverjährung eine abschließende Sonderregelung treffen wollte. Dies widerspricht auch nicht der Absicht des Gesetzgebers, soweit diese in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommen ist. In den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zum Erlass von § 83 Abs. 4 AuslG heißt es, der neue Absatz 4 sei eine notwendige Ergänzung des § 83 AuslG, um die „Beitreibung“ von Zurückweisungs-, Zurückschiebungs- und Abschiebungskosten, insbesondere von Beförderungsunternehmern, zu erleichtern (BT-Drucks. 12/2062 <46> zu Abs. 4). Nach dem üblichen Sprachgebrauch ist die hier ausdrücklich erwähnte „Beitreibung“ ein Akt der Vollziehung, der die vorherige Festsetzung der Kostenschuld begrifflich voraussetzt (ebenso bereits VG Karlsruhe, a.a.O.).
27 
Diese Auslegung ist schließlich auch systemgerecht, denn sie entspricht den allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Abgabenrechts. Anders als im Zivilrecht wird dort typischerweise zwischen Festsetzungs- und Zahlungsverjährung unterschieden. Beispielhaft kann insoweit auf §§ 169 ff. AO einerseits - die regeln, bis zu welchem Zeitpunkt eine Forderung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden darf - und die §§ 228 ff. AO andererseits - die bestimmen, wie lange aus der festgesetzten Abgabenschuld noch die Zahlung verlangt werden kann - verwiesen werden. Versteht man § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG als Regelung der Zahlungsverjährung und § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG als Regelung der Festsetzungsverjährung, fügt sich dies ohne weiteres in dieses abgabenrechtliche System ein. Demgegenüber gibt es im öffentlichen Recht - soweit ersichtlich - kein anderes Beispiel, in dem eine Forderung überhaupt keiner Festsetzungsverjährung unterliegt.
28 
Auch dass hiernach die Festsetzungsverjährung mit vier Jahren kürzer ist als die Zahlungsverjährung mit sechs Jahren, stellt keinen Bruch innerhalb des öffentlichen Abgabenrechts dar. Insoweit kann ebenfalls beispielhaft auf die Regelungen der Abgabenordnung verwiesen werden. Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen (Nr. 1) und vier Jahre für Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes sind (Nr. 2). Demgegenüber beträgt die Zahlungsverjährungsfrist fünf Jahre (§ 228 Satz 2 AO); sie ist also auch im Geltungsbereich der Abgabenordnung im Regelfall länger als die Festsetzungsfrist. Nur wenn eine Steuer hinterzogen worden ist, beträgt die Festsetzungsfrist zehn Jahre, und soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Dies zeigt, dass die Festsetzungsfrist keinesfalls zwingend länger sein muss als die Zahlungsfrist.
29 
Es trifft zudem nicht zu, dass die vom Gesetzgeber abweichend von allgemeinen Regelungen bestimmte Sechs-Jahres-Frist für die Verjährung der ausländerrechtlichen Kostenersatzansprüche ins Leere liefe, wenn für die Entstehungsverjährung weiterhin die Vier-Jahres-Frist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG gilt. Vielmehr trägt die Verlängerung der Fälligkeitsverjährung gerade dem Bedürfnis Rechnung, dass eine einmal festgesetzte Kostenschuld auch nach längerer Zeit als sonst üblich beigetrieben werden kann (vgl. bereits VG Karlsruhe, a.a.O.).
30 
Die von dem Beklagten angeführten Praktikabilitätserwägungen stehen dieser Auslegung ebenfalls nicht entgegen. Auch bei einer vierjährigen Festsetzungsverjährung können die Kosten vorbereitender Maßnahmen i.S.v. § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie beispielsweise Vorführkosten - zeitnah festgesetzt werden. Es ist rechtlich nicht geboten, solche Kosten erst nach einer Abschiebung zusammen mit den eigentlichen Abschiebungskosten festzusetzen. Zwar ist es der Behörde nicht verwehrt, Kosten wegen verschiedener, über mehrere Jahre hinweg erfolgter Maßnahmen in einem Kostenbescheid zusammenzufassen; es besteht jedoch umgekehrt auch keine Rechtspflicht, alle Kosten erst dann festzusetzen, wenn die eigentliche Abschiebung bereits stattgefunden hat.
31 
Schließlich sind die berechtigten Interessen der Behörden durch die umfangreichen gesetzlichen Unterbrechungsvorschriften (vgl. hierzu Funke-Kaiser GK-AufenthG, § 70 Rn. 8 ff.) auch dann gewahrt, wenn man eine vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist annimmt. Hält sich der Betroffene im Ausland auf, ist die Verjährung regelmäßig gemäß § 70 Abs. 2 AufenthG unterbrochen. Gerade aber auch in den Fällen, in denen ein Ausländer untertaucht, ist die Verjährung regelmäßig unterbrochen. Nach § 70 Abs. 2 AufenthG ist dies dann der Fall, wenn der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet nicht festgestellt werden kann, weil er einer gesetzlichen Melde- oder Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist. Auch eine schriftliche Zahlungsaufforderung oder Ermittlungen über Wohnsitz und Aufenthalt des Pflichtigen unterbrechen die Verjährung (§ 20 Abs. 3 VwKostG). Durch diese Unterbrechungsvorschriften dürfte jedenfalls im Regelfall sichergestellt sein, dass gerade in „Missbrauchsfällen“, auf die sich der Beklagte beruft, die Kostenforderung nicht vorschnell verjährt.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
34 
Beschluss vom 30. Juli 2009
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG auf 744,27 EUR festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
15 
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist zu Recht (im Anschluss an VG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2008 - 5 K 547/08 - juris) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage begründet ist. Der angefochtene Kostenbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16 
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Kostenbescheid dürfte § 66 Abs. 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 AufenthG sein. § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt insoweit als Übergangsvorschrift nur, dass die vor dem 01.01.2005 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere u.a. Entscheidungen über Kosten und Gebühren wirksam bleiben. Nach allgemeinen Grundsätzen dürfte sich jedoch die Entstehung der geltend gemachten Kosten noch nach dem damals geltenden Recht richten, da das neue Recht wohl insoweit keine Rückwirkung für sich beansprucht, ihre Geltendmachung (durch Leistungsbescheid) aber nach dem zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz. Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil die einschlägigen Vorschriften des Ausländergesetzes (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 83 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 3 AuslG) denen des Aufenthaltsgesetzes entsprechen (so zu Recht VG Karlsruhe, a.a.O.).
17 
Nach § 66 Abs. 1 AufenthG hat der Ausländer u.a. Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, zu tragen. Diese Kosten umfassen nach § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG die bei der Vorbereitung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten und gemäß Nr. 3 der Vorschrift sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstandenen Kosten einschließlich der Personalkosten. Von diesen Kosten sind auch Kosten der Polizei umfasst, welche die Ausländerbehörde hinzuzieht (BVerwG, Urteil vom 14.06.2005 - 1 C 11.04 - BVerwGE 123, 382 -). Gemäß § 67 Abs. 3 AufenthG ist die zuständige Behörde befugt, den Kostenerstattungsanspruch durch Leistungsbescheid geltend zu machen.
18 
Überwiegendes spricht dafür, dass der angefochtene Leistungsbescheid nicht schon deshalb rechtswidrig ist, weil die Klägerin mittlerweile eingebürgert worden ist. Zwar hat nach § 66 Abs. 1 AufenthG nur ein „Ausländer“ die Kosten einer Abschiebung zu tragen. Hier war die Klägerin aber bereits bei Erlass des angefochtenen Bescheids keine Ausländerin im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG mehr, sondern Deutsche. Dennoch dürfte ihre Heranziehung zu den Kosten der am 11.11.1991 erfolgten Abschiebung nicht schon an diesem Erfordernis scheitern. Denn maßgeblich dürfte in Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht nicht auf den Zeitpunkt der Geltendmachung der Gebührenforderung, sondern auf die Entstehung der Abgabenschuld abzustellen sein. Dies kann jedoch ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die geltend gemachten Kosten der Höhe nach gerechtfertigt sind:
19 
Denn die erst nach etwa 16 Jahren nach der Abschiebung der Klägerin festgesetzte Kostenschuld war im Zeitpunkt der Geltendmachung durch den angefochtenen Leistungsbescheid verjährt. Für die Festsetzung der Kosten einer Abschiebung gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG.
20 
Zwar verjähren nach § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG Ansprüche auf die in § 83 Abs. 1 AuslG bzw. § 67 Abs. 1 AufenthG genannten Kosten sechs Jahre nach Eintritt der Fälligkeit; auch bestimmt § 17 VwKostG, dass Kosten grundsätzlich (erst) mit der Bekanntgabe der Kostenentscheidung an den Kostenschuldner fällig werden.
21 
Wie das Verwaltungsgericht ist jedoch auch der Senat der Auffassung, dass § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG und § 70 Abs. 1 AufenthG mit der sechsjährigen Frist ab Fälligkeit nur die so genannte Zahlungsverjährung, nicht aber die Festsetzungsverjährung regeln (ebenso VG Karlsruhe, a.a.O.). Für die Festsetzungsverjährung gilt (ergänzend) die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 VwKostG verjährt der Anspruch auf Zahlung der Kosten unabhängig von der ab Fälligkeit zu bestimmenden Dreijahresfrist spätestens mit dem Ablauf des vierten Jahres nach der Entstehung.
22 
Entscheidend fallen für diese Auslegung der Sinn und Zweck der Regelung ins Gewicht. Verjährungsvorschriften haben die Aufgabe, dem Rechtsfrieden zu dienen und Rechtssicherheit herzustellen. Nach einer bestimmten Zeit soll der Verpflichtete die Sicherheit haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit dieser Zielrichtung wäre die Auslegung des Beklagten nicht zu vereinbaren. Da die Fälligkeit der Kostenforderung vom Erlass eines Kostenbescheides abhängt, könnte vor Erlass eines solchen Bescheids überhaupt keine Verjährung eintreten. Es wäre vollkommen in das freie Belieben der Behörde gestellt, wann sie ihren Kostenanspruch geltend macht und damit fällig stellt. Erst dann würde überhaupt eine Verjährungsfrist zu laufen beginnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2005 – 3 C 38.04 – BVerwGE 123, 92). Dies zeigt der vorliegende Fall deutlich, in dem die Behörde erst nach etwa 16 Jahren einen Leistungsbescheid erlassen hat, ohne dass für diese späte Geltendmachung nachvollziehbare Gründe vorhanden sind. Denn nachdem die Klägerin im Jahre 1992 zum Zwecke des Familiennachzugs erneut ins Bundesgebiet eingereist ist, war ihr Aufenthaltsort den Behörden ständig bekannt.
23 
Daher überzeugt letztlich auch die in der Literatur vertretene Auffassung nicht, aus der Regelung der ausländerrechtlichen Sechsjahresfrist für die Verjährung folge, dass für eine Anwendung der Vierjahresfrist für die Entstehungsverjährung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG kein Raum sei, weil diese die ihr in § 20 Abs. 1 VwKostG zugedachte Funktion einer Begrenzung der Fälligkeitsverjährung nicht erfüllen könne; daher könne die Behörde bis zur Grenze der Verwirkung den Lauf der Verjährungsfrist selbst steuern (vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 70 Rn. 5 bis 7; Hailbronner, AufenthG § 70 Rn. 3). Denn wenn man dieser Auffassung folgen wollte, könnten die hier einschlägigen Verjährungsfristen ihre aus dem Rechtsstaatsgebot und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) folgende Funktion nicht erfüllen. Die Behörde könnte ohne jede zeitliche Begrenzung die Festsetzung der Forderung hinauszögern, selbst wenn - wie hier - hierfür weder ein praktisches Bedürfnis noch ein nachvollziehbarer sachlicher Grund vorliegt (in diese Richtung auch OVG Hamburg, Urteil vom 03.12.2008 – 5 Bf 259/06 – juris).
24 
Auch das Rechtsinstitut der Verwirkung ist in Fällen der vorliegenden Art nicht geeignet, eine zeitliche Schranke der Inanspruchnahme zu begründen. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 – 4 C 2.00 – BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 – 2 C 23/95 – BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 – V C 18.76 – BVerwGE 52, 16). Jedenfalls an der letzten Voraussetzung fehlt es regelmäßig in Sachverhalten der vorliegenden Art, in denen es um die Geltendmachung von Abschiebungskosten geht. Es ist kaum ein Fall denkbar, in dem ein Ausländer im Vertrauen darauf, nicht mehr zu Abschiebungskosten herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
25 
Eine Auslegung, die - wie dargelegt - dazu führen würde, dass der Beginn des Laufs der Verjährung im freien Belieben der Behörde steht und auch noch nach Jahrzehnten ohne jede zeitliche Begrenzung eine Kostenfestsetzung erfolgen könnte, ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen jedenfalls dann nicht mehr vereinbar, wenn auch eine Korrektur durch das Rechtsinstitut der Verwirkung typischerweise nicht möglich sein wird. Daher kommt auch den vom Beklagten nicht ohne jede Berechtigung angeführten systematischen Erwägungen, wonach die aufenthaltsrechtlichen Kostenersatzvorschriften als spezielle Vorschriften den allgemeinen Regelungen des VwKostG grundsätzlich vorgehen, keine durchschlagende Bedeutung zu. Aus den dargestellten grundsätzlichen, verfassungsrechtlich determinierten Erwägungen ist der Auslegung zu folgen, dass für die Festsetzungsverjährung die vierjährige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG gilt und sich die in § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG und § 70 Abs. 1 AufenthG geregelte sechsjährige Frist ab Fälligkeit nur auf die Zahlungsverjährung, nicht aber auf die Festsetzungsverjährung bezieht.
26 
Diese Auslegung steht zudem noch in Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift. Dadurch, dass § 70 Abs. 1 AufenthG explizit, gerade auf die Fälligkeit als Beginn der Verjährung Bezug nimmt, lässt die Vorschrift die nach Auffassung des Senats zutreffende Interpretation zu, dass sie auch nur in Bezug auf die an die Fälligkeit anknüpfende Zahlungsverjährung eine abschließende Sonderregelung treffen wollte. Dies widerspricht auch nicht der Absicht des Gesetzgebers, soweit diese in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommen ist. In den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zum Erlass von § 83 Abs. 4 AuslG heißt es, der neue Absatz 4 sei eine notwendige Ergänzung des § 83 AuslG, um die „Beitreibung“ von Zurückweisungs-, Zurückschiebungs- und Abschiebungskosten, insbesondere von Beförderungsunternehmern, zu erleichtern (BT-Drucks. 12/2062 <46> zu Abs. 4). Nach dem üblichen Sprachgebrauch ist die hier ausdrücklich erwähnte „Beitreibung“ ein Akt der Vollziehung, der die vorherige Festsetzung der Kostenschuld begrifflich voraussetzt (ebenso bereits VG Karlsruhe, a.a.O.).
27 
Diese Auslegung ist schließlich auch systemgerecht, denn sie entspricht den allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Abgabenrechts. Anders als im Zivilrecht wird dort typischerweise zwischen Festsetzungs- und Zahlungsverjährung unterschieden. Beispielhaft kann insoweit auf §§ 169 ff. AO einerseits - die regeln, bis zu welchem Zeitpunkt eine Forderung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden darf - und die §§ 228 ff. AO andererseits - die bestimmen, wie lange aus der festgesetzten Abgabenschuld noch die Zahlung verlangt werden kann - verwiesen werden. Versteht man § 83 Abs. 4 Satz 3 AuslG bzw. § 70 Abs. 1 AufenthG als Regelung der Zahlungsverjährung und § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG als Regelung der Festsetzungsverjährung, fügt sich dies ohne weiteres in dieses abgabenrechtliche System ein. Demgegenüber gibt es im öffentlichen Recht - soweit ersichtlich - kein anderes Beispiel, in dem eine Forderung überhaupt keiner Festsetzungsverjährung unterliegt.
28 
Auch dass hiernach die Festsetzungsverjährung mit vier Jahren kürzer ist als die Zahlungsverjährung mit sechs Jahren, stellt keinen Bruch innerhalb des öffentlichen Abgabenrechts dar. Insoweit kann ebenfalls beispielhaft auf die Regelungen der Abgabenordnung verwiesen werden. Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen (Nr. 1) und vier Jahre für Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes sind (Nr. 2). Demgegenüber beträgt die Zahlungsverjährungsfrist fünf Jahre (§ 228 Satz 2 AO); sie ist also auch im Geltungsbereich der Abgabenordnung im Regelfall länger als die Festsetzungsfrist. Nur wenn eine Steuer hinterzogen worden ist, beträgt die Festsetzungsfrist zehn Jahre, und soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Dies zeigt, dass die Festsetzungsfrist keinesfalls zwingend länger sein muss als die Zahlungsfrist.
29 
Es trifft zudem nicht zu, dass die vom Gesetzgeber abweichend von allgemeinen Regelungen bestimmte Sechs-Jahres-Frist für die Verjährung der ausländerrechtlichen Kostenersatzansprüche ins Leere liefe, wenn für die Entstehungsverjährung weiterhin die Vier-Jahres-Frist des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwKostG gilt. Vielmehr trägt die Verlängerung der Fälligkeitsverjährung gerade dem Bedürfnis Rechnung, dass eine einmal festgesetzte Kostenschuld auch nach längerer Zeit als sonst üblich beigetrieben werden kann (vgl. bereits VG Karlsruhe, a.a.O.).
30 
Die von dem Beklagten angeführten Praktikabilitätserwägungen stehen dieser Auslegung ebenfalls nicht entgegen. Auch bei einer vierjährigen Festsetzungsverjährung können die Kosten vorbereitender Maßnahmen i.S.v. § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie beispielsweise Vorführkosten - zeitnah festgesetzt werden. Es ist rechtlich nicht geboten, solche Kosten erst nach einer Abschiebung zusammen mit den eigentlichen Abschiebungskosten festzusetzen. Zwar ist es der Behörde nicht verwehrt, Kosten wegen verschiedener, über mehrere Jahre hinweg erfolgter Maßnahmen in einem Kostenbescheid zusammenzufassen; es besteht jedoch umgekehrt auch keine Rechtspflicht, alle Kosten erst dann festzusetzen, wenn die eigentliche Abschiebung bereits stattgefunden hat.
31 
Schließlich sind die berechtigten Interessen der Behörden durch die umfangreichen gesetzlichen Unterbrechungsvorschriften (vgl. hierzu Funke-Kaiser GK-AufenthG, § 70 Rn. 8 ff.) auch dann gewahrt, wenn man eine vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist annimmt. Hält sich der Betroffene im Ausland auf, ist die Verjährung regelmäßig gemäß § 70 Abs. 2 AufenthG unterbrochen. Gerade aber auch in den Fällen, in denen ein Ausländer untertaucht, ist die Verjährung regelmäßig unterbrochen. Nach § 70 Abs. 2 AufenthG ist dies dann der Fall, wenn der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet nicht festgestellt werden kann, weil er einer gesetzlichen Melde- oder Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist. Auch eine schriftliche Zahlungsaufforderung oder Ermittlungen über Wohnsitz und Aufenthalt des Pflichtigen unterbrechen die Verjährung (§ 20 Abs. 3 VwKostG). Durch diese Unterbrechungsvorschriften dürfte jedenfalls im Regelfall sichergestellt sein, dass gerade in „Missbrauchsfällen“, auf die sich der Beklagte beruft, die Kostenforderung nicht vorschnell verjährt.
32 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
34 
Beschluss vom 30. Juli 2009
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG auf 744,27 EUR festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.