| I. Nach der Klagerücknahme der Klägerin zu 1 war das Verfahren insoweit nach § 92 Abs. 3 S. 1 1. Alt VwGO einzustellen. |
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| II. Die Klage der Klägerin zu 2 ist zulässig, aber unbegründet. |
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| 1. Entgegen dem Vortrag der Klägerseite beruhen die angegriffenen Bescheide mit §§ 37, 38, 39 der Abwassersatzung der Stadt L. vom 16.09.2014 auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Dem steht weder entgegen, dass die Satzung aus dem Jahr 2014 mit den Jahren 2008 und 2009 abgeschlossene Abwasserabrechnungszeiträume betrifft (a)) noch führen die übrigen von der Klägerseite genannten Aspekte zur Nichtigkeit der Satzung (b)). |
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| a) Gemäß ihrem § 52 Abs. 2 ist die Satzung vom 16.09.2014 rückwirkend zum 01.01.2008 in Kraft getreten. Bedenken gegen die rückwirkende Inkraftsetzung bestehen auch mit Blick auf das grundsätzliche verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nicht. Die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue, diesen Fehler vermeidende Satzung ist zulässig, solange die Neuregelung nicht ihrerseits nichtig ist, etwa weil sie den Kreis der Abgabenpflichtigen erweitert (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, juris Rn. 33). |
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| Mit der streitgegenständlichen Satzung ist die Abwassersatzung der Beklagten aus dem Jahr 2001 ersetzt worden, die eine nach dem Frischwassermaßstab berechnete einheitliche Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung vorgesehen hatte, was nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 11.03.2010 - 2 S 2938/08 -, VBlBW 2010, 481-485) unzulässig ist. Die frühere Satzung war mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, juris Rn. 31). Durch die streitgegenständliche Abwassersatzung vom 16.09.2014 sollte diese Satzung durch eine rechtsgültige, den neuen rechtlichen Anforderungen genügende Satzung ersetzt werden, so dass das Vertrauen der Betroffenen in die Fortgeltung der alten Rechtslage nicht schutzwürdig war. Der Normgeber war befugt, die unwirksame Satzung durch eine neue, diesen Fehler vermeidende Satzung auch rückwirkend zu ersetzen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.03.2006 - 2 S 831/05 -, NVwZ-RR 2006, 686; Urteil vom 07.11.2014, a.a.O. Rn. 33). |
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| Die neue Abwassersatzung ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerseite auch nicht ihrerseits wegen „neuer“ Fehler nichtig. Im dazu von Klägerseite in Bezug genommenen Urteil (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2014, a.a.O.) hatte der Verwaltungsgerichtshof die Frage zu klären, ob auch die dortige Klägerin als Nichteigentümerin, aber schuldrechtlich Berechtigte an dem Grundstück Schuldnerin der Abwassergebühren ist. Er kam dabei unter der Rn. 33 zu dem Ergebnis, dass viel dafür spreche, „dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a [der Satzung] auch technisch gesondert festgestellt werden können.“ Das bedürfe aber keiner Entscheidung, weil „selbst dann, wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam wäre.“ Die Ausnahme vom Rückwirkungsgebot zur „Heilung“ von Altsatzungen mit fehlerhaftem Abwägungsmaßstab gelte „nicht für abgeschlossene Tatbestände, wie den Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stelle sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende, rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar.“ Daher müsse es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr nicht die dortige Klägerin, sondern ausschließlich der Eigentümer des Grundstückes sei. |
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| Selbst wenn man die Satzung so auslegen wollte, dass mit der Neufassung der Kreis der Schuldner rückwirkend neu gefasst werden sollte, litte damit nur diese Teilregelung, nicht aber die gesamte Satzung an einem Rechtsmangel, der zur Nichtigkeit dieses Teiles, nicht aber der Gesamtsatzung führte. |
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| Ob ein Rechtsmangel zur Nichtigkeit der gesamten Satzung oder nur zur Teilnichtigkeit einzelner Vorschriften führt, hängt davon ab, ob die Satzung - erstens - insofern teilbar ist, ob sie also auch ohne die rechtswidrigen Bestimmungen sinnvoll und mit höherrangigem Recht vereinbar bleibt, und ob - zweitens - hypothetisch hinreichend sicher angenommen werden kann, dass der Satzungsgeber sie auch ohne die rechtswidrigen Bestimmungen erlassen hätte (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.08.2001 - 4 B 23.01 -, juris Rn. 4; SächsOVG, Urteil vom 14.07.2015 - 5 A 625/11 -, juris Rn. 71, SächsOVG, Urteil vom 02.11.2016 - 5 A 519/14 -, juris Rn. 31 für eine Abwassersatzung). Beides wäre hier der Fall. |
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| Die Nichtigkeit der Satzung beträfe auch nach der ausdrücklichen Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes nur die rückwirkende Erweiterung des Kreises der Abgabenschuldner, also nur einen inhaltlich begrenzten Teil des Anwendungsbereiches der Satzung. Sie beträfe keinen unverzichtbaren Kernbestandteil der Satzung, sodass ihre Rechtmäßigkeit im Übrigen von der Nichtigkeit dieses Teiles unberührt bliebe. |
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| Weiter kann auch hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass der Satzungsgeber die Abwassersatzung auch ohne die möglicherweise nichtigen Bestimmungen erlassen hätte. Das Ziel des Satzungsgebers war es ausweislich des § 52 Abs. 4 der Abwassersatzung, mit ihrem Neuerlass eine Rechtsgrundlage zur rückwirkenden Regelung des Abwasserwesens und der Erhebung entsprechender Gebühren zu schaffen. Dabei kam es dem Satzungsgeber für die streitgegenständlichen Zeiträume 01.01.2008 - 31.12.2008 und 01.01.2009 - 31.12.2009 vorrangig darauf an, die rechtlichen Anforderungen der Gebührenerhebung nach einem gesplitteten Maßstab zu erfüllen (vgl. Vorlage zur Gemeinderatssitzung am 16.09.2014 zu § 10127 und die dort in Bezug genommenen Beschlussvorlagen von „XXX Kommunalberatung“ zur Gebührenkalkulation Abwasser für den Berechnungszeitraum 01.01.2008 - 31.12.2008 und den Berechnungszeitraum 01.01.2009 - 31.12.2009 vom 23.10.2012, jeweils S. 2). Das Kernziel lag also nicht darin, mit der Neufassung der Satzung den Schuldnerkreis zu erweitern, sondern die bisherige Satzungslage den obergerichtlichen Anforderungen anzupassen. Demnach kann hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass der Satzungsgeber die Abwassersatzung auch ohne den möglicherweise nichtigen Teil erlassen hätte. |
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| Die Klägerin zu 2 kann sich zudem im vorliegenden Verfahren nicht auf eine etwaige Teilnichtigkeit der Bestimmungen über die Erweiterung des Kreises der Abgabenschuldner berufen, weil sie gemäß § 39 Abs. 1 der Abwassersatzung als Grundstückseigentümerin herangezogen wurde und auch nach der früheren Satzung der Eigentümer Schuldner der Abwassergebühr war. |
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| b) Die Abwassersatzung ist auch nicht wegen der sonstigen von der Klägerseite vorgetragenen Mängel rechtswidrig und damit nichtig. Etwas anderes ergibt sich weder aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Halle (aa)) noch aus einer unzulässigen Pauschalisierung von Basisdaten (bb)) oder aus einem Überschreiten des Kalkulationszeitraumes (cc)). |
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| aa) Entgegen der von der Klägerseite insoweit zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Halle (Urteil vom 26.10.2010 - 4 A 13/10 -, juris), verstößt es vorliegend nicht gegen das Differenzierungsgebot, Grundgebühren für die Trinkwasserversorgung zu erheben, ohne dabei nach Wohneinheiten und Gewerbeeinheiten zu differenzieren. Wie bereits in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 11.07.2014 (Az.: 1 K 2390/12), folgt das Gericht dieser Rechtsprechung nicht, sondern hält die Differenzierung nach der Nenngröße der eingebauten Wasserzähler für ausreichend, um - dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab entsprechend - die Wassergrundgebühren nach dem verbrauchsunabhängigen Anteil an der Vorhalteleistung und der abrufbaren Lieferbereitschaft zu bemessen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsauffassung durch die Nichtzulassung der Berufung (Beschluss vom 18.12.2014 2 S 1710/14) bestätigt. Die von der Klägerseite geforderte Bildung unterschiedlicher Benutzergruppen (Wohnen und Gewerbe) und eine damit verbundene unterschiedlich hohe Grundgebühr wäre allenfalls dann geboten, wenn eine der genannten Gruppen deutlich stärker von den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen der Wasserversorgung profitieren würde und dies - über die verbrauchsabhängige Erfassung durch den Leistungsanteil der Gebühren hinaus - nicht adäquat durch die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung anhand der Größe der Wassermesser erfasst werden würde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2011 - 2 S 550/09 -, VBlBW 2011, 353). Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte; auch die Klägerseite hat insoweit über den pauschalen Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Halle hinaus nichts Substantielles vorgetragen. Dies dürfte im Übrigen auch kaum in ihrem Interesse sein, da sie angesichts der gewerblichen Nutzung des veranlagten Grundstücks tendenziell eher mit höheren als mit geringeren Grundgebühren zu rechnen hätte. |
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| bb) Auch die von der Beklagten verwendeten Basisdaten führen nicht zu einer Unwirksamkeit der Satzung. Die Klägerinnen tragen insofern vor, die Abwassersatzung vom 16.09.2014 schreibe nur die fehlerhafte Kalkulation aus der Abwassersatzung seit 2001 fort und das Abwasserentsorgungsgebiet der Beklagten weise keine homogenen Nutzungs- oder Abwasseraufkommensverhältnisse auf. |
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| Entgegen ihrem Vortrag ist jedoch gemäß der vorangegangenen Ausführungen für die Jahre 2008 und 2009 jeweils eine gesonderte Kalkulation erfolgt. Der Frischwassermaßstab ist nur noch für die Schmutzwassergebühr relevant. Die Niederschlagswassergebühr bemisst sich demgegenüber nach der individuell ermittelten versiegelten Fläche. Der fehlerhafte Gebührenmaßstab aus der Satzung vom 11.12.2001 wird so gerade nicht fortgeschrieben. |
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| Sofern sich die Klägerseite auf die „bilanztechnischen und prozentualen Wechselwirkungen“ zur Kalkulation der Trinkwassergebühren berufen, ist dieser Vortrag für das hiesige Verfahren ohne Belang, weil sein Gegenstand allein Abwasserbescheide sind und Trinkwassergebühren somit gerade nicht in Rede stehen. |
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| cc) Die Kalkulation der Gebühren ist grundsätzlich Sache der Gemeinden und Landkreise als Anlagenbetreiber. § 14 Abs. 1 KAG sieht als Einschränkung vor, dass die Gebühren höchstens kostendeckend bemessen werden dürfen. Versorgungseinrichtungen und wirtschaftliche Unternehmen können aber einen angemessenen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen. Bei der Gebührenbemessung können danach die Gesamtkosten in einem mehrjährigen, höchstens fünf Jahre umfassenden Zeitraum berücksichtigt werden, § 14 Abs. 2 S. 1 KAG. |
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| Grundsätzlich dürfen die Gebührenzahler in ihrer Gesamtheit nur mit den Kosten belastet werden dürfen, die durch die Erbringung der in Anspruch genommenen Leistung entstehen, sog. „Äquivalenzprinzip“ (Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 92). Daraus folgt in zeitlicher Hinsicht, dass sie grundsätzlich auch nur mit den Kosten belastet werden dürfen, die während einer Nutzungsperiode anfallen, „Prinzip der Periodengerechtigkeit“ (Vetter, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, Kapitel D, Rn. 171). Um die Gemeinden und Landkreise in die Lage zu versetzen, Gebühren über mehrere Jahre konstant zu halten, sind mit entsprechender gesetzlicher Grundlage auch mehrjährige Gebührenkalkulationen möglich. Die zeitliche Regelbegrenzung beträgt fünf Jahre (Quaas, NVwZ 2007, 757, 759 m.w.N.). |
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| Von diesem Vorgehen zu unterscheiden ist die Erhebung von Gebühren aufgrund einer für einen längeren Zeitraum geltenden Satzung, bei der für jedes Veranlagungs- und Kalkulationsjahr eine gesonderte Gebührenkalkulation vorgenommen worden ist und die insoweit angefallenen Kosten - periodengerecht - verteilt werden (zu einer solchen Möglichkeit: Quaas, NVwZ 2007, 757, 759 m.w.N). Die gesetzliche Höchstgrenze von fünf Jahren, § 14 Abs. 2 S. 1 KAG, stellt dabei einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der kommunalen Gebührenerhebungspraxis und dem Äquivalenzprinzip als zentralem gebührenrechtlichen Maßstab her. Sie soll so zwar mehrjährige Kalkulationen ermöglichen, andererseits aber die notwendigen Abweichungen der Prognosen von der Wirklichkeit durch die zeitliche Beschränkung in einem mit dem Äquivalenzprinzip zu vereinbarenden Rahmen halten (LT-Drs. 9/3778 S. 10). |
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| Vorliegend hat die Beklagte die Gebührenkalkulation jeweils gesondert für die Jahre 2008 und 2009 vorgenommen (vgl. Vorlage zur Gemeinderatssitzung am 16.09.2014 zu § 10127 und die dort in Bezug genommenen Beschlussvorlagen von „XXX Kommunalberatung“ zur Gebührenkalkulation Abwasser für den Berechnungszeitraum 01.01.2008 - 31.12.2008 und den Berechnungszeitraum 01.01.2009 - 31.12.2009 vom 23.10.2012). Kalkulationszeitraum war also jeweils nur ein Jahr, sodass den Anforderungen des § 14 Abs. 2 S. 1 KAG Genüge getan ist. Im Übrigen greift die ratio der zeitlichen Beschränkung auf fünf Jahre bei rückwirkenden Abwassersatzungen nicht. Liegen die Gebührenerhebungszeiträume in der Vergangenheit, besteht kein Bedarf, die Kalkulation zeitlich zu begrenzen, um prognostische Unsicherheiten zu minimieren, weil der Kalkulation dann keine Prognose zugrunde liegt, sondern es lediglich um die Verteilung der tatsächlich angefallenen Kosten geht. Die Kalkulation entspricht auch im Übrigen den gesetzlichen Vorgaben der §§ 14, 17 KAG. |
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| 2. Fehler bei der Berechnung der konkreten Gebühren wurden nicht substantiiert geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Die versiegelte Grundstücksfläche wurde quadratmetergenau ermittelt, so dass offenbleiben kann, inwieweit Pauschalierungen zulässig wären (vgl. hierzu den von der Klägerseite angeführten Beschluss des OVG NRW vom 26.08.2015 - 9 A 1434/14 -, juris). |
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| 3. Der Gebührenanspruch der Beklagten gegen die Klägerin zu 2 ist auch nicht durch eine wirksame Aufrechnung der Klägerin zu 1 entfallen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 a KAG i.V.m. § 226 der Abgabenordnung („AO“) ist die Aufrechnung mit oder Ansprüche aus dem Gebührenschuldverhältnis nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechts möglich, soweit nichts anderes bestimmt ist. Allerdings ist eine Aufrechnung durch den Gebührenschuldner nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen möglich, § 226 Abs. 3 AO. Weiter setzt die Aufrechnungserklärung als Gestaltungsgeschäft die Verfügungsbefugnis des Aufrechnenden zum Zeitpunkt der Erklärung voraus und der die Aufrechnung erklärende muss sowohl die Passiv- als auch die Aktivforderung hinreichend konkret bezeichnen, sodass sie sich zumindest im Wege der Auslegung ermitteln lässt (MüKoBGB/Schlüter, 7. Aufl., § 388 BGB Rn. 1). |
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| Eine unbestrittene Gegenforderung existiert nicht. Auch eine rechtskräftig festgestellte Gegenforderung der Klägerin zu 2 ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwischen den Beteiligten bzw. der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 und der Beklagten sind und waren eine Vielzahl an Rechtstreitigkeiten anhängig, die zum Teil bereits rechtskräftig entschieden worden sind. Die Verfahren hatten zum Teil auch Erstattungsansprüche der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte zum Gegenstand (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteile vom 15.12.2016 - 2 S 2504/14 und 2 S 2505/14 -). Soweit ersichtlich endete aber keines dieser Verfahren mit der rechtskräftigen Feststellung eines Erstattungsanspruches der Klägerin zu 2 als Gebührenschuldnerin gegen die Beklagte. Auch vorgetragen ist ein solcher Anspruch nicht. |
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| Weiter fehlt es an der gemäß § 387 BGB erforderlichen Gegenseitigkeit der Forderungen. Demnach kann die Klägerin zu 2 nur mit jenen Forderungen aufrechnen, welche ihr als alleiniger Gebührenschuldnerin selbst gegen die Beklagte zustehen. Derartige unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen sind nicht ersichtlich. Die Klägerin zu 2 war außerhalb des hiesigen Verfahrens lediglich einmal an einem Verfahren vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht Stuttgart beteiligt (Urteil vom 27.12.2012 - 1 K 2265/11 -). Im dortigen Verfahren stellte das Gericht keine Forderung der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte fest. Dass der Klägerin zu 2 aus einem anderen Zusammenhang eine solche Forderung zustünde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. |
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| Schließlich ist eine Aufrechnungserklärung nur wirksam, wenn sie die Passiv- und die Aktivforderung hinreichend konkret bezeichnet (MüKoBGB/Schlüter, 7. Aufl., § 388 BGB Rn. 1). Beides ist vorliegend unterblieben. Der Prozessvertreter der Klägerinnen hat mit Schreiben vom 10.01.2015, das sich ausweislich der Betreffzeile gegen den Bescheid für das Jahr 2009 wendet, „hilfsweise dem Grunde nach die Aufrechnung erklärt“. Eine Aufrechnungsaufstellung reiche er nach. Das ist unterblieben. Aus dem Zusammenhang des Schriftstückes mit dem angegriffenen Bescheid lässt sich somit nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB ermitteln, dass die Passivforderung der Beklagten ihre Forderung über Abwassergebühren für den Zeitraum vom 01.01.2009 - 31.12.2009 vom 10.12.2014 in Höhe von 15.721,50 EUR gewesen sein soll. Die Aktivforderung bezeichnete der Klägervertreter dagegen nicht. Das BGB behilft sich in solchen Fällen mit der Regelung in §§ 396 Abs. 1, 366 BGB, welche die Rangfolge des Erlöschens mehrerer möglicher Gegenforderungen festlegt. Auch für diesen gesetzlichen Automatismus bedarf es jedoch der hier unterbliebenen Darlegung des Aufrechnenden, dass und welche Forderungen ihm zustünden und per Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollen. |
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| 4. Für die streitgegenständlichen Bescheide ist auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. |
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| Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen, § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 169, 170 AO. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.01.2010 - 2 S 1171/09 -, juris Rn. 26; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.11.1996 - 4 K 11/96 -, KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 -, juris). |
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| Gemäß § 43 Abs. 1 der Abwassersatzung entstand die Gebührenschuld mit dem Ablauf eines Kalenderjahres für das Kalenderjahr, also mit dem 01.01.2009 für das Jahr 2008 und mit dem 01.01.2010 für das Jahr 2009. Die Festsetzungsfrist läuft gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie wäre danach am 01.01.2014 für beide Gebührenjahre abgelaufen. |
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| Allerdings gelten die Regeln der Abgabenordnung über den Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 bis 3 AO für das Kommunalabgabenrecht mit der Maßgabe, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet, § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG. Sinn dieser Regelung ist es, mit der rückwirkenden Inkraftsetzung einer Satzung nicht zugleich auch rückwirkend die Festsetzungsverjährung in Lauf zu setzen (LT-Drs. 11/6586, S. 18). Dabei ist es unerheblich, worauf die Ungültigkeit der Altsatzung beruht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.09.2002 - 2 S 976/02 -, juris). Die streitgegenständliche Abwassersatzung ist im Amtsblatt vom 24.09.2014 öffentlich bekannt gemacht worden. Folglich endete die Festsetzungsfrist jedenfalls nicht vor Ablauf des 23.09.2015 und damit nach Erlass der streitgegenständlichen Abwasserbescheide am 15.11.2014 (Bescheid 2008) und 10.01.2015 (Bescheid 2009). |
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| Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parallelnorm des § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c) in § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b BayKAG. Danach ist eine Norm, welche die Erhebung von Beiträgen ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, mit den verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem aus dem Rechtstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Gebot der Rechtssicherheit unvereinbar, weil der Gesetzgeber den Interessenausgleich zwischen den Erwartungen der Bürger auf Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem öffentlichen Belang an finanziellen Beiträgen für individuelle Vorteile einseitig zulasten der Schuldner entschieden hat (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143). |
|
| Diese Rechtsprechung gilt indes nur für Beiträge und gerade nicht, wie vorliegend, für Gebühren. Folgerichtig ist das BayKAG zur Umsetzung dieses Beschlusses durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11. März 2014 (GVBl S. 70), in Kraft getreten am 1. April 2014, auch nur insoweit geändert worden. Eingefügt wurde Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b, bb Spiegelstrich 1, wonach „§ 169 AO mit der Maßgabe für die Erhebung von Kommunalabgaben gilt, dass über § 169 Abs. 1 S. 1 AO hinaus die Festsetzung einesBeitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre“. |
|
| Nach Ablauf dieser Frist ist eine Beitragsfestsetzung nicht mehr zulässig (LT-Drs. 17/370, S. 13 ff.). Dementsprechend ist diese Rechtsprechung auch vom VGH Baden-Württemberg nur für Beiträge rezipiert worden (Urteil vom 31.12.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 46). Auch wenn es sich bei Gebühren ebenfalls um kommunale Abgaben handelt, ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht auf Gebühren übertragbar. So beruht die Erhebung von Beiträgen gemäß § 20 Abs.1 S. 1 KAG auf der Möglichkeit der Gemeinden und Landkreise, die Kosten für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen teilweise von den Grundstückseigentümern zu erheben, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihres Grundstücks an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden, § 20 Abs. 1 S. 1 KAG. |
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| Anschlussbeiträge nach den Kommunalabgabengesetzen zählen wie Gebühren zu den Vorzugslasten. Das sind Abgaben, die primär als Gegenleistung für eine Leistung der öffentlichen Hand erhoben werden (Wehr, LKV 2006, 241, 243). Während Gebühren jedoch nur für die tatsächliche Inanspruchnahme dieser Leistungen erhoben werden, genügt die potenzielle Inanspruchnahme durch den Beitragsschuldner, um die Erhebung von Beiträgen zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 18.05.2004 - 2 BvR 2374/99 -, NVwZ 2004, 1477, 1479 f.). Daraus folgt für die Festsetzungsverjährung, dass der Gebührenschuldner im Gegensatz zu einem Beitragsschuldner um seinen Verbrauch - also die tatsächliche Begründung seiner Abgabenpflicht - weiß und deshalb in Bezug auf die Festsetzungsverjährung weniger schutzwürdig ist. |
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| Schließlich ist die Berufung der Klägerseite auf eine nicht hinreichende Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten nach den Umständen des Einzelfalles ausgeschlossen. Gegenstand des Rechtstreites sind Gebührenbescheide für die Jahre 2008 und 2009. Die Beklagte hatte für diese Zeiträume zunächst Bescheide erlassen, welche die Klägerinnen oder ihre Rechtsvorgänger erfolgreich angefochten haben, weil diese Bescheide auf einer rechtswidrigen und damit nichtigen Satzung beruhten. Damit konnte sich ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Nichterhebung der Gebühren gar nicht bilden, weil mit der gerichtlich gestoppten erstmaligen Erhebung bereits offensichtlich war, dass nach Erlass einer neuen, wirksamen Satzung ein neuer Gebührenerhebungsversuch erfolgen würde. Diesen hat die Beklagte nach der rechtskräftigen Aufhebung der Ausgangsbescheide unverzüglich unternommen, indem sie noch im Jahr 2014 eine neue Satzung für den streitgegenständlichen Zeitraum erließ und binnen weniger Monate neue Gebührenbescheide erließ. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allein der Ablauf eines erheblichen Zeitraumes, selbst wenn es sich dabei um Jahrzehnte handelt, unschädlich für die Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 46). |
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| 5. Die Klägerin zu 2 kann auch nicht die Absetzung der ihr in Rechnung gestellten Wassermengen im Umfang von 4576 m³ (für das Jahr 2008) und 3433 m³ (für das Jahr 2009) verlangen. |
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| Gemäß § 41 Abs. 1 Abwassersatzung sind Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet wurden, auf Antrag des Gebührenschuldners von der Bemessung ausgenommen. Den gemäß § 41 Abs. 1, 4 Abwassersatzung erforderlichen Antrag hat die Klägerin zu 2 für beide Jahre fristgemäß gestellt. Das Schreiben vom 10.01.2015 hat die Beklagte bereits ihrerseits im behördlichen Verfahren als Absetzungsantrag für das Jahr 2009 ausgelegt, im Schreiben vom 15.11.2014 ist der Absetzungsantrag für das Jahr 2008 sogar explizit gestellt. Dem steht es nicht entgegen, dass der Antrag „im Namen der Inhaberin“ formuliert war. Auch diese Erklärung ist als Antrag nach dem tatsächlichen Willen des Antragstellers unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizontes auszulegen, §§ 133, 157 BGB analog. Aus dem Gesamtzusammenhang mit dem angegriffenen Bescheid, der alleine die Klägerin zu 2 als Grundstückseigentümerin und Gebührenschuldnerin verpflichtete, ergibt sich danach, dass der Antrag für die Klägerin zu 2 und nicht für die Klägerin zu 1 gestellt wurde. Letztere hätte mangels Inanspruchnahme weder Grund noch Interesse zu und an einem solchen Antrag. |
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| Zwischen den Beteiligten streitig ist die Frage, ob und in welchem Umfang „nachweislich“ Frischwasser nicht in die Abwasseranlagen eingeleitet worden ist bzw. ob die von den Klägerinnen bezifferten Abwassermengen hinreichend sicher nachgewiesen worden sind. Gemäß § 41 Abs. 2 Abwassersatzung „soll“ der Nachweis durch einen besonderen Wasserzähler erbracht werden. Ein solcher existierte für das streitgegenständliche Grundstück nicht. |
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| In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das entnommene Frischwasser grundsätzlich ein tauglicher Maßstab für die Berechnung von Schmutzwassergebühren ist, solange die Satzung - wie vorliegend - die Möglichkeit zur Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen eröffnet (st. Rspr. des VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2504/14 -; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.12.2016 - 4 L 162/15 -, juris). |
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| Der Satzungsgeber darf eine solche Absetzung von nicht eingeleiteten Wassermengen von einem Nachweis abhängig machen und diesen Nachweis dem Nutzer (Gebührenschuldner) auferlegen (BVerwG, Urteil vom 14.04.1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317; BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3/93 -, DÖV 1995, 826; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2003 - 2 S 2700/01 -, BWGZ 2003, 810). |
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| Dabei ist aus der satzungsrechtlichen Vorgabe, dass der Nachweis über eine Abzugsmenge erfolgen muss, auf einen Wirklichkeitsmaßstab zu schließen, d.h. nachzuweisen ist die tatsächlich nicht eingeleitete Frischwassermenge. Ist - und dies wie dargelegt in zulässiger Weise - satzungsrechtlich und damit normativ eine Nachweispflicht festgelegt, ergeben sich die Anforderungen an deren Erfüllung aus ihrem Charakter als Beweislastregel, ihrer satzungsrechtlichen Normierung und letztlich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach fordert der Nachweis das Ausschöpfen aller dem Betroffenen zumutbaren Darlegungs- und Substantiierungsmöglichkeiten. Eine eigene Ermittlung der Abzugsmenge durch die Gemeinde ist regelmäßig nicht geboten. |
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| Die streitgegenständliche Abwassersatzung regelt in § 41 Abs. 2 die Anlage eines separaten Wasserzählers als „soll“. Daraus folgt, dass der Nachweis per separatem Zähler möglich ist, aber auch andere Methoden vom Satzungsgeber zugelassen werden. In Rechtsprechung und Verwaltungspraxis weiter anerkannt ist der Nachweis durch geeignete Unterlagen des Gebührenschuldners, die der Gemeinde eine nachvollziehbare Grundlage zur Bestimmung der nicht eingeleiteten Abwassermenge verschaffen können. Der Nachweis kann schließlich bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auch anhand allgemeiner Erfahrungswerte geführt werden (Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 2005, § 6 Rn. 385; Queitsch, KStZ 2006, 81, 82; Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 9 ff., jeweils m.w.N.). Solche Erfahrungswerte haben sich allerdings nur bei einzelnen Benutzergruppen bzw. Betriebsarten infolge langjähriger Erfahrung in Form von Durchschnittswerten oder Rahmenwerten herausgebildet. Sie kommen dann, wenn sie sich auf genau nachprüfbare Berechnungsgrundlagen stützen, als Nachweisgrundlage in Betracht. Fehlt es demgegenüber an derartigen genauen Berechnungsgrundlagen und liegen lediglich allgemeine Durchschnitts- oder Rahmenwerte vor, sind sie als alleinige Nachweisgrundlage nicht ausreichend (vgl. Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 9 ff.; Gössl, BWGZ 1992, 701). |
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| Für den Bereich der Fruchtsaftherstellung fehlt es an solchen allgemeinen Erfahrungswerten (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2504/16 -). Ihrer Bildung stand und steht entgegen, dass verallgemeinerungsfähige Werte wegen der unterschiedlichen Produktionsverhältnisse in den jeweiligen Einzelbetrieben nicht zu ermitteln sind (dazu Gössl, BWGZ 1992, 701; Queitsch, KStZ 2006, 81, S. 84 m.w.N.). Welcher Wasseranteil verarbeitet und daher nicht als Abwasser eingeleitet ist, richtet sich nach der jeweiligen konkreten Rezeptur der Fruchtsaftgetränke, mithin nach individuellen, von Betrieb zu Betrieb und von Produkt zu Produkt unterschiedlichen Vorgaben, die auch von Jahr zu Jahr variieren können (Einzelheiten bei Queitsch, a.a.O. S. 84; vgl. auch Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 11). So zeigen die Gutachten des Prof. Dr. O., dass alleine für den Betrieb der Klägerin zu 1 die Marge abzusetzenden Abwassers in den drei von ihm untersuchten Jahren zwischen 46% und 60 % liegt und damit außerhalb des verallgemeinerungsfähigen Bereiches. |
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| Fehlen solche verallgemeinerungsfähigen Erfahrungswerte, ist schließlich auch die Möglichkeit anerkannt, die dem betroffenen Betrieb zuzuordnenden Absatzmengen einzelfallbezogen festzustellen. Sind Messeinrichtungen - wie hier - für den Betrieb nicht vorhanden oder unzureichend, ist der satzungsrechtlich geforderte Nachweis durch eine dann betriebsbezogene Ermittlung zu erbringen, wie etwa durch ein Einzelgutachten, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaubt und daher als Grundlage (Nachweis) für die Feststellung nicht eingeleiteter Abwassermengen ausreicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2006 - 2 S 1256/06 -, NVwZ RR 2007, 409 unter Verweis auf: Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 11). |
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| Für das Jahr 2003 haben die Klägerinnen diesen Nachweis mit Billigung des Verwaltungsgerichtshofes (Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2504/14) durch ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. O. erbracht. Entsprechende Gutachten existieren nach Kenntnis des Gerichts außerdem für die Jahre 2010 und 2011. Die Gutachten ermitteln jeweils aus den Rezepturdokumenten den Anteil eingesetzten Trinkwassers und berechnen dann mit Hilfe der vom Gebührenschuldner nachgewiesenen Rohwarenmengen die Gesamtmenge des eingesetzten Trinkwassers. Dabei kommen sie für die verschiedenen Berechnungsjahre zu unterschiedlichen Trinkwasseranteilen von 46 %, 50 % und 60 %. Die Berechnung beruht insoweit auf einer Übereinkunft mit dem ehemaligen Bürgermeister der Beklagten, D. K., weshalb die Klägerinnen und der Gutachter sie als „Methode K.“ bezeichnen. |
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| Für die streitgegenständlichen Kalenderjahre 2008 und 2009 fehlt es dagegen an einem solchen Gutachten. Die klägerseitig vorgelegten Gesamtaufstellungen vermögen nicht, die für den Nachweis erforderlichen Gutachten zu ersetzen. |
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| Unstreitig ist der Satzungsgeber berechtigt, die Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen von einem Nachweis abhängig machen und diesen Nachweis dem Nutzer (Gebührenschuldner) auferlegen (BVerwG, Urteil vom 14.4.1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317; BVerwG, Beschluss vom 28. März 1995 - 8 N 3/93 -, DÖV 1995, 826; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.7.2003 - 2 S 2700/01 -, BWGZ 2003, 810). Weiter unstreitig ist es dem Satzungsgeber erlaubt, Anforderungen an den Nachweis zu formulieren. Selbst wenn sich diese Anforderungen, wie vorliegend, in einer Sollvorschrift erschöpft, bedarf es für die Absetzung eines hinreichend klaren und objektiven Nachweises über das nicht eingeleitete Frischwasser. Die Aufstellungen des Prozessvertreters der Klägerinnen erschöpfen sich insofern in einer Aufsummierung von Einzelposten. Dabei wird anders als in dem vom Verwaltungsgerichtshof anerkannten Gutachten nicht sukzessive der Rechenweg von den eingekauften Rohrstoffmengen über die Rezeptur der Einzelprodukte zu einer Summe an nicht eingeleitetem Abwasser unter Erläuterung der einzelnen Rechenoperationen beschritten, sondern schlicht die Nichteinleitung aus bestimmten Produktionsvorgängen behauptet. Weder für das Gericht noch für die Beklagte sind die so getroffenen Angaben nachvollziehbar. Der Sinn des Nachweises, die mit dem Frischwassermaßstab notwendig einhergehenden Ungenauigkeiten auszugleichen, wird so verfehlt, weil der Beklagten eine Nachprüfung unmöglich ist. Es ist aber im Grundsatz Sache des Gebührenschuldners, Absetzungen nachzuweisen und so die Nachprüfung zu ermöglichen. Zu rechtfertigen ist dies mit Blick darauf, dass die nachzuweisenden Umstände auf eine besondere, einzelfallbezogene Befreiung von der Gebühr abzielen und sie ihre Grundlagen ausschließlich im Bereich des Betroffenen finden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2006 - 2 S 1256/06 -, NVwZ-RR 2007, 409). |
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| Ist - und dies wie dargelegt in zulässiger Weise - satzungsrechtlich und damit normativ eine Nachweispflicht festgelegt, ergeben sich die Anforderungen an deren Erfüllung aus ihrem Charakter als Beweislastregel, ihrer satzungsrechtlichen Normierung und letztlich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach fordert der Nachweis - soweit nicht ohnehin technische Messeinrichtungen satzungsrechtlich vorgegeben sind - das Ausschöpfen aller dem Betroffenen zumutbaren Darlegungs- und Substantiierungsmöglichkeiten. Eine eigene Ermittlung der Abzugsmenge durch die Gemeinde ist regelmäßig nicht geboten; sie darf bei Fehlen des Nachweises von der dem Grundstück zugeführten Frischwassermenge ausgehen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2006, a.a.O. ). |
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| Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der über § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG anwendbaren Bestimmung in § 162 AO, wonach die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen unter Berücksichtigung aller sachwesentlichen Umstände zu schätzen hat, soweit sich diese nicht ermitteln oder berechnen lassen. Eine solche Schätzung ist nämlich in all jenen Fällen ausgeschlossen, in denen die Gewährung gebührenmindernder oder -begünstigender Rechtsfolgen von einem bestimmten Nachweis abhängt (Koenig/Cöster, AO, 3. Auflage 2014, § 162 Rn. 95). Andernfalls würde durch die Reduzierung des Beweismaßes die Nachweispflicht ad absurdum geführt (Martin, BB 1986, 1021). Entsprechend verlangt die Abwassersatzung der Stadt L. in § 41 einen ebensolchen Nachweis. Die Bestimmung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Eine Schätzung war demnach nicht vorzunehmen. |
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