Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 16. März 2017 - 1 K 2131/15

bei uns veröffentlicht am16.03.2017

Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Tatbestand

 
Die Klägerinnen wenden sich gegen die Erhebung von Gebühren für Schmutz- und Niederschlagswasser für die Jahre 2008 und 2009 durch die Beklagte.
Die Klägerin zu 2 ist seit 2003 Eigentümerin des Grundstücks in der XXX-straße XXX in L. und Inhaberin der Klägerin zu 1, die auf diesem Grundstück in dem fraglichen Zeitraum Fruchtsaft und Fruchtsaftkonzentrate herstellte.
Bereits mit Bescheiden vom 31.12.2008 und vom 31.12.2009 hatte die Beklagte die damalige XXX GmbH auf der Grundlage der damals geltenden Abwassersatzung vom 11.12.2001 zu Abwassergebühren für die Jahre 2008 und 2009 herangezogen. Diese Bescheide wurden durch Urteile des Verwaltungsgerichts Stuttgart (Jahr 2008: Urteil vom 17.02.2011 - 1 K 1568/10 -; Jahr 2009: Urteil vom 15.08.2012 - 1 K 1874/10), die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt wurden (Jahr 2008: Urteil vom 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -; Jahr 2009: Beschluss vom 18.12.2014 - 2 S 2446/14), rechtskräftig aufgehoben.
Mit Bescheid vom 22.10.2014 erhob die Beklagte erneut Abwassergebühren für das Grundstück in der XXX-straße XXX in L. für den Zeitraum vom 01.01.2008 - 31.12.2008. Adressatin des Bescheides war die Klägerin zu 2, der die Beklagte Gebühren in Höhe von 29.466,44 EUR in Rechnung stellte. Sie stützte sich dabei auf die für die Jahre 2008 und 2009 rückwirkend erlassene Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung der Stadt L. vom 16.09.2014 („Abwassersatzung“). Von der Gesamtsumme entfielen auf Schmutzwasser 28.558,94 EUR und auf Niederschlagswasser 907,50 EUR. Berechnungsgrundlage für die Schmutzwassergebühren waren die addierten Messungen der Wasserzähler Nr. 60507 (7347 m³), 71029 (2868 m³) und 60285 (58 m³), insgesamt 10273 m³ zu einem Einzelpreis von 2,78 EUR/m³. Berechnungsgrundlage für die Niederschlagswassergebühr war die versiegelte Fläche auf dem streitgegenständlichen Grundstück von 3.025 m² zu einem Einzelpreis von 0,30 EUR/m³.
Außerdem erhob die Beklagte für das streitgegenständliche Grundstück mit Bescheid vom 10.12.2014 erneut Abwassergebühren für den Zeitraum vom 01.01.2009 - 31.12.2009 in Höhe von 15.721,50 EUR von der Klägerin zu 2. Von der Gesamtsumme entfielen auf Schmutzwasser 14.723,25 EUR und auf Niederschlagswasser 998,25 EUR. Berechnungsgrundlage für die Schmutzwassergebühren waren die addierten Messungen der Wasserzähler Nr. 60507 (1930 m³), 71029 (3790 m³) und 60285 (39 m³), insgesamt 5759 m³ zu einem Einzelpreis von 2,55 EUR/m³ zuzüglich einer Abwassergrundgebühr von 3,15 EUR/Monat. Berechnungsgrundlage für die Niederschlagswassergebühr war die versiegelte Fläche auf dem streitgegenständlichen Grundstück von 3.025 m² zu einem Einzelpreis von 0,33 EUR/m³.
Gegen beide Bescheide legten die Klägerinnen am 15.11.2014 (Bescheid 2008) bzw. am 10.01.2015 (Bescheid 2009) Widerspruch ein und beriefen sich zur Begründung darauf, dass Festsetzungs- und Zahlungsverjährung eingetreten sei. Weiter fehle es an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage, weil die Abwassersatzung unwirksam sei. Außerdem sei nicht eingeleitetes Abwasser fehlerhaft nicht berücksichtigt worden. Schließlich stünden den Klägerinnen diverse Gegenansprüche wegen Überzahlung und Amtshaftung zu, mit denen wirksam aufgerechnet worden sei.
Mit Schreiben vom 17.11.2014 beantragte der Prozessvertreter der Klägerinnen „namens der Inhaberin XXX XXX“, die zur Fruchtsaftherstellung verwendeten und darum nicht eingeleiteten Abwassermengen, insgesamt 4576 m³, von der Berechnung für das Jahr 2008 abzusetzen. Mit Schreiben vom 10.01.2015 beantragte der Prozessvertreter außerdem die zur Fruchtsaftherstellung verwendeten und darum nicht eingeleiteten Abwassermengen, insgesamt 3433 m³, von der Berechnung für das Jahr 2009 abzusetzen.
Mit dem Absetzungsantrag für das Jahr 2008 übersandte der Prozessvertreter der Klägerinnen der Beklagten eine zweiseitige Gesamtaufstellung für das Jahr 2008. Sie sei analog dem für das Jahr 2003 erstellten Gutachten von Prof. Dr. O. nach der „Methode K.“ erfolgt. Außerdem bot der Prozessvertreter der Klägerinnen an, die Unterlagen zu den verwendeten Rohmaterialien für die Festsetzungsjahre nachzureichen, die Kosten für externe Gutachter bis zur Höhe von 150 EUR zu übernehmen und das Gutachten des Prof. Dr. O. auf das streitgegenständliche Versorgungsjahr 2008 zu erweitern. Die Beklagte legte die Berechnungen des Prozessvertreters der Klägerinnen mit Schreiben vom 24.11.2014 dem externen Ingenieurbüro XXX GmbH mit der Bitte um Überprüfung vor. Nach Aussage des Niederlassungsleiters Herrn S. vom 28.11.2014 war die Überprüfung der klägerischen Berechnung anhand der vorgelegten Unterlagen nicht möglich. Der endgültige Begutachtungsaufwand sei nicht abzuschätzen. Er läge aber bei mindestens 500 EUR. Mit Schreiben vom selben Tage forderte der Bürgermeister der Beklagten den Prozessvertreter der Klägerinnen unter Fristsetzung bis zum 30.12.2014 auf, die Kostenübernahme zu erklären und die zur Berechnung noch fehlenden Unterlagen vorzulegen. Der Prozessvertreter der Beklagten erklärte mit Schreiben vom 03.12.2014, er werde ein Gutachten von Prof. Dr. O. einholen, sofern ihm bis dahin keine anderslautende Entscheidung der Beklagten vorliege. Mit Schreiben vom 22.12.2014 replizierte der Bürgermeister der Beklagten, sollte ihm bis zum Fristablauf am 30.12.2014 keine Kostenübernahmeerklärung vorliegen, würde er den Widerspruch an die Widerspruchsbehörde weiterleiten. Sollte ihm in der Zwischenzeit ein weiteres Parteigutachten zugehen, müsse auch dieses geprüft werden, sodass auch diesem Gutachten gleich eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung beigefügt werden könne. Mit Schreiben vom 10.01.2015 erwiderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen, die Beauftragung des Gutachters sei zurückgestellt worden, weil Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
Mit dem Absetzungsantrag für das Jahr 2009 vom 10.01.2015 übersandte der Prozessvertreter der Klägerinnen der Beklagten eine zweiseitige Gesamtaufstellung für das Jahr 2009. Sie sei analog dem Gutachten von Prof. Dr. O. nach der „Methode K.“ erstellt worden. Außerdem bot der Prozessvertreter der Klägerinnen an, die Unterlagen zu den verwendeten Rohmaterialien für die Festsetzungsjahre nachzureichen, die Kosten für externe Gutachter bis zur Höhe von 150 EUR zu übernehmen und das Gutachten des Prof. Dr. O. auf das streitgegenständliche Versorgungsjahr 2009 zu erweitern. Er wies „vorsorglich darauf hin, dass hierfür Kosten in Höhe von 5000 – 6000 EUR“ anfallen würden. Die Beauftragung des Gutachters werde vorsorglich zurückgestellt, bis über die Frage der Festsetzungsverjährung entschieden sei.
10 
Der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen mit der Berechnung der Absetzungsmengen für die Abrechnungsjahre 2003, 2010 und 2011 beauftragte Gutachter Prof. Dr. O. von der Fachhochschule Lippe ermittelte für das Jahr 2003 einen Absetzungsanteil von 50,1 %, für das Jahr 2010 einen Absetzungsanteil von 46 % und für das Jahr 2011 einen Absetzungsanteil von 60 %.
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Das Landratsamt XXX wies „die Widersprüche der Frau XXX XXX“ mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2015 zurück und setzte dafür eine Gebühr von 40 EUR fest. In der Betreffzeile des Widerspruchsbescheides heißt es: Widerspruch von Frau XXX XXX […], Inhaberin XXX XXX Fruchtsäfte […].
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Am 27.04.2015 haben die Klägerinnen Klage erhoben, zu deren Begründung sie vortragen, die Abwassersatzungen der Beklagten mit Wirkung zum 01.01.2002 und 01.01.2005 sowie jene vom 16.09.2014 mit Wirkung für die Jahre 2008 und 2009 seien gemäß einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 07.11.2014 (Az.: 2 S 1529/11 -, juris) nichtig und der rückwirkende Erlass einer Satzung verstoße gegen höherrangiges Recht, sodass der Fehler nicht geheilt werden könne. Die angegriffenen Abwasserbescheide seien darum rechtswidrig und folglich aufzuheben. Dem stehe die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg im Normenkontrollverfahren gegen die Abwassersatzung vom 11.12.2001 (Urteil vom 07. Oktober 2004 - 2 S 2806/02 -, juris) nicht entgegen. Sie binde nur die damals Verfahrensbeteiligten, die Stadt L. und Herrn XXX XXX junior. Außerdem sei die Rechtskraftwirkung jenes Normenkontrollurteils aufzuheben, weil ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder ein Wandel der Rechtsauffassung oder neue rechtliche Gesichtspunkte vorlägen oder Nichtigkeitsgründe oder Einwände in späteren Verfahren erstmals vorgetragen worden seien. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass die Beklagte in den Basisdaten für die Globalberechnung und Gebührenkalkulation von Abwasser pauschalierte Daten verwende. Das sei unzulässig. Die Berechnung der Beklagten sei spätestens für die Abwassersatzung ab dem 01.01.2001 falsch. Wegen der „bilanztechnischen und prozentualen Wechselwirkungen“ gelte selbiges auch für die Kalkulation der Trinkwassergebühren. Die fehlerhaften Ansätze seien seit 2001 fortgeschrieben worden. Darum seien auch alle Folgeversionen der Satzung nichtig. Außerdem weise das Abwasserentsorgungsgebiet der Beklagten keine homogenen Nutzungs- oder Abwasseraufkommensverhältnisse auf und § 9 Abs. 2 KAG sehe einen maximal zulässigen Kalkulationszeitraum von 5 Jahren vor. Nach dem Erstbeschluss im Jahr 2001 habe dieser spätestens am 31.12.2006 geendet. Seitdem könne die Beklagte keine rechtmäßigen Gebührenbescheide mehr erlassen. Die Abwassersatzung sei auch darum nichtig, weil die Gebührenerhebung für Trinkwasser entgegen einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle (Saale) vom 26.10.2010 (Az.: 4 A 13/10) nicht nach Wohneinheiten und Gewerbeeinheiten differenziere und weil sie keine Bestimmung des Gebührenschuldners enthalte. Weiter habe die Klägerin zu 1 in erheblichem Umfang entnommenes Trinkwasser zur Saftproduktion verwendet und dieses Wasser damit gerade nicht als Abwasser zurückgeführt. Folglich dürften insoweit auch keine Abwassergebühren erhoben werden. Dabei handele es sich um Mengen von 4576 m³ (2008) bzw. 3433 m³ (2009). Sie seien nach dem Modell „K.“ ermittelt worden. Die Gutachter Herr Prof. Dr. O. (FH Lemgo) und Herr Dr. B. (Uni Hohenheim) hätten die Ergebnisse bestätigt. Außerdem gelte Bestandsschutz für diese Form des Nachweises, weil diese Abrechnungsmethode in den Jahren 1984 - 1995 einvernehmlich praktiziert worden sei. Schließlich erklären die Klägerinnen, sie rechneten mit den ihnen zustehenden Ansprüchen aus „Überzahlung“ der rechtswidrig erhobenen Wassergebühren aus den Vorjahren auf und machten ihr Zurückbehaltungsrecht geltend.
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Die Klägerin zu 1 hat in der mündlichen Verhandlung vor Stellung der Anträge ihre Klage zurückgenommen.
14 
Die Klägerin zu 2 beantragt,
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die Bescheide der Beklagten vom 22.10.2014 und vom 10.12.2014 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes XXX XXX vom 01.04.2015 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
18 
Sie trägt vor, die angegriffenen Bescheide beruhten auf § 13 KAG i.V.m. der Abwassersatzung der Beklagten vom 16.09.2014. Diese Satzung sei rückwirkend zum 01.01.2008 in Kraft getreten. Anders als die Klägerinnen meinten, sei eine solche Rückwirkung auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg (Urteil vom 07.11.2014 - 2 S 1529/11-) zulässig. Mit dieser Satzung sei der vom Verwaltungsgerichtshof angemahnten Splittung der Abwassergebühr Rechnung getragen worden. Weitere substantielle Einwendungen gegen die Satzung seien nicht vorgetragen. Soweit sich die Klägerinnen noch darauf beriefen, dass von der Klägerin zu 1 nicht eingeleitete Wassermengen von der Abwassergebühr abzusetzen seien, regele § 41 der Abwassersatzung, dass die Beklagte die Absetzung von einem Nachweis abhängig machen und diesen dem Gebührenschuldner auferlegen könne. Fehle es an einem gesonderten Wasserzähler, könne der Nachweis auf verallgemeinerungsfähige Erfahrungswerte gestützt werden. Für den Betrieb der Klägerin zu 1 fehle es an solchen verallgemeinerungsfähigen Erfahrungswerten. Sie müssten einzelfallbezogen ermittelt werden. Die Klägerin zu 1 verweigere diesen Nachweis seit Jahren, sodass die Absetzung nicht möglich sei. Soweit die Klägerinnen aufrechneten oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machten, sei dies gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5a KAG i.V.m. § 226 Abs. 3 AO nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen möglich. Daran fehle es. Die geltend gemachten Forderungen der Klägerinnen seien weder hinreichend substantiiert noch schlüssig.
19 
Dem Gericht liegen die Behördenakten der Beklagten und des Landratsamtes XXX XXX sowie die Gerichtsakten zu den parallelen Verfahren 1 K 777/10, 1 K 2390/12 und 1 K 3329/12 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten, die Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20 
I. Nach der Klagerücknahme der Klägerin zu 1 war das Verfahren insoweit nach § 92 Abs. 3 S. 1 1. Alt VwGO einzustellen.
21 
II. Die Klage der Klägerin zu 2 ist zulässig, aber unbegründet.
22 
1. Entgegen dem Vortrag der Klägerseite beruhen die angegriffenen Bescheide mit §§ 37, 38, 39 der Abwassersatzung der Stadt L. vom 16.09.2014 auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Dem steht weder entgegen, dass die Satzung aus dem Jahr 2014 mit den Jahren 2008 und 2009 abgeschlossene Abwasserabrechnungszeiträume betrifft (a)) noch führen die übrigen von der Klägerseite genannten Aspekte zur Nichtigkeit der Satzung (b)).
23 
a) Gemäß ihrem § 52 Abs. 2 ist die Satzung vom 16.09.2014 rückwirkend zum 01.01.2008 in Kraft getreten. Bedenken gegen die rückwirkende Inkraftsetzung bestehen auch mit Blick auf das grundsätzliche verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nicht. Die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue, diesen Fehler vermeidende Satzung ist zulässig, solange die Neuregelung nicht ihrerseits nichtig ist, etwa weil sie den Kreis der Abgabenpflichtigen erweitert (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, juris Rn. 33).
24 
Mit der streitgegenständlichen Satzung ist die Abwassersatzung der Beklagten aus dem Jahr 2001 ersetzt worden, die eine nach dem Frischwassermaßstab berechnete einheitliche Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung vorgesehen hatte, was nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 11.03.2010 - 2 S 2938/08 -, VBlBW 2010, 481-485) unzulässig ist. Die frühere Satzung war mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, juris Rn. 31). Durch die streitgegenständliche Abwassersatzung vom 16.09.2014 sollte diese Satzung durch eine rechtsgültige, den neuen rechtlichen Anforderungen genügende Satzung ersetzt werden, so dass das Vertrauen der Betroffenen in die Fortgeltung der alten Rechtslage nicht schutzwürdig war. Der Normgeber war befugt, die unwirksame Satzung durch eine neue, diesen Fehler vermeidende Satzung auch rückwirkend zu ersetzen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.03.2006 - 2 S 831/05 -, NVwZ-RR 2006, 686; Urteil vom 07.11.2014, a.a.O. Rn. 33).
25 
Die neue Abwassersatzung ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerseite auch nicht ihrerseits wegen „neuer“ Fehler nichtig. Im dazu von Klägerseite in Bezug genommenen Urteil (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2014, a.a.O.) hatte der Verwaltungsgerichtshof die Frage zu klären, ob auch die dortige Klägerin als Nichteigentümerin, aber schuldrechtlich Berechtigte an dem Grundstück Schuldnerin der Abwassergebühren ist. Er kam dabei unter der Rn. 33 zu dem Ergebnis, dass viel dafür spreche, „dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a [der Satzung] auch technisch gesondert festgestellt werden können.“ Das bedürfe aber keiner Entscheidung, weil „selbst dann, wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam wäre.“ Die Ausnahme vom Rückwirkungsgebot zur „Heilung“ von Altsatzungen mit fehlerhaftem Abwägungsmaßstab gelte „nicht für abgeschlossene Tatbestände, wie den Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stelle sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende, rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar.“ Daher müsse es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr nicht die dortige Klägerin, sondern ausschließlich der Eigentümer des Grundstückes sei.
26 
Selbst wenn man die Satzung so auslegen wollte, dass mit der Neufassung der Kreis der Schuldner rückwirkend neu gefasst werden sollte, litte damit nur diese Teilregelung, nicht aber die gesamte Satzung an einem Rechtsmangel, der zur Nichtigkeit dieses Teiles, nicht aber der Gesamtsatzung führte.
27 
Ob ein Rechtsmangel zur Nichtigkeit der gesamten Satzung oder nur zur Teilnichtigkeit einzelner Vorschriften führt, hängt davon ab, ob die Satzung - erstens - insofern teilbar ist, ob sie also auch ohne die rechtswidrigen Bestimmungen sinnvoll und mit höherrangigem Recht vereinbar bleibt, und ob - zweitens - hypothetisch hinreichend sicher angenommen werden kann, dass der Satzungsgeber sie auch ohne die rechtswidrigen Bestimmungen erlassen hätte (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.08.2001 - 4 B 23.01 -, juris Rn. 4; SächsOVG, Urteil vom 14.07.2015 - 5 A 625/11 -, juris Rn. 71, SächsOVG, Urteil vom 02.11.2016 - 5 A 519/14 -, juris Rn. 31 für eine Abwassersatzung). Beides wäre hier der Fall.
28 
Die Nichtigkeit der Satzung beträfe auch nach der ausdrücklichen Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes nur die rückwirkende Erweiterung des Kreises der Abgabenschuldner, also nur einen inhaltlich begrenzten Teil des Anwendungsbereiches der Satzung. Sie beträfe keinen unverzichtbaren Kernbestandteil der Satzung, sodass ihre Rechtmäßigkeit im Übrigen von der Nichtigkeit dieses Teiles unberührt bliebe.
29 
Weiter kann auch hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass der Satzungsgeber die Abwassersatzung auch ohne die möglicherweise nichtigen Bestimmungen erlassen hätte. Das Ziel des Satzungsgebers war es ausweislich des § 52 Abs. 4 der Abwassersatzung, mit ihrem Neuerlass eine Rechtsgrundlage zur rückwirkenden Regelung des Abwasserwesens und der Erhebung entsprechender Gebühren zu schaffen. Dabei kam es dem Satzungsgeber für die streitgegenständlichen Zeiträume 01.01.2008 - 31.12.2008 und 01.01.2009 - 31.12.2009 vorrangig darauf an, die rechtlichen Anforderungen der Gebührenerhebung nach einem gesplitteten Maßstab zu erfüllen (vgl. Vorlage zur Gemeinderatssitzung am 16.09.2014 zu § 10127 und die dort in Bezug genommenen Beschlussvorlagen von „XXX Kommunalberatung“ zur Gebührenkalkulation Abwasser für den Berechnungszeitraum 01.01.2008 - 31.12.2008 und den Berechnungszeitraum 01.01.2009 - 31.12.2009 vom 23.10.2012, jeweils S. 2). Das Kernziel lag also nicht darin, mit der Neufassung der Satzung den Schuldnerkreis zu erweitern, sondern die bisherige Satzungslage den obergerichtlichen Anforderungen anzupassen. Demnach kann hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass der Satzungsgeber die Abwassersatzung auch ohne den möglicherweise nichtigen Teil erlassen hätte.
30 
Die Klägerin zu 2 kann sich zudem im vorliegenden Verfahren nicht auf eine etwaige Teilnichtigkeit der Bestimmungen über die Erweiterung des Kreises der Abgabenschuldner berufen, weil sie gemäß § 39 Abs. 1 der Abwassersatzung als Grundstückseigentümerin herangezogen wurde und auch nach der früheren Satzung der Eigentümer Schuldner der Abwassergebühr war.
31 
b) Die Abwassersatzung ist auch nicht wegen der sonstigen von der Klägerseite vorgetragenen Mängel rechtswidrig und damit nichtig. Etwas anderes ergibt sich weder aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Halle (aa)) noch aus einer unzulässigen Pauschalisierung von Basisdaten (bb)) oder aus einem Überschreiten des Kalkulationszeitraumes (cc)).
32 
aa) Entgegen der von der Klägerseite insoweit zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Halle (Urteil vom 26.10.2010 - 4 A 13/10 -, juris), verstößt es vorliegend nicht gegen das Differenzierungsgebot, Grundgebühren für die Trinkwasserversorgung zu erheben, ohne dabei nach Wohneinheiten und Gewerbeeinheiten zu differenzieren. Wie bereits in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 11.07.2014 (Az.: 1 K 2390/12), folgt das Gericht dieser Rechtsprechung nicht, sondern hält die Differenzierung nach der Nenngröße der eingebauten Wasserzähler für ausreichend, um - dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab entsprechend - die Wassergrundgebühren nach dem verbrauchsunabhängigen Anteil an der Vorhalteleistung und der abrufbaren Lieferbereitschaft zu bemessen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsauffassung durch die Nichtzulassung der Berufung (Beschluss vom 18.12.2014 2 S 1710/14) bestätigt. Die von der Klägerseite geforderte Bildung unterschiedlicher Benutzergruppen (Wohnen und Gewerbe) und eine damit verbundene unterschiedlich hohe Grundgebühr wäre allenfalls dann geboten, wenn eine der genannten Gruppen deutlich stärker von den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen der Wasserversorgung profitieren würde und dies - über die verbrauchsabhängige Erfassung durch den Leistungsanteil der Gebühren hinaus - nicht adäquat durch die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung anhand der Größe der Wassermesser erfasst werden würde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2011 - 2 S 550/09 -, VBlBW 2011, 353). Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte; auch die Klägerseite hat insoweit über den pauschalen Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Halle hinaus nichts Substantielles vorgetragen. Dies dürfte im Übrigen auch kaum in ihrem Interesse sein, da sie angesichts der gewerblichen Nutzung des veranlagten Grundstücks tendenziell eher mit höheren als mit geringeren Grundgebühren zu rechnen hätte.
33 
bb) Auch die von der Beklagten verwendeten Basisdaten führen nicht zu einer Unwirksamkeit der Satzung. Die Klägerinnen tragen insofern vor, die Abwassersatzung vom 16.09.2014 schreibe nur die fehlerhafte Kalkulation aus der Abwassersatzung seit 2001 fort und das Abwasserentsorgungsgebiet der Beklagten weise keine homogenen Nutzungs- oder Abwasseraufkommensverhältnisse auf.
34 
Entgegen ihrem Vortrag ist jedoch gemäß der vorangegangenen Ausführungen für die Jahre 2008 und 2009 jeweils eine gesonderte Kalkulation erfolgt. Der Frischwassermaßstab ist nur noch für die Schmutzwassergebühr relevant. Die Niederschlagswassergebühr bemisst sich demgegenüber nach der individuell ermittelten versiegelten Fläche. Der fehlerhafte Gebührenmaßstab aus der Satzung vom 11.12.2001 wird so gerade nicht fortgeschrieben.
35 
Sofern sich die Klägerseite auf die „bilanztechnischen und prozentualen Wechselwirkungen“ zur Kalkulation der Trinkwassergebühren berufen, ist dieser Vortrag für das hiesige Verfahren ohne Belang, weil sein Gegenstand allein Abwasserbescheide sind und Trinkwassergebühren somit gerade nicht in Rede stehen.
36 
cc) Die Kalkulation der Gebühren ist grundsätzlich Sache der Gemeinden und Landkreise als Anlagenbetreiber. § 14 Abs. 1 KAG sieht als Einschränkung vor, dass die Gebühren höchstens kostendeckend bemessen werden dürfen. Versorgungseinrichtungen und wirtschaftliche Unternehmen können aber einen angemessenen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen. Bei der Gebührenbemessung können danach die Gesamtkosten in einem mehrjährigen, höchstens fünf Jahre umfassenden Zeitraum berücksichtigt werden, § 14 Abs. 2 S. 1 KAG.
37 
Grundsätzlich dürfen die Gebührenzahler in ihrer Gesamtheit nur mit den Kosten belastet werden dürfen, die durch die Erbringung der in Anspruch genommenen Leistung entstehen, sog. „Äquivalenzprinzip“ (Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 92). Daraus folgt in zeitlicher Hinsicht, dass sie grundsätzlich auch nur mit den Kosten belastet werden dürfen, die während einer Nutzungsperiode anfallen, „Prinzip der Periodengerechtigkeit“ (Vetter, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, Kapitel D, Rn. 171). Um die Gemeinden und Landkreise in die Lage zu versetzen, Gebühren über mehrere Jahre konstant zu halten, sind mit entsprechender gesetzlicher Grundlage auch mehrjährige Gebührenkalkulationen möglich. Die zeitliche Regelbegrenzung beträgt fünf Jahre (Quaas, NVwZ 2007, 757, 759 m.w.N.).
38 
Von diesem Vorgehen zu unterscheiden ist die Erhebung von Gebühren aufgrund einer für einen längeren Zeitraum geltenden Satzung, bei der für jedes Veranlagungs- und Kalkulationsjahr eine gesonderte Gebührenkalkulation vorgenommen worden ist und die insoweit angefallenen Kosten - periodengerecht - verteilt werden (zu einer solchen Möglichkeit: Quaas, NVwZ 2007, 757, 759 m.w.N). Die gesetzliche Höchstgrenze von fünf Jahren, § 14 Abs. 2 S. 1 KAG, stellt dabei einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der kommunalen Gebührenerhebungspraxis und dem Äquivalenzprinzip als zentralem gebührenrechtlichen Maßstab her. Sie soll so zwar mehrjährige Kalkulationen ermöglichen, andererseits aber die notwendigen Abweichungen der Prognosen von der Wirklichkeit durch die zeitliche Beschränkung in einem mit dem Äquivalenzprinzip zu vereinbarenden Rahmen halten (LT-Drs. 9/3778 S. 10).
39 
Vorliegend hat die Beklagte die Gebührenkalkulation jeweils gesondert für die Jahre 2008 und 2009 vorgenommen (vgl. Vorlage zur Gemeinderatssitzung am 16.09.2014 zu § 10127 und die dort in Bezug genommenen Beschlussvorlagen von „XXX Kommunalberatung“ zur Gebührenkalkulation Abwasser für den Berechnungszeitraum 01.01.2008 - 31.12.2008 und den Berechnungszeitraum 01.01.2009 - 31.12.2009 vom 23.10.2012). Kalkulationszeitraum war also jeweils nur ein Jahr, sodass den Anforderungen des § 14 Abs. 2 S. 1 KAG Genüge getan ist. Im Übrigen greift die ratio der zeitlichen Beschränkung auf fünf Jahre bei rückwirkenden Abwassersatzungen nicht. Liegen die Gebührenerhebungszeiträume in der Vergangenheit, besteht kein Bedarf, die Kalkulation zeitlich zu begrenzen, um prognostische Unsicherheiten zu minimieren, weil der Kalkulation dann keine Prognose zugrunde liegt, sondern es lediglich um die Verteilung der tatsächlich angefallenen Kosten geht. Die Kalkulation entspricht auch im Übrigen den gesetzlichen Vorgaben der §§ 14, 17 KAG.
40 
2. Fehler bei der Berechnung der konkreten Gebühren wurden nicht substantiiert geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Die versiegelte Grundstücksfläche wurde quadratmetergenau ermittelt, so dass offenbleiben kann, inwieweit Pauschalierungen zulässig wären (vgl. hierzu den von der Klägerseite angeführten Beschluss des OVG NRW vom 26.08.2015 - 9 A 1434/14 -, juris).
41 
3. Der Gebührenanspruch der Beklagten gegen die Klägerin zu 2 ist auch nicht durch eine wirksame Aufrechnung der Klägerin zu 1 entfallen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 a KAG i.V.m. § 226 der Abgabenordnung („AO“) ist die Aufrechnung mit oder Ansprüche aus dem Gebührenschuldverhältnis nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechts möglich, soweit nichts anderes bestimmt ist. Allerdings ist eine Aufrechnung durch den Gebührenschuldner nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen möglich, § 226 Abs. 3 AO. Weiter setzt die Aufrechnungserklärung als Gestaltungsgeschäft die Verfügungsbefugnis des Aufrechnenden zum Zeitpunkt der Erklärung voraus und der die Aufrechnung erklärende muss sowohl die Passiv- als auch die Aktivforderung hinreichend konkret bezeichnen, sodass sie sich zumindest im Wege der Auslegung ermitteln lässt (MüKoBGB/Schlüter, 7. Aufl., § 388 BGB Rn. 1).
42 
Eine unbestrittene Gegenforderung existiert nicht. Auch eine rechtskräftig festgestellte Gegenforderung der Klägerin zu 2 ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwischen den Beteiligten bzw. der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 und der Beklagten sind und waren eine Vielzahl an Rechtstreitigkeiten anhängig, die zum Teil bereits rechtskräftig entschieden worden sind. Die Verfahren hatten zum Teil auch Erstattungsansprüche der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte zum Gegenstand (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteile vom 15.12.2016 - 2 S 2504/14 und 2 S 2505/14 -). Soweit ersichtlich endete aber keines dieser Verfahren mit der rechtskräftigen Feststellung eines Erstattungsanspruches der Klägerin zu 2 als Gebührenschuldnerin gegen die Beklagte. Auch vorgetragen ist ein solcher Anspruch nicht.
43 
Weiter fehlt es an der gemäß § 387 BGB erforderlichen Gegenseitigkeit der Forderungen. Demnach kann die Klägerin zu 2 nur mit jenen Forderungen aufrechnen, welche ihr als alleiniger Gebührenschuldnerin selbst gegen die Beklagte zustehen. Derartige unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen sind nicht ersichtlich. Die Klägerin zu 2 war außerhalb des hiesigen Verfahrens lediglich einmal an einem Verfahren vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht Stuttgart beteiligt (Urteil vom 27.12.2012 - 1 K 2265/11 -). Im dortigen Verfahren stellte das Gericht keine Forderung der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte fest. Dass der Klägerin zu 2 aus einem anderen Zusammenhang eine solche Forderung zustünde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
44 
Schließlich ist eine Aufrechnungserklärung nur wirksam, wenn sie die Passiv- und die Aktivforderung hinreichend konkret bezeichnet (MüKoBGB/Schlüter, 7. Aufl., § 388 BGB Rn. 1). Beides ist vorliegend unterblieben. Der Prozessvertreter der Klägerinnen hat mit Schreiben vom 10.01.2015, das sich ausweislich der Betreffzeile gegen den Bescheid für das Jahr 2009 wendet, „hilfsweise dem Grunde nach die Aufrechnung erklärt“. Eine Aufrechnungsaufstellung reiche er nach. Das ist unterblieben. Aus dem Zusammenhang des Schriftstückes mit dem angegriffenen Bescheid lässt sich somit nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB ermitteln, dass die Passivforderung der Beklagten ihre Forderung über Abwassergebühren für den Zeitraum vom 01.01.2009 - 31.12.2009 vom 10.12.2014 in Höhe von 15.721,50 EUR gewesen sein soll. Die Aktivforderung bezeichnete der Klägervertreter dagegen nicht. Das BGB behilft sich in solchen Fällen mit der Regelung in §§ 396 Abs. 1, 366 BGB, welche die Rangfolge des Erlöschens mehrerer möglicher Gegenforderungen festlegt. Auch für diesen gesetzlichen Automatismus bedarf es jedoch der hier unterbliebenen Darlegung des Aufrechnenden, dass und welche Forderungen ihm zustünden und per Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollen.
45 
4. Für die streitgegenständlichen Bescheide ist auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
46 
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen, § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 169, 170 AO. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.01.2010 - 2 S 1171/09 -, juris Rn. 26; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.11.1996 - 4 K 11/96 -, KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 -, juris).
47 
Gemäß § 43 Abs. 1 der Abwassersatzung entstand die Gebührenschuld mit dem Ablauf eines Kalenderjahres für das Kalenderjahr, also mit dem 01.01.2009 für das Jahr 2008 und mit dem 01.01.2010 für das Jahr 2009. Die Festsetzungsfrist läuft gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie wäre danach am 01.01.2014 für beide Gebührenjahre abgelaufen.
48 
Allerdings gelten die Regeln der Abgabenordnung über den Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 bis 3 AO für das Kommunalabgabenrecht mit der Maßgabe, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet, § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG. Sinn dieser Regelung ist es, mit der rückwirkenden Inkraftsetzung einer Satzung nicht zugleich auch rückwirkend die Festsetzungsverjährung in Lauf zu setzen (LT-Drs. 11/6586, S. 18). Dabei ist es unerheblich, worauf die Ungültigkeit der Altsatzung beruht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.09.2002 - 2 S 976/02 -, juris). Die streitgegenständliche Abwassersatzung ist im Amtsblatt vom 24.09.2014 öffentlich bekannt gemacht worden. Folglich endete die Festsetzungsfrist jedenfalls nicht vor Ablauf des 23.09.2015 und damit nach Erlass der streitgegenständlichen Abwasserbescheide am 15.11.2014 (Bescheid 2008) und 10.01.2015 (Bescheid 2009).
49 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parallelnorm des § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c) in § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b BayKAG. Danach ist eine Norm, welche die Erhebung von Beiträgen ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, mit den verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem aus dem Rechtstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Gebot der Rechtssicherheit unvereinbar, weil der Gesetzgeber den Interessenausgleich zwischen den Erwartungen der Bürger auf Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem öffentlichen Belang an finanziellen Beiträgen für individuelle Vorteile einseitig zulasten der Schuldner entschieden hat (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143).
50 
Diese Rechtsprechung gilt indes nur für Beiträge und gerade nicht, wie vorliegend, für Gebühren. Folgerichtig ist das BayKAG zur Umsetzung dieses Beschlusses durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11. März 2014 (GVBl S. 70), in Kraft getreten am 1. April 2014, auch nur insoweit geändert worden. Eingefügt wurde Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b, bb Spiegelstrich 1, wonach § 169 AO mit der Maßgabe für die Erhebung von Kommunalabgaben gilt, dass über § 169 Abs. 1 S. 1 AO hinaus die Festsetzung einesBeitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre“.
51 
Nach Ablauf dieser Frist ist eine Beitragsfestsetzung nicht mehr zulässig (LT-Drs. 17/370, S. 13 ff.). Dementsprechend ist diese Rechtsprechung auch vom VGH Baden-Württemberg nur für Beiträge rezipiert worden (Urteil vom 31.12.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 46). Auch wenn es sich bei Gebühren ebenfalls um kommunale Abgaben handelt, ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht auf Gebühren übertragbar. So beruht die Erhebung von Beiträgen gemäß § 20 Abs.1 S. 1 KAG auf der Möglichkeit der Gemeinden und Landkreise, die Kosten für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen teilweise von den Grundstückseigentümern zu erheben, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihres Grundstücks an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden, § 20 Abs. 1 S. 1 KAG.
52 
Anschlussbeiträge nach den Kommunalabgabengesetzen zählen wie Gebühren zu den Vorzugslasten. Das sind Abgaben, die primär als Gegenleistung für eine Leistung der öffentlichen Hand erhoben werden (Wehr, LKV 2006, 241, 243). Während Gebühren jedoch nur für die tatsächliche Inanspruchnahme dieser Leistungen erhoben werden, genügt die potenzielle Inanspruchnahme durch den Beitragsschuldner, um die Erhebung von Beiträgen zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 18.05.2004 - 2 BvR 2374/99 -, NVwZ 2004, 1477, 1479 f.). Daraus folgt für die Festsetzungsverjährung, dass der Gebührenschuldner im Gegensatz zu einem Beitragsschuldner um seinen Verbrauch - also die tatsächliche Begründung seiner Abgabenpflicht - weiß und deshalb in Bezug auf die Festsetzungsverjährung weniger schutzwürdig ist.
53 
Schließlich ist die Berufung der Klägerseite auf eine nicht hinreichende Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten nach den Umständen des Einzelfalles ausgeschlossen. Gegenstand des Rechtstreites sind Gebührenbescheide für die Jahre 2008 und 2009. Die Beklagte hatte für diese Zeiträume zunächst Bescheide erlassen, welche die Klägerinnen oder ihre Rechtsvorgänger erfolgreich angefochten haben, weil diese Bescheide auf einer rechtswidrigen und damit nichtigen Satzung beruhten. Damit konnte sich ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Nichterhebung der Gebühren gar nicht bilden, weil mit der gerichtlich gestoppten erstmaligen Erhebung bereits offensichtlich war, dass nach Erlass einer neuen, wirksamen Satzung ein neuer Gebührenerhebungsversuch erfolgen würde. Diesen hat die Beklagte nach der rechtskräftigen Aufhebung der Ausgangsbescheide unverzüglich unternommen, indem sie noch im Jahr 2014 eine neue Satzung für den streitgegenständlichen Zeitraum erließ und binnen weniger Monate neue Gebührenbescheide erließ. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allein der Ablauf eines erheblichen Zeitraumes, selbst wenn es sich dabei um Jahrzehnte handelt, unschädlich für die Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 46).
54 
5. Die Klägerin zu 2 kann auch nicht die Absetzung der ihr in Rechnung gestellten Wassermengen im Umfang von 4576 m³ (für das Jahr 2008) und 3433 m³ (für das Jahr 2009) verlangen.
55 
Gemäß § 41 Abs. 1 Abwassersatzung sind Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet wurden, auf Antrag des Gebührenschuldners von der Bemessung ausgenommen. Den gemäß § 41 Abs. 1, 4 Abwassersatzung erforderlichen Antrag hat die Klägerin zu 2 für beide Jahre fristgemäß gestellt. Das Schreiben vom 10.01.2015 hat die Beklagte bereits ihrerseits im behördlichen Verfahren als Absetzungsantrag für das Jahr 2009 ausgelegt, im Schreiben vom 15.11.2014 ist der Absetzungsantrag für das Jahr 2008 sogar explizit gestellt. Dem steht es nicht entgegen, dass der Antrag „im Namen der Inhaberin“ formuliert war. Auch diese Erklärung ist als Antrag nach dem tatsächlichen Willen des Antragstellers unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizontes auszulegen, §§ 133, 157 BGB analog. Aus dem Gesamtzusammenhang mit dem angegriffenen Bescheid, der alleine die Klägerin zu 2 als Grundstückseigentümerin und Gebührenschuldnerin verpflichtete, ergibt sich danach, dass der Antrag für die Klägerin zu 2 und nicht für die Klägerin zu 1 gestellt wurde. Letztere hätte mangels Inanspruchnahme weder Grund noch Interesse zu und an einem solchen Antrag.
56 
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Frage, ob und in welchem Umfang „nachweislich“ Frischwasser nicht in die Abwasseranlagen eingeleitet worden ist bzw. ob die von den Klägerinnen bezifferten Abwassermengen hinreichend sicher nachgewiesen worden sind. Gemäß § 41 Abs. 2 Abwassersatzung „soll“ der Nachweis durch einen besonderen Wasserzähler erbracht werden. Ein solcher existierte für das streitgegenständliche Grundstück nicht.
57 
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das entnommene Frischwasser grundsätzlich ein tauglicher Maßstab für die Berechnung von Schmutzwassergebühren ist, solange die Satzung - wie vorliegend - die Möglichkeit zur Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen eröffnet (st. Rspr. des VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2504/14 -; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.12.2016 - 4 L 162/15 -, juris).
58 
Der Satzungsgeber darf eine solche Absetzung von nicht eingeleiteten Wassermengen von einem Nachweis abhängig machen und diesen Nachweis dem Nutzer (Gebührenschuldner) auferlegen (BVerwG, Urteil vom 14.04.1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317; BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3/93 -, DÖV 1995, 826; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2003 - 2 S 2700/01 -, BWGZ 2003, 810).
59 
Dabei ist aus der satzungsrechtlichen Vorgabe, dass der Nachweis über eine Abzugsmenge erfolgen muss, auf einen Wirklichkeitsmaßstab zu schließen, d.h. nachzuweisen ist die tatsächlich nicht eingeleitete Frischwassermenge. Ist - und dies wie dargelegt in zulässiger Weise - satzungsrechtlich und damit normativ eine Nachweispflicht festgelegt, ergeben sich die Anforderungen an deren Erfüllung aus ihrem Charakter als Beweislastregel, ihrer satzungsrechtlichen Normierung und letztlich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach fordert der Nachweis das Ausschöpfen aller dem Betroffenen zumutbaren Darlegungs- und Substantiierungsmöglichkeiten. Eine eigene Ermittlung der Abzugsmenge durch die Gemeinde ist regelmäßig nicht geboten.
60 
Die streitgegenständliche Abwassersatzung regelt in § 41 Abs. 2 die Anlage eines separaten Wasserzählers als „soll“. Daraus folgt, dass der Nachweis per separatem Zähler möglich ist, aber auch andere Methoden vom Satzungsgeber zugelassen werden. In Rechtsprechung und Verwaltungspraxis weiter anerkannt ist der Nachweis durch geeignete Unterlagen des Gebührenschuldners, die der Gemeinde eine nachvollziehbare Grundlage zur Bestimmung der nicht eingeleiteten Abwassermenge verschaffen können. Der Nachweis kann schließlich bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auch anhand allgemeiner Erfahrungswerte geführt werden (Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 2005, § 6 Rn. 385; Queitsch, KStZ 2006, 81, 82; Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 9 ff., jeweils m.w.N.). Solche Erfahrungswerte haben sich allerdings nur bei einzelnen Benutzergruppen bzw. Betriebsarten infolge langjähriger Erfahrung in Form von Durchschnittswerten oder Rahmenwerten herausgebildet. Sie kommen dann, wenn sie sich auf genau nachprüfbare Berechnungsgrundlagen stützen, als Nachweisgrundlage in Betracht. Fehlt es demgegenüber an derartigen genauen Berechnungsgrundlagen und liegen lediglich allgemeine Durchschnitts- oder Rahmenwerte vor, sind sie als alleinige Nachweisgrundlage nicht ausreichend (vgl. Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 9 ff.; Gössl, BWGZ 1992, 701).
61 
Für den Bereich der Fruchtsaftherstellung fehlt es an solchen allgemeinen Erfahrungswerten (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2504/16 -). Ihrer Bildung stand und steht entgegen, dass verallgemeinerungsfähige Werte wegen der unterschiedlichen Produktionsverhältnisse in den jeweiligen Einzelbetrieben nicht zu ermitteln sind (dazu Gössl, BWGZ 1992, 701; Queitsch, KStZ 2006, 81, S. 84 m.w.N.). Welcher Wasseranteil verarbeitet und daher nicht als Abwasser eingeleitet ist, richtet sich nach der jeweiligen konkreten Rezeptur der Fruchtsaftgetränke, mithin nach individuellen, von Betrieb zu Betrieb und von Produkt zu Produkt unterschiedlichen Vorgaben, die auch von Jahr zu Jahr variieren können (Einzelheiten bei Queitsch, a.a.O. S. 84; vgl. auch Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 11). So zeigen die Gutachten des Prof. Dr. O., dass alleine für den Betrieb der Klägerin zu 1 die Marge abzusetzenden Abwassers in den drei von ihm untersuchten Jahren zwischen 46% und 60 % liegt und damit außerhalb des verallgemeinerungsfähigen Bereiches.
62 
Fehlen solche verallgemeinerungsfähigen Erfahrungswerte, ist schließlich auch die Möglichkeit anerkannt, die dem betroffenen Betrieb zuzuordnenden Absatzmengen einzelfallbezogen festzustellen. Sind Messeinrichtungen - wie hier - für den Betrieb nicht vorhanden oder unzureichend, ist der satzungsrechtlich geforderte Nachweis durch eine dann betriebsbezogene Ermittlung zu erbringen, wie etwa durch ein Einzelgutachten, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaubt und daher als Grundlage (Nachweis) für die Feststellung nicht eingeleiteter Abwassermengen ausreicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2006 - 2 S 1256/06 -, NVwZ RR 2007, 409 unter Verweis auf: Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 11).
63 
Für das Jahr 2003 haben die Klägerinnen diesen Nachweis mit Billigung des Verwaltungsgerichtshofes (Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2504/14) durch ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. O. erbracht. Entsprechende Gutachten existieren nach Kenntnis des Gerichts außerdem für die Jahre 2010 und 2011. Die Gutachten ermitteln jeweils aus den Rezepturdokumenten den Anteil eingesetzten Trinkwassers und berechnen dann mit Hilfe der vom Gebührenschuldner nachgewiesenen Rohwarenmengen die Gesamtmenge des eingesetzten Trinkwassers. Dabei kommen sie für die verschiedenen Berechnungsjahre zu unterschiedlichen Trinkwasseranteilen von 46 %, 50 % und 60 %. Die Berechnung beruht insoweit auf einer Übereinkunft mit dem ehemaligen Bürgermeister der Beklagten, D. K., weshalb die Klägerinnen und der Gutachter sie als „Methode K.“ bezeichnen.
64 
Für die streitgegenständlichen Kalenderjahre 2008 und 2009 fehlt es dagegen an einem solchen Gutachten. Die klägerseitig vorgelegten Gesamtaufstellungen vermögen nicht, die für den Nachweis erforderlichen Gutachten zu ersetzen.
65 
Unstreitig ist der Satzungsgeber berechtigt, die Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen von einem Nachweis abhängig machen und diesen Nachweis dem Nutzer (Gebührenschuldner) auferlegen (BVerwG, Urteil vom 14.4.1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317; BVerwG, Beschluss vom 28. März 1995 - 8 N 3/93 -, DÖV 1995, 826; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.7.2003 - 2 S 2700/01 -, BWGZ 2003, 810). Weiter unstreitig ist es dem Satzungsgeber erlaubt, Anforderungen an den Nachweis zu formulieren. Selbst wenn sich diese Anforderungen, wie vorliegend, in einer Sollvorschrift erschöpft, bedarf es für die Absetzung eines hinreichend klaren und objektiven Nachweises über das nicht eingeleitete Frischwasser. Die Aufstellungen des Prozessvertreters der Klägerinnen erschöpfen sich insofern in einer Aufsummierung von Einzelposten. Dabei wird anders als in dem vom Verwaltungsgerichtshof anerkannten Gutachten nicht sukzessive der Rechenweg von den eingekauften Rohrstoffmengen über die Rezeptur der Einzelprodukte zu einer Summe an nicht eingeleitetem Abwasser unter Erläuterung der einzelnen Rechenoperationen beschritten, sondern schlicht die Nichteinleitung aus bestimmten Produktionsvorgängen behauptet. Weder für das Gericht noch für die Beklagte sind die so getroffenen Angaben nachvollziehbar. Der Sinn des Nachweises, die mit dem Frischwassermaßstab notwendig einhergehenden Ungenauigkeiten auszugleichen, wird so verfehlt, weil der Beklagten eine Nachprüfung unmöglich ist. Es ist aber im Grundsatz Sache des Gebührenschuldners, Absetzungen nachzuweisen und so die Nachprüfung zu ermöglichen. Zu rechtfertigen ist dies mit Blick darauf, dass die nachzuweisenden Umstände auf eine besondere, einzelfallbezogene Befreiung von der Gebühr abzielen und sie ihre Grundlagen ausschließlich im Bereich des Betroffenen finden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2006 - 2 S 1256/06 -, NVwZ-RR 2007, 409).
66 
Ist - und dies wie dargelegt in zulässiger Weise - satzungsrechtlich und damit normativ eine Nachweispflicht festgelegt, ergeben sich die Anforderungen an deren Erfüllung aus ihrem Charakter als Beweislastregel, ihrer satzungsrechtlichen Normierung und letztlich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach fordert der Nachweis - soweit nicht ohnehin technische Messeinrichtungen satzungsrechtlich vorgegeben sind - das Ausschöpfen aller dem Betroffenen zumutbaren Darlegungs- und Substantiierungsmöglichkeiten. Eine eigene Ermittlung der Abzugsmenge durch die Gemeinde ist regelmäßig nicht geboten; sie darf bei Fehlen des Nachweises von der dem Grundstück zugeführten Frischwassermenge ausgehen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2006, a.a.O. ).
67 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der über § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG anwendbaren Bestimmung in § 162 AO, wonach die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen unter Berücksichtigung aller sachwesentlichen Umstände zu schätzen hat, soweit sich diese nicht ermitteln oder berechnen lassen. Eine solche Schätzung ist nämlich in all jenen Fällen ausgeschlossen, in denen die Gewährung gebührenmindernder oder -begünstigender Rechtsfolgen von einem bestimmten Nachweis abhängt (Koenig/Cöster, AO, 3. Auflage 2014, § 162 Rn. 95). Andernfalls würde durch die Reduzierung des Beweismaßes die Nachweispflicht ad absurdum geführt (Martin, BB 1986, 1021). Entsprechend verlangt die Abwassersatzung der Stadt L. in § 41 einen ebensolchen Nachweis. Die Bestimmung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Eine Schätzung war demnach nicht vorzunehmen.
68 
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 159 VwGO.
69 
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 124 a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Gründe

20 
I. Nach der Klagerücknahme der Klägerin zu 1 war das Verfahren insoweit nach § 92 Abs. 3 S. 1 1. Alt VwGO einzustellen.
21 
II. Die Klage der Klägerin zu 2 ist zulässig, aber unbegründet.
22 
1. Entgegen dem Vortrag der Klägerseite beruhen die angegriffenen Bescheide mit §§ 37, 38, 39 der Abwassersatzung der Stadt L. vom 16.09.2014 auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Dem steht weder entgegen, dass die Satzung aus dem Jahr 2014 mit den Jahren 2008 und 2009 abgeschlossene Abwasserabrechnungszeiträume betrifft (a)) noch führen die übrigen von der Klägerseite genannten Aspekte zur Nichtigkeit der Satzung (b)).
23 
a) Gemäß ihrem § 52 Abs. 2 ist die Satzung vom 16.09.2014 rückwirkend zum 01.01.2008 in Kraft getreten. Bedenken gegen die rückwirkende Inkraftsetzung bestehen auch mit Blick auf das grundsätzliche verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot nicht. Die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue, diesen Fehler vermeidende Satzung ist zulässig, solange die Neuregelung nicht ihrerseits nichtig ist, etwa weil sie den Kreis der Abgabenpflichtigen erweitert (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, juris Rn. 33).
24 
Mit der streitgegenständlichen Satzung ist die Abwassersatzung der Beklagten aus dem Jahr 2001 ersetzt worden, die eine nach dem Frischwassermaßstab berechnete einheitliche Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung vorgesehen hatte, was nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 11.03.2010 - 2 S 2938/08 -, VBlBW 2010, 481-485) unzulässig ist. Die frühere Satzung war mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, juris Rn. 31). Durch die streitgegenständliche Abwassersatzung vom 16.09.2014 sollte diese Satzung durch eine rechtsgültige, den neuen rechtlichen Anforderungen genügende Satzung ersetzt werden, so dass das Vertrauen der Betroffenen in die Fortgeltung der alten Rechtslage nicht schutzwürdig war. Der Normgeber war befugt, die unwirksame Satzung durch eine neue, diesen Fehler vermeidende Satzung auch rückwirkend zu ersetzen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.03.2006 - 2 S 831/05 -, NVwZ-RR 2006, 686; Urteil vom 07.11.2014, a.a.O. Rn. 33).
25 
Die neue Abwassersatzung ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerseite auch nicht ihrerseits wegen „neuer“ Fehler nichtig. Im dazu von Klägerseite in Bezug genommenen Urteil (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2014, a.a.O.) hatte der Verwaltungsgerichtshof die Frage zu klären, ob auch die dortige Klägerin als Nichteigentümerin, aber schuldrechtlich Berechtigte an dem Grundstück Schuldnerin der Abwassergebühren ist. Er kam dabei unter der Rn. 33 zu dem Ergebnis, dass viel dafür spreche, „dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a [der Satzung] auch technisch gesondert festgestellt werden können.“ Das bedürfe aber keiner Entscheidung, weil „selbst dann, wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam wäre.“ Die Ausnahme vom Rückwirkungsgebot zur „Heilung“ von Altsatzungen mit fehlerhaftem Abwägungsmaßstab gelte „nicht für abgeschlossene Tatbestände, wie den Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stelle sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende, rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar.“ Daher müsse es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr nicht die dortige Klägerin, sondern ausschließlich der Eigentümer des Grundstückes sei.
26 
Selbst wenn man die Satzung so auslegen wollte, dass mit der Neufassung der Kreis der Schuldner rückwirkend neu gefasst werden sollte, litte damit nur diese Teilregelung, nicht aber die gesamte Satzung an einem Rechtsmangel, der zur Nichtigkeit dieses Teiles, nicht aber der Gesamtsatzung führte.
27 
Ob ein Rechtsmangel zur Nichtigkeit der gesamten Satzung oder nur zur Teilnichtigkeit einzelner Vorschriften führt, hängt davon ab, ob die Satzung - erstens - insofern teilbar ist, ob sie also auch ohne die rechtswidrigen Bestimmungen sinnvoll und mit höherrangigem Recht vereinbar bleibt, und ob - zweitens - hypothetisch hinreichend sicher angenommen werden kann, dass der Satzungsgeber sie auch ohne die rechtswidrigen Bestimmungen erlassen hätte (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.08.2001 - 4 B 23.01 -, juris Rn. 4; SächsOVG, Urteil vom 14.07.2015 - 5 A 625/11 -, juris Rn. 71, SächsOVG, Urteil vom 02.11.2016 - 5 A 519/14 -, juris Rn. 31 für eine Abwassersatzung). Beides wäre hier der Fall.
28 
Die Nichtigkeit der Satzung beträfe auch nach der ausdrücklichen Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes nur die rückwirkende Erweiterung des Kreises der Abgabenschuldner, also nur einen inhaltlich begrenzten Teil des Anwendungsbereiches der Satzung. Sie beträfe keinen unverzichtbaren Kernbestandteil der Satzung, sodass ihre Rechtmäßigkeit im Übrigen von der Nichtigkeit dieses Teiles unberührt bliebe.
29 
Weiter kann auch hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass der Satzungsgeber die Abwassersatzung auch ohne die möglicherweise nichtigen Bestimmungen erlassen hätte. Das Ziel des Satzungsgebers war es ausweislich des § 52 Abs. 4 der Abwassersatzung, mit ihrem Neuerlass eine Rechtsgrundlage zur rückwirkenden Regelung des Abwasserwesens und der Erhebung entsprechender Gebühren zu schaffen. Dabei kam es dem Satzungsgeber für die streitgegenständlichen Zeiträume 01.01.2008 - 31.12.2008 und 01.01.2009 - 31.12.2009 vorrangig darauf an, die rechtlichen Anforderungen der Gebührenerhebung nach einem gesplitteten Maßstab zu erfüllen (vgl. Vorlage zur Gemeinderatssitzung am 16.09.2014 zu § 10127 und die dort in Bezug genommenen Beschlussvorlagen von „XXX Kommunalberatung“ zur Gebührenkalkulation Abwasser für den Berechnungszeitraum 01.01.2008 - 31.12.2008 und den Berechnungszeitraum 01.01.2009 - 31.12.2009 vom 23.10.2012, jeweils S. 2). Das Kernziel lag also nicht darin, mit der Neufassung der Satzung den Schuldnerkreis zu erweitern, sondern die bisherige Satzungslage den obergerichtlichen Anforderungen anzupassen. Demnach kann hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass der Satzungsgeber die Abwassersatzung auch ohne den möglicherweise nichtigen Teil erlassen hätte.
30 
Die Klägerin zu 2 kann sich zudem im vorliegenden Verfahren nicht auf eine etwaige Teilnichtigkeit der Bestimmungen über die Erweiterung des Kreises der Abgabenschuldner berufen, weil sie gemäß § 39 Abs. 1 der Abwassersatzung als Grundstückseigentümerin herangezogen wurde und auch nach der früheren Satzung der Eigentümer Schuldner der Abwassergebühr war.
31 
b) Die Abwassersatzung ist auch nicht wegen der sonstigen von der Klägerseite vorgetragenen Mängel rechtswidrig und damit nichtig. Etwas anderes ergibt sich weder aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Halle (aa)) noch aus einer unzulässigen Pauschalisierung von Basisdaten (bb)) oder aus einem Überschreiten des Kalkulationszeitraumes (cc)).
32 
aa) Entgegen der von der Klägerseite insoweit zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Halle (Urteil vom 26.10.2010 - 4 A 13/10 -, juris), verstößt es vorliegend nicht gegen das Differenzierungsgebot, Grundgebühren für die Trinkwasserversorgung zu erheben, ohne dabei nach Wohneinheiten und Gewerbeeinheiten zu differenzieren. Wie bereits in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 11.07.2014 (Az.: 1 K 2390/12), folgt das Gericht dieser Rechtsprechung nicht, sondern hält die Differenzierung nach der Nenngröße der eingebauten Wasserzähler für ausreichend, um - dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab entsprechend - die Wassergrundgebühren nach dem verbrauchsunabhängigen Anteil an der Vorhalteleistung und der abrufbaren Lieferbereitschaft zu bemessen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsauffassung durch die Nichtzulassung der Berufung (Beschluss vom 18.12.2014 2 S 1710/14) bestätigt. Die von der Klägerseite geforderte Bildung unterschiedlicher Benutzergruppen (Wohnen und Gewerbe) und eine damit verbundene unterschiedlich hohe Grundgebühr wäre allenfalls dann geboten, wenn eine der genannten Gruppen deutlich stärker von den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen der Wasserversorgung profitieren würde und dies - über die verbrauchsabhängige Erfassung durch den Leistungsanteil der Gebühren hinaus - nicht adäquat durch die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung anhand der Größe der Wassermesser erfasst werden würde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.2011 - 2 S 550/09 -, VBlBW 2011, 353). Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte; auch die Klägerseite hat insoweit über den pauschalen Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Halle hinaus nichts Substantielles vorgetragen. Dies dürfte im Übrigen auch kaum in ihrem Interesse sein, da sie angesichts der gewerblichen Nutzung des veranlagten Grundstücks tendenziell eher mit höheren als mit geringeren Grundgebühren zu rechnen hätte.
33 
bb) Auch die von der Beklagten verwendeten Basisdaten führen nicht zu einer Unwirksamkeit der Satzung. Die Klägerinnen tragen insofern vor, die Abwassersatzung vom 16.09.2014 schreibe nur die fehlerhafte Kalkulation aus der Abwassersatzung seit 2001 fort und das Abwasserentsorgungsgebiet der Beklagten weise keine homogenen Nutzungs- oder Abwasseraufkommensverhältnisse auf.
34 
Entgegen ihrem Vortrag ist jedoch gemäß der vorangegangenen Ausführungen für die Jahre 2008 und 2009 jeweils eine gesonderte Kalkulation erfolgt. Der Frischwassermaßstab ist nur noch für die Schmutzwassergebühr relevant. Die Niederschlagswassergebühr bemisst sich demgegenüber nach der individuell ermittelten versiegelten Fläche. Der fehlerhafte Gebührenmaßstab aus der Satzung vom 11.12.2001 wird so gerade nicht fortgeschrieben.
35 
Sofern sich die Klägerseite auf die „bilanztechnischen und prozentualen Wechselwirkungen“ zur Kalkulation der Trinkwassergebühren berufen, ist dieser Vortrag für das hiesige Verfahren ohne Belang, weil sein Gegenstand allein Abwasserbescheide sind und Trinkwassergebühren somit gerade nicht in Rede stehen.
36 
cc) Die Kalkulation der Gebühren ist grundsätzlich Sache der Gemeinden und Landkreise als Anlagenbetreiber. § 14 Abs. 1 KAG sieht als Einschränkung vor, dass die Gebühren höchstens kostendeckend bemessen werden dürfen. Versorgungseinrichtungen und wirtschaftliche Unternehmen können aber einen angemessenen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen. Bei der Gebührenbemessung können danach die Gesamtkosten in einem mehrjährigen, höchstens fünf Jahre umfassenden Zeitraum berücksichtigt werden, § 14 Abs. 2 S. 1 KAG.
37 
Grundsätzlich dürfen die Gebührenzahler in ihrer Gesamtheit nur mit den Kosten belastet werden dürfen, die durch die Erbringung der in Anspruch genommenen Leistung entstehen, sog. „Äquivalenzprinzip“ (Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 92). Daraus folgt in zeitlicher Hinsicht, dass sie grundsätzlich auch nur mit den Kosten belastet werden dürfen, die während einer Nutzungsperiode anfallen, „Prinzip der Periodengerechtigkeit“ (Vetter, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, Kapitel D, Rn. 171). Um die Gemeinden und Landkreise in die Lage zu versetzen, Gebühren über mehrere Jahre konstant zu halten, sind mit entsprechender gesetzlicher Grundlage auch mehrjährige Gebührenkalkulationen möglich. Die zeitliche Regelbegrenzung beträgt fünf Jahre (Quaas, NVwZ 2007, 757, 759 m.w.N.).
38 
Von diesem Vorgehen zu unterscheiden ist die Erhebung von Gebühren aufgrund einer für einen längeren Zeitraum geltenden Satzung, bei der für jedes Veranlagungs- und Kalkulationsjahr eine gesonderte Gebührenkalkulation vorgenommen worden ist und die insoweit angefallenen Kosten - periodengerecht - verteilt werden (zu einer solchen Möglichkeit: Quaas, NVwZ 2007, 757, 759 m.w.N). Die gesetzliche Höchstgrenze von fünf Jahren, § 14 Abs. 2 S. 1 KAG, stellt dabei einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der kommunalen Gebührenerhebungspraxis und dem Äquivalenzprinzip als zentralem gebührenrechtlichen Maßstab her. Sie soll so zwar mehrjährige Kalkulationen ermöglichen, andererseits aber die notwendigen Abweichungen der Prognosen von der Wirklichkeit durch die zeitliche Beschränkung in einem mit dem Äquivalenzprinzip zu vereinbarenden Rahmen halten (LT-Drs. 9/3778 S. 10).
39 
Vorliegend hat die Beklagte die Gebührenkalkulation jeweils gesondert für die Jahre 2008 und 2009 vorgenommen (vgl. Vorlage zur Gemeinderatssitzung am 16.09.2014 zu § 10127 und die dort in Bezug genommenen Beschlussvorlagen von „XXX Kommunalberatung“ zur Gebührenkalkulation Abwasser für den Berechnungszeitraum 01.01.2008 - 31.12.2008 und den Berechnungszeitraum 01.01.2009 - 31.12.2009 vom 23.10.2012). Kalkulationszeitraum war also jeweils nur ein Jahr, sodass den Anforderungen des § 14 Abs. 2 S. 1 KAG Genüge getan ist. Im Übrigen greift die ratio der zeitlichen Beschränkung auf fünf Jahre bei rückwirkenden Abwassersatzungen nicht. Liegen die Gebührenerhebungszeiträume in der Vergangenheit, besteht kein Bedarf, die Kalkulation zeitlich zu begrenzen, um prognostische Unsicherheiten zu minimieren, weil der Kalkulation dann keine Prognose zugrunde liegt, sondern es lediglich um die Verteilung der tatsächlich angefallenen Kosten geht. Die Kalkulation entspricht auch im Übrigen den gesetzlichen Vorgaben der §§ 14, 17 KAG.
40 
2. Fehler bei der Berechnung der konkreten Gebühren wurden nicht substantiiert geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Die versiegelte Grundstücksfläche wurde quadratmetergenau ermittelt, so dass offenbleiben kann, inwieweit Pauschalierungen zulässig wären (vgl. hierzu den von der Klägerseite angeführten Beschluss des OVG NRW vom 26.08.2015 - 9 A 1434/14 -, juris).
41 
3. Der Gebührenanspruch der Beklagten gegen die Klägerin zu 2 ist auch nicht durch eine wirksame Aufrechnung der Klägerin zu 1 entfallen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 a KAG i.V.m. § 226 der Abgabenordnung („AO“) ist die Aufrechnung mit oder Ansprüche aus dem Gebührenschuldverhältnis nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechts möglich, soweit nichts anderes bestimmt ist. Allerdings ist eine Aufrechnung durch den Gebührenschuldner nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen möglich, § 226 Abs. 3 AO. Weiter setzt die Aufrechnungserklärung als Gestaltungsgeschäft die Verfügungsbefugnis des Aufrechnenden zum Zeitpunkt der Erklärung voraus und der die Aufrechnung erklärende muss sowohl die Passiv- als auch die Aktivforderung hinreichend konkret bezeichnen, sodass sie sich zumindest im Wege der Auslegung ermitteln lässt (MüKoBGB/Schlüter, 7. Aufl., § 388 BGB Rn. 1).
42 
Eine unbestrittene Gegenforderung existiert nicht. Auch eine rechtskräftig festgestellte Gegenforderung der Klägerin zu 2 ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwischen den Beteiligten bzw. der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 und der Beklagten sind und waren eine Vielzahl an Rechtstreitigkeiten anhängig, die zum Teil bereits rechtskräftig entschieden worden sind. Die Verfahren hatten zum Teil auch Erstattungsansprüche der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte zum Gegenstand (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteile vom 15.12.2016 - 2 S 2504/14 und 2 S 2505/14 -). Soweit ersichtlich endete aber keines dieser Verfahren mit der rechtskräftigen Feststellung eines Erstattungsanspruches der Klägerin zu 2 als Gebührenschuldnerin gegen die Beklagte. Auch vorgetragen ist ein solcher Anspruch nicht.
43 
Weiter fehlt es an der gemäß § 387 BGB erforderlichen Gegenseitigkeit der Forderungen. Demnach kann die Klägerin zu 2 nur mit jenen Forderungen aufrechnen, welche ihr als alleiniger Gebührenschuldnerin selbst gegen die Beklagte zustehen. Derartige unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen sind nicht ersichtlich. Die Klägerin zu 2 war außerhalb des hiesigen Verfahrens lediglich einmal an einem Verfahren vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht Stuttgart beteiligt (Urteil vom 27.12.2012 - 1 K 2265/11 -). Im dortigen Verfahren stellte das Gericht keine Forderung der Klägerin zu 2 gegen die Beklagte fest. Dass der Klägerin zu 2 aus einem anderen Zusammenhang eine solche Forderung zustünde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
44 
Schließlich ist eine Aufrechnungserklärung nur wirksam, wenn sie die Passiv- und die Aktivforderung hinreichend konkret bezeichnet (MüKoBGB/Schlüter, 7. Aufl., § 388 BGB Rn. 1). Beides ist vorliegend unterblieben. Der Prozessvertreter der Klägerinnen hat mit Schreiben vom 10.01.2015, das sich ausweislich der Betreffzeile gegen den Bescheid für das Jahr 2009 wendet, „hilfsweise dem Grunde nach die Aufrechnung erklärt“. Eine Aufrechnungsaufstellung reiche er nach. Das ist unterblieben. Aus dem Zusammenhang des Schriftstückes mit dem angegriffenen Bescheid lässt sich somit nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB ermitteln, dass die Passivforderung der Beklagten ihre Forderung über Abwassergebühren für den Zeitraum vom 01.01.2009 - 31.12.2009 vom 10.12.2014 in Höhe von 15.721,50 EUR gewesen sein soll. Die Aktivforderung bezeichnete der Klägervertreter dagegen nicht. Das BGB behilft sich in solchen Fällen mit der Regelung in §§ 396 Abs. 1, 366 BGB, welche die Rangfolge des Erlöschens mehrerer möglicher Gegenforderungen festlegt. Auch für diesen gesetzlichen Automatismus bedarf es jedoch der hier unterbliebenen Darlegung des Aufrechnenden, dass und welche Forderungen ihm zustünden und per Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollen.
45 
4. Für die streitgegenständlichen Bescheide ist auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
46 
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen, § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 169, 170 AO. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.01.2010 - 2 S 1171/09 -, juris Rn. 26; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07.11.1996 - 4 K 11/96 -, KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 -, juris).
47 
Gemäß § 43 Abs. 1 der Abwassersatzung entstand die Gebührenschuld mit dem Ablauf eines Kalenderjahres für das Kalenderjahr, also mit dem 01.01.2009 für das Jahr 2008 und mit dem 01.01.2010 für das Jahr 2009. Die Festsetzungsfrist läuft gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie wäre danach am 01.01.2014 für beide Gebührenjahre abgelaufen.
48 
Allerdings gelten die Regeln der Abgabenordnung über den Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 bis 3 AO für das Kommunalabgabenrecht mit der Maßgabe, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet, § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG. Sinn dieser Regelung ist es, mit der rückwirkenden Inkraftsetzung einer Satzung nicht zugleich auch rückwirkend die Festsetzungsverjährung in Lauf zu setzen (LT-Drs. 11/6586, S. 18). Dabei ist es unerheblich, worauf die Ungültigkeit der Altsatzung beruht (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.09.2002 - 2 S 976/02 -, juris). Die streitgegenständliche Abwassersatzung ist im Amtsblatt vom 24.09.2014 öffentlich bekannt gemacht worden. Folglich endete die Festsetzungsfrist jedenfalls nicht vor Ablauf des 23.09.2015 und damit nach Erlass der streitgegenständlichen Abwasserbescheide am 15.11.2014 (Bescheid 2008) und 10.01.2015 (Bescheid 2009).
49 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parallelnorm des § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c) in § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b BayKAG. Danach ist eine Norm, welche die Erhebung von Beiträgen ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, mit den verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem aus dem Rechtstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Gebot der Rechtssicherheit unvereinbar, weil der Gesetzgeber den Interessenausgleich zwischen den Erwartungen der Bürger auf Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem öffentlichen Belang an finanziellen Beiträgen für individuelle Vorteile einseitig zulasten der Schuldner entschieden hat (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143).
50 
Diese Rechtsprechung gilt indes nur für Beiträge und gerade nicht, wie vorliegend, für Gebühren. Folgerichtig ist das BayKAG zur Umsetzung dieses Beschlusses durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 11. März 2014 (GVBl S. 70), in Kraft getreten am 1. April 2014, auch nur insoweit geändert worden. Eingefügt wurde Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b, bb Spiegelstrich 1, wonach § 169 AO mit der Maßgabe für die Erhebung von Kommunalabgaben gilt, dass über § 169 Abs. 1 S. 1 AO hinaus die Festsetzung einesBeitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre“.
51 
Nach Ablauf dieser Frist ist eine Beitragsfestsetzung nicht mehr zulässig (LT-Drs. 17/370, S. 13 ff.). Dementsprechend ist diese Rechtsprechung auch vom VGH Baden-Württemberg nur für Beiträge rezipiert worden (Urteil vom 31.12.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 46). Auch wenn es sich bei Gebühren ebenfalls um kommunale Abgaben handelt, ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht auf Gebühren übertragbar. So beruht die Erhebung von Beiträgen gemäß § 20 Abs.1 S. 1 KAG auf der Möglichkeit der Gemeinden und Landkreise, die Kosten für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen teilweise von den Grundstückseigentümern zu erheben, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihres Grundstücks an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden, § 20 Abs. 1 S. 1 KAG.
52 
Anschlussbeiträge nach den Kommunalabgabengesetzen zählen wie Gebühren zu den Vorzugslasten. Das sind Abgaben, die primär als Gegenleistung für eine Leistung der öffentlichen Hand erhoben werden (Wehr, LKV 2006, 241, 243). Während Gebühren jedoch nur für die tatsächliche Inanspruchnahme dieser Leistungen erhoben werden, genügt die potenzielle Inanspruchnahme durch den Beitragsschuldner, um die Erhebung von Beiträgen zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 18.05.2004 - 2 BvR 2374/99 -, NVwZ 2004, 1477, 1479 f.). Daraus folgt für die Festsetzungsverjährung, dass der Gebührenschuldner im Gegensatz zu einem Beitragsschuldner um seinen Verbrauch - also die tatsächliche Begründung seiner Abgabenpflicht - weiß und deshalb in Bezug auf die Festsetzungsverjährung weniger schutzwürdig ist.
53 
Schließlich ist die Berufung der Klägerseite auf eine nicht hinreichende Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten nach den Umständen des Einzelfalles ausgeschlossen. Gegenstand des Rechtstreites sind Gebührenbescheide für die Jahre 2008 und 2009. Die Beklagte hatte für diese Zeiträume zunächst Bescheide erlassen, welche die Klägerinnen oder ihre Rechtsvorgänger erfolgreich angefochten haben, weil diese Bescheide auf einer rechtswidrigen und damit nichtigen Satzung beruhten. Damit konnte sich ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Nichterhebung der Gebühren gar nicht bilden, weil mit der gerichtlich gestoppten erstmaligen Erhebung bereits offensichtlich war, dass nach Erlass einer neuen, wirksamen Satzung ein neuer Gebührenerhebungsversuch erfolgen würde. Diesen hat die Beklagte nach der rechtskräftigen Aufhebung der Ausgangsbescheide unverzüglich unternommen, indem sie noch im Jahr 2014 eine neue Satzung für den streitgegenständlichen Zeitraum erließ und binnen weniger Monate neue Gebührenbescheide erließ. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allein der Ablauf eines erheblichen Zeitraumes, selbst wenn es sich dabei um Jahrzehnte handelt, unschädlich für die Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 46).
54 
5. Die Klägerin zu 2 kann auch nicht die Absetzung der ihr in Rechnung gestellten Wassermengen im Umfang von 4576 m³ (für das Jahr 2008) und 3433 m³ (für das Jahr 2009) verlangen.
55 
Gemäß § 41 Abs. 1 Abwassersatzung sind Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet wurden, auf Antrag des Gebührenschuldners von der Bemessung ausgenommen. Den gemäß § 41 Abs. 1, 4 Abwassersatzung erforderlichen Antrag hat die Klägerin zu 2 für beide Jahre fristgemäß gestellt. Das Schreiben vom 10.01.2015 hat die Beklagte bereits ihrerseits im behördlichen Verfahren als Absetzungsantrag für das Jahr 2009 ausgelegt, im Schreiben vom 15.11.2014 ist der Absetzungsantrag für das Jahr 2008 sogar explizit gestellt. Dem steht es nicht entgegen, dass der Antrag „im Namen der Inhaberin“ formuliert war. Auch diese Erklärung ist als Antrag nach dem tatsächlichen Willen des Antragstellers unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizontes auszulegen, §§ 133, 157 BGB analog. Aus dem Gesamtzusammenhang mit dem angegriffenen Bescheid, der alleine die Klägerin zu 2 als Grundstückseigentümerin und Gebührenschuldnerin verpflichtete, ergibt sich danach, dass der Antrag für die Klägerin zu 2 und nicht für die Klägerin zu 1 gestellt wurde. Letztere hätte mangels Inanspruchnahme weder Grund noch Interesse zu und an einem solchen Antrag.
56 
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Frage, ob und in welchem Umfang „nachweislich“ Frischwasser nicht in die Abwasseranlagen eingeleitet worden ist bzw. ob die von den Klägerinnen bezifferten Abwassermengen hinreichend sicher nachgewiesen worden sind. Gemäß § 41 Abs. 2 Abwassersatzung „soll“ der Nachweis durch einen besonderen Wasserzähler erbracht werden. Ein solcher existierte für das streitgegenständliche Grundstück nicht.
57 
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das entnommene Frischwasser grundsätzlich ein tauglicher Maßstab für die Berechnung von Schmutzwassergebühren ist, solange die Satzung - wie vorliegend - die Möglichkeit zur Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen eröffnet (st. Rspr. des VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2504/14 -; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.12.2016 - 4 L 162/15 -, juris).
58 
Der Satzungsgeber darf eine solche Absetzung von nicht eingeleiteten Wassermengen von einem Nachweis abhängig machen und diesen Nachweis dem Nutzer (Gebührenschuldner) auferlegen (BVerwG, Urteil vom 14.04.1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317; BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3/93 -, DÖV 1995, 826; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2003 - 2 S 2700/01 -, BWGZ 2003, 810).
59 
Dabei ist aus der satzungsrechtlichen Vorgabe, dass der Nachweis über eine Abzugsmenge erfolgen muss, auf einen Wirklichkeitsmaßstab zu schließen, d.h. nachzuweisen ist die tatsächlich nicht eingeleitete Frischwassermenge. Ist - und dies wie dargelegt in zulässiger Weise - satzungsrechtlich und damit normativ eine Nachweispflicht festgelegt, ergeben sich die Anforderungen an deren Erfüllung aus ihrem Charakter als Beweislastregel, ihrer satzungsrechtlichen Normierung und letztlich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach fordert der Nachweis das Ausschöpfen aller dem Betroffenen zumutbaren Darlegungs- und Substantiierungsmöglichkeiten. Eine eigene Ermittlung der Abzugsmenge durch die Gemeinde ist regelmäßig nicht geboten.
60 
Die streitgegenständliche Abwassersatzung regelt in § 41 Abs. 2 die Anlage eines separaten Wasserzählers als „soll“. Daraus folgt, dass der Nachweis per separatem Zähler möglich ist, aber auch andere Methoden vom Satzungsgeber zugelassen werden. In Rechtsprechung und Verwaltungspraxis weiter anerkannt ist der Nachweis durch geeignete Unterlagen des Gebührenschuldners, die der Gemeinde eine nachvollziehbare Grundlage zur Bestimmung der nicht eingeleiteten Abwassermenge verschaffen können. Der Nachweis kann schließlich bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auch anhand allgemeiner Erfahrungswerte geführt werden (Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 2005, § 6 Rn. 385; Queitsch, KStZ 2006, 81, 82; Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 9 ff., jeweils m.w.N.). Solche Erfahrungswerte haben sich allerdings nur bei einzelnen Benutzergruppen bzw. Betriebsarten infolge langjähriger Erfahrung in Form von Durchschnittswerten oder Rahmenwerten herausgebildet. Sie kommen dann, wenn sie sich auf genau nachprüfbare Berechnungsgrundlagen stützen, als Nachweisgrundlage in Betracht. Fehlt es demgegenüber an derartigen genauen Berechnungsgrundlagen und liegen lediglich allgemeine Durchschnitts- oder Rahmenwerte vor, sind sie als alleinige Nachweisgrundlage nicht ausreichend (vgl. Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 9 ff.; Gössl, BWGZ 1992, 701).
61 
Für den Bereich der Fruchtsaftherstellung fehlt es an solchen allgemeinen Erfahrungswerten (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2504/16 -). Ihrer Bildung stand und steht entgegen, dass verallgemeinerungsfähige Werte wegen der unterschiedlichen Produktionsverhältnisse in den jeweiligen Einzelbetrieben nicht zu ermitteln sind (dazu Gössl, BWGZ 1992, 701; Queitsch, KStZ 2006, 81, S. 84 m.w.N.). Welcher Wasseranteil verarbeitet und daher nicht als Abwasser eingeleitet ist, richtet sich nach der jeweiligen konkreten Rezeptur der Fruchtsaftgetränke, mithin nach individuellen, von Betrieb zu Betrieb und von Produkt zu Produkt unterschiedlichen Vorgaben, die auch von Jahr zu Jahr variieren können (Einzelheiten bei Queitsch, a.a.O. S. 84; vgl. auch Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 11). So zeigen die Gutachten des Prof. Dr. O., dass alleine für den Betrieb der Klägerin zu 1 die Marge abzusetzenden Abwassers in den drei von ihm untersuchten Jahren zwischen 46% und 60 % liegt und damit außerhalb des verallgemeinerungsfähigen Bereiches.
62 
Fehlen solche verallgemeinerungsfähigen Erfahrungswerte, ist schließlich auch die Möglichkeit anerkannt, die dem betroffenen Betrieb zuzuordnenden Absatzmengen einzelfallbezogen festzustellen. Sind Messeinrichtungen - wie hier - für den Betrieb nicht vorhanden oder unzureichend, ist der satzungsrechtlich geforderte Nachweis durch eine dann betriebsbezogene Ermittlung zu erbringen, wie etwa durch ein Einzelgutachten, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaubt und daher als Grundlage (Nachweis) für die Feststellung nicht eingeleiteter Abwassermengen ausreicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2006 - 2 S 1256/06 -, NVwZ RR 2007, 409 unter Verweis auf: Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Baden-Württemberg, 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 11).
63 
Für das Jahr 2003 haben die Klägerinnen diesen Nachweis mit Billigung des Verwaltungsgerichtshofes (Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2504/14) durch ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. O. erbracht. Entsprechende Gutachten existieren nach Kenntnis des Gerichts außerdem für die Jahre 2010 und 2011. Die Gutachten ermitteln jeweils aus den Rezepturdokumenten den Anteil eingesetzten Trinkwassers und berechnen dann mit Hilfe der vom Gebührenschuldner nachgewiesenen Rohwarenmengen die Gesamtmenge des eingesetzten Trinkwassers. Dabei kommen sie für die verschiedenen Berechnungsjahre zu unterschiedlichen Trinkwasseranteilen von 46 %, 50 % und 60 %. Die Berechnung beruht insoweit auf einer Übereinkunft mit dem ehemaligen Bürgermeister der Beklagten, D. K., weshalb die Klägerinnen und der Gutachter sie als „Methode K.“ bezeichnen.
64 
Für die streitgegenständlichen Kalenderjahre 2008 und 2009 fehlt es dagegen an einem solchen Gutachten. Die klägerseitig vorgelegten Gesamtaufstellungen vermögen nicht, die für den Nachweis erforderlichen Gutachten zu ersetzen.
65 
Unstreitig ist der Satzungsgeber berechtigt, die Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen von einem Nachweis abhängig machen und diesen Nachweis dem Nutzer (Gebührenschuldner) auferlegen (BVerwG, Urteil vom 14.4.1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317; BVerwG, Beschluss vom 28. März 1995 - 8 N 3/93 -, DÖV 1995, 826; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.7.2003 - 2 S 2700/01 -, BWGZ 2003, 810). Weiter unstreitig ist es dem Satzungsgeber erlaubt, Anforderungen an den Nachweis zu formulieren. Selbst wenn sich diese Anforderungen, wie vorliegend, in einer Sollvorschrift erschöpft, bedarf es für die Absetzung eines hinreichend klaren und objektiven Nachweises über das nicht eingeleitete Frischwasser. Die Aufstellungen des Prozessvertreters der Klägerinnen erschöpfen sich insofern in einer Aufsummierung von Einzelposten. Dabei wird anders als in dem vom Verwaltungsgerichtshof anerkannten Gutachten nicht sukzessive der Rechenweg von den eingekauften Rohrstoffmengen über die Rezeptur der Einzelprodukte zu einer Summe an nicht eingeleitetem Abwasser unter Erläuterung der einzelnen Rechenoperationen beschritten, sondern schlicht die Nichteinleitung aus bestimmten Produktionsvorgängen behauptet. Weder für das Gericht noch für die Beklagte sind die so getroffenen Angaben nachvollziehbar. Der Sinn des Nachweises, die mit dem Frischwassermaßstab notwendig einhergehenden Ungenauigkeiten auszugleichen, wird so verfehlt, weil der Beklagten eine Nachprüfung unmöglich ist. Es ist aber im Grundsatz Sache des Gebührenschuldners, Absetzungen nachzuweisen und so die Nachprüfung zu ermöglichen. Zu rechtfertigen ist dies mit Blick darauf, dass die nachzuweisenden Umstände auf eine besondere, einzelfallbezogene Befreiung von der Gebühr abzielen und sie ihre Grundlagen ausschließlich im Bereich des Betroffenen finden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2006 - 2 S 1256/06 -, NVwZ-RR 2007, 409).
66 
Ist - und dies wie dargelegt in zulässiger Weise - satzungsrechtlich und damit normativ eine Nachweispflicht festgelegt, ergeben sich die Anforderungen an deren Erfüllung aus ihrem Charakter als Beweislastregel, ihrer satzungsrechtlichen Normierung und letztlich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach fordert der Nachweis - soweit nicht ohnehin technische Messeinrichtungen satzungsrechtlich vorgegeben sind - das Ausschöpfen aller dem Betroffenen zumutbaren Darlegungs- und Substantiierungsmöglichkeiten. Eine eigene Ermittlung der Abzugsmenge durch die Gemeinde ist regelmäßig nicht geboten; sie darf bei Fehlen des Nachweises von der dem Grundstück zugeführten Frischwassermenge ausgehen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2006, a.a.O. ).
67 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der über § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG anwendbaren Bestimmung in § 162 AO, wonach die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen unter Berücksichtigung aller sachwesentlichen Umstände zu schätzen hat, soweit sich diese nicht ermitteln oder berechnen lassen. Eine solche Schätzung ist nämlich in all jenen Fällen ausgeschlossen, in denen die Gewährung gebührenmindernder oder -begünstigender Rechtsfolgen von einem bestimmten Nachweis abhängt (Koenig/Cöster, AO, 3. Auflage 2014, § 162 Rn. 95). Andernfalls würde durch die Reduzierung des Beweismaßes die Nachweispflicht ad absurdum geführt (Martin, BB 1986, 1021). Entsprechend verlangt die Abwassersatzung der Stadt L. in § 41 einen ebensolchen Nachweis. Die Bestimmung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Eine Schätzung war demnach nicht vorzunehmen.
68 
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 159 VwGO.
69 
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 124 a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO genannten Gründe vorliegt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 16. März 2017 - 1 K 2131/15

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 16. März 2017 - 1 K 2131/15 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 - 1 K 1568/10 - geändert. Die Klage auf Zurückzahlung entrichteter Abwassergebühren wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 und begehrt die Rückzahlung geleisteter Abwassergebühren.
Die Klägerin ist eine sich in Liquidation befindende GmbH. Bis zu ihrer Auflösung, die am 15.07.2010 in das Handelsregister eingetragen wurde, stellte sie auf dem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück ... Fruchtsaft, Fruchtsaftkonzentrate, Fruchtnektare sowie Fruchtsaftgetränke her.
Die Beklagte betrieb die Beseitigung des in ihrem Gebiet angefallenen Abwassers zunächst gemäß § 1 Abs. 1 ihrer am 01.01.2002 in Kraft getretenen Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 als öffentliche Einrichtung. Für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen erhob sie Abwassergebühren. Bei Grundstücken, die an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossen sind, wurde die Gebühr einheitlich nach der auf dem Grundstück anfallenden Abwassermenge bemessen (§ 37 Abs. 1 AbwS). Als angefallene Abwassermenge galt die dem Grundstück in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 AbwS). Die Gebühr betrug zunächst 3,04 EUR je m³ Abwasser (§ 41 Abs. 1 AbwS). Die Gebühr wurde mit Änderungssatzung vom 22.02.2005 mit Wirkung zum 01.01.2005 auf 3,54 EUR je m³ Abwasser erhöht.
Die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 war Gegenstand eines von der Fa. ... am 23.12.2002 eingeleiteten Normenkontrollverfahrens. Deren Antrag, die Satzung für nichtig zu erklären, wurde mit Urteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) abgewiesen. Die Beklagte beschloss am 16.09.2014 rückwirkend eine neue Abwassersatzung für die Jahre 2008 und 2009.
Mit Bescheiden vom 31.12.2008 zog die Beklagte die Klägerin auf der Grundlage ihrer Satzung vom 11.12.2001/22.02.2005 zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 in Höhe von 26.008,38 EUR (Kunden-Nr. ...) und 10.152,72 EUR (Kunden-Nr. ...) heran. Sie legte dabei einen Frischwasserverbrauch von 7.347 m³ bzw. 2.868 m³ zu Grunde.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2009 "vorsorglich" Widerspruch ein und beantragte ferner, das von ihr im Jahr 2008 nicht eingeleitete Abwasser bei der Bemessung der Abwassergebühren abzusetzen. Zur Begründung führte sie aus, von der an der Entnahmestelle "Keller" entnommenen Trinkwassermenge von 7.347 m³ seien mindestens 3.294,72 m³, von den an der Entnahmestelle "Abfüllerei" entnommenen Trinkwassermenge von 2.868 m³ mindestens 1.281,28 m³ nicht in die gemeindliche Kanalisation eingeleitet, sondern zur Herstellung von Fruchtsäften verwendet worden.
Mit Bescheid vom 06.04.2010 wies das Landratsamt Schwäbisch Hall den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Nach § 40 AbwS würden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet worden seien, auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühren abgesetzt. Der Nachweis könne auf verallgemeinerungsfähige Erfahrungswerte oder, wenn solche Werte fehlten, durch ein Einzelgutachten geführt werden, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaube. Bei Fruchtsaftbetrieben fehle es wegen der unterschiedlichen Produktionsweisen an allgemeinen Erfahrungswerten. Die nicht eingeleiteten Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht. Eine Vereinbarung über die Höhe der Absetzung des nicht eingeleiteten Abwassers sei nicht zustande gekommen, da die Klägerin die vorbereitete Vergleichsberechnung vom Februar 2006 nicht unterzeichnet habe.
Die Klägerin hat am 02.05.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und zuletzt beantragt, - 1. - die Gebührenbescheide vom 31.12.2008 und den Widerspruchsbescheid aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die nicht als Abwasser eingeleiteten Trinkwassermengen bei der Bemessung der Abwassergebühren für das Jahr 2008 abzusetzen, sowie - 2. - die Beklagte zu verpflichten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR an sie, hilfsweise an die Fa. ..., Inhaberin ..., zu erstatten. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie bestehe als Liquidationsgesellschaft fort und sei daher weiterhin parteifähig. Nach dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 01.03.2010 verstoße die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Die diesen Maßstab verwendende Abwassersatzung der Beklagten sei deshalb nichtig. Die angefochtenen Bescheide seien somit aufzuheben und die bereits bezahlten Beträge zu erstatten. Die Ansprüche auf Rückzahlung der für 2008 bezahlten Abwassergebühren seien an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten worden. Die Fa. ... habe aber sie, die Klägerin, ermächtigt, die Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Klägerin sei ausweislich des Handelsregisters aufgelöst und deshalb nicht mehr parteifähig. Da die Klägerin in einem anderen Verfahren vorgetragen habe, sie sei nicht mehr Anschlussnehmer für die beide Trinkwasseranschlüsse, sei außerdem von einem Wegfall der Aktivlegitimation auszugehen. Im Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide habe noch die frühere Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg gegolten, wonach der Frischwassermaßstab einen tauglichen Maßstab für die Erhebung von Abwassergebühren darstelle. Bei Fruchtsaftbetrieben wie dem der Klägerin fehle es an verallgemeinerungsfähigen Erfahrungswerten über die nicht eingeleiteten Abwassermengen. Diese Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht.
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Mit Urteil vom 17.02.2011 hat das Verwaltungsgericht die Abwassergebührenbescheide vom 31.12.2008 sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die entrichteten Abwassergebühren in Höhe von 18.080,55 EUR an die Klägerin zurückzuzahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, einer gelöschten GmbH sei die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden seien. Die Klage sei zulässig. Auch wenn die Klägerin aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden sei, habe sie deshalb ihre Beteiligtenfähigkeit nicht verloren. Die danach zulässige Klage sei auch begründet. Für die Heranziehung der Klägerin zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser fehle es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 in der Fassung vom 22.02.2005 sei nichtig, da sie keine gültige Maßstabsregelung enthalte. Die Satzung sehe als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den einheitlichen Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Dass der VGH Baden-Württemberg den Antrag der Klägerin, die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 für nichtig zu erklären, mit Urteil vom 07.10.2004 abgelehnt habe, hindere eine inzidente Überprüfung der Satzung nicht. Die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle u. a., wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße. Die angefochtenen Gebührenbescheide seien danach rechtswidrig und aufzuheben. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag sei damit entbehrlich. Die Aufhebung der Gebührenbescheide beseitige den Rechtsgrund für die Zahlungen der Klägerin an die Beklagte. Die Klägerin habe deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO einen Anspruch auf Erstattung des geleisteten Betrags.
11 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 23.05.2011 zugelassene Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts fehle es der Klägerin an der Aktivlegitimation. Die Klägerin sei seit 15.07.2010 gelöscht. Es sei zudem von der Vermögenslosigkeit der Klägerin auszugehen, da sie nach ihren eigenen Angaben ihre Ansprüche auf Rückzahlung der für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren abgetreten habe. Eine vermögenslose Gesellschaft könne auch in gewillkürter Prozessstandschaft nicht klagen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit seinem Urteil vom 07.10.2004 festgestellt, dass aufgrund der Homogenität der Bebauung auf dem Gebiet der Stadt die Gebührenkalkulation auch im Hinblick darauf nicht zu beanstanden sei, als der Anteil der Kosten für die Beseitigung des Niederschlagswassers offenbar unter 12 % liege. An den örtlichen Verhältnissen habe sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
12 
In einer ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.09.2011 sind u.a. Vergleichsmöglichkeiten dem Grunde nach sondiert und nach Schließung der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich weiterverfolgt worden. Nach deren vorläufigem Scheitern hat der Senat die mündliche Verhandlung wieder eröffnet und am 09.10.2014 eine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin hat die Klägerin ausgeführt, die von ihr erklärte Abtretung von Erstattungsansprüchen sei unwirksam, da sie den Anforderungen des § 46 AO nicht genügt habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich gegen die Aufhebung der Abgabenbescheide auch mit dem zusätzlichen Hinweis auf die inzwischen rückwirkend in Kraft gesetzte neue Abwassergebührensatzung vom 16.09.2014 (AbwS 2014) gewandt; die Klägerin sei danach auch Gebührenschuldnerin und habe sich zudem stets als solche geriert.
13 
Der Senat hat die mündliche Verhandlung nach Erlass einer bis 31.10.2014 zu befolgenden Aufklärungsverfügung geschlossen; die Beteiligten haben auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Mit Schriftsatz vom 27.10.2014 hat die Beklagte ihre Rechtspositionen bekräftigt und Mehrfertigungen der Abtretungsurkunde und der Abtretungsanzeige vorgelegt.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.02.2011 - 1 K 1568/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts und die Behördenakten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.

(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 - 1 K 1568/10 - geändert. Die Klage auf Zurückzahlung entrichteter Abwassergebühren wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 und begehrt die Rückzahlung geleisteter Abwassergebühren.
Die Klägerin ist eine sich in Liquidation befindende GmbH. Bis zu ihrer Auflösung, die am 15.07.2010 in das Handelsregister eingetragen wurde, stellte sie auf dem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück ... Fruchtsaft, Fruchtsaftkonzentrate, Fruchtnektare sowie Fruchtsaftgetränke her.
Die Beklagte betrieb die Beseitigung des in ihrem Gebiet angefallenen Abwassers zunächst gemäß § 1 Abs. 1 ihrer am 01.01.2002 in Kraft getretenen Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 als öffentliche Einrichtung. Für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen erhob sie Abwassergebühren. Bei Grundstücken, die an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossen sind, wurde die Gebühr einheitlich nach der auf dem Grundstück anfallenden Abwassermenge bemessen (§ 37 Abs. 1 AbwS). Als angefallene Abwassermenge galt die dem Grundstück in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 AbwS). Die Gebühr betrug zunächst 3,04 EUR je m³ Abwasser (§ 41 Abs. 1 AbwS). Die Gebühr wurde mit Änderungssatzung vom 22.02.2005 mit Wirkung zum 01.01.2005 auf 3,54 EUR je m³ Abwasser erhöht.
Die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 war Gegenstand eines von der Fa. ... am 23.12.2002 eingeleiteten Normenkontrollverfahrens. Deren Antrag, die Satzung für nichtig zu erklären, wurde mit Urteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) abgewiesen. Die Beklagte beschloss am 16.09.2014 rückwirkend eine neue Abwassersatzung für die Jahre 2008 und 2009.
Mit Bescheiden vom 31.12.2008 zog die Beklagte die Klägerin auf der Grundlage ihrer Satzung vom 11.12.2001/22.02.2005 zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 in Höhe von 26.008,38 EUR (Kunden-Nr. ...) und 10.152,72 EUR (Kunden-Nr. ...) heran. Sie legte dabei einen Frischwasserverbrauch von 7.347 m³ bzw. 2.868 m³ zu Grunde.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2009 "vorsorglich" Widerspruch ein und beantragte ferner, das von ihr im Jahr 2008 nicht eingeleitete Abwasser bei der Bemessung der Abwassergebühren abzusetzen. Zur Begründung führte sie aus, von der an der Entnahmestelle "Keller" entnommenen Trinkwassermenge von 7.347 m³ seien mindestens 3.294,72 m³, von den an der Entnahmestelle "Abfüllerei" entnommenen Trinkwassermenge von 2.868 m³ mindestens 1.281,28 m³ nicht in die gemeindliche Kanalisation eingeleitet, sondern zur Herstellung von Fruchtsäften verwendet worden.
Mit Bescheid vom 06.04.2010 wies das Landratsamt Schwäbisch Hall den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Nach § 40 AbwS würden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet worden seien, auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühren abgesetzt. Der Nachweis könne auf verallgemeinerungsfähige Erfahrungswerte oder, wenn solche Werte fehlten, durch ein Einzelgutachten geführt werden, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaube. Bei Fruchtsaftbetrieben fehle es wegen der unterschiedlichen Produktionsweisen an allgemeinen Erfahrungswerten. Die nicht eingeleiteten Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht. Eine Vereinbarung über die Höhe der Absetzung des nicht eingeleiteten Abwassers sei nicht zustande gekommen, da die Klägerin die vorbereitete Vergleichsberechnung vom Februar 2006 nicht unterzeichnet habe.
Die Klägerin hat am 02.05.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und zuletzt beantragt, - 1. - die Gebührenbescheide vom 31.12.2008 und den Widerspruchsbescheid aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die nicht als Abwasser eingeleiteten Trinkwassermengen bei der Bemessung der Abwassergebühren für das Jahr 2008 abzusetzen, sowie - 2. - die Beklagte zu verpflichten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR an sie, hilfsweise an die Fa. ..., Inhaberin ..., zu erstatten. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie bestehe als Liquidationsgesellschaft fort und sei daher weiterhin parteifähig. Nach dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 01.03.2010 verstoße die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Die diesen Maßstab verwendende Abwassersatzung der Beklagten sei deshalb nichtig. Die angefochtenen Bescheide seien somit aufzuheben und die bereits bezahlten Beträge zu erstatten. Die Ansprüche auf Rückzahlung der für 2008 bezahlten Abwassergebühren seien an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten worden. Die Fa. ... habe aber sie, die Klägerin, ermächtigt, die Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Klägerin sei ausweislich des Handelsregisters aufgelöst und deshalb nicht mehr parteifähig. Da die Klägerin in einem anderen Verfahren vorgetragen habe, sie sei nicht mehr Anschlussnehmer für die beide Trinkwasseranschlüsse, sei außerdem von einem Wegfall der Aktivlegitimation auszugehen. Im Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide habe noch die frühere Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg gegolten, wonach der Frischwassermaßstab einen tauglichen Maßstab für die Erhebung von Abwassergebühren darstelle. Bei Fruchtsaftbetrieben wie dem der Klägerin fehle es an verallgemeinerungsfähigen Erfahrungswerten über die nicht eingeleiteten Abwassermengen. Diese Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht.
10 
Mit Urteil vom 17.02.2011 hat das Verwaltungsgericht die Abwassergebührenbescheide vom 31.12.2008 sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die entrichteten Abwassergebühren in Höhe von 18.080,55 EUR an die Klägerin zurückzuzahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, einer gelöschten GmbH sei die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden seien. Die Klage sei zulässig. Auch wenn die Klägerin aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden sei, habe sie deshalb ihre Beteiligtenfähigkeit nicht verloren. Die danach zulässige Klage sei auch begründet. Für die Heranziehung der Klägerin zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser fehle es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 in der Fassung vom 22.02.2005 sei nichtig, da sie keine gültige Maßstabsregelung enthalte. Die Satzung sehe als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den einheitlichen Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Dass der VGH Baden-Württemberg den Antrag der Klägerin, die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 für nichtig zu erklären, mit Urteil vom 07.10.2004 abgelehnt habe, hindere eine inzidente Überprüfung der Satzung nicht. Die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle u. a., wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße. Die angefochtenen Gebührenbescheide seien danach rechtswidrig und aufzuheben. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag sei damit entbehrlich. Die Aufhebung der Gebührenbescheide beseitige den Rechtsgrund für die Zahlungen der Klägerin an die Beklagte. Die Klägerin habe deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO einen Anspruch auf Erstattung des geleisteten Betrags.
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Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 23.05.2011 zugelassene Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts fehle es der Klägerin an der Aktivlegitimation. Die Klägerin sei seit 15.07.2010 gelöscht. Es sei zudem von der Vermögenslosigkeit der Klägerin auszugehen, da sie nach ihren eigenen Angaben ihre Ansprüche auf Rückzahlung der für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren abgetreten habe. Eine vermögenslose Gesellschaft könne auch in gewillkürter Prozessstandschaft nicht klagen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit seinem Urteil vom 07.10.2004 festgestellt, dass aufgrund der Homogenität der Bebauung auf dem Gebiet der Stadt die Gebührenkalkulation auch im Hinblick darauf nicht zu beanstanden sei, als der Anteil der Kosten für die Beseitigung des Niederschlagswassers offenbar unter 12 % liege. An den örtlichen Verhältnissen habe sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
12 
In einer ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.09.2011 sind u.a. Vergleichsmöglichkeiten dem Grunde nach sondiert und nach Schließung der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich weiterverfolgt worden. Nach deren vorläufigem Scheitern hat der Senat die mündliche Verhandlung wieder eröffnet und am 09.10.2014 eine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin hat die Klägerin ausgeführt, die von ihr erklärte Abtretung von Erstattungsansprüchen sei unwirksam, da sie den Anforderungen des § 46 AO nicht genügt habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich gegen die Aufhebung der Abgabenbescheide auch mit dem zusätzlichen Hinweis auf die inzwischen rückwirkend in Kraft gesetzte neue Abwassergebührensatzung vom 16.09.2014 (AbwS 2014) gewandt; die Klägerin sei danach auch Gebührenschuldnerin und habe sich zudem stets als solche geriert.
13 
Der Senat hat die mündliche Verhandlung nach Erlass einer bis 31.10.2014 zu befolgenden Aufklärungsverfügung geschlossen; die Beteiligten haben auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Mit Schriftsatz vom 27.10.2014 hat die Beklagte ihre Rechtspositionen bekräftigt und Mehrfertigungen der Abtretungsurkunde und der Abtretungsanzeige vorgelegt.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.02.2011 - 1 K 1568/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts und die Behördenakten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Mai 2008 - 1 K 1636/07 - geändert: Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ... ... in .... Durch Abgabenbescheid vom 26.01.2000 zog ihn die Beklagte - eine Gemeinde mit etwa 6.200 Einwohnern - unter Zugrundelegung des in der einschlägigen Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 (im Folgenden: AbwS) vorgesehenen modifizierten Frischwassermaßstabs zu einer Abwassergebühr für das Jahr 1999 in Höhe von 256,20 DM heran. Dabei legte die Beklagte eine eingeleitete Abwassermenge (= bezogene Frischwassermenge) von 61 m 3 und einen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser zugrunde.
Die einschlägigen Regelungen der Satzung lauten wie folgt: Die Gemeinde erhebt für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen eine Abwassergebühr (§ 32 AbwS). Schuldner der Abwassergebühr ist der Grundstückseigentümer (§ 33 Abs. 1 Satz 1 AbwS). Die Abwassergebühr wird nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossenen Grundstück anfällt (§ 34 Abs. 1 AbwS). Als angefallene Abwassermenge gilt bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 AbwS). Für Abwasser, das zu einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage gebracht wird, beträgt die Gebühr 4,20 DM/m 3 Abwasser (§ 37 Abs. 3 AbwS).
Gegen den Bescheid vom 26.01.2000 erhob der Kläger am 28.02.2000 Widerspruch. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens nahm die Beklagte eine Nachkalkulation der Abwassergebühr für die Gebührenjahre 1999 bis 2005 vor. Die Nachkalkulation für das Jahr 1999 (Stand: Oktober 2006) ergab - ohne Ausgleich von Vorjahresergebnissen - einen kostendeckenden Gebührensatz in Höhe von 3,87 DM/m 3 Abwasser. Auf Grundlage dieser Nachkalkulation beschloss der Gemeinderat der Beklagten am 09.11.2006 rückwirkend zum 01.01.1999 wiederum einen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.12.1999. Dabei brachte die Beklagte die von ihr ermittelte Kostenunterdeckung des Jahres 1994 sowie einen Teil der ermittelten Kostenunterdeckung des Jahres 1995 im Gebührenjahr 1999 zum Ausgleich, um zum gleichen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser zu gelangen, wie er den Bescheiden für das Gebührenjahr 1999 zugrunde gelegt worden war.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Abgabenbescheid vom 26.01.2000 wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2007 zurück.
Der Kläger hat am 10.08.2007 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Dem Antrag des Klägers, den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 aufzuheben, ist die Beklagte entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 06.05.2008 abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für Grundstücke, die - wie dasjenige des Klägers - an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossen seien, als Gebührenmaßstab den sogenannten Frischwassermaßstab verwende. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei der Frischwasserbezug jedenfalls dann zur Erfassung auch der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers geeignet, wenn nach den Verhältnissen im Satzungsgebiet im Durchschnitt der Veranlagungsfälle ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen beiden Wassermengen derart bestehe, dass der Wasserbezug auf einem Grundstück der Zahl der Bewohner und diese wiederum dem Umfang der baulichen Nutzung eines Grundstücks sowie der dort vorhandenen befestigten Flächen entspreche, von der Regenwasser in die Kanalisation abgeleitet werde. Das sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Satzungsgebiet durch eine verhältnismäßig homogene und wenig verdichtete Wohnbebauung ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt sei. In diesem Fall liege eine homogene Siedlungsstruktur vor, die es rechtfertige, den Frischwasserbezug auch als Indikator für die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers anzusehen. Im Regelfall könne bei einer Einwohnerzahl von 60.000 bis 80.000 noch von einer homogenen Siedlungsstruktur in diesem Sinne ausgegangen werden.
Auch der in § 37 Abs. 1 AbwS i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 rückwirkend für das Jahr 1999 festgelegte Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser sei gültig. Die durch ein Fachbüro erstellte Nachkalkulation der Gebühren stelle auf ihren Seiten 15 und 16 alternativ die Gebührensatzobergrenzen einerseits ohne und andererseits mit Berücksichtigung der Kostenunterdeckungen der Jahre 1994 und 1995 dar. Dass sich der Gemeinderat der Beklagten entschlossen habe, den Gebührensatz für das Jahr 1999 unter Berücksichtigung dieser Kostenunterdeckungen festzusetzen, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat entsprechend den Vorgaben der Nachkalkulation die ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1994 (51.242,40 DM) in voller Höhe und die ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1995 (65.544,-- DM) nur in Höhe von 42.456,05 DM berücksichtigt habe. Mit der lediglich teilweisen Berücksichtigung der ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1995 habe erreicht werden sollen, dass der Gebührensatz mit 4,20 DM/m 3 Abwasser exakt in der Höhe festgesetzt habe werden können, der auch den tatsächlichen Veranlagungen für das Gebührenjahr 1999 zugrunde gelegt worden sei. Dies sei eine sachgerechte Erwägung, die vom Gericht nicht beanstandet werden könne.
Der Vortrag des Klägers rechtfertige schließlich auch nicht die Annahme, die bei der Festsetzung des Gebührensatzes für das Jahr 1999 berücksichtigten und ausgeglichenen Unterdeckungen der Jahre 1994 und 1995 seien methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg beziehe sich die Ausgleichsbefugnis von Unterdeckungen aus Vorjahren lediglich auf solche Unterdeckungen, die sich aufgrund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 03.11.2008 zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend: Auch für den Bereich einer homogenen Siedlungsstruktur sei der Frischwasserbezug als Indikator für die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers ungeeignet. Aufgrund der Menge des Frischwasserbezuges könne ein Rückschluss auf die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers nicht erfolgen. Denn die Menge des bezogenen Frischwassers sei von der Nutzung des Grundstücks (z.B. Zahl der Bewohner) abhängig, während die Menge des in die Kanalisation eingeleiteten Niederschlagswassers von den vorhandenen befestigten Flächen abhängig sei. Ändere sich z.B. die Zahl der Bewohner und damit der Frischwasserbezug, ändere sich deshalb nicht die Niederschlagswassermenge. Im Übrigen liege die Zahl der von einer vermeintlich homogenen Bebauung abweichenden Grundstücke im Gebiet der Beklagten bei über 10 %.
10 
Unabhängig davon habe die Beklagte bei der Festsetzung der Höhe des Gebührensatzes zu Unrecht Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 berücksichtigt. Die Gebührenkalkulationen der Jahre 1994 und 1995 hätten jeweils den Straßenentwässerungsanteil zu niedrig und damit fehlerhaft angesetzt. Bei zutreffender Berücksichtigung des Straßenentwässerungsanteils hätten sich in den Jahren 1994 und 1995 keine vermeintlichen Unterdeckungen, sondern ausgleichspflichtige Überdeckungen ergeben. Dies führe im Ergebnis auch zur Nichtigkeit des Abwassergebührensatzes für das Jahr 1999.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 06.05.2008 - 1 K 1636/07 - zu ändern und den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 aufzuheben.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Bei einer Gemeinde ihrer Größe könne im Regelfall von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - (KStZ 2008, 74), der eine völlig andere Gemeindestruktur mit wesentlich größeren Gemeinden zugrunde liege, könne auf den hier zu beurteilenden Fall nicht übertragen werden.
16 
Im Rahmen der Nachkalkulation hätten auch die für die Jahre 1994 und 1995 errechneten Unterdeckungen im Jahre 1999 Berücksichtigung finden können. Im Rahmen der Nachkalkulation seien die Straßenentwässerungskostenanteile für die Jahre 1994 und 1995 exakt so angesetzt worden, wie dies auch im Rahmen der damaligen prognostischen Kalkulation für diese Gebührenjahre geschehen sei. Diese Vorgehensweise genüge den Anforderungen an den Ausgleich von Vorjahresergebnissen. Wäre es anders, bestünde im Rahmen der Ermittlung von Vorjahresergebnissen die Möglichkeit, jeden in den Rechnungsergebnissen enthaltenen kalkulatorischen Ansatz abweichend von der zugrunde liegenden prognostischen Kalkulation zu prüfen. Damit würde indirekt eine Überprüfung des früheren Satzungsrechts und der dortigen Ansätze vorgenommen. Dies würde zu untragbaren Ergebnissen führen, da über das System des gesetzlichen Ausgleichs dann indirekt die Satzungen beliebig weit zurückreichender vergangener Jahre überprüft werden müssten.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Für die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser (Schmutz- und Niederschlagswasser) im hier maßgeblichen Jahr 1999 fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die einschlägige Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 (im Folgenden: AbwS) ist nichtig. Denn sie enthält für die Gebührenerhebung keine gültige Maßstabsregelung, wie sie § 2 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996 (im Folgenden: KAG 1996) als Mindestinhalt einer Satzung fordert.
20 
Nach §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 AbwS wird die Abwassergebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser einheitlich nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem angeschlossenen Grundstück anfällt. Als angefallene Abwassermenge gilt dabei bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch abzüglich der nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassermengen. Die Satzung sieht damit als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstößt angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip.
21 
1. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat den Gemeinden und Landkreisen für den gemäß § 2 Abs. 1 KAG 1996 in der Satzung festzulegenden Gebührenmaßstab keine einfachgesetzlichen Beschränkungen auferlegt. Das ortsgesetzgeberische Ermessen der Gemeinden und Landkreise ist jedoch durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip eingeschränkt. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt als solcher, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2008 - 2 S 623/06 - AbfallR 2009, 44).
22 
Das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip bildet damit eine Obergrenze für die Gebührenbemessung. Unterhalb dieser Obergrenze ist die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln sind, dass sie dem unterschiedlichen Ausmaß der erbrachten Leistungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt. Das Willkürverbot belässt damit dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es verbietet nur eine willkürliche Ungleichbehandlung (wesentlich) gleicher Sachverhalte und die willkürliche Gleichbehandlung (wesentlich) ungleicher Sachverhalte. Die hierdurch gezogenen Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit überschreitet der Satzungsgeber erst dann, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenze ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen, nicht aber die Frage, ob der Satzungsgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. zum Ganzen: Rieger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 6 RdNr. 591).
23 
Nach allgemeiner Ansicht dürfen Benutzungsgebühren nicht nur nach dem konkret nachgewiesenen Umfang der jeweiligen Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung (Wirklichkeitsmaßstab), sondern auch nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden. Die Rechtfertigung für die Verwendung eines solchen pauschalierenden Maßstabs ergibt sich aus der Notwendigkeit eines praktikablen, wenig kostenaufwändigen und damit auch den Gebührenzahlern zugute kommenden Erhebungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995, aaO). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf aber nicht offensichtlich ungeeignet sein, d.h. er muss Umständen oder Verhältnissen entnommen worden sein, die mit der Art der Benutzung in Zusammenhang stehen, und auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die für die Regel in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2000 - 2 S 132/00 - VBlBW 2001, 21).
24 
2. Bei dem von der Beklagten gewählten (einheitlichen) Frischwassermaßstab wird die Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers nach der Menge des bezogenen Frischwassers bemessen. Dieser Maßstab beruht auf der Annahme, dass die auf einem Grundstück bezogene Frischwassermenge im Regelfall in einem ungefähr gleichen Verhältnis zur Menge des anfallenden Abwassers steht (vgl. zuletzt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472). Diese Annahme trifft unzweifelhaft hinsichtlich des Schmutzwassers zu, weil die Menge des Frischwassers, die einem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück zugeführt wird, jedenfalls typischerweise weitgehend der in die Kanalisation eingeleiteten Abwassermenge entspricht.
25 
Was das Niederschlagswasser betrifft, kann das Gleiche dagegen nicht gesagt werden, weil der Frischwasserverbrauch keinen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - KStZ 2008, 74; Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009 - 5 A 631/08 - KStZ 2009, 235). Denn der Frischwasserverbrauch ist regelmäßig bei Wohnbebauung personen- und bei Gewerbegrundstücken produktionsabhängig, während die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers - außer von der Menge des Niederschlags - von der Größe des Grundstücks sowie der Oberflächengestaltung abhängig ist. Ein verlässlicher Zusammenhang zwischen Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem Grundstück zu entsorgenden Niederschlagswassermenge besteht demnach zumindest in aller Regel nicht. Die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden (unten a). Sie kann ferner nicht mit der Erwägung als rechtmäßig angesehen werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12.06.1972 - VII B 117.70 - KStZ 1973, 92; Beschluss vom 25.03.1985 - 8 B 11.84 - NVwZ 1985, 496 mwN) als auch nach der des erkennenden Senats (Urteil vom 27.10.1993 - 2 S 199/80 - VBlBW 1984, 346) eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind (unten b).
26 
a) Im Benutzungsgebührenrecht ist ebenso wie im sonstigen Abgabenrecht auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit abzustellen, der es dem Satzungsgeber gestattet, bei Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fällen dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2005 - 10 BN 2.05 - Juris; Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36).
27 
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann nicht angenommen werden, dass der einheitliche Frischwassermaßstab im Allgemeinen und damit in 90 % aller Fälle zu einer in etwa gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen führt. Es ist mit anderen Worten nicht davon auszugehen, dass im „Regelfall“ auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets das Verhältnis zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der nach dem Frischwasserverbrauch berechneten Schmutzwassermenge (so) weitgehend vergleichbar ist, dass es aus diesem Grund einer gesonderten Berechnung der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nicht bedarf.
28 
Zwar hat der erkennende Senat bislang den einheitlichen Frischwassermaßstab auch zur Erfassung der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers als geeignet angesehen, wenn das Satzungsgebiet durch eine im entwässerungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig homogene Bebauungsstruktur mit wenig verdichteter Wohnbebauung und ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt ist (Urteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden könne, wenn in einer Gemeinde für mindestens 90 % der angeschlossenen Grundstücke die Entwässerungsverhältnisse in etwa gleich seien. Insoweit handelt es sich bei dem Kriterium einer homogenen Siedlungsstruktur um nichts anderes als eine konkretisierte Ausprägung des oben dargelegten Grundsatzes der Typengerechtigkeit (so zutreffend Quaas, VBlBW 2006, 175, 176). Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, im Regelfall könne bei Gemeinden mit 60.000 bis 80.000 Einwohnern noch von einer homogenen Siedlungsstruktur im genannten Sinne ausgegangen werden. An dieser Auffassung hält der Senat nicht mehr fest. Eine Vergleichbarkeit zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der Schmutzwassermenge auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets dürfte nach den heutigen Verhältnissen die absolute Ausnahme bilden. Auch für das Gebiet der Beklagten, einer Gemeinde mit sechs Teilorten und ca. 6.200 Einwohnern, liegt eine solche Ausnahme nicht vor.
29 
Die Anzahl der Bewohner auf den Grundstücken des jeweiligen Satzungsgebiets, die maßgeblich die Menge des einem Grundstück zugeführten Frischwassers beeinflusst, ist - unter den hiesigen modernen Lebensverhältnissen - so unterschiedlich, dass ein vorherrschender, mindestens 90 % der Fälle erfassender „Regeltyp“ mit annähernd gleicher Relation zwischen Frischwasserverbrauch je Grundstück und hiervon abgeleitetem Niederschlagswasser nicht erkennbar ist. Die Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers wird bestimmt durch die Größe der versiegelten Grundstücksflächen, die sich nach der Kubatur der Baukörper und dem Vorhandensein weiterer befestigter Flächen - wie etwa Stellplätze, Terrassen - richtet. Dagegen wird die Menge des Abwassers im Falle der Wohnbebauung ganz wesentlich durch die Zahl der auf dem Grundstück vorhandenen Haushalte und die Zahl der zu den Haushalten gehörenden Personen beeinflusst. Bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken, die erfahrungsgemäß einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, kommt es auf die Art der gewerblichen und industriellen Nutzung und die Höhe des damit verbundenen Frischwasserverbrauchs an. Deshalb sind sowohl gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke als auch Grundstücke mit stark verdichteter Wohnbebauung (z.B. Hochhäuser) im Hinblick auf die Relation zwischen Frischwasserverbrauch und abgeleitetem Niederschlagswasser von vornherein als atypisch anzusehen. Vor diesem Hintergrund kommen als Grundstücke mit „vergleichbaren Entwässerungsverhältnissen“ naturgemäß lediglich die die Wohnbebauung prägenden Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke in Betracht. Aber selbst Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke weisen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine derart uneinheitliche Haushaltsgröße und daraus folgend einen derart unterschiedlichen Wasserverbrauch auf, dass nicht mehr von einer annähernd vergleichbaren Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann.
30 
Einfamilienhäuser werden zwar überwiegend von Familien mit Kindern bewohnt. Schon die Anzahl der Kinder in den Haushalten variiert aber mit der Folge eines stark unterschiedlichen Wasserverbrauchs. Davon abgesehen werden Einfamilienhäuser auch nicht selten nur von einer oder zwei Personen bewohnt, weil z.B. ein Ehepartner verstorben ist oder die Parteien sich infolge einer Scheidung getrennt haben oder die (erwachsenen) Kinder das Elternhaus verlassen haben (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). Diese Einschätzung wird durch die vom Senat beim Baden-Württembergischen Landesamt für Statistik ermittelten Zahlen (Mikrozensus 2006) für das Land Baden-Württemberg belegt. Danach gibt es in Baden-Württemberg insgesamt 1.088.000 Haushalte in Einfamilienhäusern (Wohngebäude mit einer Wohneinheit), die sich wie folgt aufteilen: 186.000 Haushalte mit einer Person (= 17,10 %), 412.000 Haushalte mit zwei Personen (= 37,87 %), 183.000 Haushalte mit drei Personen (= 16,2 %), 217.000 Haushalte mit vier Personen (= 19,94 %) sowie 90.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen (= 8,27 %). Auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 02.09.2009, aaO) ermittelten Daten für das Land Hessen zeigen eine in etwa vergleichbare Verteilung der Haushaltsgrößen in Einfamilienhäusern; danach werden Einfamilienhäuser in 19,22 % von Haushalten mit einer Person, in 40,28 % von Haushalten mit zwei Personen, in 17,57 % von Haushalten mit drei Personen, in 16,72 % von Haushalten mit vier Personen und in 6,21 % der Fälle von Haushalten mit fünf und mehr Personen bewohnt.
31 
Diese für die Länder Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Daten bestätigen eindrucksvoll, dass generell von einer Homogenität der Haushaltsgröße auch für den Bereich von Einfamilienhäusern nicht gesprochen werden kann. Diese Aussage kann auch ohne weiteres auf das Gemeindegebiet der Beklagten übertragen werden. Dafür, dass sich im Gemeindegebiet der Beklagten die Verhältnisse nennenswert anders darstellen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Beklagte hat in dieser Richtung nichts vorgetragen.
32 
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass bereits im Bereich der Einfamilienhäuser durch die Streuung der Haushaltsgrößen ein stark unterschiedlicher Frischwasserverbrauch festzustellen ist, der bei ansonsten gleichen Verhältnissen zu gravierenden Unterschieden bei der Höhe der veranlagten Gebühren für den Anteil der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung führt. Wird ein Einfamilienhaus von einer Einzelperson bewohnt, entfällt auf dieses Grundstück nach der Gebührensatzung der Beklagten für das Jahr 1999 bei einem durchschnittlich angenommenen Jahresfrischwasserverbrauch von 40 m 3 und einem Gebührensatz von 4,20 DM eine Abwassergebühr von 168,-- DM. Wird das gleiche Einfamilienhaus dagegen von einem Vier-Personen-Haushalt bewohnt, entfällt auf das Grundstück - trotz derselben versiegelten Fläche - bei einem unterstellten Jahresfrischwasserverbrauch von wiederum 40 m 3 je Person eine Abwassergebühr von 672,-- DM. Unterstellt man ferner einen Anteil von lediglich 25 % der Gesamtkosten für die Niederschlagswasserentsorgung (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %) und geht damit bei einer Abwassergesamtgebühr von 4,20 DM je Kubikmeter von einem Anteil für die Beseitigung des Niederschlagswassers von 1,05 DM je Kubikmeter aus, so zahlt der Ein-Personen-Haushalt dafür 42,-- DM, der Vier-Personen-Haushalt bei gleicher Versiegelungsfläche dagegen 168,-- DM. Das hier aufgeführte Beispiel zeigt, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit vergleichbarem Umfang an Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, unter anderem Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge in etwa gleich ist.
33 
Die dargestellte Uneinheitlichkeit der Haushaltsgrößen und damit die unterschiedliche Nutzungsintensität gilt auch für Zweifamilienhäuser. Nach den Daten des Baden-Württembergischen Landesamtes für Statistik (Mikrozensus 2006) teilen sich die Haushaltsgrößen in den 503.000 Wohngebäuden mit zwei Wohneinheiten wie folgt auf: 134.000 Haushalte mit einer Person, 195.000 Haushalte mit zwei Personen, 68.000 Haushalte mit drei Personen, 77.000 Haushalte mit vier Personen sowie 29.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die versiegelte Fläche bei Zweifamilienhäusern im Vergleich zu Einfamilienhäusern nach allgemeiner Lebenserfahrung zwar erhöht, aufgrund der Kubatur von Zweifamilienhäusern allerdings keine entsprechende Verdoppelung der versiegelten Flächen angenommen werden kann.
34 
b) Die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der des erkennenden Senats eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind. Als geringfügig in diesem Sinne sehen das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 12.06.1972 und vom 25.03.1985, aaO) sowie der erkennende Senat (Urteil vom 27.10.1993, aaO) diese Kosten dann an, wenn ihr Anteil an den Kosten der gesamten Entwässerung nicht mehr als 12 % beträgt.
35 
Nach den Veröffentlichungen in der Fachliteratur ist von den gesamten Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung zu veranschlagen (vgl. etwa Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %; Hennebrüder, KStZ 2007, 184 - unter Bezugnahme auf Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 % liegt). Darüber hinaus hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass der Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung in ihrem Gebiet noch als geringfügig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen ist.
36 
3. Für die Gemeinden hat dies zur Konsequenz, dass - von wenigen, wohl nur theoretisch denkbaren Ausnahmen abgesehen - statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben erhoben werden muss (gesplittete Abwassergebühr). Ein unverhältnismäßiger und damit nicht mehr zu vertretender finanzieller Kostenaufwand ist damit nicht verbunden (ebenso Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009, aaO; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). So besteht für die Beklagte insbesondere die Möglichkeit, die an die Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner zu ermitteln und sich auf eine stichprobenweise Überprüfung zu beschränken.
37 
In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass die Kosten für die Erstellung der Gebührenkalkulation durch ein von der Gemeinde beauftragtes Beratungsbüro oder einen anderen Dritten einschließlich der Kosten der dafür notwendigen Vorarbeiten Teil der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG ansatzfähigen Kosten sind. Zu den nach dieser Vorschrift gebührenfähigen Kosten gehören zwar nur die „Kosten der Einrichtung“, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht worden sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Erstellung der Gebührenkalkulation mit der eigentlichen Leistung, die durch die öffentliche Einrichtung erbracht wird, nur in einem mittelbaren Zusammenhang steht. Die Rechtfertigung für eine Abwälzung der dadurch entstehenden Kosten auf sämtliche Gebührenschuldner ergibt sich jedoch aus der Überlegung, dass es sich dabei um für die Realisierung des Gebührenanspruchs der Gemeinde notwendige Kosten handelt. Denn das durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung seitens des Bürgers eingeleitete Austauschverhältnis kann grundsätzlich nur dann korrekt abgewickelt werden, wenn die Gemeinde den Satz der für die Benutzung zu entrichtenden Gebühren auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation in ihrer Satzung festlegt (in dieser Richtung bereits das Normenkontrollurteil des Senats vom 13.05.1997 - 2 S 3246/94 - BWGZ 1997, 890; ebenso VG Freiburg, Urteil vom 10.12.2003 - 7 K 420/02 - Juris; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 RdNr. 733a, S. 473). An der in seinem Normenkontrollbeschluss vom 27.02.1996 - 2 S 1407/94 - (NVwZ-RR 1996, 593) beiläufig geäußerten Auffassung, dass die Kosten für die Erstellung der erforderlichen Gebührenkalkulation nicht zu den auf die Gebührenschuldner abwälzbaren Kosten der Einrichtung gehörten, hält der Senat deshalb nicht fest.
38 
4. Ob die Satzung der Beklagten vom 09.11.2006 auch deshalb zu beanstanden ist, weil die Beklagte in die dieser Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 eingestellt hat, deren Berechnung - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auf einem zu niedrigen Ansatz des Straßenentwässerungsanteils beruht, bedarf danach keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die der Beklagten offenstehende Möglichkeit, die aus den oben genannten Gründen nichtige Satzung vom 09.11.2006 rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen, die statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben vorsieht, sowie im Hinblick auf künftige Streitfälle zwischen den Beteiligten sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden, diese Frage betreffenden Bemerkungen veranlasst.
39 
a) Zu der bis zum 31.03.2005 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F., die thematisch der heutigen Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG entspricht, hat der Senat in seinem Urteil vom 27.01.2003 - 2 S 2587/00 - (VBlBW 2003, 322) entschieden, die Vorschrift beziehe sich lediglich auf Über- und Unterdeckungen, die sich am Ende eines Bemessungszeitraums auf Grund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben. Nicht unter § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. fielen dagegen - schon seinem Wortlaut nach - solche Über- und Unterdeckungen, die sich aus der nachträglichen Feststellung überhöhter Gebührensatzregelungen ergäben. An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.
40 
§ 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. wurde 1986 auf Empfehlung des Innenausschusses in das Kommunalabgabengesetz eingefügt. Wie sich aus dem Bericht des Innenausschusses (LT-Drs. 9/3305, S. 10) ergibt, hat sich der Gesetzgeber dabei von der Überlegung leiten lassen, dass eine Gebührenkalkulation nur prognostischen Charakter haben kann und dementsprechend immer mit bestimmten Unsicherheiten verbunden ist. Die in die Kalkulation eingestellten Annahmen über die voraussichtlich entstehenden Kosten der Einrichtung und den voraussichtlichen Umfang ihrer Benutzung werden deshalb kaum einmal mit den tatsächlich entstehenden Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung übereinstimmen. Etwaige sich daraus ergebende Kostenüberdeckungen sollte die Gemeinde nach dem Willen des Landesgesetzgebers nicht für sich behalten dürfen, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre an die Gebührenschuldner zurückgeben müssen. Die Gemeinde sollte aber umgekehrt auch das Recht erhalten, sich aus den genannten Abweichungen ergebende Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums durch eine entsprechende Erhöhung der Gebühren ausgleichen zu dürfen.
41 
Eine Korrektur fehlerhafter Kalkulationen ist danach von § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. nicht bezweckt. Die Vorschrift ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur für solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen gilt, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, d.h. daraus dass die geschätzten Kosten der Einrichtung und der geschätzte Umfang ihrer Benutzung von den tatsächlichen Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung abweichen. § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. bezieht sich dagegen nicht auf solche Kostenüberdeckungen, die sich daraus ergeben, dass in die Kalkulation Kosten eingestellt wurden, die nicht oder nicht in dieser Höhe ansatzfähig sind. Die Vorschrift erlaubt umgekehrt aber auch keinen Ausgleich von Kostenunterdeckungen, die daraus folgen, dass bestimmte ansatzfähige Kosten in die Kalkulation überhaupt nicht oder nicht in der gesetzlich zulässigen Höhe eingestellt worden sind.
42 
b) Das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.03.2005 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Der an die Stelle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. getretene § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 legt wie sein Vorgänger fest, dass Kostenüberdeckungen innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden müssen und Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums ausgeglichen werden können. § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 stellt darüber hinaus klar, wie Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen zu bestimmen sind, nämlich - so die damalige Fassung dieser Vorschrift - durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „Gesamtkosten“. Dass über diese Klarstellung hinaus auch eine Änderung der bis dahin geltenden und durch das Urteil des Senats vom 27.01.2003 verdeutlichten Rechtslage beabsichtigt war, kann weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 13/3966, S. 47) entnommen werden.
43 
c) Die durch das Gesetz vom 09.05.2009 erfolgte Änderung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 nötigt dagegen für die Zeit ab dem Inkrafttreten dieser Änderung zu einer Korrektur der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Nach der Neufassung der Vorschrift ist nunmehr zur Feststellung von Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen ein Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „ansatzfähigen Gesamtkosten“ vorzunehmen. Die zu § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a. F. vertretene Auffassung, dass diese Regelung nicht die Korrektur fehlerhafter Gebührenkalkulationen bezwecke, sondern sich nur auf solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen beziehe, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, kann angesichts des geänderten Wortlauts auf § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 nicht übertragen werden. Die sich aus einem solchen Verständnis der Vorschrift ergebende Konsequenz ist, dass unter der Geltung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 beschlossene Gebührensatzungen durch in der Vergangenheit unterlaufene und unter Umständen lange zurückliegende Fehler bei früheren Gebührenkalkulationen infiziert werden können. Durch die in § 49 Abs. 2 KAG getroffene Anordnung, nach der § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 auch auf früher entstandene Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen Anwendung findet, verschärfen sich die damit verbundenen Probleme. Ob der Gesetzgeber sich dieser Konsequenz bewusst war, die seinen in anderer Hinsicht unternommenen Bestrebungen zuwiderläuft, die Bestandskraft von Abgabensatzungen im Interesse der Rechtssicherheit zu erhöhen, lässt sich bezweifeln. Der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 14/4002, S. 70) kann dazu jedenfalls nichts entnommen werden. Das enthebt den Senat jedoch nicht der Verpflichtung, sich bei der Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 in erster Linie an dessen Wortlaut zu halten.
44 
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte bei einem etwaigen, von ihr für erforderlich gehaltenen Neuerlass einer Satzung für das Jahr 1999 die Gebühren unter Berücksichtigung der geänderten Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 zu kalkulieren hat. Ob es in den vor 1999 liegenden fünf Jahren zu dabei berücksichtigungsfähigen Kostenunterdeckungen gekommen ist, ist somit an Hand eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen in dem jeweiligen Jahr und der Summe der in diesem Jahr angefallenen ansatzfähigen Gesamtkosten festzustellen. Der in den Gebührenkalkulationen für die Jahre 1994 und 1995 fehlerhaft angesetzte Straßenentwässerungsanteil ist danach entsprechend zu korrigieren.
45 
Für die Nachkalkulation darf schließlich noch an die Entscheidung des Senats vom 15.02.2008 - 2 S 2559/05 - (VBlBW 2008, 350) erinnert werden. Danach ist der Ausgleich einer Kostenunterdeckung nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch dann ausgeschlossen, wenn diese überhaupt (oder mit einem höheren Betrag) erst nach Ablauf des zitierten Zeitraums erkannt wird. Der Ablauf der Fünfjahresfrist schafft für die Gemeinde und die Gebührenpflichtigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Spätere Nachholungen sind ausgeschlossen, der entstandene Fehlbetrag ist dann endgültig aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren. Diese Ausführungen gelten auch für den Ausgleich von Überdeckungen; nach Ablauf von fünf Jahren nach Ende des Kalkulationszeitraums sind nicht abgewickelte Überdeckungen nicht mehr zu berücksichtigen (so auch: Giebler, KStZ 2007, 167, 172).
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130,99 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
50 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Für die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser (Schmutz- und Niederschlagswasser) im hier maßgeblichen Jahr 1999 fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die einschlägige Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 (im Folgenden: AbwS) ist nichtig. Denn sie enthält für die Gebührenerhebung keine gültige Maßstabsregelung, wie sie § 2 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996 (im Folgenden: KAG 1996) als Mindestinhalt einer Satzung fordert.
20 
Nach §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 AbwS wird die Abwassergebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser einheitlich nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem angeschlossenen Grundstück anfällt. Als angefallene Abwassermenge gilt dabei bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch abzüglich der nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassermengen. Die Satzung sieht damit als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstößt angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip.
21 
1. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat den Gemeinden und Landkreisen für den gemäß § 2 Abs. 1 KAG 1996 in der Satzung festzulegenden Gebührenmaßstab keine einfachgesetzlichen Beschränkungen auferlegt. Das ortsgesetzgeberische Ermessen der Gemeinden und Landkreise ist jedoch durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip eingeschränkt. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt als solcher, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2008 - 2 S 623/06 - AbfallR 2009, 44).
22 
Das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip bildet damit eine Obergrenze für die Gebührenbemessung. Unterhalb dieser Obergrenze ist die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln sind, dass sie dem unterschiedlichen Ausmaß der erbrachten Leistungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt. Das Willkürverbot belässt damit dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es verbietet nur eine willkürliche Ungleichbehandlung (wesentlich) gleicher Sachverhalte und die willkürliche Gleichbehandlung (wesentlich) ungleicher Sachverhalte. Die hierdurch gezogenen Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit überschreitet der Satzungsgeber erst dann, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenze ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen, nicht aber die Frage, ob der Satzungsgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. zum Ganzen: Rieger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 6 RdNr. 591).
23 
Nach allgemeiner Ansicht dürfen Benutzungsgebühren nicht nur nach dem konkret nachgewiesenen Umfang der jeweiligen Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung (Wirklichkeitsmaßstab), sondern auch nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden. Die Rechtfertigung für die Verwendung eines solchen pauschalierenden Maßstabs ergibt sich aus der Notwendigkeit eines praktikablen, wenig kostenaufwändigen und damit auch den Gebührenzahlern zugute kommenden Erhebungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995, aaO). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf aber nicht offensichtlich ungeeignet sein, d.h. er muss Umständen oder Verhältnissen entnommen worden sein, die mit der Art der Benutzung in Zusammenhang stehen, und auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die für die Regel in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2000 - 2 S 132/00 - VBlBW 2001, 21).
24 
2. Bei dem von der Beklagten gewählten (einheitlichen) Frischwassermaßstab wird die Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers nach der Menge des bezogenen Frischwassers bemessen. Dieser Maßstab beruht auf der Annahme, dass die auf einem Grundstück bezogene Frischwassermenge im Regelfall in einem ungefähr gleichen Verhältnis zur Menge des anfallenden Abwassers steht (vgl. zuletzt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472). Diese Annahme trifft unzweifelhaft hinsichtlich des Schmutzwassers zu, weil die Menge des Frischwassers, die einem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück zugeführt wird, jedenfalls typischerweise weitgehend der in die Kanalisation eingeleiteten Abwassermenge entspricht.
25 
Was das Niederschlagswasser betrifft, kann das Gleiche dagegen nicht gesagt werden, weil der Frischwasserverbrauch keinen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - KStZ 2008, 74; Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009 - 5 A 631/08 - KStZ 2009, 235). Denn der Frischwasserverbrauch ist regelmäßig bei Wohnbebauung personen- und bei Gewerbegrundstücken produktionsabhängig, während die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers - außer von der Menge des Niederschlags - von der Größe des Grundstücks sowie der Oberflächengestaltung abhängig ist. Ein verlässlicher Zusammenhang zwischen Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem Grundstück zu entsorgenden Niederschlagswassermenge besteht demnach zumindest in aller Regel nicht. Die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden (unten a). Sie kann ferner nicht mit der Erwägung als rechtmäßig angesehen werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12.06.1972 - VII B 117.70 - KStZ 1973, 92; Beschluss vom 25.03.1985 - 8 B 11.84 - NVwZ 1985, 496 mwN) als auch nach der des erkennenden Senats (Urteil vom 27.10.1993 - 2 S 199/80 - VBlBW 1984, 346) eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind (unten b).
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a) Im Benutzungsgebührenrecht ist ebenso wie im sonstigen Abgabenrecht auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit abzustellen, der es dem Satzungsgeber gestattet, bei Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fällen dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2005 - 10 BN 2.05 - Juris; Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36).
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In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann nicht angenommen werden, dass der einheitliche Frischwassermaßstab im Allgemeinen und damit in 90 % aller Fälle zu einer in etwa gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen führt. Es ist mit anderen Worten nicht davon auszugehen, dass im „Regelfall“ auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets das Verhältnis zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der nach dem Frischwasserverbrauch berechneten Schmutzwassermenge (so) weitgehend vergleichbar ist, dass es aus diesem Grund einer gesonderten Berechnung der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nicht bedarf.
28 
Zwar hat der erkennende Senat bislang den einheitlichen Frischwassermaßstab auch zur Erfassung der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers als geeignet angesehen, wenn das Satzungsgebiet durch eine im entwässerungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig homogene Bebauungsstruktur mit wenig verdichteter Wohnbebauung und ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt ist (Urteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden könne, wenn in einer Gemeinde für mindestens 90 % der angeschlossenen Grundstücke die Entwässerungsverhältnisse in etwa gleich seien. Insoweit handelt es sich bei dem Kriterium einer homogenen Siedlungsstruktur um nichts anderes als eine konkretisierte Ausprägung des oben dargelegten Grundsatzes der Typengerechtigkeit (so zutreffend Quaas, VBlBW 2006, 175, 176). Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, im Regelfall könne bei Gemeinden mit 60.000 bis 80.000 Einwohnern noch von einer homogenen Siedlungsstruktur im genannten Sinne ausgegangen werden. An dieser Auffassung hält der Senat nicht mehr fest. Eine Vergleichbarkeit zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der Schmutzwassermenge auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets dürfte nach den heutigen Verhältnissen die absolute Ausnahme bilden. Auch für das Gebiet der Beklagten, einer Gemeinde mit sechs Teilorten und ca. 6.200 Einwohnern, liegt eine solche Ausnahme nicht vor.
29 
Die Anzahl der Bewohner auf den Grundstücken des jeweiligen Satzungsgebiets, die maßgeblich die Menge des einem Grundstück zugeführten Frischwassers beeinflusst, ist - unter den hiesigen modernen Lebensverhältnissen - so unterschiedlich, dass ein vorherrschender, mindestens 90 % der Fälle erfassender „Regeltyp“ mit annähernd gleicher Relation zwischen Frischwasserverbrauch je Grundstück und hiervon abgeleitetem Niederschlagswasser nicht erkennbar ist. Die Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers wird bestimmt durch die Größe der versiegelten Grundstücksflächen, die sich nach der Kubatur der Baukörper und dem Vorhandensein weiterer befestigter Flächen - wie etwa Stellplätze, Terrassen - richtet. Dagegen wird die Menge des Abwassers im Falle der Wohnbebauung ganz wesentlich durch die Zahl der auf dem Grundstück vorhandenen Haushalte und die Zahl der zu den Haushalten gehörenden Personen beeinflusst. Bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken, die erfahrungsgemäß einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, kommt es auf die Art der gewerblichen und industriellen Nutzung und die Höhe des damit verbundenen Frischwasserverbrauchs an. Deshalb sind sowohl gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke als auch Grundstücke mit stark verdichteter Wohnbebauung (z.B. Hochhäuser) im Hinblick auf die Relation zwischen Frischwasserverbrauch und abgeleitetem Niederschlagswasser von vornherein als atypisch anzusehen. Vor diesem Hintergrund kommen als Grundstücke mit „vergleichbaren Entwässerungsverhältnissen“ naturgemäß lediglich die die Wohnbebauung prägenden Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke in Betracht. Aber selbst Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke weisen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine derart uneinheitliche Haushaltsgröße und daraus folgend einen derart unterschiedlichen Wasserverbrauch auf, dass nicht mehr von einer annähernd vergleichbaren Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann.
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Einfamilienhäuser werden zwar überwiegend von Familien mit Kindern bewohnt. Schon die Anzahl der Kinder in den Haushalten variiert aber mit der Folge eines stark unterschiedlichen Wasserverbrauchs. Davon abgesehen werden Einfamilienhäuser auch nicht selten nur von einer oder zwei Personen bewohnt, weil z.B. ein Ehepartner verstorben ist oder die Parteien sich infolge einer Scheidung getrennt haben oder die (erwachsenen) Kinder das Elternhaus verlassen haben (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). Diese Einschätzung wird durch die vom Senat beim Baden-Württembergischen Landesamt für Statistik ermittelten Zahlen (Mikrozensus 2006) für das Land Baden-Württemberg belegt. Danach gibt es in Baden-Württemberg insgesamt 1.088.000 Haushalte in Einfamilienhäusern (Wohngebäude mit einer Wohneinheit), die sich wie folgt aufteilen: 186.000 Haushalte mit einer Person (= 17,10 %), 412.000 Haushalte mit zwei Personen (= 37,87 %), 183.000 Haushalte mit drei Personen (= 16,2 %), 217.000 Haushalte mit vier Personen (= 19,94 %) sowie 90.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen (= 8,27 %). Auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 02.09.2009, aaO) ermittelten Daten für das Land Hessen zeigen eine in etwa vergleichbare Verteilung der Haushaltsgrößen in Einfamilienhäusern; danach werden Einfamilienhäuser in 19,22 % von Haushalten mit einer Person, in 40,28 % von Haushalten mit zwei Personen, in 17,57 % von Haushalten mit drei Personen, in 16,72 % von Haushalten mit vier Personen und in 6,21 % der Fälle von Haushalten mit fünf und mehr Personen bewohnt.
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Diese für die Länder Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Daten bestätigen eindrucksvoll, dass generell von einer Homogenität der Haushaltsgröße auch für den Bereich von Einfamilienhäusern nicht gesprochen werden kann. Diese Aussage kann auch ohne weiteres auf das Gemeindegebiet der Beklagten übertragen werden. Dafür, dass sich im Gemeindegebiet der Beklagten die Verhältnisse nennenswert anders darstellen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Beklagte hat in dieser Richtung nichts vorgetragen.
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Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass bereits im Bereich der Einfamilienhäuser durch die Streuung der Haushaltsgrößen ein stark unterschiedlicher Frischwasserverbrauch festzustellen ist, der bei ansonsten gleichen Verhältnissen zu gravierenden Unterschieden bei der Höhe der veranlagten Gebühren für den Anteil der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung führt. Wird ein Einfamilienhaus von einer Einzelperson bewohnt, entfällt auf dieses Grundstück nach der Gebührensatzung der Beklagten für das Jahr 1999 bei einem durchschnittlich angenommenen Jahresfrischwasserverbrauch von 40 m 3 und einem Gebührensatz von 4,20 DM eine Abwassergebühr von 168,-- DM. Wird das gleiche Einfamilienhaus dagegen von einem Vier-Personen-Haushalt bewohnt, entfällt auf das Grundstück - trotz derselben versiegelten Fläche - bei einem unterstellten Jahresfrischwasserverbrauch von wiederum 40 m 3 je Person eine Abwassergebühr von 672,-- DM. Unterstellt man ferner einen Anteil von lediglich 25 % der Gesamtkosten für die Niederschlagswasserentsorgung (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %) und geht damit bei einer Abwassergesamtgebühr von 4,20 DM je Kubikmeter von einem Anteil für die Beseitigung des Niederschlagswassers von 1,05 DM je Kubikmeter aus, so zahlt der Ein-Personen-Haushalt dafür 42,-- DM, der Vier-Personen-Haushalt bei gleicher Versiegelungsfläche dagegen 168,-- DM. Das hier aufgeführte Beispiel zeigt, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit vergleichbarem Umfang an Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, unter anderem Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge in etwa gleich ist.
33 
Die dargestellte Uneinheitlichkeit der Haushaltsgrößen und damit die unterschiedliche Nutzungsintensität gilt auch für Zweifamilienhäuser. Nach den Daten des Baden-Württembergischen Landesamtes für Statistik (Mikrozensus 2006) teilen sich die Haushaltsgrößen in den 503.000 Wohngebäuden mit zwei Wohneinheiten wie folgt auf: 134.000 Haushalte mit einer Person, 195.000 Haushalte mit zwei Personen, 68.000 Haushalte mit drei Personen, 77.000 Haushalte mit vier Personen sowie 29.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die versiegelte Fläche bei Zweifamilienhäusern im Vergleich zu Einfamilienhäusern nach allgemeiner Lebenserfahrung zwar erhöht, aufgrund der Kubatur von Zweifamilienhäusern allerdings keine entsprechende Verdoppelung der versiegelten Flächen angenommen werden kann.
34 
b) Die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der des erkennenden Senats eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind. Als geringfügig in diesem Sinne sehen das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 12.06.1972 und vom 25.03.1985, aaO) sowie der erkennende Senat (Urteil vom 27.10.1993, aaO) diese Kosten dann an, wenn ihr Anteil an den Kosten der gesamten Entwässerung nicht mehr als 12 % beträgt.
35 
Nach den Veröffentlichungen in der Fachliteratur ist von den gesamten Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung zu veranschlagen (vgl. etwa Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %; Hennebrüder, KStZ 2007, 184 - unter Bezugnahme auf Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 % liegt). Darüber hinaus hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass der Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung in ihrem Gebiet noch als geringfügig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen ist.
36 
3. Für die Gemeinden hat dies zur Konsequenz, dass - von wenigen, wohl nur theoretisch denkbaren Ausnahmen abgesehen - statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben erhoben werden muss (gesplittete Abwassergebühr). Ein unverhältnismäßiger und damit nicht mehr zu vertretender finanzieller Kostenaufwand ist damit nicht verbunden (ebenso Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009, aaO; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). So besteht für die Beklagte insbesondere die Möglichkeit, die an die Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner zu ermitteln und sich auf eine stichprobenweise Überprüfung zu beschränken.
37 
In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass die Kosten für die Erstellung der Gebührenkalkulation durch ein von der Gemeinde beauftragtes Beratungsbüro oder einen anderen Dritten einschließlich der Kosten der dafür notwendigen Vorarbeiten Teil der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG ansatzfähigen Kosten sind. Zu den nach dieser Vorschrift gebührenfähigen Kosten gehören zwar nur die „Kosten der Einrichtung“, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht worden sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Erstellung der Gebührenkalkulation mit der eigentlichen Leistung, die durch die öffentliche Einrichtung erbracht wird, nur in einem mittelbaren Zusammenhang steht. Die Rechtfertigung für eine Abwälzung der dadurch entstehenden Kosten auf sämtliche Gebührenschuldner ergibt sich jedoch aus der Überlegung, dass es sich dabei um für die Realisierung des Gebührenanspruchs der Gemeinde notwendige Kosten handelt. Denn das durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung seitens des Bürgers eingeleitete Austauschverhältnis kann grundsätzlich nur dann korrekt abgewickelt werden, wenn die Gemeinde den Satz der für die Benutzung zu entrichtenden Gebühren auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation in ihrer Satzung festlegt (in dieser Richtung bereits das Normenkontrollurteil des Senats vom 13.05.1997 - 2 S 3246/94 - BWGZ 1997, 890; ebenso VG Freiburg, Urteil vom 10.12.2003 - 7 K 420/02 - Juris; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 RdNr. 733a, S. 473). An der in seinem Normenkontrollbeschluss vom 27.02.1996 - 2 S 1407/94 - (NVwZ-RR 1996, 593) beiläufig geäußerten Auffassung, dass die Kosten für die Erstellung der erforderlichen Gebührenkalkulation nicht zu den auf die Gebührenschuldner abwälzbaren Kosten der Einrichtung gehörten, hält der Senat deshalb nicht fest.
38 
4. Ob die Satzung der Beklagten vom 09.11.2006 auch deshalb zu beanstanden ist, weil die Beklagte in die dieser Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 eingestellt hat, deren Berechnung - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auf einem zu niedrigen Ansatz des Straßenentwässerungsanteils beruht, bedarf danach keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die der Beklagten offenstehende Möglichkeit, die aus den oben genannten Gründen nichtige Satzung vom 09.11.2006 rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen, die statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben vorsieht, sowie im Hinblick auf künftige Streitfälle zwischen den Beteiligten sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden, diese Frage betreffenden Bemerkungen veranlasst.
39 
a) Zu der bis zum 31.03.2005 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F., die thematisch der heutigen Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG entspricht, hat der Senat in seinem Urteil vom 27.01.2003 - 2 S 2587/00 - (VBlBW 2003, 322) entschieden, die Vorschrift beziehe sich lediglich auf Über- und Unterdeckungen, die sich am Ende eines Bemessungszeitraums auf Grund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben. Nicht unter § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. fielen dagegen - schon seinem Wortlaut nach - solche Über- und Unterdeckungen, die sich aus der nachträglichen Feststellung überhöhter Gebührensatzregelungen ergäben. An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.
40 
§ 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. wurde 1986 auf Empfehlung des Innenausschusses in das Kommunalabgabengesetz eingefügt. Wie sich aus dem Bericht des Innenausschusses (LT-Drs. 9/3305, S. 10) ergibt, hat sich der Gesetzgeber dabei von der Überlegung leiten lassen, dass eine Gebührenkalkulation nur prognostischen Charakter haben kann und dementsprechend immer mit bestimmten Unsicherheiten verbunden ist. Die in die Kalkulation eingestellten Annahmen über die voraussichtlich entstehenden Kosten der Einrichtung und den voraussichtlichen Umfang ihrer Benutzung werden deshalb kaum einmal mit den tatsächlich entstehenden Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung übereinstimmen. Etwaige sich daraus ergebende Kostenüberdeckungen sollte die Gemeinde nach dem Willen des Landesgesetzgebers nicht für sich behalten dürfen, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre an die Gebührenschuldner zurückgeben müssen. Die Gemeinde sollte aber umgekehrt auch das Recht erhalten, sich aus den genannten Abweichungen ergebende Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums durch eine entsprechende Erhöhung der Gebühren ausgleichen zu dürfen.
41 
Eine Korrektur fehlerhafter Kalkulationen ist danach von § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. nicht bezweckt. Die Vorschrift ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur für solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen gilt, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, d.h. daraus dass die geschätzten Kosten der Einrichtung und der geschätzte Umfang ihrer Benutzung von den tatsächlichen Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung abweichen. § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. bezieht sich dagegen nicht auf solche Kostenüberdeckungen, die sich daraus ergeben, dass in die Kalkulation Kosten eingestellt wurden, die nicht oder nicht in dieser Höhe ansatzfähig sind. Die Vorschrift erlaubt umgekehrt aber auch keinen Ausgleich von Kostenunterdeckungen, die daraus folgen, dass bestimmte ansatzfähige Kosten in die Kalkulation überhaupt nicht oder nicht in der gesetzlich zulässigen Höhe eingestellt worden sind.
42 
b) Das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.03.2005 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Der an die Stelle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. getretene § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 legt wie sein Vorgänger fest, dass Kostenüberdeckungen innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden müssen und Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums ausgeglichen werden können. § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 stellt darüber hinaus klar, wie Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen zu bestimmen sind, nämlich - so die damalige Fassung dieser Vorschrift - durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „Gesamtkosten“. Dass über diese Klarstellung hinaus auch eine Änderung der bis dahin geltenden und durch das Urteil des Senats vom 27.01.2003 verdeutlichten Rechtslage beabsichtigt war, kann weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 13/3966, S. 47) entnommen werden.
43 
c) Die durch das Gesetz vom 09.05.2009 erfolgte Änderung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 nötigt dagegen für die Zeit ab dem Inkrafttreten dieser Änderung zu einer Korrektur der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Nach der Neufassung der Vorschrift ist nunmehr zur Feststellung von Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen ein Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „ansatzfähigen Gesamtkosten“ vorzunehmen. Die zu § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a. F. vertretene Auffassung, dass diese Regelung nicht die Korrektur fehlerhafter Gebührenkalkulationen bezwecke, sondern sich nur auf solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen beziehe, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, kann angesichts des geänderten Wortlauts auf § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 nicht übertragen werden. Die sich aus einem solchen Verständnis der Vorschrift ergebende Konsequenz ist, dass unter der Geltung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 beschlossene Gebührensatzungen durch in der Vergangenheit unterlaufene und unter Umständen lange zurückliegende Fehler bei früheren Gebührenkalkulationen infiziert werden können. Durch die in § 49 Abs. 2 KAG getroffene Anordnung, nach der § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 auch auf früher entstandene Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen Anwendung findet, verschärfen sich die damit verbundenen Probleme. Ob der Gesetzgeber sich dieser Konsequenz bewusst war, die seinen in anderer Hinsicht unternommenen Bestrebungen zuwiderläuft, die Bestandskraft von Abgabensatzungen im Interesse der Rechtssicherheit zu erhöhen, lässt sich bezweifeln. Der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 14/4002, S. 70) kann dazu jedenfalls nichts entnommen werden. Das enthebt den Senat jedoch nicht der Verpflichtung, sich bei der Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 in erster Linie an dessen Wortlaut zu halten.
44 
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte bei einem etwaigen, von ihr für erforderlich gehaltenen Neuerlass einer Satzung für das Jahr 1999 die Gebühren unter Berücksichtigung der geänderten Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 zu kalkulieren hat. Ob es in den vor 1999 liegenden fünf Jahren zu dabei berücksichtigungsfähigen Kostenunterdeckungen gekommen ist, ist somit an Hand eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen in dem jeweiligen Jahr und der Summe der in diesem Jahr angefallenen ansatzfähigen Gesamtkosten festzustellen. Der in den Gebührenkalkulationen für die Jahre 1994 und 1995 fehlerhaft angesetzte Straßenentwässerungsanteil ist danach entsprechend zu korrigieren.
45 
Für die Nachkalkulation darf schließlich noch an die Entscheidung des Senats vom 15.02.2008 - 2 S 2559/05 - (VBlBW 2008, 350) erinnert werden. Danach ist der Ausgleich einer Kostenunterdeckung nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch dann ausgeschlossen, wenn diese überhaupt (oder mit einem höheren Betrag) erst nach Ablauf des zitierten Zeitraums erkannt wird. Der Ablauf der Fünfjahresfrist schafft für die Gemeinde und die Gebührenpflichtigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Spätere Nachholungen sind ausgeschlossen, der entstandene Fehlbetrag ist dann endgültig aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren. Diese Ausführungen gelten auch für den Ausgleich von Überdeckungen; nach Ablauf von fünf Jahren nach Ende des Kalkulationszeitraums sind nicht abgewickelte Überdeckungen nicht mehr zu berücksichtigen (so auch: Giebler, KStZ 2007, 167, 172).
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130,99 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
50 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 - 1 K 1568/10 - geändert. Die Klage auf Zurückzahlung entrichteter Abwassergebühren wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 und begehrt die Rückzahlung geleisteter Abwassergebühren.
Die Klägerin ist eine sich in Liquidation befindende GmbH. Bis zu ihrer Auflösung, die am 15.07.2010 in das Handelsregister eingetragen wurde, stellte sie auf dem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück ... Fruchtsaft, Fruchtsaftkonzentrate, Fruchtnektare sowie Fruchtsaftgetränke her.
Die Beklagte betrieb die Beseitigung des in ihrem Gebiet angefallenen Abwassers zunächst gemäß § 1 Abs. 1 ihrer am 01.01.2002 in Kraft getretenen Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 als öffentliche Einrichtung. Für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen erhob sie Abwassergebühren. Bei Grundstücken, die an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossen sind, wurde die Gebühr einheitlich nach der auf dem Grundstück anfallenden Abwassermenge bemessen (§ 37 Abs. 1 AbwS). Als angefallene Abwassermenge galt die dem Grundstück in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 AbwS). Die Gebühr betrug zunächst 3,04 EUR je m³ Abwasser (§ 41 Abs. 1 AbwS). Die Gebühr wurde mit Änderungssatzung vom 22.02.2005 mit Wirkung zum 01.01.2005 auf 3,54 EUR je m³ Abwasser erhöht.
Die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 war Gegenstand eines von der Fa. ... am 23.12.2002 eingeleiteten Normenkontrollverfahrens. Deren Antrag, die Satzung für nichtig zu erklären, wurde mit Urteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) abgewiesen. Die Beklagte beschloss am 16.09.2014 rückwirkend eine neue Abwassersatzung für die Jahre 2008 und 2009.
Mit Bescheiden vom 31.12.2008 zog die Beklagte die Klägerin auf der Grundlage ihrer Satzung vom 11.12.2001/22.02.2005 zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 in Höhe von 26.008,38 EUR (Kunden-Nr. ...) und 10.152,72 EUR (Kunden-Nr. ...) heran. Sie legte dabei einen Frischwasserverbrauch von 7.347 m³ bzw. 2.868 m³ zu Grunde.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2009 "vorsorglich" Widerspruch ein und beantragte ferner, das von ihr im Jahr 2008 nicht eingeleitete Abwasser bei der Bemessung der Abwassergebühren abzusetzen. Zur Begründung führte sie aus, von der an der Entnahmestelle "Keller" entnommenen Trinkwassermenge von 7.347 m³ seien mindestens 3.294,72 m³, von den an der Entnahmestelle "Abfüllerei" entnommenen Trinkwassermenge von 2.868 m³ mindestens 1.281,28 m³ nicht in die gemeindliche Kanalisation eingeleitet, sondern zur Herstellung von Fruchtsäften verwendet worden.
Mit Bescheid vom 06.04.2010 wies das Landratsamt Schwäbisch Hall den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Nach § 40 AbwS würden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet worden seien, auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühren abgesetzt. Der Nachweis könne auf verallgemeinerungsfähige Erfahrungswerte oder, wenn solche Werte fehlten, durch ein Einzelgutachten geführt werden, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaube. Bei Fruchtsaftbetrieben fehle es wegen der unterschiedlichen Produktionsweisen an allgemeinen Erfahrungswerten. Die nicht eingeleiteten Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht. Eine Vereinbarung über die Höhe der Absetzung des nicht eingeleiteten Abwassers sei nicht zustande gekommen, da die Klägerin die vorbereitete Vergleichsberechnung vom Februar 2006 nicht unterzeichnet habe.
Die Klägerin hat am 02.05.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und zuletzt beantragt, - 1. - die Gebührenbescheide vom 31.12.2008 und den Widerspruchsbescheid aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die nicht als Abwasser eingeleiteten Trinkwassermengen bei der Bemessung der Abwassergebühren für das Jahr 2008 abzusetzen, sowie - 2. - die Beklagte zu verpflichten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR an sie, hilfsweise an die Fa. ..., Inhaberin ..., zu erstatten. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie bestehe als Liquidationsgesellschaft fort und sei daher weiterhin parteifähig. Nach dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 01.03.2010 verstoße die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Die diesen Maßstab verwendende Abwassersatzung der Beklagten sei deshalb nichtig. Die angefochtenen Bescheide seien somit aufzuheben und die bereits bezahlten Beträge zu erstatten. Die Ansprüche auf Rückzahlung der für 2008 bezahlten Abwassergebühren seien an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten worden. Die Fa. ... habe aber sie, die Klägerin, ermächtigt, die Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Klägerin sei ausweislich des Handelsregisters aufgelöst und deshalb nicht mehr parteifähig. Da die Klägerin in einem anderen Verfahren vorgetragen habe, sie sei nicht mehr Anschlussnehmer für die beide Trinkwasseranschlüsse, sei außerdem von einem Wegfall der Aktivlegitimation auszugehen. Im Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide habe noch die frühere Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg gegolten, wonach der Frischwassermaßstab einen tauglichen Maßstab für die Erhebung von Abwassergebühren darstelle. Bei Fruchtsaftbetrieben wie dem der Klägerin fehle es an verallgemeinerungsfähigen Erfahrungswerten über die nicht eingeleiteten Abwassermengen. Diese Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht.
10 
Mit Urteil vom 17.02.2011 hat das Verwaltungsgericht die Abwassergebührenbescheide vom 31.12.2008 sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die entrichteten Abwassergebühren in Höhe von 18.080,55 EUR an die Klägerin zurückzuzahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, einer gelöschten GmbH sei die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden seien. Die Klage sei zulässig. Auch wenn die Klägerin aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden sei, habe sie deshalb ihre Beteiligtenfähigkeit nicht verloren. Die danach zulässige Klage sei auch begründet. Für die Heranziehung der Klägerin zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser fehle es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 in der Fassung vom 22.02.2005 sei nichtig, da sie keine gültige Maßstabsregelung enthalte. Die Satzung sehe als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den einheitlichen Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Dass der VGH Baden-Württemberg den Antrag der Klägerin, die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 für nichtig zu erklären, mit Urteil vom 07.10.2004 abgelehnt habe, hindere eine inzidente Überprüfung der Satzung nicht. Die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle u. a., wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße. Die angefochtenen Gebührenbescheide seien danach rechtswidrig und aufzuheben. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag sei damit entbehrlich. Die Aufhebung der Gebührenbescheide beseitige den Rechtsgrund für die Zahlungen der Klägerin an die Beklagte. Die Klägerin habe deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO einen Anspruch auf Erstattung des geleisteten Betrags.
11 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 23.05.2011 zugelassene Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts fehle es der Klägerin an der Aktivlegitimation. Die Klägerin sei seit 15.07.2010 gelöscht. Es sei zudem von der Vermögenslosigkeit der Klägerin auszugehen, da sie nach ihren eigenen Angaben ihre Ansprüche auf Rückzahlung der für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren abgetreten habe. Eine vermögenslose Gesellschaft könne auch in gewillkürter Prozessstandschaft nicht klagen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit seinem Urteil vom 07.10.2004 festgestellt, dass aufgrund der Homogenität der Bebauung auf dem Gebiet der Stadt die Gebührenkalkulation auch im Hinblick darauf nicht zu beanstanden sei, als der Anteil der Kosten für die Beseitigung des Niederschlagswassers offenbar unter 12 % liege. An den örtlichen Verhältnissen habe sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
12 
In einer ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.09.2011 sind u.a. Vergleichsmöglichkeiten dem Grunde nach sondiert und nach Schließung der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich weiterverfolgt worden. Nach deren vorläufigem Scheitern hat der Senat die mündliche Verhandlung wieder eröffnet und am 09.10.2014 eine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin hat die Klägerin ausgeführt, die von ihr erklärte Abtretung von Erstattungsansprüchen sei unwirksam, da sie den Anforderungen des § 46 AO nicht genügt habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich gegen die Aufhebung der Abgabenbescheide auch mit dem zusätzlichen Hinweis auf die inzwischen rückwirkend in Kraft gesetzte neue Abwassergebührensatzung vom 16.09.2014 (AbwS 2014) gewandt; die Klägerin sei danach auch Gebührenschuldnerin und habe sich zudem stets als solche geriert.
13 
Der Senat hat die mündliche Verhandlung nach Erlass einer bis 31.10.2014 zu befolgenden Aufklärungsverfügung geschlossen; die Beteiligten haben auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Mit Schriftsatz vom 27.10.2014 hat die Beklagte ihre Rechtspositionen bekräftigt und Mehrfertigungen der Abtretungsurkunde und der Abtretungsanzeige vorgelegt.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.02.2011 - 1 K 1568/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts und die Behördenakten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. November 2003 - 4 K 2481/02 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin, eine Fleischverarbeitungsfirma, wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Fleischuntersuchungsgebühren.
Mit Bescheid vom 12.10.1999 setzte der Beklagte gegenüber der Rechtsvorgängerin der Firma für den Zeitraum Juli 1998 bis Juni 1999 Gebühren für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen in Höhe von DM 615.232,50 fest. Der Betrag errechnete sich dabei wie folgt:
1. Abrechnungszeitraum Juli 1998 bis Dezember 1998
Anzahl Art der Leistung Einzelbetrag Gesamtbetrag Gebühr für Verwaltungl
23 Schafe/Ziegen 4,43 172,77 2,06
83 Kälber 14,62 1.125,74 25,00
6.820 Rinder 15,84 103.007,52 5.510,90
31146 Schweine ohne Trich 4,72 139.348,56 6.936,72
106 Ferkel ohne Trich 1,82 107,38 3,12
Summen: 243.761,97 12.477,80
31.252 Trichinenuntersuchung 0,62 DM 18.340,84
Summe gesamt 274.580,61
2. Abrechnungszeitraum Januar 1999 bis Juni 1999
Anzahl Art der Leistung Einzelbetrag Gesamtbetrag Gebühr für Verwaltungl
39 Schafe/Ziegen 0,98 DM 9,80 0,53
77 Kälber 16,19 DM 6.152,20 123,39
6.503 Rinder 17,56 DM 200.043,52 9.654,04
29.523 Schweine ohne Trich 4,31 DM 102.642,65 5.469,83
59 Ferkel ohne Trich 1,66 DM 84,66 2,69
Summen: 308.932,83 15.250,48
31.252 Trichinenuntersuchung 0,63 DM 15.035,58
Summe gesamt 339.218,89
3. Gebühr für Untersuchungen außerhalb der normalen Schlachtzeiten im Abrechnungszeitraum Juli 1998 bis Juni 1999: DM 1.433,00.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin erhob hiergegen am 10.11.1999 Widerspruch, den das Regierungspräsidium Stuttgart durch Widerspruchsbescheid vom 23.5.2002 zurückwies.
Am 17.6.2002 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen dargelegt hat: Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, da von einer rechtssatzmäßigen Festlegung der Gebührenhöhe bei der Regelung der FlHGebVO nicht gesprochen werden könne. Auch sei eine vollständige Umsetzung der maßgeblichen EG-Richtlinie nicht erfolgt, da Untersuchungsgebühren für andere Lebensmittelbereiche gleichheitswidrig nicht festgesetzt würden. Die nach der EG-Richtlinie geforderten Voraussetzungen für eine Erhöhung der Pauschalgebühr seien nicht erfüllt, die Trichinengebühr ohnehin nicht zulässig. Sie - die Klägerin - habe einen Anspruch auf Rückzahlung unter Erstattungs- bzw. Bereicherungsgesichtspunkten.
10 
Dem Antrag der Klägerin, den Bescheid des Beklagten vom 12.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 23.5.2002 aufzuheben, soweit dort Gebühren von mehr als DM 296.792,90 festgesetzt sind, und den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 226.168,71 sowie 5 % über dem Basissatz hinausgehende Zinsen seit Klageerhebung zu bezahlen, ist der Beklagte entgegengetreten.
11 
Nachdem die Beteiligten hinsichtlich der Rückzahlung der Trichinenuntersuchungsgebühr in Höhe von DM 37.404,56 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat das Verwaltungsgericht das Verfahren insoweit eingestellt, den Bescheid des Beklagten aufgehoben, soweit mit ihm Gebühren von mehr als 267.386,03 festgesetzt sind, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erhebung einer gesonderten Trichinenuntersuchungsgebühr von vorrangigem EG-Recht nicht gedeckt sei. Im Übrigen sei die Klage jedoch unbegründet. Der maßgebliche Gebührenbescheid beruhe insoweit auf einer wirksamen Rechtsgrundlage, die namentlich EG-Recht nicht widerspreche. Auch sei eine unzulässige Rückwirkung nicht gegeben. Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer über der EG-Pauschale liegenden Gebühr seien erfüllt. Dass sich die Rechtsgrundlage für die Trichinenuntersuchungsgebühr als rechtswidrig und daher nichtig erweise, führe nicht dazu, dass die gesamte Gebührenregelung nichtig sei.
12 
Durch Beschluss vom 18. April 2005 (2 S 831/04) hat der Senat die Berufung zugelassen.
13 
Nachdem das Gesetz zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.1004 in Kraft getreten und darin die Befugnis geregelt worden ist, Gebühren für Amtshandlungen nach dem Fleischhygienerecht durch Rechtsverordnung festzulegen (Art. 2, 17 Abs. 5 LGebG), und der Beklagte von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hat -, macht die Klägerin zur Begründung der Berufung im Wesentlichen weiter geltend: Der Gebührenbescheid vom 12.10.1999 sei insgesamt rechtswidrig. Denn die gesonderte Festsetzung von Gebühren für Trichinenuntersuchung und bakteriologische Fleischuntersuchung führe zur Rechtswidrigkeit insgesamt. Da der Gebührenbescheid auch vorrangigem EG-Recht widerspräche, sei er nicht anwendbar und daher nichtig. Zwar sei es nach der Neuregelung des Gebührenrechts zulässig, Gebühren durch Rechtsverordnung festzulegen. Jedoch sei dabei die Möglichkeit nicht eröffnet, dies auch - wie geschehen - rückwirkend zum 1.7.1995 zu regeln. Die angeordnete Rückwirkung verstoße gegen Verfassungs-, aber auch gegen vorrangiges EG-Recht.
14 
Im angefochtenen Gebührenbescheid komme der Wechsel bei der Anhebungssystematik - von der betriebsbezogenen auf die kostenbezogene Anhebung - nicht zum Ausdruck. Durch diesen Wechsel trete eine unzulässige Wesensänderung ein, zumal der Bescheid eine Trichinenuntersuchungsgebühr ausweise. Deshalb fehle dem Gebührenbescheid auch die zu fordernde Transparenz. Zudem liege ein materiell-rechtlicher Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitsgebühr vor, wie ihn das EG-Recht vorgebe. Die Kosten für die Trichinenuntersuchung seien als allgemeine Anhebung hinzugerechnet, was materiell-rechtlich unzulässig sei und der Erhebung einer gesonderten Trichinengebühr gleichkomme. Gleiches gelte für die gesondert berechneten „Risikozuschläge“ bei den Personalkosten. Es fehle ferner bereits an einer Grundlage für die EG-rechtlich geforderte Feststellung, dass die Voraussetzungen für eine Anhebung für die Bundesrepublik gegeben seien. § 2a Abs. 1 Satz 2 AGFlHG stelle dies lediglich „lapidar“ fest. Art. 6 Abs. 1 RL 85/73/EWG i.d.F. d RL 96/45/EG fordere im Übrigen eine regelmäßige Mitteilung über Aufteilung und Verwendung der EG-Gemeinschaftsgebühren. Da diese Notifizierungspflicht weder von der BRD noch vom Land Baden-Württemberg erfüllt werde, liege auch ein Verstoß gegen Art. 249 EG vor. Diese Pflicht sei objektive Rechtspflicht, die wegen der Ziele, die damit verbunden seien, zugleich auch dem subjektiven Schutz des Gebührenschuldners diene.
15 
Auch seien nach dem EG-Recht nicht ansatzfähige Kosten in die Kalkulation der Gebühren eingeflossen. Das nach EG- und Landesrecht maßgebliche Kostenüberdeckungsverbot werde nicht beachtet. Verwaltungskosten dürften nur angesetzt werden, soweit sie b e i der Untersuchung entstünden, wie aus der Protokollerklärung 1989 und der Kommissionsäußerung vom 15.6.1988 (Bek. BAnz 1989, 901 ff.) folge. Der Zurechnungszusammenhang sei nicht bei allen Verwaltungskosten gewahrt, namentlich nicht bei solchen, die den allgemeinen Verwaltungsaufwand beträfen. In Nr. 2.3.2 der Kalkulation (Verwaltungs- und Sachkosten) sei ein Zeitaufwand von 14,31 Minuten/Untersuchung angesetzt, statt wie in der Protokollerklärung vorgesehen nur 8 Minuten. Es fehle auch an einer Darlegung, welche Verwaltungskosten „untersuchungsbezogen“ seien und welche nicht. So werde bspw. in Nr. 2.2.1 der Gebührenkalkulation für den Ansatz von Verwaltungspersonal kosten lediglich Bezug auf eine „VwV-Kostenfestlegung von 20.12.2000“ genommen. Dieser Personalkostenanteil sei im Übrigen den allgemeinen Verwaltungskosten zuzuordnen und daher nicht ansatzfähig. Da diese Kosten lediglich hinzugerechnet seien, ginge es auch bei ihnen im Kern um eine eigenständige und daher unzulässige Sondergebühr. Es fehle an einer nachvollziehbaren Darlegung. Der Kostenansatz für vollzeittätige Fleischkontrolleure sei nicht nachprüfbar, da für sie der Tarifvertrag Ang außerhalb) öffentlicher) Schlachthöfe) nicht gelte. Auch sei der Bedarf an Untersuchungspersonal nicht dargelegt; er werde bestritten und dazu werde ein Sachverständigengutachten beantragt. Festzustellen sei auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit von Kosten, wie sie durch die genannte Protokollerklärung konkretisiert und vom Kostendeckungsgrundsatz auch umfasst würden. Unwirtschaftliche Kosten seien dementsprechend nicht ansatzfähig. Sie seien indes in die Kalkulation des Beklagten bei dem genannten Ansatz für nicht vollbeschäftigte amtliche Tierärzte eingegangen. Diese Kosten seien unwirtschaftlich, wie ein Vergleich zwischen der Vergütung dieser Personen bei privaten und bei öffentlichen Schlachthöfen zeige. Auch verstoße die Fleischhygiene-RVO gegen das Äquivalenzprinzip, das sich mit Blick auf den Zweck, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ergebe. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der „Wert der Leistung für den Gebührenschuldner“ in den Blick genommen worden sei, was sich als Ermessensfehlgebrauch erweise.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28.11.2003 teilweise zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 12.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 23.5.2002 aufzuheben, soweit dort Gebühren von mehr als DM 296.792,90 festgesetzt sind, und den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 226.168,71 sowie 5 % über den Basissatz hinausgehende Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Zur Begründung beruft er sich im Wesentlichen auf die neue Rechtslage, die durch die Rechtsverordnung des Landratsamts vom 30.6.2005 entstanden sei. Diese auf der Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes vom 12.12.1994 durch das Gesetz zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.2004 beruhende Regelung sei rückwirkend zum 1.7.1995 wirksam und erlaube eine Gebührenerhebung über die EG-Pauschale hinaus.
21 
Dem stehe nicht entgegen, dass ein Mitgliedsstaat seiner sich aus der RL 96/43/EG ergebenden Berichtspflicht nicht nachkomme. Durch die Umstellung auf die genannte Rechtsgrundlage habe sich nicht die Notwendigkeit ergeben, die Bescheide auch formal zu ändern oder sie erneut zu erlassen. Der mit der Berufung gerügte Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitsgebühr sei dann nicht festzustellen, wenn- wie hier - bei der Kalkulation der Gebühr lediglich mehrere Kostenfaktoren zu Grunde gelegt seien. Das Kostendeckungsprinzip sei nicht berührt, namentlich seien keine unzulässigen Kosten eingestellt. Dies gelte auch für die angesetzten Verwaltungspersonalkosten. Sie seien ebenso notwendig wie die übrigen durch die Untersuchung bedingten Personalkosten. Auch könne nicht von der mit der Berufung vorgetragenen Verletzung des Äquivalenzprinzips ausgegangen werden. Dem werde hier schon dadurch entsprochen, dass lediglich die bisher festgesetzten Gebühren erhoben würden, die auf Kostenansätzen beruhten, die erheblich unter den jetzt maßgeblichen lägen.
22 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Beklagten, der Widerspruchsbehörde und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf diese Unterlagen und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage, soweit sie noch Gegenstand der Berufung ist, zu Recht abgewiesen.
24 
Denn die Klägerin wird durch den von ihr angefochtenen Gebührenbescheid des Beklagten vom 12.10.1999 (i. d. Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 23.5.2002) nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25 
Nicht zu folgen ist dem Einwand, dass ein Gebührenbescheid, der sich auf eine gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsgrundlage stützt, nicht anwendbar und daher auch ohne weiteres nichtig sei. Ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht würde entgegen dem Berufungsvorbringen nicht zur Nichtigkeit des Gebührenbescheids führen, wie der Senat wiederholt entschieden hat (dazu etwa Beschluss vom 10.5.2000 - 2 S 1839/99 und vom 15.11.2002 - 2 S 204/02; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 11.5.2000 - 11 B 26.00 - DÖV 2000, 1004). Zur Rechtswidrigkeit bereits aus formellen Gründen führt auch nicht, dass in den Gebührenbescheiden die Gebühr für die Trichinenuntersuchung noch als gesonderte Gebühr ausgewiesen ist. Weder das EG-Recht noch das Landesrecht bestimmen unmittelbar, welchen Inhalt der Gebührenbescheid haben muss. Aus seinem Charakter als Verwaltungsakt ist herzuleiten, dass ihm die mit ihm verbundene „Regelung“ entnommen werden kann (vgl. dazu die Begriffsbestimmung in § 35 LVwVfG). Zu ihr gehören - wie bei Abgabenbescheiden sonst auch (vgl. dazu den Rechtsgedanken aus § 157 Abs. 1 Satz 2 AO) - die Angaben zu Abgabenart und Abgabenschuldner sowie die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. dazu auch Tipke in Tipke/Kruse, AO, FGO, 2004, § 157 AO RdNrn. 5 ff.). Die Feststellung der Abgabengrundlagen erfolgt nicht durch Verwaltungsakt, sondern mittelbar im Abgabenbescheid und beschwert den Abgabenschuldner nur dann, wenn sie unzutreffend angegeben ist und für den Betroffenen nachteilige Auswirkungen auf das Ergebnis, den verfügenden Teil, hat (vgl. Tipke, a.a.O. RdNr. 20 m.w.N.; ferner P. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. A., § 37 RdNr. 20 f und 22a). Dies lässt sich hier nicht feststellen. Ungeachtet der rechtlichen Vorfrage, dass die in dem angefochtenen Gebührenbescheid gesondert angesetzte Trichinengebühr rechtskräftig aufgehoben worden ist, folgt aus ihrer Feststellung als Teil der Begründung zur Abgabengrundlage, dass sie auch an der Bindungswirkung des Verwaltungsakts nicht teilnimmt und - da sie sich hier auch nicht auf den verfügenden Teil auswirkt - als unrichtige Feststellung der Abgabengrundlage ohne Belang für die formelle Rechtmäßigkeit der Bescheide bleibt. Gleiches gilt für den Einwand, dem Gebührenbescheid fehle es der Darlegung des „Systemwechsels“ bei der Anhebung der Gemeinschaftsgebühr und der mit ihm verbundenen Zuständigkeitsänderung.
26 
Der angefochtene Gebührenbescheid ist auch materiell-rechtlich mit vorrangigem Recht vereinbar.
27 
Mit der Berufung wird die Rechtswidrigkeit der Gebührenbescheide bereits wegen des Fehlens von „Transparenz“ geltend gemacht, weil nach vorrangigem EG-Recht Angaben zum „Systemwechsel“ (Gebührenbemessung und Zuständigkeit) ebenso wie solche zur Einheitsgebühr gefordert seien. Dem ist nicht zu folgen. Mit diesem Hinweis wird auf die auch landesrechtlich zu fordernde Bestimmtheit von Abgabenbescheiden abgehoben, die jedenfalls hier nicht mehr zweifelhaft ist, nachdem der Beklagte die Grundlagen für die Gebührenerhebung schriftlich dargelegt hat (dazu P. Stelkens, a.a.O., § 45 RdNr. 34). Die Bestimmtheit kann im Übrigen mit Blick auf etwa bestehende Unklarheiten auch durch Auslegung hergestellt sein, wie sie hier möglich ist (vgl. nur P. Stelkens, a.a.O., § 37 RdNr. 11; RdNr. 31a auch zur Heilungsmöglichkeit im Anfechtungsprozess).
28 
Auch die mit der Berufung geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Gebührenbescheids infolge seiner vermeintlichen Wesensänderung ist nicht gegeben. Eine solche Änderung kann dann eintreten, wenn Rechtsgrundlage und Sachverhalt eines Bescheides ausgetauscht werden. Die Wesensänderung ist in einem solchen Fall auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der verfügende Teil des Verwaltungsakts unverändert bleibt (vgl. P. Stelkens, a.a.O., § 45 RdNr. 49). Hier haben sich der Gebührengläubiger und auch die rechtliche Grundlage der Gebühr geändert. Beide betreffen indes weder die Abgabenart noch den Bezugsgegenstand (Sachverhalt) der angefochtenen Bescheide. Denn nach wie vor geht es um die Gegenleistung für konkret in Rede stehende und erbrachte „Amtshandlungen“ im Rahmen eines Gebührenschuldverhältnisses (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.10.1993 - 8 C 33.92 - NVwZ 1994, 903).
29 
Rechtsgrundlage des genannten Bescheids ist die Rechtsverordnung des Landratsamts vom 30.6.2005 über rückwirkende Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung - FlHRVO -, veröffentlicht am 26.7.2005, die nach ihrem § 3 mit Wirkung vom 1.7.1995 in Kraft getreten ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Rechtsverordnung werden Gebühren nach der Anlage zu dieser Verordnung erhoben für nach dem Fleischhygienegesetz durchgeführte Schlachttier- und Fleischuntersuchungen bei Einhufern, Rindern, Kälbern, Schweinen, Ferkeln, Schafen und Ziegen, die u.a. zwischen dem 1. Juli 1995 und dem 31.12.2004 in Schlachtbetrieben mit mehr als 2000 Schlachtungen je Kalendermonat im Jahresdurchschnitt stattgefunden haben. Diese werden nach Anhang A Kapitel I Nr. 4b der Richtlinie 85/73/EWG in der jeweils geltenden Fassung erhoben und in der Weise festgelegt, dass sie folgende durch die Untersuchung und Kontrollen entstehende Kosten decken: Löhne und Sozialabgaben der Untersuchungsstelle, durch die Durchführung der Untersuchung und Kontrolle entstehende Verwaltungskosten einschließlich der Sachkosten und Auslagen, denen noch die Kosten der Fortbildung des Untersuchungspersonals hinzugerechnet werden. Mit diesen Gebühren sind nach Satz 3 der Bestimmung abgegolten auch die mit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung im Zusammenhang stehende Hygieneüberwachung, Probenahme, Beschlagnahme, Nachuntersuchung, Endbeurteilung und Tagebuchführung, die Untersuchung auf Trichinen, die bakteriologische Fleischuntersuchung sowie die Rückstandsuntersuchung nach dem nationalen Rückstandskontrollplan. Abs. 2 bestimmt, dass für die planmäßigen Rückstandsuntersuchungen nach dem nationalen Rückstandskontrollplan beim Schlachtbetrieb je Tonne Fleisch ein Betrag in Höhe der im Anhang Kapitel I Nr. 1 b der Richtlinie 93/118/EG vom 22.12.1993 bzw. in Anhang B Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 96/43/EG in der jeweils geltenden Fassung festgelegten Gebühr erhoben wird. Nach Abs. 3 verbleibt es für andere Untersuchungen, Kontrollen und Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz in dem vorgenannten Zeitraum bei den Regelungen der Fleischhygienegebührenverordnung vom 20.71998 (GBl. S, 459) zuletzt geändert durch Verordnung vom 24.1.2004 (GBl. S. 82). Die Gebührenfestsetzung nach Abs. 1 und Abs. 2 erfolgt nach Abs. 4 der Rechtsverordnung höchstens in der Höhe, die sich bei einer Anwendung der genannten Fleischhygieneverordnung unter Einbeziehung der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Untersuchung ergeben hätten.
30 
Die Rechtsverordnung stützt sich ihrerseits auf die §§ 2a Abs. 7, 2b Abs. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes vom 12.12.1994, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.2004 (GBl. S. 895) - AGFlHG -. Danach werden die kostenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren sowie die der Kosten durch Rechtsverordnung der Landratsämter oder durch Satzung der Stadtkreise bestimmt. Nach Art. 17 Abs. 5 des zuletzt genannten Gesetzes tritt Artikel 2 dieses Gesetzes mit Wirkung vom 1.7.1995 in Kraft.
31 
Auf diese Bestimmungen ist hier entgegen der Ansicht der Berufung auch maßgeblich abzustellen. Denn nach Art. 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts bleibt die Fleischhygiene-Gebührenverordnung vom 20.7.1998 (GBl. S. 459) - FlHGebVO - (nur) so lange in Kraft, bis die Landratsämter und Stadtkreise eine Neuregelung getroffen haben. Eine solche Neuregelung ist hier aber durch die angeführte Rechtsverordnung des Beklagten erfolgt.
32 
Dass es - wie die Berufung geltend macht - an einer Ermächtigungsgrundlage überhaupt mangeln könnte, weil durch Art. 7 Nr. 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts vom 1.9.2005, BGBl. I 2618, das Fleischhygienegesetz (FlHG i.d.F. der Bekanntmachung vom 30.6.2003, BGBl. I S. 1242, 1585 . m. nachf. Änderungen, zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 4.11.2004, BGBl. I S. 2688, 3657) aufgehoben worden ist, ist nicht zutreffend. Abgesehen davon, dass einige der Bestimmungen des Fleischhygienegesetzes auf Grund des Art. 2 § 1 Nr. 4 des genannten Neuordnungsgesetzes weiterhin für eine Übergangszeit anzuwenden sind, ist das genannte Neuordnungsgesetz erst mit Wirkung vom 7.9.2005 in Kraft getreten (dazu Art. 8 des Neuordnungsgesetzes), so dass das AGFlHG zeitlich nicht auf ein Gesetz abstellt, das außer Kraft getreten war. Entscheidend ist aber, dass die Bestimmung in § 24 FlHG nicht die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die landesrechtliche Gebührenregelung darstellt. Mit dieser Bestimmung hat der Bundesgesetzgeber von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht und es dabei (zulässigerweise) dem Landesgesetzgeber überlassen, die einzelnen kostenpflichtigen Tatbestände - und damit auch die entsprechenden Gebühren - zu bestimmen und damit das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht in nationales Recht umzusetzen (so BVerwG, Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99 - BVerwGE 111, 143). Soweit § 24 FlHG die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts dem Landesgesetzgeber überlässt, steht diesem auch eine originäre Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1 GG zu. Von ihr hat der Landesgesetzgeber durch das bereits erwähnte Ausführungsgesetz auch Gebrauch gemacht. Der nachträgliche Wegfall der bundesrechtlichen (konkurrierenden) Regelung hat daher nicht den von der Berufung behaupteten Kompetenzverlust zur Folge. Dass mit dem Außerkrafttreten des § 24 FlHG auch der bundeseinheitlich geltende Maßstab entfallen sei, mag erörtert werden können, dass ein solcher aber nach der „Feyrer-Entscheidung“ des EuGH (Urteil vom 9.9.1999, NVwZ 2000, 182 f.) gefordert sei, wie dies mit in der Berufungsverhandlung vorgebracht worden ist, ist indes nicht zutreffend.
33 
(d) Aus Rechtsgründen ist nicht zu beanstanden, dass sowohl die genannte Rechtsverordnung (s. deren § 3) als auch §§ 2a, 2b AGFlHG (s. Art 17 Abs. 5 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts) rückwirkende (Gebühren-) Regelungen enthalten, die auch die in dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Zeiträume umfassen.
34 
(aa) Dies gilt für das Vorbringen der Berufung, dass bereits die FlHGebVO vom 20.7.1998 (GBl. S. 459) - FlHGebVO 1998 - nicht mehr Gebührentatbestände hätte festlegen dürfen, nachdem auf Grund einer Senatsentscheidung rechtskräftig entschieden gewesen sei, dass die VO v. 10.4.1995 nur Gebührenfestsetzungen nach ihren Nrn. 80.18 ff, mithin auf der untersten Stufe als Mindestgebühr, zugelassen habe; die Rechtskraft dieser Entscheidung sei in der Folgezeit „ausgeblendet worden“. Es sei deshalb auch Verfassungsbeschwerde eingelegt (BVerfG 1 BvR 1669/02). Damit wird indes die rechtliche Tragweite des maßgeblichen Beschlusses des Senats vom 24.6.1997 - 2 S 3258/95 - (bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 5.7.1998 - 6 BN 2.98 -) verkannt, mit dem die Nrn. 80.18 bis 80.18.2.4 der genannten VO für ungültig erklärt worden sind, soweit dort über die Mindestgebühr hinausgehende Gebühren festgesetzt sind. Entschieden ist lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit einer Gebührenfestlegung durch Verordnung, nicht indes deren ausschließliche Zulässigkeit. Einer rückwirkenden Regelung steht damit diese Entscheidung nicht entgegen.
35 
(bb) Zutreffend ist, dass die nachfolgende Fleischhygienegebührenverordnung vom 20.7.1998 (GBl. S. 459 ) - FlHGebVO 1998 - nur eine „betriebsbezogene Anhebung“ nach der Bestimmung der Nr. 4a Kapitel I Anhang A der RL 85/73/EWG i. d. F. der Richtlinie 96/43/EG des Rates v. 26.6.1996 zur Änderung und Kodifizierung der Richtlinie 85/73/EWG zur Sicherstellung der Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen von lebenden Tieren und bestimmten tierischen Erzeugnissen sowie zur Änderung der Richtlinien 90/675/EWG und 91/496/EWG (ABl. Nr. L 162, 1; ber. ABl. 1997 Nr. L 8, 32) zugelassen und außerdem unzulässig gesonderte Gebühren für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Untersuchung festgelegt hat. Da mit Blick auf die unzulässig festgelegten gesonderten Gebühren von der Nichtigkeit der FlHGebVO 1998 auszugehen ist (dazu der o.a. Zulassungsbeschluss des Senats), entfällt der Einwand, der Normgeber dürfe nicht „kumulativ“ auch eine kostendeckende Anhebung der EG-Pauschgebühr für den Zeitraum 20.7.1998 und 31.12.2004 vorsehen, wie dies mit der Rechtsverordnung des Beklagten nunmehr geregelt werde. Auch ist die mit der Berufung vorgetragene Beschränkung auf die betriebsbezogene Anhebung der Gebühr nicht gegeben und daher auch auszuschließen, dass - wie die Berufung meint - „deswegen“ eine rückwirkende Anhebung nach Nr. 4b Kapitel I Anhang A der genannten Richtlinie ausscheide.
36 
(e) Die Übertragung der Regelungsbefugnis nach § 2a und § 2 b AGFlHG auf Stadt- und Landkreise beruht auf der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 2 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts. Sie begegnet unter kompetenzrechtlichen Erwägungen keinen Bedenken (vgl. dazu auch das o.a. Urteil des EuGH vom 9.9.1999, C- 374/97 - (Feyrer) Slg. 1999, I-5153 = NVwZ 2000, 182 ff. m. Anm. Kunze NVwZ 2001, 291). Denn es steht jedem Mitgliedsstaat frei, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte durch Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen (dazu EuGH, Urteil vom 9.9.1999, C-374/97, a.a.O.), sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht. Einer Übertragung der Regelungskompetenz für die Abweichung von den EG-Pauschalbeträgen auf die Land- und Stadtkreise steht daher EG-Recht nicht entgegen und sie ist auch bundesrechtlich zulässig (so schon BVerwG, Beschluss vom 21.4.1999 - 1 B 26.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 18).
37 
(f) Auch die dabei eingeräumte Möglichkeit, rückwirkend zum 1.7.1995 von einer betriebsbezogenen Anhebung auf der Grundlage von Nr. 4a auf die „kostendeckende“ Anhebung nach Nr. 4b des Anhangs zur Richtlinie 85/73/EWG (s. Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG i.V.m. Kapitel I Nr. 4 des Anhangs; Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG i.V. mit Anhang A Kapitel I Nr. 4) umzustellen, wie dies § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 und § 3 der RVO des Beklagten regelt, ist entgegen dem Vorbringen der Berufung verfassungsrechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots zu beanstanden.
38 
Der Senat hat bereits in seinem Normenkontrollurteil vom 5.7.2001 - 2 S 2898/98 - dargelegt, dass der Normgeber befugt ist, eine unklare Rechtslage auch rückwirkend zu bereinigen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu Urteil vom 27. April 2000 - 1 C 8.99 - GewA 2000, 384; Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01 - NVwZ 2002, 486 ff., Beschluss vom 31.7.2002 - 3 B 145.01 - NVwZ 2003, 480 ff.). Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung des Beklagten. Einem etwaigen schützenswerten Vertrauen eines Betroffenen wird dadurch Rechnung getragen, dass nach Art. 17 Abs. 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts im Zeitraum 1.1.1995 bis 31.12.2004 keine höheren Gebühren erhoben werden, als nach der FlHGebVO vom 20.7.1998 einschließlich der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Fleischuntersuchung. Diesem Gebot trägt auch die Rechtsverordnung des Beklagten in ihrem § 1 Abs. 4 Rechnung. Mithin darf eine höhere Gebühr, als sie auf der bisherigen Grundlage angefallen wäre, nicht festgesetzt werden. Eine andere rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer Rückwirkung ist auch auf der Grundlage der mit der Berufung vorgelegten rechtsgutachtlichen Stellungnahme vom 25.5.2001 nicht geboten. Wie der Beklagte zu Recht hervorhebt, ist dieses Gutachten mit Blick auf die bayerische Rechtslage erstellt, für die eine gegenüber der gesetzlich vorgesehenen Rückwirkung weitergehende satzungsrechtliche Regelung als verfassungswidrig deswegen aufgezeigt wird, weil eine sog. echte Rückwirkung in Rede stehe( Gutachten S. 14). Um eine solche Rückwirkung geht es hier aber nicht, abgesehen davon, dass der Gutachter selbst die Besonderheiten anderer landesrechtlicher Regelungen hervorhebt (Gutachten S. 19 ff.).
39 
Ferner begegnet die mit dem „Systemwechsel“ verbundene Änderung der Behördenzuständigkeit keinen Bedenken hinsichtlich des Rückwirkungsverbots, wie dies in der Berufungsverhandlung geltend gemacht worden ist. § 3 Abs. 3 LVwVfG bzw. § 26 AO gelten nicht, da der Behördenwechsel hier durch das o.a. genannte Gesetz erfolgt ist. Der Übergang kraft Gesetzes bewirkt einen Wegfall der bisherigen Zuständigkeit und die Begründung der Zuständigkeit des Beklagten, ohne dass damit rückwirkend eine Kompetenzübertragung verbunden ist. Vielmehr geht es in diesem Zusammenhang allein um die Fortsetzung des Verfahrens durch die neue Behörde. Sie erfolgt - dem Rechtsgedanken der genannten verfahrensrechtlichen Bestimmungen entsprechend - unter Wahrung der Interessen des Betroffenen, wenn - wie dies hier der Fall ist - sichergestellt ist, dass seine Rechtsstellung durch die Zuständigkeitsänderung nicht nachteilig berührt wird.
40 
(g) Auch eine dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Rechtslage ist nicht festzustellen.
41 
Der Einwand der Berufung, es fehle bereits an der Feststellung, dass im Bundesgebiet die Voraussetzungen für eine Abweichung von der Gemeinschaftsgebühr entsprechend der Vorgabe der RL 85/43/EWG gegeben seien, wird mit dem Hinweis darauf, in § 2a Abs. 1 Satz 2 AGFlHG werde dies lediglich „lapidar“ festgelegt, nicht substantiiert begründet. Warum die dort getroffene Feststellung unzutreffend sein könnte, wird nicht aufgezeigt. Es wird auch verkannt, dass mit ihr der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen ist, nach der der Landesgesetzgeber durch Rechtssatz zu entscheiden hat, dass von der Gemeinschaftsgebühr abgewichen werden darf und dass die Voraussetzungen für eine derartige Abweichung entsprechend den Feststellungen des Bundesministeriums der Gesundheit vom 24.10.1997 (BAnz. Nr. 204, S. 13298) erfüllt sind (s. dazu auch den Vorspann des mit der Berufung vorgelegten Aufsatzes von Orlop in: Fleischwirtschaft 1987, 1481).
42 
Die Rechtswidrigkeit folgt auch nicht aus dem von der Berufung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (dazu Beschluss vom 20.9.1999 -2 S 1558/99 -; ferner Papier, DÖV 1993, 809, 810) angeführten Gesichtspunkt, dass grundsätzlich die Anwendung von nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinien zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers nicht in Betracht komme, weil der nicht umgesetzte Akt keine vertikalen Rechtswirkungen zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers entfalte. Eine fehlende Umsetzung der RL 85/43/EWG sei aber festzustellen, da dort angeführte Betriebe anderer Lebensmittelbereiche nicht mit Gebühren belastet seien. Ob dies der Sache nach auch hier zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn diese Erwägung ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.9.1999 C-374/97, a.a.O.) jedenfalls für die Richtlinie 85/73/EWG nicht tragend. Der Gerichtshof hat dargelegt, dass auch dann, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht innerhalb der Frist umgesetzt habe, ein Einzelner sich der Erhebung von höheren Gebühren als den im Anhang Kapitel I Nr. 1 festgesetzten Pauschalbeträgen nicht widersetzen kann, sofern diese Gebühren die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschreiten. Ein Mitgliedstaat kann danach auch von der ihm durch den genannten Anhang eingeräumten Befugnis, eine spezifische, die Pauschalbeträge übersteigende Gebühr zu erheben, ohne weitere Voraussetzungen unter dem alleinigen Vorbehalt Gebrauch machen , dass die spezifische Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet. Auch darf ein Mitgliedstaat, der die Befugnis zur Erhebung der Gebühren für Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch den kommunalen Behörden übertragen hat, nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie bis zur Höhe der der zuständigen kommunalen Behörde tatsächlich entstandenen Untersuchungskosten höhere Gebühren als die Gemeinschaftsgebühren erheben. Nichts anderes kann im Übrigen auch für die RL 85/73/EWG in ihrer späteren Fassung gelten.
43 
Die o.a. gesetzliche Neuregelung ist auch nicht wegen des mit der Berufung geltend gemachten Einwands rechtswidrig, die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit rückwirkenden EG-Rechts seien nicht beachtet. Denn auf diese Grundsätze kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an. Entgegen der Berufung wird hier EG-Recht nicht rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Für den in § 3 der Rechtsverordnung des Beklagten (rückwirkend) geregelten Gebührenzeitraum ab 1.7.1995 sind maßgeblich zum einen die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 93/118/EG, die bis 1.7.1997 Anwendung gefunden hat. Zum anderen ist ab diesem Zeitpunkt die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG maßgeblich, die die RL 93/118/EWG ersetzt. Die Bezugnahme auf diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erfolgt hier ersichtlich durch das nationale Recht, das das Gemeinschaftsrecht schon mit dieser Beschränkung nicht berührt, sondern lediglich Normlücken des nationalen Gebührenrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts schließt (so zutreffend OVG NW, Urteil vom 14.12.2004 - 9 A 4232/02 - KStZ 2005, 72 m.w.N.). Der Senat hat - allerdings noch mit Blick auf die FlHGebVO 1998 - dargelegt, dass diese eine Rückwirkung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften gerade nicht regele, sondern dass eine mittlerweile außer Kraft getretene EG-Rechtsnorm für einen Zeitraum umgesetzt werde, für den sie sich selbst Rechtswirkung beigemessen hat und für den sie auch umzusetzen war oder unmittelbar Geltung besaß (NK-Urteil vom 5.7.2001 - 2 S 2989/98; vgl. auch BVerwG, Beschluss v. 27.4.2000 - 12.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 21). Daran ist auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung festzuhalten. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, es sei unschädlich, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Neuregelung die Richtlinie 93/118/EG außer Kraft getreten sei. Denn sie sei nicht mit Wirkung „ex tunc“ von Anfang an, sondern „mit Wirkung „ex nunc“ außer Kraft getreten mit der Folge, dass die Rückwirkungsanordnung lediglich für den Zeitraum, in dem diese Gemeinschaftsrechtsakte nach wie vor Gültigkeit haben, an diese anknüpfe (so BVerwG, Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01, a.a.O., S. 488, m.w.N.). Demnach ist eine Auseinandersetzung mit den mit der Berufung aufgezeigten Grundsätzen eines EG-rechtlich begründeten Rückwirkungsverbots entbehrlich (zu ihm s. aber auch das genannte NK-Urteil des Senats vom 5.7.2001 2 S 2989/98 -). Dies gilt auch für den Hinweis der Berufung auf die Ausführungen von Zuleeg in: Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, S. 247, wonach einer Ermächtigung keine rückwirkende Kraft zukommen dürfe. Denn davon kann hier gerade nicht ausgegangen werden, da das Landesrecht - und ihm folgend die Rechtsverordnung des Beklagten - keine rückwirkende Ermächtigung darstellt, sondern lediglich die richtlinienkonforme Anhebung der Gemeinschaftsgebühr für solche Zeiträume eröffnet, in denen das Gemeinschaftsrecht selbst dies zulässt. Dies stellt keinen Fall des (regelmäßig unzulässigen) Gebrauchmachens von einer gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung für einen Zeitraum vor deren Inkrafttreten dar (dazu OVG NW, Urteil vom 14.12.2004, a.a.O.).
44 
Auch der mit der Berufung gerügte „Systemwechsel“ - die Anhebung der Gebühr nicht mehr nach Nr. 4a, sondern nach Nr. 4b des Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG i. d. F. der RL 96/43/EG - ist nicht zu beanstanden. Ob die EG-Pauschalen für bestimmte Betriebe anzuheben sind oder eine Gebühr zu erheben ist, die die tatsächlichen Kosten deckt, ist eine nach den Vorgaben der genannten Richtlinie zu beantwortende Frage, bei der Ermessen eröffnet ist (s. der Wortlaut von Nr. 4 des genannten Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG, ABl. L 162/1, 7). Dieses Ermessen unterliegt keinen weiteren europarechtlichen Einschränkungen. Allerdings hat die Ermessenentscheidung durch „Rechtssatz“ zu erfolgen (dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1996 - 3 C 7.95, BVerwGE 102, 39; Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99, a.a.O.). Dies ist hier mit der Rechtsverordnung des Beklagten erfolgt. Auch durfte der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber hier die Wahl unter mehreren Alternativen überlassen und sich auf die Festlegung der dabei zu beachtenden Grundsätze beschränken (so BVerwG, Urteil vom 24.7.2000, a.a.O.). Dementsprechend ist es dem Verordnungsgeber auch nicht verwehrt, einen „Systemwechsel“ dadurch vorzunehmen, dass er bei einem Abweichen von den EG-Pauschgebühren von der „betriebsbezogenen“ zur „kostendeckenden“ Anhebung übergeht. Auch hinsichtlich dieses Übergangs ist durch die Bestimmung in § 1 Abs. 4 der Rechtsverordnung des Beklagten sichergestellt, dass höhere Gebühren, als sie sich bisher nach den Bestimmungen der FlHGebVO 1998 ergeben hätten, nicht anfallen dürfen. In diesem Wechsel liegt daher auch entgegen dem Vorbringen der Berufung nicht etwa deshalb ein Eingriff in den durch Art. 12 GG geschützten Gewerbebetrieb, weil sich die Betroffenen auf eine betriebsbezogene Anhebung der Gemeinschaftsgebühr eingestellt hätten. Ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb dabei überhaupt als Schutzgut betroffen ist, ist fraglich, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls kann ein „Eingriff“ in dieses Schutzgut schon deshalb ausgeschlossen werden, weil eine weitergehende Belastung durch den Systemwechsel nicht eintreten kann, wie der genannten Bestimmung zu entnehmen ist.
45 
Dass die Gebührenregelungen der Rechtsverordnung des Beklagten deshalb rechtswidrig sein könnten, weil - wie mit der Berufung ferner geltend gemacht ist - der Mitgliedstaat der „Notifizierungspflicht“ aus Art. 6 Abs. 1 RL 85/73/EWG i.d.F. der RL 96/ /EG nicht nachkomme, ist nicht erkennbar. Die Bestimmung normiert eine objektive Rechtsverpflichtung, die weder mit Blick auf Art. 249 EG noch mit Blick auf die damit verbundene Zielsetzung zugleich auch dem subjektiven Schutz des einzelnen Gebührenschuldners dient. Letzteres ist zwar nicht nur bei einer ausdrücklichen normativen Regelung des Drittschutzes, sondern auch dann anzunehmen, wenn die Richtlinie ein bestimmtes mitgliedschaftliches Verhalten regelt, das den Interessen einzelner förderlich ist und sie begünstigt (EuGH, Urteil vom Rs. C-91/92, Slg. 1994, I-3325, 3356 = EuZW 1994, 195, 196 - Facini Dori). Die Pflicht zur regelmäßigen Mitteilung über Aufteilung und Verwendung der Gemeinschaftsgebühr hat indes den Einzelnen nicht im Blick, sondern bleibt Vollzugskontrolle, die allenfalls mittelbar förderlich für den Gebührenschuldner sein könnte. Auch ist das von der Richtlinie geforderte mitgliedschaftliche Verhalten hier ausdrücklich auf die Kommission ausgerichtet („bipolar“) und begründet ersichtlich auch nur ihr gegenüber eine rechtliche Verpflichtung, aus der nicht ohne Weiteres die Drittbegünstigung herzuleiten ist. Auch die im Zusammenhang damit geltend gemachte Verletzung von Art. 249 EG führt nicht zu einer über die bereits oben angesprochene Frage nach der Umsetzung hinausgehenden, eine Begünstigung des Einzelnen umfassenden Bedeutung.
46 
Auch die Höhe der auf der Grundlage der Rechtsverordnung des Beklagten geforderten Gebühren ist mit Blick auf die materiell-rechtlichen Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinien 93/118/EG bzw. 96/43/EG aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
47 
Dem mit der Berufung erhobenen, auch auf die Gebührenhöhe zielenden Einwand, der Grundsatz der Einheitsgebühr sei nicht beachtet, da die Trichinenuntersuchungskosten als allgemeine Anhebung hinzugerechnet seien und dies materiell-rechtlich die unzulässige Erhebung einer gesonderten Gebühr darstelle, ist nicht zu folgen. Wie insbesondere der Bezug auf Anhang A Kapitel I Nr. 4 b der Richtlinie 85/73/EWG in § 1 Abs. 1 der Rechtsverordnung verdeutlicht, werden mit den Gebühren in der Anlage zur Rechtsverordnung ausschließlich „kostendeckende“ Gebühren festgesetzt. Die dabei für die Untersuchung von Schweinefleisch angesetzte Gebühr ist eine einheitliche Gebühr, bei deren Kalkulation die Kosten der Trichinenuntersuchung eingeflossen sind. Dass das „Hinzuaddieren“ EG-rechtlich unbedenklich ist, folgt - wie dargelegt - aus dem o.a. Gesichtspunkt der Kostendeckung, und - technisch - bereits aus der Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung des Rates vom 15.6.1988 über die Beträge der für die Untersuchung und Hygienekontrollen von frischem Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (88/408/EWG) vom 24.1.1989 (BAnz. v. 22.2.1989, S. 901) - im Folgenden: Protokollerklärung 89 - (dort die FN 1 und 3). Der Ausgangspunkt der Erwägung der Berufung, aus den europarechtlichen Vorgaben und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge, dass ein solcher „Rechenvorgang“ auch schon deshalb nicht zulässig sei, weil lediglich die in der RL 85/43/EWG vorgesehene Gemeinschaftsgebühr festgesetzt werden dürfe, ist wie dargelegt nicht zutreffend und ist auch entgegen dem Berufungsvortrag weder aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.6.2002 (3 BN 5.01, n.v.) noch aus der o.a. „Feyrer“-Entscheidung des EuGH herzuleiten.
48 
Im Übrigen lässt sich weder feststellen, dass unzulässigerweise Kosten in Ansatz gekommen sind, noch, dass die Kostendeckungsgrenze überschritten ist. Für den Umfang einer zulässigen Kostendeckung ist materiell-rechtlich auf die vorrangigen EG-rechtlichen Vorgaben zurückzugreifen (vgl. den Rechtsgedanken in § 8 LGebG; ferner BVerwGE 102, 39, Urteil vom 27.4.2000, DÖV 2001, 30).Ein Rückgriff auf einen von diesen abweichenden “nationalen“ Kostendeckungsgrundsatz, wie er in der mündlichen Verhandlung angedeutet worden ist, scheidet daher aus. Die Frage, ob eine Gesamtkostendeckung im Rahmen der Fleischhygieneuntersuchungen zulässig ist, ist demnach in erster Linie anhand der Bestimmungen der o.a. Richtlinien zu beantworten. Wie bereits dargelegt, ist nach der RL 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EWG nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.9.1999 C-374/97, a.a.O.) der Mitgliedstaat bzw. die von ihm für zuständig erklärte kommunale Behörde berechtigt, Gebühren zu erheben, die die tatsächlichen Kosten umfassen. An dieser Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 30.5.2002 - C-284/00 und C-288/00 „Stratmann“ u.a.(DVBl. 2002,1108 ) festgehalten. Unter Tz. 54 ist darauf abgehoben, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 85/73 und Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung 88/408 sowie nach Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 93/118 geänderten Fassung einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühren erheben können, sofern dieser Betrag die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet. Die dann getroffene Feststellung (Tz. 55), keine dieser Bestimmungen gestatte jedoch die Erhebung einer spezifischen Gebühr zusätzlich zu der Gemeinschaftsgebühr, um bestimmte Kosten für Untersuchungen und Kontrollen abzudecken, die nicht in allen Fällen stattfinden, ist entgegen der Ansicht der Berufung keine Einschränkung der Höhe nach, sondern eine solche der Art nach: Sowohl aus dem Anhang der Entscheidung 88/408 als auch aus Kapitel I Nummer 4 Buchstaben a und b des Anhangs der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 93/118 geänderten Fassung ergebe sich vielmehr, dass jede von einem Mitgliedstaat beschlossene Erhöhung den Pauschalbetrag der Gemeinschaftsgebühr selbst betreffen und als dessen Anhebung erfolgen müsse und dass eine spezifische, über die Gemeinschaftsgebühren hinausgehende Gebühr sämtliche tatsächlich entstandenen Kosten abdecken müsse (Tz. 56).
49 
Die so bestimmte Kostendeckungsgrenze wird hier nicht deshalb überschritten, weil - so die Ansicht der Berufung - mit der Einbeziehung von Verwaltungspersonalkosten nicht ansatzfähige Kosten in die Gebührenberechnung eingestellt worden seien. Welche Kosten bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen und daher ansatzfähig sind, richtet sich - wie die Kostendeckung dem Grunde nach - nach den Vorgaben der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft (dazu § 8 LGebG). Nach Art. 1 Abs. 2 der geänderten Richtlinie 85/73/EWG werden die Gebühren in einer Weise festgelegt, dass sie die Kosten decken, die die zuständige Behörde in Form von Löhnen und Gehältern einschließlich Sozialabgaben sowie Verwaltungskosten zu tragen hat. Sie umfassen auch die diesem Bereich zuzuordnenden Personalkosten, wie sich aus der o.a. Protokollerklärung zur Entscheidung 88/408/EWG vom 24.1.1989 (BAnz. 1989, 901) herleiten lässt. Ungeachtet der Frage nach deren rechtlicher Tragweite, die sich mit Blick darauf stellt, dass die genannte Entscheidung durch die Richtlinie 93/118/EG des Rates vom 22.12.1993 zur Änderung der Richtlinie 85/73/EWG (ABl. Nr. L 340, S. 15) aufgehoben worden ist, ist mit der Berufung davon auszugehen, dass die Protokollerklärung die Vorstellungen der beteiligten Gemeinschaftsorgane widerspiegelt, welcher Aufwand bei der Untersuchung dem Grunde nach in Betracht kommt. Als „Rahmenbedingungen“ für eine Bemessung der Gebührenhöhe (so die Einleitung zur Protokollerklärung, a.a.O.) ist ihr entgegen der Ansicht der Berufung allerdings kein Verbot zu entnehmen, tatsächlich entstehende Kosten nicht in Ansatz zu bringen, die zu einer höheren als der pauschal festgelegten Gemeinschaftsgebühr führen. Nach den unter I. festgelegten allgemeinen Grundsätzen der Erklärung werden Untersuchungszeit, Zerlegungsvorgang, Verwaltungskosten und Kosten der Rückstandsuntersuchung und bei der unter II. angeführten „Methode“ die Personalkosten angeführt. Zu den letzteren gehören ausdrücklich „die gesamten Kosten für das Untersuchungs- und Verwaltungspersonal“. Der weiterhin gerügte Ansatz eines „Risikozuschlags“ betrifft Gebührenzeiträume, die hier nicht in Rede stehen. Ohne dass es deshalb darauf ankäme, spricht vieles dafür, diesen für die erwartete tarifvertraglich bedingte Nachzahlung angesetzten Kosten der ansatzfähigen Vergütung zuzuordnen, was gleichfalls der auch mit der Berufung für zutreffend gehaltenen Protokollerklärung nicht widersprechen dürfte.
50 
Dass im Übrigen ein Zeitaufwand von 14,31 Minuten statt den in der Protokollerklärung vorgesehenen 8 Minuten zu Grunde gelegt ist (Nr. 2.3.2 der Kalkulation), ist nicht für sich bereits Grund für die Annahme eines unzulässigen Kostenansatzes. Der Beklagte hat den tatsächlichen Zeitaufwand für die Untersuchung von Rindern festgehalten. Eine strikte Bindung an die Vorgaben der Protokollerklärung ist nach dem oben Gesagten nicht gegeben, ungeachtet des weiteren Umstandes, dass insoweit eine uneingeschränkte Anwendung schon mit Blick auf die im Jahre 1988 als Rahmenbedingung angelegten Grundsätze der Protokollerklärung ausscheidet. Entscheidend ist indes, dass die Zeitangabe für sich nicht hinreichend aussagekräftig ist, sie vielmehr sowohl im Zusammenhang mit der Anzahl der an der Untersuchung beteiligten Tierärzte und Fleischkontrolleure als auch im Zusammenhang mit dem Betriebsablauf zu werten ist. Dass insoweit ein „kostenträchtiges“ Missverhältnis besteht, wird mit der Berufung nicht aufgezeigt.
51 
Auch die Rüge, es fehle bei der Gebührenkalkulation die Darlegung des Zusammenhangs zwischen Kosten und der Fleischhygieneuntersuchung, ist nicht berechtigt. Dass es um Kosten gehen muss, die der Untersuchung von Fleisch zugeordnet werden können, folgt aus der in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 85/43/EWG ausgesprochenen Bindung an die „tatsächlichen Untersuchungskosten“, wie sie im Übrigen auch die o.a. Nr. 4 der Anlage benennt. Für die geforderte Zuordnung kann durchaus auch auf die o.a. Protokollerklärung zurückgegriffen werden, die die gemeinschaftsrechtliche „Vorstellung“ des für den Untersuchungsvorgang Erforderlichen umschreibt. Sie verdeutlicht zugleich aber auch, dass die Zuordnung zur Untersuchung im engeren, technischen Sinn nicht gemeint ist, wie dies mit der Berufung geltend gemacht ist. Dieser weitere Zusammenhang besteht hier für die angesetzte Verwaltungspersonalstelle. Der in der Kalkulation erfolgte Hinweis auf die „VwV-Kostenfestlegung“ v. 20.12.2000 ist die „Inanspruchnahme“ gesicherter Erkenntnisse über die Ansatzfähigkeit und den erforderlichen Umfang von Personalkosten, deren Zuordnung zur Fleischhygieneuntersuchung im Gebiet des Beklagten sich auch aus den dem Senat vorliegenden Akten und deren Umfang erschließen. Anders als dies dem Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 26.8.2004 (12 A 10767/04.OVG - dort UA. S. 11) zu entnehmen ist, auf das sich die Berufung bezieht, geht es hier nicht um lediglich allgemeinen Verwaltungsaufwand (Kosten der Aufsichtsbehörde), bei dem - anders als im Falle des Beklagten - ein Zusammenhang mit der Fleischhygieneuntersuchung gerade fehlt. Dass ein „Hinzuaddieren“ der danach zulässig angesetzten Verwaltungskosten nicht - wie die Berufung meint - zur Festlegung einer Sondergebühr führt, sondern der Berechnung der Gebührenhöhe zuzuordnen ist, ist oben in anderem Zusammenhang bereits dargelegt.
52 
Es fehlt entgegen dem Vorbringen der Berufung auch nicht an einer hinreichenden Darlegung der Bemessungsgrundlagen. Die Gebührenkalkulation weist die Kalkulationsgrundlagen aus, was ausreichend ist und - da ein Rückgriff auf den Aktenbestand des Beklagten eröffnet ist - auch eine hinreichende Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Insbesondere scheitert auch eine Nachprüfbarkeit der mit der Berufung gerügten Ansätze für vollzeittätige Fleischkontrolleure nicht an dem mit dem Rechtsmittel vorgetragenen Umstand, für diesen Personenkreis gelte der „Tarifvertrag Ang aöS“ nicht. Der Beklagte hat dazu nachvollziehbar vorgetragen, dass er in einem ersten Rechenschritt eine Umrechnung der Untersuchungskosten hinsichtlich des Personals auf die einzelnen Tierarten vorgenommen und sich dabei auf eine Vorgabe des Ministeriums Ländlicher Raum Baden-Württemberg aus dem Jahre 1995 gestützt hat. Orientiert hat sich der Beklagte an den EG-rechtlich vorgegebenen Mindestuntersuchungszeiten, um so ein sachgerechtes Verhältnis der Gebührenansätze je Tierart zu erreichen. Damit ist auch der wenig konkrete Einwand der Berufung, der Bedarf an Untersuchungspersonal werde bestritten, entkräftet.
53 
Er steht im Zusammenhang mit dem Berufungsvorbringen, es fehle an der gebotenen Erforderlichkeit der angesetzten Kosten. Insbesondere seien unwirtschaftliche Kosten auszuscheiden. Dem Antrag, hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen, muss nicht durch Beweisaufnahme nachgegangen werden. Er stellt formal eine „Beweisanregung“ dar. Es bestehen bereits Bedenken, ob dieser „Antrag“ dem Gebot hinreichender Bestimmtheit des Beweisthemas genügt, oder ob die mangelnde Bestimmtheit hier nicht bereits - wie regelmäßig - kennzeichnend ist für einen Beweisermittlungsantrag (vgl. BVerwGE 75, 6 ff.). Ungeachtet dessen ist die Frage nach der Ansatzfähigkeit von Kosten eine solche, die der Senat anhand der ihm vorliegenden Unterlagen selbst beurteilen kann, zumal unter Berücksichtigung dessen, dass bei der Annahme zutreffender Kostenarten die Entscheidung zur Erforderlichkeit des Ansatzes der Kosten dann weitgehend den genannten Bestimmungen des EG-Rechts zu entnehmen und ein Einschätzungsspielraum der Behörde nur begrenzt eröffnet ist. Der weitere Hinweis, unwirtschaftliche Kosten seien für nicht vollbeschäftigte amtliche Tierärzte in Ansatz gebracht, wie ein Vergleich zwischen der Vergütung dieses Personenkreises bei privaten und bei öffentlichen Schlachthöfen zeige, rechtfertigt die Bedenken der Berufung nicht. Der Beklagte geht bei der Stundenvergütung von den jeweils maßgeblichen Vergütungssätzen aus, die sich aus den einschlägigen Tarifverträgen ergeben. An diese Vorgaben ist er - ohne dass ihm eine eigenständige Regelungsbefugnis zukommt - gebunden. Von einem Ansatz unwirtschaftlicher Kosten kann daher nicht gesprochen werden.
54 
Dem weiteren Vorbringen, die Fleischhygiene - RVO verstoße auch gegen das Äquivalenzprinzip, das sich mit Blick auf den Zweck, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ergebe, ist nicht zu folgen. Dem liegt die mit der Berufung wiederholt vorgetragene Vorstellung zu Grunde, aus der auch den Wettbewerb in Blick nehmenden Zielsetzung der RL 85/73/EWG folge zwingend, dass dem Betroffenen lediglich die Gemeinschaftsgebühren für Fleischuntersuchungen auferlegt werden dürften. Dass dies nicht zutrifft, folgt aus der o.a. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Nicht zutreffend ist auch der Hinweis der Berufung, es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der „Wert der Leistung für den Gebührenschuldner“ in Blick genommen worden sei, was sich als Ermessensfehlgebrauch erweise. Ob hier überhaupt Raum für die Ausübung von Ermessen verbleibt, ist zweifelhaft. Jedenfalls wird der „Wert der Leistung“ hier bezüglich des geltend gemachten Gesichtspunkts der Äquivalenz nicht außer Acht gelassen. Das Äquivalenzprinzip als Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besagt, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen kommunaler bzw. staatlicher Leistung und erhobener Gegenleistung bestehen muss, wobei der Behörde ein Regelungsspielraum eröffnet ist, den sie nur dann verlässt, wenn sich ein grobes Missverhältnis zwischen den Leistungen ergibt (vgl. etwa BVerwG, Urteil v. 21.10.1994, KStZ 1995, 54, 55 f. m.w.N.). Dafür, dass ein solches Missverhältnis bestehen könnte, ist indes mit der Berufung nichts vorgetragen worden. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte, nimmt man in Blick, dass durch die gebührenpflichtigen Untersuchungen die „Marktfähigkeit“ des geprüften Frischfleisches gesichert wird.
55 
Mit der Berufung ist schließlich die Anregung verbunden, dem Europäischen Gerichtshof die Fragen nach Art. 234 EG vorzulegen, ob für den Mitgliedstaat oder die ihm nachgeordneten Gliedstaaten (Bundesländer) die Möglichkeit besteht, vor ordnungsgemäßer und vollständiger Umsetzung eines Gemeinschaftsrechtsaktes von dessen Ausnahmebestimmung zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers Gebrauch zu machen, und ob die Mitgliedstaaten oder ihre nachgeordneten Gliedstaaten (Bundesländer) rückwirkend von Ausnahmebestimmungen eines umsetzungsbedürftigen Rechtsaktes der Gemeinschaft zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers Gebrauch machen, wenn dieser Rechtsakt entweder während seiner Geltungsdauer überhaupt nicht umgesetzt worden ist oder aber nur eine Teilumsetzung erfahren hat, jedoch eine ordnungsgemäße und vollständige Umsetzung des Rechtsaktes weder in Bundes- noch in Landesrecht erfolgt ist. Wie aus den oben angestellten Gründen folgt, stellen sich diese Fragen in dem hier anhängigen Verfahren nicht.
56 
Der Anspruch auf eine Erstattung von Gebührenleistungen, wie er mit der Berufung gleichfalls geltend gemacht ist, scheidet nach dem Gesagten ebenso aus wie der geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
58 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
23 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage, soweit sie noch Gegenstand der Berufung ist, zu Recht abgewiesen.
24 
Denn die Klägerin wird durch den von ihr angefochtenen Gebührenbescheid des Beklagten vom 12.10.1999 (i. d. Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 23.5.2002) nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25 
Nicht zu folgen ist dem Einwand, dass ein Gebührenbescheid, der sich auf eine gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsgrundlage stützt, nicht anwendbar und daher auch ohne weiteres nichtig sei. Ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht würde entgegen dem Berufungsvorbringen nicht zur Nichtigkeit des Gebührenbescheids führen, wie der Senat wiederholt entschieden hat (dazu etwa Beschluss vom 10.5.2000 - 2 S 1839/99 und vom 15.11.2002 - 2 S 204/02; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 11.5.2000 - 11 B 26.00 - DÖV 2000, 1004). Zur Rechtswidrigkeit bereits aus formellen Gründen führt auch nicht, dass in den Gebührenbescheiden die Gebühr für die Trichinenuntersuchung noch als gesonderte Gebühr ausgewiesen ist. Weder das EG-Recht noch das Landesrecht bestimmen unmittelbar, welchen Inhalt der Gebührenbescheid haben muss. Aus seinem Charakter als Verwaltungsakt ist herzuleiten, dass ihm die mit ihm verbundene „Regelung“ entnommen werden kann (vgl. dazu die Begriffsbestimmung in § 35 LVwVfG). Zu ihr gehören - wie bei Abgabenbescheiden sonst auch (vgl. dazu den Rechtsgedanken aus § 157 Abs. 1 Satz 2 AO) - die Angaben zu Abgabenart und Abgabenschuldner sowie die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. dazu auch Tipke in Tipke/Kruse, AO, FGO, 2004, § 157 AO RdNrn. 5 ff.). Die Feststellung der Abgabengrundlagen erfolgt nicht durch Verwaltungsakt, sondern mittelbar im Abgabenbescheid und beschwert den Abgabenschuldner nur dann, wenn sie unzutreffend angegeben ist und für den Betroffenen nachteilige Auswirkungen auf das Ergebnis, den verfügenden Teil, hat (vgl. Tipke, a.a.O. RdNr. 20 m.w.N.; ferner P. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. A., § 37 RdNr. 20 f und 22a). Dies lässt sich hier nicht feststellen. Ungeachtet der rechtlichen Vorfrage, dass die in dem angefochtenen Gebührenbescheid gesondert angesetzte Trichinengebühr rechtskräftig aufgehoben worden ist, folgt aus ihrer Feststellung als Teil der Begründung zur Abgabengrundlage, dass sie auch an der Bindungswirkung des Verwaltungsakts nicht teilnimmt und - da sie sich hier auch nicht auf den verfügenden Teil auswirkt - als unrichtige Feststellung der Abgabengrundlage ohne Belang für die formelle Rechtmäßigkeit der Bescheide bleibt. Gleiches gilt für den Einwand, dem Gebührenbescheid fehle es der Darlegung des „Systemwechsels“ bei der Anhebung der Gemeinschaftsgebühr und der mit ihm verbundenen Zuständigkeitsänderung.
26 
Der angefochtene Gebührenbescheid ist auch materiell-rechtlich mit vorrangigem Recht vereinbar.
27 
Mit der Berufung wird die Rechtswidrigkeit der Gebührenbescheide bereits wegen des Fehlens von „Transparenz“ geltend gemacht, weil nach vorrangigem EG-Recht Angaben zum „Systemwechsel“ (Gebührenbemessung und Zuständigkeit) ebenso wie solche zur Einheitsgebühr gefordert seien. Dem ist nicht zu folgen. Mit diesem Hinweis wird auf die auch landesrechtlich zu fordernde Bestimmtheit von Abgabenbescheiden abgehoben, die jedenfalls hier nicht mehr zweifelhaft ist, nachdem der Beklagte die Grundlagen für die Gebührenerhebung schriftlich dargelegt hat (dazu P. Stelkens, a.a.O., § 45 RdNr. 34). Die Bestimmtheit kann im Übrigen mit Blick auf etwa bestehende Unklarheiten auch durch Auslegung hergestellt sein, wie sie hier möglich ist (vgl. nur P. Stelkens, a.a.O., § 37 RdNr. 11; RdNr. 31a auch zur Heilungsmöglichkeit im Anfechtungsprozess).
28 
Auch die mit der Berufung geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Gebührenbescheids infolge seiner vermeintlichen Wesensänderung ist nicht gegeben. Eine solche Änderung kann dann eintreten, wenn Rechtsgrundlage und Sachverhalt eines Bescheides ausgetauscht werden. Die Wesensänderung ist in einem solchen Fall auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der verfügende Teil des Verwaltungsakts unverändert bleibt (vgl. P. Stelkens, a.a.O., § 45 RdNr. 49). Hier haben sich der Gebührengläubiger und auch die rechtliche Grundlage der Gebühr geändert. Beide betreffen indes weder die Abgabenart noch den Bezugsgegenstand (Sachverhalt) der angefochtenen Bescheide. Denn nach wie vor geht es um die Gegenleistung für konkret in Rede stehende und erbrachte „Amtshandlungen“ im Rahmen eines Gebührenschuldverhältnisses (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.10.1993 - 8 C 33.92 - NVwZ 1994, 903).
29 
Rechtsgrundlage des genannten Bescheids ist die Rechtsverordnung des Landratsamts vom 30.6.2005 über rückwirkende Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung - FlHRVO -, veröffentlicht am 26.7.2005, die nach ihrem § 3 mit Wirkung vom 1.7.1995 in Kraft getreten ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Rechtsverordnung werden Gebühren nach der Anlage zu dieser Verordnung erhoben für nach dem Fleischhygienegesetz durchgeführte Schlachttier- und Fleischuntersuchungen bei Einhufern, Rindern, Kälbern, Schweinen, Ferkeln, Schafen und Ziegen, die u.a. zwischen dem 1. Juli 1995 und dem 31.12.2004 in Schlachtbetrieben mit mehr als 2000 Schlachtungen je Kalendermonat im Jahresdurchschnitt stattgefunden haben. Diese werden nach Anhang A Kapitel I Nr. 4b der Richtlinie 85/73/EWG in der jeweils geltenden Fassung erhoben und in der Weise festgelegt, dass sie folgende durch die Untersuchung und Kontrollen entstehende Kosten decken: Löhne und Sozialabgaben der Untersuchungsstelle, durch die Durchführung der Untersuchung und Kontrolle entstehende Verwaltungskosten einschließlich der Sachkosten und Auslagen, denen noch die Kosten der Fortbildung des Untersuchungspersonals hinzugerechnet werden. Mit diesen Gebühren sind nach Satz 3 der Bestimmung abgegolten auch die mit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung im Zusammenhang stehende Hygieneüberwachung, Probenahme, Beschlagnahme, Nachuntersuchung, Endbeurteilung und Tagebuchführung, die Untersuchung auf Trichinen, die bakteriologische Fleischuntersuchung sowie die Rückstandsuntersuchung nach dem nationalen Rückstandskontrollplan. Abs. 2 bestimmt, dass für die planmäßigen Rückstandsuntersuchungen nach dem nationalen Rückstandskontrollplan beim Schlachtbetrieb je Tonne Fleisch ein Betrag in Höhe der im Anhang Kapitel I Nr. 1 b der Richtlinie 93/118/EG vom 22.12.1993 bzw. in Anhang B Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 96/43/EG in der jeweils geltenden Fassung festgelegten Gebühr erhoben wird. Nach Abs. 3 verbleibt es für andere Untersuchungen, Kontrollen und Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz in dem vorgenannten Zeitraum bei den Regelungen der Fleischhygienegebührenverordnung vom 20.71998 (GBl. S, 459) zuletzt geändert durch Verordnung vom 24.1.2004 (GBl. S. 82). Die Gebührenfestsetzung nach Abs. 1 und Abs. 2 erfolgt nach Abs. 4 der Rechtsverordnung höchstens in der Höhe, die sich bei einer Anwendung der genannten Fleischhygieneverordnung unter Einbeziehung der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Untersuchung ergeben hätten.
30 
Die Rechtsverordnung stützt sich ihrerseits auf die §§ 2a Abs. 7, 2b Abs. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes vom 12.12.1994, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.2004 (GBl. S. 895) - AGFlHG -. Danach werden die kostenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren sowie die der Kosten durch Rechtsverordnung der Landratsämter oder durch Satzung der Stadtkreise bestimmt. Nach Art. 17 Abs. 5 des zuletzt genannten Gesetzes tritt Artikel 2 dieses Gesetzes mit Wirkung vom 1.7.1995 in Kraft.
31 
Auf diese Bestimmungen ist hier entgegen der Ansicht der Berufung auch maßgeblich abzustellen. Denn nach Art. 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts bleibt die Fleischhygiene-Gebührenverordnung vom 20.7.1998 (GBl. S. 459) - FlHGebVO - (nur) so lange in Kraft, bis die Landratsämter und Stadtkreise eine Neuregelung getroffen haben. Eine solche Neuregelung ist hier aber durch die angeführte Rechtsverordnung des Beklagten erfolgt.
32 
Dass es - wie die Berufung geltend macht - an einer Ermächtigungsgrundlage überhaupt mangeln könnte, weil durch Art. 7 Nr. 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts vom 1.9.2005, BGBl. I 2618, das Fleischhygienegesetz (FlHG i.d.F. der Bekanntmachung vom 30.6.2003, BGBl. I S. 1242, 1585 . m. nachf. Änderungen, zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 4.11.2004, BGBl. I S. 2688, 3657) aufgehoben worden ist, ist nicht zutreffend. Abgesehen davon, dass einige der Bestimmungen des Fleischhygienegesetzes auf Grund des Art. 2 § 1 Nr. 4 des genannten Neuordnungsgesetzes weiterhin für eine Übergangszeit anzuwenden sind, ist das genannte Neuordnungsgesetz erst mit Wirkung vom 7.9.2005 in Kraft getreten (dazu Art. 8 des Neuordnungsgesetzes), so dass das AGFlHG zeitlich nicht auf ein Gesetz abstellt, das außer Kraft getreten war. Entscheidend ist aber, dass die Bestimmung in § 24 FlHG nicht die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die landesrechtliche Gebührenregelung darstellt. Mit dieser Bestimmung hat der Bundesgesetzgeber von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht und es dabei (zulässigerweise) dem Landesgesetzgeber überlassen, die einzelnen kostenpflichtigen Tatbestände - und damit auch die entsprechenden Gebühren - zu bestimmen und damit das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht in nationales Recht umzusetzen (so BVerwG, Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99 - BVerwGE 111, 143). Soweit § 24 FlHG die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts dem Landesgesetzgeber überlässt, steht diesem auch eine originäre Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1 GG zu. Von ihr hat der Landesgesetzgeber durch das bereits erwähnte Ausführungsgesetz auch Gebrauch gemacht. Der nachträgliche Wegfall der bundesrechtlichen (konkurrierenden) Regelung hat daher nicht den von der Berufung behaupteten Kompetenzverlust zur Folge. Dass mit dem Außerkrafttreten des § 24 FlHG auch der bundeseinheitlich geltende Maßstab entfallen sei, mag erörtert werden können, dass ein solcher aber nach der „Feyrer-Entscheidung“ des EuGH (Urteil vom 9.9.1999, NVwZ 2000, 182 f.) gefordert sei, wie dies mit in der Berufungsverhandlung vorgebracht worden ist, ist indes nicht zutreffend.
33 
(d) Aus Rechtsgründen ist nicht zu beanstanden, dass sowohl die genannte Rechtsverordnung (s. deren § 3) als auch §§ 2a, 2b AGFlHG (s. Art 17 Abs. 5 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts) rückwirkende (Gebühren-) Regelungen enthalten, die auch die in dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Zeiträume umfassen.
34 
(aa) Dies gilt für das Vorbringen der Berufung, dass bereits die FlHGebVO vom 20.7.1998 (GBl. S. 459) - FlHGebVO 1998 - nicht mehr Gebührentatbestände hätte festlegen dürfen, nachdem auf Grund einer Senatsentscheidung rechtskräftig entschieden gewesen sei, dass die VO v. 10.4.1995 nur Gebührenfestsetzungen nach ihren Nrn. 80.18 ff, mithin auf der untersten Stufe als Mindestgebühr, zugelassen habe; die Rechtskraft dieser Entscheidung sei in der Folgezeit „ausgeblendet worden“. Es sei deshalb auch Verfassungsbeschwerde eingelegt (BVerfG 1 BvR 1669/02). Damit wird indes die rechtliche Tragweite des maßgeblichen Beschlusses des Senats vom 24.6.1997 - 2 S 3258/95 - (bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 5.7.1998 - 6 BN 2.98 -) verkannt, mit dem die Nrn. 80.18 bis 80.18.2.4 der genannten VO für ungültig erklärt worden sind, soweit dort über die Mindestgebühr hinausgehende Gebühren festgesetzt sind. Entschieden ist lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit einer Gebührenfestlegung durch Verordnung, nicht indes deren ausschließliche Zulässigkeit. Einer rückwirkenden Regelung steht damit diese Entscheidung nicht entgegen.
35 
(bb) Zutreffend ist, dass die nachfolgende Fleischhygienegebührenverordnung vom 20.7.1998 (GBl. S. 459 ) - FlHGebVO 1998 - nur eine „betriebsbezogene Anhebung“ nach der Bestimmung der Nr. 4a Kapitel I Anhang A der RL 85/73/EWG i. d. F. der Richtlinie 96/43/EG des Rates v. 26.6.1996 zur Änderung und Kodifizierung der Richtlinie 85/73/EWG zur Sicherstellung der Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen von lebenden Tieren und bestimmten tierischen Erzeugnissen sowie zur Änderung der Richtlinien 90/675/EWG und 91/496/EWG (ABl. Nr. L 162, 1; ber. ABl. 1997 Nr. L 8, 32) zugelassen und außerdem unzulässig gesonderte Gebühren für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Untersuchung festgelegt hat. Da mit Blick auf die unzulässig festgelegten gesonderten Gebühren von der Nichtigkeit der FlHGebVO 1998 auszugehen ist (dazu der o.a. Zulassungsbeschluss des Senats), entfällt der Einwand, der Normgeber dürfe nicht „kumulativ“ auch eine kostendeckende Anhebung der EG-Pauschgebühr für den Zeitraum 20.7.1998 und 31.12.2004 vorsehen, wie dies mit der Rechtsverordnung des Beklagten nunmehr geregelt werde. Auch ist die mit der Berufung vorgetragene Beschränkung auf die betriebsbezogene Anhebung der Gebühr nicht gegeben und daher auch auszuschließen, dass - wie die Berufung meint - „deswegen“ eine rückwirkende Anhebung nach Nr. 4b Kapitel I Anhang A der genannten Richtlinie ausscheide.
36 
(e) Die Übertragung der Regelungsbefugnis nach § 2a und § 2 b AGFlHG auf Stadt- und Landkreise beruht auf der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 2 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts. Sie begegnet unter kompetenzrechtlichen Erwägungen keinen Bedenken (vgl. dazu auch das o.a. Urteil des EuGH vom 9.9.1999, C- 374/97 - (Feyrer) Slg. 1999, I-5153 = NVwZ 2000, 182 ff. m. Anm. Kunze NVwZ 2001, 291). Denn es steht jedem Mitgliedsstaat frei, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte durch Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen (dazu EuGH, Urteil vom 9.9.1999, C-374/97, a.a.O.), sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht. Einer Übertragung der Regelungskompetenz für die Abweichung von den EG-Pauschalbeträgen auf die Land- und Stadtkreise steht daher EG-Recht nicht entgegen und sie ist auch bundesrechtlich zulässig (so schon BVerwG, Beschluss vom 21.4.1999 - 1 B 26.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 18).
37 
(f) Auch die dabei eingeräumte Möglichkeit, rückwirkend zum 1.7.1995 von einer betriebsbezogenen Anhebung auf der Grundlage von Nr. 4a auf die „kostendeckende“ Anhebung nach Nr. 4b des Anhangs zur Richtlinie 85/73/EWG (s. Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG i.V.m. Kapitel I Nr. 4 des Anhangs; Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG i.V. mit Anhang A Kapitel I Nr. 4) umzustellen, wie dies § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 und § 3 der RVO des Beklagten regelt, ist entgegen dem Vorbringen der Berufung verfassungsrechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots zu beanstanden.
38 
Der Senat hat bereits in seinem Normenkontrollurteil vom 5.7.2001 - 2 S 2898/98 - dargelegt, dass der Normgeber befugt ist, eine unklare Rechtslage auch rückwirkend zu bereinigen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu Urteil vom 27. April 2000 - 1 C 8.99 - GewA 2000, 384; Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01 - NVwZ 2002, 486 ff., Beschluss vom 31.7.2002 - 3 B 145.01 - NVwZ 2003, 480 ff.). Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung des Beklagten. Einem etwaigen schützenswerten Vertrauen eines Betroffenen wird dadurch Rechnung getragen, dass nach Art. 17 Abs. 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts im Zeitraum 1.1.1995 bis 31.12.2004 keine höheren Gebühren erhoben werden, als nach der FlHGebVO vom 20.7.1998 einschließlich der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Fleischuntersuchung. Diesem Gebot trägt auch die Rechtsverordnung des Beklagten in ihrem § 1 Abs. 4 Rechnung. Mithin darf eine höhere Gebühr, als sie auf der bisherigen Grundlage angefallen wäre, nicht festgesetzt werden. Eine andere rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer Rückwirkung ist auch auf der Grundlage der mit der Berufung vorgelegten rechtsgutachtlichen Stellungnahme vom 25.5.2001 nicht geboten. Wie der Beklagte zu Recht hervorhebt, ist dieses Gutachten mit Blick auf die bayerische Rechtslage erstellt, für die eine gegenüber der gesetzlich vorgesehenen Rückwirkung weitergehende satzungsrechtliche Regelung als verfassungswidrig deswegen aufgezeigt wird, weil eine sog. echte Rückwirkung in Rede stehe( Gutachten S. 14). Um eine solche Rückwirkung geht es hier aber nicht, abgesehen davon, dass der Gutachter selbst die Besonderheiten anderer landesrechtlicher Regelungen hervorhebt (Gutachten S. 19 ff.).
39 
Ferner begegnet die mit dem „Systemwechsel“ verbundene Änderung der Behördenzuständigkeit keinen Bedenken hinsichtlich des Rückwirkungsverbots, wie dies in der Berufungsverhandlung geltend gemacht worden ist. § 3 Abs. 3 LVwVfG bzw. § 26 AO gelten nicht, da der Behördenwechsel hier durch das o.a. genannte Gesetz erfolgt ist. Der Übergang kraft Gesetzes bewirkt einen Wegfall der bisherigen Zuständigkeit und die Begründung der Zuständigkeit des Beklagten, ohne dass damit rückwirkend eine Kompetenzübertragung verbunden ist. Vielmehr geht es in diesem Zusammenhang allein um die Fortsetzung des Verfahrens durch die neue Behörde. Sie erfolgt - dem Rechtsgedanken der genannten verfahrensrechtlichen Bestimmungen entsprechend - unter Wahrung der Interessen des Betroffenen, wenn - wie dies hier der Fall ist - sichergestellt ist, dass seine Rechtsstellung durch die Zuständigkeitsänderung nicht nachteilig berührt wird.
40 
(g) Auch eine dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Rechtslage ist nicht festzustellen.
41 
Der Einwand der Berufung, es fehle bereits an der Feststellung, dass im Bundesgebiet die Voraussetzungen für eine Abweichung von der Gemeinschaftsgebühr entsprechend der Vorgabe der RL 85/43/EWG gegeben seien, wird mit dem Hinweis darauf, in § 2a Abs. 1 Satz 2 AGFlHG werde dies lediglich „lapidar“ festgelegt, nicht substantiiert begründet. Warum die dort getroffene Feststellung unzutreffend sein könnte, wird nicht aufgezeigt. Es wird auch verkannt, dass mit ihr der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen ist, nach der der Landesgesetzgeber durch Rechtssatz zu entscheiden hat, dass von der Gemeinschaftsgebühr abgewichen werden darf und dass die Voraussetzungen für eine derartige Abweichung entsprechend den Feststellungen des Bundesministeriums der Gesundheit vom 24.10.1997 (BAnz. Nr. 204, S. 13298) erfüllt sind (s. dazu auch den Vorspann des mit der Berufung vorgelegten Aufsatzes von Orlop in: Fleischwirtschaft 1987, 1481).
42 
Die Rechtswidrigkeit folgt auch nicht aus dem von der Berufung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (dazu Beschluss vom 20.9.1999 -2 S 1558/99 -; ferner Papier, DÖV 1993, 809, 810) angeführten Gesichtspunkt, dass grundsätzlich die Anwendung von nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinien zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers nicht in Betracht komme, weil der nicht umgesetzte Akt keine vertikalen Rechtswirkungen zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers entfalte. Eine fehlende Umsetzung der RL 85/43/EWG sei aber festzustellen, da dort angeführte Betriebe anderer Lebensmittelbereiche nicht mit Gebühren belastet seien. Ob dies der Sache nach auch hier zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn diese Erwägung ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.9.1999 C-374/97, a.a.O.) jedenfalls für die Richtlinie 85/73/EWG nicht tragend. Der Gerichtshof hat dargelegt, dass auch dann, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht innerhalb der Frist umgesetzt habe, ein Einzelner sich der Erhebung von höheren Gebühren als den im Anhang Kapitel I Nr. 1 festgesetzten Pauschalbeträgen nicht widersetzen kann, sofern diese Gebühren die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschreiten. Ein Mitgliedstaat kann danach auch von der ihm durch den genannten Anhang eingeräumten Befugnis, eine spezifische, die Pauschalbeträge übersteigende Gebühr zu erheben, ohne weitere Voraussetzungen unter dem alleinigen Vorbehalt Gebrauch machen , dass die spezifische Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet. Auch darf ein Mitgliedstaat, der die Befugnis zur Erhebung der Gebühren für Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch den kommunalen Behörden übertragen hat, nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie bis zur Höhe der der zuständigen kommunalen Behörde tatsächlich entstandenen Untersuchungskosten höhere Gebühren als die Gemeinschaftsgebühren erheben. Nichts anderes kann im Übrigen auch für die RL 85/73/EWG in ihrer späteren Fassung gelten.
43 
Die o.a. gesetzliche Neuregelung ist auch nicht wegen des mit der Berufung geltend gemachten Einwands rechtswidrig, die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit rückwirkenden EG-Rechts seien nicht beachtet. Denn auf diese Grundsätze kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an. Entgegen der Berufung wird hier EG-Recht nicht rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Für den in § 3 der Rechtsverordnung des Beklagten (rückwirkend) geregelten Gebührenzeitraum ab 1.7.1995 sind maßgeblich zum einen die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 93/118/EG, die bis 1.7.1997 Anwendung gefunden hat. Zum anderen ist ab diesem Zeitpunkt die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG maßgeblich, die die RL 93/118/EWG ersetzt. Die Bezugnahme auf diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erfolgt hier ersichtlich durch das nationale Recht, das das Gemeinschaftsrecht schon mit dieser Beschränkung nicht berührt, sondern lediglich Normlücken des nationalen Gebührenrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts schließt (so zutreffend OVG NW, Urteil vom 14.12.2004 - 9 A 4232/02 - KStZ 2005, 72 m.w.N.). Der Senat hat - allerdings noch mit Blick auf die FlHGebVO 1998 - dargelegt, dass diese eine Rückwirkung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften gerade nicht regele, sondern dass eine mittlerweile außer Kraft getretene EG-Rechtsnorm für einen Zeitraum umgesetzt werde, für den sie sich selbst Rechtswirkung beigemessen hat und für den sie auch umzusetzen war oder unmittelbar Geltung besaß (NK-Urteil vom 5.7.2001 - 2 S 2989/98; vgl. auch BVerwG, Beschluss v. 27.4.2000 - 12.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 21). Daran ist auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung festzuhalten. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, es sei unschädlich, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Neuregelung die Richtlinie 93/118/EG außer Kraft getreten sei. Denn sie sei nicht mit Wirkung „ex tunc“ von Anfang an, sondern „mit Wirkung „ex nunc“ außer Kraft getreten mit der Folge, dass die Rückwirkungsanordnung lediglich für den Zeitraum, in dem diese Gemeinschaftsrechtsakte nach wie vor Gültigkeit haben, an diese anknüpfe (so BVerwG, Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01, a.a.O., S. 488, m.w.N.). Demnach ist eine Auseinandersetzung mit den mit der Berufung aufgezeigten Grundsätzen eines EG-rechtlich begründeten Rückwirkungsverbots entbehrlich (zu ihm s. aber auch das genannte NK-Urteil des Senats vom 5.7.2001 2 S 2989/98 -). Dies gilt auch für den Hinweis der Berufung auf die Ausführungen von Zuleeg in: Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, S. 247, wonach einer Ermächtigung keine rückwirkende Kraft zukommen dürfe. Denn davon kann hier gerade nicht ausgegangen werden, da das Landesrecht - und ihm folgend die Rechtsverordnung des Beklagten - keine rückwirkende Ermächtigung darstellt, sondern lediglich die richtlinienkonforme Anhebung der Gemeinschaftsgebühr für solche Zeiträume eröffnet, in denen das Gemeinschaftsrecht selbst dies zulässt. Dies stellt keinen Fall des (regelmäßig unzulässigen) Gebrauchmachens von einer gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung für einen Zeitraum vor deren Inkrafttreten dar (dazu OVG NW, Urteil vom 14.12.2004, a.a.O.).
44 
Auch der mit der Berufung gerügte „Systemwechsel“ - die Anhebung der Gebühr nicht mehr nach Nr. 4a, sondern nach Nr. 4b des Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG i. d. F. der RL 96/43/EG - ist nicht zu beanstanden. Ob die EG-Pauschalen für bestimmte Betriebe anzuheben sind oder eine Gebühr zu erheben ist, die die tatsächlichen Kosten deckt, ist eine nach den Vorgaben der genannten Richtlinie zu beantwortende Frage, bei der Ermessen eröffnet ist (s. der Wortlaut von Nr. 4 des genannten Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG, ABl. L 162/1, 7). Dieses Ermessen unterliegt keinen weiteren europarechtlichen Einschränkungen. Allerdings hat die Ermessenentscheidung durch „Rechtssatz“ zu erfolgen (dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1996 - 3 C 7.95, BVerwGE 102, 39; Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99, a.a.O.). Dies ist hier mit der Rechtsverordnung des Beklagten erfolgt. Auch durfte der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber hier die Wahl unter mehreren Alternativen überlassen und sich auf die Festlegung der dabei zu beachtenden Grundsätze beschränken (so BVerwG, Urteil vom 24.7.2000, a.a.O.). Dementsprechend ist es dem Verordnungsgeber auch nicht verwehrt, einen „Systemwechsel“ dadurch vorzunehmen, dass er bei einem Abweichen von den EG-Pauschgebühren von der „betriebsbezogenen“ zur „kostendeckenden“ Anhebung übergeht. Auch hinsichtlich dieses Übergangs ist durch die Bestimmung in § 1 Abs. 4 der Rechtsverordnung des Beklagten sichergestellt, dass höhere Gebühren, als sie sich bisher nach den Bestimmungen der FlHGebVO 1998 ergeben hätten, nicht anfallen dürfen. In diesem Wechsel liegt daher auch entgegen dem Vorbringen der Berufung nicht etwa deshalb ein Eingriff in den durch Art. 12 GG geschützten Gewerbebetrieb, weil sich die Betroffenen auf eine betriebsbezogene Anhebung der Gemeinschaftsgebühr eingestellt hätten. Ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb dabei überhaupt als Schutzgut betroffen ist, ist fraglich, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls kann ein „Eingriff“ in dieses Schutzgut schon deshalb ausgeschlossen werden, weil eine weitergehende Belastung durch den Systemwechsel nicht eintreten kann, wie der genannten Bestimmung zu entnehmen ist.
45 
Dass die Gebührenregelungen der Rechtsverordnung des Beklagten deshalb rechtswidrig sein könnten, weil - wie mit der Berufung ferner geltend gemacht ist - der Mitgliedstaat der „Notifizierungspflicht“ aus Art. 6 Abs. 1 RL 85/73/EWG i.d.F. der RL 96/ /EG nicht nachkomme, ist nicht erkennbar. Die Bestimmung normiert eine objektive Rechtsverpflichtung, die weder mit Blick auf Art. 249 EG noch mit Blick auf die damit verbundene Zielsetzung zugleich auch dem subjektiven Schutz des einzelnen Gebührenschuldners dient. Letzteres ist zwar nicht nur bei einer ausdrücklichen normativen Regelung des Drittschutzes, sondern auch dann anzunehmen, wenn die Richtlinie ein bestimmtes mitgliedschaftliches Verhalten regelt, das den Interessen einzelner förderlich ist und sie begünstigt (EuGH, Urteil vom Rs. C-91/92, Slg. 1994, I-3325, 3356 = EuZW 1994, 195, 196 - Facini Dori). Die Pflicht zur regelmäßigen Mitteilung über Aufteilung und Verwendung der Gemeinschaftsgebühr hat indes den Einzelnen nicht im Blick, sondern bleibt Vollzugskontrolle, die allenfalls mittelbar förderlich für den Gebührenschuldner sein könnte. Auch ist das von der Richtlinie geforderte mitgliedschaftliche Verhalten hier ausdrücklich auf die Kommission ausgerichtet („bipolar“) und begründet ersichtlich auch nur ihr gegenüber eine rechtliche Verpflichtung, aus der nicht ohne Weiteres die Drittbegünstigung herzuleiten ist. Auch die im Zusammenhang damit geltend gemachte Verletzung von Art. 249 EG führt nicht zu einer über die bereits oben angesprochene Frage nach der Umsetzung hinausgehenden, eine Begünstigung des Einzelnen umfassenden Bedeutung.
46 
Auch die Höhe der auf der Grundlage der Rechtsverordnung des Beklagten geforderten Gebühren ist mit Blick auf die materiell-rechtlichen Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinien 93/118/EG bzw. 96/43/EG aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
47 
Dem mit der Berufung erhobenen, auch auf die Gebührenhöhe zielenden Einwand, der Grundsatz der Einheitsgebühr sei nicht beachtet, da die Trichinenuntersuchungskosten als allgemeine Anhebung hinzugerechnet seien und dies materiell-rechtlich die unzulässige Erhebung einer gesonderten Gebühr darstelle, ist nicht zu folgen. Wie insbesondere der Bezug auf Anhang A Kapitel I Nr. 4 b der Richtlinie 85/73/EWG in § 1 Abs. 1 der Rechtsverordnung verdeutlicht, werden mit den Gebühren in der Anlage zur Rechtsverordnung ausschließlich „kostendeckende“ Gebühren festgesetzt. Die dabei für die Untersuchung von Schweinefleisch angesetzte Gebühr ist eine einheitliche Gebühr, bei deren Kalkulation die Kosten der Trichinenuntersuchung eingeflossen sind. Dass das „Hinzuaddieren“ EG-rechtlich unbedenklich ist, folgt - wie dargelegt - aus dem o.a. Gesichtspunkt der Kostendeckung, und - technisch - bereits aus der Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung des Rates vom 15.6.1988 über die Beträge der für die Untersuchung und Hygienekontrollen von frischem Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (88/408/EWG) vom 24.1.1989 (BAnz. v. 22.2.1989, S. 901) - im Folgenden: Protokollerklärung 89 - (dort die FN 1 und 3). Der Ausgangspunkt der Erwägung der Berufung, aus den europarechtlichen Vorgaben und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge, dass ein solcher „Rechenvorgang“ auch schon deshalb nicht zulässig sei, weil lediglich die in der RL 85/43/EWG vorgesehene Gemeinschaftsgebühr festgesetzt werden dürfe, ist wie dargelegt nicht zutreffend und ist auch entgegen dem Berufungsvortrag weder aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.6.2002 (3 BN 5.01, n.v.) noch aus der o.a. „Feyrer“-Entscheidung des EuGH herzuleiten.
48 
Im Übrigen lässt sich weder feststellen, dass unzulässigerweise Kosten in Ansatz gekommen sind, noch, dass die Kostendeckungsgrenze überschritten ist. Für den Umfang einer zulässigen Kostendeckung ist materiell-rechtlich auf die vorrangigen EG-rechtlichen Vorgaben zurückzugreifen (vgl. den Rechtsgedanken in § 8 LGebG; ferner BVerwGE 102, 39, Urteil vom 27.4.2000, DÖV 2001, 30).Ein Rückgriff auf einen von diesen abweichenden “nationalen“ Kostendeckungsgrundsatz, wie er in der mündlichen Verhandlung angedeutet worden ist, scheidet daher aus. Die Frage, ob eine Gesamtkostendeckung im Rahmen der Fleischhygieneuntersuchungen zulässig ist, ist demnach in erster Linie anhand der Bestimmungen der o.a. Richtlinien zu beantworten. Wie bereits dargelegt, ist nach der RL 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EWG nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.9.1999 C-374/97, a.a.O.) der Mitgliedstaat bzw. die von ihm für zuständig erklärte kommunale Behörde berechtigt, Gebühren zu erheben, die die tatsächlichen Kosten umfassen. An dieser Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 30.5.2002 - C-284/00 und C-288/00 „Stratmann“ u.a.(DVBl. 2002,1108 ) festgehalten. Unter Tz. 54 ist darauf abgehoben, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 85/73 und Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung 88/408 sowie nach Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 93/118 geänderten Fassung einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühren erheben können, sofern dieser Betrag die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet. Die dann getroffene Feststellung (Tz. 55), keine dieser Bestimmungen gestatte jedoch die Erhebung einer spezifischen Gebühr zusätzlich zu der Gemeinschaftsgebühr, um bestimmte Kosten für Untersuchungen und Kontrollen abzudecken, die nicht in allen Fällen stattfinden, ist entgegen der Ansicht der Berufung keine Einschränkung der Höhe nach, sondern eine solche der Art nach: Sowohl aus dem Anhang der Entscheidung 88/408 als auch aus Kapitel I Nummer 4 Buchstaben a und b des Anhangs der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 93/118 geänderten Fassung ergebe sich vielmehr, dass jede von einem Mitgliedstaat beschlossene Erhöhung den Pauschalbetrag der Gemeinschaftsgebühr selbst betreffen und als dessen Anhebung erfolgen müsse und dass eine spezifische, über die Gemeinschaftsgebühren hinausgehende Gebühr sämtliche tatsächlich entstandenen Kosten abdecken müsse (Tz. 56).
49 
Die so bestimmte Kostendeckungsgrenze wird hier nicht deshalb überschritten, weil - so die Ansicht der Berufung - mit der Einbeziehung von Verwaltungspersonalkosten nicht ansatzfähige Kosten in die Gebührenberechnung eingestellt worden seien. Welche Kosten bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen und daher ansatzfähig sind, richtet sich - wie die Kostendeckung dem Grunde nach - nach den Vorgaben der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft (dazu § 8 LGebG). Nach Art. 1 Abs. 2 der geänderten Richtlinie 85/73/EWG werden die Gebühren in einer Weise festgelegt, dass sie die Kosten decken, die die zuständige Behörde in Form von Löhnen und Gehältern einschließlich Sozialabgaben sowie Verwaltungskosten zu tragen hat. Sie umfassen auch die diesem Bereich zuzuordnenden Personalkosten, wie sich aus der o.a. Protokollerklärung zur Entscheidung 88/408/EWG vom 24.1.1989 (BAnz. 1989, 901) herleiten lässt. Ungeachtet der Frage nach deren rechtlicher Tragweite, die sich mit Blick darauf stellt, dass die genannte Entscheidung durch die Richtlinie 93/118/EG des Rates vom 22.12.1993 zur Änderung der Richtlinie 85/73/EWG (ABl. Nr. L 340, S. 15) aufgehoben worden ist, ist mit der Berufung davon auszugehen, dass die Protokollerklärung die Vorstellungen der beteiligten Gemeinschaftsorgane widerspiegelt, welcher Aufwand bei der Untersuchung dem Grunde nach in Betracht kommt. Als „Rahmenbedingungen“ für eine Bemessung der Gebührenhöhe (so die Einleitung zur Protokollerklärung, a.a.O.) ist ihr entgegen der Ansicht der Berufung allerdings kein Verbot zu entnehmen, tatsächlich entstehende Kosten nicht in Ansatz zu bringen, die zu einer höheren als der pauschal festgelegten Gemeinschaftsgebühr führen. Nach den unter I. festgelegten allgemeinen Grundsätzen der Erklärung werden Untersuchungszeit, Zerlegungsvorgang, Verwaltungskosten und Kosten der Rückstandsuntersuchung und bei der unter II. angeführten „Methode“ die Personalkosten angeführt. Zu den letzteren gehören ausdrücklich „die gesamten Kosten für das Untersuchungs- und Verwaltungspersonal“. Der weiterhin gerügte Ansatz eines „Risikozuschlags“ betrifft Gebührenzeiträume, die hier nicht in Rede stehen. Ohne dass es deshalb darauf ankäme, spricht vieles dafür, diesen für die erwartete tarifvertraglich bedingte Nachzahlung angesetzten Kosten der ansatzfähigen Vergütung zuzuordnen, was gleichfalls der auch mit der Berufung für zutreffend gehaltenen Protokollerklärung nicht widersprechen dürfte.
50 
Dass im Übrigen ein Zeitaufwand von 14,31 Minuten statt den in der Protokollerklärung vorgesehenen 8 Minuten zu Grunde gelegt ist (Nr. 2.3.2 der Kalkulation), ist nicht für sich bereits Grund für die Annahme eines unzulässigen Kostenansatzes. Der Beklagte hat den tatsächlichen Zeitaufwand für die Untersuchung von Rindern festgehalten. Eine strikte Bindung an die Vorgaben der Protokollerklärung ist nach dem oben Gesagten nicht gegeben, ungeachtet des weiteren Umstandes, dass insoweit eine uneingeschränkte Anwendung schon mit Blick auf die im Jahre 1988 als Rahmenbedingung angelegten Grundsätze der Protokollerklärung ausscheidet. Entscheidend ist indes, dass die Zeitangabe für sich nicht hinreichend aussagekräftig ist, sie vielmehr sowohl im Zusammenhang mit der Anzahl der an der Untersuchung beteiligten Tierärzte und Fleischkontrolleure als auch im Zusammenhang mit dem Betriebsablauf zu werten ist. Dass insoweit ein „kostenträchtiges“ Missverhältnis besteht, wird mit der Berufung nicht aufgezeigt.
51 
Auch die Rüge, es fehle bei der Gebührenkalkulation die Darlegung des Zusammenhangs zwischen Kosten und der Fleischhygieneuntersuchung, ist nicht berechtigt. Dass es um Kosten gehen muss, die der Untersuchung von Fleisch zugeordnet werden können, folgt aus der in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 85/43/EWG ausgesprochenen Bindung an die „tatsächlichen Untersuchungskosten“, wie sie im Übrigen auch die o.a. Nr. 4 der Anlage benennt. Für die geforderte Zuordnung kann durchaus auch auf die o.a. Protokollerklärung zurückgegriffen werden, die die gemeinschaftsrechtliche „Vorstellung“ des für den Untersuchungsvorgang Erforderlichen umschreibt. Sie verdeutlicht zugleich aber auch, dass die Zuordnung zur Untersuchung im engeren, technischen Sinn nicht gemeint ist, wie dies mit der Berufung geltend gemacht ist. Dieser weitere Zusammenhang besteht hier für die angesetzte Verwaltungspersonalstelle. Der in der Kalkulation erfolgte Hinweis auf die „VwV-Kostenfestlegung“ v. 20.12.2000 ist die „Inanspruchnahme“ gesicherter Erkenntnisse über die Ansatzfähigkeit und den erforderlichen Umfang von Personalkosten, deren Zuordnung zur Fleischhygieneuntersuchung im Gebiet des Beklagten sich auch aus den dem Senat vorliegenden Akten und deren Umfang erschließen. Anders als dies dem Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 26.8.2004 (12 A 10767/04.OVG - dort UA. S. 11) zu entnehmen ist, auf das sich die Berufung bezieht, geht es hier nicht um lediglich allgemeinen Verwaltungsaufwand (Kosten der Aufsichtsbehörde), bei dem - anders als im Falle des Beklagten - ein Zusammenhang mit der Fleischhygieneuntersuchung gerade fehlt. Dass ein „Hinzuaddieren“ der danach zulässig angesetzten Verwaltungskosten nicht - wie die Berufung meint - zur Festlegung einer Sondergebühr führt, sondern der Berechnung der Gebührenhöhe zuzuordnen ist, ist oben in anderem Zusammenhang bereits dargelegt.
52 
Es fehlt entgegen dem Vorbringen der Berufung auch nicht an einer hinreichenden Darlegung der Bemessungsgrundlagen. Die Gebührenkalkulation weist die Kalkulationsgrundlagen aus, was ausreichend ist und - da ein Rückgriff auf den Aktenbestand des Beklagten eröffnet ist - auch eine hinreichende Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Insbesondere scheitert auch eine Nachprüfbarkeit der mit der Berufung gerügten Ansätze für vollzeittätige Fleischkontrolleure nicht an dem mit dem Rechtsmittel vorgetragenen Umstand, für diesen Personenkreis gelte der „Tarifvertrag Ang aöS“ nicht. Der Beklagte hat dazu nachvollziehbar vorgetragen, dass er in einem ersten Rechenschritt eine Umrechnung der Untersuchungskosten hinsichtlich des Personals auf die einzelnen Tierarten vorgenommen und sich dabei auf eine Vorgabe des Ministeriums Ländlicher Raum Baden-Württemberg aus dem Jahre 1995 gestützt hat. Orientiert hat sich der Beklagte an den EG-rechtlich vorgegebenen Mindestuntersuchungszeiten, um so ein sachgerechtes Verhältnis der Gebührenansätze je Tierart zu erreichen. Damit ist auch der wenig konkrete Einwand der Berufung, der Bedarf an Untersuchungspersonal werde bestritten, entkräftet.
53 
Er steht im Zusammenhang mit dem Berufungsvorbringen, es fehle an der gebotenen Erforderlichkeit der angesetzten Kosten. Insbesondere seien unwirtschaftliche Kosten auszuscheiden. Dem Antrag, hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen, muss nicht durch Beweisaufnahme nachgegangen werden. Er stellt formal eine „Beweisanregung“ dar. Es bestehen bereits Bedenken, ob dieser „Antrag“ dem Gebot hinreichender Bestimmtheit des Beweisthemas genügt, oder ob die mangelnde Bestimmtheit hier nicht bereits - wie regelmäßig - kennzeichnend ist für einen Beweisermittlungsantrag (vgl. BVerwGE 75, 6 ff.). Ungeachtet dessen ist die Frage nach der Ansatzfähigkeit von Kosten eine solche, die der Senat anhand der ihm vorliegenden Unterlagen selbst beurteilen kann, zumal unter Berücksichtigung dessen, dass bei der Annahme zutreffender Kostenarten die Entscheidung zur Erforderlichkeit des Ansatzes der Kosten dann weitgehend den genannten Bestimmungen des EG-Rechts zu entnehmen und ein Einschätzungsspielraum der Behörde nur begrenzt eröffnet ist. Der weitere Hinweis, unwirtschaftliche Kosten seien für nicht vollbeschäftigte amtliche Tierärzte in Ansatz gebracht, wie ein Vergleich zwischen der Vergütung dieses Personenkreises bei privaten und bei öffentlichen Schlachthöfen zeige, rechtfertigt die Bedenken der Berufung nicht. Der Beklagte geht bei der Stundenvergütung von den jeweils maßgeblichen Vergütungssätzen aus, die sich aus den einschlägigen Tarifverträgen ergeben. An diese Vorgaben ist er - ohne dass ihm eine eigenständige Regelungsbefugnis zukommt - gebunden. Von einem Ansatz unwirtschaftlicher Kosten kann daher nicht gesprochen werden.
54 
Dem weiteren Vorbringen, die Fleischhygiene - RVO verstoße auch gegen das Äquivalenzprinzip, das sich mit Blick auf den Zweck, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ergebe, ist nicht zu folgen. Dem liegt die mit der Berufung wiederholt vorgetragene Vorstellung zu Grunde, aus der auch den Wettbewerb in Blick nehmenden Zielsetzung der RL 85/73/EWG folge zwingend, dass dem Betroffenen lediglich die Gemeinschaftsgebühren für Fleischuntersuchungen auferlegt werden dürften. Dass dies nicht zutrifft, folgt aus der o.a. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Nicht zutreffend ist auch der Hinweis der Berufung, es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der „Wert der Leistung für den Gebührenschuldner“ in Blick genommen worden sei, was sich als Ermessensfehlgebrauch erweise. Ob hier überhaupt Raum für die Ausübung von Ermessen verbleibt, ist zweifelhaft. Jedenfalls wird der „Wert der Leistung“ hier bezüglich des geltend gemachten Gesichtspunkts der Äquivalenz nicht außer Acht gelassen. Das Äquivalenzprinzip als Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besagt, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen kommunaler bzw. staatlicher Leistung und erhobener Gegenleistung bestehen muss, wobei der Behörde ein Regelungsspielraum eröffnet ist, den sie nur dann verlässt, wenn sich ein grobes Missverhältnis zwischen den Leistungen ergibt (vgl. etwa BVerwG, Urteil v. 21.10.1994, KStZ 1995, 54, 55 f. m.w.N.). Dafür, dass ein solches Missverhältnis bestehen könnte, ist indes mit der Berufung nichts vorgetragen worden. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte, nimmt man in Blick, dass durch die gebührenpflichtigen Untersuchungen die „Marktfähigkeit“ des geprüften Frischfleisches gesichert wird.
55 
Mit der Berufung ist schließlich die Anregung verbunden, dem Europäischen Gerichtshof die Fragen nach Art. 234 EG vorzulegen, ob für den Mitgliedstaat oder die ihm nachgeordneten Gliedstaaten (Bundesländer) die Möglichkeit besteht, vor ordnungsgemäßer und vollständiger Umsetzung eines Gemeinschaftsrechtsaktes von dessen Ausnahmebestimmung zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers Gebrauch zu machen, und ob die Mitgliedstaaten oder ihre nachgeordneten Gliedstaaten (Bundesländer) rückwirkend von Ausnahmebestimmungen eines umsetzungsbedürftigen Rechtsaktes der Gemeinschaft zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers Gebrauch machen, wenn dieser Rechtsakt entweder während seiner Geltungsdauer überhaupt nicht umgesetzt worden ist oder aber nur eine Teilumsetzung erfahren hat, jedoch eine ordnungsgemäße und vollständige Umsetzung des Rechtsaktes weder in Bundes- noch in Landesrecht erfolgt ist. Wie aus den oben angestellten Gründen folgt, stellen sich diese Fragen in dem hier anhängigen Verfahren nicht.
56 
Der Anspruch auf eine Erstattung von Gebührenleistungen, wie er mit der Berufung gleichfalls geltend gemacht ist, scheidet nach dem Gesagten ebenso aus wie der geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
58 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Sonstige Literatur

 
59 
Rechtsmittelbelehrung:
60 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
61 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
62 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
63 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
64 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
65 
Beschluss vom 30. März 2006
66 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 88.972,34 EUR festgesetzt (§§ 72, 52 Abs. 2 GKG).
67 
Gründe:
68 
Auszugehen ist von dem Berufungsantrag der Klägerin, der ausgerichtet ist auf 1. die Aufhebung der angefochtenen Gebührenbescheide, soweit mit ihnen ein 296.792,90 DM (= 151.747,80) Euro übersteigender Betrag festgesetzt ist, 2. auf Rückzahlung in Höhe von DM 226.168,71 (= 115.638,22 Euro) und 3. auf Zins in Höhe von 5 % über dem Basissatz aus dem Rückzahlungsbetrag. Der Anspruch auf Rückzahlung ist - anders als VG dies vertritt - nicht eigenständig zu bewerten (vgl. § 5 ZPO), daher bei der Streitwertfestsetzung ohne Belang (vgl. u.a. BayVGH , Beschl. v. 18.3.1998, NVwZ-RR 1998, 788); Gleiches gilt für den geltend gemachten Zinsanspruch, der nach § 4 ZPO bei der Festsetzung des Streitwerts unberücksichtigt bleibt. Dementsprechend ist Berechnungsgrundlage (nicht im Streit sind Rückstandsuntersuchungsgebühr und Gebühr für Untersuchungen außerhalb normaler Schlachtzeiten) die Gesamtforderung (252.406,17 + 243.761,97 = 496.168,14 DM) abzüglich Trichinengebühren (12.882,67 + 12.477,80 = 25.360,47 DM), mithin 470.807,67 DM, dieser abzüglich des „anerkannten“ Betrags i.H.v. 296.792,90 DM, mithin der Betrag von 174.014,77 DM (= Euro 88.972,34).
69 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4. November 2008 - 2 K 6135/07 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin hat den Sitz ihres gewerblichen Betriebs, der die Herstellung von Seifen sowie sonstigen Pflegemitteln zum Gegenstand hat, im Gebiet des beklagten Landkreises. Sie wendet sich gegen die Heranziehung zu Abfallgrundgebühren für die Jahre 2005, 2006 und 2007.
Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung für das Jahr 2005 ist die Satzung des beklagten Landeskreises über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 19.11.2001 in der Fassung der 5. Änderungssatzung vom 14.03.2005 - Abfallwirtschaftssatzung - (im Folgenden: AWS 2005). Diese Satzung trat rückwirkend zum 01.01.2002 in Kraft. Für das Jahr 2006 ist die Abfallwirtschaftssatzung vom 19.11.2001 in der Fassung der Änderungssatzung vom 21.11.2005 und für das Jahr 2007 die Neufassung der Abfallwirtschaftssatzung vom 20.11.2006 einschlägig. Die Satzungen sehen übereinstimmend eine mengenunabhängige Grundgebühr für gewerbliche Betriebe vor. Betroffen davon sind alle Betriebe/Einrichtungen, die an die öffentliche Abfallabfuhr angeschlossen oder von dieser als sogenannte Selbstanlieferer zum Restmüllheizkraftwerk förmlich befreit sind. Die Höhe der Grundgebühr bemisst nach den auf das einzelne Betriebsgrundstück anfallenden Nutzflächen, die in einem zweiten Schritt in Nutzeinheiten umgerechnet werden.
Die wesentlichen Bestimmungen der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzungen über die Erhebungen einer Grundgebühr für gewerbliche Betriebe lauten wie folgt:
§ 22
Die Nutzungsgebühren für die Entsorgung von Abfällen, die der Landkreis einsammelt
(1) Für die Entsorgung von Hausmüll (§ 7 Abs. 1), Sperrmüll (§ 7 Abs. 2), Bioabfall (§ 7 Abs. 4), Baum- und Heckenschnitt (§ 7 Abs. 5), schadstoffbelasteten Abfällen (§ 7 Abs. 6), Schrott (§ 7 Abs. 11), Elektro- und Elektronikgeräteschrott (§ 7 Abs. 12), Kühlgeräten (§ 7 Abs. 13) und Abfällen nach § 11 Abs. 2 aus privaten Haushaltungen werden Grundgebühren nach Abs. 2 und Behältergebühren nach Abs. 3 erhoben. Die §§ 23 und 24 bleiben unberührt.
(2) Die Grundgebühr bemisst sich nach der Zahl der auf einem Grundstück vorhandenen Wohneinheiten (§ 7 Abs. 17).
Sie beträgt jährlich je Wohneinheit … Euro.
Die Grundgebühr je Wohneinheit beinhaltet vier Sperrmüllgutscheine zu 0,5 m³ bzw. 60 kg Sperrmüll; diese sind bis zum Ende des übernächsten Kalenderjahres gültig.
(3) Die Behältergebühr bemisst sich nach der Zahl und der Größe der zur Abfuhr bereitgestellten Abfallbehälter sowie der Zahl der Leerungen.
10 
Die Gebühren betragen:
11 
1. ….
12 
(4) Für die Entsorgung von hausmüllähnlichen Abfällen (§ 7 Abs. 3), Abfällen nach § 5 und Bioabfällen (§ 7 Abs. 4) werden Grundgebühren nach Abs. 5 und 6 sowie Behältergebühren nach Abs. 7 erhoben. Die §§ 23 und 24 bleiben unberührt.
13 
(5) Die Grundgebühr bemisst sich nach den Nutzeinheiten eines Grundstücks zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld. Erstreckt sich eine Nutzung über mehrere aneinandergrenzende Grundstücke desselben Eigentümers, bestimmt sich die Grundgebühr nach der Gesamtheit der Nutzeinheiten.
14 
Nutzeinheiten (NE) sind:
15 
a) bis 200 m² Nutzfläche
0,5 NE,
b) von 201 m² bis 400 m² Nutzfläche
1 NE, 
c) von 401 m² bis 800 m² Nutzfläche
2 NE, 
d) von 801 m² bis 1300 m² Nutzfläche
3 NE, 
e) von 1301 m² bis 1800 m² Nutzfläche
4 NE, 
f) von 1801 m² bis 2600 m² Nutzfläche
5 NE, 
g) jede weiteren angefangenen 800 m²
        
Nutzfläche
1 zusätzliche NE.
16 
Die Nutzfläche ergibt sich durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse. Dazu gehören auch Lager-, Büro- und Sozialräume. Die Nutzfläche von Wohneinheiten (§ 7 Abs. 17) und PKW-Abstellplätze innerhalb der Bauwerksflächen für Beschäftigte, Besucher und Kunden bleibt bei der Nutzflächenermittlung unberücksichtigt.
17 
Wird die überwiegende Nutzfläche entweder landwirtschaftlich oder im Jahresdurchschnitt nur bis zu sechs Stunden täglich genutzt oder länger als ein halbes Jahr tatsächlich nicht genutzt, so wird auf Antrag diese Nutzfläche nur zur Hälfte angerechnet.
18 
Die Nutzfläche wird auf volle Quadratmeter abgerundet.
19 
Die Grundgebühr je Nutzeinheit betrug nach § 22 Abs. 6 der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzung im Jahre 2005 132,-- EUR, im Jahre 2006 96,-- EUR und im Jahre 2007 94,80 EUR. Die Leerungsgebühr für einen 120 l-Müllbehälter betrug nach § 22 Abs. 7 der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzung im Jahre 2005 je Entleerung 4,50 EUR, im Jahr 2006 je Entleerung 5,50 EUR und im Jahre 2007 je Entleerung 4,90 EUR.
20 
Die Klägerin ist Eigentümerin der aneinandergrenzenden Grundstücke Flst. Nr. 3861 (B... Straße 26) und Flst. Nr. 3860 (B... Straße 28) in W... sowie der aneinandergrenzenden Grundstücke Flst. Nr. 3854/1 (B... Straße 27) und Flst. Nr. 3853/1 ebenfalls in W...
21 
Der Beklagte ordnete gegenüber der Klägerin mit sofort vollziehbarer Verfügung vom 29.01.2003 die Behälternutzungspflicht an und drohte zugleich die Ersatzvornahme durch Bereitstellung eines 120 l-Müllbehälters an. Nachdem die zunächst zwischen den Beteiligten streitige Frage der Rechtmäßigkeit der Behälternutzungspflicht (Pflichtrestmülltonne) durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.02.2005 (7 C 25.03 - BVerfGE 123, 1 und 7 CN 6.04 - NVwZ 2005, 695) im Sinne des Beklagten geklärt war, meldete die Klägerin für ihre Betriebsgrundstücke B... Straße 26 und 28 in Behältergemeinschaft und B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 ebenfalls in Behältergemeinschaft jeweils einen 120 l-Müllbehälter an. In den Jahren 2005 bis 2007 stellte die Klägerin die beiden 120 l-Müllbehälter nicht zur Entleerung bereit.
22 
Mit Bescheiden vom 25.10.2006 setzte der beklagte Landkreis für das Jahr 2005 für die Grundstücke B... Straße 26 und 28 eine Abfallgrundgebühr in Höhe von 1.672,-- EUR (19 NE zu je 132,-- EUR für 8 Monate) und für die Grundstücke B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 eine Abfallgrundgebühr in Höhe von 792,-- EUR (9 NE zu je 132,-- EUR für 8 Monate) fest.
23 
Für das Jahr 2006 setzte der beklagte Landkreis ebenfalls mit Bescheiden vom 25.10.2006 eine Abfallgrundgebühr in Höhe von 1.824,-- EUR (19 NE zu je 96,-- EUR) für die Grundstücke B... Straße 26 und 28 und eine Grundgebühr in Höhe von 864,-- EUR (9 NE zu je 96,-- EUR) für die Grundstücke B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 fest.
24 
Mit weiteren Bescheiden vom 23.02.2007 setzte der beklagte Landkreis für das Jahr 2007 eine Grundgebühr in Höhe von 1.801,20 EUR (19 NE zu je 94,80 EUR) für die Grundstücke B... Straße 26 und 28 sowie eine Grundgebühr in Höhe von 853,20 EUR (9 NE zu je 94,80 EUR) für die Grundstücke B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 fest.
25 
Die gegen die genannten Bescheide von der Klägerin erhobenen Widersprüche wies der Beklagte jeweils mit Widerspruchsbescheiden vom 21.11.2007 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Erhebung einer Grundgebühr unter Anwendung eines grundstücksbezogenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs sei in der Rechtsprechung anerkannt. Mit der Zunahme der Nutz- und Betriebsfläche auf einem Grundstück nehme erfahrungsgemäß - aufgrund der damit verbundenen höheren Produktionsfläche und/oder der höheren Beschäftigtenzahl - auch die Abfallmenge zu.
26 
Die Klägerin hat am 07.12.2007 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und beantragt, die Abfallgebührenbescheide betreffend ihrer Grundstücke in W... für die Veranlagungsjahre 2005, 2006 und 2007 einschließlich der dazu ergangenen Widerspruchsbescheide aufzuheben. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der vom Beklagten gewählte Gebührenmaßstab der Nutzfläche für Gewerbebetriebe sei rechtswidrig, weil kein Zusammenhang zwischen der Nutzfläche des Grundstücks und dem Anfall von Müll bestehe. Es handele sich daher um einen willkürlich gewählten Maßstab. Es gebe Betriebe mit großer Nutzfläche, deren Abfall leicht verwertet werden könne, und andererseits Betriebe mit geringer Nutzfläche und viel Abfall zur Beseitigung. Bei der Regelung sei nicht beachtet worden, dass die Betriebe nur verpflichtet seien, Abfall zur Beseitigung dem Landkreis zu überlassen, nicht jedoch den Abfall zur Verwertung. Im Übrigen müsse die Grundgebühr für alle Nutzer gleich festgesetzt werden. Gewerbebetriebe würden im Vergleich mit den Privathaushalten überproportional zu den Vorhaltekosten herangezogen. Zwischen den Gewerbebetrieben und den privaten Haushaltungen bestünden keine wesentlichen Leistungsunterschiede, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Zudem komme es auch zu einer Ungleichbehandlung der einzelnen Gewerbebetriebe untereinander. Das Verhältnis von Grundgebühr zur Leerungsgebühr sei zu beanstanden, weil die Grundgebühr ein Vielfaches der Leerungsgebühr betragen könne. Die flächenbezogene Grundgebühr übe eine Lenkungswirkung auf die betriebliche Abfallentsorgung aus, die mit den Zielen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und mit dem europarechtlichen Vorrang der Abfallverwertung unvereinbar sei. Die leistungsbezogenen Leerungsgebühr falle gegenüber den hohen Grundgebühren kaum noch ins Gewicht. Es entstehe deshalb ein erheblicher Anreiz zur Nutzung der kommunalen Müllverbrennungsanlage, die Abfälle nicht verwerte, sondern beseitige. Da dies besonders kostengünstig sei, würden Betriebe veranlasst, auch Abfälle zur Verwertung dem Landkreis zu überlassen.
27 
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert: Der Nutzflächenmaßstab sei aus Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt. Auch liege ein Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben nicht vor. Mit der Grundgebühr sei insbesondere keine dem Abfallrecht widersprechende Lenkungswirkung verbunden. Es sei nicht festgestellt worden, dass dem Landkreis mit Einführung der Grundgebühr vermehrt Abfall zur Verwertung überlassen worden sei. Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Abfällen hätten die Möglichkeit nachzuweisen, dass sämtliche gewerbliche Abfälle verwertet würden. In diesem Fall entfalle die Behälternutzungspflicht vollständig, da kein Anschluss- und Benutzungszwang bestehe. Bestehe aber die Behälternutzungspflicht nach den Regelungen der Abfallwirtschaftssatzung, so sei der mit der Erhebung der Grundgebühr verbundene Anreiz, der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nachzukommen, legitim.
28 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 04.11.2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Erhebung einer Grundgebühr für Gewerbebetriebe sei dem Grunde nach zulässig. Bezugspunkt der Grundgebühr sei die abrufbare Vorhalteleistung und nicht die tatsächliche Inanspruchnahme. Deshalb sei eine Differenzierung nach dem Maß der Benutzung der Müllabfuhr nicht in gleicher Weise geboten wie bei der Leistungsgebühr. Der Vorteil, jederzeit seinen Abfall zur Beseitigung dem Beklagten überlassen zu können, sei für einen Großbetrieb deutlich größer als für einen Kleinbetrieb.
29 
Der Maßstab der Nutzeinheiten sei für die Prognose und die Bedarfsplanung besonders geeignet, weil er unabhängig von dem auf dem Grundstück anfallenden Abfall sei und keinen laufenden Änderungen unterliege. Hinzu komme, dass dieser Maßstab der Behörde eine gewisse Planungssicherheit vermittele. Nach dem dualen Abfallbegriff seien Abfälle, die aufgrund einer Wiederverwertung oder einer sonstigen Nutzung als sog. Sekundärrohstoffe im Wirtschaftskreislauf verwertbar seien, noch keine Abfälle zur Verwertung. Ob bestimmte Stoffe, die in einer Betriebsstätte als Abfall angefallen seien, Abfall zur Verwertung seien, entscheide sich erst dann, wenn der Abfallerzeuger/ -besitzer für sie einen konkreten Verwertungsweg sichergestellt habe. Es hänge daher weitgehend vom Willen des Abfallbesitzers ab, ob ein Stoff Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung sei. Der Abfallbesitzer könne sich bestimmter verwertbarer Abfallfraktionen auch dadurch entledigen, dass er sie dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlasse, der selbst etwaige Verwertungsmöglichkeiten erneut zu prüfen habe. Diese Möglichkeit werde der Abfallbesitzer und Gebührenschuldner vor allem dann nutzen, wenn die bei ihm anfallenden Abfallfraktionen - abhängig von der wirtschaftlichen Situation - mangels Marktwert nicht wie bisher kostengünstig über einen privaten Entsorgungsträger verwertet werden könnten. Der Beklagte könne sich auch in diesem Fall seiner Pflicht zur Verwertung bzw. Beseitigung nicht entziehen. Dem gewerblichen Abfallbesitzer sei durch die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung mithin garantiert, dass er sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen könne. Deshalb sei es gerechtfertigt, ihn ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang er die Müllabfuhr nutze, angemessen an den Vorhaltekosten zu beteiligen.
30 
Entgegen der Behauptung der Klägerin entfalte die Gewerbegrundgebühr auch keine dem Abfallrecht widersprechende Lenkungswirkung. Es erscheine zwar nicht ausgeschlossen, dass Gewerbebetriebe ihren Abfall zur Verwertung, den sie bisher einem privaten Entsorgungsträger übergeben hätten, dem Landkreis als Abfall zur Beseitigung andienten, weil die Gewerbegrundgebühr in jedem Fall bezahlt werden müsse und die Leerungsgebühren günstig erschienen. Ein derartiges Verhalten sei jedoch vom Satzungsgeber nicht erwünscht und könne ihm daher auch nicht zugerechnet werden. Dem Beklagten sei es bei der Einführung der Gewerbegrundgebühr ersichtlich darum gegangen, die Gewerbebetriebe angemessen an den Vorhaltekosten zu beteiligen und gleichzeitig für sie einen Anreiz zu schaffen, ihren Abfall zur Beseitigung dem Landkreis zu überlassen und nicht über sogenannte Scheinverwertungen auf anderen, billigeren Abfalldeponien außerhalb des Landkreises zu entsorgen. Dieses Ziel, auch bei gewerblichen Siedlungsabfällen eine ortsnahe Entsorgung sicherzustellen, stehe in Einklang mit den Zielvorstellungen des Abfallrechts und insbesondere auch mit dem gemeinschaftsrechtlich geltenden Näheprinzip.
31 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor: Die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstücks, das jeweils an die Abfallentsorgung angeschlossen sei, sei weder mit dem abgabenrechtlichen Äquivalenzprinzip noch mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar.
32 
Der Maßstab für die Erhebung der Grundgebühren müsse auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die im Regelfall in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulasse. Vor diesem rechtlichen Hintergrund könne nicht davon ausgegangen werden, dass in Betrieben, deren Nutzfläche innerhalb einer bestimmten Bandbreite liege, ungefähr gleich große Mengen an Abfall zur Beseitigung anfielen. Dies folge bereits daraus, dass die Betriebe gesetzlich zur Vermeidung und gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG - vor allem - zur Verwertung von Abfällen verpflichtet seien. Ob und in welchem Umfang ein Unternehmen Abfälle beseitigen lasse, richte sich nicht nach der Größe der betrieblich genutzten Fläche, sondern nach der technischen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Abfallverwertung (vgl.§ 5 Abs. 4 KrW-/AbfG). Für betriebliche Abfälle, die verwertet würden, bestehe deshalb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG schon keine Verpflichtung zur Überlassung von Abfällen an den Beklagten und damit keine Verpflichtung zur Inanspruchnahme der vom Beklagten „vorgehaltenen“ Entsorgungseinrichtungen. Sie sei somit für die Entsorgung ihrer betrieblichen Abfälle in erster Linie nicht zur (gebührenpflichtigen) Inanspruchnahme der Einrichtungen des Beklagten, sondern zur eigenverantwortlichen Abfallverwertung verpflichtet. Hierdurch unterscheide sich die Abfallrechtsordnung für betriebliche Abfälle gravierend von der Rechtslage beim Hausmüll. Es gebe Betriebe mit großer Nutzfläche, deren Abfälle problemlos verwertet werden könnten (und nach § 5 Abs. 2, Abs. 4 KrW-/AbfG verwertet werden müssten), bei denen also nur geringe Mengen an Abfall zur Beseitigung entsorgt werden müssten. Folglich stelle die Nutzfläche kein zuverlässiger Indikator für die von den einzelnen Betrieben erzeugte bzw. zu entsorgende Menge an Abfällen zur Beseitigung dar. Auch unabhängig von der Pflicht der Unternehmer zur Vermeidung von Abfällen hänge die Menge der anfallenden Abfälle in aller erster Linie von der Branche des Unternehmens ab und davon, was konkret produziert werde, mithin ob es sich um ein materialintensives Industrieunternehmen handele oder um einen eher arbeitskraftintensiven Betrieb. Folglich sei davon auszugehen, dass - wenn überhaupt - nur ein sehr loser Zusammenhang zwischen der Nutzfläche eines Grundstücks und der anfallenden Abfallmenge bestehe. Dies genüge jedoch nicht. Erforderlich sei vielmehr, dass die Bemessungsgrundlage in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das Maß der Benutzung zulasse. Das sei hier nicht der Fall.
33 
Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht weiter davon aus, dass bei der Grundgebühr ihrem Wesen nach die Differenzierung nach dem Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtungen nicht in gleicher Weise geboten sei wie bei der Leistungsgebühr. Zwar bringe es das Wesen der Grundgebühr mit sich, dass sie in ihrer Höhe nicht unmittelbar von der tatsächlich im Betrieb angefallenen Abfallmenge abhängig sein könne. Eine Grundgebühr zeichne sich im Gegensatz zu einer Leistungsgebühr dadurch aus, dass sie die verbrauchsunabhängig anfallenden Fixkosten abgelten solle, die für das Bereithalten der Abfallentsorgungseinrichtungen entstünden. Die Erhebung von Grundgebühren sei deshalb durch die Erwägung gerechtfertigt, dass die Betroffenen die Abfallentsorgungseinrichtung jederzeit in Anspruch nehmen könnten. Als Benutzungsgebühr müsse sich die Grundgebühr jedoch an der zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung orientieren, mithin auch an der aus der Sicht ex ante zu erwartenden Abfallmenge. Nur insoweit erscheine es gegenüber den anderen Gebührenschuldnern gerechtfertigt, dass der jeweilige Betroffene die für die Abfallentsorgungseinrichtung anfallenden Fixkosten trage. Die Höhe der Grundgebühr habe sich daher prinzipiell in gleicher Weise am Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtungen zu orientieren wie die Höhe einer Leistungsgebühr. Der Unterschied liege lediglich darin, dass das Prognoseelement bei der Grundgebühr stärker sei.
34 
Der von dem beklagten Landkreis gewählte Maßstab verstoße auch gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit. Danach sei eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte nur so lange gerechtfertigt, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem „Typ“, also dem Regelfall widersprächen. Der Regelfall bestehe nach den Vorstellungen des Satzungsgebers offensichtlich darin, dass die Menge des anfallenden Abfalls unmittelbar von der Größe der Nutzfläche des konkreten Gewerbebetriebs abhänge, so dass dieser in angemessener Weise zur Kostentragung herangezogen werde und weder im Vergleich mit anderen Betrieben noch im Verhältnis zu der Leistung, die er erhalte, unverhältnismäßig viel oder unverhältnismäßig wenig für die Abfallentsorgung bezahlen müsse. Nach dem Grundsatz der Typengerechtigkeit dürften aber nur 10 % aller Fälle diesem Bild widersprechen. Es sei aber anzunehmen, dass mindestens 30 % bis 40 % der Gewerbebetriebe im Landkreis Böblingen diesem Bild widersprächen, weil ihre Nutzfläche keine Rückschlüsse auf die überlassungspflichtige Abfallmenge erlaube. Der Satzungsgeber selbst räume ein, dass es Betriebe mit geringerer Nutzfläche und höherem Müllaufkommen gebe. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gebe es auch keinen Grund, vom Grundsatz der Typengerechtigkeit im Abfallrecht abzuweichen. Deshalb sei auch hier die 10 %-Grenze maßgeblich. Sofern der Bürger gezwungen sei, öffentliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, müssten erhöhte Anforderungen an die Angemessenheit der zu entrichtenden Gegenleistung gestellt werden. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Berechnungserwägungen in einer großen, vielleicht sogar der überwiegenden Zahl der tatsächlichen Fälle nicht tragen würden. Selbst wenn man nicht von einer starren 10 %-Grenze ausgehe, habe der Satzungsgeber seinen Spielraum vorliegend überschritten.
35 
Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht auch der Auffassung, die in § 22 Abs. 5 der einschlägigen Satzungen geregelte Berechnung der Nutzfläche sei nicht zu beanstanden. Die dort festgelegte Berechnungsmethode führe dazu, dass jeweils eine größtmögliche Nutzfläche in Ansatz gebracht werde, die die Grundgebühr erhöhe. Würde man hingegen die Berechnung nach der DIN 277, der allgemein gültigen Norm für die Berechnung von Nutzflächen, durchführen, würde von vornherein ein Großteil der auf der Grundlage des § 22 Abs. 5 der einschlägigen Satzungen anzusetzenden Fläche außer Betracht bleiben.
36 
Die vom Beklagten gewählte Art der Gebührenbemessung gebe ferner Anreize, gewerbliche Siedlungsabfälle nicht im Einklang mit den rechtlichen Verpflichtungen zu verwerten, sondern der kommunalen Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung zu überlassen. Dies verstoße gegen Europäisches Recht, Bundesrecht und Landesrecht. Der Vorrang der Abfallverwertung vor der Abfallbeseitigung sei verbindliches Ziel im Sinne von Art. 249 Abs. 3 EGV und damit zwingendes, für die Mitgliedsstaaten verbindliches EG-Abfallrecht. Im deutschen Recht habe der Vorrang der Verwertung seinen Niederschlag in § 5 Abs. 2 und Abs. 4 KrW-/AbfG gefunden. Auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG in der bis zum 30.03.2005 geltenden Fassung sollten öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Gebührentatbestände so ausgestalten, dass sich daraus nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung sowie zur Abfalltrennung ergäben. Diesen Vorgaben widerspreche der vom Beklagten gewählte Gebührenmaßstab. Der Beklagte habe beabsichtigt, auch solche Abfälle wieder in die kommunalen Beseitigungseinrichtungen zu lenken, die verwertet werden könnten und vor Einführung der flächenbezogenen Grundgebühr auch verwertet worden seien. Diese Absicht des Satzungsgebers ergebe sich bereits aus der Kreistagsdrucksache 51/2000.
37 
Die flächenbezogene Grundgebühr setze auch objektiv starke Anreize zur Abfallüberlassung und damit zur Abfallbeseitigung, denen sich ein im Wettbewerb stehender Gewerbebetrieb aus Kostengründen nicht entziehen könne. Da die Leerungsgebühr neben der Grundgebühr nicht sehr stark ins Gewicht falle, liege es für die Gewerbebetriebe nahe, die kommunale Müllverbrennungsanlage zu nutzen, in der die Abfälle nicht verwertet würden. Die dem Beklagten überlassenen Abfälle würden in der Böblinger Müllverbrennungsanlage thermisch beseitigt. Auch eine Sortierung des Restmülls zur anschließenden Verwertung von Teilfraktionen finde nicht statt. Da die verhältnismäßig hohe Grundgebühr ohnehin entrichtet werden müsse, würden die Betriebe veranlasst, auch Abfälle, die sonst einer Verwertung zugeführt würden, dem Beklagten zu überlassen.
38 
Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht schließlich davon aus, dass eine vermehrte Überlassung von Abfällen zur Verwertung dem Satzungsgeber nicht zurechenbar wäre, weil dies von ihm nicht „erwünscht“ sei. Aus der Begründung des Satzungsgebers in der zitierten Kreistagsdrucksache ergebe sich zwangslos, dass die Unternehmen dazu veranlasst werden sollten, bisher als sogenannten Verwertungsabfall entsorgte Mengen wieder über die öffentliche Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung anliefern zu lassen. Auch die tatsächlichen Auswirkungen der gewählten Gebührengestaltung stünden außer Frage. Wenn das Verwaltungsgericht meine, dass es dem Beklagen nur darum gehe, Scheinverwertungen auf anderen, billigeren Abfalldeponien außerhalb des Landkreises auszuschließen und eine ortsnahe Entsorgung zu sichern, setze es eigene Erwägungen an die Stelle der Erwägungen des Satzungsgebers. Abgesehen davon werde in Abrede gestellt, dass es sich hierbei um ein rechtlich zulässiges Kriterium handele.
39 
Die Klägerin beantragt,
40 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 04.11.2008 - 2 K 6135/07 - zu ändern und die beiden Abfallgebührenbescheide des Beklagten vom 25.10.2006 sowie den Bescheid vom 23.02.2007 betreffend die Grundstücke B... Straße 26 und 28 in W...
41 
und die beiden Abfallgebührenbescheide vom 25.10.2006 sowie den Bescheid vom 23.02.2007 betreffend die Grundstücke B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 ebenfalls in W... sowie die dazu ergangenen Widerspruchsbescheide vom 21.11.2007 aufzuheben.
42 
Der Beklagte beantragt,
43 
die Berufung zurückzuweisen.
44 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Der Maßstab der Grundgebühr müsse sich an der Vorhalteleistung und der abrufbaren Lieferbereitschaft orientieren. Dieser Maßstab könne - wie allgemein bei Abfallgebühren - nur ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab sein. Bei der Wahl des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sei neben dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichbehandlungsgebot auch der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz der Praktikabilität zu berücksichtigen. Aus diesem Grundsatz der Praktikabilität könnten sich Rechtfertigungsgründe für eine abgabenrechtliche Ungleichbehandlung ergeben, wenn eine dem strikten formalen Gleichbehandlungsgebot entsprechende Gebührenbemessung zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führen würde, der in Anbetracht nur geringfügiger Auswirkungen mit Blick auf den erreichbaren Erfolg einer tragfähigen Relation entbehre. Aus dem Grundsatz der Praktikabilität folge insbesondere, dass der Erhebungsaufwand und der Änderungsaufwand der Verwaltung bei Änderung der Bemessungsgrundlagen möglichst gering gehalten werden müssten. Danach begegne der für die Erhebung von Grundgebühren gewählte Maßstab der „Nutzeinheiten eines Grundstücks“ keinen rechtlichen Bedenken. Der gestaffelte Nutzflächenmaßstab sei ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der nicht offensichtlich sachwidrig sei, weil eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass mit steigender Nutzfläche eines Gewerbes auch die Abfallmenge steige.
45 
Ohne Erfolg berufe sich die Klägerin darauf, die Menge des anfallenden Abfalls und damit auch der Umfang der Vorhalteleistung hänge in aller erster Linie von der Branche des Unternehmens ab. Angesichts der strukturellen Unterschiede der in Betracht kommenden Gewerbe würde es einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeuten, für jeden Einzelfall die „Grundgebührenbedeutung“ eines Gewerbes zu ermitteln. Aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Praktikabilität könnten sich deshalb Rechtfertigungsgründe für eine abgabenrechtliche Ungleichbehandlung ergeben, wenn eine dem streng formalen Gleichbehandlungsgebot entsprechende Gebührenbemessung zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen würde, der in Anbetracht betragsmäßig nur geringfügiger Auswirkungen und mit Blick auf den erreichbaren Erfolg einer tragfähigen Relation entbehre. Für die Zulässigkeit des gewählten Gebührenbemessungsmaßstabes sei deshalb ausreichend, dass ein sachlicher Bezug zwischen dem Gewerbegrundstück und seiner Nutzung, wie sie in der „Nutzeinheit“ zum Ausdruck komme, einerseits und der Entstehung der nicht nach dem Aufkommen an Abfallmengen zu messenden Vorhaltekosten der Einrichtung anderseits bestehe. Insoweit sei schon immer anerkannt gewesen, dass nicht nur die Anzahl der Beschäftigten oder die ausgeübte Branche, sondern auch der Umfang der gewerblichen Nutzungsflächen einen gewissen Rückschluss auf die jeweils anfallenden Abfallmengen zuließen. Dass der gewählte Maßstab der Nutzeinheiten ein verhältnismäßig grober Maßstab sei, stehe seiner Rechtmäßigkeit nicht entgegen. Die Behauptung der Klägerin, die Höhe der Grundgebühr habe sich prinzipiell in gleicher Weise am Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtung zu orientieren wie die Höhe einer Leistungsgebühr, entbehre insoweit jeglicher Grundlage und auch Begründung. Damit verkenne die Klägerin, dass die Grundgebühr für Vorhalteleistungen erhoben werde, die gerade nicht am tatsächlichen Abfallaufkommen zu messen seien.
46 
Um eine dem Gleichbehandlungsgebot weiter Rechnung tragende Behandlung in Einzelfällen zu sichern, sei im Übrigen in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 eine Staffelung des Maßstabs der Nutzeinheiten und damit eine weitere Unterscheidung geregelt. Damit sei mit Blick darauf, dass die Grundgebühr nur der (teilweisen) Deckung der nicht nach dem Aufkommen an Abfallmengen zu messenden Vorhaltekosten diene, sowohl dem abgabenrechtlichen Äquivalenzprinzip als auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz hinreichend Rechnung getragen.
47 
Der Gebührenmaßstab werde auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e) LAbfG in der bis zum 30.03.2005 geltenden Fassung gerecht, wonach bei der Gebührenbemessung bei der Erhebung von Benutzungsgebühren für die Abfallentsorgungseinrichtungen auch „das Aufkommen der Abfälle zur Beseitigung und der Abfälle der Verwertung als Gebührenmaßstab“ berücksichtigt werden solle. Entscheidend sei insoweit, dass neben der nach Nutzeinheiten eines Grundstücks bemessenen Grundgebühr für die Entsorgung von Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen auch Entleerungsgebühren erhoben würden. Diese Entleerungsgebühren würden sich nach der Größe (Behältervolumen) sowie der Anzahl der zur Abfuhr bereit gestellten Abfallgefäße bemessen und seien damit in vollem Umfang abhängig vom Aufkommen der Abfälle zur Beseitigung. Würden Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungseinrichtungen jedoch teils als Grundgebühren und teils als Leistungsgebühren erhoben, müsse die Gebührenregelung nur insgesamt den Anforderungen der genannten Vorschrift des Landesabfallgesetzes entsprechen. Im Übrigen sei die „Soll“-Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e LAbfG zum 30.03.2005 außer Kraft getreten und nunmehr durch die „Kann“-Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 4 KAG ersetzt worden. Für den hier fraglichen Gebührenbemessungszeitraum der Jahre 2005 bis 2007 sei deshalb die Neuregelung einschlägig.
48 
Ohne Erfolg rüge die Klägerin ferner, die Definition der Nutzfläche in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 weiche von der Ermittlung der Nutzfläche nach der DIN 277-1 und der DIN 277-2 ab. Der weite Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers erfasse nicht nur die Wahl des Gebührenmaßstabes, sondern auch dessen Ausgestaltung. Deshalb sei es ihm nicht verwehrt, in der Abfallwirtschaftssatzung eine Definition des Nutzflächenmaßstabs zu regeln, die von anderen Nutzflächenberechnungen abweiche. Die DIN 277 gelte für die Berechnung der Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken oder Bauwerksteilen, soweit diese für die Ermittlung der Kosten von Hochbauten und für den Vergleich von Bauwerken erforderlich seien. Sie diene damit von vornherein anderen Zwecken als die Regelung des Gebührenmaßstabes für die Erhebung von Grundgebühren für die Inanspruchnahme von Vorhalteleistungen der Abfallentsorgungseinrichtung. Im Rahmen der Diskussion über geeignete Gebührenmaßstäbe für die Erhebung von Grundgebühren sei zunächst erwogen worden, bei der Anwendung des Nutzflächenmaßstabes auf die Definition der Nutzfläche in der DIN 277 zurückzugreifen Davon sei jedoch unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit abgesehen worden.
49 
Zu Unrecht behaupte die Klägerin schließlich, die Wahl des Nutzeinheitenmaßstabes als Bemessungsmaßstab für die Erhebung von Grundgebühren verstoße gegen den Vorrang der Abfallverwertung. Die mit der Grundgebührenregelung verknüpfte Schaffung eines Anreizes, der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG nachzukommen, widerspreche nicht den Regelungen des Bundesgesetzgebers, sondern entspreche diesen gerade.
50 
Ein über den Anreiz, der Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG nachzukommen, hinausgehender Anreiz, auch Abfälle zur Verwertung dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Entsorgung zu überlassen, werde dagegen durch die Gebührenregelung nicht geschaffen. Zwar könne das Risiko, dass es auch mit Blick auf die Erhebung der Grundgebühr in Einzelfällen zu „Fehlwürfen“ komme, nicht ausgeschlossen werden. Dies sei jedoch kein Indiz dafür, dass der Satzungsgeber dem Abfallerzeuger die Erfüllung der vorrangigen Verwertungspflicht unmöglich mache oder unzumutbar erschwere. Derartige Fehlwürfe würden der Pflichtenregelung des Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetzes widersprechen und wären deshalb ein rechtswidriges Verhalten des Abfallerzeugers bzw. Abfallbesitzers. Ein solches rechtswidriges Verhalten wäre dem Satzungsgeber von vornherein nicht zuzurechnen.
51 
Ein Anreiz, auch Abfälle zur Verwertung dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Entsorgung zu überlassen, werde auch deshalb nicht geschaffen, weil für die Überlassung von Abfällen zur Entsorgung an den Beklagten die satzungsgemäße Leerungsgebühr anfalle. Es handele sich nicht um eine kostenlosen Entsorgung, mit der ein entsprechender Anreiz verbunden sein könnte. Auch sei es Erzeugern und Besitzern von gewerblichen Siedlungsabfällen unbenommen darzulegen, dass in ihrem Gewerbebetrieb ausschließlich Abfälle anfielen, die verwertet werden könnten. Gelinge diese Darlegung, seien sie nicht verpflichtet, einen Abfallbehälter vorzuhalten, da sie insoweit nicht dem kommunalrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang unterstellt seien. Im Übrigen würden Abfälle zur Verwertung einer Verwertung selbst dann nicht entzogen, wenn sie dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Entsorgung überlassen würden. Dies gewährleiste § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbflG, wonach auch bei der Überlassung von Abfall zur Verwertung an den Beklagten der Vorrang der Abfallverwertung beachtet werden müsse. Mit dem Übergang des Abfallbesitzes auf den kommunalen Entsorgungsträger wechsele nur der Adressat des Verwertungsgebots. Ob der Beklagte der Verwertungsverpflichtung nachkomme oder nicht, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
52 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
53 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Abfallgebührenbescheide des Beklagten für die Veranlagungsjahre 2005, 2006 und 2007 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hier zu beurteilende Abfallgrundgebühr für gewerbliche Betriebe hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
54 
Die Abfallgebührenbescheide für das Jahr 2005 beruhen auf der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten vom 19.11.2001 i.d.F. der 5. Änderungssatzung vom 14.03.2005 (AWS 2005), die für dieses Veranlagungsjahr rückwirkend in Kraft trat. Für die Gebührenbescheide des Jahres 2006 ist die Abfallwirtschaftssatzung vom 19.11.2001 i.d.F. der Änderungssatzung vom 21.11.2005 (AWS 2006) und für die Gebührenbescheide des Jahres 2007 die Neufassung der Abfallwirtschaftssatzung vom 20.11.2006 (AWS 2007) einschlägig. Die Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallabfuhr (Abfallgebühren) für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen, die von den Betrieben über 120 l-Müllbehälter und größer bereitgestellt oder von diesen selbst angeliefert werden, werden als Grundgebühr sowie als Entleerungsgebühr erhoben (§ 22 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Die Grundgebühr bemisst sich nach den auf das Grundstück entfallenden Nutzeinheiten zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld (§ 22 Abs. 5 Satz 1 der Satzungen). Die Anzahl der Nutzeinheiten errechnet sich auf der Grundlage der Nutzfläche des gewerblichen Betriebs, diese Nutzfläche wiederum ergibt sich im Grundsatz durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse (§ 22 Abs. 5 Sätze 4 und 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Die Jahresgrundgebühr für die gewerblichen Siedlungsabfälle beträgt nach § 22 Abs. 7 der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzung je Nutzeinheit im Jahr 2005 132,-- EUR, im Jahre 2006 96,-- EUR und im Jahre 2007 94,80 EUR. Die neben der Grundgebühr erhobene Entleerungsgebühr bestimmt sich nach der Größe der zur Abfuhr bereitgestellten Abfallbehälter sowie der Zahl der Leerungen (§ 22 Abs. 7 AWS 2005, 2006 und 2007), die Entleerungsgebühr für die Selbstanlieferer zum Restmüllheizkraftwerk bemisst sich nach dem Gewicht der angelieferten Abfälle (§ 23 der einschlägigen Satzungen). Die dargestellte Kombination aus nutzflächenbezogener Grundgebühr sowie einer Verbrauchsgebühr, die sich nach der Menge bzw. dem Gewicht des Abfalls bemisst, ist rechtlich nicht zu beanstanden und hält insbesondere die Vorgaben des höherrangigen Rechts ein.
55 
1. Das baden-württembergische Landesrecht enthält - im Unterschied zum Recht anderer Länder - keine ausdrückliche Regelung über die Zulässigkeit einer verbrauchsunabhängigen Grundgebühr. Die Erhebung einer solchen Gebühr - auch auf dem Gebiet der Abfallentsorgung - ist jedoch trotz Fehlens einer gesetzlichen Regelung allgemein anerkannt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11.10.2004 - 2 S 1998/02 - BWGZ 2005, 67; Beschluss vom 29.10.2003 - 2 S 2407/02 - DÖV 2004, 713; Urteil vom 02.03.2004 - 10 S 15/03 - ZUR 2004, 358). Unter einer Grundgebühr ist eine Benutzungsgebühr zu verstehen, die für die Inanspruchnahme der Lieferungs- bzw. Betriebsbereitschaft einer Einrichtung erhoben wird. Mit ihr sollen die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten (sogenannte Fixkosten) ganz oder teilweise abgegolten werden (vgl. Rieger in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2010, § 6 Rdnr. 595). Dazu rechnen z.B. feststehende Kosten für die Anmietung von Abfallgefäßen, An- und Abfahrtskosten bei der Leerung der Abfallgefäße, soweit diese nicht mengenabhängig sind, Kosten für die Finanzierung von Abfallentsorgungseinrichtungen einschließlich der Abschreibungen, Personal- und Verwaltungskosten sowie Nachsorgeaufwendungen für stillgelegte Deponien. Da in die Grundgebühr nur abfallmengenunabhängige Fixkosten eingerechnet werden können, ist die Erhebung einer Grundgebühr nur bei gleichzeitiger Erhebung einer Verbrauchsgebühr (Leistungs- oder Arbeitsgebühr) zulässig, mit der die laufenden abfallmengenabhängigen Kosten sowie gegebenenfalls der mit der Grundgebühr nicht abgedeckte Teil der Fixkosten abgerechnet werden (vgl. dazu Queitsch, ZKF 2000, 81). Hieraus folgt zugleich, dass eine Grundgebühr nur dann erhoben werden kann, wenn der betreffende Abfallerzeuger/-besitzer an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung angeschlossen ist, d.h. diese benutzt bzw. benutzen muss und damit zumindest die Vorhalteleistung in Anspruch nimmt. Denn bei der Grundgebühr handelt es sich grundsätzlich um eine Gebühr und nicht um einen Beitrag, bei dem bereits die Möglichkeit der Inanspruchnahme ausreicht (vgl. Queitsch, ZKF 2000, 81; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, aaO, § 6 Rnd. 336a).
56 
Anders als die Verbrauchsgebühr, die sich nach dem Maß der jeweiligen Inanspruchnahme zu richten hat, ist die Grundgebühr - verbrauchsunabhängig - nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu bemessen, der sich an der Vorhalteleistung und der abrufbaren Lieferbereitschaft zu orientieren hat (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Rieger, aaO). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Fixkostenanteil in der kommunalen Abfallwirtschaft - verursacht insbesondere durch die Investitionen in die Abfallentsorgungsanlagen - sehr hoch liegt (in der Literatur wird der Anteil mit rd. 80 % angegeben, vgl. etwa Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 482; Cantner, KStZ 2000, 23, 24). Damit verursacht nicht das Ausmaß der Inanspruchnahme der Abfallentsorgungsanlagen die wesentlichen Kosten, sondern ihr Vorhandensein als solches, ihre Betriebsbereitschaft und die Möglichkeit, sie jederzeit in Anspruch nehmen zu können. Dies rechtfertigt die Heranziehung Betroffener zur Abgeltung verbrauchsunabhängiger Vorhaltekosten im Wege einer Grundgebühr (VGH Bad.-Württ. Urteil vom 02.03.2004, aaO). Die Grundgebühr dient danach dazu, um die Erzeuger und Besitzer (verhältnismäßig) geringer Abfallmengen an den unabhängig vom Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme einer Abfallentsorgungseinrichtung entstehenden Fixkosten angemessen zu beteiligen (Nieders.OVG, Urteil vom 20.01.2000 - 9 L 2396/99 - NVwZ-RR 2001, 128). Damit ist die Erhebung von Grundgebühren für den Bereich der Industrie- und Gewerbebetriebe ein rechtlich zulässiges Instrument, um die hohen Fixkosten, die die Abfallentsorgung in den kommunalen Gebietskörperschaften verursacht, auch auf die gewerblichen Abfallerzeuger und damit diejenigen umzulegen, für deren Entsorgung die Anlagen in der Vergangenheit (auch) errichtet worden sind. Denn bei einer lediglich abfallmengenabhängigen Umlegung der Kosten - insbesondere auch der Nachfolgekosten für die Deponien - und deutlich geringen Mengen an gewerblichen Abfällen sind die privaten Bürgerinnen/Bürger diejenigen, die einen Großteil der hohen Fixkosten zu tragen und damit die „Zeche“ zu bezahlen haben (vgl. Queitsch, ZKF 2000, 86; Schink, AbfallR 2003, 192).
57 
Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund ist die Einführung eines „Grundgebührensystems“ für gewerbliche Betriebe durch den Beklagten dem Grunde nach rechtlich zulässig. Die Grundgebühr wird insbesondere den dargestellten allgemeinen Anforderungen gerecht. Mit ihr wird nur ein Teil der abfallmengenunabhängigen Kosten abgegolten, der andere Teil sowie die abfallmengenabhängigen Kosten werden bei der gleichzeitig erhobenen Verbrauchsgebühr eingestellt. Der Beklagte kalkulierte die Grundgebühr so, dass mit ihr in den Jahren 2005 bis 2007 deutlich weniger als 50 % der verbrauchsunabhängigen Fixkosten umgelegt wurde. Der überwiegende Teil der Fixkosten sowie die abfallmengenabhängigen Kosten wurden danach über verbrauchsabhängige Leistungsgebühren finanziert.
58 
Die Klägerin ist auch an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten angeschlossen. Gestützt auf § 7 Satz 4 der Gewerbeabfallverordnung vom 19.06.2002 (BGBl. I 1938) - GewAbfV - sehen die einschlägigen Satzungen des Beklagten sinngemäß vor, dass die Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle mindestens einen Abfallbehälter mit dem Mindestvolumen von 120 l vorzuhalten haben (§ 14 Abs. 7 AWS 2005, 2006 und 2007). Dementsprechend hat der Beklagte für die Klägerin eine Behälternutzungspflicht angeordnet, und diese hatte seither auch eine Pflichtrestmülltonne angemeldet. Rechtlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Klägerin die Pflichtrestmülltonne in den Jahren 2005 bis 2007 nicht zur Entleerung bereitgestellt hat. Dieses Verhalten ist rechtswidrig und stellt die Einschätzung, die Klägerin nehme die Leistungen des Beklagten und damit die Vorhalteleistung der Abfallentsorgungseinrichtung auch tatsächlich in Anspruch, nicht in Frage. Denn die Abfallbehälternutzungspflicht nach § 7 Satz 4 GewAbfV trifft alle Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle, es sei denn, diese weisen im Einzelfall nach, dass bei ihnen keine Abfälle zur Beseitigung anfallen (BVerwG, Urteile vom 17.02.2005 - 7 C 25.03 - BVerwGE 123, 1 und 7 CN 6.04 - NVwZ 2005, 695). Diesen Nachweis hat die Klägerin aber gerade nicht geführt.
59 
2. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der beklagte Landkreis in Bezug auf die Grundgebühr zwei verschiedene Benutzergruppen bilden durfte. Die einschlägigen Satzungen des Beklagten regeln für die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen eine Grundgebühr, die sich nach der Zahl der auf einem Grundstück vorhandenen Wohneinheiten bemisst (§ 22 Abs. 2 der einschlägigen Satzungen). Dagegen sehen die Satzungen für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen die hier zu beurteilende Grundgebühr nach den auf das Grundstück entfallenden Nutzeinheiten vor (§ 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Dementsprechend hat der Beklagte auf Grundlage der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 16.06.1999 - 2 S 782/98 - VBlBW 1999, 425 und Urteil vom 04.07.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540) die den beiden Gebührenmaßstäben zugrunde liegenden Gebührensätze in getrennten Gebührenkalkulationen ermittelt und die Kosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung den beiden Benutzergruppen zugeordnet mit der Folge einer unterschiedlich hohen Grundgebühr für die Gruppen. Dies kann nicht beanstandet werden. Fehl geht insbesondere der Einwand, die Grundgebühr müsse für alle Nutzer und damit für Gewerbebetriebe und Privathaushalte gleich festgesetzt werden.
60 
Um willkürliche Zuordnungen der Grundgebühr auszuschließen, bedarf es bei der Schaffung gebührenrechtlicher Gruppenbildungen nachvollziehbarer Gründe, warum unterschiedliche Benutzergruppen gebildet werden und weshalb gerade die vorgenommene Gruppenbildung angezeigt ist (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.2004, aaO). Die Bildung unterschiedlicher Benutzergruppen und damit verbunden die Erhebung einer unterschiedlich hohen Grundgebühr ist dann gerechtfertigt, wenn bestimmte Gruppen von Gebührenpflichtigen deutlich stärker von den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen der Abfallentsorgungseinrichtung profitieren und die dadurch entstehenden Mehrkosten letztlich ihnen zugerechnet werden können (vgl. etwa Nieders.OVG, Urteil vom 26.03.2003 - 9 KN 439/02 - NVwZ-RR 2004, 891).
61 
Davon ausgehend kann die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht beanstandet werden, die Betriebe und Einrichtungen, die zur nutzflächenbezogenen Grundgebühr herangezogen werden, würden im Vergleich zu der Gruppe, die eine gefäßbezogene Grundgebühr zu leisten hat, in weitaus stärkerem Umfang Nutzen aus der Vorhalteleistung ziehen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgericht ergibt sich auf der Grundlage der Gebührenkalkulation der Abfallgebühren für das Jahr 2001, mit der der Beklagte erstmals die Differenzierung nach Benutzergruppen eingeführt hat, bezogen auf die verbrauchsunabhängigen Kosten des Restmüllheizkraftwerks eine Vorhalteleistung von 0,29 t je Wohneinheit für private Haushalte, während die Vorhalteleistung für die Abfälle aus anderen Bereichen (Gewerbemüll) dagegen 2,66 t je Nutzeinheit beträgt. Die sich danach für die beiden Benutzergruppen ergebenden deutlichen Unterschiede bei der in Anspruch genommenen Vorhalteleistung, die von der Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen wurden, rechtfertigen ohne weiteres die von der Beklagten vorgenommene Gruppenbildung.
62 
3. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin ferner gegen den Gebührenmaßstab, nach welchem ein Teil der verbrauchsunabhängigen Vorhaltekosten auf die gewerblichen Betriebe (vgl. § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007) umgelegt wird. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstücks, das jeweils an die Abfallentsorgung angeschlossen sei, sei weder mit dem Gleichheitsgrundsatz noch mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar. Dem kann nicht gefolgt werden.
63 
a) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln; dies gilt freilich nicht unter allen Umständen, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Danach ist der Satzungsgeber bei der Gebührenbemessung im Rahmen seines Ermessens nicht gehalten, den jeweils gewählten Maßstab derart weit auszudifferenzieren, dass möglichst jedem Einzelfall - im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit - entsprochen wird. Mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist bei festgestellter ungleicher Betroffenheit nur zu fragen, ob für die Differenzierung oder Nichtdifferenzierung sachlich einleuchtende Gründe bestehen, nicht hingegen, ob der Satzungsgeber die jeweils zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat. Eine willkürliche Satzungsgestaltung kann ihm nur vorgeworfen werden, wenn sich kein sachlicher, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für eine Ungleichbehandlung finden lässt. Das satzungsgeberische Ermessen verbietet den Gerichten die Prüfung, ob der vernünftigste, gerechteste oder wirklichkeitsnächste Maßstab gewählt worden ist. Dabei kann das Entscheidungsermessen des Satzungsgebers zusätzlich insbesondere vom Gesichtspunkt der Praktikabilität geleitet werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 19.12.2007 - 7 BN 6.07 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472).
64 
b) Der hier zu beurteilende Maßstab (gestaffelter und leicht degressiver) Nutzeinheiten verstößt in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (so auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2003, aaO; Bay.VerfGH, Entscheidung vom 24.07.2006 - Vf 2 - VII-04 - BayVBl. 2007, 42; Bay.VGH, Urteile vom 02.02.2005 - 4 N 01.2495 - juris und vom 20.10.1997 - 4 N 95.3631 - BayVBl. 1998, 148). Nach allgemeiner Lebenserfahrung besteht ein sachlicher Bezug zwischen Gewerbegrundstück und seiner Nutzung, wie sie in der „Nutzeinheit“ zum Ausdruck kommt, einerseits und der Entstehung der nicht nach dem jeweils aktuellen Aufkommen an Abfallmengen zu messenden Vorhaltekosten der Einrichtung andererseits. Die Größe der Nutzfläche eines Grundstücks lässt mit anderen Worten einen gewissen Rückschluss auf den Umfang zu, in dem das Grundstück „möglicherweise“ die Leistungen der öffentlichen Abfallbeseitigungseinrichtung in Anspruch nehmen wird (so auch Kibele, NVwZ 2003, 27).
65 
Diese Einschätzung wird auch durch den Endbericht des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003 bestätigt, der im Auftrag des beklagten Landkreises erstellt wurde und als „Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Abfallgrundgebühren gewerblicher Betriebe“ diente. Die Untersuchungen ergaben einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Betriebsfläche und der Abfallmenge, d.h. der Menge an überlassungspflichtigen Abfällen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG. Der Anstieg der Abfallmenge mit der Betriebsfläche erfolgt allerdings nicht linear, auch ist die Schwankungsbreite der Abfallmengen zur Betriebsfläche hoch, und es sind insbesondere auch Extremwerte (große Betriebsfläche und hohe Abfallmengen) festzustellen.
66 
Grundlage für diese Untersuchung waren die Abfallbehältergröße und die Entleerungsintervalle von Umleer- und Wechselbehältern für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen (vgl. S. 4 des Endberichts vom Dezember 2003). Die Untersuchung betraf danach nicht das Verhältnis zwischen der Nutzfläche eines Industrie- oder Gewerbebetriebs und dessen Gesamtabfallmenge bestehend aus Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung, sondern ausschließlich das Verhältnis der Nutzfläche zur aktuellen Menge an überlassungspflichtigen Abfällen. Der Einwand der Klägerin, der Endbericht sei ohne jede Aussagekraft für die entscheidungserhebliche Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzfläche des jeweiligen Gewerbebetriebs und der Menge an überlassungspflichtigen Abfällen gebe, liegt deshalb ersichtlich neben der Sache.
67 
Danach besteht zwar kein entsprechend proportionaler Zusammenhang, sondern nur eine lockere Abhängigkeit zwischen der Nutzfläche eines Gewerbebetriebs und der Menge des überlassungspflichtigen Abfalls zur Beseitigung. Dieser Umstand stellt jedoch die Rechtmäßigkeit des Nutzflächenmaßstabs nicht in Frage, weil sich die Bemessung der Grundgebühr nicht allein an der Menge der überlassungspflichtigen Abfälle, die im jeweiligen Betrieb aktuell anfallen, sondern an dessen „Gesamtabfallpotential“ auszurichten hat. Dass die Einschätzung des Abfallpotentials der Betriebe nur nach einem „groben“ Maßstab erfolgen kann, liegt zum einen in der Natur der Sache. Zum anderen rechtfertigen - insbesondere im Hinblick auf das Fehlen „verfeinerter“ Alternativmaßstäbe - auch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität den Maßstab. Im Einzelnen:
68 
aa) Die Heranziehung Betroffener zur Abgeltung verbrauchsunabhängiger Vorhaltekosten durch Erhebung einer Grundgebühr ist durch die Erwägung gerechtfertigt, dass die Betroffenen die Abfallentsorgungseinrichtung jederzeit in Anspruch nehmen können. Das Maß der Inanspruchnahme durch den jeweiligen Industrie- oder Gewerbebetrieb ist - von Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa § 15 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG) - nicht beschränkt. Deshalb hat der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Leistungen seiner Einrichtung entsprechend der Höchstmenge des gesamten in Betracht kommenden Abfalls bereitzustellen bzw. vorzuhalten. Daraus folgend hat sich die Grundgebühr nicht an dem Maß der Benutzung, d.h. der Menge des aktuell angelieferten Abfalls zu orientieren, sondern an der für den jeweiligen Betrieb vorzuhaltenden Höchstlastkapazität. Maßgeblich ist mit anderen Worten das „Abfallpotential“ des jeweiligen Industrie- oder Gewerbebetriebs. Eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Menge der von der gewerblichen Wirtschaft den öffentlichen Entsorgungsträgern zur Verfügung gestellten Abfälle ist damit zwangsläufig mit großen Unsicherheiten verbunden. Bezogen auf den einzelnen Gewerbebetrieb bedeutet dies gleichermaßen, dass der Umfang, in dem dieser in Zukunft die Betriebsbereitschaft der Einrichtung in Anspruch nehmen wird, nur schwer vorherzusehen ist und sich damit als nur ganz grob abschätzbar darstellt. Dies rechtfertigt es, die Grundgebühr nach einem einfachen und pauschalen Maßstab zu gestalten.
69 
Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei der Prognose darüber, in welchem Umfang der jeweilige Industrie- oder Gewerbebetrieb die Betriebsbereitschaft der Einrichtung und damit die Vorhalteleistung in Anspruch nehmen wird, nicht nur die Abfälle zur Beseitigung, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden müssen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG), sondern auch dessen Abfälle zur Verwertung in den Blick zu nehmen sind. Denn die Einordnung gewerblicher Abfälle als Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung ist variabel, d.h. die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger können sich nicht darauf einrichten, dass eine Verwertung betrieblicher Abfälle in bisherigem Umfang auf Dauer stattfindet; vielmehr ist es ohne weiteres möglich, dass die Industrie- und Gewerbebetriebe in Zukunft diese Abfälle (teilweise) dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wieder als Abfall zur Beseitigung überlassen.
70 
Die Pflicht zur Verwertung von Abfällen ist einzuhalten, soweit dies u.a. wirtschaftlich zumutbar ist, insbesondere für einen gewonnen Stoff oder gewonnene Energie ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann (§ 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG). Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist gegeben, wenn die mit der Verwertung verbundenen Kosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die für eine Abfallbeseitigung zu tragen wären (§ 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG). Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist seit Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Oktober 1996 das Aufkommen an Gewerbeabfällen, das den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern als Abfall zur Beseitigung angedient wird, signifikant zurückgegangen, weil diese Abfälle nach Aussage der Abfallerzeuger oder -besitzer als Abfälle zur Verwertung diversen Verwertungsverfahren zugeführt werden. Das Aufkommen an Gewerbeabfällen korreliert allerdings auffällig mit den im Einzelfall zu entrichtenden Abfallgebühren. Hohe Abfallgebühren verstärken die „Fluchtbewegung“, während sich bei niedrigen Gebühren der Anreiz, die Abfälle außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgungskapazitäten zu entsorgen, in Grenzen hält (vgl. dazu etwa Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 480; Queitsch, KStZ 1999, 21). Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch die Entwicklung der Mengen an gewerblichen Abfällen einerseits und der Abfallgebühren andererseits in den Land- und Stadtkreisen Böblingen, Göppingen, Rems-Murr-Kreis, Stuttgart, Neckar-Odenwald-Kreis und Schwarzwald-Baar-Kreis in den Jahren 1991 bis 1998; je stärker im jeweiligen Land- und Stadtkreis die Müllgebühren gestiegen sind, desto geringere Gewerbeabfallmengen haben die Betriebe den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen (vgl. dazu Abbildung 3 der Anlage 5 der Kreistagsdrucksache Nr. 51/2000 des Landkreises Böblingen zur Abfallwirtschaftssatzung 2001). Da danach auf Grundlage der Systematik des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in starkem Maße der Marktpreis für Abfälle zur Verwertung einerseits und die Kosten für die gemeinwohlverträgliche Abfallbeseitigung (vgl. § 10 KrW-/AbfG) andererseits über die Qualifizierung der Abfälle und damit über die Menge der den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern angedienten Abfälle entscheiden, führt dies zu weiteren Unsicherheiten hinsichtlich der von der gewerblichen Wirtschaft nachgefragten Vorhalteleistung.
71 
Dass bei der Bemessung der Vorhalteleistung für die Industrie- und Gewerbebetriebe deren „Gesamtabfallpotential“ zu berücksichtigen ist, ergibt sich darüber hinaus aus weiteren Besonderheiten des dualen Abfallbegriffs (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG). Abfälle, die aufgrund einer Wiederverwendung oder einer sonstigen Nutzung als sogenannter Sekundärrohstoff im Wirtschaftskreislauf verwertbar sind, sind allein deshalb noch keine Abfälle zur Verwertung. Ein Abfallerzeuger oder -besitzer kann sich nicht mit Erfolg auf die bloße Möglichkeit einer späteren Verwertung berufen. Eine Verwertungsmöglichkeit, die sich erst einem späteren Abfallbesitzer eröffnet und gegebenenfalls von ihm auch genutzt wird, erlaubt noch nicht den Rückschluss, dass beim Abfallerzeuger oder vorherigen Abfallbesitzer kein Beseitigungsabfall vorhanden war. Was namentlich Papier, Pappen, Bioabfälle und Sperrmüll angeht, die in einer Betriebsstätte als Abfall angefallen sind, entscheidet sich die Frage, ob diese Stoffe Abfall zur Verwertung sind, erst dann, wenn der Abfallerzeuger/-besitzer für sie einen konkreten Verwertungsweg sichergestellt hat. Entledigt er sich der genannten Abfallfraktionen dadurch, dass er sie dem örtlich zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt, ist spätestens mit der Bereitstellung zur Verbringung bei ihm Abfall zur Beseitigung angefallen. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger hat etwaige Verwertungsmöglichkeiten dann erneut zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 23.04.2008 - 9 BN 4.07 - NVwZ 2008, 1119; BVerwG, Urteil vom 01.12.2005 - 10 C 4.04 - NVwZ 2006, 589). Auch hier zeigt sich, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bei Abfällen, die sich für die Wiederverwendung oder einer sonstigen Nutzung als sogenannter Sekundärrohstoff eignen, weiterhin in der Pflicht steht und er auch insoweit „Reservekapazitäten“ vorzuhalten hat.
72 
Nach diesen Ausführungen kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine Rede davon sein, dass sich die Höhe der Grundgebühr in gleicher Weise am Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtungen zu orientieren habe wie die Höhe einer Leistungsgebühr. Die Besonderheiten bei der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr machen es von vornherein unmöglich, das Maß der Inanspruchnahme vergleichbar konkret und nachvollziehbar zu bemessen, wie es bei verbrauchsabhängigen Leistungen möglich und geboten ist.
73 
bb) Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt auch keine weitere Differenzierung des hier zu beurteilenden Maßstabs der Nutzeinheiten. Die in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 normierte - leicht degressive - Staffelung nach der Größe der Nutzfläche, d.h. die im Kern vorgesehene Abstufung nach der „Größe“ des Industrie- oder Gewerbebetriebs trägt dem Gleichbehandlungsgebot ausreichend Rechnung. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vorteil, jederzeit seinen Abfall zur Beseitigung (und das grundsätzlich in unbegrenztem Umfang) dem Beklagten überlassen zu können, für einen Großbetrieb deutlich größer sei als für einen Kleinbetrieb.
74 
Darüber hinaus sieht § 22 Abs. 5 der einschlägigen Satzungen vor, dass Betriebe mit einer Nutzfläche von bis zu 200 m² lediglich zu einer halben Nutzeinheit veranlagt werden. Die Grundgebühr je Nutzeinheit im Jahr 2005 von 132,-- EUR, im Jahre 2006 von 96,-- EUR und im Jahre 2007 von 94,80 EUR halbiert sich demnach für diese Betriebe. Dieser Regelung unterfallen von den rund 8000 Betrieben, für die die flächenbezogenen Grundgebühr gilt, ca. 5000 kleinere Einrichtungen mit einer Nutzfläche von unter 200 m². Die dargestellte Gebührenstaffelung trägt danach in besonderer Weise kleineren Betrieben mit geringem Anfall an Abfall und damit einem geringen Abfallpotential durch die Erhebung einer „sehr günstigen“ Grundgebühr Rechnung. Der „grobe“ Maßstab wird damit abgemildert, und dem Gleichbehandlungsgebot wird insoweit in nicht zu beanstandender Weise Rechnung getragen.
75 
Eine weitere „Verfeinerung“ des Maßstabs im Hinblick auf die Betriebe, denen die Bemessung im Hinblick auf ihr stark abweichendes „Abfallpotential“ nicht in vollem Umfang gerecht wird, ist hingegen nicht geboten. Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf Betriebe mit großer Nutzfläche, deren Abfälle derzeit problemlos verwertet werden könnten und bei denen deshalb nur geringe Mengen an Abfall zur Beseitigung entsorgt werden müssten. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen stellt sich die Atypik dieser Fälle bereits als „begrenzt“ dar, weil der Beklagte auch in diesen Fällen - wie dargelegt - ausreichende Entsorgungskapazitäten vorhalten muss. Nach den Untersuchungen des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003 finden sich im Satzungsgebiet des Beklagten aber auch Betriebe mit großer Betriebsfläche und sehr hohen Abfallmengen, die im Hinblick auf die fast lineare Steigerung des Flächenmaßstabes ungleich behandelt werden. Die Besserstellung dieser Betriebe sowie die - begrenzte - Schlechterstellung der Betriebe, in der von der Klägerin genannten Konstellation, sind unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität hinzunehmen. Bei der gebührenmäßigen Erfassung der Nutzer von Abfallentsorgungseinrichtungen geht es um die Regelung von Massenerscheinungen, die eine weitgehende Typisierung erfordern. Unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität führt es deshalb unter gewissen Umständen dazu, dass an sich ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln sind (BVerwG, Beschluss vom 05.11.2001 - 9 B 50.01 - NVwZ-RR 2002, 217). Besonders im Abgabenrecht führt der Versuch, weitestgehende Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen, nicht nur zu häufig unüberwindbaren Hindernissen, sondern auch zu einem unpraktikablen, wenig übersichtlichen und letztlich teuren Verwaltungsverfahren (BVerwG, Urteil vom 13.04.1994 - 8 NB 4.93 - NVwZ 1995, 173).
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Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, die Menge der anfallenden Abfälle hänge in allererster Linie von der Branche des Unternehmens ab und davon, was konkret produziert werde, mithin ob es sich um ein materialintensives Industrieunternehmen handele oder um einen eher arbeitskraftintensiven Betrieb. Angesichts der strukturellen Unterschiede der in Betracht kommenden Gewerbe würde es einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeuten, im Einzelfall die „Grundgebührenbedeutung“ jedes Betriebs zu ermitteln (so schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2003, aaO; vgl. auch Bay.VGH, Urteil vom 20.10.1997, aaO). Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger müsste für jeden einzelnen Betrieb das jeweilige „Abfallpotential“ untersuchen und die Ergebnisse unter laufender Kontrolle halten. Dass ein solches Verfahrens überaus „streitanfällig“ wäre und zudem mit einem nicht leistbaren Aufwand - insbesondere an Personal - verbunden wäre, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Darlegung. Gleichermaßen unpraktikabel ist ein Maßstab, der die Grundgebühr nach der jeweiligen Branche der gewerblichen Betriebe bemisst. Auch hier sind umfangreiche Ermittlungen erforderlich, um die „Grundgebührenbedeutung“ der Branchen feststellen zu können. Es würde zudem hinsichtlich der Frage, in welche Branche der jeweilige Betrieb einzustufen ist, häufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten und damit verbunden zu streitanfälligen Konstellationen kommen; auch ist durchaus denkbar, dass auf ein und demselben Grundstück Betriebe unterschiedlicher Branchen tätig sind. Schließlich wäre ein solcher Maßstab in weit größerem Umfang auf die Mitwirkung, d.h. auf die Weitergabe von Informationen und Unterlagen, seitens der gewerblichen Wirtschaft angewiesen. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt und erläutert, dass die gewerblichen Betriebe im Satzungsgebiet schon bislang nur sehr zögerlich ihren Mitwirkungspflichten im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses nachgekommen sind.
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Die Anforderungen, die die Klägerin an die Ausdifferenzierung eines Grundgebührenmaßstabs im Abfallrecht stellt, laufen im Ergebnis darauf hinaus, dass die Erhebung von Grundgebühren nicht mehr möglich wäre. Auch die weiteren Maßstäbe, die für die Verteilung der abfallmengenunabhängigen Kosten auf Industrie und Gewerbe in der Praxis verwandt werden und bisher als rechtlich zulässig angesehen wurden (Einwohnergleichwert, pro Grundstück oder pro Gewerbebetrieb, vgl. dazu etwa Kibele, NVwZ 2003, 27; Queitsch, ZKF 2000, 83; Cantner, KStZ 2000, 29), begegnen im Hinblick auf eine fehlende oder lediglich pauschale Differenzierung bei den Industrie- und Gewerbebetrieben vergleichbaren oder noch stärkeren rechtlichen Bedenken. Vor diesem Hintergrund wären die bisher verwandten Maßstäbe allesamt rechtswidrig bzw. völlig unpraktikabel (wie der Maßstab, der nach Branchen differenziert).
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cc) Zu Unrecht meint die Klägerin darüber hinaus, der Nutzflächenmaßstab verstoße gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit. Dieser Grundsatz gestattet es dem Satzungsgeber, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 v.H. der von der Regelung betroffenen Fälle dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Urteil vom 01.08.1986, aaO und Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36). Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Grundsatz für das Wasser- und Abwasserabgabenrecht entwickelt, und die genannten Entscheidungen stellen auf Besonderheiten ab, die für dieses Rechtsgebiet kennzeichnend sind. Im Wasser- und Abwasserabgabenrecht ist in der Regel eine Gestaltung der Abgaben unproblematisch möglich, die sich „eng“ an der Benutzungsintensität ausrichtet; die Zahl der Ausnahmen, bei denen eine darauf bezogene Differenzierung entfällt, kann deshalb ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand gering gehalten werden, so dass hierfür die 10 %-Regel entwickelt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO; Beschluss vom 05.11.2001, aaO). Diese Aussagen können aber auf die Erhebung von Grundgebühren im Abfallrecht nicht übertragen werden. Die dafür allein in Frage kommenden Gebührenmaßstäbe können sich - wie oben dargelegt - nur an einer stark pauschalierenden Erhebungstechnik ausrichten, sie können nach der Natur der Sache nicht weiter einem Wirklichkeitsmaßstab angenähert werden, wie er im Wasser- und Abwasserabgabenrecht typisch und praktikabel ist. Die bei der Erhebung von Grundgebühren allein möglichen und gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe stellen sich mit anderen Worten als verhältnismäßig „grob“ dar, beinhalten damit bereits immanent zahlreiche Ausnahmen und hinnehmbare Ungleichbehandlungen, die eine Anwendung der starren 10 %-Regel ausschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO und Beschluss vom 05.11.2001, aaO).
79 
Unbehelflich ist auch der in diesem Zusammenhang erfolgte Einwand der Klägerin, nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 02.09.1988 - 2 S 1720/88 - ESVGH 39, 20) habe der Grundsatz der Typengerechtigkeit auch im Abfallgebührenrecht Anwendung gefunden. Die genannte Entscheidung des Senats betraf jedoch nicht die Grundgebühr für Gewerbebetriebe, sondern allein die Verbrauchsgebühr, bei der sich die Gebührengestaltung ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand weitaus enger an der Benutzungsintensität ausrichten lässt.
80 
Schließlich bestand auch kein Anlass, entsprechend der Anregung der Klägerin den Großen Senat beim Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Frage anzurufen, ob die Kriterien, die zum Grundsatz der Typengerechtigkeit entwickelt wurden, auch bei der Bemessung der Grundgebühr für gewerbliche Betriebe gelten. Der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hat dies zwar in seinem Urteil vom 02.03.2004 (aaO) bejaht; bei den entsprechenden Ausführungen handelt es sich jedoch um ein sog. obiter dictum, das für die Entscheidung erkennbar nicht tragend war. Diese Ausführungen sind zudem durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 01.12.2005, aaO) überholt.
81 
dd) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin ferner gegen die vom Satzungsgeber mit der Gesamtgestaltung der Gebühren bezweckte Verhaltenssteuerung und damit gegen die u.a. mit der Einführung des flächenbezogenen Maßstabs für die Grundgebühr verfolgten Absicht, einer sogenannten Scheinverwertung von Abfällen zur Beseitigung durch die Abfallerzeuger/-besitzer entgegenzuwirken. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass die anzustrebende Belastungsgleichheit der Gebührenpflichtigen dem Satzungsgeber dennoch die Befugnis belässt, mit seiner Gebührenregelung eine begrenzte Verhaltenssteuerung zu verbinden (BVerwG, Urteil vom 20.12.2000 - 11 C 7.00 - BVerwGE 112, 297). Danach ist es rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft (vgl. dazu die §§ 4, 5 und 10 KrW-/AbfG) im Rahmen der Gebührengestaltung darauf hinwirken, dass gewerbliche Abfälle schadlos und möglichst hochwertig verwertet, sogenannte Scheinverwertungen von Abfällen zur Beseitigung zurückgedrängt und nicht verwertbare Abfälle dem Verursacherprinzip folgend in der Nähe ihres Entstehungsortes beseitigt werden, ohne dass das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt wird (vgl. dazu § 10 Abs. 4 Krw-/AbfG).
82 
Der Satzungsgeber hat sich bei der Normierung des Gebührenmaßstabes auch von diesen Erwägungen leiten lassen. Zu Unrecht meint die Klägerin in diesem Zusammenhang, nicht der Satzungsgeber, sondern allein das erstinstanzliche Verwaltungsgericht habe die entsprechenden Erwägungen angestellt. Aus der Kreistagsdrucksache Nr. 51/2000, die der Einführung der flächenbezogenen Grundgebühr zugrunde lag, ergibt sich vielmehr ohne jeden vernünftigen Zweifel das Gegenteil. In dem Beschlussantrag für den Satzungsgeber heißt es u.a. wie folgt:
83 
Der Rückgang des Gewerbeabfalls lässt sich zum einen auf Erfolge bei der Vermeidung und eine „echte“ Verwertung von Abfällen sowie strukturelle Veränderungen (z.B. Produktionsverlagerungen in das Ausland) zurückzuführen. Eine weitere Ursache des Rückgangs ist aber auch darin zu sehen, dass bei gewerblichen Abfallerzeugern nur für Abfälle zur Beseitigung eine Überlassungspflicht an den Landkreis besteht. Abfälle zur Verwertung sind nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht überlassungspflichtig und können zu jeder Sortieranlage in der Bundesrepublik oder ins Ausland gebracht werden. Es liegen nämlich viele Nachweise vor, dass Abfälle zur Beseitigung als Scheinverwertung über private Entsorgungsunternehmen (vorbei) an der gesetzlichen Überlassungspflicht insbesondere auf Billigdeponien mit schlechten Umweltstandards in den neuen Bundesländern entsorgt werden. Dabei gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Höhe der Abfallgebühr der einzelnen Landkreise und dem Rückgang der Gewerbeabfallmengen. …
84 
Der in den vergangenen Jahren steigenden Scheinverwertung von Abfällen kann deshalb nur entgegengewirkt werden, wenn alle Gewerbebetriebe zukünftig entsprechend ihrer tatsächlichen Abfallmengen an den Kosten der Abfallentsorgung beteiligt werden. Ein Weg ist hierbei die Heranziehung des Gewerbes zu den Vorhaltekosten der Abfallentsorgungseinrichtungen über eine mengenunabhängige Vorhaltegebühr und die Schaffung einer marktgerechten Leistungsgebühr.
85 
Wird dieses Ziel nicht erreicht, entstehen dem Landkreis Böblingen durch weiteren Mengenrückgang erhebliche Gebührenausfälle. Denn trotz rückläufiger Mengen ist der Landkreis als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger verpflichtet, stets auch für das Gewerbe ausreichend dimensionierte Entsorgungskapazitäten vorzuhalten. …
86 
Der Landkreis Böblingen erhebt schon seit vielen Jahren auf Basis der bestehenden Regelungen in der Abfallwirtschaftssatzung von allen Gewerbebetrieben, die an die öffentliche Abfallabfuhr angeschlossen sind, gefäßbezogene Vorhalte- bzw. Jahresgebühren. Auch bei den Selbstanlieferern (maximal 150 Betriebe) waren die Vorhaltekosten schon immer in der Anlieferergebühr auf den Deponien oder beim Restmüllheizkraftwerk enthalten. Die mengenunabhängige Vorhaltegebühr nach dem Nutzflächenmaßstab ist daher nur eine Umstellung. Ziel ist dabei, die Leistungsgebühren so zu senken, dass im marktwirtschaftlichen Sinne Anreiz zur Inanspruchnahme der Entsorgungsleistungen des Landkreises besteht und somit Abfallexporte nicht mehr rentabel sind. …
87 
Durch die Maßstabsumstellung haben insbesondere Firmen mit höherem Müllaufkommen und geringerer Nutzfläche Vorteile gegenüber allen Betrieben mit geringem Müllaufkommen und höherer Nutzfläche. Gerade für erstere Firmen biete der neue Maßstab den Anreiz, bisher als sogenannten „Verwertungsabfall“ entsorgte Mengen wieder über die öffentliche Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung anzuliefern und nur die sehr günstige Leistungsgebühr bezahlen zu müssen.
88 
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen entbehrt ferner die sinngemäße Behauptung der Klägerin, ausweislich der Kreistagsdrucksache habe der Beklagte beabsichtigt, auch solche Abfälle wieder in die kommunalen Beseitigungsanlagen zu lenken, die sich als Abfälle zur Verwertung darstellten, jeder Grundlage. Nach Wortlaut und Sinnzusammenhang der Aussagen in der Kreistagsdrucksache bezieht sich der vom Satzungsgeber beabsichtigte Lenkungszweck ausschließlich auf die sogenannten Scheinverwertungen und damit nicht auf Abfälle, die der Abfallerzeuger/-besitzer in eigener Verantwortung ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten hat (§ 5 Abs. 3, 4 und 5 KrW-/AbfG). Indem der Satzungsgeber auf Seite 8 der Kreistagsdrucksache 51/2000 den Begriff Verwertungsabfall ausdrücklich mit Anführungszeichen gekennzeichnet hat sowie durch die Wahl des Wortes „sogenannte(r)“ im Zusammenhang mit Verwertungsabfall bringt der Satzungsgeber unmissverständlich seine Vorstellung zum Ausdruck, bei diesen Abfallmengen, die bislang außerhalb der öffentlichen Einrichtung entsorgt worden seien, handele es sich um Abfall zur Beseitigung, für den die Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG gelte.
89 
Die Entscheidung des Satzungsgebers, der Scheinverwertung von gewerblichen Abfällen entgegenzuwirken, kann auch inhaltlich nicht beanstandet werden. Die Entscheidung beruht insbesondere auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die in der Kreistatsdrucksache wiedergegebene allgemeine Entwicklung in der Abfallentsorgung und insbesondere die darin festgehaltenen Erfahrungen der zuständigen Abfallbehörden stehen in Übereinstimmung mit den Erwägungen, die den Bundesgesetzgeber zur Einführung der Gewerbeabfallverordnung vom 19.06.2002 - GewAbfV - bewogen haben. Ziel der am 01.01.2003 in Kraft getretenen Gewerbeabfallverordnung ist die schadlose, möglichst hochwertige Verwertung von gewerblichen Siedlungsabfällen und die Verhinderung von Scheinverwertungen (vgl. BT-Dr. 14/7328, S. 1, 2, 10 und 13; BR-Dr. 2078/02, S. 1 und 33). In der Begründung für die Gewerbeabfallverordnung heißt es im Hinblick auf die Problematik von Scheinverwertungen u.a. wie folgt:
90 
Von einer (nicht bekannten) Anzahl von Abfallerzeugern aus anderen Herkunftsbereichen - insbesondere den Bereichen Gewerbe, Industrie und private und öffentliche Einrichtungen - werden Abfälle, die verwertet werden, auch unzulässigerweise entweder gar nicht oder in geringem Maß von Abfällen, die beseitigt werden müssen, getrennt gehalten. Die Abfälle werden in diesen Fällen in einem Behälter gemeinsam erfasst und insgesamt als „Abfälle zur Verwertung“ deklariert. Diese Abfälle werden meist entweder einer Abfallverbrennungsanlage oder einer Sortieranlage zugeführt. Abfälle aus der Sortieranlage werden zum Teil nur zu einem geringen Prozentsatz in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt, während ein größerer Prozentsatz - zumeist weit entfernt vom Anfallort - einer Beseitigung auf kostengünstigen Deponien zugeführt wird (sogenannte Scheinverwertung), wodurch ökologisch anspruchsvolle Verwertungswege benachteiligt werden. …
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Durch diese Praxis erhalten die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger am Anfallort der Abfälle weniger Abfälle zur Beseitigung, wodurch die für eine ordnungsgemäße und umweltverträgliche Entsorgung vorgehaltenen Anlagen, insbesondere hochwertige Verbrennungsanlagen, nicht mehr ausgelastet sind und die freien Kapazitäten zu kostengünstigen Preisen zum Teil unter Selbstkostenpreisen angeboten werden müssen. Die Planungssicherheit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wird beeinträchtigt. …
92 
Mit diesen Ausführungen des Bundesgesetzgebers wird die Problematik der Scheinverwertungen im Abfallrecht ausreichend konkretisiert und belegt. Vor diesem Hintergrund durfte der Beklagte auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen in seinem Satzungsgebiet (von der Gefahr) von Scheinverwertungen ausgehen und diesen Gesichtspunkt bei der Gestaltung der Abfallgebühren heranziehen. Substantiierte Einwendungen, die die Einschätzung des Satzungsgebers (insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit und Angemessenheit des verfolgten Lenkungszwecks) in Zweifel ziehen könnten, hat auch die Klägerin nicht erhoben; solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich.
93 
ee) Das vom Beklagten erstmals für das Jahr 2001 eingeführte Gesamtsystem der Gebührenerhebung - einschließlich des damit verbundenen Lenkungszwecks, Scheinverwertungen entgegen zu wirken - verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich den europarechtlich, bundesrechtlich und landesrechtlich normierten Vorrang der Abfallverwertung vor der Abfallbeseitigung. Es sind insbesondere keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die hier zu beurteilende Gebührenbemessung Anreize gibt, gewerbliche Siedlungsabfälle, die als Abfall zur Verwertung zu qualifizieren sind, der kommunalen Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung zu überlassen. Die Gebührensatzung des Beklagten bietet vielmehr ersichtlich ausreichende Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen, weil der weit überwiegende Teil der Gesamtkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung verbrauchsabhängig abgerechnet wird. Für die Jahre 2005 bis 2007 kalkulierte der beklagte Landkreis - wie bereits dargelegt - die Grundgebühr so, dass das Aufkommen aus der Grundgebühr weit weniger als 50 % der Fixkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung deckte; im Jahre 2005 waren es 42 %, im Jahre 2006 38,9 % und im Jahre 2007 lediglich noch 23,8 % der Fixkosten. Bei einem zu unterstellenden Fixkostenanteil in der kommunalen Abfallwirtschaft von rund 80 % (vgl. Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 482; Cantner, KStZ 2000, 23, 24) hat der Beklagte damit in den Jahren 2005 und 2006 ca. ein Drittel der Gesamtkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung im Wege der Grundgebühr verteilt. Im Jahr 2007 und in den hier nicht streitgegenständlichen weiteren Jahren bis 2011 hat der Beklagte im Rahmen der Grundgebühr noch einen deutlich geringeren Anteil abgerechnet. Dementsprechend wurden zwei Drittel und mehr der Gesamtkosten über verbrauchsabhängige Leistungsgebühren finanziert. Im Hinblick auf die daraus folgende Höhe der Leistungsgebühr kann keine Rede davon sein, dass den Gebührenpflichtigen ein umweltfreundliches Verhalten, d.h. ein Verhalten, das in erster Linie Abfälle vermeidet und in zweiter Linie Abfälle verwertet, als von vornherein ohne Sinn und Nutzen erscheinen müsste. Im Einzelnen:
94 
Das Bundesverfassungsgericht hat speziell bezogen auf das Abgabenrecht aus der bundesstaatlichen Kompetenzordnung und dem Rechtsstaatsprinzip den allgemeinen Gedanken entwickelt, dass alle rechtsetzenden Organe ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen haben, dass die Rechtsordnung nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich werden darf. Dementsprechend verbietet es die Einheit der Rechtsordnung dem Satzungsgeber, sich für eine gebührenrechtliche Lenkungswirkung zu entscheiden, die dem Gebührenpflichtigen ein Verhalten abverlangt, das einer Regelung des Bundesgesetzgebers widerspricht. Eine insoweit vom Sachgesetzgeber getroffene Entscheidung darf nicht durch gebührenrechtliche Lenkungswirkung verfälscht werden (vgl. BVerfG, Urteile vom 07.05.1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 und vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265).
95 
Das Gebührensystem des Beklagten und die damit verbundene Lenkungswirkung, die ausweislich der einschlägigen Kreistagsdrucksache die ordnungsgemäße Erfüllung der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG fördern soll, verstößt danach nicht gegen die Einheit der Rechtsordnung und konterkariert insbesondere nicht den Vorrang der Abfallverwertung. Das höherrangige Recht statuiert keinen „absoluten“ Vorrang der Verwertung - wie die Klägerin meint -, es belässt vielmehr dem zuständigen Satzungsgeber die Befugnis, den Vorrang der Verwertung mit anderen abfallwirtschaftlichen Zwecksetzungen in Ausgleich zu bringen und die sich aus der Systematik des Abfallrechts ergebenden Zielkonflikte eigenständig und unter Wahrung eines Einschätzungsspielraums zu lösen (ebenso BVerwG, Urteil vom 20.12.2000, aaO). Die Formulierungen des höherrangigen Rechts sind im Hinblick auf ihre Pauschalität und Offenheit von vornherein nicht geeignet, um dem Satzungsgeber exakte Vorgaben für die Gebührenerhebung zu machen und ihm damit ein bestimmtes Gebührensystem vorzugeben.
96 
Leitgedanke des europäischen und nationalen Abfallrechts ist die Erreichung eines hohen Umweltschutzniveaus. Diese übergeordnete Zielsetzung soll einmal durch einen „relativen“ Verwertungsbegriff sichergestellt werden, d.h. Abfälle, die nicht vermieden werden können, sind ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist (vgl. dazu §§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, 5 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG). Zum anderen fordern die Regelungen, dass die Abfälle, die nicht verwertet werden, nach den Grundsätzen der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung behandelt und beseitigt werden (vgl. §§ 10 Abs. 4, 11, 12 KrW-/AbfG) und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger dafür ortsnah (und damit flächendeckend) ausreichende Kapazitäten für die Beseitigung dieser Abfälle zur Verfügung stellen (vgl. dazu §§ 13, 15 KrW-/AbfG). Trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Abfallverwertung vor der Beseitigung (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG) entfällt dieser, wenn ausgehend von der übergeordneten Zielsetzung des Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung darstellt (§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG). Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Systematik kann vom Satzungsgeber nicht verlangt werden, dass er im Rahmen seiner gebührenrechtlichen Konzeptbefugnis allein - wie die Klägerin meint - den Vorrang der Abfallverwertung fördert und gleichgewichtige Belange - wie etwa die Sicherstellung einer ausreichenden und ortsnahen Entsorgungskapazität und damit das Interesse an der Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallwirtschaft - zurückstellt.
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Diese Auslegung steht auch in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht und namentlich mit der Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle - RL 75/442/EWG -. Die Richtlinie legt in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) nicht nur den Vorrang der Verwertung fest, sondern darüber hinaus das Prinzip der räumlichen Nähe und der Autarkie im Bereich der Entsorgung. Die Richtlinie selbst ist wiederum im Lichte des primären Unionsrechts auszulegen und anzuwenden. Dieses statuiert in Art. 130 r Abs. 2 EWGV bzw. Art. 174 Abs. 2 Satz 2 EG (heute: Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV) das Prinzip der Nähe. Wenn danach Umweltbeeinträchtigungen nach Möglichkeit an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind, bedeutet dies im Bereich der Abfallwirtschaft, dass die Beseitigung nicht verwertbarer Abfälle dem Verursacherprinzip folgend in die Nähe ihres Entstehungsortes gehört. In Art. 5 Abs. 2 der RL 75/442/EWG findet dieses umweltpolitische Ziel ebenfalls Ausdruck (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO). Die dargestellte Systematik und damit verbunden die besondere Bedeutung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe im Abfallrecht, die bereits in der Ursprungsfassung der Abfallrahmenrichtlinie ihren Niederschlag gefunden hatte, hat der europäische Gesetzgeber in der Folgezeit nicht nur beibehalten, sondern weiterentwickelt und konkretisiert (vgl. die Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2006 über Abfälle, die die bereits zuvor erfolgten Änderungen der Abfallrahmenrichtlinie berücksichtigte, und zuletzt die Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, die am 12.12.2008 in Kraft trat und eigentlich bis 12.12.2010 in nationales Recht umgesetzt werden musste).
98 
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsentwicklung genießt allein das oberste Ziel jeder Abfallpolitik, nämlich die Minimierung der nachteiligen Auswirkungen der Abfallerzeugung und -bewirtschaftung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, absoluten Vorrang (vgl. den 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/98/EG). Dementsprechend gilt die Abfallhierarchie nicht absolut, bei ihrer Anwendung haben die Mitgliedstaaten vielmehr diejenigen Optionen zu fördern, die insgesamt das beste Ergebnis unter dem Aspekt des Umweltschutzes erbringen (Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG). Dem dargestellten obersten Ziel der Abfallpolitik soll schließlich auch die Errichtung eines integrierten und angemessenen Netzes von Abfallbeseitigungsanlagen dienen, um die Abfälle ortsnah beseitigen zu können (vgl. Art. 16 der Richtlinie 2008/98/EG).
99 
Eine abweichende Einschätzung hinsichtlich der gebührenrechtlichen Konzeptbefugnis des Satzungsgebers rechtfertigt auch nicht § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG (GBl. 1996, 116) in der bis zum 30.03.2005 geltenden Fassung. Nach dieser Bestimmung sollen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger insbesondere in den Satzungen nach § 8 LAbfG die Gebührentatbestände so ausgestalten, dass sich daraus nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung sowie zur Abfalltrennung ergeben. Das Gebot, mit dem Gebührenmaßstab wirksame Anreize auch zur Verwertung zu schaffen, ist nur als Sollvorschrift, nicht als Mussvorschrift ausgebildet. Es fehlt auch eine nähere Präzisierung, in welcher Weise und in welcher Form solche Anreize geschaffen werden sollen. Dies rechtfertigt den Schluss, dass dem Satzungsgeber in diesem Zusammenhang ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt worden ist. Danach ist § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG und der Nachfolgeregelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 KAG 2005 (GBl. 2005, 206), mit der die Sollvorschrift in eine Kannvorschrift umgewandelt und damit der Spielraum des Satzungsgebers nochmals erweitert wurde, jedenfalls ausreichend Genüge getan, wenn - wie hier in den Jahren 2005 und 2006 - ca. ein Drittel der Gesamtkosten über die Grundgebühr und ca. zwei Drittel der Kosten über die Verbrauchsgebühr, die allein vom Aufkommen der Abfälle abhängig ist, abgerechnet werden. Dies gilt erst recht, wenn - wie im Jahr 2007 - ein noch deutlich geringerer Anteil der Gesamtkosten über die Grundgebühr umgelegt wird. Unter Hinweis darauf, dass auch bei Einführung einer Grundgebühr durch die Gebührenerhebung insgesamt noch wirksame Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung geschaffen werden müssen, wurde in der Rechtsprechung zum Teil vertreten, dass im Verhältnis zur Gesamtgebühr über die Grundgebühr nicht mehr als 50 % der Kosten abgerechnet werden dürften (in diesem Sinne Nieders. OVG, Urteil vom 24.06.1998 - 9 L 2722/96 - KStZ 1999, 172). Teilweise wird in der Rechtsprechung dagegen vertreten, dass es bei der Erhebung einer Grundgebühr zulässig sei, über diese mehr als 50 % der gesamten Gebührenbelastung abzurechnen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.02.2000 - 9 A 3915/98 - KStZ 2000, 233; Bay, VGH, Urteil vom 20.10.1997, aaO) bzw. in begründeten Ausnahmefällen bis zu 75 % der Kosten abzurechnen (vgl. Nieders. OVG, Urteil vom 07.06.2004 - 9 KN 502/02 - NordÖR 2004, 310). Zur Begründung für diese Auffassung wird angeführt, in der Abfallwirtschaft müssten aufwändige und hochtechnisierte Anlagen für Sammlung, Transport, Trennung, Verwertung, Behandlung und gegebenenfalls Ablagerung von Abfällen vorgehalten werden und zwar unabhängig vom Grad der Anlagenausnutzung. Da hier mir der Grundgebühr weit weniger als 50 % der gesamten Gebührenbelastung abgerechnet wird, bedarf es anlässlich des vorliegenden Falles keiner abschließenden Beurteilung, ab welcher Grenze die Erhebung einer Grundgebühr unzulässig ist, weil die Gebührengestaltung keine ausreichenden Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung mehr bietet.
100 
Unerheblich ist der sinngemäße Einwand der Klägerin, das Verhältnis von Grundgebühr zur Verbrauchsgebühr sei deshalb zu beanstanden, weil die Grundgebühr - in Einzelfällen - ein Vielfaches der Leerungsgebühr betragen könne. Es ist ausreichend, wenn - wie hier - die Ausgestaltung des Gebührensystems insgesamt und generell dem Gebot genügt, Anreize zur Verwertung von Abfällen zu schaffen. Dagegen ist nicht erforderlich, dass die Grundgebühr im Abrechnungszeitraum, also regelmäßig im Kalenderjahr, bei allen denkbaren Gruppen von Gebührenpflichtigen nur einen untergeordneten Teil der Gesamtgebührenbelastung bzw. nicht mehr als 50 % der gesamten Gebührenbelastung ausmacht (ebenso Nieders. OVG, Urteil vom 24.06.1998 - 9 L 2504/96 - ZKF 1999, 184). Die Gestaltung des Gebührensystems im Abfallrecht erfordert - wie dargelegt - ein weitgehende Typisierung; folglich ist es ausreichend, wenn dem dargestellten Gebot jedenfalls in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Rechnung getragen wird.
101 
Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im Falle der Klägerin ein Missverhältnis von Grund- und Verbrauchsgebühr gegeben ist. Da die Klägerin ihren Abfall zur Beseitigung nicht dem Beklagten andient, fehlt jede Grundlage, um die Höhe der von der Klägerin zu bezahlenden Grundgebühr ins Verhältnis zu ihrer Gesamtgebührenbelastung setzen zu können.
102 
Dass die vom Beklagten gewählte Art der Gebührenbemessung objektiv dazu führt, dass die Industrie- und Gewerbebetriebe im Satzungsgebiet des Beklagten verwertbare Abfälle dem kommunalen Entsorgungsträger überlassen, ist im Übrigen nicht ersichtlich. Auch die Klägerin hat keine Anhaltspunkte geliefert, die den Schluss rechtfertigen könnten, seit Einführung des hier zu beurteilenden Grundgebührensystems im Jahre 2001 würden die Industrie- und Gewerbebetriebe dem Böblinger Restmüllheizkraftwerk in nennenswertem Umfang Abfall zur Verwertung überlassen. Nach der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Übersicht über die Entwicklung des Gewerbeabfallaufkommens in den Jahren 1999 bis 2009 ist in seinem Satzungsgebiet die Menge des Gewebeabfallaufkommens vielmehr in etwa gleich geblieben, d.h. auch nach der Einführung der Gewerbegrundgebühr im Jahre 2001 ist kein nennenswerter Anstieg des Gewerbeabfallaufkommens zu verzeichnen gewesen.
103 
Soweit sich der erwähnten Übersicht allein in den Jahre 2005 bis 2007 ein gewisser Anstieg des Gewerbeabfallaufkommens entnehmen lässt, hat der Beklagte als Grund hierfür unwidersprochen angeführt, dass in dieser Zeit die Kosten für eine „Verwertung“ außerhalb des Landkreises teilweise höher als für eine „Beseitigung“ in der Müllverbrennungsanlage des Beklagten gewesen seien. Wenn es tatsächlich zutreffen sollte (wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung behauptet hat), dass die Betriebe im Satzungsgebiet des Beklagten ihre „Verwertung“ so organisieren, dass sie kostengünstige „Verbrennungsmöglichkeiten“ in anderen Bundesländern (teilweise weit ab) in Anspruch nehmen, bleibt von vornherein kein Raum mehr für die Behauptung der Klägerin, die flächenbezogene Grundgebühr übe eine Lenkungswirkung auf die betriebliche Abfallentsorgung aus, die mit den Zielen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes unvereinbar sei.
104 
Die Klägerin hat auch keine (fachwissenschaftlichen) Veröffentlichungen oder sonstige Erkenntnisquellen zum Beleg dafür benannt, dass es im Bereich anderer öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger, die für Industrie- und Gewerbebetriebe eine flächenbezogene Grundgebühr eingeführt haben, in nennenswertem Umfang zu einer Anlieferung verwertbarer Abfälle gekommen ist. Die von der Klägerin erhobene Tatsachenbehauptung (einer unzulässigen Anreizwirkung) ist danach ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich „aus der Luft gegriffen“, sie ist mit anderen Worten „ins Blaue hinein“, also „erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage“ erhoben worden. Deshalb sieht der Senat auch keinen Anlass, diese Fragestellung dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung (Art. 267 AEUV) vorzulegen.
105 
Selbst wenn in Einzelfällen Abfallerzeuger/-besitzer verwertbare Abfälle den kommunalen Entsorgungsträgern überlassen, gewährleistet die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG, dass der Vorrang der Abfallverwertung vor der Beseitigung beachtet werden muss. Denn mit dem Übergang des Abfallbesitzes auf den kommunalen Entsorgungsträger wechselt nur der Adressat des Verwertungsgebots. Dass im Bereich der gewerblichen Siedlungsabfälle die Verwirklichung des Verwertungsgebots ausschließlich in den Händen der Privatwirtschaft liegen muss, ist weder Bundesrecht noch europäischem Abfallrecht zu entnehmen (so BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO).
106 
ff) Die Klägerin wendet sich schließlich zu Unrecht gegen die vom Satzungsgeber beabsichtigte Lenkungswirkung unter Berufung auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 07.01.2002 - 20 N 01.503 - (NVwZ-RR 2002, 378). Nach dieser Entscheidung darf eine Gemeinde keine Mindestbehälter-Volumen für gewerbliche Beseitigungsabfälle in Höhe von 25 % des Gesamtvolumens der Abfälle festlegen. Denn auch bei einer typisierenden Betrachtungsweise könne nicht davon ausgegangen werden, dass Abfälle zur Beseitigung bei den Gewerbebetrieben generell in diesem Umfang anfallen würden. Diese Entscheidung ist auf den hier zu beurteilenden Rechtsstreit nicht übertragbar. Die Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten gibt gerade kein zwingend vorgeschriebenes Mindestbehälter-Volumen vor. Es ist den Erzeugern und Besitzern von gewerblichen Siedlungsabfällen möglich nachzuweisen, dass ausnahmsweise sämtliche Siedlungsabfälle verwertet werden (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 17.02.2005, aaO). Die Abfallerzeuger und -besitzer müssen ferner neben der Grundgebühr eine Leistungsgebühr entsprechend dem vorgehaltenen Behältervolumen bzw. dem angelieferten Gewicht des Abfalls entrichten. Das Anreizsystem, das mit der Gebührengestaltung des Beklagten verbunden ist, unterscheidet sich demnach grundlegend von den Anreizen, die durch die Normierung eines Mindestbehälter-Volumens gesetzt werden.
107 
gg) Schließlich meint die Klägerin im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ohne Erfolg, die Definition der Nutzfläche in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 weiche von der Ermittlung der Nutzfläche nach der DIN 277 ab und sei deshalb willkürlich. Die Klägerin wendet damit im Kern ein, die einschlägige Satzungsregelung des Beklagten ziehe auch solche Flächen zur Gebührenberechnung heran, auf denen kein Abfall anfallen könne. Dies kann nicht beanstandet werden, weil dem Satzungsgeber auch bei der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabes ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht und er deshalb aus Gründen der Praktikabilität einen - im Vergleich zur DIN 277 - gröberen Maßstab verwendet durfte.
108 
Nach der Definition des Satzungsgebers ergibt sich die Nutzfläche durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse. Dazu gehören auch Lager, Büro- und Sozialräume sowie Betriebswohnungen. Die Nutzfläche privater Haushaltungen/Wohneinheiten und Pkw-Abstellplätze innerhalb der Bauwerksflächen bleibt bei der Nutzflächenermittlung unberücksichtigt (vgl. etwa § 22 Abs. 5 Satz 4 bis 6 AWS 2007). Diese Regelung ermöglicht es dem Beklagten, die für die Erhebung der Grundgebühr maßgebliche Nutzfläche aufgrund der Aktenlage und den Angaben des jeweiligen Industrie- und Gewerbebetriebs ohne größeren Verwaltungsaufwand zu ermitteln. Nach der DIN 277, die für die Ermittlung von Grundflächen und Rauminhalten von Bauwerken oder Teilen von Bauwerken im Hochbau gilt, soweit die Grundflächen und Rauminhalte für die Ermittlung von Kosten maßgebend sind, berechnet sich die Nutzfläche - verkürzt dargestellt - hingegen so, dass von der Nettogrundrissfläche die Verkehrsflächen und die Funktionsflächen in Abzug zu bringen sind. Zu den Verkehrsflächen gehören nicht nur Fahrzeugverkehrsflächen, sondern darüber hinaus auch Flure, Aufzugsschächte und Eingangsräume. Zu den Funktionsflächen zählen nach der DIN 277-1 solche der Abwasser-, Wasser-, Wärme-, Gas-, Elektro-, Fernmelde-, Lüftungs- und Fördertechnik sowie solche sonstiger Technik. Diese Flächensystematik der DIN 277 würde somit - so zu Recht die Klägerin - die Flächen, auf denen kein oder wenig Abfall anfallen kann, bei der Bemessung ausscheiden und insoweit ein „genaueres“ Bild des Abfallpotentials des jeweiligen Betriebes liefern. Allerdings wäre auf der Grundlage der DIN 277 eine ins Einzelne gehende Berechnung der Nutzfläche und damit ersichtlich ein weitaus größerer Personaleinsatz erforderlich, der zwangsläufig zu höheren Kosten und damit auch zu höheren Gebühren für die Nutzer der Einrichtung führen würde. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass sich bei der angezeigten typisierenden Betrachtung das Verhältnis der gesamten Nutzfläche der Betriebe zu den jeweiligen Verkehrs- und Funktionsflächen in etwa entspricht, und es deshalb auch bei Anwendung des von der Klägerin geforderten Maßstabs entsprechend der DIN 277 nicht zu relevanten Verschiebungen bei der Gebührenbelastung der Betriebe kommen würde.
109 
Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass bei der Erhebung von Grundgebühren ein „grober“ Maßstab in der Natur der Sache liegt. Kann nach den bisherigen Ausführungen demnach die vom jeweiligen Industrie- und Gewerbebetrieb in Anspruch genommene Vorhalteleistung nur pauschal bemessen werden, dann sind erst recht die Anforderungen, die an die Differenziertheit bei der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabs zu stellen sind, zurückzunehmen.
110 
c) Der Einwand der Klägerin, die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstückes begründe zusätzlich einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, greift ebenfalls nicht durch. Das Äquivalenzprinzip ist als ein auf die Gebührenerhebung bezogener Ausdruck des bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzusehen. Es besagt aber lediglich, dass die Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.01.2000 - 11 C 5.99 - Buchholz 451.211 GtA Nr. 2 S. 8). Des-wegen verbleibt dem kommunalen Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, wie eine sachgerechte Verknüpfung zwischen dem Wert dieser Leistung und der Gebührenhöhe herzustellen ist, ein weiter Ermessensspielraum. Bei der Müllabfuhr bestimmt der regelmäßige Abholdienst entscheidend den Wert der vom Gebührenschuldner in Anspruch genommenen Leistung. Denn er garantiert ihm, sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen zu können (BVerwG, Urteil vom 20.12.2000, aaO). Um den Wert dieser Leistung in Geld zu bestimmen, kann ein auf den Nutzer entfallender Anteil der für die kommunale Abfallentsorgung aufzuwendenden Kosten angesetzt werden. Eine auf Kostendeckung abzielende Gebühr - wie sie hier vom Beklagten erhoben wird - ist mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, solange der Verteilungsmaßstab dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung trägt. Die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende Belastungsgleichheit gewährleistet im Fall einer Aufwandsgebühr zugleich ein angemessenes Verhältnis zwischen Wert der Leistung und Gebührenhöhe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.11.2001, aaO). Da nach den bisherigen Ausführungen eine Verletzung des Gleichheitsprinzips nicht vorliegt, scheidet damit zugleich ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus.
111 
4. Auf der Grundlage dieser Ausführung bestand kein Anlass, den Beweisanträgen der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzukommen. Im Einzelnen:
112 
a) Die Klägerin behauptet mit ihrem Beweisantrag Nr. 1, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs als Maßstab für die Abfallmenge, die der Betrieb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen muss, von vornherein ungeeignet sei, weil die Nutzfläche für Art und Umfang der Überlassungspflicht eines Gewerbebetriebs schlicht nicht typisch sei und keinerlei Rückschlüsse auf die zu überlassende Abfallmenge erlaube. Diese Formulierung trägt den Anforderungen an die „Bestimmtheit“ einer Beweistatsache ausreichend Rechnung. Beweistatsachen sind konkrete Geschehnisse, Umstände und Zustände der äußeren Welt, innerpsychische Vorgänge und Gegebenheiten und insbesondere auch das Bestehen oder Nichtbestehen von Zusammenhängen. Bloße Wertungen oder Schlussfolgerungen reichen nicht aus; die Auslegung entsprechender Anträge kann aber ergeben, dass die Beweiserhebung in Wahrheit auf eine als solche hinreichend bestimmte Tatsachengrundlage abzielt (vgl. etwa Fischer in: Karlsruher Kommentar, Strafprozessordnung, 6. Aufl., § 244 StPO Rdnr. 69). Soweit die Klägerin mit dem Antrag sinngemäß die Ungeeignetheit des Nutzflächenmaßstabs für die Bemessung der Grundgebühr behauptet, handelt es sich um eine bloße Wertung und Schlussfolgerung. Bei sinnorientierter Auslegung lässt sich dem Antrag jedoch auch die Beweistatsache entnehmen, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs keinerlei Rückschlüsse auf die zu überlassende Abfallmenge erlaube. Eine entsprechende Beweiserhebung erübrigt sich deshalb, weil - so zu Recht das Verwaltungsgericht - das Gegenteil der behaupteten Beweistatsache offenkundig ist (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 1. Alternative StPO entsprechend). Offenkundigkeit umfasst Allgemeinkundigkeit und Gerichtskundigkeit. Danach ist der Erfahrungssatz, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs gewisse Rückschlüsse auf die Abfallmenge zulässt, die der Betrieb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt, allgemeinkundig. Es ist mit anderen Worten allgemeinkundig, dass bei einer größeren Nutzfläche des Gewerbebetriebs zwar nicht entsprechend proportional und damit „punktgenau“, jedoch tendenziell auch größere Mengen an Abfall zur Beseitigung anfallen. Im Allgemeinen sind mit einer größeren Nutzfläche eines Gewerbebetriebs auch eine größere Zahl von Beschäftigten und/oder eine größere Produktion verbunden und damit tendenziell größere Mengen (auch) an Abfällen zur Beseitigung. Dies liegt auf der Hand, Grundlage des dargelegten Erfahrungssatzes ist damit die allgemeine Lebenserfahrung.
113 
Die allgemeine Lebenserfahrung findet ihre Bestätigung auch in der vom Beklagten in Auftrag gegebenen Untersuchung des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003. Danach besteht ein eindeutiger - wenn auch grober - Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzfläche und der Abfallmenge.
114 
Bei einer Gesamtwürdigung des Vorbringens der Klägerin behauptet sie - über den Wortlaut des dargestellten Beweisantrags hinaus - im Kern, dass mit einer steigenden Nutzfläche eines Gewerbebetriebes nicht entsprechend proportional auch die Menge des überlassungspflichtigen Abfalls zur Beseitigung ansteige. Sie behauptet damit mit anderen Worten, es bestünde kein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebes, der durch wenige Ausnahmefälle entsprechend dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit gekennzeichnet sei. Die so umschriebene Beweistatsache ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sie wird im Übrigen auch durch die Untersuchung des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur- Management GmbH vom Dezember 2003 bestätigt, nach der im Satzungsgebiet des Beklagten eine hohe Schwankungsbreite der Abfallmengen zur Betriebsfläche und insbesondere auch Extremwerte (große Betriebsfläche und hohe Abfallmengen) festgestellt wurden. Dieses, den Kern des Vortrags bildende Beweisthema, ist auf der Grundlage der Ausführungen unter 3. b) jedoch nicht entscheidungserheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative StPO entsprechend).
115 
Dem dargelegten Beweisthema kommt für die hier entscheidungserhebliche Frage, ob der Nutzflächenmaßstab dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG genügt, lediglich indizielle Bedeutung zu. Dies bedeutet, dass der Beweistatsache - kein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs - zwar durchaus eine gewisse Bedeutung für die rechtliche Überprüfung des Nutzflächenmaßstabs zukommt, sich aber aus ihr - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade keine zwingenden Schlüsse auf die Rechtswidrigkeit des hier zu beurteilenden Maßstabs ergeben. Denn die Bemessung der Grundgebühr hat sich nicht an der Menge des Beseitigungsabfalls zu orientieren, die der jeweilige Gewerbebetrieb aktuell dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt. Maßgeblich ist vielmehr die für den jeweiligen Betrieb vorzuhaltende Höchstlastkapazität, d.h. dessen „Abfallpotential“. Die jeweils aktuelle Menge des Beseitigungsabfalls ist danach zwar ein - gewichtiger - Parameter für die Abschätzung des Abfallpotentials, sie ist aber vor dem Hintergrund der dargelegten Systematik des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht die allein maßgebliche Grundlage für die Verteilung der Vorhaltekosten der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungseinrichtung. Dementsprechend setzt die Rechtmäßigkeit des Grundgebührenmaßstab nicht voraus, dass ein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche eines Gewerbebetriebs und seiner derzeitigen Menge an Beseitigungsabfall besteht. Bei der Erhebung von Grundgebühren liegt vielmehr ein „grober“ Maßstab in der Natur der Sache; die Sachgerechtigkeit dieses Maßstabs wird durch Erwägungen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt und insbesondere der abgabenrechtliche Grundsatz der Typengerechtigkeit findet keine Anwendung.
116 
b) Unerheblich ist auch die Beweisbehauptung Nr. 2 der Klägerin, „dass deutlich mehr als 10 % der Gewerbebetriebe des Landkreises Böblingen atypisch seien, weil ein Mehr an Nutzfläche keinerlei Rückschlüsse auf eine auch nur annähernd proportionale Vergrößerung der überlassungspflichtigen Abfallmenge erlaube“. Gleiches gilt schließlich für die Beweisbehauptung Nr. 3 der Klägerin, „dass die Größe der Fläche, die ein Gewerbebetrieb betrieblich nutze, kein sachgerechter Maßstab dafür sei, ob und inwieweit die Verwertung anfallender Gewerbeabfälle technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sei (mit der Folge einer gesetzlichen Verwertungspflicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 KrW-/AbfG)“. Mit den letztgenannten beiden Beweisanträgen variiert die Klägerin unter Verwendung verschiedener Formulierungen lediglich das bereits unter 4. a) abgehandelte Beweisthema, wonach kein entsprechend proportionaler bzw. enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs bestehe, der den Anforderungen des abgabenrechtlichen Grundsatzes der Typengerechtigkeit gerecht werde. Auch insoweit gilt wiederum, dass die Rechtmäßigkeit des Maßstabs bei der Erhebung von Grundgebühren keinen entsprechend proportionalen bzw. engen Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs voraussetzt. Darüber hinaus findet auf den hier zu beurteilenden Nutzflächenmaßstab der abgabenrechtliche Grundsatz der Typengerechtigkeit keine Anwendung.
117 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
118 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
119 
Beschluss vom 1. Februar 2011
120 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 7.806,40 EUR festgesetzt.
121 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
53 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Abfallgebührenbescheide des Beklagten für die Veranlagungsjahre 2005, 2006 und 2007 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hier zu beurteilende Abfallgrundgebühr für gewerbliche Betriebe hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
54 
Die Abfallgebührenbescheide für das Jahr 2005 beruhen auf der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten vom 19.11.2001 i.d.F. der 5. Änderungssatzung vom 14.03.2005 (AWS 2005), die für dieses Veranlagungsjahr rückwirkend in Kraft trat. Für die Gebührenbescheide des Jahres 2006 ist die Abfallwirtschaftssatzung vom 19.11.2001 i.d.F. der Änderungssatzung vom 21.11.2005 (AWS 2006) und für die Gebührenbescheide des Jahres 2007 die Neufassung der Abfallwirtschaftssatzung vom 20.11.2006 (AWS 2007) einschlägig. Die Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallabfuhr (Abfallgebühren) für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen, die von den Betrieben über 120 l-Müllbehälter und größer bereitgestellt oder von diesen selbst angeliefert werden, werden als Grundgebühr sowie als Entleerungsgebühr erhoben (§ 22 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Die Grundgebühr bemisst sich nach den auf das Grundstück entfallenden Nutzeinheiten zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld (§ 22 Abs. 5 Satz 1 der Satzungen). Die Anzahl der Nutzeinheiten errechnet sich auf der Grundlage der Nutzfläche des gewerblichen Betriebs, diese Nutzfläche wiederum ergibt sich im Grundsatz durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse (§ 22 Abs. 5 Sätze 4 und 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Die Jahresgrundgebühr für die gewerblichen Siedlungsabfälle beträgt nach § 22 Abs. 7 der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzung je Nutzeinheit im Jahr 2005 132,-- EUR, im Jahre 2006 96,-- EUR und im Jahre 2007 94,80 EUR. Die neben der Grundgebühr erhobene Entleerungsgebühr bestimmt sich nach der Größe der zur Abfuhr bereitgestellten Abfallbehälter sowie der Zahl der Leerungen (§ 22 Abs. 7 AWS 2005, 2006 und 2007), die Entleerungsgebühr für die Selbstanlieferer zum Restmüllheizkraftwerk bemisst sich nach dem Gewicht der angelieferten Abfälle (§ 23 der einschlägigen Satzungen). Die dargestellte Kombination aus nutzflächenbezogener Grundgebühr sowie einer Verbrauchsgebühr, die sich nach der Menge bzw. dem Gewicht des Abfalls bemisst, ist rechtlich nicht zu beanstanden und hält insbesondere die Vorgaben des höherrangigen Rechts ein.
55 
1. Das baden-württembergische Landesrecht enthält - im Unterschied zum Recht anderer Länder - keine ausdrückliche Regelung über die Zulässigkeit einer verbrauchsunabhängigen Grundgebühr. Die Erhebung einer solchen Gebühr - auch auf dem Gebiet der Abfallentsorgung - ist jedoch trotz Fehlens einer gesetzlichen Regelung allgemein anerkannt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11.10.2004 - 2 S 1998/02 - BWGZ 2005, 67; Beschluss vom 29.10.2003 - 2 S 2407/02 - DÖV 2004, 713; Urteil vom 02.03.2004 - 10 S 15/03 - ZUR 2004, 358). Unter einer Grundgebühr ist eine Benutzungsgebühr zu verstehen, die für die Inanspruchnahme der Lieferungs- bzw. Betriebsbereitschaft einer Einrichtung erhoben wird. Mit ihr sollen die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten (sogenannte Fixkosten) ganz oder teilweise abgegolten werden (vgl. Rieger in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2010, § 6 Rdnr. 595). Dazu rechnen z.B. feststehende Kosten für die Anmietung von Abfallgefäßen, An- und Abfahrtskosten bei der Leerung der Abfallgefäße, soweit diese nicht mengenabhängig sind, Kosten für die Finanzierung von Abfallentsorgungseinrichtungen einschließlich der Abschreibungen, Personal- und Verwaltungskosten sowie Nachsorgeaufwendungen für stillgelegte Deponien. Da in die Grundgebühr nur abfallmengenunabhängige Fixkosten eingerechnet werden können, ist die Erhebung einer Grundgebühr nur bei gleichzeitiger Erhebung einer Verbrauchsgebühr (Leistungs- oder Arbeitsgebühr) zulässig, mit der die laufenden abfallmengenabhängigen Kosten sowie gegebenenfalls der mit der Grundgebühr nicht abgedeckte Teil der Fixkosten abgerechnet werden (vgl. dazu Queitsch, ZKF 2000, 81). Hieraus folgt zugleich, dass eine Grundgebühr nur dann erhoben werden kann, wenn der betreffende Abfallerzeuger/-besitzer an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung angeschlossen ist, d.h. diese benutzt bzw. benutzen muss und damit zumindest die Vorhalteleistung in Anspruch nimmt. Denn bei der Grundgebühr handelt es sich grundsätzlich um eine Gebühr und nicht um einen Beitrag, bei dem bereits die Möglichkeit der Inanspruchnahme ausreicht (vgl. Queitsch, ZKF 2000, 81; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, aaO, § 6 Rnd. 336a).
56 
Anders als die Verbrauchsgebühr, die sich nach dem Maß der jeweiligen Inanspruchnahme zu richten hat, ist die Grundgebühr - verbrauchsunabhängig - nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu bemessen, der sich an der Vorhalteleistung und der abrufbaren Lieferbereitschaft zu orientieren hat (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Rieger, aaO). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Fixkostenanteil in der kommunalen Abfallwirtschaft - verursacht insbesondere durch die Investitionen in die Abfallentsorgungsanlagen - sehr hoch liegt (in der Literatur wird der Anteil mit rd. 80 % angegeben, vgl. etwa Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 482; Cantner, KStZ 2000, 23, 24). Damit verursacht nicht das Ausmaß der Inanspruchnahme der Abfallentsorgungsanlagen die wesentlichen Kosten, sondern ihr Vorhandensein als solches, ihre Betriebsbereitschaft und die Möglichkeit, sie jederzeit in Anspruch nehmen zu können. Dies rechtfertigt die Heranziehung Betroffener zur Abgeltung verbrauchsunabhängiger Vorhaltekosten im Wege einer Grundgebühr (VGH Bad.-Württ. Urteil vom 02.03.2004, aaO). Die Grundgebühr dient danach dazu, um die Erzeuger und Besitzer (verhältnismäßig) geringer Abfallmengen an den unabhängig vom Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme einer Abfallentsorgungseinrichtung entstehenden Fixkosten angemessen zu beteiligen (Nieders.OVG, Urteil vom 20.01.2000 - 9 L 2396/99 - NVwZ-RR 2001, 128). Damit ist die Erhebung von Grundgebühren für den Bereich der Industrie- und Gewerbebetriebe ein rechtlich zulässiges Instrument, um die hohen Fixkosten, die die Abfallentsorgung in den kommunalen Gebietskörperschaften verursacht, auch auf die gewerblichen Abfallerzeuger und damit diejenigen umzulegen, für deren Entsorgung die Anlagen in der Vergangenheit (auch) errichtet worden sind. Denn bei einer lediglich abfallmengenabhängigen Umlegung der Kosten - insbesondere auch der Nachfolgekosten für die Deponien - und deutlich geringen Mengen an gewerblichen Abfällen sind die privaten Bürgerinnen/Bürger diejenigen, die einen Großteil der hohen Fixkosten zu tragen und damit die „Zeche“ zu bezahlen haben (vgl. Queitsch, ZKF 2000, 86; Schink, AbfallR 2003, 192).
57 
Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund ist die Einführung eines „Grundgebührensystems“ für gewerbliche Betriebe durch den Beklagten dem Grunde nach rechtlich zulässig. Die Grundgebühr wird insbesondere den dargestellten allgemeinen Anforderungen gerecht. Mit ihr wird nur ein Teil der abfallmengenunabhängigen Kosten abgegolten, der andere Teil sowie die abfallmengenabhängigen Kosten werden bei der gleichzeitig erhobenen Verbrauchsgebühr eingestellt. Der Beklagte kalkulierte die Grundgebühr so, dass mit ihr in den Jahren 2005 bis 2007 deutlich weniger als 50 % der verbrauchsunabhängigen Fixkosten umgelegt wurde. Der überwiegende Teil der Fixkosten sowie die abfallmengenabhängigen Kosten wurden danach über verbrauchsabhängige Leistungsgebühren finanziert.
58 
Die Klägerin ist auch an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten angeschlossen. Gestützt auf § 7 Satz 4 der Gewerbeabfallverordnung vom 19.06.2002 (BGBl. I 1938) - GewAbfV - sehen die einschlägigen Satzungen des Beklagten sinngemäß vor, dass die Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle mindestens einen Abfallbehälter mit dem Mindestvolumen von 120 l vorzuhalten haben (§ 14 Abs. 7 AWS 2005, 2006 und 2007). Dementsprechend hat der Beklagte für die Klägerin eine Behälternutzungspflicht angeordnet, und diese hatte seither auch eine Pflichtrestmülltonne angemeldet. Rechtlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Klägerin die Pflichtrestmülltonne in den Jahren 2005 bis 2007 nicht zur Entleerung bereitgestellt hat. Dieses Verhalten ist rechtswidrig und stellt die Einschätzung, die Klägerin nehme die Leistungen des Beklagten und damit die Vorhalteleistung der Abfallentsorgungseinrichtung auch tatsächlich in Anspruch, nicht in Frage. Denn die Abfallbehälternutzungspflicht nach § 7 Satz 4 GewAbfV trifft alle Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle, es sei denn, diese weisen im Einzelfall nach, dass bei ihnen keine Abfälle zur Beseitigung anfallen (BVerwG, Urteile vom 17.02.2005 - 7 C 25.03 - BVerwGE 123, 1 und 7 CN 6.04 - NVwZ 2005, 695). Diesen Nachweis hat die Klägerin aber gerade nicht geführt.
59 
2. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der beklagte Landkreis in Bezug auf die Grundgebühr zwei verschiedene Benutzergruppen bilden durfte. Die einschlägigen Satzungen des Beklagten regeln für die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen eine Grundgebühr, die sich nach der Zahl der auf einem Grundstück vorhandenen Wohneinheiten bemisst (§ 22 Abs. 2 der einschlägigen Satzungen). Dagegen sehen die Satzungen für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen die hier zu beurteilende Grundgebühr nach den auf das Grundstück entfallenden Nutzeinheiten vor (§ 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Dementsprechend hat der Beklagte auf Grundlage der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 16.06.1999 - 2 S 782/98 - VBlBW 1999, 425 und Urteil vom 04.07.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540) die den beiden Gebührenmaßstäben zugrunde liegenden Gebührensätze in getrennten Gebührenkalkulationen ermittelt und die Kosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung den beiden Benutzergruppen zugeordnet mit der Folge einer unterschiedlich hohen Grundgebühr für die Gruppen. Dies kann nicht beanstandet werden. Fehl geht insbesondere der Einwand, die Grundgebühr müsse für alle Nutzer und damit für Gewerbebetriebe und Privathaushalte gleich festgesetzt werden.
60 
Um willkürliche Zuordnungen der Grundgebühr auszuschließen, bedarf es bei der Schaffung gebührenrechtlicher Gruppenbildungen nachvollziehbarer Gründe, warum unterschiedliche Benutzergruppen gebildet werden und weshalb gerade die vorgenommene Gruppenbildung angezeigt ist (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.2004, aaO). Die Bildung unterschiedlicher Benutzergruppen und damit verbunden die Erhebung einer unterschiedlich hohen Grundgebühr ist dann gerechtfertigt, wenn bestimmte Gruppen von Gebührenpflichtigen deutlich stärker von den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen der Abfallentsorgungseinrichtung profitieren und die dadurch entstehenden Mehrkosten letztlich ihnen zugerechnet werden können (vgl. etwa Nieders.OVG, Urteil vom 26.03.2003 - 9 KN 439/02 - NVwZ-RR 2004, 891).
61 
Davon ausgehend kann die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht beanstandet werden, die Betriebe und Einrichtungen, die zur nutzflächenbezogenen Grundgebühr herangezogen werden, würden im Vergleich zu der Gruppe, die eine gefäßbezogene Grundgebühr zu leisten hat, in weitaus stärkerem Umfang Nutzen aus der Vorhalteleistung ziehen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgericht ergibt sich auf der Grundlage der Gebührenkalkulation der Abfallgebühren für das Jahr 2001, mit der der Beklagte erstmals die Differenzierung nach Benutzergruppen eingeführt hat, bezogen auf die verbrauchsunabhängigen Kosten des Restmüllheizkraftwerks eine Vorhalteleistung von 0,29 t je Wohneinheit für private Haushalte, während die Vorhalteleistung für die Abfälle aus anderen Bereichen (Gewerbemüll) dagegen 2,66 t je Nutzeinheit beträgt. Die sich danach für die beiden Benutzergruppen ergebenden deutlichen Unterschiede bei der in Anspruch genommenen Vorhalteleistung, die von der Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen wurden, rechtfertigen ohne weiteres die von der Beklagten vorgenommene Gruppenbildung.
62 
3. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin ferner gegen den Gebührenmaßstab, nach welchem ein Teil der verbrauchsunabhängigen Vorhaltekosten auf die gewerblichen Betriebe (vgl. § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007) umgelegt wird. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstücks, das jeweils an die Abfallentsorgung angeschlossen sei, sei weder mit dem Gleichheitsgrundsatz noch mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar. Dem kann nicht gefolgt werden.
63 
a) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln; dies gilt freilich nicht unter allen Umständen, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Danach ist der Satzungsgeber bei der Gebührenbemessung im Rahmen seines Ermessens nicht gehalten, den jeweils gewählten Maßstab derart weit auszudifferenzieren, dass möglichst jedem Einzelfall - im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit - entsprochen wird. Mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist bei festgestellter ungleicher Betroffenheit nur zu fragen, ob für die Differenzierung oder Nichtdifferenzierung sachlich einleuchtende Gründe bestehen, nicht hingegen, ob der Satzungsgeber die jeweils zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat. Eine willkürliche Satzungsgestaltung kann ihm nur vorgeworfen werden, wenn sich kein sachlicher, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für eine Ungleichbehandlung finden lässt. Das satzungsgeberische Ermessen verbietet den Gerichten die Prüfung, ob der vernünftigste, gerechteste oder wirklichkeitsnächste Maßstab gewählt worden ist. Dabei kann das Entscheidungsermessen des Satzungsgebers zusätzlich insbesondere vom Gesichtspunkt der Praktikabilität geleitet werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 19.12.2007 - 7 BN 6.07 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472).
64 
b) Der hier zu beurteilende Maßstab (gestaffelter und leicht degressiver) Nutzeinheiten verstößt in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (so auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2003, aaO; Bay.VerfGH, Entscheidung vom 24.07.2006 - Vf 2 - VII-04 - BayVBl. 2007, 42; Bay.VGH, Urteile vom 02.02.2005 - 4 N 01.2495 - juris und vom 20.10.1997 - 4 N 95.3631 - BayVBl. 1998, 148). Nach allgemeiner Lebenserfahrung besteht ein sachlicher Bezug zwischen Gewerbegrundstück und seiner Nutzung, wie sie in der „Nutzeinheit“ zum Ausdruck kommt, einerseits und der Entstehung der nicht nach dem jeweils aktuellen Aufkommen an Abfallmengen zu messenden Vorhaltekosten der Einrichtung andererseits. Die Größe der Nutzfläche eines Grundstücks lässt mit anderen Worten einen gewissen Rückschluss auf den Umfang zu, in dem das Grundstück „möglicherweise“ die Leistungen der öffentlichen Abfallbeseitigungseinrichtung in Anspruch nehmen wird (so auch Kibele, NVwZ 2003, 27).
65 
Diese Einschätzung wird auch durch den Endbericht des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003 bestätigt, der im Auftrag des beklagten Landkreises erstellt wurde und als „Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Abfallgrundgebühren gewerblicher Betriebe“ diente. Die Untersuchungen ergaben einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Betriebsfläche und der Abfallmenge, d.h. der Menge an überlassungspflichtigen Abfällen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG. Der Anstieg der Abfallmenge mit der Betriebsfläche erfolgt allerdings nicht linear, auch ist die Schwankungsbreite der Abfallmengen zur Betriebsfläche hoch, und es sind insbesondere auch Extremwerte (große Betriebsfläche und hohe Abfallmengen) festzustellen.
66 
Grundlage für diese Untersuchung waren die Abfallbehältergröße und die Entleerungsintervalle von Umleer- und Wechselbehältern für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen (vgl. S. 4 des Endberichts vom Dezember 2003). Die Untersuchung betraf danach nicht das Verhältnis zwischen der Nutzfläche eines Industrie- oder Gewerbebetriebs und dessen Gesamtabfallmenge bestehend aus Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung, sondern ausschließlich das Verhältnis der Nutzfläche zur aktuellen Menge an überlassungspflichtigen Abfällen. Der Einwand der Klägerin, der Endbericht sei ohne jede Aussagekraft für die entscheidungserhebliche Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzfläche des jeweiligen Gewerbebetriebs und der Menge an überlassungspflichtigen Abfällen gebe, liegt deshalb ersichtlich neben der Sache.
67 
Danach besteht zwar kein entsprechend proportionaler Zusammenhang, sondern nur eine lockere Abhängigkeit zwischen der Nutzfläche eines Gewerbebetriebs und der Menge des überlassungspflichtigen Abfalls zur Beseitigung. Dieser Umstand stellt jedoch die Rechtmäßigkeit des Nutzflächenmaßstabs nicht in Frage, weil sich die Bemessung der Grundgebühr nicht allein an der Menge der überlassungspflichtigen Abfälle, die im jeweiligen Betrieb aktuell anfallen, sondern an dessen „Gesamtabfallpotential“ auszurichten hat. Dass die Einschätzung des Abfallpotentials der Betriebe nur nach einem „groben“ Maßstab erfolgen kann, liegt zum einen in der Natur der Sache. Zum anderen rechtfertigen - insbesondere im Hinblick auf das Fehlen „verfeinerter“ Alternativmaßstäbe - auch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität den Maßstab. Im Einzelnen:
68 
aa) Die Heranziehung Betroffener zur Abgeltung verbrauchsunabhängiger Vorhaltekosten durch Erhebung einer Grundgebühr ist durch die Erwägung gerechtfertigt, dass die Betroffenen die Abfallentsorgungseinrichtung jederzeit in Anspruch nehmen können. Das Maß der Inanspruchnahme durch den jeweiligen Industrie- oder Gewerbebetrieb ist - von Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa § 15 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG) - nicht beschränkt. Deshalb hat der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Leistungen seiner Einrichtung entsprechend der Höchstmenge des gesamten in Betracht kommenden Abfalls bereitzustellen bzw. vorzuhalten. Daraus folgend hat sich die Grundgebühr nicht an dem Maß der Benutzung, d.h. der Menge des aktuell angelieferten Abfalls zu orientieren, sondern an der für den jeweiligen Betrieb vorzuhaltenden Höchstlastkapazität. Maßgeblich ist mit anderen Worten das „Abfallpotential“ des jeweiligen Industrie- oder Gewerbebetriebs. Eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Menge der von der gewerblichen Wirtschaft den öffentlichen Entsorgungsträgern zur Verfügung gestellten Abfälle ist damit zwangsläufig mit großen Unsicherheiten verbunden. Bezogen auf den einzelnen Gewerbebetrieb bedeutet dies gleichermaßen, dass der Umfang, in dem dieser in Zukunft die Betriebsbereitschaft der Einrichtung in Anspruch nehmen wird, nur schwer vorherzusehen ist und sich damit als nur ganz grob abschätzbar darstellt. Dies rechtfertigt es, die Grundgebühr nach einem einfachen und pauschalen Maßstab zu gestalten.
69 
Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei der Prognose darüber, in welchem Umfang der jeweilige Industrie- oder Gewerbebetrieb die Betriebsbereitschaft der Einrichtung und damit die Vorhalteleistung in Anspruch nehmen wird, nicht nur die Abfälle zur Beseitigung, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden müssen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG), sondern auch dessen Abfälle zur Verwertung in den Blick zu nehmen sind. Denn die Einordnung gewerblicher Abfälle als Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung ist variabel, d.h. die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger können sich nicht darauf einrichten, dass eine Verwertung betrieblicher Abfälle in bisherigem Umfang auf Dauer stattfindet; vielmehr ist es ohne weiteres möglich, dass die Industrie- und Gewerbebetriebe in Zukunft diese Abfälle (teilweise) dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wieder als Abfall zur Beseitigung überlassen.
70 
Die Pflicht zur Verwertung von Abfällen ist einzuhalten, soweit dies u.a. wirtschaftlich zumutbar ist, insbesondere für einen gewonnen Stoff oder gewonnene Energie ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann (§ 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG). Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist gegeben, wenn die mit der Verwertung verbundenen Kosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die für eine Abfallbeseitigung zu tragen wären (§ 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG). Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist seit Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Oktober 1996 das Aufkommen an Gewerbeabfällen, das den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern als Abfall zur Beseitigung angedient wird, signifikant zurückgegangen, weil diese Abfälle nach Aussage der Abfallerzeuger oder -besitzer als Abfälle zur Verwertung diversen Verwertungsverfahren zugeführt werden. Das Aufkommen an Gewerbeabfällen korreliert allerdings auffällig mit den im Einzelfall zu entrichtenden Abfallgebühren. Hohe Abfallgebühren verstärken die „Fluchtbewegung“, während sich bei niedrigen Gebühren der Anreiz, die Abfälle außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgungskapazitäten zu entsorgen, in Grenzen hält (vgl. dazu etwa Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 480; Queitsch, KStZ 1999, 21). Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch die Entwicklung der Mengen an gewerblichen Abfällen einerseits und der Abfallgebühren andererseits in den Land- und Stadtkreisen Böblingen, Göppingen, Rems-Murr-Kreis, Stuttgart, Neckar-Odenwald-Kreis und Schwarzwald-Baar-Kreis in den Jahren 1991 bis 1998; je stärker im jeweiligen Land- und Stadtkreis die Müllgebühren gestiegen sind, desto geringere Gewerbeabfallmengen haben die Betriebe den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen (vgl. dazu Abbildung 3 der Anlage 5 der Kreistagsdrucksache Nr. 51/2000 des Landkreises Böblingen zur Abfallwirtschaftssatzung 2001). Da danach auf Grundlage der Systematik des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in starkem Maße der Marktpreis für Abfälle zur Verwertung einerseits und die Kosten für die gemeinwohlverträgliche Abfallbeseitigung (vgl. § 10 KrW-/AbfG) andererseits über die Qualifizierung der Abfälle und damit über die Menge der den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern angedienten Abfälle entscheiden, führt dies zu weiteren Unsicherheiten hinsichtlich der von der gewerblichen Wirtschaft nachgefragten Vorhalteleistung.
71 
Dass bei der Bemessung der Vorhalteleistung für die Industrie- und Gewerbebetriebe deren „Gesamtabfallpotential“ zu berücksichtigen ist, ergibt sich darüber hinaus aus weiteren Besonderheiten des dualen Abfallbegriffs (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG). Abfälle, die aufgrund einer Wiederverwendung oder einer sonstigen Nutzung als sogenannter Sekundärrohstoff im Wirtschaftskreislauf verwertbar sind, sind allein deshalb noch keine Abfälle zur Verwertung. Ein Abfallerzeuger oder -besitzer kann sich nicht mit Erfolg auf die bloße Möglichkeit einer späteren Verwertung berufen. Eine Verwertungsmöglichkeit, die sich erst einem späteren Abfallbesitzer eröffnet und gegebenenfalls von ihm auch genutzt wird, erlaubt noch nicht den Rückschluss, dass beim Abfallerzeuger oder vorherigen Abfallbesitzer kein Beseitigungsabfall vorhanden war. Was namentlich Papier, Pappen, Bioabfälle und Sperrmüll angeht, die in einer Betriebsstätte als Abfall angefallen sind, entscheidet sich die Frage, ob diese Stoffe Abfall zur Verwertung sind, erst dann, wenn der Abfallerzeuger/-besitzer für sie einen konkreten Verwertungsweg sichergestellt hat. Entledigt er sich der genannten Abfallfraktionen dadurch, dass er sie dem örtlich zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt, ist spätestens mit der Bereitstellung zur Verbringung bei ihm Abfall zur Beseitigung angefallen. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger hat etwaige Verwertungsmöglichkeiten dann erneut zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 23.04.2008 - 9 BN 4.07 - NVwZ 2008, 1119; BVerwG, Urteil vom 01.12.2005 - 10 C 4.04 - NVwZ 2006, 589). Auch hier zeigt sich, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bei Abfällen, die sich für die Wiederverwendung oder einer sonstigen Nutzung als sogenannter Sekundärrohstoff eignen, weiterhin in der Pflicht steht und er auch insoweit „Reservekapazitäten“ vorzuhalten hat.
72 
Nach diesen Ausführungen kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine Rede davon sein, dass sich die Höhe der Grundgebühr in gleicher Weise am Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtungen zu orientieren habe wie die Höhe einer Leistungsgebühr. Die Besonderheiten bei der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr machen es von vornherein unmöglich, das Maß der Inanspruchnahme vergleichbar konkret und nachvollziehbar zu bemessen, wie es bei verbrauchsabhängigen Leistungen möglich und geboten ist.
73 
bb) Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt auch keine weitere Differenzierung des hier zu beurteilenden Maßstabs der Nutzeinheiten. Die in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 normierte - leicht degressive - Staffelung nach der Größe der Nutzfläche, d.h. die im Kern vorgesehene Abstufung nach der „Größe“ des Industrie- oder Gewerbebetriebs trägt dem Gleichbehandlungsgebot ausreichend Rechnung. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vorteil, jederzeit seinen Abfall zur Beseitigung (und das grundsätzlich in unbegrenztem Umfang) dem Beklagten überlassen zu können, für einen Großbetrieb deutlich größer sei als für einen Kleinbetrieb.
74 
Darüber hinaus sieht § 22 Abs. 5 der einschlägigen Satzungen vor, dass Betriebe mit einer Nutzfläche von bis zu 200 m² lediglich zu einer halben Nutzeinheit veranlagt werden. Die Grundgebühr je Nutzeinheit im Jahr 2005 von 132,-- EUR, im Jahre 2006 von 96,-- EUR und im Jahre 2007 von 94,80 EUR halbiert sich demnach für diese Betriebe. Dieser Regelung unterfallen von den rund 8000 Betrieben, für die die flächenbezogenen Grundgebühr gilt, ca. 5000 kleinere Einrichtungen mit einer Nutzfläche von unter 200 m². Die dargestellte Gebührenstaffelung trägt danach in besonderer Weise kleineren Betrieben mit geringem Anfall an Abfall und damit einem geringen Abfallpotential durch die Erhebung einer „sehr günstigen“ Grundgebühr Rechnung. Der „grobe“ Maßstab wird damit abgemildert, und dem Gleichbehandlungsgebot wird insoweit in nicht zu beanstandender Weise Rechnung getragen.
75 
Eine weitere „Verfeinerung“ des Maßstabs im Hinblick auf die Betriebe, denen die Bemessung im Hinblick auf ihr stark abweichendes „Abfallpotential“ nicht in vollem Umfang gerecht wird, ist hingegen nicht geboten. Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf Betriebe mit großer Nutzfläche, deren Abfälle derzeit problemlos verwertet werden könnten und bei denen deshalb nur geringe Mengen an Abfall zur Beseitigung entsorgt werden müssten. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen stellt sich die Atypik dieser Fälle bereits als „begrenzt“ dar, weil der Beklagte auch in diesen Fällen - wie dargelegt - ausreichende Entsorgungskapazitäten vorhalten muss. Nach den Untersuchungen des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003 finden sich im Satzungsgebiet des Beklagten aber auch Betriebe mit großer Betriebsfläche und sehr hohen Abfallmengen, die im Hinblick auf die fast lineare Steigerung des Flächenmaßstabes ungleich behandelt werden. Die Besserstellung dieser Betriebe sowie die - begrenzte - Schlechterstellung der Betriebe, in der von der Klägerin genannten Konstellation, sind unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität hinzunehmen. Bei der gebührenmäßigen Erfassung der Nutzer von Abfallentsorgungseinrichtungen geht es um die Regelung von Massenerscheinungen, die eine weitgehende Typisierung erfordern. Unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität führt es deshalb unter gewissen Umständen dazu, dass an sich ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln sind (BVerwG, Beschluss vom 05.11.2001 - 9 B 50.01 - NVwZ-RR 2002, 217). Besonders im Abgabenrecht führt der Versuch, weitestgehende Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen, nicht nur zu häufig unüberwindbaren Hindernissen, sondern auch zu einem unpraktikablen, wenig übersichtlichen und letztlich teuren Verwaltungsverfahren (BVerwG, Urteil vom 13.04.1994 - 8 NB 4.93 - NVwZ 1995, 173).
76 
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, die Menge der anfallenden Abfälle hänge in allererster Linie von der Branche des Unternehmens ab und davon, was konkret produziert werde, mithin ob es sich um ein materialintensives Industrieunternehmen handele oder um einen eher arbeitskraftintensiven Betrieb. Angesichts der strukturellen Unterschiede der in Betracht kommenden Gewerbe würde es einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeuten, im Einzelfall die „Grundgebührenbedeutung“ jedes Betriebs zu ermitteln (so schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2003, aaO; vgl. auch Bay.VGH, Urteil vom 20.10.1997, aaO). Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger müsste für jeden einzelnen Betrieb das jeweilige „Abfallpotential“ untersuchen und die Ergebnisse unter laufender Kontrolle halten. Dass ein solches Verfahrens überaus „streitanfällig“ wäre und zudem mit einem nicht leistbaren Aufwand - insbesondere an Personal - verbunden wäre, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Darlegung. Gleichermaßen unpraktikabel ist ein Maßstab, der die Grundgebühr nach der jeweiligen Branche der gewerblichen Betriebe bemisst. Auch hier sind umfangreiche Ermittlungen erforderlich, um die „Grundgebührenbedeutung“ der Branchen feststellen zu können. Es würde zudem hinsichtlich der Frage, in welche Branche der jeweilige Betrieb einzustufen ist, häufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten und damit verbunden zu streitanfälligen Konstellationen kommen; auch ist durchaus denkbar, dass auf ein und demselben Grundstück Betriebe unterschiedlicher Branchen tätig sind. Schließlich wäre ein solcher Maßstab in weit größerem Umfang auf die Mitwirkung, d.h. auf die Weitergabe von Informationen und Unterlagen, seitens der gewerblichen Wirtschaft angewiesen. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt und erläutert, dass die gewerblichen Betriebe im Satzungsgebiet schon bislang nur sehr zögerlich ihren Mitwirkungspflichten im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses nachgekommen sind.
77 
Die Anforderungen, die die Klägerin an die Ausdifferenzierung eines Grundgebührenmaßstabs im Abfallrecht stellt, laufen im Ergebnis darauf hinaus, dass die Erhebung von Grundgebühren nicht mehr möglich wäre. Auch die weiteren Maßstäbe, die für die Verteilung der abfallmengenunabhängigen Kosten auf Industrie und Gewerbe in der Praxis verwandt werden und bisher als rechtlich zulässig angesehen wurden (Einwohnergleichwert, pro Grundstück oder pro Gewerbebetrieb, vgl. dazu etwa Kibele, NVwZ 2003, 27; Queitsch, ZKF 2000, 83; Cantner, KStZ 2000, 29), begegnen im Hinblick auf eine fehlende oder lediglich pauschale Differenzierung bei den Industrie- und Gewerbebetrieben vergleichbaren oder noch stärkeren rechtlichen Bedenken. Vor diesem Hintergrund wären die bisher verwandten Maßstäbe allesamt rechtswidrig bzw. völlig unpraktikabel (wie der Maßstab, der nach Branchen differenziert).
78 
cc) Zu Unrecht meint die Klägerin darüber hinaus, der Nutzflächenmaßstab verstoße gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit. Dieser Grundsatz gestattet es dem Satzungsgeber, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 v.H. der von der Regelung betroffenen Fälle dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Urteil vom 01.08.1986, aaO und Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36). Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Grundsatz für das Wasser- und Abwasserabgabenrecht entwickelt, und die genannten Entscheidungen stellen auf Besonderheiten ab, die für dieses Rechtsgebiet kennzeichnend sind. Im Wasser- und Abwasserabgabenrecht ist in der Regel eine Gestaltung der Abgaben unproblematisch möglich, die sich „eng“ an der Benutzungsintensität ausrichtet; die Zahl der Ausnahmen, bei denen eine darauf bezogene Differenzierung entfällt, kann deshalb ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand gering gehalten werden, so dass hierfür die 10 %-Regel entwickelt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO; Beschluss vom 05.11.2001, aaO). Diese Aussagen können aber auf die Erhebung von Grundgebühren im Abfallrecht nicht übertragen werden. Die dafür allein in Frage kommenden Gebührenmaßstäbe können sich - wie oben dargelegt - nur an einer stark pauschalierenden Erhebungstechnik ausrichten, sie können nach der Natur der Sache nicht weiter einem Wirklichkeitsmaßstab angenähert werden, wie er im Wasser- und Abwasserabgabenrecht typisch und praktikabel ist. Die bei der Erhebung von Grundgebühren allein möglichen und gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe stellen sich mit anderen Worten als verhältnismäßig „grob“ dar, beinhalten damit bereits immanent zahlreiche Ausnahmen und hinnehmbare Ungleichbehandlungen, die eine Anwendung der starren 10 %-Regel ausschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO und Beschluss vom 05.11.2001, aaO).
79 
Unbehelflich ist auch der in diesem Zusammenhang erfolgte Einwand der Klägerin, nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 02.09.1988 - 2 S 1720/88 - ESVGH 39, 20) habe der Grundsatz der Typengerechtigkeit auch im Abfallgebührenrecht Anwendung gefunden. Die genannte Entscheidung des Senats betraf jedoch nicht die Grundgebühr für Gewerbebetriebe, sondern allein die Verbrauchsgebühr, bei der sich die Gebührengestaltung ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand weitaus enger an der Benutzungsintensität ausrichten lässt.
80 
Schließlich bestand auch kein Anlass, entsprechend der Anregung der Klägerin den Großen Senat beim Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Frage anzurufen, ob die Kriterien, die zum Grundsatz der Typengerechtigkeit entwickelt wurden, auch bei der Bemessung der Grundgebühr für gewerbliche Betriebe gelten. Der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hat dies zwar in seinem Urteil vom 02.03.2004 (aaO) bejaht; bei den entsprechenden Ausführungen handelt es sich jedoch um ein sog. obiter dictum, das für die Entscheidung erkennbar nicht tragend war. Diese Ausführungen sind zudem durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 01.12.2005, aaO) überholt.
81 
dd) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin ferner gegen die vom Satzungsgeber mit der Gesamtgestaltung der Gebühren bezweckte Verhaltenssteuerung und damit gegen die u.a. mit der Einführung des flächenbezogenen Maßstabs für die Grundgebühr verfolgten Absicht, einer sogenannten Scheinverwertung von Abfällen zur Beseitigung durch die Abfallerzeuger/-besitzer entgegenzuwirken. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass die anzustrebende Belastungsgleichheit der Gebührenpflichtigen dem Satzungsgeber dennoch die Befugnis belässt, mit seiner Gebührenregelung eine begrenzte Verhaltenssteuerung zu verbinden (BVerwG, Urteil vom 20.12.2000 - 11 C 7.00 - BVerwGE 112, 297). Danach ist es rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft (vgl. dazu die §§ 4, 5 und 10 KrW-/AbfG) im Rahmen der Gebührengestaltung darauf hinwirken, dass gewerbliche Abfälle schadlos und möglichst hochwertig verwertet, sogenannte Scheinverwertungen von Abfällen zur Beseitigung zurückgedrängt und nicht verwertbare Abfälle dem Verursacherprinzip folgend in der Nähe ihres Entstehungsortes beseitigt werden, ohne dass das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt wird (vgl. dazu § 10 Abs. 4 Krw-/AbfG).
82 
Der Satzungsgeber hat sich bei der Normierung des Gebührenmaßstabes auch von diesen Erwägungen leiten lassen. Zu Unrecht meint die Klägerin in diesem Zusammenhang, nicht der Satzungsgeber, sondern allein das erstinstanzliche Verwaltungsgericht habe die entsprechenden Erwägungen angestellt. Aus der Kreistagsdrucksache Nr. 51/2000, die der Einführung der flächenbezogenen Grundgebühr zugrunde lag, ergibt sich vielmehr ohne jeden vernünftigen Zweifel das Gegenteil. In dem Beschlussantrag für den Satzungsgeber heißt es u.a. wie folgt:
83 
Der Rückgang des Gewerbeabfalls lässt sich zum einen auf Erfolge bei der Vermeidung und eine „echte“ Verwertung von Abfällen sowie strukturelle Veränderungen (z.B. Produktionsverlagerungen in das Ausland) zurückzuführen. Eine weitere Ursache des Rückgangs ist aber auch darin zu sehen, dass bei gewerblichen Abfallerzeugern nur für Abfälle zur Beseitigung eine Überlassungspflicht an den Landkreis besteht. Abfälle zur Verwertung sind nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht überlassungspflichtig und können zu jeder Sortieranlage in der Bundesrepublik oder ins Ausland gebracht werden. Es liegen nämlich viele Nachweise vor, dass Abfälle zur Beseitigung als Scheinverwertung über private Entsorgungsunternehmen (vorbei) an der gesetzlichen Überlassungspflicht insbesondere auf Billigdeponien mit schlechten Umweltstandards in den neuen Bundesländern entsorgt werden. Dabei gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Höhe der Abfallgebühr der einzelnen Landkreise und dem Rückgang der Gewerbeabfallmengen. …
84 
Der in den vergangenen Jahren steigenden Scheinverwertung von Abfällen kann deshalb nur entgegengewirkt werden, wenn alle Gewerbebetriebe zukünftig entsprechend ihrer tatsächlichen Abfallmengen an den Kosten der Abfallentsorgung beteiligt werden. Ein Weg ist hierbei die Heranziehung des Gewerbes zu den Vorhaltekosten der Abfallentsorgungseinrichtungen über eine mengenunabhängige Vorhaltegebühr und die Schaffung einer marktgerechten Leistungsgebühr.
85 
Wird dieses Ziel nicht erreicht, entstehen dem Landkreis Böblingen durch weiteren Mengenrückgang erhebliche Gebührenausfälle. Denn trotz rückläufiger Mengen ist der Landkreis als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger verpflichtet, stets auch für das Gewerbe ausreichend dimensionierte Entsorgungskapazitäten vorzuhalten. …
86 
Der Landkreis Böblingen erhebt schon seit vielen Jahren auf Basis der bestehenden Regelungen in der Abfallwirtschaftssatzung von allen Gewerbebetrieben, die an die öffentliche Abfallabfuhr angeschlossen sind, gefäßbezogene Vorhalte- bzw. Jahresgebühren. Auch bei den Selbstanlieferern (maximal 150 Betriebe) waren die Vorhaltekosten schon immer in der Anlieferergebühr auf den Deponien oder beim Restmüllheizkraftwerk enthalten. Die mengenunabhängige Vorhaltegebühr nach dem Nutzflächenmaßstab ist daher nur eine Umstellung. Ziel ist dabei, die Leistungsgebühren so zu senken, dass im marktwirtschaftlichen Sinne Anreiz zur Inanspruchnahme der Entsorgungsleistungen des Landkreises besteht und somit Abfallexporte nicht mehr rentabel sind. …
87 
Durch die Maßstabsumstellung haben insbesondere Firmen mit höherem Müllaufkommen und geringerer Nutzfläche Vorteile gegenüber allen Betrieben mit geringem Müllaufkommen und höherer Nutzfläche. Gerade für erstere Firmen biete der neue Maßstab den Anreiz, bisher als sogenannten „Verwertungsabfall“ entsorgte Mengen wieder über die öffentliche Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung anzuliefern und nur die sehr günstige Leistungsgebühr bezahlen zu müssen.
88 
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen entbehrt ferner die sinngemäße Behauptung der Klägerin, ausweislich der Kreistagsdrucksache habe der Beklagte beabsichtigt, auch solche Abfälle wieder in die kommunalen Beseitigungsanlagen zu lenken, die sich als Abfälle zur Verwertung darstellten, jeder Grundlage. Nach Wortlaut und Sinnzusammenhang der Aussagen in der Kreistagsdrucksache bezieht sich der vom Satzungsgeber beabsichtigte Lenkungszweck ausschließlich auf die sogenannten Scheinverwertungen und damit nicht auf Abfälle, die der Abfallerzeuger/-besitzer in eigener Verantwortung ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten hat (§ 5 Abs. 3, 4 und 5 KrW-/AbfG). Indem der Satzungsgeber auf Seite 8 der Kreistagsdrucksache 51/2000 den Begriff Verwertungsabfall ausdrücklich mit Anführungszeichen gekennzeichnet hat sowie durch die Wahl des Wortes „sogenannte(r)“ im Zusammenhang mit Verwertungsabfall bringt der Satzungsgeber unmissverständlich seine Vorstellung zum Ausdruck, bei diesen Abfallmengen, die bislang außerhalb der öffentlichen Einrichtung entsorgt worden seien, handele es sich um Abfall zur Beseitigung, für den die Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG gelte.
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Die Entscheidung des Satzungsgebers, der Scheinverwertung von gewerblichen Abfällen entgegenzuwirken, kann auch inhaltlich nicht beanstandet werden. Die Entscheidung beruht insbesondere auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die in der Kreistatsdrucksache wiedergegebene allgemeine Entwicklung in der Abfallentsorgung und insbesondere die darin festgehaltenen Erfahrungen der zuständigen Abfallbehörden stehen in Übereinstimmung mit den Erwägungen, die den Bundesgesetzgeber zur Einführung der Gewerbeabfallverordnung vom 19.06.2002 - GewAbfV - bewogen haben. Ziel der am 01.01.2003 in Kraft getretenen Gewerbeabfallverordnung ist die schadlose, möglichst hochwertige Verwertung von gewerblichen Siedlungsabfällen und die Verhinderung von Scheinverwertungen (vgl. BT-Dr. 14/7328, S. 1, 2, 10 und 13; BR-Dr. 2078/02, S. 1 und 33). In der Begründung für die Gewerbeabfallverordnung heißt es im Hinblick auf die Problematik von Scheinverwertungen u.a. wie folgt:
90 
Von einer (nicht bekannten) Anzahl von Abfallerzeugern aus anderen Herkunftsbereichen - insbesondere den Bereichen Gewerbe, Industrie und private und öffentliche Einrichtungen - werden Abfälle, die verwertet werden, auch unzulässigerweise entweder gar nicht oder in geringem Maß von Abfällen, die beseitigt werden müssen, getrennt gehalten. Die Abfälle werden in diesen Fällen in einem Behälter gemeinsam erfasst und insgesamt als „Abfälle zur Verwertung“ deklariert. Diese Abfälle werden meist entweder einer Abfallverbrennungsanlage oder einer Sortieranlage zugeführt. Abfälle aus der Sortieranlage werden zum Teil nur zu einem geringen Prozentsatz in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt, während ein größerer Prozentsatz - zumeist weit entfernt vom Anfallort - einer Beseitigung auf kostengünstigen Deponien zugeführt wird (sogenannte Scheinverwertung), wodurch ökologisch anspruchsvolle Verwertungswege benachteiligt werden. …
91 
Durch diese Praxis erhalten die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger am Anfallort der Abfälle weniger Abfälle zur Beseitigung, wodurch die für eine ordnungsgemäße und umweltverträgliche Entsorgung vorgehaltenen Anlagen, insbesondere hochwertige Verbrennungsanlagen, nicht mehr ausgelastet sind und die freien Kapazitäten zu kostengünstigen Preisen zum Teil unter Selbstkostenpreisen angeboten werden müssen. Die Planungssicherheit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wird beeinträchtigt. …
92 
Mit diesen Ausführungen des Bundesgesetzgebers wird die Problematik der Scheinverwertungen im Abfallrecht ausreichend konkretisiert und belegt. Vor diesem Hintergrund durfte der Beklagte auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen in seinem Satzungsgebiet (von der Gefahr) von Scheinverwertungen ausgehen und diesen Gesichtspunkt bei der Gestaltung der Abfallgebühren heranziehen. Substantiierte Einwendungen, die die Einschätzung des Satzungsgebers (insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit und Angemessenheit des verfolgten Lenkungszwecks) in Zweifel ziehen könnten, hat auch die Klägerin nicht erhoben; solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich.
93 
ee) Das vom Beklagten erstmals für das Jahr 2001 eingeführte Gesamtsystem der Gebührenerhebung - einschließlich des damit verbundenen Lenkungszwecks, Scheinverwertungen entgegen zu wirken - verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich den europarechtlich, bundesrechtlich und landesrechtlich normierten Vorrang der Abfallverwertung vor der Abfallbeseitigung. Es sind insbesondere keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die hier zu beurteilende Gebührenbemessung Anreize gibt, gewerbliche Siedlungsabfälle, die als Abfall zur Verwertung zu qualifizieren sind, der kommunalen Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung zu überlassen. Die Gebührensatzung des Beklagten bietet vielmehr ersichtlich ausreichende Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen, weil der weit überwiegende Teil der Gesamtkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung verbrauchsabhängig abgerechnet wird. Für die Jahre 2005 bis 2007 kalkulierte der beklagte Landkreis - wie bereits dargelegt - die Grundgebühr so, dass das Aufkommen aus der Grundgebühr weit weniger als 50 % der Fixkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung deckte; im Jahre 2005 waren es 42 %, im Jahre 2006 38,9 % und im Jahre 2007 lediglich noch 23,8 % der Fixkosten. Bei einem zu unterstellenden Fixkostenanteil in der kommunalen Abfallwirtschaft von rund 80 % (vgl. Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 482; Cantner, KStZ 2000, 23, 24) hat der Beklagte damit in den Jahren 2005 und 2006 ca. ein Drittel der Gesamtkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung im Wege der Grundgebühr verteilt. Im Jahr 2007 und in den hier nicht streitgegenständlichen weiteren Jahren bis 2011 hat der Beklagte im Rahmen der Grundgebühr noch einen deutlich geringeren Anteil abgerechnet. Dementsprechend wurden zwei Drittel und mehr der Gesamtkosten über verbrauchsabhängige Leistungsgebühren finanziert. Im Hinblick auf die daraus folgende Höhe der Leistungsgebühr kann keine Rede davon sein, dass den Gebührenpflichtigen ein umweltfreundliches Verhalten, d.h. ein Verhalten, das in erster Linie Abfälle vermeidet und in zweiter Linie Abfälle verwertet, als von vornherein ohne Sinn und Nutzen erscheinen müsste. Im Einzelnen:
94 
Das Bundesverfassungsgericht hat speziell bezogen auf das Abgabenrecht aus der bundesstaatlichen Kompetenzordnung und dem Rechtsstaatsprinzip den allgemeinen Gedanken entwickelt, dass alle rechtsetzenden Organe ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen haben, dass die Rechtsordnung nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich werden darf. Dementsprechend verbietet es die Einheit der Rechtsordnung dem Satzungsgeber, sich für eine gebührenrechtliche Lenkungswirkung zu entscheiden, die dem Gebührenpflichtigen ein Verhalten abverlangt, das einer Regelung des Bundesgesetzgebers widerspricht. Eine insoweit vom Sachgesetzgeber getroffene Entscheidung darf nicht durch gebührenrechtliche Lenkungswirkung verfälscht werden (vgl. BVerfG, Urteile vom 07.05.1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 und vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265).
95 
Das Gebührensystem des Beklagten und die damit verbundene Lenkungswirkung, die ausweislich der einschlägigen Kreistagsdrucksache die ordnungsgemäße Erfüllung der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG fördern soll, verstößt danach nicht gegen die Einheit der Rechtsordnung und konterkariert insbesondere nicht den Vorrang der Abfallverwertung. Das höherrangige Recht statuiert keinen „absoluten“ Vorrang der Verwertung - wie die Klägerin meint -, es belässt vielmehr dem zuständigen Satzungsgeber die Befugnis, den Vorrang der Verwertung mit anderen abfallwirtschaftlichen Zwecksetzungen in Ausgleich zu bringen und die sich aus der Systematik des Abfallrechts ergebenden Zielkonflikte eigenständig und unter Wahrung eines Einschätzungsspielraums zu lösen (ebenso BVerwG, Urteil vom 20.12.2000, aaO). Die Formulierungen des höherrangigen Rechts sind im Hinblick auf ihre Pauschalität und Offenheit von vornherein nicht geeignet, um dem Satzungsgeber exakte Vorgaben für die Gebührenerhebung zu machen und ihm damit ein bestimmtes Gebührensystem vorzugeben.
96 
Leitgedanke des europäischen und nationalen Abfallrechts ist die Erreichung eines hohen Umweltschutzniveaus. Diese übergeordnete Zielsetzung soll einmal durch einen „relativen“ Verwertungsbegriff sichergestellt werden, d.h. Abfälle, die nicht vermieden werden können, sind ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist (vgl. dazu §§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, 5 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG). Zum anderen fordern die Regelungen, dass die Abfälle, die nicht verwertet werden, nach den Grundsätzen der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung behandelt und beseitigt werden (vgl. §§ 10 Abs. 4, 11, 12 KrW-/AbfG) und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger dafür ortsnah (und damit flächendeckend) ausreichende Kapazitäten für die Beseitigung dieser Abfälle zur Verfügung stellen (vgl. dazu §§ 13, 15 KrW-/AbfG). Trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Abfallverwertung vor der Beseitigung (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG) entfällt dieser, wenn ausgehend von der übergeordneten Zielsetzung des Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung darstellt (§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG). Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Systematik kann vom Satzungsgeber nicht verlangt werden, dass er im Rahmen seiner gebührenrechtlichen Konzeptbefugnis allein - wie die Klägerin meint - den Vorrang der Abfallverwertung fördert und gleichgewichtige Belange - wie etwa die Sicherstellung einer ausreichenden und ortsnahen Entsorgungskapazität und damit das Interesse an der Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallwirtschaft - zurückstellt.
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Diese Auslegung steht auch in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht und namentlich mit der Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle - RL 75/442/EWG -. Die Richtlinie legt in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) nicht nur den Vorrang der Verwertung fest, sondern darüber hinaus das Prinzip der räumlichen Nähe und der Autarkie im Bereich der Entsorgung. Die Richtlinie selbst ist wiederum im Lichte des primären Unionsrechts auszulegen und anzuwenden. Dieses statuiert in Art. 130 r Abs. 2 EWGV bzw. Art. 174 Abs. 2 Satz 2 EG (heute: Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV) das Prinzip der Nähe. Wenn danach Umweltbeeinträchtigungen nach Möglichkeit an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind, bedeutet dies im Bereich der Abfallwirtschaft, dass die Beseitigung nicht verwertbarer Abfälle dem Verursacherprinzip folgend in die Nähe ihres Entstehungsortes gehört. In Art. 5 Abs. 2 der RL 75/442/EWG findet dieses umweltpolitische Ziel ebenfalls Ausdruck (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO). Die dargestellte Systematik und damit verbunden die besondere Bedeutung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe im Abfallrecht, die bereits in der Ursprungsfassung der Abfallrahmenrichtlinie ihren Niederschlag gefunden hatte, hat der europäische Gesetzgeber in der Folgezeit nicht nur beibehalten, sondern weiterentwickelt und konkretisiert (vgl. die Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2006 über Abfälle, die die bereits zuvor erfolgten Änderungen der Abfallrahmenrichtlinie berücksichtigte, und zuletzt die Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, die am 12.12.2008 in Kraft trat und eigentlich bis 12.12.2010 in nationales Recht umgesetzt werden musste).
98 
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsentwicklung genießt allein das oberste Ziel jeder Abfallpolitik, nämlich die Minimierung der nachteiligen Auswirkungen der Abfallerzeugung und -bewirtschaftung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, absoluten Vorrang (vgl. den 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/98/EG). Dementsprechend gilt die Abfallhierarchie nicht absolut, bei ihrer Anwendung haben die Mitgliedstaaten vielmehr diejenigen Optionen zu fördern, die insgesamt das beste Ergebnis unter dem Aspekt des Umweltschutzes erbringen (Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG). Dem dargestellten obersten Ziel der Abfallpolitik soll schließlich auch die Errichtung eines integrierten und angemessenen Netzes von Abfallbeseitigungsanlagen dienen, um die Abfälle ortsnah beseitigen zu können (vgl. Art. 16 der Richtlinie 2008/98/EG).
99 
Eine abweichende Einschätzung hinsichtlich der gebührenrechtlichen Konzeptbefugnis des Satzungsgebers rechtfertigt auch nicht § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG (GBl. 1996, 116) in der bis zum 30.03.2005 geltenden Fassung. Nach dieser Bestimmung sollen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger insbesondere in den Satzungen nach § 8 LAbfG die Gebührentatbestände so ausgestalten, dass sich daraus nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung sowie zur Abfalltrennung ergeben. Das Gebot, mit dem Gebührenmaßstab wirksame Anreize auch zur Verwertung zu schaffen, ist nur als Sollvorschrift, nicht als Mussvorschrift ausgebildet. Es fehlt auch eine nähere Präzisierung, in welcher Weise und in welcher Form solche Anreize geschaffen werden sollen. Dies rechtfertigt den Schluss, dass dem Satzungsgeber in diesem Zusammenhang ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt worden ist. Danach ist § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG und der Nachfolgeregelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 KAG 2005 (GBl. 2005, 206), mit der die Sollvorschrift in eine Kannvorschrift umgewandelt und damit der Spielraum des Satzungsgebers nochmals erweitert wurde, jedenfalls ausreichend Genüge getan, wenn - wie hier in den Jahren 2005 und 2006 - ca. ein Drittel der Gesamtkosten über die Grundgebühr und ca. zwei Drittel der Kosten über die Verbrauchsgebühr, die allein vom Aufkommen der Abfälle abhängig ist, abgerechnet werden. Dies gilt erst recht, wenn - wie im Jahr 2007 - ein noch deutlich geringerer Anteil der Gesamtkosten über die Grundgebühr umgelegt wird. Unter Hinweis darauf, dass auch bei Einführung einer Grundgebühr durch die Gebührenerhebung insgesamt noch wirksame Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung geschaffen werden müssen, wurde in der Rechtsprechung zum Teil vertreten, dass im Verhältnis zur Gesamtgebühr über die Grundgebühr nicht mehr als 50 % der Kosten abgerechnet werden dürften (in diesem Sinne Nieders. OVG, Urteil vom 24.06.1998 - 9 L 2722/96 - KStZ 1999, 172). Teilweise wird in der Rechtsprechung dagegen vertreten, dass es bei der Erhebung einer Grundgebühr zulässig sei, über diese mehr als 50 % der gesamten Gebührenbelastung abzurechnen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.02.2000 - 9 A 3915/98 - KStZ 2000, 233; Bay, VGH, Urteil vom 20.10.1997, aaO) bzw. in begründeten Ausnahmefällen bis zu 75 % der Kosten abzurechnen (vgl. Nieders. OVG, Urteil vom 07.06.2004 - 9 KN 502/02 - NordÖR 2004, 310). Zur Begründung für diese Auffassung wird angeführt, in der Abfallwirtschaft müssten aufwändige und hochtechnisierte Anlagen für Sammlung, Transport, Trennung, Verwertung, Behandlung und gegebenenfalls Ablagerung von Abfällen vorgehalten werden und zwar unabhängig vom Grad der Anlagenausnutzung. Da hier mir der Grundgebühr weit weniger als 50 % der gesamten Gebührenbelastung abgerechnet wird, bedarf es anlässlich des vorliegenden Falles keiner abschließenden Beurteilung, ab welcher Grenze die Erhebung einer Grundgebühr unzulässig ist, weil die Gebührengestaltung keine ausreichenden Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung mehr bietet.
100 
Unerheblich ist der sinngemäße Einwand der Klägerin, das Verhältnis von Grundgebühr zur Verbrauchsgebühr sei deshalb zu beanstanden, weil die Grundgebühr - in Einzelfällen - ein Vielfaches der Leerungsgebühr betragen könne. Es ist ausreichend, wenn - wie hier - die Ausgestaltung des Gebührensystems insgesamt und generell dem Gebot genügt, Anreize zur Verwertung von Abfällen zu schaffen. Dagegen ist nicht erforderlich, dass die Grundgebühr im Abrechnungszeitraum, also regelmäßig im Kalenderjahr, bei allen denkbaren Gruppen von Gebührenpflichtigen nur einen untergeordneten Teil der Gesamtgebührenbelastung bzw. nicht mehr als 50 % der gesamten Gebührenbelastung ausmacht (ebenso Nieders. OVG, Urteil vom 24.06.1998 - 9 L 2504/96 - ZKF 1999, 184). Die Gestaltung des Gebührensystems im Abfallrecht erfordert - wie dargelegt - ein weitgehende Typisierung; folglich ist es ausreichend, wenn dem dargestellten Gebot jedenfalls in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Rechnung getragen wird.
101 
Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im Falle der Klägerin ein Missverhältnis von Grund- und Verbrauchsgebühr gegeben ist. Da die Klägerin ihren Abfall zur Beseitigung nicht dem Beklagten andient, fehlt jede Grundlage, um die Höhe der von der Klägerin zu bezahlenden Grundgebühr ins Verhältnis zu ihrer Gesamtgebührenbelastung setzen zu können.
102 
Dass die vom Beklagten gewählte Art der Gebührenbemessung objektiv dazu führt, dass die Industrie- und Gewerbebetriebe im Satzungsgebiet des Beklagten verwertbare Abfälle dem kommunalen Entsorgungsträger überlassen, ist im Übrigen nicht ersichtlich. Auch die Klägerin hat keine Anhaltspunkte geliefert, die den Schluss rechtfertigen könnten, seit Einführung des hier zu beurteilenden Grundgebührensystems im Jahre 2001 würden die Industrie- und Gewerbebetriebe dem Böblinger Restmüllheizkraftwerk in nennenswertem Umfang Abfall zur Verwertung überlassen. Nach der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Übersicht über die Entwicklung des Gewerbeabfallaufkommens in den Jahren 1999 bis 2009 ist in seinem Satzungsgebiet die Menge des Gewebeabfallaufkommens vielmehr in etwa gleich geblieben, d.h. auch nach der Einführung der Gewerbegrundgebühr im Jahre 2001 ist kein nennenswerter Anstieg des Gewerbeabfallaufkommens zu verzeichnen gewesen.
103 
Soweit sich der erwähnten Übersicht allein in den Jahre 2005 bis 2007 ein gewisser Anstieg des Gewerbeabfallaufkommens entnehmen lässt, hat der Beklagte als Grund hierfür unwidersprochen angeführt, dass in dieser Zeit die Kosten für eine „Verwertung“ außerhalb des Landkreises teilweise höher als für eine „Beseitigung“ in der Müllverbrennungsanlage des Beklagten gewesen seien. Wenn es tatsächlich zutreffen sollte (wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung behauptet hat), dass die Betriebe im Satzungsgebiet des Beklagten ihre „Verwertung“ so organisieren, dass sie kostengünstige „Verbrennungsmöglichkeiten“ in anderen Bundesländern (teilweise weit ab) in Anspruch nehmen, bleibt von vornherein kein Raum mehr für die Behauptung der Klägerin, die flächenbezogene Grundgebühr übe eine Lenkungswirkung auf die betriebliche Abfallentsorgung aus, die mit den Zielen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes unvereinbar sei.
104 
Die Klägerin hat auch keine (fachwissenschaftlichen) Veröffentlichungen oder sonstige Erkenntnisquellen zum Beleg dafür benannt, dass es im Bereich anderer öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger, die für Industrie- und Gewerbebetriebe eine flächenbezogene Grundgebühr eingeführt haben, in nennenswertem Umfang zu einer Anlieferung verwertbarer Abfälle gekommen ist. Die von der Klägerin erhobene Tatsachenbehauptung (einer unzulässigen Anreizwirkung) ist danach ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich „aus der Luft gegriffen“, sie ist mit anderen Worten „ins Blaue hinein“, also „erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage“ erhoben worden. Deshalb sieht der Senat auch keinen Anlass, diese Fragestellung dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung (Art. 267 AEUV) vorzulegen.
105 
Selbst wenn in Einzelfällen Abfallerzeuger/-besitzer verwertbare Abfälle den kommunalen Entsorgungsträgern überlassen, gewährleistet die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG, dass der Vorrang der Abfallverwertung vor der Beseitigung beachtet werden muss. Denn mit dem Übergang des Abfallbesitzes auf den kommunalen Entsorgungsträger wechselt nur der Adressat des Verwertungsgebots. Dass im Bereich der gewerblichen Siedlungsabfälle die Verwirklichung des Verwertungsgebots ausschließlich in den Händen der Privatwirtschaft liegen muss, ist weder Bundesrecht noch europäischem Abfallrecht zu entnehmen (so BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO).
106 
ff) Die Klägerin wendet sich schließlich zu Unrecht gegen die vom Satzungsgeber beabsichtigte Lenkungswirkung unter Berufung auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 07.01.2002 - 20 N 01.503 - (NVwZ-RR 2002, 378). Nach dieser Entscheidung darf eine Gemeinde keine Mindestbehälter-Volumen für gewerbliche Beseitigungsabfälle in Höhe von 25 % des Gesamtvolumens der Abfälle festlegen. Denn auch bei einer typisierenden Betrachtungsweise könne nicht davon ausgegangen werden, dass Abfälle zur Beseitigung bei den Gewerbebetrieben generell in diesem Umfang anfallen würden. Diese Entscheidung ist auf den hier zu beurteilenden Rechtsstreit nicht übertragbar. Die Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten gibt gerade kein zwingend vorgeschriebenes Mindestbehälter-Volumen vor. Es ist den Erzeugern und Besitzern von gewerblichen Siedlungsabfällen möglich nachzuweisen, dass ausnahmsweise sämtliche Siedlungsabfälle verwertet werden (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 17.02.2005, aaO). Die Abfallerzeuger und -besitzer müssen ferner neben der Grundgebühr eine Leistungsgebühr entsprechend dem vorgehaltenen Behältervolumen bzw. dem angelieferten Gewicht des Abfalls entrichten. Das Anreizsystem, das mit der Gebührengestaltung des Beklagten verbunden ist, unterscheidet sich demnach grundlegend von den Anreizen, die durch die Normierung eines Mindestbehälter-Volumens gesetzt werden.
107 
gg) Schließlich meint die Klägerin im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ohne Erfolg, die Definition der Nutzfläche in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 weiche von der Ermittlung der Nutzfläche nach der DIN 277 ab und sei deshalb willkürlich. Die Klägerin wendet damit im Kern ein, die einschlägige Satzungsregelung des Beklagten ziehe auch solche Flächen zur Gebührenberechnung heran, auf denen kein Abfall anfallen könne. Dies kann nicht beanstandet werden, weil dem Satzungsgeber auch bei der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabes ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht und er deshalb aus Gründen der Praktikabilität einen - im Vergleich zur DIN 277 - gröberen Maßstab verwendet durfte.
108 
Nach der Definition des Satzungsgebers ergibt sich die Nutzfläche durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse. Dazu gehören auch Lager, Büro- und Sozialräume sowie Betriebswohnungen. Die Nutzfläche privater Haushaltungen/Wohneinheiten und Pkw-Abstellplätze innerhalb der Bauwerksflächen bleibt bei der Nutzflächenermittlung unberücksichtigt (vgl. etwa § 22 Abs. 5 Satz 4 bis 6 AWS 2007). Diese Regelung ermöglicht es dem Beklagten, die für die Erhebung der Grundgebühr maßgebliche Nutzfläche aufgrund der Aktenlage und den Angaben des jeweiligen Industrie- und Gewerbebetriebs ohne größeren Verwaltungsaufwand zu ermitteln. Nach der DIN 277, die für die Ermittlung von Grundflächen und Rauminhalten von Bauwerken oder Teilen von Bauwerken im Hochbau gilt, soweit die Grundflächen und Rauminhalte für die Ermittlung von Kosten maßgebend sind, berechnet sich die Nutzfläche - verkürzt dargestellt - hingegen so, dass von der Nettogrundrissfläche die Verkehrsflächen und die Funktionsflächen in Abzug zu bringen sind. Zu den Verkehrsflächen gehören nicht nur Fahrzeugverkehrsflächen, sondern darüber hinaus auch Flure, Aufzugsschächte und Eingangsräume. Zu den Funktionsflächen zählen nach der DIN 277-1 solche der Abwasser-, Wasser-, Wärme-, Gas-, Elektro-, Fernmelde-, Lüftungs- und Fördertechnik sowie solche sonstiger Technik. Diese Flächensystematik der DIN 277 würde somit - so zu Recht die Klägerin - die Flächen, auf denen kein oder wenig Abfall anfallen kann, bei der Bemessung ausscheiden und insoweit ein „genaueres“ Bild des Abfallpotentials des jeweiligen Betriebes liefern. Allerdings wäre auf der Grundlage der DIN 277 eine ins Einzelne gehende Berechnung der Nutzfläche und damit ersichtlich ein weitaus größerer Personaleinsatz erforderlich, der zwangsläufig zu höheren Kosten und damit auch zu höheren Gebühren für die Nutzer der Einrichtung führen würde. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass sich bei der angezeigten typisierenden Betrachtung das Verhältnis der gesamten Nutzfläche der Betriebe zu den jeweiligen Verkehrs- und Funktionsflächen in etwa entspricht, und es deshalb auch bei Anwendung des von der Klägerin geforderten Maßstabs entsprechend der DIN 277 nicht zu relevanten Verschiebungen bei der Gebührenbelastung der Betriebe kommen würde.
109 
Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass bei der Erhebung von Grundgebühren ein „grober“ Maßstab in der Natur der Sache liegt. Kann nach den bisherigen Ausführungen demnach die vom jeweiligen Industrie- und Gewerbebetrieb in Anspruch genommene Vorhalteleistung nur pauschal bemessen werden, dann sind erst recht die Anforderungen, die an die Differenziertheit bei der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabs zu stellen sind, zurückzunehmen.
110 
c) Der Einwand der Klägerin, die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstückes begründe zusätzlich einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, greift ebenfalls nicht durch. Das Äquivalenzprinzip ist als ein auf die Gebührenerhebung bezogener Ausdruck des bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzusehen. Es besagt aber lediglich, dass die Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.01.2000 - 11 C 5.99 - Buchholz 451.211 GtA Nr. 2 S. 8). Des-wegen verbleibt dem kommunalen Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, wie eine sachgerechte Verknüpfung zwischen dem Wert dieser Leistung und der Gebührenhöhe herzustellen ist, ein weiter Ermessensspielraum. Bei der Müllabfuhr bestimmt der regelmäßige Abholdienst entscheidend den Wert der vom Gebührenschuldner in Anspruch genommenen Leistung. Denn er garantiert ihm, sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen zu können (BVerwG, Urteil vom 20.12.2000, aaO). Um den Wert dieser Leistung in Geld zu bestimmen, kann ein auf den Nutzer entfallender Anteil der für die kommunale Abfallentsorgung aufzuwendenden Kosten angesetzt werden. Eine auf Kostendeckung abzielende Gebühr - wie sie hier vom Beklagten erhoben wird - ist mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, solange der Verteilungsmaßstab dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung trägt. Die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende Belastungsgleichheit gewährleistet im Fall einer Aufwandsgebühr zugleich ein angemessenes Verhältnis zwischen Wert der Leistung und Gebührenhöhe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.11.2001, aaO). Da nach den bisherigen Ausführungen eine Verletzung des Gleichheitsprinzips nicht vorliegt, scheidet damit zugleich ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus.
111 
4. Auf der Grundlage dieser Ausführung bestand kein Anlass, den Beweisanträgen der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzukommen. Im Einzelnen:
112 
a) Die Klägerin behauptet mit ihrem Beweisantrag Nr. 1, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs als Maßstab für die Abfallmenge, die der Betrieb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen muss, von vornherein ungeeignet sei, weil die Nutzfläche für Art und Umfang der Überlassungspflicht eines Gewerbebetriebs schlicht nicht typisch sei und keinerlei Rückschlüsse auf die zu überlassende Abfallmenge erlaube. Diese Formulierung trägt den Anforderungen an die „Bestimmtheit“ einer Beweistatsache ausreichend Rechnung. Beweistatsachen sind konkrete Geschehnisse, Umstände und Zustände der äußeren Welt, innerpsychische Vorgänge und Gegebenheiten und insbesondere auch das Bestehen oder Nichtbestehen von Zusammenhängen. Bloße Wertungen oder Schlussfolgerungen reichen nicht aus; die Auslegung entsprechender Anträge kann aber ergeben, dass die Beweiserhebung in Wahrheit auf eine als solche hinreichend bestimmte Tatsachengrundlage abzielt (vgl. etwa Fischer in: Karlsruher Kommentar, Strafprozessordnung, 6. Aufl., § 244 StPO Rdnr. 69). Soweit die Klägerin mit dem Antrag sinngemäß die Ungeeignetheit des Nutzflächenmaßstabs für die Bemessung der Grundgebühr behauptet, handelt es sich um eine bloße Wertung und Schlussfolgerung. Bei sinnorientierter Auslegung lässt sich dem Antrag jedoch auch die Beweistatsache entnehmen, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs keinerlei Rückschlüsse auf die zu überlassende Abfallmenge erlaube. Eine entsprechende Beweiserhebung erübrigt sich deshalb, weil - so zu Recht das Verwaltungsgericht - das Gegenteil der behaupteten Beweistatsache offenkundig ist (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 1. Alternative StPO entsprechend). Offenkundigkeit umfasst Allgemeinkundigkeit und Gerichtskundigkeit. Danach ist der Erfahrungssatz, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs gewisse Rückschlüsse auf die Abfallmenge zulässt, die der Betrieb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt, allgemeinkundig. Es ist mit anderen Worten allgemeinkundig, dass bei einer größeren Nutzfläche des Gewerbebetriebs zwar nicht entsprechend proportional und damit „punktgenau“, jedoch tendenziell auch größere Mengen an Abfall zur Beseitigung anfallen. Im Allgemeinen sind mit einer größeren Nutzfläche eines Gewerbebetriebs auch eine größere Zahl von Beschäftigten und/oder eine größere Produktion verbunden und damit tendenziell größere Mengen (auch) an Abfällen zur Beseitigung. Dies liegt auf der Hand, Grundlage des dargelegten Erfahrungssatzes ist damit die allgemeine Lebenserfahrung.
113 
Die allgemeine Lebenserfahrung findet ihre Bestätigung auch in der vom Beklagten in Auftrag gegebenen Untersuchung des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003. Danach besteht ein eindeutiger - wenn auch grober - Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzfläche und der Abfallmenge.
114 
Bei einer Gesamtwürdigung des Vorbringens der Klägerin behauptet sie - über den Wortlaut des dargestellten Beweisantrags hinaus - im Kern, dass mit einer steigenden Nutzfläche eines Gewerbebetriebes nicht entsprechend proportional auch die Menge des überlassungspflichtigen Abfalls zur Beseitigung ansteige. Sie behauptet damit mit anderen Worten, es bestünde kein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebes, der durch wenige Ausnahmefälle entsprechend dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit gekennzeichnet sei. Die so umschriebene Beweistatsache ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sie wird im Übrigen auch durch die Untersuchung des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur- Management GmbH vom Dezember 2003 bestätigt, nach der im Satzungsgebiet des Beklagten eine hohe Schwankungsbreite der Abfallmengen zur Betriebsfläche und insbesondere auch Extremwerte (große Betriebsfläche und hohe Abfallmengen) festgestellt wurden. Dieses, den Kern des Vortrags bildende Beweisthema, ist auf der Grundlage der Ausführungen unter 3. b) jedoch nicht entscheidungserheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative StPO entsprechend).
115 
Dem dargelegten Beweisthema kommt für die hier entscheidungserhebliche Frage, ob der Nutzflächenmaßstab dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG genügt, lediglich indizielle Bedeutung zu. Dies bedeutet, dass der Beweistatsache - kein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs - zwar durchaus eine gewisse Bedeutung für die rechtliche Überprüfung des Nutzflächenmaßstabs zukommt, sich aber aus ihr - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade keine zwingenden Schlüsse auf die Rechtswidrigkeit des hier zu beurteilenden Maßstabs ergeben. Denn die Bemessung der Grundgebühr hat sich nicht an der Menge des Beseitigungsabfalls zu orientieren, die der jeweilige Gewerbebetrieb aktuell dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt. Maßgeblich ist vielmehr die für den jeweiligen Betrieb vorzuhaltende Höchstlastkapazität, d.h. dessen „Abfallpotential“. Die jeweils aktuelle Menge des Beseitigungsabfalls ist danach zwar ein - gewichtiger - Parameter für die Abschätzung des Abfallpotentials, sie ist aber vor dem Hintergrund der dargelegten Systematik des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht die allein maßgebliche Grundlage für die Verteilung der Vorhaltekosten der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungseinrichtung. Dementsprechend setzt die Rechtmäßigkeit des Grundgebührenmaßstab nicht voraus, dass ein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche eines Gewerbebetriebs und seiner derzeitigen Menge an Beseitigungsabfall besteht. Bei der Erhebung von Grundgebühren liegt vielmehr ein „grober“ Maßstab in der Natur der Sache; die Sachgerechtigkeit dieses Maßstabs wird durch Erwägungen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt und insbesondere der abgabenrechtliche Grundsatz der Typengerechtigkeit findet keine Anwendung.
116 
b) Unerheblich ist auch die Beweisbehauptung Nr. 2 der Klägerin, „dass deutlich mehr als 10 % der Gewerbebetriebe des Landkreises Böblingen atypisch seien, weil ein Mehr an Nutzfläche keinerlei Rückschlüsse auf eine auch nur annähernd proportionale Vergrößerung der überlassungspflichtigen Abfallmenge erlaube“. Gleiches gilt schließlich für die Beweisbehauptung Nr. 3 der Klägerin, „dass die Größe der Fläche, die ein Gewerbebetrieb betrieblich nutze, kein sachgerechter Maßstab dafür sei, ob und inwieweit die Verwertung anfallender Gewerbeabfälle technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sei (mit der Folge einer gesetzlichen Verwertungspflicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 KrW-/AbfG)“. Mit den letztgenannten beiden Beweisanträgen variiert die Klägerin unter Verwendung verschiedener Formulierungen lediglich das bereits unter 4. a) abgehandelte Beweisthema, wonach kein entsprechend proportionaler bzw. enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs bestehe, der den Anforderungen des abgabenrechtlichen Grundsatzes der Typengerechtigkeit gerecht werde. Auch insoweit gilt wiederum, dass die Rechtmäßigkeit des Maßstabs bei der Erhebung von Grundgebühren keinen entsprechend proportionalen bzw. engen Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs voraussetzt. Darüber hinaus findet auf den hier zu beurteilenden Nutzflächenmaßstab der abgabenrechtliche Grundsatz der Typengerechtigkeit keine Anwendung.
117 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
118 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
119 
Beschluss vom 1. Februar 2011
120 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 7.806,40 EUR festgesetzt.
121 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung wird zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens bleibt der Entscheidung im Berufungsverfahren vorbehalten.


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(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.

(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Hat der eine oder der andere Teil mehrere zur Aufrechnung geeignete Forderungen, so kann der aufrechnende Teil die Forderungen bestimmen, die gegeneinander aufgerechnet werden sollen. Wird die Aufrechnung ohne eine solche Bestimmung erklärt oder widerspricht der andere Teil unverzüglich, so findet die Vorschrift des § 366 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Schuldet der aufrechnende Teil dem anderen Teil außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten, so findet die Vorschrift des § 367 entsprechende Anwendung.

(1) Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich nach den Vorschriften der Steuergesetze.

(2) Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, so wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig, es sei denn, dass in einem nach § 254 erforderlichen Leistungsgebot eine Zahlungsfrist eingeräumt worden ist. Ergibt sich der Anspruch in den Fällen des Satzes 1 aus der Festsetzung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, so tritt die Fälligkeit nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung ein.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. April 2009 - 2 K 4176/07 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren.
Die Beklagte betreibt zur Beseitigung des in ihrem Gebiet anfallenden Abwassers Abwasseranlagen in Form eines Eigenbetriebs (Eigenbetrieb Stadtentwässerung Pforzheim - ESP) geführte öffentliche Einrichtung und erhebt für die Benutzung dieser Anlagen nach Maßgabe ihrer Satzung über die Gebührenerhebung für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen (Abwassergebührensatzung - AbwGebS) eine laufende Benutzungsgebühr.
Die Abwassergebühren wurden ursprünglich nach dem (einheitlichen) Frischwassermaßstab berechnet. Am 17.10.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine neue, rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft tretende Abwassergebührensatzung, nach deren § 2 die Abwassergebühren getrennt für die auf den Grundstücken anfallende Schmutzwassermenge (Schmutzwassergebühr) und für die an den Kanal angeschlossenen gebührenrelevanten versiegelten Flächen (Niederschlagswassergebühr) erhoben werden. Die Schmutzwassergebühr beträgt gemäß § 7 Abs. 1 AbwGebS je Kubikmeter Schmutzwasser 1,86 EUR, die Niederschlagswassergebühr gemäß § 7 Abs. 3 AbwGebS je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr 0,92 EUR. Über die Entstehung und die Fälligkeit der Gebühren trifft § 11 AbwGebS folgende Regelung:
(1) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren entsteht mit dem Tag, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist.
(2) Die Gebühren werden zwei Wochen nach Bekanntgabe des Gebührenbescheides fällig. …
(3) …
Die Klägerin ist Eigentümerin des im Gebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks Flst.Nr. ... (... ...), dessen versiegelte Fläche von der Beklagten mit 934 m 2 angenommen wird. Mit Bescheid vom 11.1.2007 setzte die Beklagte auf dieser Grundlage die für das Grundstück für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 zu bezahlenden Niederschlagswassergebühren auf 849,86 EUR fest.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 15.1.2007 Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Satzung vom 17.10.2006 sei rechtswidrig. Die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip in Form des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Des Weiteren habe die Beklagte im Rahmen des Verfahrens zur Aufstellung der Satzung jegliche Transparenz vermissen lassen. Im Rahmen der Flächenermittlung seien erhebliche Versäumnisse unterlaufen. Die der Satzung zugrunde liegende Kalkulation der Abwassergebühren sei nicht transparent und nicht vollständig. Insbesondere dürfe es nicht zum Nachteil der Gebührenschuldner führen, dass der Eigenbetrieb Stadtentwässerung vollständig über Fremdkapital finanziert werde. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, dass die Gebührenkalkulation, die für das Jahr 2007 gefertigt worden sei, maßgebliche Aussagen für das Jahr 2006 treffen könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch am 6.11.2007 mit der Begründung zurück, die Abwassergebührensatzung sei rechtmäßig. Die Satzung verstoße insbesondere nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Veranlagungsfläche sei ordnungsgemäß ermittelt worden. Die Stadt habe im Rahmen des ihr zustehenden Ermessensspielraums entschieden, den Entwässerungsbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm zur teilweisen Finanzierung des Anlagevermögens ein verzinsliches Trägerdarlehen zu gewähren. Das Darlehen habe damit Eigenkapital ersetzenden Charakter. Die hierauf entfallenden Zinsen stellten einen Ausgleich für die ansonsten zulässigerweise zu berücksichtigenden Eigenkapitalzinsen dar. Die Zinshöhe von 5,34 % im Jahre 2006 sei angemessen. Es entspreche der Erfahrung, dass sich die gebührenrelevante Abwassermenge gegenüber der Prognose allenfalls noch geringfügig verändere. Deshalb habe für die Jahre 2006 und 2007 von den gleichen Mengen wie für 2005 ausgegangen werden dürfen.
Die Klägerin hat am 7.12.2007 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben mit dem Antrag, die Bescheide der Beklagten vom 11.1. und 6.11.2007 aufzuheben. Zur Begründung hat sie zunächst ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, es sei bereits fraglich, ob die Beklagte die Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf den Eigenbetrieb Stadtentwässerung habe übertragen dürfen. Jedenfalls sei äußerst zweifelhaft sei, ob die Betriebskosten, die durch den Eigenbetrieb selbst verursacht würden, in die Gebührenkalkulation eingestellt werden dürften. Dadurch, dass der Eigenbetrieb Stadtentwässerung ausgegliedert und nicht mit Eigenkapital ausgestattet worden sei, seien Fremdfinanzierungskosten künstlich geschaffen worden, um den Gebührensatz höher ausgestalten zu können. Jedenfalls seien die zusätzlich geschaffenen Fremdfinanzierungskosten nicht erforderlich.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Einwohner seien bereits seit langer Zeit durch Informationsschreiben, umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Presseberichterstattung darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, eine gesplittete Abwassergebühr einzuführen. Sie hätten somit spätestens zum 1.1.2006 mit deren Einführung rechnen müssen. Die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen werde durch die neue Satzung nicht ungünstiger gestellt. Ein Verstoß gegen das Schlechterstellungsverbot liege somit nicht vor. Ein neu zu gründendes Unternehmen könne durch Kapital finanziert werden, das der Eigentümer dem Unternehmen zur Verfügung stelle oder das von Dritten als Kredit oder Zuschuss gegeben werde. Der Eigentümer könne dem Unternehmen neben dem Eigenkapital auch Darlehen gewähren. Dies gelte als Kreditaufnahme durch den Eigenbetrieb. Der Gebührenkalkulation liege ein durchschnittlicher kalkulatorischer Zins in Höhe von 5,4 % zugrunde, der aus den Echtzinsaufwendungen für Fremddarlehen, Kassenkrediten und Trägerdarlehen abzüglich nicht gebührenfähiger Bauzeitzinsen im Verhältnis zum Anlagevermögen ermittelt worden sei. Für die Berechnung des Straßenentwässerungskostenanteils sei auf die Globalberechnung zur Ermittlung des Abwasserbeitrags vom März 2002 zurückgegriffen worden. Für die Beschlussfassung über den Gebührensatz 2006 habe sie auf eine Gebührenkalkulation zurückgreifen dürfen, die für das Wirtschaftsjahr 2007 erstellt worden sei. § 11 Abs. 1 AbwGebS sei rechtmäßig. Da eine Gebühr erst mit der Inanspruchnahme, also der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei diese Vorschrift dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
10 
Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Gemeinderat der Beklagten am 16.12.2008 eine rückwirkend zum 1.1.2008 in Kraft tretende Änderung des § 11 AbwGebS beschlossen. § 11 Abs. 1 AbwGebS lautet in der neuen Fassung nunmehr wie folgt:
11 
Die Gebührenschuld entsteht jeweils mit dem Ende des Abrechnungszeitraums. Abrechnungszeitraum ist für die Erhebung der Gebühren der Zeitraum, für den der Wasserverbrauch zur Berechnung des Entgelts für die Wasserlieferung festgestellt wird. Für die Erhebung der Niederschlagswassergebühr gilt dies mit der Maßgabe, dass der erste Abrechnungszeitraum jedoch frühestens mit dem Tag beginnt, an dem befestigte Flächen an die Stadtentwässerungsanlagen angeschlossen sind.
12 
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23.4.2009 die Bescheide der Beklagten vom 11.1. und 6.11.2007 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Abwassergebührensatzung der Beklagten sei für den von dem angefochtenen Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr ungültig. Die Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld gehöre nach § 2 Abs. 1 S. 2 KAG zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer Satzung, soweit sie sich - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz ergebe. Bei Gebühren, die für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben würden, sei eine eindeutige satzungsmäßige Bestimmung des Zeitintervalls, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollten, erforderlich. Eine derartige Bestimmung enthalte die Abwassergebührensatzung für den hier betroffenen Zeitraum nicht. Hinsichtlich der Niederschlagswassergebühren könne man zwar möglicherweise aus dem Maßstab Quadratmeter anrechenbarerer versiegelter Fläche/Jahr schließen, dass Erhebungszeitraum das Kalenderjahr sein solle. Eine "eindeutige" Bestimmung enthalte die Satzung jedoch auch bei einer solchen Auslegung nicht. Hinsichtlich der Schmutzwassergebühr fehle es sogar an jeglichem Anhaltspunkt für den Erhebungszeitraum. Bei der Schmutzwassergebühr komme hinzu, dass die Höhe der Gebührenschuld zu dem nach der Abwassergebührensatzung maßgeblichen Entstehungszeitpunkt nicht berechenbar sei, da in diesem Zeitpunkt nicht feststehe, welche Wassermenge dem Grundstück aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführt werde. Der von der Beklagten für das Jahr 2006 beschlossene Gebührensatz sei außerdem unwirksam, da die dem Gemeinderat bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz vorliegende Gebührenkalkulation sich auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe. Die Beklagte habe nicht darzulegen vermocht, dass die Kalkulation auch uneingeschränkt aussagekräftige Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Ohnehin habe sich das Jahr 2006 bei der Beschlussfassung bereits dem Ende zugeneigt, so dass für dieses Jahr erhebliche Teile der Ausgaben bereits festgestanden und daher nicht mehr hätten prognostiziert werden müssen. Es liege zwar nahe, dass die Abwassermengen in den Jahren 2006 und 2007 nicht erheblich voneinander abwichen. Für die in der Gebührenkalkulation zu berücksichtigenden Ausgaben und Einnahmen lasse sich das jedoch nicht ohne weiteres annehmen. Ein Vergleich der ursprünglichen Gebührenkalkulation für das Jahr 2006 und der Gebührenkalkulation für das Jahr 2007 bestätige dies. Die Kosten der Abwasserbeseitigung in der Kalkulation für das Jahr 2007 von 23.722.400 EUR dürften der Sache nach den "bereinigten Aufwendungen aus 1.9." in der Kalkulation für das Jahr 2007 von 23.355.400 EUR entsprechen. Der Unterschied zwischen den beiden Beträgen von knapp 400.000 EUR könne kaum mehr als unerheblich bezeichnet werden. Zu derselben Gebührenobergrenze im Jahr 2007 sei die Beklagte des Weiteren nur gelangt, weil sie bei der Festsetzung des Gebührensatzes eine Unterdeckung in Höhe von 782.900 EUR einkalkuliert habe. Aus § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG ergeb sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. Der Bestimmung lasse sich nicht entnehmen, dass für die Kalkulation eines Gebührensatzes für ein Jahr auf die Gebührenkalkulation für das nachfolgende Jahr zurückgegriffen werden dürfe. Es sei ferner zweifelhaft, ob die Gebührenkalkulation für das Jahr 2007 den Anforderungen genüge, die an eine ordnungsgemäße Gebührenkalkulation zu stellen seien. Eine Kalkulation nach Kostenstellen biete dem Gemeinderat möglicherweise kein ausreichendes Bild von der Ermittlung des Gebührenbedarfs. So seien bei dieser Art der Kalkulation weder die Höhe der Abschreibungen noch die Zinsbelastung aufgrund des von der Beklagten ihrem Eigenbetrieb gewährten Trägerdarlehens ausgewiesen. Würde es darauf ankommen, so wäre auch der Frage nachzugehen, ob es sich bei den aufgrund des Trägerdarlehens anfallenden Zinsen um auf die Gebührenzahler abwälzbare Kosten handele.
13 
Gegen das Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Die Beklagte macht geltend, die Satzung vom 17.10.2006 enthalte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine gültige Entstehensregelung. Da die Gebührenhöhe vorab festgelegt worden sei, könne der Gebührenschuldner bereits bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung die damit verbundene Gebühr erkennen. Die Bestimmung eines Erhebungszeitraums sei dafür nicht erforderlich. Von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls sei abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben würden, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Satzung werde deutlich, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Entwässerung und (kumulativ) mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe. Der für das Jahr 2006 beschlossene Gebührensatz sei wirksam. Die für das Jahr 2007 erstellte Gebührenkalkulation sei nur herangezogen worden, um die Aufteilung der Gebühren in Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebühren vornehmen zu können. Der Gemeinderat habe zuvor für das Jahr 2006 unter Berücksichtigung der restlichen Überdeckung aus dem Jahr 2002 und einem Anteil der Unterdeckung aus 2004 einen Gebührensatz von 2,72 EUR/m 3 festgesetzt. Er sei dabei von einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m 3 und gebührenfähigen Gesamtkosten von 17.067.100 EUR ausgegangen, woraus sich eine zulässige Gebührenobergrenze von 2,79 EUR/m 3 ergeben habe. Bei der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr sei das sich aus dem beschlossenen Gebührensatz ergebende Gebührenaufkommen auf eine Schmutzwassergebühr von 1,86 EUR/m³ und eine Regenwassergebühr von 0,92 EUR/m² aufgeteilt worden. Aus welchen Gründen die von dem Verwaltungsgericht geforderte getrennte Ausweisung der Abschreibungen in der Gebührenkalkulation erforderlich sei, sei nicht ersichtlich. Die Gebührenkalkulation wähle einen anderen Ansatz, indem sie an einzelne "Kostenverursacher" anknüpfe. Dem Gemeinderat sei bewusst gewesen, dass in den einzelnen Beträgen Abschreibungen enthalten seien. Eine darüber hinausgehende Ausweisung sei nicht erforderlich. Im Übrigen hätten die auf S. 4 der Gebührenkalkulation genannten Anlagen dem Gemeinderat zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung gestanden. Der vereinbarte Zinssatz für das Trägerdarlehen von 6 % orientiere sich an der Zinsbelastung des städtischen Haushalts seit 1986 und bilde die durchschnittliche Zinsbelastung ab.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. April 2009 - 2 K 4176/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten der Beklagten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Gebührenbescheid zu Recht aufgehoben. Die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende und diesen stützenden Abwassergebührensatzung der Beklagten ist für den von dem Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr unwirksam (unten 1). Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt (unten 2).
21 
1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die - rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft getretene - Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, enthält diese Satzung keine ausreichende Regelung über die Entstehung der Gebühr und ist daher nichtig. Die am 16.12.2008 beschlossene Änderung der Satzung bleibt dabei außer Betracht, da die Änderung nach dem Willen der Beklagten erst am 1.1.2008 in Kraft treten soll und sich deshalb für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum (1.1. bis 27.12.2006) keine Gültigkeit beimisst.
22 
a) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 170 AO). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 30.11.2000 - 2 S 2061/98 - BWGZ 2001, 269) muss sich deshalb beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung aus der Abgabensatzung mit hinreichender Klarheit ergeben, zu welchem Zeitpunkt die Abgabenschuld nach dem Willen des Satzungsgebers entstehen soll.
23 
An dieser Auffassung ist auch nach der Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG durch das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005 festzuhalten. Die Vorschrift legt auch in ihrer Neufassung den unverzichtbaren Mindestinhalt einer Abgabensatzung fest. Der Umstand, dass der Gesetzgeber das von der Vorschrift bisher verwendete Wort "muss" durch ein "soll" ersetzt hat, ändert daran nichts. Die Änderung hat ihren Grund in der Einbeziehung des Erschließungsbeitragsrechts in das Kommunalabgabengesetz (vgl. LT-Drs. 13/3966, S. 40) und erklärt sich dadurch, dass in der auch für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen erforderlichen Satzung wegen der völlig unterschiedlichen Kosten der einzelnen Erschließungsanlagen ein Abgabensatz nicht bestimmt werden kann. Für den Erlass von Benutzungsgebührensatzungen ergeben sich aus der geänderten Fassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG keine Konsequenzen. Das "soll" in dieser Vorschrift ist vielmehr in diesen Fällen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage weiterhin wie ein "muss" zu lesen.
24 
b) Den sich aus § 2 Abs. 1 S. 2 KAG ergebenden Anforderungen wird mit der Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006 nicht entsprochen.
25 
Entstehung und Fälligkeit der Gebührenschuld werden in § 11 AbwGebS geregelt. In seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmte Abs. 1 dieser Vorschrift, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren mit dem Tag entsteht, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist. Diese Regelung ist, wie auch die Beklagte einräumt, unvollständig. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können Benutzungsgebühren nur für die (tatsächliche) Benutzung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden, da erst dadurch das für eine solche Gebühr eigentümliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet wird. Die bloße Möglichkeit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder der Umstand, dass durch die Einrichtung Vorteile geboten werden, reichen danach zur Gebührenerhebung nicht aus. Von der Beklagten wird dementsprechend vorgebracht, § 11 Abs. 1 AbwGebS bestimme, dass die Gebührenschuld frühestens mit dem Tag entstehe, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt sei. Da eine Gebühr aber erst mit der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei § 11 Abs. 1 AbwGebS dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
26 
Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 11 Abs. 1 AbwGebS wird von dem Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in der Vorschrift allein genannten betriebsfähigen Herstellung des Anschlusses an die Entwässerung nur der frühestens mögliche Zeitpunkt für das Entstehen der Gebührenpflicht beschrieben wird und es im Übrigen für das Entstehen der Gebührenpflicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen ankommen soll, sind weder der Vorschrift selbst noch anderen Bestimmungen der Satzung zu entnehmen. Davon abgesehen bliebe auch bei einem solchen Verständnis der Vorschrift offen, für welchen Zeitraum durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung die Gebührenpflicht entstehen soll. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 - KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 - Juris; Lohmann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 661; Driehaus, aaO, § 2 Rn. 92).
27 
Eine solche Festlegung lässt sich der Satzung der Beklagten weder für die Schmutzwasser- noch für die Niederschlagswassergebühr entnehmen. Zwar heißt es in § 7 Abs. 3 AbwGebS, dass die Niederschlagswassergebühr 0,92 EUR je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr betrage. In § 4 Abs. 1 S. 4 AbwGebS ist ferner von einer "jährlichen" Niederschlagswassergebühr die Rede. Die Satzung könnte im Hinblick hierauf dahin verstanden werden, dass Erhebungszeitraum für die Niederschlagswassergebühr das Kalenderjahr sein und die Pflicht zur Bezahlung dieser Gebühr mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahrs entstehen soll, worauf auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zu sprechen gekommen ist. Gegen ein solches Verständnis der Satzung spricht jedoch zum einen die Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 AbwGebS, wonach "die Gebühren" - also sowohl die Schmutzwasser- als auch die Niederschlagswassergebühr - in der Regel zusammen mit den Frischwasserentgelten, berechnet und erhoben werden, und zum anderen die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 AbwGebS, nach der Abschlagszahlungen (auch) auf die Niederschlagswassergebühr verlangt werden können, wenn "die Gebühr für mehrere Monate abgerechnet" wird. Die Höhe der Abschlagszahlungen wird nach § 10 Abs. 1 S. 2 AbwGebS anteilig berechnet entsprechend den anrechenbaren versiegelten Grundstücksflächen "im zuletzt abgerechneten Zeitraum". Diese Regelungen deuten darauf hin, dass die Beklagte sich auch bei der Erhebung der Niederschlagswassergebühren vorbehalten will, den Abrechnungszeitraum von Fall zu Fall zu bestimmen, was sich mit einer Regelung, die das Entstehen der Gebührenpflicht an das Ende des jeweiligen Kalenderjahrs knüpft, nicht verträgt.
28 
Wie die Berufungsbegründung zeigt, ist auch die Beklagte selbst der Meinung, dass in ihrer Satzung kein Erhebungszeitraum festgelegt sei. Nach den dazu gegebenen Erklärungen ist von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls vielmehr bewusst abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben werden sollten, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Die Beklagte hat dementsprechend die Klägerin nicht zu einer Niederschlagswassergebühr für das gesamte Jahr 2006, sondern nur für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 herangezogen.
29 
2. Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den sich aus § 14 Abs. 3 KAG ergebenden Anforderungen genügt.
30 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urt. v. 4.7.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540; NK-Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - NVwZ-RR 1996, 593) hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan die Höhe des Gebührensatzes innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation zu beschließen, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze der öffentlichen Einrichtung hervorgehen muss. Da weder § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch § 78 Abs. 2 GemO die Gemeinde verpflichten, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten durch Gebühren anzustreben, hat der Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz im Wege einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, welche gebührenfähigen Kosten in die Gebührenkalkulation eingestellt werden sollen. Außerdem ist ihm bei der Ermittlung der in den Gebührensatz einzustellenden Kostenfaktoren überall dort ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wo sich diese Kosten nicht rein rechnerisch, sondern nur im Wege von Schätzungen oder finanzpolitischen Bewertungen ermitteln lassen. Die Gebührenkalkulation dient somit nicht nur als Kontrollinstrument zur Überprüfung des letztlich beschlossenen Gebührensatzes, sondern auch dem Nachweis dafür, dass der Ortsgesetzgeber als Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Kostenermittlung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Ist dem Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies - vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG - die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge.
31 
a) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossene Gebührensatz für das Jahr 2006 sei ungültig, da sich die der Beschlussfassung am 17.10.2006 zugrunde liegende Gebührenkalkulation auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe und nicht ersichtlich sei, dass diese Kalkulation auch uneingeschränkt verwertbare Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Dem vermag der Senat auf der Grundlage der ihm zugänglichen Informationen nicht zu folgen.
32 
Der Vorlage zu der Sitzung des Gemeinderats vom 17.10.2006 lag eine von dem Büro ... ... gefertigte Gebührenkalkulation für das "Wirtschaftsjahr 2007" bei. Die Gebührenkalkulation geht von einer im Jahr 2007 zu erwartenden Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ aus. Die "ansatzfähigen Kosten der Abwasserbeseitigung" werden für das gleiche Jahr - ohne die auf die Straßenflächen entfallenden Kosten - mit 17.374.902,03 EUR veranschlagt, von denen 11.794.509,49 EUR der Schmutzwasserbeseitigung und 5.580.392,54 EUR der Niederschlagswasserbeseitigung zugeordnet werden. Die Beklagte ist der Meinung, dass diese Zahlen wegen der hinreichend gleichen abwassertechnischen Verhältnisse nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könnten. Das ist nicht zu beanstanden. Die Prognose einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ auch für das Jahr 2006 steht in Übereinstimmung mit der für das gleiche Jahr vorgenommenen Prognose in der früheren Kalkulation, die der Satzung vom 13.12.2005 zugrunde lag, und bewegt sich im Rahmen der im Wirtschaftsplan des ESP für das Jahr 2006 genannten tatsächlichen Verbrauchsmengen, die in den Jahren 2002 bis 2005 zu verzeichnen waren. Die Prognose ist danach nicht zu bemängeln. Die in der Gebührenkalkulation ferner vorgenommene Kostenschätzung beruht auf einem "Kostenstellenbericht" vom 27.7.2006, der auf der Grundlage der bis dahin bekannten Zahlen eine Zusammenstellung der in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.2007 zu erwartenden Kosten enthält. Gegen die Annahme der Beklagten, dass auch diese Schätzung nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könne, bestehen im Hinblick auf diese Grundlage der Schätzung ebenfalls keine Bedenken. Ihre Richtigkeit wird zudem dadurch bestätigt, dass nach der Darstellung der Beklagten die in den Jahren 2006 und 2007 tatsächlich entstandenen Kosten einander nahezu entsprochen haben. Dieser Darstellung ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
33 
b) Die dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegende Gebührenkalkulation ist jedoch deshalb als mangelhaft zu erachten, weil sie keinen Aufschluss über die Höhe der einzelnen Kostenarten gibt, aus denen sich die in die Kalkulation eingestellten Gesamtkosten zusammensetzen.
34 
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen die Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen insgesamt ansatzfähigen Kosten (Gesamtkosten) der Einrichtung gedeckt werden. Die Betriebswirtschaftslehre kennt als Unterfall der Kostenrechnung die Kostenartenrechnung, die der systematischen Erfassung aller bei der Leistungserstellung entstehenden Kosten dient. Nach der Art der verbrauchten Produktionsfaktoren wird dabei zwischen Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen, Zinsen, Kosten für Dienstleistungen Dritter sowie Kosten für Steuern, Gebühren und Beiträge unterschieden (Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., S. 1254 ff). Eine derartige Aufschlüsselung hat auch in der Gebührenkalkulation zu erfolgen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 42).
35 
Die Gebührenkalkulation hat die Aufgabe, die tatsächlichen Grundlagen für die rechtssatzmäßige Festsetzung des Gebührensatzes zur Verfügung zu stellen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss sie für den kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.2.2004 - 12 A 10826/03.OVG - Juris). Auf eine Aufschlüsselung der in die Kalkulation eingestellten Kosten nach den einzelnen Kostenarten kann danach nicht verzichtet werden. Das hat jedenfalls für die gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KAG zu den Kosten nach Absatz 1 Satz 1 gehörenden kalkulatorischen Kosten in Form einer angemessenen Verzinsung des Anlagekapitals sowie angemessener Abschreibungen zu gelten, über deren Höhe der Gemeinderat in den mit dem Begriff der Angemessenheit gezogenen rechtlichen Grenzen nach seinem Ermessen zu entscheiden hat.
36 
Dieser Forderung wird mit der dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegenden Gebührenkalkulation nicht genügt. Die in der Kalkulation genannten ansatzfähigen Gesamtkosten ergeben sich aus einer Addition der zuvor unter der Überschrift "eigentlicher Betriebsaufwand" aufgeführten Beträge, die einzelnen "Kostenstellen" der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung zugeordnet werden. Nach den von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen setzen sich diese Beträge aus den verschiedenen Kosten in Form von Personalkosten, Materialkosten, Kapitalkosten etc. zusammen, von denen den einzelnen Kostenstellen jeweils ein bestimmter Anteil zugewiesen wird. Wie diese Beträge sich im Einzelnen errechnen, geht jedoch aus der Kalkulation selbst nicht hervor. Über die Höhe der einzelnen Kostenarten, aus denen sich die angenommenen Gesamtkosten zusammensetzen, gibt die Kalkulation dementsprechend keinen Aufschluss.
37 
3. Ob die Satzung der Beklagten darüber hinaus an weiteren zu ihrer Nichtigkeit führenden Mängeln leidet, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die von der Beklagten genannte große Zahl weiterer Verfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit der Satzung gestritten wird, sowie die Möglichkeit, die aufgezeigten Fehler durch den Erlass einer neuen Gebührensatzung zu beheben, sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden Hinweisen veranlasst:
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob es sich bei den Zinsen, die der Eigenbetrieb aufgrund des ihm von der Beklagten gewährten Trägerdarlehens zu bezahlen hat, um betriebsbedingte Kosten handelt. Diese Bedenken dürften jedenfalls im Grundsatz unbegründet sein.
39 
Die Beklagte hat bei der im Jahre 2004 erfolgten Gründung des Eigenbetriebs Stadtentwässerung beschlossen, den Eigenbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm stattdessen ein - mit 6 % zu verzinsendes - Trägerdarlehen zu gewähren. Dieses Vorgehen dürfte nur bilanztechnische Gründe haben, aber keine Auswirkungen auf die Höhe der ansatzfähigen Gesamtkosten haben. Nach der bereits erwähnten Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KAG gehört zu den ansatzfähigen Gesamtkosten die "angemessene Verzinsung des Anlagekapitals", d. h. eine angemessene Verzinsung der um Beiträge, Zuweisungen und Zuschüsse Dritter gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der Abschreibungen (vgl. § 14 Abs. 3 S. 2 KAG). Zinsbasis ist damit das in der Anlage noch gebundene Kapital, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert worden sind. Die Gewährung eines Eigenkapital ersetzenden Trägerdarlehens hat daher nicht, wie die Klägerin argwöhnt, das Produzieren "künstlicher" Kosten zur Folge.
40 
b) In der Gebührenkalkulation werden auf der Grundlage einer zu erwartenden Abwassermenge von jeweils 6,1 Mio. m³ und zu erwartenden Kosten von jeweils 17.374.902 EUR sowohl für das Jahr 2006 als auch für das Jahr 2007 kostendeckende Gebührensätze von 1,93 EUR/m 3 (Schmutzwassergebühr) und 0,99 EUR/m 2 (Niederschlagswassergebühr) errechnet (S.10). Im Hinblick auf das vorgegebene Ziel, dass die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr nicht zu einer Ausweitung des sich aus dem zuvor beschlossenen Gebührensatz ergebenden Gebühreneinnahmenvolumens führen solle, hat der Gemeinderat der Beklagten jedoch um 0,07 EUR/m 3 bzw. 0,07 EUR/m 2 niedrigere Gebührensätze beschlossen und damit - sowohl für 2006 als auch für 2007 - eine Unterdeckung von jeweils 782.900 EUR in Kauf genommen.
41 
Diese Entscheidung ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da sich - wie bereits angesprochen - weder aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch aus § 78 Abs. 2 GemO eine Verpflichtung der Gemeinde ergibt, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten anzustreben. Nach Ziff. 2 des Beschlussvorschlags in der Sitzungsvorlage hatte der Gemeinderat der Beklagten jedoch die Vorstellung, dass die einkalkulierte Unterdeckung "mit künftigen Überdeckungen zu verrechnen oder in (künftige) Gebührenkalkulationen einzustellen sein" werde, d.h. in den folgenden Jahren ausgeglichen werden könne und auch tatsächlich ausgeglichen werden solle. Diese Vorstellung ist irrig, da Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat, in den Folgejahren nicht ausgeglichen werden können.
42 
Nach dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit dürfen die Gebührenpflichtigen nur mit Kosten belastet werden, die den Nutzungen der jeweiligen Rechnungsperiode entsprechen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 92 ff). § 14 Abs. 2 S. 2 KAG enthält eine Durchbrechung dieses Grundsatzes. In Fällen, in denen am Ende eines Kalkulationszeitraums das Gebührenaufkommen hinter den ansatzfähigen Gesamtkosten zurückbleibt, ist es den Gemeinden danach gestattet, die auf diese Weise entstandene Kostenunterdeckung innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Diesem Recht steht die sich ebenfalls aus § 14 Abs. 2 S. 2 Halbsatz KAG ergebende Verpflichtung gegenüber, Kostenüberdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums auszugleichen. Die Regelung berücksichtigt, dass die tatsächlichen Kosten, Erlöse und Mengen von den prognostisch ermittelten und der Kalkulation zugrunde gelegten Werten abweichen können und in aller Regel auch tatsächlich abweichen. § 14 Abs. 2 S. 2 KAG soll deshalb gewährleisten, dass das zunächst auf den jeweiligen Kalkulations- oder Bemessungszeitraum begrenzte Kostendeckungsprinzip auf mittlere Frist gesehen tatsächlich realisiert wird bzw. - soweit es um den Ausgleich von Kostenunterdeckungen geht - realisiert werden kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2008 - 2 S 2559/05 - VBlBW 2008, 350). Ausgeglichen werden können danach aber nur Kostenunterdeckungen, die sich erst am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, nicht aber Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Quaas, NVwZ 2007, 757; Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 104)
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
44 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 849,86 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
47 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Gebührenbescheid zu Recht aufgehoben. Die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende und diesen stützenden Abwassergebührensatzung der Beklagten ist für den von dem Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr unwirksam (unten 1). Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt (unten 2).
21 
1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die - rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft getretene - Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, enthält diese Satzung keine ausreichende Regelung über die Entstehung der Gebühr und ist daher nichtig. Die am 16.12.2008 beschlossene Änderung der Satzung bleibt dabei außer Betracht, da die Änderung nach dem Willen der Beklagten erst am 1.1.2008 in Kraft treten soll und sich deshalb für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum (1.1. bis 27.12.2006) keine Gültigkeit beimisst.
22 
a) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 170 AO). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 30.11.2000 - 2 S 2061/98 - BWGZ 2001, 269) muss sich deshalb beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung aus der Abgabensatzung mit hinreichender Klarheit ergeben, zu welchem Zeitpunkt die Abgabenschuld nach dem Willen des Satzungsgebers entstehen soll.
23 
An dieser Auffassung ist auch nach der Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG durch das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005 festzuhalten. Die Vorschrift legt auch in ihrer Neufassung den unverzichtbaren Mindestinhalt einer Abgabensatzung fest. Der Umstand, dass der Gesetzgeber das von der Vorschrift bisher verwendete Wort "muss" durch ein "soll" ersetzt hat, ändert daran nichts. Die Änderung hat ihren Grund in der Einbeziehung des Erschließungsbeitragsrechts in das Kommunalabgabengesetz (vgl. LT-Drs. 13/3966, S. 40) und erklärt sich dadurch, dass in der auch für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen erforderlichen Satzung wegen der völlig unterschiedlichen Kosten der einzelnen Erschließungsanlagen ein Abgabensatz nicht bestimmt werden kann. Für den Erlass von Benutzungsgebührensatzungen ergeben sich aus der geänderten Fassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG keine Konsequenzen. Das "soll" in dieser Vorschrift ist vielmehr in diesen Fällen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage weiterhin wie ein "muss" zu lesen.
24 
b) Den sich aus § 2 Abs. 1 S. 2 KAG ergebenden Anforderungen wird mit der Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006 nicht entsprochen.
25 
Entstehung und Fälligkeit der Gebührenschuld werden in § 11 AbwGebS geregelt. In seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmte Abs. 1 dieser Vorschrift, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren mit dem Tag entsteht, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist. Diese Regelung ist, wie auch die Beklagte einräumt, unvollständig. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können Benutzungsgebühren nur für die (tatsächliche) Benutzung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden, da erst dadurch das für eine solche Gebühr eigentümliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet wird. Die bloße Möglichkeit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder der Umstand, dass durch die Einrichtung Vorteile geboten werden, reichen danach zur Gebührenerhebung nicht aus. Von der Beklagten wird dementsprechend vorgebracht, § 11 Abs. 1 AbwGebS bestimme, dass die Gebührenschuld frühestens mit dem Tag entstehe, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt sei. Da eine Gebühr aber erst mit der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei § 11 Abs. 1 AbwGebS dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
26 
Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 11 Abs. 1 AbwGebS wird von dem Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in der Vorschrift allein genannten betriebsfähigen Herstellung des Anschlusses an die Entwässerung nur der frühestens mögliche Zeitpunkt für das Entstehen der Gebührenpflicht beschrieben wird und es im Übrigen für das Entstehen der Gebührenpflicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen ankommen soll, sind weder der Vorschrift selbst noch anderen Bestimmungen der Satzung zu entnehmen. Davon abgesehen bliebe auch bei einem solchen Verständnis der Vorschrift offen, für welchen Zeitraum durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung die Gebührenpflicht entstehen soll. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 - KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 - Juris; Lohmann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 661; Driehaus, aaO, § 2 Rn. 92).
27 
Eine solche Festlegung lässt sich der Satzung der Beklagten weder für die Schmutzwasser- noch für die Niederschlagswassergebühr entnehmen. Zwar heißt es in § 7 Abs. 3 AbwGebS, dass die Niederschlagswassergebühr 0,92 EUR je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr betrage. In § 4 Abs. 1 S. 4 AbwGebS ist ferner von einer "jährlichen" Niederschlagswassergebühr die Rede. Die Satzung könnte im Hinblick hierauf dahin verstanden werden, dass Erhebungszeitraum für die Niederschlagswassergebühr das Kalenderjahr sein und die Pflicht zur Bezahlung dieser Gebühr mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahrs entstehen soll, worauf auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zu sprechen gekommen ist. Gegen ein solches Verständnis der Satzung spricht jedoch zum einen die Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 AbwGebS, wonach "die Gebühren" - also sowohl die Schmutzwasser- als auch die Niederschlagswassergebühr - in der Regel zusammen mit den Frischwasserentgelten, berechnet und erhoben werden, und zum anderen die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 AbwGebS, nach der Abschlagszahlungen (auch) auf die Niederschlagswassergebühr verlangt werden können, wenn "die Gebühr für mehrere Monate abgerechnet" wird. Die Höhe der Abschlagszahlungen wird nach § 10 Abs. 1 S. 2 AbwGebS anteilig berechnet entsprechend den anrechenbaren versiegelten Grundstücksflächen "im zuletzt abgerechneten Zeitraum". Diese Regelungen deuten darauf hin, dass die Beklagte sich auch bei der Erhebung der Niederschlagswassergebühren vorbehalten will, den Abrechnungszeitraum von Fall zu Fall zu bestimmen, was sich mit einer Regelung, die das Entstehen der Gebührenpflicht an das Ende des jeweiligen Kalenderjahrs knüpft, nicht verträgt.
28 
Wie die Berufungsbegründung zeigt, ist auch die Beklagte selbst der Meinung, dass in ihrer Satzung kein Erhebungszeitraum festgelegt sei. Nach den dazu gegebenen Erklärungen ist von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls vielmehr bewusst abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben werden sollten, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Die Beklagte hat dementsprechend die Klägerin nicht zu einer Niederschlagswassergebühr für das gesamte Jahr 2006, sondern nur für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 herangezogen.
29 
2. Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den sich aus § 14 Abs. 3 KAG ergebenden Anforderungen genügt.
30 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urt. v. 4.7.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540; NK-Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - NVwZ-RR 1996, 593) hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan die Höhe des Gebührensatzes innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation zu beschließen, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze der öffentlichen Einrichtung hervorgehen muss. Da weder § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch § 78 Abs. 2 GemO die Gemeinde verpflichten, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten durch Gebühren anzustreben, hat der Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz im Wege einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, welche gebührenfähigen Kosten in die Gebührenkalkulation eingestellt werden sollen. Außerdem ist ihm bei der Ermittlung der in den Gebührensatz einzustellenden Kostenfaktoren überall dort ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wo sich diese Kosten nicht rein rechnerisch, sondern nur im Wege von Schätzungen oder finanzpolitischen Bewertungen ermitteln lassen. Die Gebührenkalkulation dient somit nicht nur als Kontrollinstrument zur Überprüfung des letztlich beschlossenen Gebührensatzes, sondern auch dem Nachweis dafür, dass der Ortsgesetzgeber als Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Kostenermittlung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Ist dem Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies - vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG - die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge.
31 
a) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossene Gebührensatz für das Jahr 2006 sei ungültig, da sich die der Beschlussfassung am 17.10.2006 zugrunde liegende Gebührenkalkulation auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe und nicht ersichtlich sei, dass diese Kalkulation auch uneingeschränkt verwertbare Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Dem vermag der Senat auf der Grundlage der ihm zugänglichen Informationen nicht zu folgen.
32 
Der Vorlage zu der Sitzung des Gemeinderats vom 17.10.2006 lag eine von dem Büro ... ... gefertigte Gebührenkalkulation für das "Wirtschaftsjahr 2007" bei. Die Gebührenkalkulation geht von einer im Jahr 2007 zu erwartenden Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ aus. Die "ansatzfähigen Kosten der Abwasserbeseitigung" werden für das gleiche Jahr - ohne die auf die Straßenflächen entfallenden Kosten - mit 17.374.902,03 EUR veranschlagt, von denen 11.794.509,49 EUR der Schmutzwasserbeseitigung und 5.580.392,54 EUR der Niederschlagswasserbeseitigung zugeordnet werden. Die Beklagte ist der Meinung, dass diese Zahlen wegen der hinreichend gleichen abwassertechnischen Verhältnisse nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könnten. Das ist nicht zu beanstanden. Die Prognose einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ auch für das Jahr 2006 steht in Übereinstimmung mit der für das gleiche Jahr vorgenommenen Prognose in der früheren Kalkulation, die der Satzung vom 13.12.2005 zugrunde lag, und bewegt sich im Rahmen der im Wirtschaftsplan des ESP für das Jahr 2006 genannten tatsächlichen Verbrauchsmengen, die in den Jahren 2002 bis 2005 zu verzeichnen waren. Die Prognose ist danach nicht zu bemängeln. Die in der Gebührenkalkulation ferner vorgenommene Kostenschätzung beruht auf einem "Kostenstellenbericht" vom 27.7.2006, der auf der Grundlage der bis dahin bekannten Zahlen eine Zusammenstellung der in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.2007 zu erwartenden Kosten enthält. Gegen die Annahme der Beklagten, dass auch diese Schätzung nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könne, bestehen im Hinblick auf diese Grundlage der Schätzung ebenfalls keine Bedenken. Ihre Richtigkeit wird zudem dadurch bestätigt, dass nach der Darstellung der Beklagten die in den Jahren 2006 und 2007 tatsächlich entstandenen Kosten einander nahezu entsprochen haben. Dieser Darstellung ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
33 
b) Die dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegende Gebührenkalkulation ist jedoch deshalb als mangelhaft zu erachten, weil sie keinen Aufschluss über die Höhe der einzelnen Kostenarten gibt, aus denen sich die in die Kalkulation eingestellten Gesamtkosten zusammensetzen.
34 
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen die Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen insgesamt ansatzfähigen Kosten (Gesamtkosten) der Einrichtung gedeckt werden. Die Betriebswirtschaftslehre kennt als Unterfall der Kostenrechnung die Kostenartenrechnung, die der systematischen Erfassung aller bei der Leistungserstellung entstehenden Kosten dient. Nach der Art der verbrauchten Produktionsfaktoren wird dabei zwischen Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen, Zinsen, Kosten für Dienstleistungen Dritter sowie Kosten für Steuern, Gebühren und Beiträge unterschieden (Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., S. 1254 ff). Eine derartige Aufschlüsselung hat auch in der Gebührenkalkulation zu erfolgen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 42).
35 
Die Gebührenkalkulation hat die Aufgabe, die tatsächlichen Grundlagen für die rechtssatzmäßige Festsetzung des Gebührensatzes zur Verfügung zu stellen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss sie für den kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.2.2004 - 12 A 10826/03.OVG - Juris). Auf eine Aufschlüsselung der in die Kalkulation eingestellten Kosten nach den einzelnen Kostenarten kann danach nicht verzichtet werden. Das hat jedenfalls für die gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KAG zu den Kosten nach Absatz 1 Satz 1 gehörenden kalkulatorischen Kosten in Form einer angemessenen Verzinsung des Anlagekapitals sowie angemessener Abschreibungen zu gelten, über deren Höhe der Gemeinderat in den mit dem Begriff der Angemessenheit gezogenen rechtlichen Grenzen nach seinem Ermessen zu entscheiden hat.
36 
Dieser Forderung wird mit der dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegenden Gebührenkalkulation nicht genügt. Die in der Kalkulation genannten ansatzfähigen Gesamtkosten ergeben sich aus einer Addition der zuvor unter der Überschrift "eigentlicher Betriebsaufwand" aufgeführten Beträge, die einzelnen "Kostenstellen" der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung zugeordnet werden. Nach den von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen setzen sich diese Beträge aus den verschiedenen Kosten in Form von Personalkosten, Materialkosten, Kapitalkosten etc. zusammen, von denen den einzelnen Kostenstellen jeweils ein bestimmter Anteil zugewiesen wird. Wie diese Beträge sich im Einzelnen errechnen, geht jedoch aus der Kalkulation selbst nicht hervor. Über die Höhe der einzelnen Kostenarten, aus denen sich die angenommenen Gesamtkosten zusammensetzen, gibt die Kalkulation dementsprechend keinen Aufschluss.
37 
3. Ob die Satzung der Beklagten darüber hinaus an weiteren zu ihrer Nichtigkeit führenden Mängeln leidet, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die von der Beklagten genannte große Zahl weiterer Verfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit der Satzung gestritten wird, sowie die Möglichkeit, die aufgezeigten Fehler durch den Erlass einer neuen Gebührensatzung zu beheben, sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden Hinweisen veranlasst:
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob es sich bei den Zinsen, die der Eigenbetrieb aufgrund des ihm von der Beklagten gewährten Trägerdarlehens zu bezahlen hat, um betriebsbedingte Kosten handelt. Diese Bedenken dürften jedenfalls im Grundsatz unbegründet sein.
39 
Die Beklagte hat bei der im Jahre 2004 erfolgten Gründung des Eigenbetriebs Stadtentwässerung beschlossen, den Eigenbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm stattdessen ein - mit 6 % zu verzinsendes - Trägerdarlehen zu gewähren. Dieses Vorgehen dürfte nur bilanztechnische Gründe haben, aber keine Auswirkungen auf die Höhe der ansatzfähigen Gesamtkosten haben. Nach der bereits erwähnten Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KAG gehört zu den ansatzfähigen Gesamtkosten die "angemessene Verzinsung des Anlagekapitals", d. h. eine angemessene Verzinsung der um Beiträge, Zuweisungen und Zuschüsse Dritter gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der Abschreibungen (vgl. § 14 Abs. 3 S. 2 KAG). Zinsbasis ist damit das in der Anlage noch gebundene Kapital, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert worden sind. Die Gewährung eines Eigenkapital ersetzenden Trägerdarlehens hat daher nicht, wie die Klägerin argwöhnt, das Produzieren "künstlicher" Kosten zur Folge.
40 
b) In der Gebührenkalkulation werden auf der Grundlage einer zu erwartenden Abwassermenge von jeweils 6,1 Mio. m³ und zu erwartenden Kosten von jeweils 17.374.902 EUR sowohl für das Jahr 2006 als auch für das Jahr 2007 kostendeckende Gebührensätze von 1,93 EUR/m 3 (Schmutzwassergebühr) und 0,99 EUR/m 2 (Niederschlagswassergebühr) errechnet (S.10). Im Hinblick auf das vorgegebene Ziel, dass die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr nicht zu einer Ausweitung des sich aus dem zuvor beschlossenen Gebührensatz ergebenden Gebühreneinnahmenvolumens führen solle, hat der Gemeinderat der Beklagten jedoch um 0,07 EUR/m 3 bzw. 0,07 EUR/m 2 niedrigere Gebührensätze beschlossen und damit - sowohl für 2006 als auch für 2007 - eine Unterdeckung von jeweils 782.900 EUR in Kauf genommen.
41 
Diese Entscheidung ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da sich - wie bereits angesprochen - weder aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch aus § 78 Abs. 2 GemO eine Verpflichtung der Gemeinde ergibt, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten anzustreben. Nach Ziff. 2 des Beschlussvorschlags in der Sitzungsvorlage hatte der Gemeinderat der Beklagten jedoch die Vorstellung, dass die einkalkulierte Unterdeckung "mit künftigen Überdeckungen zu verrechnen oder in (künftige) Gebührenkalkulationen einzustellen sein" werde, d.h. in den folgenden Jahren ausgeglichen werden könne und auch tatsächlich ausgeglichen werden solle. Diese Vorstellung ist irrig, da Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat, in den Folgejahren nicht ausgeglichen werden können.
42 
Nach dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit dürfen die Gebührenpflichtigen nur mit Kosten belastet werden, die den Nutzungen der jeweiligen Rechnungsperiode entsprechen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 92 ff). § 14 Abs. 2 S. 2 KAG enthält eine Durchbrechung dieses Grundsatzes. In Fällen, in denen am Ende eines Kalkulationszeitraums das Gebührenaufkommen hinter den ansatzfähigen Gesamtkosten zurückbleibt, ist es den Gemeinden danach gestattet, die auf diese Weise entstandene Kostenunterdeckung innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Diesem Recht steht die sich ebenfalls aus § 14 Abs. 2 S. 2 Halbsatz KAG ergebende Verpflichtung gegenüber, Kostenüberdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums auszugleichen. Die Regelung berücksichtigt, dass die tatsächlichen Kosten, Erlöse und Mengen von den prognostisch ermittelten und der Kalkulation zugrunde gelegten Werten abweichen können und in aller Regel auch tatsächlich abweichen. § 14 Abs. 2 S. 2 KAG soll deshalb gewährleisten, dass das zunächst auf den jeweiligen Kalkulations- oder Bemessungszeitraum begrenzte Kostendeckungsprinzip auf mittlere Frist gesehen tatsächlich realisiert wird bzw. - soweit es um den Ausgleich von Kostenunterdeckungen geht - realisiert werden kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2008 - 2 S 2559/05 - VBlBW 2008, 350). Ausgeglichen werden können danach aber nur Kostenunterdeckungen, die sich erst am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, nicht aber Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Quaas, NVwZ 2007, 757; Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 104)
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
44 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 849,86 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
47 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2013 - 1 K 437/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag.
Der Kläger ist seit 1977 Eigentümer des unbebauten, 841 m² großen Grundstücks FIst.-Nr. 3762/3 der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981, der für das Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. 1982/83 wurde im Zuge der Erschließung des Gebietes die Wasserversorgungsleitung in der vor dem Grundstück des Klägers verlaufenden öffentlichen Straße verlegt. Dabei wurde auch ein „Blindanschluss“ für das Grundstück des Klägers hergestellt.
Die Beklagte hatte die Entgeltzahlungen für die Versorgung mit Trinkwasser seit Mitte der 70er Jahre privatrechtlich geregelt. Am 09.11.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung - WVS -). Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 WVS trat diese Satzung am 01.01.2007 in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 WVS betreibt die Beklagte die Wasserversorgung seither als öffentliche Einrichtung. Nach § 25 WVS erhebt sie zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen einen Wasserversorgungsbeitrag.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 - zugestellt am 20.12.2011 - setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für das Grundstück Flst.-Nr. 3762/3 einen Wasserversorgungsbeitrag in Höhe von 2.222,68 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurück.
Am 15.03.2013 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.09.2013 abgewiesen hat. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Für das veranlagte Grundstück sei die abstrakte Beitragsschuld entstanden. Bei dem Grundstück handele es sich um Bauland, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" liege. Für ein solches Grundstück entstehe die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden könne (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; §§ 36 Abs. 1 Nr. 1, 26 Abs. 2 WVS). Die Anschlussmöglichkeit bestehe hier bereits seit 1982/83. Nach dem Vortrag der Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung in das unbebaute Grundstück gelegt worden, die allerdings verschlossen worden sei (sogenannter Blindanschluss).
Die Entstehung der abstrakten Beitragsschuld setze ferner das Vorliegen einer gültigen Satzung voraus (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG). Auch diese Voraussetzung sei mit Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 erfüllt. Die Beklagte habe mit Erlass dieser Satzung die Beitragspflicht auch mit Wirkung für das Grundstück des Klägers begründen können, obwohl die Anschlussmöglichkeit zu einem Zeitpunkt geschaffen worden sei, als die Beklagte über keine Wasserversorgungssatzung verfügt habe. Das Kommunalabgabengesetz enthalte keine Vorschriften, denen entnommen werden könne, dass anschließbare Baugrundstücke, die die Vorteilslage bereits vor Inkrafttreten der Satzung erhalten hätten, von der Beitragspflicht ausgenommen seien. § 32 Abs. 2 KAG betreffe lediglich Grundstücke, die schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätten angeschlossen werden können, jedoch noch nicht angeschlossen worden seien. Diese Fallkonstellation liege hier jedoch nicht vor, da das Grundstück des Klägers erst 1982/83 die Anschlussmöglichkeit erhalten habe.
Die Beitragsschuld sei auch nicht durch Erfüllung erloschen. Unstreitig sei gegenüber dem Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides für das streitige Grundstück kein Wasserversorgungsbeitragsbescheid ergangen. Der Kläger behaupte lediglich, die Beklagte habe ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses verlangt, das er auch entrichtet habe. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses für das veranlagte Grundstück habe er jedoch keine Nachweise vorgelegt. Demgegenüber habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die Sachkontenblätter der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. Dort seien alle geforderten Baukostenzuschüsse einzeln aufgeführt. Die in den Sachkontenblättern aufgeführten drei Zahlungen des Klägers über 2.000,-- DM (11.06.1982), über 626,-- DM (18.08.1982) und über 451,14 DM (31.12.1982) bezögen sich auf drei Belege, die aber nicht das veranlagte Grundstück beträfen. In den Rechnungsbelegen würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus ziehe die Beklagte zutreffend den Schluss, dass die Zahlungen nur die beiden bebauten Grundstücke des Klägers (FIst.-Nrn. 3792/2 und 3792) betreffen könnten. Dieser Darstellung sei der Kläger nicht mehr entgegengetreten. Unabhängig davon trage er nach allgemeinen Grundsätzen für den Einwand der Erfüllung die materielle Beweislast.
Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO betrage die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginne gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Da die abstrakte Beitragsschuld hier am 01.01.2007 entstanden sei, habe die Festsetzungsfrist am 01.01.2008 begonnen zu laufen und am 31.12.2011 geendet. Diese Frist sei mit Erlass des angefochtenen Wasserversorgungsbeitragsbescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, den der Kläger am 20.12.2011 erhalten habe.
Die Beklagte habe ihr Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags auch nicht verwirkt. Auch dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen sei, berühre die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung nicht. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte Ende 2006 dazu entschlossen habe, die bis dahin praktizierte privatrechtliche Entgeltregelung aufzugeben und künftig zur Finanzierung ihrer öffentlichen Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben zu erheben. Eine solche Umstellung sei von der Organisationsgewalt der Beklagten gedeckt. Es treffe nicht zu, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 privatrechtliche Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger bereits verjährt gewesen seien. Denn der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Anschlussnehmer gewesen. Da sein Grundstück bis heute unbebaut sei, habe es an einer Verbindung des Verteilungsnetzes mit einer Anlage des Klägers gefehlt.
10 
Ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, neben der grundsätzlich maßgeblichen AVBWasserV eigene allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser aufzustellen, könne offen bleiben. Ein zivilrechtlicher Anspruch nach den AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 sei ebenfalls nicht entstanden. Nr. 3.6 der AVB-Wasser sehe zwar vor, dass das städtische Wasserwerk der Beklagten berechtigt sei, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge" für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Alle Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 zur Ermittlung des „Wasserversorgungsbeitrags" ließen jedoch eindeutig erkennen, dass für unbebaute Grundstücke, deren Bebauung auch nicht unmittelbar bevorstehe, das Entgelt nicht berechnet werden könne. Alle Bestimmungen stellten nämlich auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück ab.
11 
Entgegen der Auffassung des Klägers folge auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) nicht, dass die Beitragserhebung im vorliegenden Fall rechtswidrig sei. Allein die Tatsache, dass zwischen der Verschaffung der Vorteilslage und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag hier nahezu 30 Jahre verstrichen seien, könne die Rechtswidrigkeit nicht begründen. Der Kläger habe 1982/83 durch die Anschlussmöglichkeit einen dauerhaften Vorteil erhalten. Diese Vorteilslage dauere bis heute an. Sie ermögliche es dem Kläger, sein Grundstück baulich zu nutzen. Dass er bis zum Erlass der Wasserversorgungssatzung keinen privatrechtlichen Baukostenzuschuss zu entrichten gehabt habe, liege allein daran, dass er von der Anschlussmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Es sei für ihn nach den Bestimmungen der AVBWasserV ohne weiteres erkennbar gewesen, dass er einen Baukostenzuschuss zu entrichten habe, sobald er auf seinem Grundstück eine Anlage errichte und diese mit dem öffentlichen Versorgungsnetz verbinde. Dies gelte umso mehr, als er für seine beiden bebauten Grundstücke im Jahr 1982 derartige Baukostenzuschüsse entrichtet habe.
12 
Der Kläger hat am 11.11.2013 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet: Für sein Grundstück bestehe seit dem Jahr 1982 eine Anschlussmöglichkeit. Die Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 sei ohne Rückwirkung am 01.01.2007 in Kraft getreten. Deshalb falle der Tatbestand der Anschlussmöglichkeit nicht in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Satzung. Damit sei die sachliche Beitragsschuld auf der Grundlage dieser Satzung nicht entstanden. Es liege ein bereits abgeschlossener Sachverhalt vor, denn die Vorteilslage für sein Grundstück sei bereits 1982/1983 entstanden. Damals sei die Versorgung mit Trinkwasser privatrechtlich geregelt gewesen. Nach Nr. 3.6 AVB-Wasser der Beklagten sei diese berechtigt gewesen, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten Wasserversorgungsbeiträge für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Daraus folge, dass die sachliche Beitragsschuld hier 1982/1983 entstanden sei. Die Beitragshöhe habe sich nach der maximalen Nutzungsmöglichkeit gerichtet. Seiner Erinnerung nach sei die Beitragsschuld auch beglichen worden. Entsprechende Belege seien nach nunmehr 30 Jahren bei ihm jedoch nicht mehr auffindbar. Die Beweislast liege bei der Beklagten. Aus dem Gesamtzusammenhang gehe hervor, dass zwischen ihm und der Beklagten ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis bestanden habe. Da die Beklagte einen Anschluss tatsächlich hergestellt habe, sei davon auszugehen, dass auch ein entsprechender Antrag gestellt und ein Vertragsverhältnis - jedenfalls durch konkludente Handlungen - begründet worden sei. Andernfalls hätte die Beklagte das Grundstück zur Herstellung des Grundstücksanschlusses zu Unrecht betreten.
13 
Selbst wenn man davon ausgehe, dass 1982/1983 die entstandene Beitragsschuld weder festgesetzt noch gezahlt worden sei, sei diese Schuld inzwischen veranlagungsverjährt. Er verweise auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Danach sei für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden könnten, verfassungsrechtlich geboten. Hier liege der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung, nämlich der tatsächliche Anschluss, 30 Jahre zurück. Die Auffassung der Beklagten würde es ermöglichen, den Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze unendlich hinauszuschieben. Damit würde der Interessenkonflikt einseitig zu Lasten der Abgabenschuldner gelöst. Die Verjährung könne nämlich unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen. Die sachliche Beitragspflicht sei hier im zeitlichen Geltungsbereich der AVB-Wasser im Jahr 1982 entstanden. Eine erneute Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nach Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung scheide bereits im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung aus.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.09.2013 - 1 K 437/13 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 aufzuheben,
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie führt zur Begründung aus: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Gemäß § 32 Abs. 1 KAG entstehe die Beitragsschuld, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Beide Voraussetzungen müssten gleichzeitig vorliegen. Die Wasserversorgungssatzung der Beklagten sei am 01.01.2007 in Kraft getreten. Vor Inkrafttreten der Satzung sei das Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet gewesen. Gemäß § 9 AVB-WasserV sei das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuss zu verlangen. Ziffer 3.6 AVB-Wasser i.V. mit Ziffer 1 der Anlage 2 konkretisiere die Höhe des Baukostenzuschusses. Daraus ergebe sich, dass Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragsschuld damals stets gewesen sei, dass das maßgebliche Grundstück tatsächlich an die Versorgungsleitungen angeschlossen gewesen sei. Dies sei beim Grundstück des Klägers nicht der Fall gewesen. Es gebe keine Unterlagen über einen Anschluss des Grundstücks oder einen bezahlten Baukostenzuschuss. Von einem tatsächlichen Anschluss könne erst ausgegangen werden, wenn das Grundstück über eine Hausanschlussleitung dauerhaft und betriebsfertig verbunden sei. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Anschluss verschlossen worden sei. Das Grundstück des Klägers besitze lediglich einen solchen „Blindanschluss“. Der Hinweis des Klägers auf die Regelung unter Ziffer 3.6 AVB-Wasser bleibe ohne Erfolg. Die Möglichkeit einer Heranziehung vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten habe damals nur bestehen können, wenn die Anschlussarbeiten zeitnah erfolgten, also konkret geplant seien. Bis zum Inkrafttreten der Versorgungssatzung habe es an den rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Beteiligung des Klägers an den Kosten für die Errichtung der sein Grundstück unstreitig erschließenden Wasserversorgungsleitungen gefehlt. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu einer teilweisen Kostentragung herangezogen zu werden.
19 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte unter dem 17./18.02.2014 mitgeteilt: Auch nach nochmaliger Überprüfung sei weder ein Antrag noch eine entsprechende Annahmeerklärung auffindbar. Anträge auf Wasserversorgung aus dem Zeitraum 1982/83 seien größtenteils nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist entsorgt worden. Die Erschließung eines Baugebiets mit der Hauptleitung und den Grundstücksanschlüssen im öffentlichen Straßenraum („Blindanschlüsse“) erfolge im Vorfeld unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung. Um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, würden die Grundstücksanschlüsse häufig - wie auch im vorliegenden Fall - in das Privatgrundstück hinein verlängert. Bei einer geplanten Bebauung stelle der Eigentümer einen Antrag auf Anschluss an die Wasserversorgung. Wenn ein Vertragsverhältnis bestehe, installiere die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung. Nach den von dem Kläger vorgelegten Fotografien habe sich hier auf dem Anschluss noch die Endkappe (ohne Entnahmemöglichkeit) befunden. Vergleichbare (Blind-) Anschlüsse seien in vergleichbaren Fällen routinemäßig hergestellt worden.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
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cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Abwassergebühren

2

Nach § 2 der „zentralen Abwassergebührensatzung Gebiet 1“ des Beklagten vom 18. Januar 2011 in der Gestalt der 2. Änderungssatzung vom 26. März 2013 (AGS 1) erhebt der Beklagte für die Inanspruchnahme der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen Abwassergebühren für die Grundstücke, die an diese öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen angeschlossen sind oder in diese entwässern. Die Gebühr wird für die Beseitigung von Abwasser berechnet, getrennt nach Grundgebühr und Mengengebühr (§ 3 Satz 1 AGS 1). Die Mengengebühr für die Schmutzwasserentsorgung wird nach der Abwassermenge bemessen, die in die öffentliche Abwasseranlage gelangt (§ 3 Satz 2 AGS 1). Als in die öffentliche Schmutzwasseranlage gelangt gilt u. a. die dem Grundstück aus öffentlichen Wasserversorgungsanlagen zugeführte und durch Wasserzähler ermittelte Wassermenge (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AGS 1). § 3 AGS 1 Abs. 4 und 5 lautet auszugsweise wie folgt:

3

„(4) Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage gelangt sind, werden abgesetzt. Dass bestimmte Wassermengen nicht in die öffentliche Abwasseranlage gelangt sind, ist durch Wasserzähler nachzuweisen. […]

4

(5) Wassermengen, die durch Wasserrohrbrüche nicht in die zentrale öffentliche Abwasserentsorgungsanlage gelangt sind, werden auf Antrag, der spätestens einen Monat nach dem Ereignis und der Möglichkeit der Kenntnisnahme zu stellen ist, abgesetzt. Bei der in diesem Absatz ausgestalteten Monatsfrist handelt es sich um eine Ausschlussfrist, das heißt, Anträge, die nach der Monatsfrist beim Verband eingehen, werden nicht berücksichtigt. Die anzusetzende Wassermenge wird unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Trinkwasserverbrauchs im Verbandsgebiet und unter Berücksichtigung der auf dem Grundstück am 30.06. des Vorjahres amtlich gemeldeten Personen oder begründeten Angaben des Gebühren-schuldners geschätzt.“ […]

5

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks E-Straße11b in D-Stadt. Mit Bescheid vom 5. Februar 2014 setzte der Beklagte für das Grundstück des Klägers für das Jahr 2013 - unstreitige - Grundgebühren i. H. v. 49,08 € sowie Mengengebühren i. H. v. 3.227,14 € fest. Der Beklagte ging dabei von einem Wasserverbrauch von 1.813 m³ und einem Gebührensatz von 1,78 €/m³ aus.

6

Mit Schreiben vom 11. Februar 2014 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, der hohe Wasserverbrauch sei auf einen Wasserrohrbruch in der Hauptleitung zurückzuführen, der am 16. Oktober 2013 entdeckt und repariert worden sei. In der Folgezeit habe sich anhand regelmäßigen Ablesens der Wasseruhr ein durchschnittlicher täglicher Wasserverbrauch von 0,4166 m³ ergeben, der der Gebührenberechnung für 2013 zugrunde zu legen sei.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung hieß es, im Kalenderjahr 2013 seien dem Grundstück des Klägers 1.813 m³ Trinkwasser zugeführt worden. Die Voraussetzungen für die Absetzung von Wassermengen, die infolge von Wasserrohrbrüchen nicht in die öffentliche Abwassereinrichtung abgeleitet werden, seien nicht erfüllt, da der Kläger innerhalb der maßgeblichen Frist keinen Antrag eingereicht habe.

8

Mit der am 12. Juni 2014 erhobenen Klage hat der Kläger sein Widerspruchsvorbringen aufrechterhalten und ergänzend geltend gemacht, dass der Antrag auf Absetzung der Abwassermenge fristgemäß gestellt worden sei. Die nach § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 maßgebliche Kenntnis der anzusetzenden Wassermenge habe der Kläger erst durch den angefochtenen Abwasserbescheid erlangt.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 2014 insoweit aufzuheben, als damit Benutzungsgebühren von mehr als 331,95 € festgesetzt wurden.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er verteidigte die angefochtenen Bescheide. Ergänzend führte er aus, das die Antragsfrist gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 auslösende Ereignis sei nicht die Kenntnis der anzusetzenden Wassermenge, sondern der Wasserrohrbruch. Die Monatsfrist sei damit bereits am 16. Oktober 2013 in Gang gesetzt worden.

14

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 2014 aufgehoben, soweit darin Benutzungsgebühren von mehr als 404,46 € festgesetzt werden, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Beklagte könne sich auf die in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 geregelte Monatsfrist nicht berufen. Die Vorschrift sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Zwar habe die Rechtsprechung die Einführung von Fristen für die Geltendmachung von nicht in die Abwasseranlage gelangten Wassermengen jedenfalls in den Fällen gebilligt, in denen der Grundstückseigentümer Wassermengen bewusst nicht wieder der Abwasseranlage zugeführt hat. Die sachliche Rechtfertigung für die Absetzungsfrist bestehe in diesen Fällen allein in dem Umstand, dass diese Wassermengen bereits bei der Festsetzung der Abwassergebühr Berücksichtigung finden sollten. Dazu sei es jedoch nicht zwingend erforderlich, eine Frist von einem Monat nach Ereignis und Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Wasserrohrbruch einzuführen, wie dies in § 3 Abs. 5 AGS 1 vorgesehen sei. Selbst wenn man wie der Beklagte die Rechtfertigung für die Absetzungsfrist in einer möglichst zeitnahen Feststellung des Zählerstandes sehe, um illegale Wasserentnahmen und Zuführungen zur Abwasseranlage auszuschließen, so finde dies weder im Gebührenrecht noch in der konkreten satzungsrechtlichen Ausgestaltung seine Entsprechung. Das Abwassergebührenrecht lebe sowohl bei der Feststellung der eingeleiteten Abwassermengen als auch bei der Bemessung von Gebühren von Näherungen, weshalb singuläre Wasserrohrbrüche keine hinreichende Veranlassung für Sonderregelungen wie § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 böten. Darüber hinaus fehle der Regelung die Folgerichtigkeit, weil sie keine Schätzung der tatsächlich zugeführten und durch den Wasserzähler gemessenen Wassermenge zulasse. Sie knüpfe an den durchschnittlichen Trinkwasserverbrauch im Verbandsgebiet an. Soweit die Vorschrift die Schätzung auch aufgrund der begründeten Angaben des Gebührenschuldners zulasse, dürfte dies nicht den Stand des Wasserzählers betreffen. Finde § 3 Abs. 5 AGS 1 nach alldem bei der hier streitigen Gebührenfestsetzung keine Anwendung, sei die zu berücksichtigende Wassermenge unter Zugrundelegung des Verbrauchs bzw. der Einleitmenge des Vorjahres unter Berücksichtigung der begründeten Angaben des Gebührenpflichtigen zu schätzen, woraus sich für das Jahr 2013 die im Tenor festgehaltene Höhe der Benutzungsgebühren ergebe.

15

Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 16. August 2016 zugelassen.

16

Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, die in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 geregelte Monatsfrist sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die damit bezweckte zeitnahe Feststellung des Wasserzählerstandes diene dazu, den einer Schätzung zu unterwerfenden Zeitraum möglichst kurz zu halten und damit zu beschränken, sodass für den künftigen Zeitraum wieder auf Ablesewerte abgestellt werden könne. Auch schließe § 3 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 AGS 1 die Berücksichtigung des Wasserzählerstandes bei der Schätzung der anzusetzenden Wassermenge nicht aus.

17

Der Beklagte beantragt,

18

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 27. August 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.

19

Der Kläger beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

II.

23

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung gemäß § 130a VwGO durch Beschluss, weil er sie einstimmig für begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Das Verfahren wirft weder in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf noch bestehen erhebliche Unklarheiten in tatsächlicher Hinsicht.

24

Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

25

Die Regelung des Gebührenmaßstabes in § 3 AGS 1 begegnet keinen Bedenken. Der vom Beklagten gewählte Frischwassermaßstab ist als zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Schmutzwassermenge anerkannt, sofern die Satzung - wie hier - vorsieht, dass nachweislich der Abwasseranlage nicht zugeführte Mengen in Abzug gebracht werden. Der Nachweis dieser Mengen kann dem Gebührenpflichtigen auferlegt werden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2012 - 9 A 2799/10 -, juris, Rn. 9; Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 382 ff. ; Quaas, KStZ 2000, S. 181 <191>).

26

Die Regelung über den Frischwassermaßstab in § 3 AGS 1 wurde vom Beklagten auch zutreffend angewandt. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die in dem angegriffenen Bescheid zu Grunde gelegte Wassermenge von 1.813 m³ der seinem Grundstück aus öffentlichen Wasserversorgungsanlagen zugeführten und durch Wasserzähler ermittelten Wassermenge entspricht. Damit ist grundsätzlich eine Mengengebühr i. H. v. 3.227,14 € (1.813 m³ x 1,78 €/m³) entstanden. Zusammen mit der hier unstreitigen Grundgebühr i. H. v. 49,08 € ergeben sich für den Abrechnungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis zu 31. Dezember 2013 danach Abwassergebühren i. H. v. 3.276,22 €.

27

Ein Anspruch auf Absetzung von Wassermengen scheitert vorliegend daran, dass der Kläger die hierfür satzungsrechtlich vorgesehene Antragsfrist versäumt hat. Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 werden Wassermengen, die durch Wasserrohrbrüche nicht in die zentrale öffentliche Abwasserentsorgungsanlage gelangt sind, auf Antrag, der spätestens einen Monat nach dem Ereignis und der Möglichkeit der Kenntnisnahme zu stellen ist, abgesetzt. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist (§ 3 Abs. 5 Satz 2 AGS 1). Sie beginnt mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme des Wasserrohrbruchs. Nach Angaben des Klägers wurde der Wasserrohrbruch am 16. Oktober 2013 entdeckt, womit die Monatsfrist (spätestens) in diesem Zeitpunkt zu laufen begann. Das Widerspruchsschreiben vom 11. Februar 2014, mit dem der Wasserrohrbruch dem Beklagten erstmalig angezeigt wurde, liegt jenseits der Antragsfrist.

28

Die Bestimmung der Ausschlussfrist von einem Monat ab Kenntnisnahmemöglichkeit des Wasserrohrbruchs ist vom Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG-LSA gedeckt (allgemein zum Gestaltungsspielraum im Abgabenrecht z. B. OVG LSA, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 4 L 137/09 -, juris, Rn. 11). Während sonstige, nicht in die öffentliche Abwasseranlage gelangte Wassermengen nur abgesetzt werden, sofern sie durch Wasserzähler nachgewiesen sind (§ 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AGS 1), wird bei einem Wasserrohrbruch die abzusetzende Wassermenge nach den Maßgaben von § 3 Abs. 5 Satz 3 AGS 1 geschätzt. In diesem Fall ist es grundsätzlich sachgerecht und angemessen, Absetzungsanträge zu befristen, damit der Beklagte das Vorliegen eines Rohrbruchs sowie ggf. die Angaben des Gebührenschuldners zu der anzusetzenden Wassermenge (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 3 AGS 1) zeitnah überprüfen kann. Der Satzungsgeber ist nicht verpflichtet, die Möglichkeit der Absetzung zeitlich unbeschränkt zu gewähren, sondern kann die Absetzung von einer fristgemäßen Antragstellung abhängig machen, um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Hierbei ist es dem Gebührenschuldner ohne weiteres zumutbar, innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden oder Möglichkeit der Kenntnisnahme des Wasserrohrbuchs einen Absetzungsantrag zu stellen (vgl. VG Halle, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 A 75/02 -, juris, Rn. 24; bestätigt durch OVG LSA, Beschluss vom 24. August 2005 - 4 L 170/05 -, n.v.; vgl. auch VG Dessau, Urteil vom 12. August 2005 - 1 A 329/04 -, juris, Rn. 23 ).

29

Soweit das Verwaltungsgericht dagegen einwendet, das Abwassergebührenrecht lebe sowohl bei der Feststellung der eingeleiteten Abwassermengen als auch bei der Bemessung der Gebühren von Näherungen, weshalb singuläre Wasserrohrbrüche keine hinreichende Veranlassung geben dürften, Sonderregelungen wie in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 einzuführen, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Ungenauigkeiten hinsichtlich der Gebührenbemessung in Folge der Verwendung des Frischwassermaßstabs sind nur hinzunehmen, sofern sie unvermeidbar sind (vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2012 - 9 A 2646/11 -, juris, Rn. 69). Die in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 vorgesehene Absetzungsfrist dient gerade dem Zweck, Unklarheiten über die tatsächlich eingeleitete und deshalb anzusetzende Wassermenge möglichst zu begrenzen und ist hierfür auch geeignet.

30

Der Regelung in § 3 Abs. 5 Satz 3 AGS 1 mangelt es nicht an Folgerichtigkeit. Danach erfolgt die Schätzung der anzusetzenden Wassermenge entweder unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Grundwasserverbrauchs im Verbandsgebiet und unter Berücksichtigung der auf dem Grundstück am 30.06. des Vorjahres amtlich gemeldeten Personen (§ 3 Abs. 5 Satz 3 Alt. 1 AGS 1) oder der begründeten Angaben des Gebührenschuldners (§ 3 Abs. 5 Satz 3 Alt. 2 AGS 1). Hierunter sind nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung alle Angaben zu verstehen, die dem Beklagten eine zuverlässige Schätzung der anzusetzenden Wassermenge ermöglichen. Die begründeten Angaben des Gebührenschuldners können dabei sowohl auf einer besonderen Messeinrichtung (Abwassermesser) beruhen, wie es § 3 Abs. 4 Satz 2 AGS 1 für den Nachweis sonstiger abzusetzender Wassermengen vorsieht, als auch auf sonstigen nachprüfbaren Unterlagen, aus denen sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, welche Wassermengen aus welchem Grund und in welcher Höhe der öffentlichen Abwassereinrichtung nicht zugeleitet wurden (vgl. Queitsch, KStZ 2006, S. 81 <81 f.>). Hierzu zählt auch die - vom Beklagten nachprüfbare - Mitteilung des Wasserzählerstandes.

31

Die vom Kläger darüber hinaus erhobenen Einwände gegen die Fristregelung in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 greifen ebenfalls nicht durch. Insbesondere ist die Regelung nicht so zu verstehen, dass die absetzbare Wassermenge innerhalb der Monatsfrist (genau) bezeichnet werden muss. Vielmehr ist - wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend ausführt - lediglich der Absetzungsantrag innerhalb der Monatsfrist zu stellen. Der Senat nimmt hierfür zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug (§ 130b Satz 2 VwGO). Damit ist zugleich dem weiteren Einwand des Klägers die Grundlage entzogen, er habe gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 AGS 1 die Schätzung des Beklagten unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Trinkwasserverbrauchs im Verbandsgebiet abwarten dürfen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

34

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. März 2006 - 11 K 4971/04 - teilweise geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags durch die Beklagte, von dem in den Jahren 2001 und 2002 für seinen Metzgereibetrieb bezogenen Frischwasser 25 % bzw. 20 % als nicht eingeleitete Abwassermenge abzusetzen.
Der Kläger betreibt auf seinem auch zu Wohnzwecken genutzten Grundstück im Gebiet der Beklagten eine Metzgerei. Mit Schreiben vom 5.4.2002 beantragte er, bei der Bemessung der Gebühr von der Abwassermenge, die jährlich auf den Betrieb entfalle, eine Wassermenge von 25 % abzusetzen. Diesen auch für das Folgejahr wiederholten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 24.5.2002 und 29.4.2003 ab. Den hiergegen jeweils eingelegten Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Rems-Murr-Kreis durch Widerspruchsbescheid vom 8.5.2003 zurück.
Am 22.5.2003 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und unter Hinweis auf verschiedene, von ihm im Verfahren vorgelegte Stellungnahmen vorgetragen, er habe - wie satzungsrechtlich gefordert - die auf seinen Betrieb entfallenden Absatzmengen nachgewiesen.
Dem Antrag des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 24.5.2002 und vom 9.4.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 8.5.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei der Berechnung der Abwassergebühr für die Jahre 2001 und 2002 jeweils eine Wassermenge von 140 m³ abzusetzen, ist die Beklagte entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe den geforderten Nachweis über nicht eingeleitete Wassermengen nicht erbracht, da die vorgelegten Gutachten zu pauschal seien. Auch fehle es an Anhaltspunkten für einen pauschalen Abzug solcher Wassermengen bei Betrieben wie dem des Klägers.
Durch Urteil vom 21.3.2006 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger bei der Bemessung seiner Abwassergebühr für das Jahr 2001 die Absetzung einer Wassermenge von 42 m³ und für das Jahr 2002 die Absetzung einer Wassermenge von 42,8 m³ zu gewähren; soweit die Bescheide der Beklagten vom 24.5.2002 und vom 9.4.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 8.5.2003 dem entgegenstehen, hat sie das Verwaltungsgericht aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen dargelegt, dass ein Nachholen des Nachweises nicht eingeleiteter Wassermengen nach Ablauf der satzungsrechtlich vorgesehenen Antragsfrist zulässig sei. Dieser Nachweis verbiete zwar eine Schätzung, für seine Erfüllung dürfe jedoch - entsprechend den Anforderungen an den Gebührenmaßstab - ein „Wirklichkeitsmaßstab“ nicht gefordert werden. Bestimme eine satzungsrechtliche Regelung - wie hier - zur Inanspruchnahme einer Vergünstigungsregelung einen „Nachweis“, so sei dieser demnach erbracht, wenn der Abgabenschuldner konkrete Umstände dartun könne, die aller Wahrscheinlichkeit nach und nach menschlichem Ermessen dazu führten, dass der normative Ermäßigungstatbestand einer solchen Vergünstigungsregelung erfüllt sei. In diesem Sinne nachgewiesen sei die im Tenor bezeichnete Wassermenge. Sie ergebe sich unter Berücksichtigung der im Betrieb des Klägers bei der Wurstherstellung verarbeiteten Frischfleischmenge, die nach einem für Fleischerfachgeschäfte erstellten Gutachten eines Fachinstituts für Fleischforschung als Berechnungsgrundlage dienen könne. Nachgewiesen im dargestellten Sinn sei auch die Wassermenge, die im Rahmen der Wurstherstellung durch den verwendeten Wasserdampfkochschrank verdunste. Zwar sei diese Menge im Rahmen einer Ablesung für den Zeitraum April 2004 bis April 2005 festgestellt worden; sie sei nach dem „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ aber auch für die streitigen Jahre zugrunde zu legen. Auch die im Rahmen der Nassreinigung der Produktionsflächen verdunsteten Mengen seien nachgewiesen. Denn insoweit bestehe ein Gutachten für einen dritten Metzgereibetrieb. Nicht nachgewiesen seien indes die vom Kläger im Übrigen angeführten Wassermengen zur Fertigung von Sülzen, Suppen und Soßen und für die Schinkenproduktion. Insoweit fehle es an einer nachvollziehbaren Angabe zu Mengen und Produktionsverfahren. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die nachgewiesenen und daher abzusetzenden Wassermengen nicht mehr um die in § 40 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Beklagten festgelegte, von einer Absetzung auszunehmenden Menge von 20 m³ pro Jahr zu verringern. Es führe zu einem von dem Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität nicht mehr geforderten Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, versage man dem Kläger trotz des Nachweises nicht eingeleiteter Wassermengen deren uneingeschränkte Absetzung. Auch trete eine eigentlich der Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts widersprechende Anhebung der Bagatellgrenze für die Absetzung ein. Nicht zuletzt sei mit der Beschränkung der abzusetzenden Wassermenge auch eine Ungleichbehandlung des Betroffenen gegenüber den anderen Gebührenschuldnern verbunden.
Gegen das ihr am 13.4.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.5. 2006 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen darauf abhebt, dass der nach der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.11.1999 i.d.F. vom 7.12.2000 - AbwS - erforderliche Antrag des Klägers nicht rechtzeitig gestellt sei. Denn in ihm sei die abzusetzende Menge nicht innerhalb der Frist des § 40 Abs. 4 AbwS bezeichnet worden. Die Bestimmung stelle jedoch eine auch die Begründung umfassende Ausschlussfrist dar. Auch wenn man dem nicht folge, müsse die Klage abgewiesen werden. Denn der satzungsrechtlich geforderte Nachweis über nicht eingeleitete Abwassermengen sei vom Kläger nicht geführt. Aus der Berechnung vom 28.4.2005 über Wassermengen, die nicht als Abwasser eingeleitet worden seien, lasse sich der geforderte Nachweis nicht herleiten. So sei dort eine Nassreinigungsfläche mit 273 m² zugrunde gelegt, während der Kläger selbst im Schriftsatz vom 11.3.2004 die Fläche der „Wurstküche“ mit 50 m² angebe. Der von ihm betriebene Dampfkochschrank verbrauche nach Angaben des Klägers 4,8 m³, während eine konkrete Messung 25 m³ Wasserverbrauch ergeben habe. Diese Feststellung sei jedoch 2005 erfolgt und könne auf die Jahre 2001 und 2002, um die es hier gehe, nicht übertragen werden. Auch sei ein Nachweis darüber nicht erbracht, welche der nachweislich bezogenen Fleischmengen im Betrieb des Klägers zu Wurst verarbeitet worden seien. Die Zahlen in der vorgelegten Berechnung vom 28.4.2005 seien insoweit deutlich anders als die zuvor vom Kläger angegebenen. Zur Klimaanlage habe der Kläger entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nur ein Gutachten zu einem Drittgerät vorgelegt. Nicht vorgetragen oder erkennbar sei, warum dieses Fremdgutachten auf das vom Kläger verwendete Gerät übertragbar sei. Dass im Übrigen die satzungsrechtlich festgelegte Grenze für eine Absetzung von Wassermengen hier nicht zu beachten sei, widerspreche entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts dem Gleichbehandlungsgebot.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.3.2006 -11 K 4971/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt die angefochtene gerichtliche Entscheidung und hebt hervor, dass er seiner Nachweispflicht im Einzelnen nachgekommen und insbesondere der Ansicht des Verwaltungsgerichts zu folgen sei, eine Anwendung der satzungsrechtlichen Bagatellgrenze komme nicht in Betracht.
13 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten der Beklagten und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf sie und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
14 
Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, da er das Rechtsmittel einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Beide Beteiligte sind dazu gehört worden (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
15 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der zulässigen Verpflichtungsklage des Klägers auch nicht teilweise stattgeben dürfen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 24.5.2002 und vom 9.4.2003 (in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8.5.2003), mit denen eine Absetzung von Wassermengen bei der Abwassergebührenbemessung abgelehnt worden ist, sind rechtmäßig und verletzen daher den Kläger nicht in seinen Rechten Zwar folgt dies nicht bereits daraus, dass der Kläger die Nachweisfrist nicht eingehalten hätte (dazu 1.). Indes hat der Kläger materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Absetzung der von ihm geltend gemachten Wassermengen bei der Berechnung der Abwassergebühr für die jeweiligen Jahre (dazu unten 2.; zum Ganzen vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
16 
1. Ein Anspruch auf Absetzung von Wassermengen scheitert entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits daran, dass der Kläger die hierfür satzungsrechtlich vorgesehene Antragsfrist versäumt haben könnte.
17 
Nach § 40 Abs. 1 der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.11.1999 i.d.F. vom 7.12.2000 - AbwS - werden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet wurden, auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühr abgesetzt; von der Absetzung ausgenommen ist eine Wassermenge von 20 m³/Jahr. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung sind Anträge auf Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Gebührenbescheids zu stellen. Diese Antragsfrist ist als Ausschlussfrist zu sehen (vgl. auch Senat, Urteil vom 22.8.1988 - 2 S 424/87 -, BWGZ 1989, 88, 89). Indes umfasst dieses Verständnis der Frist nicht zugleich auch die Forderung, innerhalb der genannten Frist müsse die absetzbare Wassermenge auch (genau) bezeichnet sein (davon geht ohne nähere Darlegung der Senat im genannten Urteil vom 22.8.1988, a.a.O. S. 89 aus). Diese Forderung ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend betont - in der Satzung nicht angelegt, die lediglich den Antrag an die in § 40 Abs. 4 normativ festgelegte Monatsfrist bindet. Sie ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht (dazu Senat, Urteil vom 14.11.2005 - 2 S 1884/03 -; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. A., § 22 RdNr. 35, je m.w.N.). Eine über die genannte Wirkung hinausgehende „formelle Präklusion“, die sich auf die Begründung des Antrags beziehen könnte, müsste insbesondere gesetzlich festgelegt und auch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sein (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 31 RdNr. 6 ff, m.w.N.). Für eine satzungsrechtliche oder sonstige normative Festlegung finden sich keine Anhaltspunkte, insbesondere bietet der Wortlaut der satzungsrechtlichen Bestimmung hierfür keinen Ansatz. Auch deren entsprechende Auslegung scheidet aus.
18 
Insbesondere die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Präklusion würde auch - ohne dass dies hier abschließend zu entscheiden ist - die Frage nach der Abgabengerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) aufwerfen. Ferner ist nicht festzustellen, dass die Forderung einer Monatsfrist auch für die Antragsbegründung von der Sache her geboten sein könnte. Zwar wird, wie § 40 Abs. 2 AbwS für landwirtschaftliche Betriebe verdeutlicht, im Regelfall der Mengennachweis durch einen Wasserzähler und damit „fristgerecht“ erbracht werden können. Die Satzung sieht aber auch eine „Ermittlung“ nach Tiereinheiten vor (§ 40 Abs. 3 AbwS), mithin also eine Festlegung der Abwassermenge auf Grund von gesicherten Erfahrungswerten. Jedenfalls mit Blick auf diese satzungsrechtliche Festlegung ist der Rückgriff auf solche Umstände erforderlich, die sich in dem dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Zeitraum ergeben haben und bei denen es in der Natur der Sache liegt, dass zwar die genannte Monatsfrist für den Antrag auf Absetzung selbst, nicht jedoch auch für dessen Begründung eingehalten werden kann. Nicht streitig ist im Übrigen, dass der Kläger seinen Absetzungsantrag jeweils innerhalb der Monatsfrist gestellt hat.
19 
2. Der Anspruch auf eine Absetzung von Wassermengen, wie er hier noch Gegenstand des Verfahrens ist, ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts aus Rechtsgründen nicht gegeben.
20 
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Beklagten gilt in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum als angefallene Abwassermenge die dem Grundstück aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge. Dass nachweisbar nicht der Abwassereinrichtung zugeleitete Mengen an Frischwasser bei der Bemessung der Abwassergebühr abgesetzt werden dürfen, ist in der Rechtsprechung und in der Literatur allgemein anerkannt (vgl. dazu Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 2005, § 6 RdNrn. 382 ff.; Queitsch, KStZ 2006, 81, je m.w.N.) und wird hier auch durch die o. a. satzungsrechtliche Regelung des § 40 Abs. 1 der Satzung bestätigt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Zusammenhang, der sich bei dem der Abwassergebühr zugrunde gelegten Frischwassermaßstab und der eingeleiteten Abwassermenge ergibt, dann nicht mehr besteht, wenn erhebliche Mengen an Abwasser nachweislich nicht in die Entsorgungseinrichtung eingeleitet werden. Im Rahmen der Gebührenbemessung für die Abwasserentsorgung dürfen daher Abwassermengen zumindest in den Fällen abgesetzt werden, in denen eine gewisse Bagatellgrenze überschritten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.4.1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317; Beschluss vom 28.3.1995 - 8 N 3.93 -, BWGZ 1995, 511; ferner Senat, Urteil vom 10.7.1979 - II 1096/78 -, KStZ 1980, 93 auch zur Frage, ob eine sachlich unbillige Härte bei Nichterreichen einer satzungsrechtlich festgelegten Bagatellgrenze gegeben ist).
21 
Der Satzungsgeber darf eine solche Absetzung von nicht eingeleiteten Wassermengen von einem Nachweis abhängig machen und diesen Nachweis dem Nutzer (Gebührenschuldner) auferlegen (zur Zulässigkeit einer entsprechenden Regelung s. BVerwG, Urteil vom 14.4.1967 - VII C 15.65 - , a.a.O.; Beschluss vom 28.3.1995, a.a.O.; Senat, Urteil vom 24.7.2003 - 2 S 2700/01 -BWGZ 2003, 810; ferner Schulte/Wiesemann, a.a.O., RdNr. 387 m.w.N.; Queitsch, a.a.O., 81 m.w.N. in FN 4). Ob dabei - wie das Verwaltungsgericht dies vertritt - die Anforderung an die Nachweispflicht mit dem für die Bemessung der Gebühr nach dem Frischwasserverbrauch maßgeblichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab in Beziehung zu setzen ist, wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn von einer - hier nicht eröffneten - Schätzungsbefugnis des Betroffenen oder der Gemeinde ausgegangen werden könnte. Dies kann hier indes offen bleiben. Berücksichtigt man, dass die Frage nach dem Maßstab für eine Gebühr nicht gleichzusetzen ist mit der nach der Verbrauchsmenge, für die dem Nutzer durch den geforderten Nachweis eine Art "Beweislast" (dazu Queitsch a.a.O., m.w.N. in FN 4) zugeordnet wird, ist ein inhaltlicher Zusammenhang, wie ihn das Verwaltungsgericht bejaht, nicht ohne weiteres vorhanden. Vielmehr ist aus der satzungsrechtlichen Vorgabe, dass der Nachweis über eine Abzugsmenge erfolgen muss, auf einen Wirklichkeitsmaßstab zu schließen, d.h. nachzuweisen ist die tatsächlich nicht eingeleitete Frischwassermenge. Ist - und dies wie dargelegt in zulässiger Weise - satzungsrechtlich und damit normativ eine Nachweispflicht festgelegt, ergeben sich die Anforderungen an deren Erfüllung aus ihrem Charakter als Beweislastregel, ihrer satzungsrechtlichen Normierung und letztlich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach fordert der Nachweis - soweit nicht ohnehin technische Messeinrichtungen satzungsrechtlich vorgegeben sind - das Ausschöpfen aller dem Betroffenen zumutbaren Darlegungs- und Substantiierungsmöglichkeiten. Eine eigene Ermittlung der Abzugsmenge durch die Gemeinde ist regelmäßig nicht geboten; sie darf bei Fehlen des Nachweises von der dem Grundstück zugeführten Frischwassermenge ausgehen. Zu rechtfertigen ist dies mit Blick darauf, dass die nachzuweisenden Umstände auf eine besondere, einzelfallbezogene Befreiung von der Gebühr abzielen und sie ihre Grundlagen ausschließlich im Bereich des Betroffenen finden.
22 
Regelmäßig wird dieser Nachweis mittels eines gesonderten Wasserzählers ermöglicht, wie es die Satzung der Beklagten auch in ihrem § 40 Abs. 2 vorsieht. Anerkannt ist allerdings auch, den Nachweis - wie dargelegt - durch geeignete Unterlagen zu führen, die der Gemeinde eine nachvollziehbare Grundlage zur Bestimmung der nicht eingeleiteten Abwassermenge verschaffen können. Der Nachweis ist schließlich auch anhand allgemeiner Erfahrungswerte zulässig (dazu Schulte/Wiesemann, a.a.O., RdNr. 385; Queitsch a.a.O., S. 82; Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Bad.-Württ., 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 9 ff., je m.w.N.). Die hier in Rede stehenden Abzugsmengen für die streitigen Jahre sind vom Kläger nicht durch ein Zählwerk gemessen und nachgewiesen worden. Entgegen seiner Ansicht können auch die von ihm unterbreiteten Unterlagen nicht als "Nachweis" durch Rückgriff auf allgemeine Erfahrungswerte beurteilt werden.
23 
Solche Erfahrungswerte haben sich zwar bei einzelnen Benutzergruppen bzw. Betriebsarten infolge langjähriger Erfahrung in Form von Durchschnittswerten oder Rahmenwerten herausgebildet. Sie kommen dann, wenn sie sich auf genau nachprüfbare Berechnungsgrundlagen stützen, als Nachweisgrundlage in Betracht. Fehlt es allerdings an derartigen genauen Berechnungsgrundlagen und liegen lediglich allgemeine Durchschnitts- oder Rahmenwerte vor, sind sie als alleinige Nachweisgrundlage nicht ausreichend (vgl. Bleile a.a.O.; vgl. auch Gössl, BWGZ 1992, 701). Für Metzgereibetriebe wie den des Klägers fehlt es an solchen allgemeinen Erfahrungswerten zu produktions- bzw. betriebsbezogenen Mengen nicht eingeleiteten Abwassers. Einer Bildung derartiger Erfahrungsgrundlagen stand und steht namentlich entgegen, dass verallgemeinerungsfähige Werte wegen der unterschiedlichen Produktionsverhältnisse in den jeweiligen Einzelbetrieben nicht zu ermitteln sind (dazu Gössl, a.a.O.; Queitsch, a.a.O., S. 84; Bleile, a.a.O., je m.w.N.). Welcher Wasseranteil verarbeitet und daher nicht als Abwasser eingeleitet ist, richtet sich nach der jeweiligen konkreten Rezeptur für eine Wurstsorte, mithin nach individuellen, von Betrieb zu Betrieb und von Produkt zu Produkt unterschiedlichen Vorgaben (Einzelheiten bei Queitsch, a.a.O. S. 84; vgl. auch Bleile, a.a.O. S. 11).
24 
Anerkannt ist indes auch, dass bei Fehlen solcher verallgemeinerungsfähiger Erfahrungswerte die Möglichkeit eröffnet ist, die dem betroffenen Betrieb zuzuordnenden Absatzmengen einzelfallbezogen festzustellen. Sind Messeinrichtungen - wie hier - für den Betrieb nicht vorhanden oder unzureichend, ist der satzungsrechtlich geforderte Nachweis durch eine dann betriebsbezogene Ermittlung zu erbringen, wie etwa durch ein Einzelgutachten, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaubt und daher als Grundlage (Nachweis) für die Feststellung nicht eingeleiteter Abwassermengen ausreicht (vgl. nur Bleile a.a.O.). Mit dem Verwaltungsgericht ist daher davon auszugehen, dass der satzungsrechtlich geforderte „Nachweis“ - soweit Messeinrichtungen oder Erfahrungswerte fehlen - eine Darlegung schlüssiger Umstände erfordert, aus denen sich die Menge nicht eingeleiteten Wassers für den konkreten Betrieb ermitteln lässt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts, das von einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgeht, statt die mit dem Nachweis geforderten tatsächlich festgestellten Mengen nicht eingeleiteten Wassers zugrunde zu legen, ist allerdings eine solche schlüssige Darlegung und damit der geforderte Nachweis durch den Kläger für den noch streitigen Mengenanteil hier nicht erfolgt.
25 
(a) Das Verwaltungsgericht hat eine Teilmenge an Frischwasser für nachgewiesen gehalten, die 12,5 % der Menge der vom Kläger in den streitigen Jahren bezogenen Menge an Frischfleisch entspricht, da diese Menge bei der üblichen Wurstherstellung Verwendung finde. Es hat dabei zugrunde gelegt, dass der Kläger eine Stellungnahme des Instituts für Fleischforschung, Fleischtechnologie und Qualitätssicherung vom 3.3.2005 vorgelegt hat, die die Annahme der anteiligen Menge an Frischwasser bei der Wurstherstellung belegt. Dass dies den geforderten Nachweis im obigen Sinn nicht darstellt, macht die Beklagte zutreffend geltend. Denn die Angaben des Instituts sind nicht betriebsbezogen ermittelt; es fehlt ein Zusammenhang mit den Besonderheiten des klägerischen Betriebs, auf die es aber entscheidend ankommen muss. Als "Nachweis" scheiden die Angaben des Fachinstituts aber auch deshalb aus, weil sie nicht in Einklang zu bringen sind mit denen des Klägers. Abgesehen von unterschiedlichen Angaben zum Anteil des Frischfleischs hat der Kläger auch einen erheblich höheren Anteil des bei der Wurstherstellung verarbeiteten Frischwassers pro kg Magerfleisch angegeben, als nach der Stellungnahme belegt werden soll. Das Verwaltungsgericht hat für die abweichenden Angaben des Klägers daher auch zu Recht dargelegt, dass sie als Grundlage eines Nachweises gerade nicht in Betracht kommen. Macht aber der Betroffene selbst Angaben, die erheblich von denen abweichen, auf die er sich als allgemeine Erfahrungswerte stützen will, nimmt er letzteren die Tauglichkeit, sie als allgemein maßgebliche Werte heranzuziehen. Auch das Verwaltungsgericht legt nicht dar, warum es sich bei den Angaben in der Stellungnahme vom 3.3.2005 um für den Betriebstyp allgemein anerkannte Erfahrungswerte handelt, obwohl sich die betriebstypischen Abläufe von Betrieb zu Betrieb notwendigerweise unterscheiden. Dass sich im Übrigen die vom Verwaltungsgericht festgestellten „Rundungsunschärfen“ verbieten, folgt aus dem für den Nachweis geforderten Wirklichkeitsmaßstab.
26 
(b) Als nachgewiesen hat das Verwaltungsgericht ferner eine Wassermenge von 25 m³ pro Jahr angesehen, die einem Verbrauch beim Betrieb des Wasserdampfkochschrankes entspräche. Diese Verbrauchsmenge ist zwar durch einen Wasserzähler festgehalten, der jedoch im Zeitraum zwischen 20.4.2004 und 20.4.2005 abgelesen worden ist. Hinsichtlich dieses Ablesezeitraums macht die Beklagte geltend, der festgestellte Verbrauch sei auf die Werte in den streitigen Jahre 2001 und 2002 nicht übertragbar. Dem ist zu folgen. Nimmt man in Blick, dass nach dem vom Kläger vorgelegten „Gutachten“ des Fleischerverbands Bayern vom 28.4.2005 eine für den Dampfkochschrank maßgebliche nicht eingeleitete Wassermenge von lediglich 4,8 m³ anzusetzen wäre, verliert auch die Feststellung für 2005 an Maßgeblichkeit und daher ihre Eignung, die für die vergangenen Jahre maßgeblichen Werte als nachgewiesen anzusehen. Auch insoweit gilt, dass der Nachweispflicht wegen der nicht nachvollziehbaren "Abweichung" der Angaben nicht nachgekommen ist. Auch wenn ein Messergebnis tatsächlich vorliegt, muss es deshalb an Aussagekraft verlieren, zumal auch unterschiedliche Erfassungszeiträume in Rede stehen, und daher auch unklar bleiben muss, ob überhaupt gleiche Produktions- und Mengenverhältnisse in den jeweiligen Jahren festgestellt werden können. Die Beklagte hat dem Messergebnis im Übrigen Rechnung getragen, wenn sie für den genannten „Messzeitraum“ eine Absetzung ausdrücklich anerkennt.
27 
(c) Das Verwaltungsgericht hat ferner die Verdunstungsmenge von 11,2 m³ als („gerade noch“) nachgewiesene nicht eingeleitete Abwassermenge beurteilt. Auch diese Menge ist einem Gutachten entnommen, das für einen Fremdbetrieb erstellt worden ist und daher bereits dem Grunde nach nicht ohne Darlegung einer Vergleichbarkeit herangezogen werden darf. Allerdings beruht die Annahme des Verwaltungsgerichts auch auf Angaben aus einem Arbeitsblatt der Arbeitsmappe des Heizungsingenieurs. Deren Übertragung auf „ca. 80 m²“, die im klägerischen Betrieb die Fläche der klimatisierten Produktionsräume darstellen sollen, sieht das Verwaltungsgericht als gerechtfertigt an. Dieser Annahme ist nicht zu folgen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass nur ein Gutachten zu einem Drittgerät vorgelegt worden ist und der Kläger auch nicht vorgetragen habe, warum dieses Fremdgutachten auf die von ihm verwendete Klimaanlage übertragbar sei. Es kommt hinzu, dass das Verwaltungsgericht selbst das „Gutachten“ als im Übrigen unbrauchbar eingestuft und es lediglich hinsichtlich der Verdunstungsmenge als „nachvollziehbar berechnet“ angesehen hat. Zwar mag die Berechnungsweise methodisch vertretbar sein, indes fehlt ihr hier aber der konkrete Bezug zu den besonderen Gegebenheiten im Betrieb des Klägers und damit letztendlich die Möglichkeit, Grundlage des Nachweises insoweit nicht eingeleiteter Wassermengen zu sein (vgl. im Übrigen auch die grundsätzlichen Bedenken gegen den Abzug von Verdunstungsmengen bei Queitsch, a.a.O. S 85).
28 
(d) Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen zutreffend dargelegt, dass die weiter unterbreiteten Angaben des Klägers als Nachweis nicht eingeleiteter Abwassermengen ungeeignet sind. Darauf kann verwiesen werden. Ist daher nach allem die Annahme gerechtfertigt, dass der nach § 40 Abs. 1 AbwS geforderte Nachweis der nicht eingeleiteten Wassermenge für die Jahre 2001 und 2002 nicht erbracht ist, erübrigt es sich, auf die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts einzugehen, eine Absetzung nicht eingeleiteter Frischwassermengen müsse aus Gründen der Gleichbehandlung ohne Berücksichtigung der satzungsrechtlich nach Abs. 1 Satz 2 dieser Bestimmung von der Absetzung ausgenommenen Menge von 20 m³/Jahr erfolgen.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
30 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss
vom 5. Oktober 2006
32 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 252,76 EUR festgesetzt (vgl. § 52 Abs. 3 GKG, § 5 ZPO; Wert der vom Verwaltungsgericht anerkannten Absatzmengen für die Jahre 2001 und 2002 in Höhe von 84,8 m² x 3,05 bzw. 2,91 EUR).
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 - 1 K 1568/10 - geändert. Die Klage auf Zurückzahlung entrichteter Abwassergebühren wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 und begehrt die Rückzahlung geleisteter Abwassergebühren.
Die Klägerin ist eine sich in Liquidation befindende GmbH. Bis zu ihrer Auflösung, die am 15.07.2010 in das Handelsregister eingetragen wurde, stellte sie auf dem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück ... Fruchtsaft, Fruchtsaftkonzentrate, Fruchtnektare sowie Fruchtsaftgetränke her.
Die Beklagte betrieb die Beseitigung des in ihrem Gebiet angefallenen Abwassers zunächst gemäß § 1 Abs. 1 ihrer am 01.01.2002 in Kraft getretenen Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 als öffentliche Einrichtung. Für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen erhob sie Abwassergebühren. Bei Grundstücken, die an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossen sind, wurde die Gebühr einheitlich nach der auf dem Grundstück anfallenden Abwassermenge bemessen (§ 37 Abs. 1 AbwS). Als angefallene Abwassermenge galt die dem Grundstück in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 AbwS). Die Gebühr betrug zunächst 3,04 EUR je m³ Abwasser (§ 41 Abs. 1 AbwS). Die Gebühr wurde mit Änderungssatzung vom 22.02.2005 mit Wirkung zum 01.01.2005 auf 3,54 EUR je m³ Abwasser erhöht.
Die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 war Gegenstand eines von der Fa. ... am 23.12.2002 eingeleiteten Normenkontrollverfahrens. Deren Antrag, die Satzung für nichtig zu erklären, wurde mit Urteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) abgewiesen. Die Beklagte beschloss am 16.09.2014 rückwirkend eine neue Abwassersatzung für die Jahre 2008 und 2009.
Mit Bescheiden vom 31.12.2008 zog die Beklagte die Klägerin auf der Grundlage ihrer Satzung vom 11.12.2001/22.02.2005 zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 in Höhe von 26.008,38 EUR (Kunden-Nr. ...) und 10.152,72 EUR (Kunden-Nr. ...) heran. Sie legte dabei einen Frischwasserverbrauch von 7.347 m³ bzw. 2.868 m³ zu Grunde.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2009 "vorsorglich" Widerspruch ein und beantragte ferner, das von ihr im Jahr 2008 nicht eingeleitete Abwasser bei der Bemessung der Abwassergebühren abzusetzen. Zur Begründung führte sie aus, von der an der Entnahmestelle "Keller" entnommenen Trinkwassermenge von 7.347 m³ seien mindestens 3.294,72 m³, von den an der Entnahmestelle "Abfüllerei" entnommenen Trinkwassermenge von 2.868 m³ mindestens 1.281,28 m³ nicht in die gemeindliche Kanalisation eingeleitet, sondern zur Herstellung von Fruchtsäften verwendet worden.
Mit Bescheid vom 06.04.2010 wies das Landratsamt Schwäbisch Hall den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Nach § 40 AbwS würden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet worden seien, auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühren abgesetzt. Der Nachweis könne auf verallgemeinerungsfähige Erfahrungswerte oder, wenn solche Werte fehlten, durch ein Einzelgutachten geführt werden, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaube. Bei Fruchtsaftbetrieben fehle es wegen der unterschiedlichen Produktionsweisen an allgemeinen Erfahrungswerten. Die nicht eingeleiteten Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht. Eine Vereinbarung über die Höhe der Absetzung des nicht eingeleiteten Abwassers sei nicht zustande gekommen, da die Klägerin die vorbereitete Vergleichsberechnung vom Februar 2006 nicht unterzeichnet habe.
Die Klägerin hat am 02.05.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und zuletzt beantragt, - 1. - die Gebührenbescheide vom 31.12.2008 und den Widerspruchsbescheid aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die nicht als Abwasser eingeleiteten Trinkwassermengen bei der Bemessung der Abwassergebühren für das Jahr 2008 abzusetzen, sowie - 2. - die Beklagte zu verpflichten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR an sie, hilfsweise an die Fa. ..., Inhaberin ..., zu erstatten. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie bestehe als Liquidationsgesellschaft fort und sei daher weiterhin parteifähig. Nach dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 01.03.2010 verstoße die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Die diesen Maßstab verwendende Abwassersatzung der Beklagten sei deshalb nichtig. Die angefochtenen Bescheide seien somit aufzuheben und die bereits bezahlten Beträge zu erstatten. Die Ansprüche auf Rückzahlung der für 2008 bezahlten Abwassergebühren seien an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten worden. Die Fa. ... habe aber sie, die Klägerin, ermächtigt, die Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Klägerin sei ausweislich des Handelsregisters aufgelöst und deshalb nicht mehr parteifähig. Da die Klägerin in einem anderen Verfahren vorgetragen habe, sie sei nicht mehr Anschlussnehmer für die beide Trinkwasseranschlüsse, sei außerdem von einem Wegfall der Aktivlegitimation auszugehen. Im Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide habe noch die frühere Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg gegolten, wonach der Frischwassermaßstab einen tauglichen Maßstab für die Erhebung von Abwassergebühren darstelle. Bei Fruchtsaftbetrieben wie dem der Klägerin fehle es an verallgemeinerungsfähigen Erfahrungswerten über die nicht eingeleiteten Abwassermengen. Diese Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht.
10 
Mit Urteil vom 17.02.2011 hat das Verwaltungsgericht die Abwassergebührenbescheide vom 31.12.2008 sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die entrichteten Abwassergebühren in Höhe von 18.080,55 EUR an die Klägerin zurückzuzahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, einer gelöschten GmbH sei die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden seien. Die Klage sei zulässig. Auch wenn die Klägerin aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden sei, habe sie deshalb ihre Beteiligtenfähigkeit nicht verloren. Die danach zulässige Klage sei auch begründet. Für die Heranziehung der Klägerin zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser fehle es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 in der Fassung vom 22.02.2005 sei nichtig, da sie keine gültige Maßstabsregelung enthalte. Die Satzung sehe als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den einheitlichen Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Dass der VGH Baden-Württemberg den Antrag der Klägerin, die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 für nichtig zu erklären, mit Urteil vom 07.10.2004 abgelehnt habe, hindere eine inzidente Überprüfung der Satzung nicht. Die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle u. a., wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße. Die angefochtenen Gebührenbescheide seien danach rechtswidrig und aufzuheben. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag sei damit entbehrlich. Die Aufhebung der Gebührenbescheide beseitige den Rechtsgrund für die Zahlungen der Klägerin an die Beklagte. Die Klägerin habe deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO einen Anspruch auf Erstattung des geleisteten Betrags.
11 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 23.05.2011 zugelassene Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts fehle es der Klägerin an der Aktivlegitimation. Die Klägerin sei seit 15.07.2010 gelöscht. Es sei zudem von der Vermögenslosigkeit der Klägerin auszugehen, da sie nach ihren eigenen Angaben ihre Ansprüche auf Rückzahlung der für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren abgetreten habe. Eine vermögenslose Gesellschaft könne auch in gewillkürter Prozessstandschaft nicht klagen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit seinem Urteil vom 07.10.2004 festgestellt, dass aufgrund der Homogenität der Bebauung auf dem Gebiet der Stadt die Gebührenkalkulation auch im Hinblick darauf nicht zu beanstanden sei, als der Anteil der Kosten für die Beseitigung des Niederschlagswassers offenbar unter 12 % liege. An den örtlichen Verhältnissen habe sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
12 
In einer ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.09.2011 sind u.a. Vergleichsmöglichkeiten dem Grunde nach sondiert und nach Schließung der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich weiterverfolgt worden. Nach deren vorläufigem Scheitern hat der Senat die mündliche Verhandlung wieder eröffnet und am 09.10.2014 eine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin hat die Klägerin ausgeführt, die von ihr erklärte Abtretung von Erstattungsansprüchen sei unwirksam, da sie den Anforderungen des § 46 AO nicht genügt habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich gegen die Aufhebung der Abgabenbescheide auch mit dem zusätzlichen Hinweis auf die inzwischen rückwirkend in Kraft gesetzte neue Abwassergebührensatzung vom 16.09.2014 (AbwS 2014) gewandt; die Klägerin sei danach auch Gebührenschuldnerin und habe sich zudem stets als solche geriert.
13 
Der Senat hat die mündliche Verhandlung nach Erlass einer bis 31.10.2014 zu befolgenden Aufklärungsverfügung geschlossen; die Beteiligten haben auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Mit Schriftsatz vom 27.10.2014 hat die Beklagte ihre Rechtspositionen bekräftigt und Mehrfertigungen der Abtretungsurkunde und der Abtretungsanzeige vorgelegt.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.02.2011 - 1 K 1568/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts und die Behördenakten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Mai 2008 - 1 K 1636/07 - geändert: Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ... ... in .... Durch Abgabenbescheid vom 26.01.2000 zog ihn die Beklagte - eine Gemeinde mit etwa 6.200 Einwohnern - unter Zugrundelegung des in der einschlägigen Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 (im Folgenden: AbwS) vorgesehenen modifizierten Frischwassermaßstabs zu einer Abwassergebühr für das Jahr 1999 in Höhe von 256,20 DM heran. Dabei legte die Beklagte eine eingeleitete Abwassermenge (= bezogene Frischwassermenge) von 61 m 3 und einen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser zugrunde.
Die einschlägigen Regelungen der Satzung lauten wie folgt: Die Gemeinde erhebt für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen eine Abwassergebühr (§ 32 AbwS). Schuldner der Abwassergebühr ist der Grundstückseigentümer (§ 33 Abs. 1 Satz 1 AbwS). Die Abwassergebühr wird nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossenen Grundstück anfällt (§ 34 Abs. 1 AbwS). Als angefallene Abwassermenge gilt bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 AbwS). Für Abwasser, das zu einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage gebracht wird, beträgt die Gebühr 4,20 DM/m 3 Abwasser (§ 37 Abs. 3 AbwS).
Gegen den Bescheid vom 26.01.2000 erhob der Kläger am 28.02.2000 Widerspruch. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens nahm die Beklagte eine Nachkalkulation der Abwassergebühr für die Gebührenjahre 1999 bis 2005 vor. Die Nachkalkulation für das Jahr 1999 (Stand: Oktober 2006) ergab - ohne Ausgleich von Vorjahresergebnissen - einen kostendeckenden Gebührensatz in Höhe von 3,87 DM/m 3 Abwasser. Auf Grundlage dieser Nachkalkulation beschloss der Gemeinderat der Beklagten am 09.11.2006 rückwirkend zum 01.01.1999 wiederum einen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.12.1999. Dabei brachte die Beklagte die von ihr ermittelte Kostenunterdeckung des Jahres 1994 sowie einen Teil der ermittelten Kostenunterdeckung des Jahres 1995 im Gebührenjahr 1999 zum Ausgleich, um zum gleichen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser zu gelangen, wie er den Bescheiden für das Gebührenjahr 1999 zugrunde gelegt worden war.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Abgabenbescheid vom 26.01.2000 wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2007 zurück.
Der Kläger hat am 10.08.2007 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Dem Antrag des Klägers, den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 aufzuheben, ist die Beklagte entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 06.05.2008 abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für Grundstücke, die - wie dasjenige des Klägers - an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossen seien, als Gebührenmaßstab den sogenannten Frischwassermaßstab verwende. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei der Frischwasserbezug jedenfalls dann zur Erfassung auch der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers geeignet, wenn nach den Verhältnissen im Satzungsgebiet im Durchschnitt der Veranlagungsfälle ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen beiden Wassermengen derart bestehe, dass der Wasserbezug auf einem Grundstück der Zahl der Bewohner und diese wiederum dem Umfang der baulichen Nutzung eines Grundstücks sowie der dort vorhandenen befestigten Flächen entspreche, von der Regenwasser in die Kanalisation abgeleitet werde. Das sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Satzungsgebiet durch eine verhältnismäßig homogene und wenig verdichtete Wohnbebauung ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt sei. In diesem Fall liege eine homogene Siedlungsstruktur vor, die es rechtfertige, den Frischwasserbezug auch als Indikator für die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers anzusehen. Im Regelfall könne bei einer Einwohnerzahl von 60.000 bis 80.000 noch von einer homogenen Siedlungsstruktur in diesem Sinne ausgegangen werden.
Auch der in § 37 Abs. 1 AbwS i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 rückwirkend für das Jahr 1999 festgelegte Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser sei gültig. Die durch ein Fachbüro erstellte Nachkalkulation der Gebühren stelle auf ihren Seiten 15 und 16 alternativ die Gebührensatzobergrenzen einerseits ohne und andererseits mit Berücksichtigung der Kostenunterdeckungen der Jahre 1994 und 1995 dar. Dass sich der Gemeinderat der Beklagten entschlossen habe, den Gebührensatz für das Jahr 1999 unter Berücksichtigung dieser Kostenunterdeckungen festzusetzen, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat entsprechend den Vorgaben der Nachkalkulation die ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1994 (51.242,40 DM) in voller Höhe und die ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1995 (65.544,-- DM) nur in Höhe von 42.456,05 DM berücksichtigt habe. Mit der lediglich teilweisen Berücksichtigung der ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1995 habe erreicht werden sollen, dass der Gebührensatz mit 4,20 DM/m 3 Abwasser exakt in der Höhe festgesetzt habe werden können, der auch den tatsächlichen Veranlagungen für das Gebührenjahr 1999 zugrunde gelegt worden sei. Dies sei eine sachgerechte Erwägung, die vom Gericht nicht beanstandet werden könne.
Der Vortrag des Klägers rechtfertige schließlich auch nicht die Annahme, die bei der Festsetzung des Gebührensatzes für das Jahr 1999 berücksichtigten und ausgeglichenen Unterdeckungen der Jahre 1994 und 1995 seien methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg beziehe sich die Ausgleichsbefugnis von Unterdeckungen aus Vorjahren lediglich auf solche Unterdeckungen, die sich aufgrund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 03.11.2008 zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend: Auch für den Bereich einer homogenen Siedlungsstruktur sei der Frischwasserbezug als Indikator für die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers ungeeignet. Aufgrund der Menge des Frischwasserbezuges könne ein Rückschluss auf die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers nicht erfolgen. Denn die Menge des bezogenen Frischwassers sei von der Nutzung des Grundstücks (z.B. Zahl der Bewohner) abhängig, während die Menge des in die Kanalisation eingeleiteten Niederschlagswassers von den vorhandenen befestigten Flächen abhängig sei. Ändere sich z.B. die Zahl der Bewohner und damit der Frischwasserbezug, ändere sich deshalb nicht die Niederschlagswassermenge. Im Übrigen liege die Zahl der von einer vermeintlich homogenen Bebauung abweichenden Grundstücke im Gebiet der Beklagten bei über 10 %.
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Unabhängig davon habe die Beklagte bei der Festsetzung der Höhe des Gebührensatzes zu Unrecht Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 berücksichtigt. Die Gebührenkalkulationen der Jahre 1994 und 1995 hätten jeweils den Straßenentwässerungsanteil zu niedrig und damit fehlerhaft angesetzt. Bei zutreffender Berücksichtigung des Straßenentwässerungsanteils hätten sich in den Jahren 1994 und 1995 keine vermeintlichen Unterdeckungen, sondern ausgleichspflichtige Überdeckungen ergeben. Dies führe im Ergebnis auch zur Nichtigkeit des Abwassergebührensatzes für das Jahr 1999.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 06.05.2008 - 1 K 1636/07 - zu ändern und den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 aufzuheben.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Bei einer Gemeinde ihrer Größe könne im Regelfall von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - (KStZ 2008, 74), der eine völlig andere Gemeindestruktur mit wesentlich größeren Gemeinden zugrunde liege, könne auf den hier zu beurteilenden Fall nicht übertragen werden.
16 
Im Rahmen der Nachkalkulation hätten auch die für die Jahre 1994 und 1995 errechneten Unterdeckungen im Jahre 1999 Berücksichtigung finden können. Im Rahmen der Nachkalkulation seien die Straßenentwässerungskostenanteile für die Jahre 1994 und 1995 exakt so angesetzt worden, wie dies auch im Rahmen der damaligen prognostischen Kalkulation für diese Gebührenjahre geschehen sei. Diese Vorgehensweise genüge den Anforderungen an den Ausgleich von Vorjahresergebnissen. Wäre es anders, bestünde im Rahmen der Ermittlung von Vorjahresergebnissen die Möglichkeit, jeden in den Rechnungsergebnissen enthaltenen kalkulatorischen Ansatz abweichend von der zugrunde liegenden prognostischen Kalkulation zu prüfen. Damit würde indirekt eine Überprüfung des früheren Satzungsrechts und der dortigen Ansätze vorgenommen. Dies würde zu untragbaren Ergebnissen führen, da über das System des gesetzlichen Ausgleichs dann indirekt die Satzungen beliebig weit zurückreichender vergangener Jahre überprüft werden müssten.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Für die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser (Schmutz- und Niederschlagswasser) im hier maßgeblichen Jahr 1999 fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die einschlägige Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 (im Folgenden: AbwS) ist nichtig. Denn sie enthält für die Gebührenerhebung keine gültige Maßstabsregelung, wie sie § 2 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996 (im Folgenden: KAG 1996) als Mindestinhalt einer Satzung fordert.
20 
Nach §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 AbwS wird die Abwassergebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser einheitlich nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem angeschlossenen Grundstück anfällt. Als angefallene Abwassermenge gilt dabei bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch abzüglich der nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassermengen. Die Satzung sieht damit als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstößt angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip.
21 
1. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat den Gemeinden und Landkreisen für den gemäß § 2 Abs. 1 KAG 1996 in der Satzung festzulegenden Gebührenmaßstab keine einfachgesetzlichen Beschränkungen auferlegt. Das ortsgesetzgeberische Ermessen der Gemeinden und Landkreise ist jedoch durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip eingeschränkt. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt als solcher, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2008 - 2 S 623/06 - AbfallR 2009, 44).
22 
Das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip bildet damit eine Obergrenze für die Gebührenbemessung. Unterhalb dieser Obergrenze ist die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln sind, dass sie dem unterschiedlichen Ausmaß der erbrachten Leistungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt. Das Willkürverbot belässt damit dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es verbietet nur eine willkürliche Ungleichbehandlung (wesentlich) gleicher Sachverhalte und die willkürliche Gleichbehandlung (wesentlich) ungleicher Sachverhalte. Die hierdurch gezogenen Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit überschreitet der Satzungsgeber erst dann, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenze ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen, nicht aber die Frage, ob der Satzungsgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. zum Ganzen: Rieger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 6 RdNr. 591).
23 
Nach allgemeiner Ansicht dürfen Benutzungsgebühren nicht nur nach dem konkret nachgewiesenen Umfang der jeweiligen Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung (Wirklichkeitsmaßstab), sondern auch nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden. Die Rechtfertigung für die Verwendung eines solchen pauschalierenden Maßstabs ergibt sich aus der Notwendigkeit eines praktikablen, wenig kostenaufwändigen und damit auch den Gebührenzahlern zugute kommenden Erhebungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995, aaO). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf aber nicht offensichtlich ungeeignet sein, d.h. er muss Umständen oder Verhältnissen entnommen worden sein, die mit der Art der Benutzung in Zusammenhang stehen, und auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die für die Regel in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2000 - 2 S 132/00 - VBlBW 2001, 21).
24 
2. Bei dem von der Beklagten gewählten (einheitlichen) Frischwassermaßstab wird die Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers nach der Menge des bezogenen Frischwassers bemessen. Dieser Maßstab beruht auf der Annahme, dass die auf einem Grundstück bezogene Frischwassermenge im Regelfall in einem ungefähr gleichen Verhältnis zur Menge des anfallenden Abwassers steht (vgl. zuletzt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472). Diese Annahme trifft unzweifelhaft hinsichtlich des Schmutzwassers zu, weil die Menge des Frischwassers, die einem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück zugeführt wird, jedenfalls typischerweise weitgehend der in die Kanalisation eingeleiteten Abwassermenge entspricht.
25 
Was das Niederschlagswasser betrifft, kann das Gleiche dagegen nicht gesagt werden, weil der Frischwasserverbrauch keinen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - KStZ 2008, 74; Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009 - 5 A 631/08 - KStZ 2009, 235). Denn der Frischwasserverbrauch ist regelmäßig bei Wohnbebauung personen- und bei Gewerbegrundstücken produktionsabhängig, während die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers - außer von der Menge des Niederschlags - von der Größe des Grundstücks sowie der Oberflächengestaltung abhängig ist. Ein verlässlicher Zusammenhang zwischen Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem Grundstück zu entsorgenden Niederschlagswassermenge besteht demnach zumindest in aller Regel nicht. Die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden (unten a). Sie kann ferner nicht mit der Erwägung als rechtmäßig angesehen werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12.06.1972 - VII B 117.70 - KStZ 1973, 92; Beschluss vom 25.03.1985 - 8 B 11.84 - NVwZ 1985, 496 mwN) als auch nach der des erkennenden Senats (Urteil vom 27.10.1993 - 2 S 199/80 - VBlBW 1984, 346) eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind (unten b).
26 
a) Im Benutzungsgebührenrecht ist ebenso wie im sonstigen Abgabenrecht auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit abzustellen, der es dem Satzungsgeber gestattet, bei Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fällen dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2005 - 10 BN 2.05 - Juris; Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36).
27 
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann nicht angenommen werden, dass der einheitliche Frischwassermaßstab im Allgemeinen und damit in 90 % aller Fälle zu einer in etwa gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen führt. Es ist mit anderen Worten nicht davon auszugehen, dass im „Regelfall“ auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets das Verhältnis zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der nach dem Frischwasserverbrauch berechneten Schmutzwassermenge (so) weitgehend vergleichbar ist, dass es aus diesem Grund einer gesonderten Berechnung der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nicht bedarf.
28 
Zwar hat der erkennende Senat bislang den einheitlichen Frischwassermaßstab auch zur Erfassung der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers als geeignet angesehen, wenn das Satzungsgebiet durch eine im entwässerungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig homogene Bebauungsstruktur mit wenig verdichteter Wohnbebauung und ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt ist (Urteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden könne, wenn in einer Gemeinde für mindestens 90 % der angeschlossenen Grundstücke die Entwässerungsverhältnisse in etwa gleich seien. Insoweit handelt es sich bei dem Kriterium einer homogenen Siedlungsstruktur um nichts anderes als eine konkretisierte Ausprägung des oben dargelegten Grundsatzes der Typengerechtigkeit (so zutreffend Quaas, VBlBW 2006, 175, 176). Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, im Regelfall könne bei Gemeinden mit 60.000 bis 80.000 Einwohnern noch von einer homogenen Siedlungsstruktur im genannten Sinne ausgegangen werden. An dieser Auffassung hält der Senat nicht mehr fest. Eine Vergleichbarkeit zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der Schmutzwassermenge auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets dürfte nach den heutigen Verhältnissen die absolute Ausnahme bilden. Auch für das Gebiet der Beklagten, einer Gemeinde mit sechs Teilorten und ca. 6.200 Einwohnern, liegt eine solche Ausnahme nicht vor.
29 
Die Anzahl der Bewohner auf den Grundstücken des jeweiligen Satzungsgebiets, die maßgeblich die Menge des einem Grundstück zugeführten Frischwassers beeinflusst, ist - unter den hiesigen modernen Lebensverhältnissen - so unterschiedlich, dass ein vorherrschender, mindestens 90 % der Fälle erfassender „Regeltyp“ mit annähernd gleicher Relation zwischen Frischwasserverbrauch je Grundstück und hiervon abgeleitetem Niederschlagswasser nicht erkennbar ist. Die Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers wird bestimmt durch die Größe der versiegelten Grundstücksflächen, die sich nach der Kubatur der Baukörper und dem Vorhandensein weiterer befestigter Flächen - wie etwa Stellplätze, Terrassen - richtet. Dagegen wird die Menge des Abwassers im Falle der Wohnbebauung ganz wesentlich durch die Zahl der auf dem Grundstück vorhandenen Haushalte und die Zahl der zu den Haushalten gehörenden Personen beeinflusst. Bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken, die erfahrungsgemäß einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, kommt es auf die Art der gewerblichen und industriellen Nutzung und die Höhe des damit verbundenen Frischwasserverbrauchs an. Deshalb sind sowohl gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke als auch Grundstücke mit stark verdichteter Wohnbebauung (z.B. Hochhäuser) im Hinblick auf die Relation zwischen Frischwasserverbrauch und abgeleitetem Niederschlagswasser von vornherein als atypisch anzusehen. Vor diesem Hintergrund kommen als Grundstücke mit „vergleichbaren Entwässerungsverhältnissen“ naturgemäß lediglich die die Wohnbebauung prägenden Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke in Betracht. Aber selbst Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke weisen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine derart uneinheitliche Haushaltsgröße und daraus folgend einen derart unterschiedlichen Wasserverbrauch auf, dass nicht mehr von einer annähernd vergleichbaren Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann.
30 
Einfamilienhäuser werden zwar überwiegend von Familien mit Kindern bewohnt. Schon die Anzahl der Kinder in den Haushalten variiert aber mit der Folge eines stark unterschiedlichen Wasserverbrauchs. Davon abgesehen werden Einfamilienhäuser auch nicht selten nur von einer oder zwei Personen bewohnt, weil z.B. ein Ehepartner verstorben ist oder die Parteien sich infolge einer Scheidung getrennt haben oder die (erwachsenen) Kinder das Elternhaus verlassen haben (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). Diese Einschätzung wird durch die vom Senat beim Baden-Württembergischen Landesamt für Statistik ermittelten Zahlen (Mikrozensus 2006) für das Land Baden-Württemberg belegt. Danach gibt es in Baden-Württemberg insgesamt 1.088.000 Haushalte in Einfamilienhäusern (Wohngebäude mit einer Wohneinheit), die sich wie folgt aufteilen: 186.000 Haushalte mit einer Person (= 17,10 %), 412.000 Haushalte mit zwei Personen (= 37,87 %), 183.000 Haushalte mit drei Personen (= 16,2 %), 217.000 Haushalte mit vier Personen (= 19,94 %) sowie 90.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen (= 8,27 %). Auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 02.09.2009, aaO) ermittelten Daten für das Land Hessen zeigen eine in etwa vergleichbare Verteilung der Haushaltsgrößen in Einfamilienhäusern; danach werden Einfamilienhäuser in 19,22 % von Haushalten mit einer Person, in 40,28 % von Haushalten mit zwei Personen, in 17,57 % von Haushalten mit drei Personen, in 16,72 % von Haushalten mit vier Personen und in 6,21 % der Fälle von Haushalten mit fünf und mehr Personen bewohnt.
31 
Diese für die Länder Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Daten bestätigen eindrucksvoll, dass generell von einer Homogenität der Haushaltsgröße auch für den Bereich von Einfamilienhäusern nicht gesprochen werden kann. Diese Aussage kann auch ohne weiteres auf das Gemeindegebiet der Beklagten übertragen werden. Dafür, dass sich im Gemeindegebiet der Beklagten die Verhältnisse nennenswert anders darstellen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Beklagte hat in dieser Richtung nichts vorgetragen.
32 
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass bereits im Bereich der Einfamilienhäuser durch die Streuung der Haushaltsgrößen ein stark unterschiedlicher Frischwasserverbrauch festzustellen ist, der bei ansonsten gleichen Verhältnissen zu gravierenden Unterschieden bei der Höhe der veranlagten Gebühren für den Anteil der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung führt. Wird ein Einfamilienhaus von einer Einzelperson bewohnt, entfällt auf dieses Grundstück nach der Gebührensatzung der Beklagten für das Jahr 1999 bei einem durchschnittlich angenommenen Jahresfrischwasserverbrauch von 40 m 3 und einem Gebührensatz von 4,20 DM eine Abwassergebühr von 168,-- DM. Wird das gleiche Einfamilienhaus dagegen von einem Vier-Personen-Haushalt bewohnt, entfällt auf das Grundstück - trotz derselben versiegelten Fläche - bei einem unterstellten Jahresfrischwasserverbrauch von wiederum 40 m 3 je Person eine Abwassergebühr von 672,-- DM. Unterstellt man ferner einen Anteil von lediglich 25 % der Gesamtkosten für die Niederschlagswasserentsorgung (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %) und geht damit bei einer Abwassergesamtgebühr von 4,20 DM je Kubikmeter von einem Anteil für die Beseitigung des Niederschlagswassers von 1,05 DM je Kubikmeter aus, so zahlt der Ein-Personen-Haushalt dafür 42,-- DM, der Vier-Personen-Haushalt bei gleicher Versiegelungsfläche dagegen 168,-- DM. Das hier aufgeführte Beispiel zeigt, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit vergleichbarem Umfang an Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, unter anderem Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge in etwa gleich ist.
33 
Die dargestellte Uneinheitlichkeit der Haushaltsgrößen und damit die unterschiedliche Nutzungsintensität gilt auch für Zweifamilienhäuser. Nach den Daten des Baden-Württembergischen Landesamtes für Statistik (Mikrozensus 2006) teilen sich die Haushaltsgrößen in den 503.000 Wohngebäuden mit zwei Wohneinheiten wie folgt auf: 134.000 Haushalte mit einer Person, 195.000 Haushalte mit zwei Personen, 68.000 Haushalte mit drei Personen, 77.000 Haushalte mit vier Personen sowie 29.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die versiegelte Fläche bei Zweifamilienhäusern im Vergleich zu Einfamilienhäusern nach allgemeiner Lebenserfahrung zwar erhöht, aufgrund der Kubatur von Zweifamilienhäusern allerdings keine entsprechende Verdoppelung der versiegelten Flächen angenommen werden kann.
34 
b) Die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der des erkennenden Senats eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind. Als geringfügig in diesem Sinne sehen das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 12.06.1972 und vom 25.03.1985, aaO) sowie der erkennende Senat (Urteil vom 27.10.1993, aaO) diese Kosten dann an, wenn ihr Anteil an den Kosten der gesamten Entwässerung nicht mehr als 12 % beträgt.
35 
Nach den Veröffentlichungen in der Fachliteratur ist von den gesamten Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung zu veranschlagen (vgl. etwa Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %; Hennebrüder, KStZ 2007, 184 - unter Bezugnahme auf Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 % liegt). Darüber hinaus hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass der Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung in ihrem Gebiet noch als geringfügig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen ist.
36 
3. Für die Gemeinden hat dies zur Konsequenz, dass - von wenigen, wohl nur theoretisch denkbaren Ausnahmen abgesehen - statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben erhoben werden muss (gesplittete Abwassergebühr). Ein unverhältnismäßiger und damit nicht mehr zu vertretender finanzieller Kostenaufwand ist damit nicht verbunden (ebenso Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009, aaO; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). So besteht für die Beklagte insbesondere die Möglichkeit, die an die Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner zu ermitteln und sich auf eine stichprobenweise Überprüfung zu beschränken.
37 
In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass die Kosten für die Erstellung der Gebührenkalkulation durch ein von der Gemeinde beauftragtes Beratungsbüro oder einen anderen Dritten einschließlich der Kosten der dafür notwendigen Vorarbeiten Teil der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG ansatzfähigen Kosten sind. Zu den nach dieser Vorschrift gebührenfähigen Kosten gehören zwar nur die „Kosten der Einrichtung“, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht worden sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Erstellung der Gebührenkalkulation mit der eigentlichen Leistung, die durch die öffentliche Einrichtung erbracht wird, nur in einem mittelbaren Zusammenhang steht. Die Rechtfertigung für eine Abwälzung der dadurch entstehenden Kosten auf sämtliche Gebührenschuldner ergibt sich jedoch aus der Überlegung, dass es sich dabei um für die Realisierung des Gebührenanspruchs der Gemeinde notwendige Kosten handelt. Denn das durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung seitens des Bürgers eingeleitete Austauschverhältnis kann grundsätzlich nur dann korrekt abgewickelt werden, wenn die Gemeinde den Satz der für die Benutzung zu entrichtenden Gebühren auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation in ihrer Satzung festlegt (in dieser Richtung bereits das Normenkontrollurteil des Senats vom 13.05.1997 - 2 S 3246/94 - BWGZ 1997, 890; ebenso VG Freiburg, Urteil vom 10.12.2003 - 7 K 420/02 - Juris; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 RdNr. 733a, S. 473). An der in seinem Normenkontrollbeschluss vom 27.02.1996 - 2 S 1407/94 - (NVwZ-RR 1996, 593) beiläufig geäußerten Auffassung, dass die Kosten für die Erstellung der erforderlichen Gebührenkalkulation nicht zu den auf die Gebührenschuldner abwälzbaren Kosten der Einrichtung gehörten, hält der Senat deshalb nicht fest.
38 
4. Ob die Satzung der Beklagten vom 09.11.2006 auch deshalb zu beanstanden ist, weil die Beklagte in die dieser Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 eingestellt hat, deren Berechnung - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auf einem zu niedrigen Ansatz des Straßenentwässerungsanteils beruht, bedarf danach keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die der Beklagten offenstehende Möglichkeit, die aus den oben genannten Gründen nichtige Satzung vom 09.11.2006 rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen, die statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben vorsieht, sowie im Hinblick auf künftige Streitfälle zwischen den Beteiligten sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden, diese Frage betreffenden Bemerkungen veranlasst.
39 
a) Zu der bis zum 31.03.2005 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F., die thematisch der heutigen Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG entspricht, hat der Senat in seinem Urteil vom 27.01.2003 - 2 S 2587/00 - (VBlBW 2003, 322) entschieden, die Vorschrift beziehe sich lediglich auf Über- und Unterdeckungen, die sich am Ende eines Bemessungszeitraums auf Grund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben. Nicht unter § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. fielen dagegen - schon seinem Wortlaut nach - solche Über- und Unterdeckungen, die sich aus der nachträglichen Feststellung überhöhter Gebührensatzregelungen ergäben. An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.
40 
§ 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. wurde 1986 auf Empfehlung des Innenausschusses in das Kommunalabgabengesetz eingefügt. Wie sich aus dem Bericht des Innenausschusses (LT-Drs. 9/3305, S. 10) ergibt, hat sich der Gesetzgeber dabei von der Überlegung leiten lassen, dass eine Gebührenkalkulation nur prognostischen Charakter haben kann und dementsprechend immer mit bestimmten Unsicherheiten verbunden ist. Die in die Kalkulation eingestellten Annahmen über die voraussichtlich entstehenden Kosten der Einrichtung und den voraussichtlichen Umfang ihrer Benutzung werden deshalb kaum einmal mit den tatsächlich entstehenden Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung übereinstimmen. Etwaige sich daraus ergebende Kostenüberdeckungen sollte die Gemeinde nach dem Willen des Landesgesetzgebers nicht für sich behalten dürfen, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre an die Gebührenschuldner zurückgeben müssen. Die Gemeinde sollte aber umgekehrt auch das Recht erhalten, sich aus den genannten Abweichungen ergebende Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums durch eine entsprechende Erhöhung der Gebühren ausgleichen zu dürfen.
41 
Eine Korrektur fehlerhafter Kalkulationen ist danach von § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. nicht bezweckt. Die Vorschrift ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur für solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen gilt, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, d.h. daraus dass die geschätzten Kosten der Einrichtung und der geschätzte Umfang ihrer Benutzung von den tatsächlichen Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung abweichen. § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. bezieht sich dagegen nicht auf solche Kostenüberdeckungen, die sich daraus ergeben, dass in die Kalkulation Kosten eingestellt wurden, die nicht oder nicht in dieser Höhe ansatzfähig sind. Die Vorschrift erlaubt umgekehrt aber auch keinen Ausgleich von Kostenunterdeckungen, die daraus folgen, dass bestimmte ansatzfähige Kosten in die Kalkulation überhaupt nicht oder nicht in der gesetzlich zulässigen Höhe eingestellt worden sind.
42 
b) Das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.03.2005 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Der an die Stelle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. getretene § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 legt wie sein Vorgänger fest, dass Kostenüberdeckungen innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden müssen und Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums ausgeglichen werden können. § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 stellt darüber hinaus klar, wie Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen zu bestimmen sind, nämlich - so die damalige Fassung dieser Vorschrift - durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „Gesamtkosten“. Dass über diese Klarstellung hinaus auch eine Änderung der bis dahin geltenden und durch das Urteil des Senats vom 27.01.2003 verdeutlichten Rechtslage beabsichtigt war, kann weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 13/3966, S. 47) entnommen werden.
43 
c) Die durch das Gesetz vom 09.05.2009 erfolgte Änderung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 nötigt dagegen für die Zeit ab dem Inkrafttreten dieser Änderung zu einer Korrektur der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Nach der Neufassung der Vorschrift ist nunmehr zur Feststellung von Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen ein Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „ansatzfähigen Gesamtkosten“ vorzunehmen. Die zu § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a. F. vertretene Auffassung, dass diese Regelung nicht die Korrektur fehlerhafter Gebührenkalkulationen bezwecke, sondern sich nur auf solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen beziehe, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, kann angesichts des geänderten Wortlauts auf § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 nicht übertragen werden. Die sich aus einem solchen Verständnis der Vorschrift ergebende Konsequenz ist, dass unter der Geltung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 beschlossene Gebührensatzungen durch in der Vergangenheit unterlaufene und unter Umständen lange zurückliegende Fehler bei früheren Gebührenkalkulationen infiziert werden können. Durch die in § 49 Abs. 2 KAG getroffene Anordnung, nach der § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 auch auf früher entstandene Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen Anwendung findet, verschärfen sich die damit verbundenen Probleme. Ob der Gesetzgeber sich dieser Konsequenz bewusst war, die seinen in anderer Hinsicht unternommenen Bestrebungen zuwiderläuft, die Bestandskraft von Abgabensatzungen im Interesse der Rechtssicherheit zu erhöhen, lässt sich bezweifeln. Der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 14/4002, S. 70) kann dazu jedenfalls nichts entnommen werden. Das enthebt den Senat jedoch nicht der Verpflichtung, sich bei der Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 in erster Linie an dessen Wortlaut zu halten.
44 
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte bei einem etwaigen, von ihr für erforderlich gehaltenen Neuerlass einer Satzung für das Jahr 1999 die Gebühren unter Berücksichtigung der geänderten Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 zu kalkulieren hat. Ob es in den vor 1999 liegenden fünf Jahren zu dabei berücksichtigungsfähigen Kostenunterdeckungen gekommen ist, ist somit an Hand eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen in dem jeweiligen Jahr und der Summe der in diesem Jahr angefallenen ansatzfähigen Gesamtkosten festzustellen. Der in den Gebührenkalkulationen für die Jahre 1994 und 1995 fehlerhaft angesetzte Straßenentwässerungsanteil ist danach entsprechend zu korrigieren.
45 
Für die Nachkalkulation darf schließlich noch an die Entscheidung des Senats vom 15.02.2008 - 2 S 2559/05 - (VBlBW 2008, 350) erinnert werden. Danach ist der Ausgleich einer Kostenunterdeckung nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch dann ausgeschlossen, wenn diese überhaupt (oder mit einem höheren Betrag) erst nach Ablauf des zitierten Zeitraums erkannt wird. Der Ablauf der Fünfjahresfrist schafft für die Gemeinde und die Gebührenpflichtigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Spätere Nachholungen sind ausgeschlossen, der entstandene Fehlbetrag ist dann endgültig aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren. Diese Ausführungen gelten auch für den Ausgleich von Überdeckungen; nach Ablauf von fünf Jahren nach Ende des Kalkulationszeitraums sind nicht abgewickelte Überdeckungen nicht mehr zu berücksichtigen (so auch: Giebler, KStZ 2007, 167, 172).
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130,99 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
50 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Für die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser (Schmutz- und Niederschlagswasser) im hier maßgeblichen Jahr 1999 fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die einschlägige Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 (im Folgenden: AbwS) ist nichtig. Denn sie enthält für die Gebührenerhebung keine gültige Maßstabsregelung, wie sie § 2 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996 (im Folgenden: KAG 1996) als Mindestinhalt einer Satzung fordert.
20 
Nach §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 AbwS wird die Abwassergebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser einheitlich nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem angeschlossenen Grundstück anfällt. Als angefallene Abwassermenge gilt dabei bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch abzüglich der nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassermengen. Die Satzung sieht damit als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstößt angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip.
21 
1. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat den Gemeinden und Landkreisen für den gemäß § 2 Abs. 1 KAG 1996 in der Satzung festzulegenden Gebührenmaßstab keine einfachgesetzlichen Beschränkungen auferlegt. Das ortsgesetzgeberische Ermessen der Gemeinden und Landkreise ist jedoch durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip eingeschränkt. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt als solcher, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2008 - 2 S 623/06 - AbfallR 2009, 44).
22 
Das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip bildet damit eine Obergrenze für die Gebührenbemessung. Unterhalb dieser Obergrenze ist die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln sind, dass sie dem unterschiedlichen Ausmaß der erbrachten Leistungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt. Das Willkürverbot belässt damit dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es verbietet nur eine willkürliche Ungleichbehandlung (wesentlich) gleicher Sachverhalte und die willkürliche Gleichbehandlung (wesentlich) ungleicher Sachverhalte. Die hierdurch gezogenen Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit überschreitet der Satzungsgeber erst dann, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenze ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen, nicht aber die Frage, ob der Satzungsgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. zum Ganzen: Rieger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 6 RdNr. 591).
23 
Nach allgemeiner Ansicht dürfen Benutzungsgebühren nicht nur nach dem konkret nachgewiesenen Umfang der jeweiligen Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung (Wirklichkeitsmaßstab), sondern auch nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden. Die Rechtfertigung für die Verwendung eines solchen pauschalierenden Maßstabs ergibt sich aus der Notwendigkeit eines praktikablen, wenig kostenaufwändigen und damit auch den Gebührenzahlern zugute kommenden Erhebungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995, aaO). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf aber nicht offensichtlich ungeeignet sein, d.h. er muss Umständen oder Verhältnissen entnommen worden sein, die mit der Art der Benutzung in Zusammenhang stehen, und auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die für die Regel in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2000 - 2 S 132/00 - VBlBW 2001, 21).
24 
2. Bei dem von der Beklagten gewählten (einheitlichen) Frischwassermaßstab wird die Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers nach der Menge des bezogenen Frischwassers bemessen. Dieser Maßstab beruht auf der Annahme, dass die auf einem Grundstück bezogene Frischwassermenge im Regelfall in einem ungefähr gleichen Verhältnis zur Menge des anfallenden Abwassers steht (vgl. zuletzt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472). Diese Annahme trifft unzweifelhaft hinsichtlich des Schmutzwassers zu, weil die Menge des Frischwassers, die einem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück zugeführt wird, jedenfalls typischerweise weitgehend der in die Kanalisation eingeleiteten Abwassermenge entspricht.
25 
Was das Niederschlagswasser betrifft, kann das Gleiche dagegen nicht gesagt werden, weil der Frischwasserverbrauch keinen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - KStZ 2008, 74; Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009 - 5 A 631/08 - KStZ 2009, 235). Denn der Frischwasserverbrauch ist regelmäßig bei Wohnbebauung personen- und bei Gewerbegrundstücken produktionsabhängig, während die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers - außer von der Menge des Niederschlags - von der Größe des Grundstücks sowie der Oberflächengestaltung abhängig ist. Ein verlässlicher Zusammenhang zwischen Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem Grundstück zu entsorgenden Niederschlagswassermenge besteht demnach zumindest in aller Regel nicht. Die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden (unten a). Sie kann ferner nicht mit der Erwägung als rechtmäßig angesehen werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12.06.1972 - VII B 117.70 - KStZ 1973, 92; Beschluss vom 25.03.1985 - 8 B 11.84 - NVwZ 1985, 496 mwN) als auch nach der des erkennenden Senats (Urteil vom 27.10.1993 - 2 S 199/80 - VBlBW 1984, 346) eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind (unten b).
26 
a) Im Benutzungsgebührenrecht ist ebenso wie im sonstigen Abgabenrecht auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit abzustellen, der es dem Satzungsgeber gestattet, bei Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fällen dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2005 - 10 BN 2.05 - Juris; Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36).
27 
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann nicht angenommen werden, dass der einheitliche Frischwassermaßstab im Allgemeinen und damit in 90 % aller Fälle zu einer in etwa gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen führt. Es ist mit anderen Worten nicht davon auszugehen, dass im „Regelfall“ auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets das Verhältnis zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der nach dem Frischwasserverbrauch berechneten Schmutzwassermenge (so) weitgehend vergleichbar ist, dass es aus diesem Grund einer gesonderten Berechnung der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nicht bedarf.
28 
Zwar hat der erkennende Senat bislang den einheitlichen Frischwassermaßstab auch zur Erfassung der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers als geeignet angesehen, wenn das Satzungsgebiet durch eine im entwässerungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig homogene Bebauungsstruktur mit wenig verdichteter Wohnbebauung und ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt ist (Urteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden könne, wenn in einer Gemeinde für mindestens 90 % der angeschlossenen Grundstücke die Entwässerungsverhältnisse in etwa gleich seien. Insoweit handelt es sich bei dem Kriterium einer homogenen Siedlungsstruktur um nichts anderes als eine konkretisierte Ausprägung des oben dargelegten Grundsatzes der Typengerechtigkeit (so zutreffend Quaas, VBlBW 2006, 175, 176). Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, im Regelfall könne bei Gemeinden mit 60.000 bis 80.000 Einwohnern noch von einer homogenen Siedlungsstruktur im genannten Sinne ausgegangen werden. An dieser Auffassung hält der Senat nicht mehr fest. Eine Vergleichbarkeit zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der Schmutzwassermenge auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets dürfte nach den heutigen Verhältnissen die absolute Ausnahme bilden. Auch für das Gebiet der Beklagten, einer Gemeinde mit sechs Teilorten und ca. 6.200 Einwohnern, liegt eine solche Ausnahme nicht vor.
29 
Die Anzahl der Bewohner auf den Grundstücken des jeweiligen Satzungsgebiets, die maßgeblich die Menge des einem Grundstück zugeführten Frischwassers beeinflusst, ist - unter den hiesigen modernen Lebensverhältnissen - so unterschiedlich, dass ein vorherrschender, mindestens 90 % der Fälle erfassender „Regeltyp“ mit annähernd gleicher Relation zwischen Frischwasserverbrauch je Grundstück und hiervon abgeleitetem Niederschlagswasser nicht erkennbar ist. Die Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers wird bestimmt durch die Größe der versiegelten Grundstücksflächen, die sich nach der Kubatur der Baukörper und dem Vorhandensein weiterer befestigter Flächen - wie etwa Stellplätze, Terrassen - richtet. Dagegen wird die Menge des Abwassers im Falle der Wohnbebauung ganz wesentlich durch die Zahl der auf dem Grundstück vorhandenen Haushalte und die Zahl der zu den Haushalten gehörenden Personen beeinflusst. Bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken, die erfahrungsgemäß einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, kommt es auf die Art der gewerblichen und industriellen Nutzung und die Höhe des damit verbundenen Frischwasserverbrauchs an. Deshalb sind sowohl gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke als auch Grundstücke mit stark verdichteter Wohnbebauung (z.B. Hochhäuser) im Hinblick auf die Relation zwischen Frischwasserverbrauch und abgeleitetem Niederschlagswasser von vornherein als atypisch anzusehen. Vor diesem Hintergrund kommen als Grundstücke mit „vergleichbaren Entwässerungsverhältnissen“ naturgemäß lediglich die die Wohnbebauung prägenden Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke in Betracht. Aber selbst Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke weisen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine derart uneinheitliche Haushaltsgröße und daraus folgend einen derart unterschiedlichen Wasserverbrauch auf, dass nicht mehr von einer annähernd vergleichbaren Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann.
30 
Einfamilienhäuser werden zwar überwiegend von Familien mit Kindern bewohnt. Schon die Anzahl der Kinder in den Haushalten variiert aber mit der Folge eines stark unterschiedlichen Wasserverbrauchs. Davon abgesehen werden Einfamilienhäuser auch nicht selten nur von einer oder zwei Personen bewohnt, weil z.B. ein Ehepartner verstorben ist oder die Parteien sich infolge einer Scheidung getrennt haben oder die (erwachsenen) Kinder das Elternhaus verlassen haben (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). Diese Einschätzung wird durch die vom Senat beim Baden-Württembergischen Landesamt für Statistik ermittelten Zahlen (Mikrozensus 2006) für das Land Baden-Württemberg belegt. Danach gibt es in Baden-Württemberg insgesamt 1.088.000 Haushalte in Einfamilienhäusern (Wohngebäude mit einer Wohneinheit), die sich wie folgt aufteilen: 186.000 Haushalte mit einer Person (= 17,10 %), 412.000 Haushalte mit zwei Personen (= 37,87 %), 183.000 Haushalte mit drei Personen (= 16,2 %), 217.000 Haushalte mit vier Personen (= 19,94 %) sowie 90.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen (= 8,27 %). Auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 02.09.2009, aaO) ermittelten Daten für das Land Hessen zeigen eine in etwa vergleichbare Verteilung der Haushaltsgrößen in Einfamilienhäusern; danach werden Einfamilienhäuser in 19,22 % von Haushalten mit einer Person, in 40,28 % von Haushalten mit zwei Personen, in 17,57 % von Haushalten mit drei Personen, in 16,72 % von Haushalten mit vier Personen und in 6,21 % der Fälle von Haushalten mit fünf und mehr Personen bewohnt.
31 
Diese für die Länder Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Daten bestätigen eindrucksvoll, dass generell von einer Homogenität der Haushaltsgröße auch für den Bereich von Einfamilienhäusern nicht gesprochen werden kann. Diese Aussage kann auch ohne weiteres auf das Gemeindegebiet der Beklagten übertragen werden. Dafür, dass sich im Gemeindegebiet der Beklagten die Verhältnisse nennenswert anders darstellen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Beklagte hat in dieser Richtung nichts vorgetragen.
32 
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass bereits im Bereich der Einfamilienhäuser durch die Streuung der Haushaltsgrößen ein stark unterschiedlicher Frischwasserverbrauch festzustellen ist, der bei ansonsten gleichen Verhältnissen zu gravierenden Unterschieden bei der Höhe der veranlagten Gebühren für den Anteil der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung führt. Wird ein Einfamilienhaus von einer Einzelperson bewohnt, entfällt auf dieses Grundstück nach der Gebührensatzung der Beklagten für das Jahr 1999 bei einem durchschnittlich angenommenen Jahresfrischwasserverbrauch von 40 m 3 und einem Gebührensatz von 4,20 DM eine Abwassergebühr von 168,-- DM. Wird das gleiche Einfamilienhaus dagegen von einem Vier-Personen-Haushalt bewohnt, entfällt auf das Grundstück - trotz derselben versiegelten Fläche - bei einem unterstellten Jahresfrischwasserverbrauch von wiederum 40 m 3 je Person eine Abwassergebühr von 672,-- DM. Unterstellt man ferner einen Anteil von lediglich 25 % der Gesamtkosten für die Niederschlagswasserentsorgung (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %) und geht damit bei einer Abwassergesamtgebühr von 4,20 DM je Kubikmeter von einem Anteil für die Beseitigung des Niederschlagswassers von 1,05 DM je Kubikmeter aus, so zahlt der Ein-Personen-Haushalt dafür 42,-- DM, der Vier-Personen-Haushalt bei gleicher Versiegelungsfläche dagegen 168,-- DM. Das hier aufgeführte Beispiel zeigt, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit vergleichbarem Umfang an Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, unter anderem Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge in etwa gleich ist.
33 
Die dargestellte Uneinheitlichkeit der Haushaltsgrößen und damit die unterschiedliche Nutzungsintensität gilt auch für Zweifamilienhäuser. Nach den Daten des Baden-Württembergischen Landesamtes für Statistik (Mikrozensus 2006) teilen sich die Haushaltsgrößen in den 503.000 Wohngebäuden mit zwei Wohneinheiten wie folgt auf: 134.000 Haushalte mit einer Person, 195.000 Haushalte mit zwei Personen, 68.000 Haushalte mit drei Personen, 77.000 Haushalte mit vier Personen sowie 29.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die versiegelte Fläche bei Zweifamilienhäusern im Vergleich zu Einfamilienhäusern nach allgemeiner Lebenserfahrung zwar erhöht, aufgrund der Kubatur von Zweifamilienhäusern allerdings keine entsprechende Verdoppelung der versiegelten Flächen angenommen werden kann.
34 
b) Die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der des erkennenden Senats eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind. Als geringfügig in diesem Sinne sehen das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 12.06.1972 und vom 25.03.1985, aaO) sowie der erkennende Senat (Urteil vom 27.10.1993, aaO) diese Kosten dann an, wenn ihr Anteil an den Kosten der gesamten Entwässerung nicht mehr als 12 % beträgt.
35 
Nach den Veröffentlichungen in der Fachliteratur ist von den gesamten Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung zu veranschlagen (vgl. etwa Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %; Hennebrüder, KStZ 2007, 184 - unter Bezugnahme auf Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 % liegt). Darüber hinaus hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass der Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung in ihrem Gebiet noch als geringfügig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen ist.
36 
3. Für die Gemeinden hat dies zur Konsequenz, dass - von wenigen, wohl nur theoretisch denkbaren Ausnahmen abgesehen - statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben erhoben werden muss (gesplittete Abwassergebühr). Ein unverhältnismäßiger und damit nicht mehr zu vertretender finanzieller Kostenaufwand ist damit nicht verbunden (ebenso Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009, aaO; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). So besteht für die Beklagte insbesondere die Möglichkeit, die an die Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner zu ermitteln und sich auf eine stichprobenweise Überprüfung zu beschränken.
37 
In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass die Kosten für die Erstellung der Gebührenkalkulation durch ein von der Gemeinde beauftragtes Beratungsbüro oder einen anderen Dritten einschließlich der Kosten der dafür notwendigen Vorarbeiten Teil der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG ansatzfähigen Kosten sind. Zu den nach dieser Vorschrift gebührenfähigen Kosten gehören zwar nur die „Kosten der Einrichtung“, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht worden sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Erstellung der Gebührenkalkulation mit der eigentlichen Leistung, die durch die öffentliche Einrichtung erbracht wird, nur in einem mittelbaren Zusammenhang steht. Die Rechtfertigung für eine Abwälzung der dadurch entstehenden Kosten auf sämtliche Gebührenschuldner ergibt sich jedoch aus der Überlegung, dass es sich dabei um für die Realisierung des Gebührenanspruchs der Gemeinde notwendige Kosten handelt. Denn das durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung seitens des Bürgers eingeleitete Austauschverhältnis kann grundsätzlich nur dann korrekt abgewickelt werden, wenn die Gemeinde den Satz der für die Benutzung zu entrichtenden Gebühren auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation in ihrer Satzung festlegt (in dieser Richtung bereits das Normenkontrollurteil des Senats vom 13.05.1997 - 2 S 3246/94 - BWGZ 1997, 890; ebenso VG Freiburg, Urteil vom 10.12.2003 - 7 K 420/02 - Juris; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 RdNr. 733a, S. 473). An der in seinem Normenkontrollbeschluss vom 27.02.1996 - 2 S 1407/94 - (NVwZ-RR 1996, 593) beiläufig geäußerten Auffassung, dass die Kosten für die Erstellung der erforderlichen Gebührenkalkulation nicht zu den auf die Gebührenschuldner abwälzbaren Kosten der Einrichtung gehörten, hält der Senat deshalb nicht fest.
38 
4. Ob die Satzung der Beklagten vom 09.11.2006 auch deshalb zu beanstanden ist, weil die Beklagte in die dieser Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 eingestellt hat, deren Berechnung - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auf einem zu niedrigen Ansatz des Straßenentwässerungsanteils beruht, bedarf danach keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die der Beklagten offenstehende Möglichkeit, die aus den oben genannten Gründen nichtige Satzung vom 09.11.2006 rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen, die statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben vorsieht, sowie im Hinblick auf künftige Streitfälle zwischen den Beteiligten sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden, diese Frage betreffenden Bemerkungen veranlasst.
39 
a) Zu der bis zum 31.03.2005 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F., die thematisch der heutigen Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG entspricht, hat der Senat in seinem Urteil vom 27.01.2003 - 2 S 2587/00 - (VBlBW 2003, 322) entschieden, die Vorschrift beziehe sich lediglich auf Über- und Unterdeckungen, die sich am Ende eines Bemessungszeitraums auf Grund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben. Nicht unter § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. fielen dagegen - schon seinem Wortlaut nach - solche Über- und Unterdeckungen, die sich aus der nachträglichen Feststellung überhöhter Gebührensatzregelungen ergäben. An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.
40 
§ 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. wurde 1986 auf Empfehlung des Innenausschusses in das Kommunalabgabengesetz eingefügt. Wie sich aus dem Bericht des Innenausschusses (LT-Drs. 9/3305, S. 10) ergibt, hat sich der Gesetzgeber dabei von der Überlegung leiten lassen, dass eine Gebührenkalkulation nur prognostischen Charakter haben kann und dementsprechend immer mit bestimmten Unsicherheiten verbunden ist. Die in die Kalkulation eingestellten Annahmen über die voraussichtlich entstehenden Kosten der Einrichtung und den voraussichtlichen Umfang ihrer Benutzung werden deshalb kaum einmal mit den tatsächlich entstehenden Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung übereinstimmen. Etwaige sich daraus ergebende Kostenüberdeckungen sollte die Gemeinde nach dem Willen des Landesgesetzgebers nicht für sich behalten dürfen, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre an die Gebührenschuldner zurückgeben müssen. Die Gemeinde sollte aber umgekehrt auch das Recht erhalten, sich aus den genannten Abweichungen ergebende Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums durch eine entsprechende Erhöhung der Gebühren ausgleichen zu dürfen.
41 
Eine Korrektur fehlerhafter Kalkulationen ist danach von § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. nicht bezweckt. Die Vorschrift ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur für solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen gilt, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, d.h. daraus dass die geschätzten Kosten der Einrichtung und der geschätzte Umfang ihrer Benutzung von den tatsächlichen Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung abweichen. § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. bezieht sich dagegen nicht auf solche Kostenüberdeckungen, die sich daraus ergeben, dass in die Kalkulation Kosten eingestellt wurden, die nicht oder nicht in dieser Höhe ansatzfähig sind. Die Vorschrift erlaubt umgekehrt aber auch keinen Ausgleich von Kostenunterdeckungen, die daraus folgen, dass bestimmte ansatzfähige Kosten in die Kalkulation überhaupt nicht oder nicht in der gesetzlich zulässigen Höhe eingestellt worden sind.
42 
b) Das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.03.2005 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Der an die Stelle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. getretene § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 legt wie sein Vorgänger fest, dass Kostenüberdeckungen innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden müssen und Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums ausgeglichen werden können. § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 stellt darüber hinaus klar, wie Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen zu bestimmen sind, nämlich - so die damalige Fassung dieser Vorschrift - durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „Gesamtkosten“. Dass über diese Klarstellung hinaus auch eine Änderung der bis dahin geltenden und durch das Urteil des Senats vom 27.01.2003 verdeutlichten Rechtslage beabsichtigt war, kann weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 13/3966, S. 47) entnommen werden.
43 
c) Die durch das Gesetz vom 09.05.2009 erfolgte Änderung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 nötigt dagegen für die Zeit ab dem Inkrafttreten dieser Änderung zu einer Korrektur der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Nach der Neufassung der Vorschrift ist nunmehr zur Feststellung von Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen ein Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „ansatzfähigen Gesamtkosten“ vorzunehmen. Die zu § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a. F. vertretene Auffassung, dass diese Regelung nicht die Korrektur fehlerhafter Gebührenkalkulationen bezwecke, sondern sich nur auf solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen beziehe, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, kann angesichts des geänderten Wortlauts auf § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 nicht übertragen werden. Die sich aus einem solchen Verständnis der Vorschrift ergebende Konsequenz ist, dass unter der Geltung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 beschlossene Gebührensatzungen durch in der Vergangenheit unterlaufene und unter Umständen lange zurückliegende Fehler bei früheren Gebührenkalkulationen infiziert werden können. Durch die in § 49 Abs. 2 KAG getroffene Anordnung, nach der § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 auch auf früher entstandene Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen Anwendung findet, verschärfen sich die damit verbundenen Probleme. Ob der Gesetzgeber sich dieser Konsequenz bewusst war, die seinen in anderer Hinsicht unternommenen Bestrebungen zuwiderläuft, die Bestandskraft von Abgabensatzungen im Interesse der Rechtssicherheit zu erhöhen, lässt sich bezweifeln. Der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 14/4002, S. 70) kann dazu jedenfalls nichts entnommen werden. Das enthebt den Senat jedoch nicht der Verpflichtung, sich bei der Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 in erster Linie an dessen Wortlaut zu halten.
44 
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte bei einem etwaigen, von ihr für erforderlich gehaltenen Neuerlass einer Satzung für das Jahr 1999 die Gebühren unter Berücksichtigung der geänderten Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 zu kalkulieren hat. Ob es in den vor 1999 liegenden fünf Jahren zu dabei berücksichtigungsfähigen Kostenunterdeckungen gekommen ist, ist somit an Hand eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen in dem jeweiligen Jahr und der Summe der in diesem Jahr angefallenen ansatzfähigen Gesamtkosten festzustellen. Der in den Gebührenkalkulationen für die Jahre 1994 und 1995 fehlerhaft angesetzte Straßenentwässerungsanteil ist danach entsprechend zu korrigieren.
45 
Für die Nachkalkulation darf schließlich noch an die Entscheidung des Senats vom 15.02.2008 - 2 S 2559/05 - (VBlBW 2008, 350) erinnert werden. Danach ist der Ausgleich einer Kostenunterdeckung nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch dann ausgeschlossen, wenn diese überhaupt (oder mit einem höheren Betrag) erst nach Ablauf des zitierten Zeitraums erkannt wird. Der Ablauf der Fünfjahresfrist schafft für die Gemeinde und die Gebührenpflichtigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Spätere Nachholungen sind ausgeschlossen, der entstandene Fehlbetrag ist dann endgültig aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren. Diese Ausführungen gelten auch für den Ausgleich von Überdeckungen; nach Ablauf von fünf Jahren nach Ende des Kalkulationszeitraums sind nicht abgewickelte Überdeckungen nicht mehr zu berücksichtigen (so auch: Giebler, KStZ 2007, 167, 172).
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130,99 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
50 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 - 1 K 1568/10 - geändert. Die Klage auf Zurückzahlung entrichteter Abwassergebühren wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 und begehrt die Rückzahlung geleisteter Abwassergebühren.
Die Klägerin ist eine sich in Liquidation befindende GmbH. Bis zu ihrer Auflösung, die am 15.07.2010 in das Handelsregister eingetragen wurde, stellte sie auf dem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück ... Fruchtsaft, Fruchtsaftkonzentrate, Fruchtnektare sowie Fruchtsaftgetränke her.
Die Beklagte betrieb die Beseitigung des in ihrem Gebiet angefallenen Abwassers zunächst gemäß § 1 Abs. 1 ihrer am 01.01.2002 in Kraft getretenen Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 als öffentliche Einrichtung. Für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen erhob sie Abwassergebühren. Bei Grundstücken, die an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossen sind, wurde die Gebühr einheitlich nach der auf dem Grundstück anfallenden Abwassermenge bemessen (§ 37 Abs. 1 AbwS). Als angefallene Abwassermenge galt die dem Grundstück in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 AbwS). Die Gebühr betrug zunächst 3,04 EUR je m³ Abwasser (§ 41 Abs. 1 AbwS). Die Gebühr wurde mit Änderungssatzung vom 22.02.2005 mit Wirkung zum 01.01.2005 auf 3,54 EUR je m³ Abwasser erhöht.
Die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 war Gegenstand eines von der Fa. ... am 23.12.2002 eingeleiteten Normenkontrollverfahrens. Deren Antrag, die Satzung für nichtig zu erklären, wurde mit Urteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) abgewiesen. Die Beklagte beschloss am 16.09.2014 rückwirkend eine neue Abwassersatzung für die Jahre 2008 und 2009.
Mit Bescheiden vom 31.12.2008 zog die Beklagte die Klägerin auf der Grundlage ihrer Satzung vom 11.12.2001/22.02.2005 zu Abwassergebühren für das Jahr 2008 in Höhe von 26.008,38 EUR (Kunden-Nr. ...) und 10.152,72 EUR (Kunden-Nr. ...) heran. Sie legte dabei einen Frischwasserverbrauch von 7.347 m³ bzw. 2.868 m³ zu Grunde.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2009 "vorsorglich" Widerspruch ein und beantragte ferner, das von ihr im Jahr 2008 nicht eingeleitete Abwasser bei der Bemessung der Abwassergebühren abzusetzen. Zur Begründung führte sie aus, von der an der Entnahmestelle "Keller" entnommenen Trinkwassermenge von 7.347 m³ seien mindestens 3.294,72 m³, von den an der Entnahmestelle "Abfüllerei" entnommenen Trinkwassermenge von 2.868 m³ mindestens 1.281,28 m³ nicht in die gemeindliche Kanalisation eingeleitet, sondern zur Herstellung von Fruchtsäften verwendet worden.
Mit Bescheid vom 06.04.2010 wies das Landratsamt Schwäbisch Hall den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Nach § 40 AbwS würden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet worden seien, auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühren abgesetzt. Der Nachweis könne auf verallgemeinerungsfähige Erfahrungswerte oder, wenn solche Werte fehlten, durch ein Einzelgutachten geführt werden, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaube. Bei Fruchtsaftbetrieben fehle es wegen der unterschiedlichen Produktionsweisen an allgemeinen Erfahrungswerten. Die nicht eingeleiteten Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht. Eine Vereinbarung über die Höhe der Absetzung des nicht eingeleiteten Abwassers sei nicht zustande gekommen, da die Klägerin die vorbereitete Vergleichsberechnung vom Februar 2006 nicht unterzeichnet habe.
Die Klägerin hat am 02.05.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und zuletzt beantragt, - 1. - die Gebührenbescheide vom 31.12.2008 und den Widerspruchsbescheid aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die nicht als Abwasser eingeleiteten Trinkwassermengen bei der Bemessung der Abwassergebühren für das Jahr 2008 abzusetzen, sowie - 2. - die Beklagte zu verpflichten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR an sie, hilfsweise an die Fa. ..., Inhaberin ..., zu erstatten. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie bestehe als Liquidationsgesellschaft fort und sei daher weiterhin parteifähig. Nach dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 01.03.2010 verstoße die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Die diesen Maßstab verwendende Abwassersatzung der Beklagten sei deshalb nichtig. Die angefochtenen Bescheide seien somit aufzuheben und die bereits bezahlten Beträge zu erstatten. Die Ansprüche auf Rückzahlung der für 2008 bezahlten Abwassergebühren seien an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten worden. Die Fa. ... habe aber sie, die Klägerin, ermächtigt, die Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Klägerin sei ausweislich des Handelsregisters aufgelöst und deshalb nicht mehr parteifähig. Da die Klägerin in einem anderen Verfahren vorgetragen habe, sie sei nicht mehr Anschlussnehmer für die beide Trinkwasseranschlüsse, sei außerdem von einem Wegfall der Aktivlegitimation auszugehen. Im Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide habe noch die frühere Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg gegolten, wonach der Frischwassermaßstab einen tauglichen Maßstab für die Erhebung von Abwassergebühren darstelle. Bei Fruchtsaftbetrieben wie dem der Klägerin fehle es an verallgemeinerungsfähigen Erfahrungswerten über die nicht eingeleiteten Abwassermengen. Diese Abwassermengen müssten deshalb durch ein einzelfallbezogenes Gutachten nachgewiesen werden. Einen solchen Nachweis habe die Klägerin bisher nicht erbracht.
10 
Mit Urteil vom 17.02.2011 hat das Verwaltungsgericht die Abwassergebührenbescheide vom 31.12.2008 sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die entrichteten Abwassergebühren in Höhe von 18.080,55 EUR an die Klägerin zurückzuzahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, einer gelöschten GmbH sei die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden seien. Die Klage sei zulässig. Auch wenn die Klägerin aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden sei, habe sie deshalb ihre Beteiligtenfähigkeit nicht verloren. Die danach zulässige Klage sei auch begründet. Für die Heranziehung der Klägerin zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser fehle es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 11.12.2001 in der Fassung vom 22.02.2005 sei nichtig, da sie keine gültige Maßstabsregelung enthalte. Die Satzung sehe als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den einheitlichen Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip. Dass der VGH Baden-Württemberg den Antrag der Klägerin, die Abwassersatzung der Beklagten vom 11.12.2001 für nichtig zu erklären, mit Urteil vom 07.10.2004 abgelehnt habe, hindere eine inzidente Überprüfung der Satzung nicht. Die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle u. a., wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der VGH Baden-Württemberg mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße. Die angefochtenen Gebührenbescheide seien danach rechtswidrig und aufzuheben. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag sei damit entbehrlich. Die Aufhebung der Gebührenbescheide beseitige den Rechtsgrund für die Zahlungen der Klägerin an die Beklagte. Die Klägerin habe deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO einen Anspruch auf Erstattung des geleisteten Betrags.
11 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 23.05.2011 zugelassene Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts fehle es der Klägerin an der Aktivlegitimation. Die Klägerin sei seit 15.07.2010 gelöscht. Es sei zudem von der Vermögenslosigkeit der Klägerin auszugehen, da sie nach ihren eigenen Angaben ihre Ansprüche auf Rückzahlung der für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren abgetreten habe. Eine vermögenslose Gesellschaft könne auch in gewillkürter Prozessstandschaft nicht klagen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit seinem Urteil vom 07.10.2004 festgestellt, dass aufgrund der Homogenität der Bebauung auf dem Gebiet der Stadt die Gebührenkalkulation auch im Hinblick darauf nicht zu beanstanden sei, als der Anteil der Kosten für die Beseitigung des Niederschlagswassers offenbar unter 12 % liege. An den örtlichen Verhältnissen habe sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
12 
In einer ersten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.09.2011 sind u.a. Vergleichsmöglichkeiten dem Grunde nach sondiert und nach Schließung der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich weiterverfolgt worden. Nach deren vorläufigem Scheitern hat der Senat die mündliche Verhandlung wieder eröffnet und am 09.10.2014 eine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin hat die Klägerin ausgeführt, die von ihr erklärte Abtretung von Erstattungsansprüchen sei unwirksam, da sie den Anforderungen des § 46 AO nicht genügt habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich gegen die Aufhebung der Abgabenbescheide auch mit dem zusätzlichen Hinweis auf die inzwischen rückwirkend in Kraft gesetzte neue Abwassergebührensatzung vom 16.09.2014 (AbwS 2014) gewandt; die Klägerin sei danach auch Gebührenschuldnerin und habe sich zudem stets als solche geriert.
13 
Der Senat hat die mündliche Verhandlung nach Erlass einer bis 31.10.2014 zu befolgenden Aufklärungsverfügung geschlossen; die Beteiligten haben auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Mit Schriftsatz vom 27.10.2014 hat die Beklagte ihre Rechtspositionen bekräftigt und Mehrfertigungen der Abtretungsurkunde und der Abtretungsanzeige vorgelegt.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.02.2011 - 1 K 1568/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts und die Behördenakten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
20 
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
21 
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
22 
1. Soweit sie sich gegen die Aufhebung der Gebührenbescheide der Beklagten vom 31.12.2008 und des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 06.04.2010 wendet, bleibt sie ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Anfechtungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (a) und begründet (b).
23 
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von einer Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen greifen nicht durch.
24 
Die Klägerin ist zwar nach dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister aufgelöst (Eintragung vom 15.07.2010). Die Auflösung einer Gesellschaft führt jedoch noch nicht zu deren Beendigung. Die Gesellschaft besteht vielmehr auch nach ihrer Auflösung als solche unverändert fort. Lediglich ihr "werbender" Zweck wandelt sich zum Abwicklungszweck (Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. zum GmbHG, 6. Aufl., § 60 Rn. 6). Eine Löschung im Handelsregister (gemäß § 394 FamFG) ist bisher nicht erfolgt. An der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin i. S. von § 61 VwGO ist deshalb nicht zu zweifeln.
25 
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin wäre im Übrigen selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH bereits im Handelsregister gelöscht worden sein sollte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH ist auch einer gelöschten GmbH die Möglichkeit nicht genommen, von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen oder Ansprüche abzuwehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind. Die Gesellschaft bleibe insoweit parteifähig (BGH, Urt. v. 18.01.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994, 542; Urt. v. 11.05.1989 - III ZR 96/87 - BGHR LöschG § 1 Abs. 1 Satz 1, Parteifähigkeit 1; Beschl. v. 26.04.1990 - VII ZB 2/90 - VersR 1991, 121).
26 
b) Die Klage ist schon deshalb begründet, weil die Klägerin nicht Gebührenschuldnerin ist.
27 
aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist - zunächst (s. aber unten bb) - nicht die Abwassersatzung von 2001 (in der Fassung der Änderungssatzung von 2005), da diese eine Beitragspflicht mangels wirksamer Maßstabsregelung nicht begründen konnte.
28 
Dieser Beurteilung steht das Normenkontrollurteil des Senats vom 07.10.2004 (- 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239) nicht im Weg. Es entfaltet im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat. Das ergibt sich allerdings nicht aus der vom Verwaltungsgericht angenommenen Erwägung, die Rechtskraftwirkung eines Normenkontrollurteils, durch das ein Antrag abgelehnt wurde, entfalle u.a., wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden. So liege es hier, nachdem der Senat mit Urteil vom 01.03.2010 festgestellt habe, dass die Erhebung einer nach dem Frischwassermaßstab berechneten einheitlichen Abwassergebühr für die Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip verstoße.
29 
Diese Auffassung wird der Rechtskraftwirkung nicht gerecht. Zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens steht aufgrund des rechtskräftigen Normenkontrollurteils - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - vielmehr mit bindender Wirkung fest, dass die Satzung im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gültig war. Diese Bindung gilt nicht nur für ein erneutes Normenkontrollverfahren, sondern für alle Verfahren zwischen diesen Beteiligten, bei denen es auf die Gültigkeit der Satzung ankommt (vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995 - 8 B 32.95 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 71; Beschl. v. 03.11.1991 - 4 NB 33.93 - NVwZ-RR 1994, 236; Urteil vom 19.01.1984 - 3 C 88.82 - BVerwGE 68, 306). Sie erstreckt sich außerdem nicht nur auf Nichtigkeitsgründe, die bereits in dem ersten Normenkontrollverfahren geltend gemacht worden sind, sondern auch auf Einwände, die in einem späteren Verfahren erstmalig vorgetragen werden (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO).
30 
Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkung der einen Normenkontrollantrag abweisenden Entscheidung entfalle, wenn Tatsachen einen (entgegenstehenden) Rechtssatz außer Kraft setzten oder wenn seit der früheren Entscheidung ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten sei oder wenn neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht würden, kann nicht gefolgt werden. So wird die Rechtskraft eines Urteils jedenfalls nicht schon dann durchbrochen, wenn von einem der Beteiligten neue rechtliche Gesichtspunkte geltend gemacht werden oder sich abweichende Rechtsanschauungen zu den maßgebenden Fragen gebildet haben (a. A. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. § 47 Rn. 146), da damit die Rechtskraft in einer nicht hinnehmbaren Weise ausgehöhlt würde. Die Bindungswirkung eines den Antrag abweisenden Normenkontrollurteils entfällt vielmehr - jedenfalls grundsätzlich - nur dann, wenn nach Erlass des rechtskräftigen Urteils eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist (BVerwG, Beschl. v. 10.05.1995, aaO; Beschl. v. 03.11.1991, aaO). Eine Änderung der Sach- oder Rechtslage ist im vorliegenden Fall nicht eingetreten. Eine Änderung der Rechtsprechung stellt eine Änderung der Rechtslage nicht dar und steht einer solchen auch nicht gleich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - NVwZ-RR 1994, 119; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.90 - NVwZ 1982, 500 zu § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. § 121 Rn. 49; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 74 m.w.N.). Die Rechtsprechung, auch die des Bundesverwaltungsgerichts, ändert nicht bestehende Rechtsnormen, sondern wendet diese an, d.h. vollzieht deren schon vorher bestehenden Inhalt nach.
31 
Eine Bindung an das Normenkontrollurteil vom 07.10.2004 besteht aber deshalb nicht, weil sich die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten des damaligen Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger beschränkt (§ 121 Nr. 1 VwGO), die Klägerin des vorliegenden Verfahrens aber weder mit derjenigen des Normenkontrollverfahrens identisch noch deren Rechtsnachfolgerin ist. Unter diesen Umständen ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die frühere Satzung mangels wirksamer Maßstabsregelung nichtig und daher nicht in der Lage war, eine Beitragspflicht der Klägerin zu begründen.
32 
bb) Konnte eine Abwassergebührenpflicht für das Jahr 2008 damit (frühestens) durch die Abwassersatzung 2014 - rückwirkend in Kraft gesetzt gem. ihres § 52 Abs. 2 - entstehen, beurteilt sich auch die Frage nach dem Gebührenschuldner grundsätzlich nach den dort getroffenen Regelungen.
33 
Nach § 39 Abs. 1 AbwS 2014 ist Schuldner der Abwassergebühren der Grundstückseigentümer bzw. im Fall des Erbbaurechts der Erbbauberechtigte. Weder das eine noch das andere trifft auf die Klägerin zu; vielmehr ist laut vorgelegtem Grundbuchauszug Eigentümerin des Grundstücks seit 2003 ..., die ... als früherem Eigentümer nachfolgte. Neben dem Grundstückseigentümer können gemäß § 39 auch die sonstigen zur Benutzung oder Nutzung des Grundstücks oder von Grundstücksteilen Berechtigten (z.B. Mieter, Pächter usw.) Schuldner der Abwassergebühren sein, wenn ihre Anteile an den Bemessungsgrundlagen nach den §§ 38, 40 und 42a gesondert festgestellt werden können. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Gebührenpflicht der Klägerin auf diese Tatbestandsvariante auch dann nicht stützen, wenn die Klägerin im fraglichen Zeitraum einzige schuldrechtlich berechtigte Nutzerin des Grundstückes gewesen sein sollte. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob auch insoweit vom Satzungsgeber eine Rückwirkung angeordnet werden sollte. Jedenfalls § 40 Abs. 2 AbwS 2014 (Nachweis durch besondere Wasserzähler) ist laut § 52 Abs. 2 AbwS 2014 ausdrücklich von der Rückwirkung ausgenommen; viel spricht dafür, dass schuldrechtlich Berechtigte generell erst dann als mögliche Gebührenschuldner einbezogen werden sollten, wenn ihre Anteile entsprechend den Vorschriften der §§ 38, 40 und 42a auch technisch gesondert festgestellt werden können. Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn selbst wenn eine Rückwirkung insoweit vom Satzungsgeber beabsichtigt gewesen sein sollte, wäre sie wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass in der Abwassersatzung 2001 im dortigen § 38 Abs. 1 als Gebührenschuldner ausschließlich Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte vorgesehen waren. Zwar ist die rückwirkende Ersetzung einer wegen eines Fehlers im Abgabenmaßstab unwirksamen Satzung durch eine neue Satzung mit geändertem Maßstab nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht verboten, sondern zulässig. Das gilt aber nicht für abgeschlossene Tatbestände (vgl. Driehaus, Abgabensatzungen, § 6 Rn. 9). Hierzu zählt auch der Kreis der Gebührenschuldner. Die neue Regelung stellte sich daher als mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbarende rückwirkende Erweiterung der Abgabenpflichtigen dar (vgl. VGH Bad.-Württ. Beschl. v. 27.07.1984 - 2 S 2790/83 - KStz 1985, 94; Gössl in Gössl/Reif, KAG, § 2 Anm.1.4.2.1). Daher muss es dabei bleiben, dass Schuldner der Abwassergebühr im vorliegenden Fall nach Satzungsrecht ausschließlich der Eigentümer ist.
34 
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass im Hinblick auf Feststellungen in früheren Prozessen und die späte Geltendmachung der Eigentumssituation die Eigentümerstellung der Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolge in die Eigentümerstellung rechtskräftig feststehe und die Klägerin sich - wie in verschiedenen Verfahren deutlich geworden sei - stets als Eigentümerin der maßgeblichen Grundstücke geriert und auch stets betont habe, dass sie zu Recht dem Grunde nach für Abwassergebühren herangezogen werden könne, vermögen diese Argumente die satzungsmäßigen Anforderungen an die Entstehung der Gebührenschuld nicht zu relativieren. Soweit behauptet wird, in früheren Entscheidungen sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die Klägerin Eigentümerin der entsprechenden Grundstücke bzw. Rechtsnachfolgerin des früheren Eigentümers sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich insoweit um rechtliche Vorfragen von rechtskräftig entschiedenen Gebührenstreitigkeiten handelt, hinsichtlich derer eine Rechtskraftwirkung nicht angenommen werden kann; die Rechtskraft ist vielmehr auf den Entscheidungssatz beschränkt (Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 121 Rn. 48). Auch eine der Sache nach geltend gemachte Treuwidrigkeit wäre nicht geeignet, das Satzungsrecht zu überspielen, zumal da die Voraussetzungen der Gebührenschuld durch einen Blick ins Grundbuch jederzeit verifizierbar waren und sind. Schließlich fehlen auch normative Präklusionsregelungen, die einer Berücksichtigung der objektiven Eigentumssituation im Wege stehen könnten.
35 
2. Die Berufung hat aber Erfolg, soweit sie sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeordnete Pflicht zur Rückzahlung von für das Jahr 2008 gezahlten Abwassergebühren richtet. Zwar bestand ein entsprechender Erstattungsanspruch für den zu Unrecht Leistenden (a), doch steht dieser der Klägerin wegen Abtretung nicht mehr zu (b), und sie kann ihn auch nicht in Prozessstandschaft für die Zessionarin geltend machen (c).
36 
a) Die von der Klägerin beantragte Verpflichtung der Beklagten, die für das Jahr 2008 bezahlten Abwassergebühren in Höhe von insgesamt 18.080,55 EUR zu erstatten, kann sich zwar im Ansatz auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, § 37 Abs. 2 AO stützen, wonach rechtsgrundlos erbrachte Kommunalabgaben an denjenigen zu erstatten sind, der sie erbracht hat, da ein Rechtsgrund für die Gebührenzahlung der Klägerin - wie unter 1. ausgeführt - nicht bestand.
37 
b) Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2008 stand der Klägerin jedoch nicht zu, weil sie ihn wirksam an die Fa. ..., Inhaberin ..., abgetreten hatte. Dies hat sie im bisherigen Verfahren selbst angegeben; entgegen ihrer erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2014 erhobenen Behauptung sind auch keine Hinweise auf eine Unwirksamkeit der Abtretung ersichtlich. Die von der Beklagten auf Aufklärungsverfügung des Senats vorgelegte Abtretungsurkunde vom 27.12.2009 bestätigt die bisherige Behauptung der Klägerin über die Abtretung an die Fa. ... Die nach § 398 BGB grundsätzlich formlos mögliche Abtretung genügte auch den zusätzlichen Anforderungen des über § 3 Abs. 2 Nr. 2 b KAG geltenden § 46 Abs. 2 und 3 AO. Nach § 46 Abs. 2 AO wird eine - nach § 46 Abs. 1 grundsätzlich mögliche - Abtretung von Erstattungsansprüchen erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Absatz 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehen des Anspruchs anzeigt. Eine wirksame Abtretungsanzeige nach § 46 Abs. 3 AO lag vor. Danach ist die Abtretung der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen. Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Diesen Anforderungen genügte die am 16.02.2011 von Zedentin und Zessionarin unterschriebene und an die Beklagte - die bei der Kommunalabgabenerstattung an die Stelle der Finanzbehörde tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 KAG) - adressierte Abtretungsanzeige. Sie enthielt auf dem Vordruck insbesondere auch Angaben zum Abtretungsgrund, der mit „Rückabwicklung bzw. Vorfinanzierung, Abwicklung Bankdarlehen u. Lieferantenverbindlichkeiten s. Anlage 2“ bezeichnet wurde; außerdem wurde ausdrücklich erklärt, dass es sich um keine Sicherungsabtretung handele (vgl. zu diesen Anforderungen BFH, Urt. v. 28.09.2011 - VII R 52/10 - BFHE 235, 111).
38 
c) Soweit sich die Klägerin darauf stützt, sie sei von der Zessionarin ermächtigt worden, die dieser zustehende Erstattungsforderung gerichtlich geltend zu machen, bleibt sie damit ohne Erfolg. Zunächst fehlt es schon an einem Nachweis für eine entsprechende Ermächtigung. Hierauf kommt es aber nicht an, da auch bei ihrem Vorliegen die Klägerin nicht zur Geltendmachung der Forderung befugt wäre. Denn dies wäre nur bei Anerkennung einer gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess möglich, die allerdings nach Auffassung des Senats jedenfalls für den vorliegenden Fall abzulehnen ist. Ob und inwieweit es eine gewillkürte Prozessstandschaft im Verwaltungsprozess gibt, ist umstritten. Die Frage wird überwiegend verneint (vgl. VGH Bad.-Württ, Urt. v. 28.03.1995 - 10 S 1052/93 - NVwZ-RR 1995, 639; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 76 sowie Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, § 42 Abs. 2 Rn. 37: generell unzulässig; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb. § 40 Rn. 25 m.w.N: denkbar allenfalls bei der allgemeinen Feststellungsklage; a. A. Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14 Aufl., § 42 Rn. 153 zur allgemeinen Leistungsklage). Der Senat hält im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO - und auch dem seiner analogen Anwendung im Fall einer Leistungsklage (so zu Recht auch Kopp/Schenke aaO) - eine Erweiterung der Geltendmachungsmöglichkeit von Rechten nur im Rahmen von gesetzlich geregelten Ausnahmen für zulässig, nicht aber eine gewillkürte Prozessstandschaft. Unabhängig davon wäre selbst bei grundsätzlicher Bejahung der Möglichkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft erforderlich, dass die Klägerin an der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat, wie dies die zivilgerichtliche Rechtsprechung für eine gewillkürte Prozessstandschaft im Rahmen der ZPO verlangt (vgl. die Nachweise bei Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Vor § 50 Rn. 44). Auch hierfür ist im konkreten Fall weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
39 
Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage insoweit zu Unrecht im Hauptantrag stattgegeben und - folgerichtig - über den Hilfsantrag an Zahlung an die Zessionarin nicht mehr entschieden. Der Hilfsantrag bleibt aber in gleicher Weise wie der Hauptantrag erfolglos. Hier wäre noch weniger plausibel, weshalb die Klägerin berechtigt sein sollte, in eigenem Namen die Durchsetzung eines der Zessionarin zustehenden Anspruches zu verlangen.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 2 ZPO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. November 2003 - 4 K 2481/02 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin, eine Fleischverarbeitungsfirma, wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Fleischuntersuchungsgebühren.
Mit Bescheid vom 12.10.1999 setzte der Beklagte gegenüber der Rechtsvorgängerin der Firma für den Zeitraum Juli 1998 bis Juni 1999 Gebühren für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen in Höhe von DM 615.232,50 fest. Der Betrag errechnete sich dabei wie folgt:
1. Abrechnungszeitraum Juli 1998 bis Dezember 1998
Anzahl Art der Leistung Einzelbetrag Gesamtbetrag Gebühr für Verwaltungl
23 Schafe/Ziegen 4,43 172,77 2,06
83 Kälber 14,62 1.125,74 25,00
6.820 Rinder 15,84 103.007,52 5.510,90
31146 Schweine ohne Trich 4,72 139.348,56 6.936,72
106 Ferkel ohne Trich 1,82 107,38 3,12
Summen: 243.761,97 12.477,80
31.252 Trichinenuntersuchung 0,62 DM 18.340,84
Summe gesamt 274.580,61
2. Abrechnungszeitraum Januar 1999 bis Juni 1999
Anzahl Art der Leistung Einzelbetrag Gesamtbetrag Gebühr für Verwaltungl
39 Schafe/Ziegen 0,98 DM 9,80 0,53
77 Kälber 16,19 DM 6.152,20 123,39
6.503 Rinder 17,56 DM 200.043,52 9.654,04
29.523 Schweine ohne Trich 4,31 DM 102.642,65 5.469,83
59 Ferkel ohne Trich 1,66 DM 84,66 2,69
Summen: 308.932,83 15.250,48
31.252 Trichinenuntersuchung 0,63 DM 15.035,58
Summe gesamt 339.218,89
3. Gebühr für Untersuchungen außerhalb der normalen Schlachtzeiten im Abrechnungszeitraum Juli 1998 bis Juni 1999: DM 1.433,00.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin erhob hiergegen am 10.11.1999 Widerspruch, den das Regierungspräsidium Stuttgart durch Widerspruchsbescheid vom 23.5.2002 zurückwies.
Am 17.6.2002 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen dargelegt hat: Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, da von einer rechtssatzmäßigen Festlegung der Gebührenhöhe bei der Regelung der FlHGebVO nicht gesprochen werden könne. Auch sei eine vollständige Umsetzung der maßgeblichen EG-Richtlinie nicht erfolgt, da Untersuchungsgebühren für andere Lebensmittelbereiche gleichheitswidrig nicht festgesetzt würden. Die nach der EG-Richtlinie geforderten Voraussetzungen für eine Erhöhung der Pauschalgebühr seien nicht erfüllt, die Trichinengebühr ohnehin nicht zulässig. Sie - die Klägerin - habe einen Anspruch auf Rückzahlung unter Erstattungs- bzw. Bereicherungsgesichtspunkten.
10 
Dem Antrag der Klägerin, den Bescheid des Beklagten vom 12.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 23.5.2002 aufzuheben, soweit dort Gebühren von mehr als DM 296.792,90 festgesetzt sind, und den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 226.168,71 sowie 5 % über dem Basissatz hinausgehende Zinsen seit Klageerhebung zu bezahlen, ist der Beklagte entgegengetreten.
11 
Nachdem die Beteiligten hinsichtlich der Rückzahlung der Trichinenuntersuchungsgebühr in Höhe von DM 37.404,56 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat das Verwaltungsgericht das Verfahren insoweit eingestellt, den Bescheid des Beklagten aufgehoben, soweit mit ihm Gebühren von mehr als 267.386,03 festgesetzt sind, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erhebung einer gesonderten Trichinenuntersuchungsgebühr von vorrangigem EG-Recht nicht gedeckt sei. Im Übrigen sei die Klage jedoch unbegründet. Der maßgebliche Gebührenbescheid beruhe insoweit auf einer wirksamen Rechtsgrundlage, die namentlich EG-Recht nicht widerspreche. Auch sei eine unzulässige Rückwirkung nicht gegeben. Die Voraussetzungen für die Festsetzung einer über der EG-Pauschale liegenden Gebühr seien erfüllt. Dass sich die Rechtsgrundlage für die Trichinenuntersuchungsgebühr als rechtswidrig und daher nichtig erweise, führe nicht dazu, dass die gesamte Gebührenregelung nichtig sei.
12 
Durch Beschluss vom 18. April 2005 (2 S 831/04) hat der Senat die Berufung zugelassen.
13 
Nachdem das Gesetz zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.1004 in Kraft getreten und darin die Befugnis geregelt worden ist, Gebühren für Amtshandlungen nach dem Fleischhygienerecht durch Rechtsverordnung festzulegen (Art. 2, 17 Abs. 5 LGebG), und der Beklagte von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hat -, macht die Klägerin zur Begründung der Berufung im Wesentlichen weiter geltend: Der Gebührenbescheid vom 12.10.1999 sei insgesamt rechtswidrig. Denn die gesonderte Festsetzung von Gebühren für Trichinenuntersuchung und bakteriologische Fleischuntersuchung führe zur Rechtswidrigkeit insgesamt. Da der Gebührenbescheid auch vorrangigem EG-Recht widerspräche, sei er nicht anwendbar und daher nichtig. Zwar sei es nach der Neuregelung des Gebührenrechts zulässig, Gebühren durch Rechtsverordnung festzulegen. Jedoch sei dabei die Möglichkeit nicht eröffnet, dies auch - wie geschehen - rückwirkend zum 1.7.1995 zu regeln. Die angeordnete Rückwirkung verstoße gegen Verfassungs-, aber auch gegen vorrangiges EG-Recht.
14 
Im angefochtenen Gebührenbescheid komme der Wechsel bei der Anhebungssystematik - von der betriebsbezogenen auf die kostenbezogene Anhebung - nicht zum Ausdruck. Durch diesen Wechsel trete eine unzulässige Wesensänderung ein, zumal der Bescheid eine Trichinenuntersuchungsgebühr ausweise. Deshalb fehle dem Gebührenbescheid auch die zu fordernde Transparenz. Zudem liege ein materiell-rechtlicher Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitsgebühr vor, wie ihn das EG-Recht vorgebe. Die Kosten für die Trichinenuntersuchung seien als allgemeine Anhebung hinzugerechnet, was materiell-rechtlich unzulässig sei und der Erhebung einer gesonderten Trichinengebühr gleichkomme. Gleiches gelte für die gesondert berechneten „Risikozuschläge“ bei den Personalkosten. Es fehle ferner bereits an einer Grundlage für die EG-rechtlich geforderte Feststellung, dass die Voraussetzungen für eine Anhebung für die Bundesrepublik gegeben seien. § 2a Abs. 1 Satz 2 AGFlHG stelle dies lediglich „lapidar“ fest. Art. 6 Abs. 1 RL 85/73/EWG i.d.F. d RL 96/45/EG fordere im Übrigen eine regelmäßige Mitteilung über Aufteilung und Verwendung der EG-Gemeinschaftsgebühren. Da diese Notifizierungspflicht weder von der BRD noch vom Land Baden-Württemberg erfüllt werde, liege auch ein Verstoß gegen Art. 249 EG vor. Diese Pflicht sei objektive Rechtspflicht, die wegen der Ziele, die damit verbunden seien, zugleich auch dem subjektiven Schutz des Gebührenschuldners diene.
15 
Auch seien nach dem EG-Recht nicht ansatzfähige Kosten in die Kalkulation der Gebühren eingeflossen. Das nach EG- und Landesrecht maßgebliche Kostenüberdeckungsverbot werde nicht beachtet. Verwaltungskosten dürften nur angesetzt werden, soweit sie b e i der Untersuchung entstünden, wie aus der Protokollerklärung 1989 und der Kommissionsäußerung vom 15.6.1988 (Bek. BAnz 1989, 901 ff.) folge. Der Zurechnungszusammenhang sei nicht bei allen Verwaltungskosten gewahrt, namentlich nicht bei solchen, die den allgemeinen Verwaltungsaufwand beträfen. In Nr. 2.3.2 der Kalkulation (Verwaltungs- und Sachkosten) sei ein Zeitaufwand von 14,31 Minuten/Untersuchung angesetzt, statt wie in der Protokollerklärung vorgesehen nur 8 Minuten. Es fehle auch an einer Darlegung, welche Verwaltungskosten „untersuchungsbezogen“ seien und welche nicht. So werde bspw. in Nr. 2.2.1 der Gebührenkalkulation für den Ansatz von Verwaltungspersonal kosten lediglich Bezug auf eine „VwV-Kostenfestlegung von 20.12.2000“ genommen. Dieser Personalkostenanteil sei im Übrigen den allgemeinen Verwaltungskosten zuzuordnen und daher nicht ansatzfähig. Da diese Kosten lediglich hinzugerechnet seien, ginge es auch bei ihnen im Kern um eine eigenständige und daher unzulässige Sondergebühr. Es fehle an einer nachvollziehbaren Darlegung. Der Kostenansatz für vollzeittätige Fleischkontrolleure sei nicht nachprüfbar, da für sie der Tarifvertrag Ang außerhalb) öffentlicher) Schlachthöfe) nicht gelte. Auch sei der Bedarf an Untersuchungspersonal nicht dargelegt; er werde bestritten und dazu werde ein Sachverständigengutachten beantragt. Festzustellen sei auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit von Kosten, wie sie durch die genannte Protokollerklärung konkretisiert und vom Kostendeckungsgrundsatz auch umfasst würden. Unwirtschaftliche Kosten seien dementsprechend nicht ansatzfähig. Sie seien indes in die Kalkulation des Beklagten bei dem genannten Ansatz für nicht vollbeschäftigte amtliche Tierärzte eingegangen. Diese Kosten seien unwirtschaftlich, wie ein Vergleich zwischen der Vergütung dieser Personen bei privaten und bei öffentlichen Schlachthöfen zeige. Auch verstoße die Fleischhygiene-RVO gegen das Äquivalenzprinzip, das sich mit Blick auf den Zweck, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ergebe. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der „Wert der Leistung für den Gebührenschuldner“ in den Blick genommen worden sei, was sich als Ermessensfehlgebrauch erweise.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28.11.2003 teilweise zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 12.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 23.5.2002 aufzuheben, soweit dort Gebühren von mehr als DM 296.792,90 festgesetzt sind, und den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 226.168,71 sowie 5 % über den Basissatz hinausgehende Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Zur Begründung beruft er sich im Wesentlichen auf die neue Rechtslage, die durch die Rechtsverordnung des Landratsamts vom 30.6.2005 entstanden sei. Diese auf der Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes vom 12.12.1994 durch das Gesetz zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.2004 beruhende Regelung sei rückwirkend zum 1.7.1995 wirksam und erlaube eine Gebührenerhebung über die EG-Pauschale hinaus.
21 
Dem stehe nicht entgegen, dass ein Mitgliedsstaat seiner sich aus der RL 96/43/EG ergebenden Berichtspflicht nicht nachkomme. Durch die Umstellung auf die genannte Rechtsgrundlage habe sich nicht die Notwendigkeit ergeben, die Bescheide auch formal zu ändern oder sie erneut zu erlassen. Der mit der Berufung gerügte Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitsgebühr sei dann nicht festzustellen, wenn- wie hier - bei der Kalkulation der Gebühr lediglich mehrere Kostenfaktoren zu Grunde gelegt seien. Das Kostendeckungsprinzip sei nicht berührt, namentlich seien keine unzulässigen Kosten eingestellt. Dies gelte auch für die angesetzten Verwaltungspersonalkosten. Sie seien ebenso notwendig wie die übrigen durch die Untersuchung bedingten Personalkosten. Auch könne nicht von der mit der Berufung vorgetragenen Verletzung des Äquivalenzprinzips ausgegangen werden. Dem werde hier schon dadurch entsprochen, dass lediglich die bisher festgesetzten Gebühren erhoben würden, die auf Kostenansätzen beruhten, die erheblich unter den jetzt maßgeblichen lägen.
22 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Beklagten, der Widerspruchsbehörde und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf diese Unterlagen und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage, soweit sie noch Gegenstand der Berufung ist, zu Recht abgewiesen.
24 
Denn die Klägerin wird durch den von ihr angefochtenen Gebührenbescheid des Beklagten vom 12.10.1999 (i. d. Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 23.5.2002) nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25 
Nicht zu folgen ist dem Einwand, dass ein Gebührenbescheid, der sich auf eine gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsgrundlage stützt, nicht anwendbar und daher auch ohne weiteres nichtig sei. Ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht würde entgegen dem Berufungsvorbringen nicht zur Nichtigkeit des Gebührenbescheids führen, wie der Senat wiederholt entschieden hat (dazu etwa Beschluss vom 10.5.2000 - 2 S 1839/99 und vom 15.11.2002 - 2 S 204/02; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 11.5.2000 - 11 B 26.00 - DÖV 2000, 1004). Zur Rechtswidrigkeit bereits aus formellen Gründen führt auch nicht, dass in den Gebührenbescheiden die Gebühr für die Trichinenuntersuchung noch als gesonderte Gebühr ausgewiesen ist. Weder das EG-Recht noch das Landesrecht bestimmen unmittelbar, welchen Inhalt der Gebührenbescheid haben muss. Aus seinem Charakter als Verwaltungsakt ist herzuleiten, dass ihm die mit ihm verbundene „Regelung“ entnommen werden kann (vgl. dazu die Begriffsbestimmung in § 35 LVwVfG). Zu ihr gehören - wie bei Abgabenbescheiden sonst auch (vgl. dazu den Rechtsgedanken aus § 157 Abs. 1 Satz 2 AO) - die Angaben zu Abgabenart und Abgabenschuldner sowie die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. dazu auch Tipke in Tipke/Kruse, AO, FGO, 2004, § 157 AO RdNrn. 5 ff.). Die Feststellung der Abgabengrundlagen erfolgt nicht durch Verwaltungsakt, sondern mittelbar im Abgabenbescheid und beschwert den Abgabenschuldner nur dann, wenn sie unzutreffend angegeben ist und für den Betroffenen nachteilige Auswirkungen auf das Ergebnis, den verfügenden Teil, hat (vgl. Tipke, a.a.O. RdNr. 20 m.w.N.; ferner P. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. A., § 37 RdNr. 20 f und 22a). Dies lässt sich hier nicht feststellen. Ungeachtet der rechtlichen Vorfrage, dass die in dem angefochtenen Gebührenbescheid gesondert angesetzte Trichinengebühr rechtskräftig aufgehoben worden ist, folgt aus ihrer Feststellung als Teil der Begründung zur Abgabengrundlage, dass sie auch an der Bindungswirkung des Verwaltungsakts nicht teilnimmt und - da sie sich hier auch nicht auf den verfügenden Teil auswirkt - als unrichtige Feststellung der Abgabengrundlage ohne Belang für die formelle Rechtmäßigkeit der Bescheide bleibt. Gleiches gilt für den Einwand, dem Gebührenbescheid fehle es der Darlegung des „Systemwechsels“ bei der Anhebung der Gemeinschaftsgebühr und der mit ihm verbundenen Zuständigkeitsänderung.
26 
Der angefochtene Gebührenbescheid ist auch materiell-rechtlich mit vorrangigem Recht vereinbar.
27 
Mit der Berufung wird die Rechtswidrigkeit der Gebührenbescheide bereits wegen des Fehlens von „Transparenz“ geltend gemacht, weil nach vorrangigem EG-Recht Angaben zum „Systemwechsel“ (Gebührenbemessung und Zuständigkeit) ebenso wie solche zur Einheitsgebühr gefordert seien. Dem ist nicht zu folgen. Mit diesem Hinweis wird auf die auch landesrechtlich zu fordernde Bestimmtheit von Abgabenbescheiden abgehoben, die jedenfalls hier nicht mehr zweifelhaft ist, nachdem der Beklagte die Grundlagen für die Gebührenerhebung schriftlich dargelegt hat (dazu P. Stelkens, a.a.O., § 45 RdNr. 34). Die Bestimmtheit kann im Übrigen mit Blick auf etwa bestehende Unklarheiten auch durch Auslegung hergestellt sein, wie sie hier möglich ist (vgl. nur P. Stelkens, a.a.O., § 37 RdNr. 11; RdNr. 31a auch zur Heilungsmöglichkeit im Anfechtungsprozess).
28 
Auch die mit der Berufung geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Gebührenbescheids infolge seiner vermeintlichen Wesensänderung ist nicht gegeben. Eine solche Änderung kann dann eintreten, wenn Rechtsgrundlage und Sachverhalt eines Bescheides ausgetauscht werden. Die Wesensänderung ist in einem solchen Fall auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der verfügende Teil des Verwaltungsakts unverändert bleibt (vgl. P. Stelkens, a.a.O., § 45 RdNr. 49). Hier haben sich der Gebührengläubiger und auch die rechtliche Grundlage der Gebühr geändert. Beide betreffen indes weder die Abgabenart noch den Bezugsgegenstand (Sachverhalt) der angefochtenen Bescheide. Denn nach wie vor geht es um die Gegenleistung für konkret in Rede stehende und erbrachte „Amtshandlungen“ im Rahmen eines Gebührenschuldverhältnisses (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.10.1993 - 8 C 33.92 - NVwZ 1994, 903).
29 
Rechtsgrundlage des genannten Bescheids ist die Rechtsverordnung des Landratsamts vom 30.6.2005 über rückwirkende Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung - FlHRVO -, veröffentlicht am 26.7.2005, die nach ihrem § 3 mit Wirkung vom 1.7.1995 in Kraft getreten ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Rechtsverordnung werden Gebühren nach der Anlage zu dieser Verordnung erhoben für nach dem Fleischhygienegesetz durchgeführte Schlachttier- und Fleischuntersuchungen bei Einhufern, Rindern, Kälbern, Schweinen, Ferkeln, Schafen und Ziegen, die u.a. zwischen dem 1. Juli 1995 und dem 31.12.2004 in Schlachtbetrieben mit mehr als 2000 Schlachtungen je Kalendermonat im Jahresdurchschnitt stattgefunden haben. Diese werden nach Anhang A Kapitel I Nr. 4b der Richtlinie 85/73/EWG in der jeweils geltenden Fassung erhoben und in der Weise festgelegt, dass sie folgende durch die Untersuchung und Kontrollen entstehende Kosten decken: Löhne und Sozialabgaben der Untersuchungsstelle, durch die Durchführung der Untersuchung und Kontrolle entstehende Verwaltungskosten einschließlich der Sachkosten und Auslagen, denen noch die Kosten der Fortbildung des Untersuchungspersonals hinzugerechnet werden. Mit diesen Gebühren sind nach Satz 3 der Bestimmung abgegolten auch die mit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung im Zusammenhang stehende Hygieneüberwachung, Probenahme, Beschlagnahme, Nachuntersuchung, Endbeurteilung und Tagebuchführung, die Untersuchung auf Trichinen, die bakteriologische Fleischuntersuchung sowie die Rückstandsuntersuchung nach dem nationalen Rückstandskontrollplan. Abs. 2 bestimmt, dass für die planmäßigen Rückstandsuntersuchungen nach dem nationalen Rückstandskontrollplan beim Schlachtbetrieb je Tonne Fleisch ein Betrag in Höhe der im Anhang Kapitel I Nr. 1 b der Richtlinie 93/118/EG vom 22.12.1993 bzw. in Anhang B Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 96/43/EG in der jeweils geltenden Fassung festgelegten Gebühr erhoben wird. Nach Abs. 3 verbleibt es für andere Untersuchungen, Kontrollen und Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz in dem vorgenannten Zeitraum bei den Regelungen der Fleischhygienegebührenverordnung vom 20.71998 (GBl. S, 459) zuletzt geändert durch Verordnung vom 24.1.2004 (GBl. S. 82). Die Gebührenfestsetzung nach Abs. 1 und Abs. 2 erfolgt nach Abs. 4 der Rechtsverordnung höchstens in der Höhe, die sich bei einer Anwendung der genannten Fleischhygieneverordnung unter Einbeziehung der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Untersuchung ergeben hätten.
30 
Die Rechtsverordnung stützt sich ihrerseits auf die §§ 2a Abs. 7, 2b Abs. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes vom 12.12.1994, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.2004 (GBl. S. 895) - AGFlHG -. Danach werden die kostenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren sowie die der Kosten durch Rechtsverordnung der Landratsämter oder durch Satzung der Stadtkreise bestimmt. Nach Art. 17 Abs. 5 des zuletzt genannten Gesetzes tritt Artikel 2 dieses Gesetzes mit Wirkung vom 1.7.1995 in Kraft.
31 
Auf diese Bestimmungen ist hier entgegen der Ansicht der Berufung auch maßgeblich abzustellen. Denn nach Art. 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts bleibt die Fleischhygiene-Gebührenverordnung vom 20.7.1998 (GBl. S. 459) - FlHGebVO - (nur) so lange in Kraft, bis die Landratsämter und Stadtkreise eine Neuregelung getroffen haben. Eine solche Neuregelung ist hier aber durch die angeführte Rechtsverordnung des Beklagten erfolgt.
32 
Dass es - wie die Berufung geltend macht - an einer Ermächtigungsgrundlage überhaupt mangeln könnte, weil durch Art. 7 Nr. 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts vom 1.9.2005, BGBl. I 2618, das Fleischhygienegesetz (FlHG i.d.F. der Bekanntmachung vom 30.6.2003, BGBl. I S. 1242, 1585 . m. nachf. Änderungen, zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 4.11.2004, BGBl. I S. 2688, 3657) aufgehoben worden ist, ist nicht zutreffend. Abgesehen davon, dass einige der Bestimmungen des Fleischhygienegesetzes auf Grund des Art. 2 § 1 Nr. 4 des genannten Neuordnungsgesetzes weiterhin für eine Übergangszeit anzuwenden sind, ist das genannte Neuordnungsgesetz erst mit Wirkung vom 7.9.2005 in Kraft getreten (dazu Art. 8 des Neuordnungsgesetzes), so dass das AGFlHG zeitlich nicht auf ein Gesetz abstellt, das außer Kraft getreten war. Entscheidend ist aber, dass die Bestimmung in § 24 FlHG nicht die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die landesrechtliche Gebührenregelung darstellt. Mit dieser Bestimmung hat der Bundesgesetzgeber von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht und es dabei (zulässigerweise) dem Landesgesetzgeber überlassen, die einzelnen kostenpflichtigen Tatbestände - und damit auch die entsprechenden Gebühren - zu bestimmen und damit das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht in nationales Recht umzusetzen (so BVerwG, Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99 - BVerwGE 111, 143). Soweit § 24 FlHG die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts dem Landesgesetzgeber überlässt, steht diesem auch eine originäre Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1 GG zu. Von ihr hat der Landesgesetzgeber durch das bereits erwähnte Ausführungsgesetz auch Gebrauch gemacht. Der nachträgliche Wegfall der bundesrechtlichen (konkurrierenden) Regelung hat daher nicht den von der Berufung behaupteten Kompetenzverlust zur Folge. Dass mit dem Außerkrafttreten des § 24 FlHG auch der bundeseinheitlich geltende Maßstab entfallen sei, mag erörtert werden können, dass ein solcher aber nach der „Feyrer-Entscheidung“ des EuGH (Urteil vom 9.9.1999, NVwZ 2000, 182 f.) gefordert sei, wie dies mit in der Berufungsverhandlung vorgebracht worden ist, ist indes nicht zutreffend.
33 
(d) Aus Rechtsgründen ist nicht zu beanstanden, dass sowohl die genannte Rechtsverordnung (s. deren § 3) als auch §§ 2a, 2b AGFlHG (s. Art 17 Abs. 5 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts) rückwirkende (Gebühren-) Regelungen enthalten, die auch die in dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Zeiträume umfassen.
34 
(aa) Dies gilt für das Vorbringen der Berufung, dass bereits die FlHGebVO vom 20.7.1998 (GBl. S. 459) - FlHGebVO 1998 - nicht mehr Gebührentatbestände hätte festlegen dürfen, nachdem auf Grund einer Senatsentscheidung rechtskräftig entschieden gewesen sei, dass die VO v. 10.4.1995 nur Gebührenfestsetzungen nach ihren Nrn. 80.18 ff, mithin auf der untersten Stufe als Mindestgebühr, zugelassen habe; die Rechtskraft dieser Entscheidung sei in der Folgezeit „ausgeblendet worden“. Es sei deshalb auch Verfassungsbeschwerde eingelegt (BVerfG 1 BvR 1669/02). Damit wird indes die rechtliche Tragweite des maßgeblichen Beschlusses des Senats vom 24.6.1997 - 2 S 3258/95 - (bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 5.7.1998 - 6 BN 2.98 -) verkannt, mit dem die Nrn. 80.18 bis 80.18.2.4 der genannten VO für ungültig erklärt worden sind, soweit dort über die Mindestgebühr hinausgehende Gebühren festgesetzt sind. Entschieden ist lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit einer Gebührenfestlegung durch Verordnung, nicht indes deren ausschließliche Zulässigkeit. Einer rückwirkenden Regelung steht damit diese Entscheidung nicht entgegen.
35 
(bb) Zutreffend ist, dass die nachfolgende Fleischhygienegebührenverordnung vom 20.7.1998 (GBl. S. 459 ) - FlHGebVO 1998 - nur eine „betriebsbezogene Anhebung“ nach der Bestimmung der Nr. 4a Kapitel I Anhang A der RL 85/73/EWG i. d. F. der Richtlinie 96/43/EG des Rates v. 26.6.1996 zur Änderung und Kodifizierung der Richtlinie 85/73/EWG zur Sicherstellung der Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen von lebenden Tieren und bestimmten tierischen Erzeugnissen sowie zur Änderung der Richtlinien 90/675/EWG und 91/496/EWG (ABl. Nr. L 162, 1; ber. ABl. 1997 Nr. L 8, 32) zugelassen und außerdem unzulässig gesonderte Gebühren für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Untersuchung festgelegt hat. Da mit Blick auf die unzulässig festgelegten gesonderten Gebühren von der Nichtigkeit der FlHGebVO 1998 auszugehen ist (dazu der o.a. Zulassungsbeschluss des Senats), entfällt der Einwand, der Normgeber dürfe nicht „kumulativ“ auch eine kostendeckende Anhebung der EG-Pauschgebühr für den Zeitraum 20.7.1998 und 31.12.2004 vorsehen, wie dies mit der Rechtsverordnung des Beklagten nunmehr geregelt werde. Auch ist die mit der Berufung vorgetragene Beschränkung auf die betriebsbezogene Anhebung der Gebühr nicht gegeben und daher auch auszuschließen, dass - wie die Berufung meint - „deswegen“ eine rückwirkende Anhebung nach Nr. 4b Kapitel I Anhang A der genannten Richtlinie ausscheide.
36 
(e) Die Übertragung der Regelungsbefugnis nach § 2a und § 2 b AGFlHG auf Stadt- und Landkreise beruht auf der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 2 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts. Sie begegnet unter kompetenzrechtlichen Erwägungen keinen Bedenken (vgl. dazu auch das o.a. Urteil des EuGH vom 9.9.1999, C- 374/97 - (Feyrer) Slg. 1999, I-5153 = NVwZ 2000, 182 ff. m. Anm. Kunze NVwZ 2001, 291). Denn es steht jedem Mitgliedsstaat frei, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte durch Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen (dazu EuGH, Urteil vom 9.9.1999, C-374/97, a.a.O.), sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht. Einer Übertragung der Regelungskompetenz für die Abweichung von den EG-Pauschalbeträgen auf die Land- und Stadtkreise steht daher EG-Recht nicht entgegen und sie ist auch bundesrechtlich zulässig (so schon BVerwG, Beschluss vom 21.4.1999 - 1 B 26.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 18).
37 
(f) Auch die dabei eingeräumte Möglichkeit, rückwirkend zum 1.7.1995 von einer betriebsbezogenen Anhebung auf der Grundlage von Nr. 4a auf die „kostendeckende“ Anhebung nach Nr. 4b des Anhangs zur Richtlinie 85/73/EWG (s. Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG i.V.m. Kapitel I Nr. 4 des Anhangs; Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG i.V. mit Anhang A Kapitel I Nr. 4) umzustellen, wie dies § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 und § 3 der RVO des Beklagten regelt, ist entgegen dem Vorbringen der Berufung verfassungsrechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots zu beanstanden.
38 
Der Senat hat bereits in seinem Normenkontrollurteil vom 5.7.2001 - 2 S 2898/98 - dargelegt, dass der Normgeber befugt ist, eine unklare Rechtslage auch rückwirkend zu bereinigen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu Urteil vom 27. April 2000 - 1 C 8.99 - GewA 2000, 384; Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01 - NVwZ 2002, 486 ff., Beschluss vom 31.7.2002 - 3 B 145.01 - NVwZ 2003, 480 ff.). Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung des Beklagten. Einem etwaigen schützenswerten Vertrauen eines Betroffenen wird dadurch Rechnung getragen, dass nach Art. 17 Abs. 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts im Zeitraum 1.1.1995 bis 31.12.2004 keine höheren Gebühren erhoben werden, als nach der FlHGebVO vom 20.7.1998 einschließlich der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Fleischuntersuchung. Diesem Gebot trägt auch die Rechtsverordnung des Beklagten in ihrem § 1 Abs. 4 Rechnung. Mithin darf eine höhere Gebühr, als sie auf der bisherigen Grundlage angefallen wäre, nicht festgesetzt werden. Eine andere rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer Rückwirkung ist auch auf der Grundlage der mit der Berufung vorgelegten rechtsgutachtlichen Stellungnahme vom 25.5.2001 nicht geboten. Wie der Beklagte zu Recht hervorhebt, ist dieses Gutachten mit Blick auf die bayerische Rechtslage erstellt, für die eine gegenüber der gesetzlich vorgesehenen Rückwirkung weitergehende satzungsrechtliche Regelung als verfassungswidrig deswegen aufgezeigt wird, weil eine sog. echte Rückwirkung in Rede stehe( Gutachten S. 14). Um eine solche Rückwirkung geht es hier aber nicht, abgesehen davon, dass der Gutachter selbst die Besonderheiten anderer landesrechtlicher Regelungen hervorhebt (Gutachten S. 19 ff.).
39 
Ferner begegnet die mit dem „Systemwechsel“ verbundene Änderung der Behördenzuständigkeit keinen Bedenken hinsichtlich des Rückwirkungsverbots, wie dies in der Berufungsverhandlung geltend gemacht worden ist. § 3 Abs. 3 LVwVfG bzw. § 26 AO gelten nicht, da der Behördenwechsel hier durch das o.a. genannte Gesetz erfolgt ist. Der Übergang kraft Gesetzes bewirkt einen Wegfall der bisherigen Zuständigkeit und die Begründung der Zuständigkeit des Beklagten, ohne dass damit rückwirkend eine Kompetenzübertragung verbunden ist. Vielmehr geht es in diesem Zusammenhang allein um die Fortsetzung des Verfahrens durch die neue Behörde. Sie erfolgt - dem Rechtsgedanken der genannten verfahrensrechtlichen Bestimmungen entsprechend - unter Wahrung der Interessen des Betroffenen, wenn - wie dies hier der Fall ist - sichergestellt ist, dass seine Rechtsstellung durch die Zuständigkeitsänderung nicht nachteilig berührt wird.
40 
(g) Auch eine dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Rechtslage ist nicht festzustellen.
41 
Der Einwand der Berufung, es fehle bereits an der Feststellung, dass im Bundesgebiet die Voraussetzungen für eine Abweichung von der Gemeinschaftsgebühr entsprechend der Vorgabe der RL 85/43/EWG gegeben seien, wird mit dem Hinweis darauf, in § 2a Abs. 1 Satz 2 AGFlHG werde dies lediglich „lapidar“ festgelegt, nicht substantiiert begründet. Warum die dort getroffene Feststellung unzutreffend sein könnte, wird nicht aufgezeigt. Es wird auch verkannt, dass mit ihr der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen ist, nach der der Landesgesetzgeber durch Rechtssatz zu entscheiden hat, dass von der Gemeinschaftsgebühr abgewichen werden darf und dass die Voraussetzungen für eine derartige Abweichung entsprechend den Feststellungen des Bundesministeriums der Gesundheit vom 24.10.1997 (BAnz. Nr. 204, S. 13298) erfüllt sind (s. dazu auch den Vorspann des mit der Berufung vorgelegten Aufsatzes von Orlop in: Fleischwirtschaft 1987, 1481).
42 
Die Rechtswidrigkeit folgt auch nicht aus dem von der Berufung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (dazu Beschluss vom 20.9.1999 -2 S 1558/99 -; ferner Papier, DÖV 1993, 809, 810) angeführten Gesichtspunkt, dass grundsätzlich die Anwendung von nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinien zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers nicht in Betracht komme, weil der nicht umgesetzte Akt keine vertikalen Rechtswirkungen zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers entfalte. Eine fehlende Umsetzung der RL 85/43/EWG sei aber festzustellen, da dort angeführte Betriebe anderer Lebensmittelbereiche nicht mit Gebühren belastet seien. Ob dies der Sache nach auch hier zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn diese Erwägung ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.9.1999 C-374/97, a.a.O.) jedenfalls für die Richtlinie 85/73/EWG nicht tragend. Der Gerichtshof hat dargelegt, dass auch dann, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht innerhalb der Frist umgesetzt habe, ein Einzelner sich der Erhebung von höheren Gebühren als den im Anhang Kapitel I Nr. 1 festgesetzten Pauschalbeträgen nicht widersetzen kann, sofern diese Gebühren die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschreiten. Ein Mitgliedstaat kann danach auch von der ihm durch den genannten Anhang eingeräumten Befugnis, eine spezifische, die Pauschalbeträge übersteigende Gebühr zu erheben, ohne weitere Voraussetzungen unter dem alleinigen Vorbehalt Gebrauch machen , dass die spezifische Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet. Auch darf ein Mitgliedstaat, der die Befugnis zur Erhebung der Gebühren für Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch den kommunalen Behörden übertragen hat, nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie bis zur Höhe der der zuständigen kommunalen Behörde tatsächlich entstandenen Untersuchungskosten höhere Gebühren als die Gemeinschaftsgebühren erheben. Nichts anderes kann im Übrigen auch für die RL 85/73/EWG in ihrer späteren Fassung gelten.
43 
Die o.a. gesetzliche Neuregelung ist auch nicht wegen des mit der Berufung geltend gemachten Einwands rechtswidrig, die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit rückwirkenden EG-Rechts seien nicht beachtet. Denn auf diese Grundsätze kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an. Entgegen der Berufung wird hier EG-Recht nicht rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Für den in § 3 der Rechtsverordnung des Beklagten (rückwirkend) geregelten Gebührenzeitraum ab 1.7.1995 sind maßgeblich zum einen die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 93/118/EG, die bis 1.7.1997 Anwendung gefunden hat. Zum anderen ist ab diesem Zeitpunkt die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG maßgeblich, die die RL 93/118/EWG ersetzt. Die Bezugnahme auf diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erfolgt hier ersichtlich durch das nationale Recht, das das Gemeinschaftsrecht schon mit dieser Beschränkung nicht berührt, sondern lediglich Normlücken des nationalen Gebührenrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts schließt (so zutreffend OVG NW, Urteil vom 14.12.2004 - 9 A 4232/02 - KStZ 2005, 72 m.w.N.). Der Senat hat - allerdings noch mit Blick auf die FlHGebVO 1998 - dargelegt, dass diese eine Rückwirkung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften gerade nicht regele, sondern dass eine mittlerweile außer Kraft getretene EG-Rechtsnorm für einen Zeitraum umgesetzt werde, für den sie sich selbst Rechtswirkung beigemessen hat und für den sie auch umzusetzen war oder unmittelbar Geltung besaß (NK-Urteil vom 5.7.2001 - 2 S 2989/98; vgl. auch BVerwG, Beschluss v. 27.4.2000 - 12.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 21). Daran ist auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung festzuhalten. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, es sei unschädlich, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Neuregelung die Richtlinie 93/118/EG außer Kraft getreten sei. Denn sie sei nicht mit Wirkung „ex tunc“ von Anfang an, sondern „mit Wirkung „ex nunc“ außer Kraft getreten mit der Folge, dass die Rückwirkungsanordnung lediglich für den Zeitraum, in dem diese Gemeinschaftsrechtsakte nach wie vor Gültigkeit haben, an diese anknüpfe (so BVerwG, Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01, a.a.O., S. 488, m.w.N.). Demnach ist eine Auseinandersetzung mit den mit der Berufung aufgezeigten Grundsätzen eines EG-rechtlich begründeten Rückwirkungsverbots entbehrlich (zu ihm s. aber auch das genannte NK-Urteil des Senats vom 5.7.2001 2 S 2989/98 -). Dies gilt auch für den Hinweis der Berufung auf die Ausführungen von Zuleeg in: Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, S. 247, wonach einer Ermächtigung keine rückwirkende Kraft zukommen dürfe. Denn davon kann hier gerade nicht ausgegangen werden, da das Landesrecht - und ihm folgend die Rechtsverordnung des Beklagten - keine rückwirkende Ermächtigung darstellt, sondern lediglich die richtlinienkonforme Anhebung der Gemeinschaftsgebühr für solche Zeiträume eröffnet, in denen das Gemeinschaftsrecht selbst dies zulässt. Dies stellt keinen Fall des (regelmäßig unzulässigen) Gebrauchmachens von einer gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung für einen Zeitraum vor deren Inkrafttreten dar (dazu OVG NW, Urteil vom 14.12.2004, a.a.O.).
44 
Auch der mit der Berufung gerügte „Systemwechsel“ - die Anhebung der Gebühr nicht mehr nach Nr. 4a, sondern nach Nr. 4b des Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG i. d. F. der RL 96/43/EG - ist nicht zu beanstanden. Ob die EG-Pauschalen für bestimmte Betriebe anzuheben sind oder eine Gebühr zu erheben ist, die die tatsächlichen Kosten deckt, ist eine nach den Vorgaben der genannten Richtlinie zu beantwortende Frage, bei der Ermessen eröffnet ist (s. der Wortlaut von Nr. 4 des genannten Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG, ABl. L 162/1, 7). Dieses Ermessen unterliegt keinen weiteren europarechtlichen Einschränkungen. Allerdings hat die Ermessenentscheidung durch „Rechtssatz“ zu erfolgen (dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1996 - 3 C 7.95, BVerwGE 102, 39; Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99, a.a.O.). Dies ist hier mit der Rechtsverordnung des Beklagten erfolgt. Auch durfte der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber hier die Wahl unter mehreren Alternativen überlassen und sich auf die Festlegung der dabei zu beachtenden Grundsätze beschränken (so BVerwG, Urteil vom 24.7.2000, a.a.O.). Dementsprechend ist es dem Verordnungsgeber auch nicht verwehrt, einen „Systemwechsel“ dadurch vorzunehmen, dass er bei einem Abweichen von den EG-Pauschgebühren von der „betriebsbezogenen“ zur „kostendeckenden“ Anhebung übergeht. Auch hinsichtlich dieses Übergangs ist durch die Bestimmung in § 1 Abs. 4 der Rechtsverordnung des Beklagten sichergestellt, dass höhere Gebühren, als sie sich bisher nach den Bestimmungen der FlHGebVO 1998 ergeben hätten, nicht anfallen dürfen. In diesem Wechsel liegt daher auch entgegen dem Vorbringen der Berufung nicht etwa deshalb ein Eingriff in den durch Art. 12 GG geschützten Gewerbebetrieb, weil sich die Betroffenen auf eine betriebsbezogene Anhebung der Gemeinschaftsgebühr eingestellt hätten. Ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb dabei überhaupt als Schutzgut betroffen ist, ist fraglich, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls kann ein „Eingriff“ in dieses Schutzgut schon deshalb ausgeschlossen werden, weil eine weitergehende Belastung durch den Systemwechsel nicht eintreten kann, wie der genannten Bestimmung zu entnehmen ist.
45 
Dass die Gebührenregelungen der Rechtsverordnung des Beklagten deshalb rechtswidrig sein könnten, weil - wie mit der Berufung ferner geltend gemacht ist - der Mitgliedstaat der „Notifizierungspflicht“ aus Art. 6 Abs. 1 RL 85/73/EWG i.d.F. der RL 96/ /EG nicht nachkomme, ist nicht erkennbar. Die Bestimmung normiert eine objektive Rechtsverpflichtung, die weder mit Blick auf Art. 249 EG noch mit Blick auf die damit verbundene Zielsetzung zugleich auch dem subjektiven Schutz des einzelnen Gebührenschuldners dient. Letzteres ist zwar nicht nur bei einer ausdrücklichen normativen Regelung des Drittschutzes, sondern auch dann anzunehmen, wenn die Richtlinie ein bestimmtes mitgliedschaftliches Verhalten regelt, das den Interessen einzelner förderlich ist und sie begünstigt (EuGH, Urteil vom Rs. C-91/92, Slg. 1994, I-3325, 3356 = EuZW 1994, 195, 196 - Facini Dori). Die Pflicht zur regelmäßigen Mitteilung über Aufteilung und Verwendung der Gemeinschaftsgebühr hat indes den Einzelnen nicht im Blick, sondern bleibt Vollzugskontrolle, die allenfalls mittelbar förderlich für den Gebührenschuldner sein könnte. Auch ist das von der Richtlinie geforderte mitgliedschaftliche Verhalten hier ausdrücklich auf die Kommission ausgerichtet („bipolar“) und begründet ersichtlich auch nur ihr gegenüber eine rechtliche Verpflichtung, aus der nicht ohne Weiteres die Drittbegünstigung herzuleiten ist. Auch die im Zusammenhang damit geltend gemachte Verletzung von Art. 249 EG führt nicht zu einer über die bereits oben angesprochene Frage nach der Umsetzung hinausgehenden, eine Begünstigung des Einzelnen umfassenden Bedeutung.
46 
Auch die Höhe der auf der Grundlage der Rechtsverordnung des Beklagten geforderten Gebühren ist mit Blick auf die materiell-rechtlichen Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinien 93/118/EG bzw. 96/43/EG aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
47 
Dem mit der Berufung erhobenen, auch auf die Gebührenhöhe zielenden Einwand, der Grundsatz der Einheitsgebühr sei nicht beachtet, da die Trichinenuntersuchungskosten als allgemeine Anhebung hinzugerechnet seien und dies materiell-rechtlich die unzulässige Erhebung einer gesonderten Gebühr darstelle, ist nicht zu folgen. Wie insbesondere der Bezug auf Anhang A Kapitel I Nr. 4 b der Richtlinie 85/73/EWG in § 1 Abs. 1 der Rechtsverordnung verdeutlicht, werden mit den Gebühren in der Anlage zur Rechtsverordnung ausschließlich „kostendeckende“ Gebühren festgesetzt. Die dabei für die Untersuchung von Schweinefleisch angesetzte Gebühr ist eine einheitliche Gebühr, bei deren Kalkulation die Kosten der Trichinenuntersuchung eingeflossen sind. Dass das „Hinzuaddieren“ EG-rechtlich unbedenklich ist, folgt - wie dargelegt - aus dem o.a. Gesichtspunkt der Kostendeckung, und - technisch - bereits aus der Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung des Rates vom 15.6.1988 über die Beträge der für die Untersuchung und Hygienekontrollen von frischem Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (88/408/EWG) vom 24.1.1989 (BAnz. v. 22.2.1989, S. 901) - im Folgenden: Protokollerklärung 89 - (dort die FN 1 und 3). Der Ausgangspunkt der Erwägung der Berufung, aus den europarechtlichen Vorgaben und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge, dass ein solcher „Rechenvorgang“ auch schon deshalb nicht zulässig sei, weil lediglich die in der RL 85/43/EWG vorgesehene Gemeinschaftsgebühr festgesetzt werden dürfe, ist wie dargelegt nicht zutreffend und ist auch entgegen dem Berufungsvortrag weder aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.6.2002 (3 BN 5.01, n.v.) noch aus der o.a. „Feyrer“-Entscheidung des EuGH herzuleiten.
48 
Im Übrigen lässt sich weder feststellen, dass unzulässigerweise Kosten in Ansatz gekommen sind, noch, dass die Kostendeckungsgrenze überschritten ist. Für den Umfang einer zulässigen Kostendeckung ist materiell-rechtlich auf die vorrangigen EG-rechtlichen Vorgaben zurückzugreifen (vgl. den Rechtsgedanken in § 8 LGebG; ferner BVerwGE 102, 39, Urteil vom 27.4.2000, DÖV 2001, 30).Ein Rückgriff auf einen von diesen abweichenden “nationalen“ Kostendeckungsgrundsatz, wie er in der mündlichen Verhandlung angedeutet worden ist, scheidet daher aus. Die Frage, ob eine Gesamtkostendeckung im Rahmen der Fleischhygieneuntersuchungen zulässig ist, ist demnach in erster Linie anhand der Bestimmungen der o.a. Richtlinien zu beantworten. Wie bereits dargelegt, ist nach der RL 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EWG nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.9.1999 C-374/97, a.a.O.) der Mitgliedstaat bzw. die von ihm für zuständig erklärte kommunale Behörde berechtigt, Gebühren zu erheben, die die tatsächlichen Kosten umfassen. An dieser Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 30.5.2002 - C-284/00 und C-288/00 „Stratmann“ u.a.(DVBl. 2002,1108 ) festgehalten. Unter Tz. 54 ist darauf abgehoben, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 85/73 und Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung 88/408 sowie nach Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 93/118 geänderten Fassung einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühren erheben können, sofern dieser Betrag die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet. Die dann getroffene Feststellung (Tz. 55), keine dieser Bestimmungen gestatte jedoch die Erhebung einer spezifischen Gebühr zusätzlich zu der Gemeinschaftsgebühr, um bestimmte Kosten für Untersuchungen und Kontrollen abzudecken, die nicht in allen Fällen stattfinden, ist entgegen der Ansicht der Berufung keine Einschränkung der Höhe nach, sondern eine solche der Art nach: Sowohl aus dem Anhang der Entscheidung 88/408 als auch aus Kapitel I Nummer 4 Buchstaben a und b des Anhangs der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 93/118 geänderten Fassung ergebe sich vielmehr, dass jede von einem Mitgliedstaat beschlossene Erhöhung den Pauschalbetrag der Gemeinschaftsgebühr selbst betreffen und als dessen Anhebung erfolgen müsse und dass eine spezifische, über die Gemeinschaftsgebühren hinausgehende Gebühr sämtliche tatsächlich entstandenen Kosten abdecken müsse (Tz. 56).
49 
Die so bestimmte Kostendeckungsgrenze wird hier nicht deshalb überschritten, weil - so die Ansicht der Berufung - mit der Einbeziehung von Verwaltungspersonalkosten nicht ansatzfähige Kosten in die Gebührenberechnung eingestellt worden seien. Welche Kosten bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen und daher ansatzfähig sind, richtet sich - wie die Kostendeckung dem Grunde nach - nach den Vorgaben der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft (dazu § 8 LGebG). Nach Art. 1 Abs. 2 der geänderten Richtlinie 85/73/EWG werden die Gebühren in einer Weise festgelegt, dass sie die Kosten decken, die die zuständige Behörde in Form von Löhnen und Gehältern einschließlich Sozialabgaben sowie Verwaltungskosten zu tragen hat. Sie umfassen auch die diesem Bereich zuzuordnenden Personalkosten, wie sich aus der o.a. Protokollerklärung zur Entscheidung 88/408/EWG vom 24.1.1989 (BAnz. 1989, 901) herleiten lässt. Ungeachtet der Frage nach deren rechtlicher Tragweite, die sich mit Blick darauf stellt, dass die genannte Entscheidung durch die Richtlinie 93/118/EG des Rates vom 22.12.1993 zur Änderung der Richtlinie 85/73/EWG (ABl. Nr. L 340, S. 15) aufgehoben worden ist, ist mit der Berufung davon auszugehen, dass die Protokollerklärung die Vorstellungen der beteiligten Gemeinschaftsorgane widerspiegelt, welcher Aufwand bei der Untersuchung dem Grunde nach in Betracht kommt. Als „Rahmenbedingungen“ für eine Bemessung der Gebührenhöhe (so die Einleitung zur Protokollerklärung, a.a.O.) ist ihr entgegen der Ansicht der Berufung allerdings kein Verbot zu entnehmen, tatsächlich entstehende Kosten nicht in Ansatz zu bringen, die zu einer höheren als der pauschal festgelegten Gemeinschaftsgebühr führen. Nach den unter I. festgelegten allgemeinen Grundsätzen der Erklärung werden Untersuchungszeit, Zerlegungsvorgang, Verwaltungskosten und Kosten der Rückstandsuntersuchung und bei der unter II. angeführten „Methode“ die Personalkosten angeführt. Zu den letzteren gehören ausdrücklich „die gesamten Kosten für das Untersuchungs- und Verwaltungspersonal“. Der weiterhin gerügte Ansatz eines „Risikozuschlags“ betrifft Gebührenzeiträume, die hier nicht in Rede stehen. Ohne dass es deshalb darauf ankäme, spricht vieles dafür, diesen für die erwartete tarifvertraglich bedingte Nachzahlung angesetzten Kosten der ansatzfähigen Vergütung zuzuordnen, was gleichfalls der auch mit der Berufung für zutreffend gehaltenen Protokollerklärung nicht widersprechen dürfte.
50 
Dass im Übrigen ein Zeitaufwand von 14,31 Minuten statt den in der Protokollerklärung vorgesehenen 8 Minuten zu Grunde gelegt ist (Nr. 2.3.2 der Kalkulation), ist nicht für sich bereits Grund für die Annahme eines unzulässigen Kostenansatzes. Der Beklagte hat den tatsächlichen Zeitaufwand für die Untersuchung von Rindern festgehalten. Eine strikte Bindung an die Vorgaben der Protokollerklärung ist nach dem oben Gesagten nicht gegeben, ungeachtet des weiteren Umstandes, dass insoweit eine uneingeschränkte Anwendung schon mit Blick auf die im Jahre 1988 als Rahmenbedingung angelegten Grundsätze der Protokollerklärung ausscheidet. Entscheidend ist indes, dass die Zeitangabe für sich nicht hinreichend aussagekräftig ist, sie vielmehr sowohl im Zusammenhang mit der Anzahl der an der Untersuchung beteiligten Tierärzte und Fleischkontrolleure als auch im Zusammenhang mit dem Betriebsablauf zu werten ist. Dass insoweit ein „kostenträchtiges“ Missverhältnis besteht, wird mit der Berufung nicht aufgezeigt.
51 
Auch die Rüge, es fehle bei der Gebührenkalkulation die Darlegung des Zusammenhangs zwischen Kosten und der Fleischhygieneuntersuchung, ist nicht berechtigt. Dass es um Kosten gehen muss, die der Untersuchung von Fleisch zugeordnet werden können, folgt aus der in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 85/43/EWG ausgesprochenen Bindung an die „tatsächlichen Untersuchungskosten“, wie sie im Übrigen auch die o.a. Nr. 4 der Anlage benennt. Für die geforderte Zuordnung kann durchaus auch auf die o.a. Protokollerklärung zurückgegriffen werden, die die gemeinschaftsrechtliche „Vorstellung“ des für den Untersuchungsvorgang Erforderlichen umschreibt. Sie verdeutlicht zugleich aber auch, dass die Zuordnung zur Untersuchung im engeren, technischen Sinn nicht gemeint ist, wie dies mit der Berufung geltend gemacht ist. Dieser weitere Zusammenhang besteht hier für die angesetzte Verwaltungspersonalstelle. Der in der Kalkulation erfolgte Hinweis auf die „VwV-Kostenfestlegung“ v. 20.12.2000 ist die „Inanspruchnahme“ gesicherter Erkenntnisse über die Ansatzfähigkeit und den erforderlichen Umfang von Personalkosten, deren Zuordnung zur Fleischhygieneuntersuchung im Gebiet des Beklagten sich auch aus den dem Senat vorliegenden Akten und deren Umfang erschließen. Anders als dies dem Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 26.8.2004 (12 A 10767/04.OVG - dort UA. S. 11) zu entnehmen ist, auf das sich die Berufung bezieht, geht es hier nicht um lediglich allgemeinen Verwaltungsaufwand (Kosten der Aufsichtsbehörde), bei dem - anders als im Falle des Beklagten - ein Zusammenhang mit der Fleischhygieneuntersuchung gerade fehlt. Dass ein „Hinzuaddieren“ der danach zulässig angesetzten Verwaltungskosten nicht - wie die Berufung meint - zur Festlegung einer Sondergebühr führt, sondern der Berechnung der Gebührenhöhe zuzuordnen ist, ist oben in anderem Zusammenhang bereits dargelegt.
52 
Es fehlt entgegen dem Vorbringen der Berufung auch nicht an einer hinreichenden Darlegung der Bemessungsgrundlagen. Die Gebührenkalkulation weist die Kalkulationsgrundlagen aus, was ausreichend ist und - da ein Rückgriff auf den Aktenbestand des Beklagten eröffnet ist - auch eine hinreichende Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Insbesondere scheitert auch eine Nachprüfbarkeit der mit der Berufung gerügten Ansätze für vollzeittätige Fleischkontrolleure nicht an dem mit dem Rechtsmittel vorgetragenen Umstand, für diesen Personenkreis gelte der „Tarifvertrag Ang aöS“ nicht. Der Beklagte hat dazu nachvollziehbar vorgetragen, dass er in einem ersten Rechenschritt eine Umrechnung der Untersuchungskosten hinsichtlich des Personals auf die einzelnen Tierarten vorgenommen und sich dabei auf eine Vorgabe des Ministeriums Ländlicher Raum Baden-Württemberg aus dem Jahre 1995 gestützt hat. Orientiert hat sich der Beklagte an den EG-rechtlich vorgegebenen Mindestuntersuchungszeiten, um so ein sachgerechtes Verhältnis der Gebührenansätze je Tierart zu erreichen. Damit ist auch der wenig konkrete Einwand der Berufung, der Bedarf an Untersuchungspersonal werde bestritten, entkräftet.
53 
Er steht im Zusammenhang mit dem Berufungsvorbringen, es fehle an der gebotenen Erforderlichkeit der angesetzten Kosten. Insbesondere seien unwirtschaftliche Kosten auszuscheiden. Dem Antrag, hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen, muss nicht durch Beweisaufnahme nachgegangen werden. Er stellt formal eine „Beweisanregung“ dar. Es bestehen bereits Bedenken, ob dieser „Antrag“ dem Gebot hinreichender Bestimmtheit des Beweisthemas genügt, oder ob die mangelnde Bestimmtheit hier nicht bereits - wie regelmäßig - kennzeichnend ist für einen Beweisermittlungsantrag (vgl. BVerwGE 75, 6 ff.). Ungeachtet dessen ist die Frage nach der Ansatzfähigkeit von Kosten eine solche, die der Senat anhand der ihm vorliegenden Unterlagen selbst beurteilen kann, zumal unter Berücksichtigung dessen, dass bei der Annahme zutreffender Kostenarten die Entscheidung zur Erforderlichkeit des Ansatzes der Kosten dann weitgehend den genannten Bestimmungen des EG-Rechts zu entnehmen und ein Einschätzungsspielraum der Behörde nur begrenzt eröffnet ist. Der weitere Hinweis, unwirtschaftliche Kosten seien für nicht vollbeschäftigte amtliche Tierärzte in Ansatz gebracht, wie ein Vergleich zwischen der Vergütung dieses Personenkreises bei privaten und bei öffentlichen Schlachthöfen zeige, rechtfertigt die Bedenken der Berufung nicht. Der Beklagte geht bei der Stundenvergütung von den jeweils maßgeblichen Vergütungssätzen aus, die sich aus den einschlägigen Tarifverträgen ergeben. An diese Vorgaben ist er - ohne dass ihm eine eigenständige Regelungsbefugnis zukommt - gebunden. Von einem Ansatz unwirtschaftlicher Kosten kann daher nicht gesprochen werden.
54 
Dem weiteren Vorbringen, die Fleischhygiene - RVO verstoße auch gegen das Äquivalenzprinzip, das sich mit Blick auf den Zweck, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ergebe, ist nicht zu folgen. Dem liegt die mit der Berufung wiederholt vorgetragene Vorstellung zu Grunde, aus der auch den Wettbewerb in Blick nehmenden Zielsetzung der RL 85/73/EWG folge zwingend, dass dem Betroffenen lediglich die Gemeinschaftsgebühren für Fleischuntersuchungen auferlegt werden dürften. Dass dies nicht zutrifft, folgt aus der o.a. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Nicht zutreffend ist auch der Hinweis der Berufung, es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der „Wert der Leistung für den Gebührenschuldner“ in Blick genommen worden sei, was sich als Ermessensfehlgebrauch erweise. Ob hier überhaupt Raum für die Ausübung von Ermessen verbleibt, ist zweifelhaft. Jedenfalls wird der „Wert der Leistung“ hier bezüglich des geltend gemachten Gesichtspunkts der Äquivalenz nicht außer Acht gelassen. Das Äquivalenzprinzip als Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besagt, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen kommunaler bzw. staatlicher Leistung und erhobener Gegenleistung bestehen muss, wobei der Behörde ein Regelungsspielraum eröffnet ist, den sie nur dann verlässt, wenn sich ein grobes Missverhältnis zwischen den Leistungen ergibt (vgl. etwa BVerwG, Urteil v. 21.10.1994, KStZ 1995, 54, 55 f. m.w.N.). Dafür, dass ein solches Missverhältnis bestehen könnte, ist indes mit der Berufung nichts vorgetragen worden. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte, nimmt man in Blick, dass durch die gebührenpflichtigen Untersuchungen die „Marktfähigkeit“ des geprüften Frischfleisches gesichert wird.
55 
Mit der Berufung ist schließlich die Anregung verbunden, dem Europäischen Gerichtshof die Fragen nach Art. 234 EG vorzulegen, ob für den Mitgliedstaat oder die ihm nachgeordneten Gliedstaaten (Bundesländer) die Möglichkeit besteht, vor ordnungsgemäßer und vollständiger Umsetzung eines Gemeinschaftsrechtsaktes von dessen Ausnahmebestimmung zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers Gebrauch zu machen, und ob die Mitgliedstaaten oder ihre nachgeordneten Gliedstaaten (Bundesländer) rückwirkend von Ausnahmebestimmungen eines umsetzungsbedürftigen Rechtsaktes der Gemeinschaft zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers Gebrauch machen, wenn dieser Rechtsakt entweder während seiner Geltungsdauer überhaupt nicht umgesetzt worden ist oder aber nur eine Teilumsetzung erfahren hat, jedoch eine ordnungsgemäße und vollständige Umsetzung des Rechtsaktes weder in Bundes- noch in Landesrecht erfolgt ist. Wie aus den oben angestellten Gründen folgt, stellen sich diese Fragen in dem hier anhängigen Verfahren nicht.
56 
Der Anspruch auf eine Erstattung von Gebührenleistungen, wie er mit der Berufung gleichfalls geltend gemacht ist, scheidet nach dem Gesagten ebenso aus wie der geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
58 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
23 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage, soweit sie noch Gegenstand der Berufung ist, zu Recht abgewiesen.
24 
Denn die Klägerin wird durch den von ihr angefochtenen Gebührenbescheid des Beklagten vom 12.10.1999 (i. d. Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 23.5.2002) nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25 
Nicht zu folgen ist dem Einwand, dass ein Gebührenbescheid, der sich auf eine gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsgrundlage stützt, nicht anwendbar und daher auch ohne weiteres nichtig sei. Ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht würde entgegen dem Berufungsvorbringen nicht zur Nichtigkeit des Gebührenbescheids führen, wie der Senat wiederholt entschieden hat (dazu etwa Beschluss vom 10.5.2000 - 2 S 1839/99 und vom 15.11.2002 - 2 S 204/02; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 11.5.2000 - 11 B 26.00 - DÖV 2000, 1004). Zur Rechtswidrigkeit bereits aus formellen Gründen führt auch nicht, dass in den Gebührenbescheiden die Gebühr für die Trichinenuntersuchung noch als gesonderte Gebühr ausgewiesen ist. Weder das EG-Recht noch das Landesrecht bestimmen unmittelbar, welchen Inhalt der Gebührenbescheid haben muss. Aus seinem Charakter als Verwaltungsakt ist herzuleiten, dass ihm die mit ihm verbundene „Regelung“ entnommen werden kann (vgl. dazu die Begriffsbestimmung in § 35 LVwVfG). Zu ihr gehören - wie bei Abgabenbescheiden sonst auch (vgl. dazu den Rechtsgedanken aus § 157 Abs. 1 Satz 2 AO) - die Angaben zu Abgabenart und Abgabenschuldner sowie die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. dazu auch Tipke in Tipke/Kruse, AO, FGO, 2004, § 157 AO RdNrn. 5 ff.). Die Feststellung der Abgabengrundlagen erfolgt nicht durch Verwaltungsakt, sondern mittelbar im Abgabenbescheid und beschwert den Abgabenschuldner nur dann, wenn sie unzutreffend angegeben ist und für den Betroffenen nachteilige Auswirkungen auf das Ergebnis, den verfügenden Teil, hat (vgl. Tipke, a.a.O. RdNr. 20 m.w.N.; ferner P. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. A., § 37 RdNr. 20 f und 22a). Dies lässt sich hier nicht feststellen. Ungeachtet der rechtlichen Vorfrage, dass die in dem angefochtenen Gebührenbescheid gesondert angesetzte Trichinengebühr rechtskräftig aufgehoben worden ist, folgt aus ihrer Feststellung als Teil der Begründung zur Abgabengrundlage, dass sie auch an der Bindungswirkung des Verwaltungsakts nicht teilnimmt und - da sie sich hier auch nicht auf den verfügenden Teil auswirkt - als unrichtige Feststellung der Abgabengrundlage ohne Belang für die formelle Rechtmäßigkeit der Bescheide bleibt. Gleiches gilt für den Einwand, dem Gebührenbescheid fehle es der Darlegung des „Systemwechsels“ bei der Anhebung der Gemeinschaftsgebühr und der mit ihm verbundenen Zuständigkeitsänderung.
26 
Der angefochtene Gebührenbescheid ist auch materiell-rechtlich mit vorrangigem Recht vereinbar.
27 
Mit der Berufung wird die Rechtswidrigkeit der Gebührenbescheide bereits wegen des Fehlens von „Transparenz“ geltend gemacht, weil nach vorrangigem EG-Recht Angaben zum „Systemwechsel“ (Gebührenbemessung und Zuständigkeit) ebenso wie solche zur Einheitsgebühr gefordert seien. Dem ist nicht zu folgen. Mit diesem Hinweis wird auf die auch landesrechtlich zu fordernde Bestimmtheit von Abgabenbescheiden abgehoben, die jedenfalls hier nicht mehr zweifelhaft ist, nachdem der Beklagte die Grundlagen für die Gebührenerhebung schriftlich dargelegt hat (dazu P. Stelkens, a.a.O., § 45 RdNr. 34). Die Bestimmtheit kann im Übrigen mit Blick auf etwa bestehende Unklarheiten auch durch Auslegung hergestellt sein, wie sie hier möglich ist (vgl. nur P. Stelkens, a.a.O., § 37 RdNr. 11; RdNr. 31a auch zur Heilungsmöglichkeit im Anfechtungsprozess).
28 
Auch die mit der Berufung geltend gemachte Rechtswidrigkeit des Gebührenbescheids infolge seiner vermeintlichen Wesensänderung ist nicht gegeben. Eine solche Änderung kann dann eintreten, wenn Rechtsgrundlage und Sachverhalt eines Bescheides ausgetauscht werden. Die Wesensänderung ist in einem solchen Fall auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der verfügende Teil des Verwaltungsakts unverändert bleibt (vgl. P. Stelkens, a.a.O., § 45 RdNr. 49). Hier haben sich der Gebührengläubiger und auch die rechtliche Grundlage der Gebühr geändert. Beide betreffen indes weder die Abgabenart noch den Bezugsgegenstand (Sachverhalt) der angefochtenen Bescheide. Denn nach wie vor geht es um die Gegenleistung für konkret in Rede stehende und erbrachte „Amtshandlungen“ im Rahmen eines Gebührenschuldverhältnisses (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.10.1993 - 8 C 33.92 - NVwZ 1994, 903).
29 
Rechtsgrundlage des genannten Bescheids ist die Rechtsverordnung des Landratsamts vom 30.6.2005 über rückwirkende Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung - FlHRVO -, veröffentlicht am 26.7.2005, die nach ihrem § 3 mit Wirkung vom 1.7.1995 in Kraft getreten ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Rechtsverordnung werden Gebühren nach der Anlage zu dieser Verordnung erhoben für nach dem Fleischhygienegesetz durchgeführte Schlachttier- und Fleischuntersuchungen bei Einhufern, Rindern, Kälbern, Schweinen, Ferkeln, Schafen und Ziegen, die u.a. zwischen dem 1. Juli 1995 und dem 31.12.2004 in Schlachtbetrieben mit mehr als 2000 Schlachtungen je Kalendermonat im Jahresdurchschnitt stattgefunden haben. Diese werden nach Anhang A Kapitel I Nr. 4b der Richtlinie 85/73/EWG in der jeweils geltenden Fassung erhoben und in der Weise festgelegt, dass sie folgende durch die Untersuchung und Kontrollen entstehende Kosten decken: Löhne und Sozialabgaben der Untersuchungsstelle, durch die Durchführung der Untersuchung und Kontrolle entstehende Verwaltungskosten einschließlich der Sachkosten und Auslagen, denen noch die Kosten der Fortbildung des Untersuchungspersonals hinzugerechnet werden. Mit diesen Gebühren sind nach Satz 3 der Bestimmung abgegolten auch die mit der Schlachttier- und Fleischuntersuchung im Zusammenhang stehende Hygieneüberwachung, Probenahme, Beschlagnahme, Nachuntersuchung, Endbeurteilung und Tagebuchführung, die Untersuchung auf Trichinen, die bakteriologische Fleischuntersuchung sowie die Rückstandsuntersuchung nach dem nationalen Rückstandskontrollplan. Abs. 2 bestimmt, dass für die planmäßigen Rückstandsuntersuchungen nach dem nationalen Rückstandskontrollplan beim Schlachtbetrieb je Tonne Fleisch ein Betrag in Höhe der im Anhang Kapitel I Nr. 1 b der Richtlinie 93/118/EG vom 22.12.1993 bzw. in Anhang B Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 96/43/EG in der jeweils geltenden Fassung festgelegten Gebühr erhoben wird. Nach Abs. 3 verbleibt es für andere Untersuchungen, Kontrollen und Amtshandlungen nach dem Fleischhygienegesetz in dem vorgenannten Zeitraum bei den Regelungen der Fleischhygienegebührenverordnung vom 20.71998 (GBl. S, 459) zuletzt geändert durch Verordnung vom 24.1.2004 (GBl. S. 82). Die Gebührenfestsetzung nach Abs. 1 und Abs. 2 erfolgt nach Abs. 4 der Rechtsverordnung höchstens in der Höhe, die sich bei einer Anwendung der genannten Fleischhygieneverordnung unter Einbeziehung der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Untersuchung ergeben hätten.
30 
Die Rechtsverordnung stützt sich ihrerseits auf die §§ 2a Abs. 7, 2b Abs. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Fleischhygienegesetzes vom 12.12.1994, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts vom 14.12.2004 (GBl. S. 895) - AGFlHG -. Danach werden die kostenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren sowie die der Kosten durch Rechtsverordnung der Landratsämter oder durch Satzung der Stadtkreise bestimmt. Nach Art. 17 Abs. 5 des zuletzt genannten Gesetzes tritt Artikel 2 dieses Gesetzes mit Wirkung vom 1.7.1995 in Kraft.
31 
Auf diese Bestimmungen ist hier entgegen der Ansicht der Berufung auch maßgeblich abzustellen. Denn nach Art. 17 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts bleibt die Fleischhygiene-Gebührenverordnung vom 20.7.1998 (GBl. S. 459) - FlHGebVO - (nur) so lange in Kraft, bis die Landratsämter und Stadtkreise eine Neuregelung getroffen haben. Eine solche Neuregelung ist hier aber durch die angeführte Rechtsverordnung des Beklagten erfolgt.
32 
Dass es - wie die Berufung geltend macht - an einer Ermächtigungsgrundlage überhaupt mangeln könnte, weil durch Art. 7 Nr. 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts vom 1.9.2005, BGBl. I 2618, das Fleischhygienegesetz (FlHG i.d.F. der Bekanntmachung vom 30.6.2003, BGBl. I S. 1242, 1585 . m. nachf. Änderungen, zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 4.11.2004, BGBl. I S. 2688, 3657) aufgehoben worden ist, ist nicht zutreffend. Abgesehen davon, dass einige der Bestimmungen des Fleischhygienegesetzes auf Grund des Art. 2 § 1 Nr. 4 des genannten Neuordnungsgesetzes weiterhin für eine Übergangszeit anzuwenden sind, ist das genannte Neuordnungsgesetz erst mit Wirkung vom 7.9.2005 in Kraft getreten (dazu Art. 8 des Neuordnungsgesetzes), so dass das AGFlHG zeitlich nicht auf ein Gesetz abstellt, das außer Kraft getreten war. Entscheidend ist aber, dass die Bestimmung in § 24 FlHG nicht die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die landesrechtliche Gebührenregelung darstellt. Mit dieser Bestimmung hat der Bundesgesetzgeber von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht und es dabei (zulässigerweise) dem Landesgesetzgeber überlassen, die einzelnen kostenpflichtigen Tatbestände - und damit auch die entsprechenden Gebühren - zu bestimmen und damit das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht in nationales Recht umzusetzen (so BVerwG, Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99 - BVerwGE 111, 143). Soweit § 24 FlHG die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts dem Landesgesetzgeber überlässt, steht diesem auch eine originäre Gesetzgebungskompetenz nach Art. 72 Abs. 1 GG zu. Von ihr hat der Landesgesetzgeber durch das bereits erwähnte Ausführungsgesetz auch Gebrauch gemacht. Der nachträgliche Wegfall der bundesrechtlichen (konkurrierenden) Regelung hat daher nicht den von der Berufung behaupteten Kompetenzverlust zur Folge. Dass mit dem Außerkrafttreten des § 24 FlHG auch der bundeseinheitlich geltende Maßstab entfallen sei, mag erörtert werden können, dass ein solcher aber nach der „Feyrer-Entscheidung“ des EuGH (Urteil vom 9.9.1999, NVwZ 2000, 182 f.) gefordert sei, wie dies mit in der Berufungsverhandlung vorgebracht worden ist, ist indes nicht zutreffend.
33 
(d) Aus Rechtsgründen ist nicht zu beanstanden, dass sowohl die genannte Rechtsverordnung (s. deren § 3) als auch §§ 2a, 2b AGFlHG (s. Art 17 Abs. 5 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts) rückwirkende (Gebühren-) Regelungen enthalten, die auch die in dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Zeiträume umfassen.
34 
(aa) Dies gilt für das Vorbringen der Berufung, dass bereits die FlHGebVO vom 20.7.1998 (GBl. S. 459) - FlHGebVO 1998 - nicht mehr Gebührentatbestände hätte festlegen dürfen, nachdem auf Grund einer Senatsentscheidung rechtskräftig entschieden gewesen sei, dass die VO v. 10.4.1995 nur Gebührenfestsetzungen nach ihren Nrn. 80.18 ff, mithin auf der untersten Stufe als Mindestgebühr, zugelassen habe; die Rechtskraft dieser Entscheidung sei in der Folgezeit „ausgeblendet worden“. Es sei deshalb auch Verfassungsbeschwerde eingelegt (BVerfG 1 BvR 1669/02). Damit wird indes die rechtliche Tragweite des maßgeblichen Beschlusses des Senats vom 24.6.1997 - 2 S 3258/95 - (bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 5.7.1998 - 6 BN 2.98 -) verkannt, mit dem die Nrn. 80.18 bis 80.18.2.4 der genannten VO für ungültig erklärt worden sind, soweit dort über die Mindestgebühr hinausgehende Gebühren festgesetzt sind. Entschieden ist lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit einer Gebührenfestlegung durch Verordnung, nicht indes deren ausschließliche Zulässigkeit. Einer rückwirkenden Regelung steht damit diese Entscheidung nicht entgegen.
35 
(bb) Zutreffend ist, dass die nachfolgende Fleischhygienegebührenverordnung vom 20.7.1998 (GBl. S. 459 ) - FlHGebVO 1998 - nur eine „betriebsbezogene Anhebung“ nach der Bestimmung der Nr. 4a Kapitel I Anhang A der RL 85/73/EWG i. d. F. der Richtlinie 96/43/EG des Rates v. 26.6.1996 zur Änderung und Kodifizierung der Richtlinie 85/73/EWG zur Sicherstellung der Finanzierung der veterinär- und hygienerechtlichen Kontrollen von lebenden Tieren und bestimmten tierischen Erzeugnissen sowie zur Änderung der Richtlinien 90/675/EWG und 91/496/EWG (ABl. Nr. L 162, 1; ber. ABl. 1997 Nr. L 8, 32) zugelassen und außerdem unzulässig gesonderte Gebühren für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Untersuchung festgelegt hat. Da mit Blick auf die unzulässig festgelegten gesonderten Gebühren von der Nichtigkeit der FlHGebVO 1998 auszugehen ist (dazu der o.a. Zulassungsbeschluss des Senats), entfällt der Einwand, der Normgeber dürfe nicht „kumulativ“ auch eine kostendeckende Anhebung der EG-Pauschgebühr für den Zeitraum 20.7.1998 und 31.12.2004 vorsehen, wie dies mit der Rechtsverordnung des Beklagten nunmehr geregelt werde. Auch ist die mit der Berufung vorgetragene Beschränkung auf die betriebsbezogene Anhebung der Gebühr nicht gegeben und daher auch auszuschließen, dass - wie die Berufung meint - „deswegen“ eine rückwirkende Anhebung nach Nr. 4b Kapitel I Anhang A der genannten Richtlinie ausscheide.
36 
(e) Die Übertragung der Regelungsbefugnis nach § 2a und § 2 b AGFlHG auf Stadt- und Landkreise beruht auf der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 2 des genannten Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts. Sie begegnet unter kompetenzrechtlichen Erwägungen keinen Bedenken (vgl. dazu auch das o.a. Urteil des EuGH vom 9.9.1999, C- 374/97 - (Feyrer) Slg. 1999, I-5153 = NVwZ 2000, 182 ff. m. Anm. Kunze NVwZ 2001, 291). Denn es steht jedem Mitgliedsstaat frei, die Zuständigkeiten auf innerstaatlicher Ebene zu verteilen und die nicht unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsrechtsakte durch Maßnahmen regionaler oder örtlicher Behörden durchzuführen (dazu EuGH, Urteil vom 9.9.1999, C-374/97, a.a.O.), sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsrechtsakte ermöglicht. Einer Übertragung der Regelungskompetenz für die Abweichung von den EG-Pauschalbeträgen auf die Land- und Stadtkreise steht daher EG-Recht nicht entgegen und sie ist auch bundesrechtlich zulässig (so schon BVerwG, Beschluss vom 21.4.1999 - 1 B 26.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 18).
37 
(f) Auch die dabei eingeräumte Möglichkeit, rückwirkend zum 1.7.1995 von einer betriebsbezogenen Anhebung auf der Grundlage von Nr. 4a auf die „kostendeckende“ Anhebung nach Nr. 4b des Anhangs zur Richtlinie 85/73/EWG (s. Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 93/118/EG i.V.m. Kapitel I Nr. 4 des Anhangs; Art. 5 Abs. 3 der genannten Richtlinie i.d.F. der Richtlinie 96/43/EG i.V. mit Anhang A Kapitel I Nr. 4) umzustellen, wie dies § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 und § 3 der RVO des Beklagten regelt, ist entgegen dem Vorbringen der Berufung verfassungsrechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots zu beanstanden.
38 
Der Senat hat bereits in seinem Normenkontrollurteil vom 5.7.2001 - 2 S 2898/98 - dargelegt, dass der Normgeber befugt ist, eine unklare Rechtslage auch rückwirkend zu bereinigen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu Urteil vom 27. April 2000 - 1 C 8.99 - GewA 2000, 384; Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01 - NVwZ 2002, 486 ff., Beschluss vom 31.7.2002 - 3 B 145.01 - NVwZ 2003, 480 ff.). Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung des Beklagten. Einem etwaigen schützenswerten Vertrauen eines Betroffenen wird dadurch Rechnung getragen, dass nach Art. 17 Abs. 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Gebührenrechts im Zeitraum 1.1.1995 bis 31.12.2004 keine höheren Gebühren erhoben werden, als nach der FlHGebVO vom 20.7.1998 einschließlich der Kosten für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Fleischuntersuchung. Diesem Gebot trägt auch die Rechtsverordnung des Beklagten in ihrem § 1 Abs. 4 Rechnung. Mithin darf eine höhere Gebühr, als sie auf der bisherigen Grundlage angefallen wäre, nicht festgesetzt werden. Eine andere rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer Rückwirkung ist auch auf der Grundlage der mit der Berufung vorgelegten rechtsgutachtlichen Stellungnahme vom 25.5.2001 nicht geboten. Wie der Beklagte zu Recht hervorhebt, ist dieses Gutachten mit Blick auf die bayerische Rechtslage erstellt, für die eine gegenüber der gesetzlich vorgesehenen Rückwirkung weitergehende satzungsrechtliche Regelung als verfassungswidrig deswegen aufgezeigt wird, weil eine sog. echte Rückwirkung in Rede stehe( Gutachten S. 14). Um eine solche Rückwirkung geht es hier aber nicht, abgesehen davon, dass der Gutachter selbst die Besonderheiten anderer landesrechtlicher Regelungen hervorhebt (Gutachten S. 19 ff.).
39 
Ferner begegnet die mit dem „Systemwechsel“ verbundene Änderung der Behördenzuständigkeit keinen Bedenken hinsichtlich des Rückwirkungsverbots, wie dies in der Berufungsverhandlung geltend gemacht worden ist. § 3 Abs. 3 LVwVfG bzw. § 26 AO gelten nicht, da der Behördenwechsel hier durch das o.a. genannte Gesetz erfolgt ist. Der Übergang kraft Gesetzes bewirkt einen Wegfall der bisherigen Zuständigkeit und die Begründung der Zuständigkeit des Beklagten, ohne dass damit rückwirkend eine Kompetenzübertragung verbunden ist. Vielmehr geht es in diesem Zusammenhang allein um die Fortsetzung des Verfahrens durch die neue Behörde. Sie erfolgt - dem Rechtsgedanken der genannten verfahrensrechtlichen Bestimmungen entsprechend - unter Wahrung der Interessen des Betroffenen, wenn - wie dies hier der Fall ist - sichergestellt ist, dass seine Rechtsstellung durch die Zuständigkeitsänderung nicht nachteilig berührt wird.
40 
(g) Auch eine dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Rechtslage ist nicht festzustellen.
41 
Der Einwand der Berufung, es fehle bereits an der Feststellung, dass im Bundesgebiet die Voraussetzungen für eine Abweichung von der Gemeinschaftsgebühr entsprechend der Vorgabe der RL 85/43/EWG gegeben seien, wird mit dem Hinweis darauf, in § 2a Abs. 1 Satz 2 AGFlHG werde dies lediglich „lapidar“ festgelegt, nicht substantiiert begründet. Warum die dort getroffene Feststellung unzutreffend sein könnte, wird nicht aufgezeigt. Es wird auch verkannt, dass mit ihr der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen ist, nach der der Landesgesetzgeber durch Rechtssatz zu entscheiden hat, dass von der Gemeinschaftsgebühr abgewichen werden darf und dass die Voraussetzungen für eine derartige Abweichung entsprechend den Feststellungen des Bundesministeriums der Gesundheit vom 24.10.1997 (BAnz. Nr. 204, S. 13298) erfüllt sind (s. dazu auch den Vorspann des mit der Berufung vorgelegten Aufsatzes von Orlop in: Fleischwirtschaft 1987, 1481).
42 
Die Rechtswidrigkeit folgt auch nicht aus dem von der Berufung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (dazu Beschluss vom 20.9.1999 -2 S 1558/99 -; ferner Papier, DÖV 1993, 809, 810) angeführten Gesichtspunkt, dass grundsätzlich die Anwendung von nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinien zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers nicht in Betracht komme, weil der nicht umgesetzte Akt keine vertikalen Rechtswirkungen zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers entfalte. Eine fehlende Umsetzung der RL 85/43/EWG sei aber festzustellen, da dort angeführte Betriebe anderer Lebensmittelbereiche nicht mit Gebühren belastet seien. Ob dies der Sache nach auch hier zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn diese Erwägung ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.9.1999 C-374/97, a.a.O.) jedenfalls für die Richtlinie 85/73/EWG nicht tragend. Der Gerichtshof hat dargelegt, dass auch dann, wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht innerhalb der Frist umgesetzt habe, ein Einzelner sich der Erhebung von höheren Gebühren als den im Anhang Kapitel I Nr. 1 festgesetzten Pauschalbeträgen nicht widersetzen kann, sofern diese Gebühren die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschreiten. Ein Mitgliedstaat kann danach auch von der ihm durch den genannten Anhang eingeräumten Befugnis, eine spezifische, die Pauschalbeträge übersteigende Gebühr zu erheben, ohne weitere Voraussetzungen unter dem alleinigen Vorbehalt Gebrauch machen , dass die spezifische Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreitet. Auch darf ein Mitgliedstaat, der die Befugnis zur Erhebung der Gebühren für Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch den kommunalen Behörden übertragen hat, nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie bis zur Höhe der der zuständigen kommunalen Behörde tatsächlich entstandenen Untersuchungskosten höhere Gebühren als die Gemeinschaftsgebühren erheben. Nichts anderes kann im Übrigen auch für die RL 85/73/EWG in ihrer späteren Fassung gelten.
43 
Die o.a. gesetzliche Neuregelung ist auch nicht wegen des mit der Berufung geltend gemachten Einwands rechtswidrig, die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit rückwirkenden EG-Rechts seien nicht beachtet. Denn auf diese Grundsätze kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an. Entgegen der Berufung wird hier EG-Recht nicht rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Für den in § 3 der Rechtsverordnung des Beklagten (rückwirkend) geregelten Gebührenzeitraum ab 1.7.1995 sind maßgeblich zum einen die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 93/118/EG, die bis 1.7.1997 Anwendung gefunden hat. Zum anderen ist ab diesem Zeitpunkt die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG maßgeblich, die die RL 93/118/EWG ersetzt. Die Bezugnahme auf diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erfolgt hier ersichtlich durch das nationale Recht, das das Gemeinschaftsrecht schon mit dieser Beschränkung nicht berührt, sondern lediglich Normlücken des nationalen Gebührenrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts schließt (so zutreffend OVG NW, Urteil vom 14.12.2004 - 9 A 4232/02 - KStZ 2005, 72 m.w.N.). Der Senat hat - allerdings noch mit Blick auf die FlHGebVO 1998 - dargelegt, dass diese eine Rückwirkung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften gerade nicht regele, sondern dass eine mittlerweile außer Kraft getretene EG-Rechtsnorm für einen Zeitraum umgesetzt werde, für den sie sich selbst Rechtswirkung beigemessen hat und für den sie auch umzusetzen war oder unmittelbar Geltung besaß (NK-Urteil vom 5.7.2001 - 2 S 2989/98; vgl. auch BVerwG, Beschluss v. 27.4.2000 - 12.99 - Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 21). Daran ist auch für die hier in Rede stehende Rechtsverordnung festzuhalten. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, es sei unschädlich, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Neuregelung die Richtlinie 93/118/EG außer Kraft getreten sei. Denn sie sei nicht mit Wirkung „ex tunc“ von Anfang an, sondern „mit Wirkung „ex nunc“ außer Kraft getreten mit der Folge, dass die Rückwirkungsanordnung lediglich für den Zeitraum, in dem diese Gemeinschaftsrechtsakte nach wie vor Gültigkeit haben, an diese anknüpfe (so BVerwG, Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1.01, a.a.O., S. 488, m.w.N.). Demnach ist eine Auseinandersetzung mit den mit der Berufung aufgezeigten Grundsätzen eines EG-rechtlich begründeten Rückwirkungsverbots entbehrlich (zu ihm s. aber auch das genannte NK-Urteil des Senats vom 5.7.2001 2 S 2989/98 -). Dies gilt auch für den Hinweis der Berufung auf die Ausführungen von Zuleeg in: Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, S. 247, wonach einer Ermächtigung keine rückwirkende Kraft zukommen dürfe. Denn davon kann hier gerade nicht ausgegangen werden, da das Landesrecht - und ihm folgend die Rechtsverordnung des Beklagten - keine rückwirkende Ermächtigung darstellt, sondern lediglich die richtlinienkonforme Anhebung der Gemeinschaftsgebühr für solche Zeiträume eröffnet, in denen das Gemeinschaftsrecht selbst dies zulässt. Dies stellt keinen Fall des (regelmäßig unzulässigen) Gebrauchmachens von einer gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung für einen Zeitraum vor deren Inkrafttreten dar (dazu OVG NW, Urteil vom 14.12.2004, a.a.O.).
44 
Auch der mit der Berufung gerügte „Systemwechsel“ - die Anhebung der Gebühr nicht mehr nach Nr. 4a, sondern nach Nr. 4b des Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG i. d. F. der RL 96/43/EG - ist nicht zu beanstanden. Ob die EG-Pauschalen für bestimmte Betriebe anzuheben sind oder eine Gebühr zu erheben ist, die die tatsächlichen Kosten deckt, ist eine nach den Vorgaben der genannten Richtlinie zu beantwortende Frage, bei der Ermessen eröffnet ist (s. der Wortlaut von Nr. 4 des genannten Anhangs A Kapitel I der RL 85/73/EWG, ABl. L 162/1, 7). Dieses Ermessen unterliegt keinen weiteren europarechtlichen Einschränkungen. Allerdings hat die Ermessenentscheidung durch „Rechtssatz“ zu erfolgen (dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1996 - 3 C 7.95, BVerwGE 102, 39; Urteil vom 27.4.2000 - 1 C 7.99, a.a.O.). Dies ist hier mit der Rechtsverordnung des Beklagten erfolgt. Auch durfte der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber hier die Wahl unter mehreren Alternativen überlassen und sich auf die Festlegung der dabei zu beachtenden Grundsätze beschränken (so BVerwG, Urteil vom 24.7.2000, a.a.O.). Dementsprechend ist es dem Verordnungsgeber auch nicht verwehrt, einen „Systemwechsel“ dadurch vorzunehmen, dass er bei einem Abweichen von den EG-Pauschgebühren von der „betriebsbezogenen“ zur „kostendeckenden“ Anhebung übergeht. Auch hinsichtlich dieses Übergangs ist durch die Bestimmung in § 1 Abs. 4 der Rechtsverordnung des Beklagten sichergestellt, dass höhere Gebühren, als sie sich bisher nach den Bestimmungen der FlHGebVO 1998 ergeben hätten, nicht anfallen dürfen. In diesem Wechsel liegt daher auch entgegen dem Vorbringen der Berufung nicht etwa deshalb ein Eingriff in den durch Art. 12 GG geschützten Gewerbebetrieb, weil sich die Betroffenen auf eine betriebsbezogene Anhebung der Gemeinschaftsgebühr eingestellt hätten. Ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb dabei überhaupt als Schutzgut betroffen ist, ist fraglich, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls kann ein „Eingriff“ in dieses Schutzgut schon deshalb ausgeschlossen werden, weil eine weitergehende Belastung durch den Systemwechsel nicht eintreten kann, wie der genannten Bestimmung zu entnehmen ist.
45 
Dass die Gebührenregelungen der Rechtsverordnung des Beklagten deshalb rechtswidrig sein könnten, weil - wie mit der Berufung ferner geltend gemacht ist - der Mitgliedstaat der „Notifizierungspflicht“ aus Art. 6 Abs. 1 RL 85/73/EWG i.d.F. der RL 96/ /EG nicht nachkomme, ist nicht erkennbar. Die Bestimmung normiert eine objektive Rechtsverpflichtung, die weder mit Blick auf Art. 249 EG noch mit Blick auf die damit verbundene Zielsetzung zugleich auch dem subjektiven Schutz des einzelnen Gebührenschuldners dient. Letzteres ist zwar nicht nur bei einer ausdrücklichen normativen Regelung des Drittschutzes, sondern auch dann anzunehmen, wenn die Richtlinie ein bestimmtes mitgliedschaftliches Verhalten regelt, das den Interessen einzelner förderlich ist und sie begünstigt (EuGH, Urteil vom Rs. C-91/92, Slg. 1994, I-3325, 3356 = EuZW 1994, 195, 196 - Facini Dori). Die Pflicht zur regelmäßigen Mitteilung über Aufteilung und Verwendung der Gemeinschaftsgebühr hat indes den Einzelnen nicht im Blick, sondern bleibt Vollzugskontrolle, die allenfalls mittelbar förderlich für den Gebührenschuldner sein könnte. Auch ist das von der Richtlinie geforderte mitgliedschaftliche Verhalten hier ausdrücklich auf die Kommission ausgerichtet („bipolar“) und begründet ersichtlich auch nur ihr gegenüber eine rechtliche Verpflichtung, aus der nicht ohne Weiteres die Drittbegünstigung herzuleiten ist. Auch die im Zusammenhang damit geltend gemachte Verletzung von Art. 249 EG führt nicht zu einer über die bereits oben angesprochene Frage nach der Umsetzung hinausgehenden, eine Begünstigung des Einzelnen umfassenden Bedeutung.
46 
Auch die Höhe der auf der Grundlage der Rechtsverordnung des Beklagten geforderten Gebühren ist mit Blick auf die materiell-rechtlichen Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinien 93/118/EG bzw. 96/43/EG aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
47 
Dem mit der Berufung erhobenen, auch auf die Gebührenhöhe zielenden Einwand, der Grundsatz der Einheitsgebühr sei nicht beachtet, da die Trichinenuntersuchungskosten als allgemeine Anhebung hinzugerechnet seien und dies materiell-rechtlich die unzulässige Erhebung einer gesonderten Gebühr darstelle, ist nicht zu folgen. Wie insbesondere der Bezug auf Anhang A Kapitel I Nr. 4 b der Richtlinie 85/73/EWG in § 1 Abs. 1 der Rechtsverordnung verdeutlicht, werden mit den Gebühren in der Anlage zur Rechtsverordnung ausschließlich „kostendeckende“ Gebühren festgesetzt. Die dabei für die Untersuchung von Schweinefleisch angesetzte Gebühr ist eine einheitliche Gebühr, bei deren Kalkulation die Kosten der Trichinenuntersuchung eingeflossen sind. Dass das „Hinzuaddieren“ EG-rechtlich unbedenklich ist, folgt - wie dargelegt - aus dem o.a. Gesichtspunkt der Kostendeckung, und - technisch - bereits aus der Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Entscheidung des Rates vom 15.6.1988 über die Beträge der für die Untersuchung und Hygienekontrollen von frischem Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (88/408/EWG) vom 24.1.1989 (BAnz. v. 22.2.1989, S. 901) - im Folgenden: Protokollerklärung 89 - (dort die FN 1 und 3). Der Ausgangspunkt der Erwägung der Berufung, aus den europarechtlichen Vorgaben und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge, dass ein solcher „Rechenvorgang“ auch schon deshalb nicht zulässig sei, weil lediglich die in der RL 85/43/EWG vorgesehene Gemeinschaftsgebühr festgesetzt werden dürfe, ist wie dargelegt nicht zutreffend und ist auch entgegen dem Berufungsvortrag weder aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.6.2002 (3 BN 5.01, n.v.) noch aus der o.a. „Feyrer“-Entscheidung des EuGH herzuleiten.
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Im Übrigen lässt sich weder feststellen, dass unzulässigerweise Kosten in Ansatz gekommen sind, noch, dass die Kostendeckungsgrenze überschritten ist. Für den Umfang einer zulässigen Kostendeckung ist materiell-rechtlich auf die vorrangigen EG-rechtlichen Vorgaben zurückzugreifen (vgl. den Rechtsgedanken in § 8 LGebG; ferner BVerwGE 102, 39, Urteil vom 27.4.2000, DÖV 2001, 30).Ein Rückgriff auf einen von diesen abweichenden “nationalen“ Kostendeckungsgrundsatz, wie er in der mündlichen Verhandlung angedeutet worden ist, scheidet daher aus. Die Frage, ob eine Gesamtkostendeckung im Rahmen der Fleischhygieneuntersuchungen zulässig ist, ist demnach in erster Linie anhand der Bestimmungen der o.a. Richtlinien zu beantworten. Wie bereits dargelegt, ist nach der RL 85/73/EWG i.d.F. der Richtlinie 93/118/EWG nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 9.9.1999 C-374/97, a.a.O.) der Mitgliedstaat bzw. die von ihm für zuständig erklärte kommunale Behörde berechtigt, Gebühren zu erheben, die die tatsächlichen Kosten umfassen. An dieser Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 30.5.2002 - C-284/00 und C-288/00 „Stratmann“ u.a.(DVBl. 2002,1108 ) festgehalten. Unter Tz. 54 ist darauf abgehoben, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 85/73 und Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung 88/408 sowie nach Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 93/118 geänderten Fassung einen höheren Betrag als die Gemeinschaftsgebühren erheben können, sofern dieser Betrag die tatsächlichen Untersuchungskosten nicht überschreitet. Die dann getroffene Feststellung (Tz. 55), keine dieser Bestimmungen gestatte jedoch die Erhebung einer spezifischen Gebühr zusätzlich zu der Gemeinschaftsgebühr, um bestimmte Kosten für Untersuchungen und Kontrollen abzudecken, die nicht in allen Fällen stattfinden, ist entgegen der Ansicht der Berufung keine Einschränkung der Höhe nach, sondern eine solche der Art nach: Sowohl aus dem Anhang der Entscheidung 88/408 als auch aus Kapitel I Nummer 4 Buchstaben a und b des Anhangs der Richtlinie 85/73 in der durch die Richtlinie 93/118 geänderten Fassung ergebe sich vielmehr, dass jede von einem Mitgliedstaat beschlossene Erhöhung den Pauschalbetrag der Gemeinschaftsgebühr selbst betreffen und als dessen Anhebung erfolgen müsse und dass eine spezifische, über die Gemeinschaftsgebühren hinausgehende Gebühr sämtliche tatsächlich entstandenen Kosten abdecken müsse (Tz. 56).
49 
Die so bestimmte Kostendeckungsgrenze wird hier nicht deshalb überschritten, weil - so die Ansicht der Berufung - mit der Einbeziehung von Verwaltungspersonalkosten nicht ansatzfähige Kosten in die Gebührenberechnung eingestellt worden seien. Welche Kosten bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen und daher ansatzfähig sind, richtet sich - wie die Kostendeckung dem Grunde nach - nach den Vorgaben der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft (dazu § 8 LGebG). Nach Art. 1 Abs. 2 der geänderten Richtlinie 85/73/EWG werden die Gebühren in einer Weise festgelegt, dass sie die Kosten decken, die die zuständige Behörde in Form von Löhnen und Gehältern einschließlich Sozialabgaben sowie Verwaltungskosten zu tragen hat. Sie umfassen auch die diesem Bereich zuzuordnenden Personalkosten, wie sich aus der o.a. Protokollerklärung zur Entscheidung 88/408/EWG vom 24.1.1989 (BAnz. 1989, 901) herleiten lässt. Ungeachtet der Frage nach deren rechtlicher Tragweite, die sich mit Blick darauf stellt, dass die genannte Entscheidung durch die Richtlinie 93/118/EG des Rates vom 22.12.1993 zur Änderung der Richtlinie 85/73/EWG (ABl. Nr. L 340, S. 15) aufgehoben worden ist, ist mit der Berufung davon auszugehen, dass die Protokollerklärung die Vorstellungen der beteiligten Gemeinschaftsorgane widerspiegelt, welcher Aufwand bei der Untersuchung dem Grunde nach in Betracht kommt. Als „Rahmenbedingungen“ für eine Bemessung der Gebührenhöhe (so die Einleitung zur Protokollerklärung, a.a.O.) ist ihr entgegen der Ansicht der Berufung allerdings kein Verbot zu entnehmen, tatsächlich entstehende Kosten nicht in Ansatz zu bringen, die zu einer höheren als der pauschal festgelegten Gemeinschaftsgebühr führen. Nach den unter I. festgelegten allgemeinen Grundsätzen der Erklärung werden Untersuchungszeit, Zerlegungsvorgang, Verwaltungskosten und Kosten der Rückstandsuntersuchung und bei der unter II. angeführten „Methode“ die Personalkosten angeführt. Zu den letzteren gehören ausdrücklich „die gesamten Kosten für das Untersuchungs- und Verwaltungspersonal“. Der weiterhin gerügte Ansatz eines „Risikozuschlags“ betrifft Gebührenzeiträume, die hier nicht in Rede stehen. Ohne dass es deshalb darauf ankäme, spricht vieles dafür, diesen für die erwartete tarifvertraglich bedingte Nachzahlung angesetzten Kosten der ansatzfähigen Vergütung zuzuordnen, was gleichfalls der auch mit der Berufung für zutreffend gehaltenen Protokollerklärung nicht widersprechen dürfte.
50 
Dass im Übrigen ein Zeitaufwand von 14,31 Minuten statt den in der Protokollerklärung vorgesehenen 8 Minuten zu Grunde gelegt ist (Nr. 2.3.2 der Kalkulation), ist nicht für sich bereits Grund für die Annahme eines unzulässigen Kostenansatzes. Der Beklagte hat den tatsächlichen Zeitaufwand für die Untersuchung von Rindern festgehalten. Eine strikte Bindung an die Vorgaben der Protokollerklärung ist nach dem oben Gesagten nicht gegeben, ungeachtet des weiteren Umstandes, dass insoweit eine uneingeschränkte Anwendung schon mit Blick auf die im Jahre 1988 als Rahmenbedingung angelegten Grundsätze der Protokollerklärung ausscheidet. Entscheidend ist indes, dass die Zeitangabe für sich nicht hinreichend aussagekräftig ist, sie vielmehr sowohl im Zusammenhang mit der Anzahl der an der Untersuchung beteiligten Tierärzte und Fleischkontrolleure als auch im Zusammenhang mit dem Betriebsablauf zu werten ist. Dass insoweit ein „kostenträchtiges“ Missverhältnis besteht, wird mit der Berufung nicht aufgezeigt.
51 
Auch die Rüge, es fehle bei der Gebührenkalkulation die Darlegung des Zusammenhangs zwischen Kosten und der Fleischhygieneuntersuchung, ist nicht berechtigt. Dass es um Kosten gehen muss, die der Untersuchung von Fleisch zugeordnet werden können, folgt aus der in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 85/43/EWG ausgesprochenen Bindung an die „tatsächlichen Untersuchungskosten“, wie sie im Übrigen auch die o.a. Nr. 4 der Anlage benennt. Für die geforderte Zuordnung kann durchaus auch auf die o.a. Protokollerklärung zurückgegriffen werden, die die gemeinschaftsrechtliche „Vorstellung“ des für den Untersuchungsvorgang Erforderlichen umschreibt. Sie verdeutlicht zugleich aber auch, dass die Zuordnung zur Untersuchung im engeren, technischen Sinn nicht gemeint ist, wie dies mit der Berufung geltend gemacht ist. Dieser weitere Zusammenhang besteht hier für die angesetzte Verwaltungspersonalstelle. Der in der Kalkulation erfolgte Hinweis auf die „VwV-Kostenfestlegung“ v. 20.12.2000 ist die „Inanspruchnahme“ gesicherter Erkenntnisse über die Ansatzfähigkeit und den erforderlichen Umfang von Personalkosten, deren Zuordnung zur Fleischhygieneuntersuchung im Gebiet des Beklagten sich auch aus den dem Senat vorliegenden Akten und deren Umfang erschließen. Anders als dies dem Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 26.8.2004 (12 A 10767/04.OVG - dort UA. S. 11) zu entnehmen ist, auf das sich die Berufung bezieht, geht es hier nicht um lediglich allgemeinen Verwaltungsaufwand (Kosten der Aufsichtsbehörde), bei dem - anders als im Falle des Beklagten - ein Zusammenhang mit der Fleischhygieneuntersuchung gerade fehlt. Dass ein „Hinzuaddieren“ der danach zulässig angesetzten Verwaltungskosten nicht - wie die Berufung meint - zur Festlegung einer Sondergebühr führt, sondern der Berechnung der Gebührenhöhe zuzuordnen ist, ist oben in anderem Zusammenhang bereits dargelegt.
52 
Es fehlt entgegen dem Vorbringen der Berufung auch nicht an einer hinreichenden Darlegung der Bemessungsgrundlagen. Die Gebührenkalkulation weist die Kalkulationsgrundlagen aus, was ausreichend ist und - da ein Rückgriff auf den Aktenbestand des Beklagten eröffnet ist - auch eine hinreichende Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Insbesondere scheitert auch eine Nachprüfbarkeit der mit der Berufung gerügten Ansätze für vollzeittätige Fleischkontrolleure nicht an dem mit dem Rechtsmittel vorgetragenen Umstand, für diesen Personenkreis gelte der „Tarifvertrag Ang aöS“ nicht. Der Beklagte hat dazu nachvollziehbar vorgetragen, dass er in einem ersten Rechenschritt eine Umrechnung der Untersuchungskosten hinsichtlich des Personals auf die einzelnen Tierarten vorgenommen und sich dabei auf eine Vorgabe des Ministeriums Ländlicher Raum Baden-Württemberg aus dem Jahre 1995 gestützt hat. Orientiert hat sich der Beklagte an den EG-rechtlich vorgegebenen Mindestuntersuchungszeiten, um so ein sachgerechtes Verhältnis der Gebührenansätze je Tierart zu erreichen. Damit ist auch der wenig konkrete Einwand der Berufung, der Bedarf an Untersuchungspersonal werde bestritten, entkräftet.
53 
Er steht im Zusammenhang mit dem Berufungsvorbringen, es fehle an der gebotenen Erforderlichkeit der angesetzten Kosten. Insbesondere seien unwirtschaftliche Kosten auszuscheiden. Dem Antrag, hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen, muss nicht durch Beweisaufnahme nachgegangen werden. Er stellt formal eine „Beweisanregung“ dar. Es bestehen bereits Bedenken, ob dieser „Antrag“ dem Gebot hinreichender Bestimmtheit des Beweisthemas genügt, oder ob die mangelnde Bestimmtheit hier nicht bereits - wie regelmäßig - kennzeichnend ist für einen Beweisermittlungsantrag (vgl. BVerwGE 75, 6 ff.). Ungeachtet dessen ist die Frage nach der Ansatzfähigkeit von Kosten eine solche, die der Senat anhand der ihm vorliegenden Unterlagen selbst beurteilen kann, zumal unter Berücksichtigung dessen, dass bei der Annahme zutreffender Kostenarten die Entscheidung zur Erforderlichkeit des Ansatzes der Kosten dann weitgehend den genannten Bestimmungen des EG-Rechts zu entnehmen und ein Einschätzungsspielraum der Behörde nur begrenzt eröffnet ist. Der weitere Hinweis, unwirtschaftliche Kosten seien für nicht vollbeschäftigte amtliche Tierärzte in Ansatz gebracht, wie ein Vergleich zwischen der Vergütung dieses Personenkreises bei privaten und bei öffentlichen Schlachthöfen zeige, rechtfertigt die Bedenken der Berufung nicht. Der Beklagte geht bei der Stundenvergütung von den jeweils maßgeblichen Vergütungssätzen aus, die sich aus den einschlägigen Tarifverträgen ergeben. An diese Vorgaben ist er - ohne dass ihm eine eigenständige Regelungsbefugnis zukommt - gebunden. Von einem Ansatz unwirtschaftlicher Kosten kann daher nicht gesprochen werden.
54 
Dem weiteren Vorbringen, die Fleischhygiene - RVO verstoße auch gegen das Äquivalenzprinzip, das sich mit Blick auf den Zweck, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ergebe, ist nicht zu folgen. Dem liegt die mit der Berufung wiederholt vorgetragene Vorstellung zu Grunde, aus der auch den Wettbewerb in Blick nehmenden Zielsetzung der RL 85/73/EWG folge zwingend, dass dem Betroffenen lediglich die Gemeinschaftsgebühren für Fleischuntersuchungen auferlegt werden dürften. Dass dies nicht zutrifft, folgt aus der o.a. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Nicht zutreffend ist auch der Hinweis der Berufung, es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der „Wert der Leistung für den Gebührenschuldner“ in Blick genommen worden sei, was sich als Ermessensfehlgebrauch erweise. Ob hier überhaupt Raum für die Ausübung von Ermessen verbleibt, ist zweifelhaft. Jedenfalls wird der „Wert der Leistung“ hier bezüglich des geltend gemachten Gesichtspunkts der Äquivalenz nicht außer Acht gelassen. Das Äquivalenzprinzip als Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besagt, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen kommunaler bzw. staatlicher Leistung und erhobener Gegenleistung bestehen muss, wobei der Behörde ein Regelungsspielraum eröffnet ist, den sie nur dann verlässt, wenn sich ein grobes Missverhältnis zwischen den Leistungen ergibt (vgl. etwa BVerwG, Urteil v. 21.10.1994, KStZ 1995, 54, 55 f. m.w.N.). Dafür, dass ein solches Missverhältnis bestehen könnte, ist indes mit der Berufung nichts vorgetragen worden. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte, nimmt man in Blick, dass durch die gebührenpflichtigen Untersuchungen die „Marktfähigkeit“ des geprüften Frischfleisches gesichert wird.
55 
Mit der Berufung ist schließlich die Anregung verbunden, dem Europäischen Gerichtshof die Fragen nach Art. 234 EG vorzulegen, ob für den Mitgliedstaat oder die ihm nachgeordneten Gliedstaaten (Bundesländer) die Möglichkeit besteht, vor ordnungsgemäßer und vollständiger Umsetzung eines Gemeinschaftsrechtsaktes von dessen Ausnahmebestimmung zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers Gebrauch zu machen, und ob die Mitgliedstaaten oder ihre nachgeordneten Gliedstaaten (Bundesländer) rückwirkend von Ausnahmebestimmungen eines umsetzungsbedürftigen Rechtsaktes der Gemeinschaft zu Lasten des Gemeinschaftsbürgers Gebrauch machen, wenn dieser Rechtsakt entweder während seiner Geltungsdauer überhaupt nicht umgesetzt worden ist oder aber nur eine Teilumsetzung erfahren hat, jedoch eine ordnungsgemäße und vollständige Umsetzung des Rechtsaktes weder in Bundes- noch in Landesrecht erfolgt ist. Wie aus den oben angestellten Gründen folgt, stellen sich diese Fragen in dem hier anhängigen Verfahren nicht.
56 
Der Anspruch auf eine Erstattung von Gebührenleistungen, wie er mit der Berufung gleichfalls geltend gemacht ist, scheidet nach dem Gesagten ebenso aus wie der geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen.
57 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
58 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Sonstige Literatur

 
59 
Rechtsmittelbelehrung:
60 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
61 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
62 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
63 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
64 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
65 
Beschluss vom 30. März 2006
66 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 88.972,34 EUR festgesetzt (§§ 72, 52 Abs. 2 GKG).
67 
Gründe:
68 
Auszugehen ist von dem Berufungsantrag der Klägerin, der ausgerichtet ist auf 1. die Aufhebung der angefochtenen Gebührenbescheide, soweit mit ihnen ein 296.792,90 DM (= 151.747,80) Euro übersteigender Betrag festgesetzt ist, 2. auf Rückzahlung in Höhe von DM 226.168,71 (= 115.638,22 Euro) und 3. auf Zins in Höhe von 5 % über dem Basissatz aus dem Rückzahlungsbetrag. Der Anspruch auf Rückzahlung ist - anders als VG dies vertritt - nicht eigenständig zu bewerten (vgl. § 5 ZPO), daher bei der Streitwertfestsetzung ohne Belang (vgl. u.a. BayVGH , Beschl. v. 18.3.1998, NVwZ-RR 1998, 788); Gleiches gilt für den geltend gemachten Zinsanspruch, der nach § 4 ZPO bei der Festsetzung des Streitwerts unberücksichtigt bleibt. Dementsprechend ist Berechnungsgrundlage (nicht im Streit sind Rückstandsuntersuchungsgebühr und Gebühr für Untersuchungen außerhalb normaler Schlachtzeiten) die Gesamtforderung (252.406,17 + 243.761,97 = 496.168,14 DM) abzüglich Trichinengebühren (12.882,67 + 12.477,80 = 25.360,47 DM), mithin 470.807,67 DM, dieser abzüglich des „anerkannten“ Betrags i.H.v. 296.792,90 DM, mithin der Betrag von 174.014,77 DM (= Euro 88.972,34).
69 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4. November 2008 - 2 K 6135/07 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin hat den Sitz ihres gewerblichen Betriebs, der die Herstellung von Seifen sowie sonstigen Pflegemitteln zum Gegenstand hat, im Gebiet des beklagten Landkreises. Sie wendet sich gegen die Heranziehung zu Abfallgrundgebühren für die Jahre 2005, 2006 und 2007.
Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung für das Jahr 2005 ist die Satzung des beklagten Landeskreises über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vom 19.11.2001 in der Fassung der 5. Änderungssatzung vom 14.03.2005 - Abfallwirtschaftssatzung - (im Folgenden: AWS 2005). Diese Satzung trat rückwirkend zum 01.01.2002 in Kraft. Für das Jahr 2006 ist die Abfallwirtschaftssatzung vom 19.11.2001 in der Fassung der Änderungssatzung vom 21.11.2005 und für das Jahr 2007 die Neufassung der Abfallwirtschaftssatzung vom 20.11.2006 einschlägig. Die Satzungen sehen übereinstimmend eine mengenunabhängige Grundgebühr für gewerbliche Betriebe vor. Betroffen davon sind alle Betriebe/Einrichtungen, die an die öffentliche Abfallabfuhr angeschlossen oder von dieser als sogenannte Selbstanlieferer zum Restmüllheizkraftwerk förmlich befreit sind. Die Höhe der Grundgebühr bemisst nach den auf das einzelne Betriebsgrundstück anfallenden Nutzflächen, die in einem zweiten Schritt in Nutzeinheiten umgerechnet werden.
Die wesentlichen Bestimmungen der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzungen über die Erhebungen einer Grundgebühr für gewerbliche Betriebe lauten wie folgt:
§ 22
Die Nutzungsgebühren für die Entsorgung von Abfällen, die der Landkreis einsammelt
(1) Für die Entsorgung von Hausmüll (§ 7 Abs. 1), Sperrmüll (§ 7 Abs. 2), Bioabfall (§ 7 Abs. 4), Baum- und Heckenschnitt (§ 7 Abs. 5), schadstoffbelasteten Abfällen (§ 7 Abs. 6), Schrott (§ 7 Abs. 11), Elektro- und Elektronikgeräteschrott (§ 7 Abs. 12), Kühlgeräten (§ 7 Abs. 13) und Abfällen nach § 11 Abs. 2 aus privaten Haushaltungen werden Grundgebühren nach Abs. 2 und Behältergebühren nach Abs. 3 erhoben. Die §§ 23 und 24 bleiben unberührt.
(2) Die Grundgebühr bemisst sich nach der Zahl der auf einem Grundstück vorhandenen Wohneinheiten (§ 7 Abs. 17).
Sie beträgt jährlich je Wohneinheit … Euro.
Die Grundgebühr je Wohneinheit beinhaltet vier Sperrmüllgutscheine zu 0,5 m³ bzw. 60 kg Sperrmüll; diese sind bis zum Ende des übernächsten Kalenderjahres gültig.
(3) Die Behältergebühr bemisst sich nach der Zahl und der Größe der zur Abfuhr bereitgestellten Abfallbehälter sowie der Zahl der Leerungen.
10 
Die Gebühren betragen:
11 
1. ….
12 
(4) Für die Entsorgung von hausmüllähnlichen Abfällen (§ 7 Abs. 3), Abfällen nach § 5 und Bioabfällen (§ 7 Abs. 4) werden Grundgebühren nach Abs. 5 und 6 sowie Behältergebühren nach Abs. 7 erhoben. Die §§ 23 und 24 bleiben unberührt.
13 
(5) Die Grundgebühr bemisst sich nach den Nutzeinheiten eines Grundstücks zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld. Erstreckt sich eine Nutzung über mehrere aneinandergrenzende Grundstücke desselben Eigentümers, bestimmt sich die Grundgebühr nach der Gesamtheit der Nutzeinheiten.
14 
Nutzeinheiten (NE) sind:
15 
a) bis 200 m² Nutzfläche
0,5 NE,
b) von 201 m² bis 400 m² Nutzfläche
1 NE, 
c) von 401 m² bis 800 m² Nutzfläche
2 NE, 
d) von 801 m² bis 1300 m² Nutzfläche
3 NE, 
e) von 1301 m² bis 1800 m² Nutzfläche
4 NE, 
f) von 1801 m² bis 2600 m² Nutzfläche
5 NE, 
g) jede weiteren angefangenen 800 m²
        
Nutzfläche
1 zusätzliche NE.
16 
Die Nutzfläche ergibt sich durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse. Dazu gehören auch Lager-, Büro- und Sozialräume. Die Nutzfläche von Wohneinheiten (§ 7 Abs. 17) und PKW-Abstellplätze innerhalb der Bauwerksflächen für Beschäftigte, Besucher und Kunden bleibt bei der Nutzflächenermittlung unberücksichtigt.
17 
Wird die überwiegende Nutzfläche entweder landwirtschaftlich oder im Jahresdurchschnitt nur bis zu sechs Stunden täglich genutzt oder länger als ein halbes Jahr tatsächlich nicht genutzt, so wird auf Antrag diese Nutzfläche nur zur Hälfte angerechnet.
18 
Die Nutzfläche wird auf volle Quadratmeter abgerundet.
19 
Die Grundgebühr je Nutzeinheit betrug nach § 22 Abs. 6 der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzung im Jahre 2005 132,-- EUR, im Jahre 2006 96,-- EUR und im Jahre 2007 94,80 EUR. Die Leerungsgebühr für einen 120 l-Müllbehälter betrug nach § 22 Abs. 7 der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzung im Jahre 2005 je Entleerung 4,50 EUR, im Jahr 2006 je Entleerung 5,50 EUR und im Jahre 2007 je Entleerung 4,90 EUR.
20 
Die Klägerin ist Eigentümerin der aneinandergrenzenden Grundstücke Flst. Nr. 3861 (B... Straße 26) und Flst. Nr. 3860 (B... Straße 28) in W... sowie der aneinandergrenzenden Grundstücke Flst. Nr. 3854/1 (B... Straße 27) und Flst. Nr. 3853/1 ebenfalls in W...
21 
Der Beklagte ordnete gegenüber der Klägerin mit sofort vollziehbarer Verfügung vom 29.01.2003 die Behälternutzungspflicht an und drohte zugleich die Ersatzvornahme durch Bereitstellung eines 120 l-Müllbehälters an. Nachdem die zunächst zwischen den Beteiligten streitige Frage der Rechtmäßigkeit der Behälternutzungspflicht (Pflichtrestmülltonne) durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.02.2005 (7 C 25.03 - BVerfGE 123, 1 und 7 CN 6.04 - NVwZ 2005, 695) im Sinne des Beklagten geklärt war, meldete die Klägerin für ihre Betriebsgrundstücke B... Straße 26 und 28 in Behältergemeinschaft und B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 ebenfalls in Behältergemeinschaft jeweils einen 120 l-Müllbehälter an. In den Jahren 2005 bis 2007 stellte die Klägerin die beiden 120 l-Müllbehälter nicht zur Entleerung bereit.
22 
Mit Bescheiden vom 25.10.2006 setzte der beklagte Landkreis für das Jahr 2005 für die Grundstücke B... Straße 26 und 28 eine Abfallgrundgebühr in Höhe von 1.672,-- EUR (19 NE zu je 132,-- EUR für 8 Monate) und für die Grundstücke B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 eine Abfallgrundgebühr in Höhe von 792,-- EUR (9 NE zu je 132,-- EUR für 8 Monate) fest.
23 
Für das Jahr 2006 setzte der beklagte Landkreis ebenfalls mit Bescheiden vom 25.10.2006 eine Abfallgrundgebühr in Höhe von 1.824,-- EUR (19 NE zu je 96,-- EUR) für die Grundstücke B... Straße 26 und 28 und eine Grundgebühr in Höhe von 864,-- EUR (9 NE zu je 96,-- EUR) für die Grundstücke B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 fest.
24 
Mit weiteren Bescheiden vom 23.02.2007 setzte der beklagte Landkreis für das Jahr 2007 eine Grundgebühr in Höhe von 1.801,20 EUR (19 NE zu je 94,80 EUR) für die Grundstücke B... Straße 26 und 28 sowie eine Grundgebühr in Höhe von 853,20 EUR (9 NE zu je 94,80 EUR) für die Grundstücke B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 fest.
25 
Die gegen die genannten Bescheide von der Klägerin erhobenen Widersprüche wies der Beklagte jeweils mit Widerspruchsbescheiden vom 21.11.2007 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Erhebung einer Grundgebühr unter Anwendung eines grundstücksbezogenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs sei in der Rechtsprechung anerkannt. Mit der Zunahme der Nutz- und Betriebsfläche auf einem Grundstück nehme erfahrungsgemäß - aufgrund der damit verbundenen höheren Produktionsfläche und/oder der höheren Beschäftigtenzahl - auch die Abfallmenge zu.
26 
Die Klägerin hat am 07.12.2007 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und beantragt, die Abfallgebührenbescheide betreffend ihrer Grundstücke in W... für die Veranlagungsjahre 2005, 2006 und 2007 einschließlich der dazu ergangenen Widerspruchsbescheide aufzuheben. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der vom Beklagten gewählte Gebührenmaßstab der Nutzfläche für Gewerbebetriebe sei rechtswidrig, weil kein Zusammenhang zwischen der Nutzfläche des Grundstücks und dem Anfall von Müll bestehe. Es handele sich daher um einen willkürlich gewählten Maßstab. Es gebe Betriebe mit großer Nutzfläche, deren Abfall leicht verwertet werden könne, und andererseits Betriebe mit geringer Nutzfläche und viel Abfall zur Beseitigung. Bei der Regelung sei nicht beachtet worden, dass die Betriebe nur verpflichtet seien, Abfall zur Beseitigung dem Landkreis zu überlassen, nicht jedoch den Abfall zur Verwertung. Im Übrigen müsse die Grundgebühr für alle Nutzer gleich festgesetzt werden. Gewerbebetriebe würden im Vergleich mit den Privathaushalten überproportional zu den Vorhaltekosten herangezogen. Zwischen den Gewerbebetrieben und den privaten Haushaltungen bestünden keine wesentlichen Leistungsunterschiede, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Zudem komme es auch zu einer Ungleichbehandlung der einzelnen Gewerbebetriebe untereinander. Das Verhältnis von Grundgebühr zur Leerungsgebühr sei zu beanstanden, weil die Grundgebühr ein Vielfaches der Leerungsgebühr betragen könne. Die flächenbezogene Grundgebühr übe eine Lenkungswirkung auf die betriebliche Abfallentsorgung aus, die mit den Zielen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und mit dem europarechtlichen Vorrang der Abfallverwertung unvereinbar sei. Die leistungsbezogenen Leerungsgebühr falle gegenüber den hohen Grundgebühren kaum noch ins Gewicht. Es entstehe deshalb ein erheblicher Anreiz zur Nutzung der kommunalen Müllverbrennungsanlage, die Abfälle nicht verwerte, sondern beseitige. Da dies besonders kostengünstig sei, würden Betriebe veranlasst, auch Abfälle zur Verwertung dem Landkreis zu überlassen.
27 
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert: Der Nutzflächenmaßstab sei aus Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt. Auch liege ein Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben nicht vor. Mit der Grundgebühr sei insbesondere keine dem Abfallrecht widersprechende Lenkungswirkung verbunden. Es sei nicht festgestellt worden, dass dem Landkreis mit Einführung der Grundgebühr vermehrt Abfall zur Verwertung überlassen worden sei. Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Abfällen hätten die Möglichkeit nachzuweisen, dass sämtliche gewerbliche Abfälle verwertet würden. In diesem Fall entfalle die Behälternutzungspflicht vollständig, da kein Anschluss- und Benutzungszwang bestehe. Bestehe aber die Behälternutzungspflicht nach den Regelungen der Abfallwirtschaftssatzung, so sei der mit der Erhebung der Grundgebühr verbundene Anreiz, der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nachzukommen, legitim.
28 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 04.11.2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Erhebung einer Grundgebühr für Gewerbebetriebe sei dem Grunde nach zulässig. Bezugspunkt der Grundgebühr sei die abrufbare Vorhalteleistung und nicht die tatsächliche Inanspruchnahme. Deshalb sei eine Differenzierung nach dem Maß der Benutzung der Müllabfuhr nicht in gleicher Weise geboten wie bei der Leistungsgebühr. Der Vorteil, jederzeit seinen Abfall zur Beseitigung dem Beklagten überlassen zu können, sei für einen Großbetrieb deutlich größer als für einen Kleinbetrieb.
29 
Der Maßstab der Nutzeinheiten sei für die Prognose und die Bedarfsplanung besonders geeignet, weil er unabhängig von dem auf dem Grundstück anfallenden Abfall sei und keinen laufenden Änderungen unterliege. Hinzu komme, dass dieser Maßstab der Behörde eine gewisse Planungssicherheit vermittele. Nach dem dualen Abfallbegriff seien Abfälle, die aufgrund einer Wiederverwertung oder einer sonstigen Nutzung als sog. Sekundärrohstoffe im Wirtschaftskreislauf verwertbar seien, noch keine Abfälle zur Verwertung. Ob bestimmte Stoffe, die in einer Betriebsstätte als Abfall angefallen seien, Abfall zur Verwertung seien, entscheide sich erst dann, wenn der Abfallerzeuger/ -besitzer für sie einen konkreten Verwertungsweg sichergestellt habe. Es hänge daher weitgehend vom Willen des Abfallbesitzers ab, ob ein Stoff Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung sei. Der Abfallbesitzer könne sich bestimmter verwertbarer Abfallfraktionen auch dadurch entledigen, dass er sie dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlasse, der selbst etwaige Verwertungsmöglichkeiten erneut zu prüfen habe. Diese Möglichkeit werde der Abfallbesitzer und Gebührenschuldner vor allem dann nutzen, wenn die bei ihm anfallenden Abfallfraktionen - abhängig von der wirtschaftlichen Situation - mangels Marktwert nicht wie bisher kostengünstig über einen privaten Entsorgungsträger verwertet werden könnten. Der Beklagte könne sich auch in diesem Fall seiner Pflicht zur Verwertung bzw. Beseitigung nicht entziehen. Dem gewerblichen Abfallbesitzer sei durch die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung mithin garantiert, dass er sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen könne. Deshalb sei es gerechtfertigt, ihn ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang er die Müllabfuhr nutze, angemessen an den Vorhaltekosten zu beteiligen.
30 
Entgegen der Behauptung der Klägerin entfalte die Gewerbegrundgebühr auch keine dem Abfallrecht widersprechende Lenkungswirkung. Es erscheine zwar nicht ausgeschlossen, dass Gewerbebetriebe ihren Abfall zur Verwertung, den sie bisher einem privaten Entsorgungsträger übergeben hätten, dem Landkreis als Abfall zur Beseitigung andienten, weil die Gewerbegrundgebühr in jedem Fall bezahlt werden müsse und die Leerungsgebühren günstig erschienen. Ein derartiges Verhalten sei jedoch vom Satzungsgeber nicht erwünscht und könne ihm daher auch nicht zugerechnet werden. Dem Beklagten sei es bei der Einführung der Gewerbegrundgebühr ersichtlich darum gegangen, die Gewerbebetriebe angemessen an den Vorhaltekosten zu beteiligen und gleichzeitig für sie einen Anreiz zu schaffen, ihren Abfall zur Beseitigung dem Landkreis zu überlassen und nicht über sogenannte Scheinverwertungen auf anderen, billigeren Abfalldeponien außerhalb des Landkreises zu entsorgen. Dieses Ziel, auch bei gewerblichen Siedlungsabfällen eine ortsnahe Entsorgung sicherzustellen, stehe in Einklang mit den Zielvorstellungen des Abfallrechts und insbesondere auch mit dem gemeinschaftsrechtlich geltenden Näheprinzip.
31 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor: Die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstücks, das jeweils an die Abfallentsorgung angeschlossen sei, sei weder mit dem abgabenrechtlichen Äquivalenzprinzip noch mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar.
32 
Der Maßstab für die Erhebung der Grundgebühren müsse auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die im Regelfall in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulasse. Vor diesem rechtlichen Hintergrund könne nicht davon ausgegangen werden, dass in Betrieben, deren Nutzfläche innerhalb einer bestimmten Bandbreite liege, ungefähr gleich große Mengen an Abfall zur Beseitigung anfielen. Dies folge bereits daraus, dass die Betriebe gesetzlich zur Vermeidung und gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG - vor allem - zur Verwertung von Abfällen verpflichtet seien. Ob und in welchem Umfang ein Unternehmen Abfälle beseitigen lasse, richte sich nicht nach der Größe der betrieblich genutzten Fläche, sondern nach der technischen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Abfallverwertung (vgl.§ 5 Abs. 4 KrW-/AbfG). Für betriebliche Abfälle, die verwertet würden, bestehe deshalb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG schon keine Verpflichtung zur Überlassung von Abfällen an den Beklagten und damit keine Verpflichtung zur Inanspruchnahme der vom Beklagten „vorgehaltenen“ Entsorgungseinrichtungen. Sie sei somit für die Entsorgung ihrer betrieblichen Abfälle in erster Linie nicht zur (gebührenpflichtigen) Inanspruchnahme der Einrichtungen des Beklagten, sondern zur eigenverantwortlichen Abfallverwertung verpflichtet. Hierdurch unterscheide sich die Abfallrechtsordnung für betriebliche Abfälle gravierend von der Rechtslage beim Hausmüll. Es gebe Betriebe mit großer Nutzfläche, deren Abfälle problemlos verwertet werden könnten (und nach § 5 Abs. 2, Abs. 4 KrW-/AbfG verwertet werden müssten), bei denen also nur geringe Mengen an Abfall zur Beseitigung entsorgt werden müssten. Folglich stelle die Nutzfläche kein zuverlässiger Indikator für die von den einzelnen Betrieben erzeugte bzw. zu entsorgende Menge an Abfällen zur Beseitigung dar. Auch unabhängig von der Pflicht der Unternehmer zur Vermeidung von Abfällen hänge die Menge der anfallenden Abfälle in aller erster Linie von der Branche des Unternehmens ab und davon, was konkret produziert werde, mithin ob es sich um ein materialintensives Industrieunternehmen handele oder um einen eher arbeitskraftintensiven Betrieb. Folglich sei davon auszugehen, dass - wenn überhaupt - nur ein sehr loser Zusammenhang zwischen der Nutzfläche eines Grundstücks und der anfallenden Abfallmenge bestehe. Dies genüge jedoch nicht. Erforderlich sei vielmehr, dass die Bemessungsgrundlage in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das Maß der Benutzung zulasse. Das sei hier nicht der Fall.
33 
Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht weiter davon aus, dass bei der Grundgebühr ihrem Wesen nach die Differenzierung nach dem Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtungen nicht in gleicher Weise geboten sei wie bei der Leistungsgebühr. Zwar bringe es das Wesen der Grundgebühr mit sich, dass sie in ihrer Höhe nicht unmittelbar von der tatsächlich im Betrieb angefallenen Abfallmenge abhängig sein könne. Eine Grundgebühr zeichne sich im Gegensatz zu einer Leistungsgebühr dadurch aus, dass sie die verbrauchsunabhängig anfallenden Fixkosten abgelten solle, die für das Bereithalten der Abfallentsorgungseinrichtungen entstünden. Die Erhebung von Grundgebühren sei deshalb durch die Erwägung gerechtfertigt, dass die Betroffenen die Abfallentsorgungseinrichtung jederzeit in Anspruch nehmen könnten. Als Benutzungsgebühr müsse sich die Grundgebühr jedoch an der zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung orientieren, mithin auch an der aus der Sicht ex ante zu erwartenden Abfallmenge. Nur insoweit erscheine es gegenüber den anderen Gebührenschuldnern gerechtfertigt, dass der jeweilige Betroffene die für die Abfallentsorgungseinrichtung anfallenden Fixkosten trage. Die Höhe der Grundgebühr habe sich daher prinzipiell in gleicher Weise am Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtungen zu orientieren wie die Höhe einer Leistungsgebühr. Der Unterschied liege lediglich darin, dass das Prognoseelement bei der Grundgebühr stärker sei.
34 
Der von dem beklagten Landkreis gewählte Maßstab verstoße auch gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit. Danach sei eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte nur so lange gerechtfertigt, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem „Typ“, also dem Regelfall widersprächen. Der Regelfall bestehe nach den Vorstellungen des Satzungsgebers offensichtlich darin, dass die Menge des anfallenden Abfalls unmittelbar von der Größe der Nutzfläche des konkreten Gewerbebetriebs abhänge, so dass dieser in angemessener Weise zur Kostentragung herangezogen werde und weder im Vergleich mit anderen Betrieben noch im Verhältnis zu der Leistung, die er erhalte, unverhältnismäßig viel oder unverhältnismäßig wenig für die Abfallentsorgung bezahlen müsse. Nach dem Grundsatz der Typengerechtigkeit dürften aber nur 10 % aller Fälle diesem Bild widersprechen. Es sei aber anzunehmen, dass mindestens 30 % bis 40 % der Gewerbebetriebe im Landkreis Böblingen diesem Bild widersprächen, weil ihre Nutzfläche keine Rückschlüsse auf die überlassungspflichtige Abfallmenge erlaube. Der Satzungsgeber selbst räume ein, dass es Betriebe mit geringerer Nutzfläche und höherem Müllaufkommen gebe. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gebe es auch keinen Grund, vom Grundsatz der Typengerechtigkeit im Abfallrecht abzuweichen. Deshalb sei auch hier die 10 %-Grenze maßgeblich. Sofern der Bürger gezwungen sei, öffentliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, müssten erhöhte Anforderungen an die Angemessenheit der zu entrichtenden Gegenleistung gestellt werden. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Berechnungserwägungen in einer großen, vielleicht sogar der überwiegenden Zahl der tatsächlichen Fälle nicht tragen würden. Selbst wenn man nicht von einer starren 10 %-Grenze ausgehe, habe der Satzungsgeber seinen Spielraum vorliegend überschritten.
35 
Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht auch der Auffassung, die in § 22 Abs. 5 der einschlägigen Satzungen geregelte Berechnung der Nutzfläche sei nicht zu beanstanden. Die dort festgelegte Berechnungsmethode führe dazu, dass jeweils eine größtmögliche Nutzfläche in Ansatz gebracht werde, die die Grundgebühr erhöhe. Würde man hingegen die Berechnung nach der DIN 277, der allgemein gültigen Norm für die Berechnung von Nutzflächen, durchführen, würde von vornherein ein Großteil der auf der Grundlage des § 22 Abs. 5 der einschlägigen Satzungen anzusetzenden Fläche außer Betracht bleiben.
36 
Die vom Beklagten gewählte Art der Gebührenbemessung gebe ferner Anreize, gewerbliche Siedlungsabfälle nicht im Einklang mit den rechtlichen Verpflichtungen zu verwerten, sondern der kommunalen Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung zu überlassen. Dies verstoße gegen Europäisches Recht, Bundesrecht und Landesrecht. Der Vorrang der Abfallverwertung vor der Abfallbeseitigung sei verbindliches Ziel im Sinne von Art. 249 Abs. 3 EGV und damit zwingendes, für die Mitgliedsstaaten verbindliches EG-Abfallrecht. Im deutschen Recht habe der Vorrang der Verwertung seinen Niederschlag in § 5 Abs. 2 und Abs. 4 KrW-/AbfG gefunden. Auch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG in der bis zum 30.03.2005 geltenden Fassung sollten öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Gebührentatbestände so ausgestalten, dass sich daraus nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung sowie zur Abfalltrennung ergäben. Diesen Vorgaben widerspreche der vom Beklagten gewählte Gebührenmaßstab. Der Beklagte habe beabsichtigt, auch solche Abfälle wieder in die kommunalen Beseitigungseinrichtungen zu lenken, die verwertet werden könnten und vor Einführung der flächenbezogenen Grundgebühr auch verwertet worden seien. Diese Absicht des Satzungsgebers ergebe sich bereits aus der Kreistagsdrucksache 51/2000.
37 
Die flächenbezogene Grundgebühr setze auch objektiv starke Anreize zur Abfallüberlassung und damit zur Abfallbeseitigung, denen sich ein im Wettbewerb stehender Gewerbebetrieb aus Kostengründen nicht entziehen könne. Da die Leerungsgebühr neben der Grundgebühr nicht sehr stark ins Gewicht falle, liege es für die Gewerbebetriebe nahe, die kommunale Müllverbrennungsanlage zu nutzen, in der die Abfälle nicht verwertet würden. Die dem Beklagten überlassenen Abfälle würden in der Böblinger Müllverbrennungsanlage thermisch beseitigt. Auch eine Sortierung des Restmülls zur anschließenden Verwertung von Teilfraktionen finde nicht statt. Da die verhältnismäßig hohe Grundgebühr ohnehin entrichtet werden müsse, würden die Betriebe veranlasst, auch Abfälle, die sonst einer Verwertung zugeführt würden, dem Beklagten zu überlassen.
38 
Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht schließlich davon aus, dass eine vermehrte Überlassung von Abfällen zur Verwertung dem Satzungsgeber nicht zurechenbar wäre, weil dies von ihm nicht „erwünscht“ sei. Aus der Begründung des Satzungsgebers in der zitierten Kreistagsdrucksache ergebe sich zwangslos, dass die Unternehmen dazu veranlasst werden sollten, bisher als sogenannten Verwertungsabfall entsorgte Mengen wieder über die öffentliche Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung anliefern zu lassen. Auch die tatsächlichen Auswirkungen der gewählten Gebührengestaltung stünden außer Frage. Wenn das Verwaltungsgericht meine, dass es dem Beklagen nur darum gehe, Scheinverwertungen auf anderen, billigeren Abfalldeponien außerhalb des Landkreises auszuschließen und eine ortsnahe Entsorgung zu sichern, setze es eigene Erwägungen an die Stelle der Erwägungen des Satzungsgebers. Abgesehen davon werde in Abrede gestellt, dass es sich hierbei um ein rechtlich zulässiges Kriterium handele.
39 
Die Klägerin beantragt,
40 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 04.11.2008 - 2 K 6135/07 - zu ändern und die beiden Abfallgebührenbescheide des Beklagten vom 25.10.2006 sowie den Bescheid vom 23.02.2007 betreffend die Grundstücke B... Straße 26 und 28 in W...
41 
und die beiden Abfallgebührenbescheide vom 25.10.2006 sowie den Bescheid vom 23.02.2007 betreffend die Grundstücke B... Straße 27 und Flst. Nr. 3853/1 ebenfalls in W... sowie die dazu ergangenen Widerspruchsbescheide vom 21.11.2007 aufzuheben.
42 
Der Beklagte beantragt,
43 
die Berufung zurückzuweisen.
44 
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Der Maßstab der Grundgebühr müsse sich an der Vorhalteleistung und der abrufbaren Lieferbereitschaft orientieren. Dieser Maßstab könne - wie allgemein bei Abfallgebühren - nur ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab sein. Bei der Wahl des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sei neben dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichbehandlungsgebot auch der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz der Praktikabilität zu berücksichtigen. Aus diesem Grundsatz der Praktikabilität könnten sich Rechtfertigungsgründe für eine abgabenrechtliche Ungleichbehandlung ergeben, wenn eine dem strikten formalen Gleichbehandlungsgebot entsprechende Gebührenbemessung zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führen würde, der in Anbetracht nur geringfügiger Auswirkungen mit Blick auf den erreichbaren Erfolg einer tragfähigen Relation entbehre. Aus dem Grundsatz der Praktikabilität folge insbesondere, dass der Erhebungsaufwand und der Änderungsaufwand der Verwaltung bei Änderung der Bemessungsgrundlagen möglichst gering gehalten werden müssten. Danach begegne der für die Erhebung von Grundgebühren gewählte Maßstab der „Nutzeinheiten eines Grundstücks“ keinen rechtlichen Bedenken. Der gestaffelte Nutzflächenmaßstab sei ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der nicht offensichtlich sachwidrig sei, weil eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass mit steigender Nutzfläche eines Gewerbes auch die Abfallmenge steige.
45 
Ohne Erfolg berufe sich die Klägerin darauf, die Menge des anfallenden Abfalls und damit auch der Umfang der Vorhalteleistung hänge in aller erster Linie von der Branche des Unternehmens ab. Angesichts der strukturellen Unterschiede der in Betracht kommenden Gewerbe würde es einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeuten, für jeden Einzelfall die „Grundgebührenbedeutung“ eines Gewerbes zu ermitteln. Aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Praktikabilität könnten sich deshalb Rechtfertigungsgründe für eine abgabenrechtliche Ungleichbehandlung ergeben, wenn eine dem streng formalen Gleichbehandlungsgebot entsprechende Gebührenbemessung zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen würde, der in Anbetracht betragsmäßig nur geringfügiger Auswirkungen und mit Blick auf den erreichbaren Erfolg einer tragfähigen Relation entbehre. Für die Zulässigkeit des gewählten Gebührenbemessungsmaßstabes sei deshalb ausreichend, dass ein sachlicher Bezug zwischen dem Gewerbegrundstück und seiner Nutzung, wie sie in der „Nutzeinheit“ zum Ausdruck komme, einerseits und der Entstehung der nicht nach dem Aufkommen an Abfallmengen zu messenden Vorhaltekosten der Einrichtung anderseits bestehe. Insoweit sei schon immer anerkannt gewesen, dass nicht nur die Anzahl der Beschäftigten oder die ausgeübte Branche, sondern auch der Umfang der gewerblichen Nutzungsflächen einen gewissen Rückschluss auf die jeweils anfallenden Abfallmengen zuließen. Dass der gewählte Maßstab der Nutzeinheiten ein verhältnismäßig grober Maßstab sei, stehe seiner Rechtmäßigkeit nicht entgegen. Die Behauptung der Klägerin, die Höhe der Grundgebühr habe sich prinzipiell in gleicher Weise am Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtung zu orientieren wie die Höhe einer Leistungsgebühr, entbehre insoweit jeglicher Grundlage und auch Begründung. Damit verkenne die Klägerin, dass die Grundgebühr für Vorhalteleistungen erhoben werde, die gerade nicht am tatsächlichen Abfallaufkommen zu messen seien.
46 
Um eine dem Gleichbehandlungsgebot weiter Rechnung tragende Behandlung in Einzelfällen zu sichern, sei im Übrigen in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 eine Staffelung des Maßstabs der Nutzeinheiten und damit eine weitere Unterscheidung geregelt. Damit sei mit Blick darauf, dass die Grundgebühr nur der (teilweisen) Deckung der nicht nach dem Aufkommen an Abfallmengen zu messenden Vorhaltekosten diene, sowohl dem abgabenrechtlichen Äquivalenzprinzip als auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz hinreichend Rechnung getragen.
47 
Der Gebührenmaßstab werde auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e) LAbfG in der bis zum 30.03.2005 geltenden Fassung gerecht, wonach bei der Gebührenbemessung bei der Erhebung von Benutzungsgebühren für die Abfallentsorgungseinrichtungen auch „das Aufkommen der Abfälle zur Beseitigung und der Abfälle der Verwertung als Gebührenmaßstab“ berücksichtigt werden solle. Entscheidend sei insoweit, dass neben der nach Nutzeinheiten eines Grundstücks bemessenen Grundgebühr für die Entsorgung von Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen auch Entleerungsgebühren erhoben würden. Diese Entleerungsgebühren würden sich nach der Größe (Behältervolumen) sowie der Anzahl der zur Abfuhr bereit gestellten Abfallgefäße bemessen und seien damit in vollem Umfang abhängig vom Aufkommen der Abfälle zur Beseitigung. Würden Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungseinrichtungen jedoch teils als Grundgebühren und teils als Leistungsgebühren erhoben, müsse die Gebührenregelung nur insgesamt den Anforderungen der genannten Vorschrift des Landesabfallgesetzes entsprechen. Im Übrigen sei die „Soll“-Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. e LAbfG zum 30.03.2005 außer Kraft getreten und nunmehr durch die „Kann“-Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 4 KAG ersetzt worden. Für den hier fraglichen Gebührenbemessungszeitraum der Jahre 2005 bis 2007 sei deshalb die Neuregelung einschlägig.
48 
Ohne Erfolg rüge die Klägerin ferner, die Definition der Nutzfläche in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 weiche von der Ermittlung der Nutzfläche nach der DIN 277-1 und der DIN 277-2 ab. Der weite Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers erfasse nicht nur die Wahl des Gebührenmaßstabes, sondern auch dessen Ausgestaltung. Deshalb sei es ihm nicht verwehrt, in der Abfallwirtschaftssatzung eine Definition des Nutzflächenmaßstabs zu regeln, die von anderen Nutzflächenberechnungen abweiche. Die DIN 277 gelte für die Berechnung der Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken oder Bauwerksteilen, soweit diese für die Ermittlung der Kosten von Hochbauten und für den Vergleich von Bauwerken erforderlich seien. Sie diene damit von vornherein anderen Zwecken als die Regelung des Gebührenmaßstabes für die Erhebung von Grundgebühren für die Inanspruchnahme von Vorhalteleistungen der Abfallentsorgungseinrichtung. Im Rahmen der Diskussion über geeignete Gebührenmaßstäbe für die Erhebung von Grundgebühren sei zunächst erwogen worden, bei der Anwendung des Nutzflächenmaßstabes auf die Definition der Nutzfläche in der DIN 277 zurückzugreifen Davon sei jedoch unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit abgesehen worden.
49 
Zu Unrecht behaupte die Klägerin schließlich, die Wahl des Nutzeinheitenmaßstabes als Bemessungsmaßstab für die Erhebung von Grundgebühren verstoße gegen den Vorrang der Abfallverwertung. Die mit der Grundgebührenregelung verknüpfte Schaffung eines Anreizes, der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG nachzukommen, widerspreche nicht den Regelungen des Bundesgesetzgebers, sondern entspreche diesen gerade.
50 
Ein über den Anreiz, der Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG nachzukommen, hinausgehender Anreiz, auch Abfälle zur Verwertung dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Entsorgung zu überlassen, werde dagegen durch die Gebührenregelung nicht geschaffen. Zwar könne das Risiko, dass es auch mit Blick auf die Erhebung der Grundgebühr in Einzelfällen zu „Fehlwürfen“ komme, nicht ausgeschlossen werden. Dies sei jedoch kein Indiz dafür, dass der Satzungsgeber dem Abfallerzeuger die Erfüllung der vorrangigen Verwertungspflicht unmöglich mache oder unzumutbar erschwere. Derartige Fehlwürfe würden der Pflichtenregelung des Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetzes widersprechen und wären deshalb ein rechtswidriges Verhalten des Abfallerzeugers bzw. Abfallbesitzers. Ein solches rechtswidriges Verhalten wäre dem Satzungsgeber von vornherein nicht zuzurechnen.
51 
Ein Anreiz, auch Abfälle zur Verwertung dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Entsorgung zu überlassen, werde auch deshalb nicht geschaffen, weil für die Überlassung von Abfällen zur Entsorgung an den Beklagten die satzungsgemäße Leerungsgebühr anfalle. Es handele sich nicht um eine kostenlosen Entsorgung, mit der ein entsprechender Anreiz verbunden sein könnte. Auch sei es Erzeugern und Besitzern von gewerblichen Siedlungsabfällen unbenommen darzulegen, dass in ihrem Gewerbebetrieb ausschließlich Abfälle anfielen, die verwertet werden könnten. Gelinge diese Darlegung, seien sie nicht verpflichtet, einen Abfallbehälter vorzuhalten, da sie insoweit nicht dem kommunalrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang unterstellt seien. Im Übrigen würden Abfälle zur Verwertung einer Verwertung selbst dann nicht entzogen, wenn sie dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Entsorgung überlassen würden. Dies gewährleiste § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbflG, wonach auch bei der Überlassung von Abfall zur Verwertung an den Beklagten der Vorrang der Abfallverwertung beachtet werden müsse. Mit dem Übergang des Abfallbesitzes auf den kommunalen Entsorgungsträger wechsele nur der Adressat des Verwertungsgebots. Ob der Beklagte der Verwertungsverpflichtung nachkomme oder nicht, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
52 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
53 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Abfallgebührenbescheide des Beklagten für die Veranlagungsjahre 2005, 2006 und 2007 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hier zu beurteilende Abfallgrundgebühr für gewerbliche Betriebe hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
54 
Die Abfallgebührenbescheide für das Jahr 2005 beruhen auf der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten vom 19.11.2001 i.d.F. der 5. Änderungssatzung vom 14.03.2005 (AWS 2005), die für dieses Veranlagungsjahr rückwirkend in Kraft trat. Für die Gebührenbescheide des Jahres 2006 ist die Abfallwirtschaftssatzung vom 19.11.2001 i.d.F. der Änderungssatzung vom 21.11.2005 (AWS 2006) und für die Gebührenbescheide des Jahres 2007 die Neufassung der Abfallwirtschaftssatzung vom 20.11.2006 (AWS 2007) einschlägig. Die Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallabfuhr (Abfallgebühren) für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen, die von den Betrieben über 120 l-Müllbehälter und größer bereitgestellt oder von diesen selbst angeliefert werden, werden als Grundgebühr sowie als Entleerungsgebühr erhoben (§ 22 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Die Grundgebühr bemisst sich nach den auf das Grundstück entfallenden Nutzeinheiten zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld (§ 22 Abs. 5 Satz 1 der Satzungen). Die Anzahl der Nutzeinheiten errechnet sich auf der Grundlage der Nutzfläche des gewerblichen Betriebs, diese Nutzfläche wiederum ergibt sich im Grundsatz durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse (§ 22 Abs. 5 Sätze 4 und 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Die Jahresgrundgebühr für die gewerblichen Siedlungsabfälle beträgt nach § 22 Abs. 7 der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzung je Nutzeinheit im Jahr 2005 132,-- EUR, im Jahre 2006 96,-- EUR und im Jahre 2007 94,80 EUR. Die neben der Grundgebühr erhobene Entleerungsgebühr bestimmt sich nach der Größe der zur Abfuhr bereitgestellten Abfallbehälter sowie der Zahl der Leerungen (§ 22 Abs. 7 AWS 2005, 2006 und 2007), die Entleerungsgebühr für die Selbstanlieferer zum Restmüllheizkraftwerk bemisst sich nach dem Gewicht der angelieferten Abfälle (§ 23 der einschlägigen Satzungen). Die dargestellte Kombination aus nutzflächenbezogener Grundgebühr sowie einer Verbrauchsgebühr, die sich nach der Menge bzw. dem Gewicht des Abfalls bemisst, ist rechtlich nicht zu beanstanden und hält insbesondere die Vorgaben des höherrangigen Rechts ein.
55 
1. Das baden-württembergische Landesrecht enthält - im Unterschied zum Recht anderer Länder - keine ausdrückliche Regelung über die Zulässigkeit einer verbrauchsunabhängigen Grundgebühr. Die Erhebung einer solchen Gebühr - auch auf dem Gebiet der Abfallentsorgung - ist jedoch trotz Fehlens einer gesetzlichen Regelung allgemein anerkannt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11.10.2004 - 2 S 1998/02 - BWGZ 2005, 67; Beschluss vom 29.10.2003 - 2 S 2407/02 - DÖV 2004, 713; Urteil vom 02.03.2004 - 10 S 15/03 - ZUR 2004, 358). Unter einer Grundgebühr ist eine Benutzungsgebühr zu verstehen, die für die Inanspruchnahme der Lieferungs- bzw. Betriebsbereitschaft einer Einrichtung erhoben wird. Mit ihr sollen die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten (sogenannte Fixkosten) ganz oder teilweise abgegolten werden (vgl. Rieger in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2010, § 6 Rdnr. 595). Dazu rechnen z.B. feststehende Kosten für die Anmietung von Abfallgefäßen, An- und Abfahrtskosten bei der Leerung der Abfallgefäße, soweit diese nicht mengenabhängig sind, Kosten für die Finanzierung von Abfallentsorgungseinrichtungen einschließlich der Abschreibungen, Personal- und Verwaltungskosten sowie Nachsorgeaufwendungen für stillgelegte Deponien. Da in die Grundgebühr nur abfallmengenunabhängige Fixkosten eingerechnet werden können, ist die Erhebung einer Grundgebühr nur bei gleichzeitiger Erhebung einer Verbrauchsgebühr (Leistungs- oder Arbeitsgebühr) zulässig, mit der die laufenden abfallmengenabhängigen Kosten sowie gegebenenfalls der mit der Grundgebühr nicht abgedeckte Teil der Fixkosten abgerechnet werden (vgl. dazu Queitsch, ZKF 2000, 81). Hieraus folgt zugleich, dass eine Grundgebühr nur dann erhoben werden kann, wenn der betreffende Abfallerzeuger/-besitzer an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung angeschlossen ist, d.h. diese benutzt bzw. benutzen muss und damit zumindest die Vorhalteleistung in Anspruch nimmt. Denn bei der Grundgebühr handelt es sich grundsätzlich um eine Gebühr und nicht um einen Beitrag, bei dem bereits die Möglichkeit der Inanspruchnahme ausreicht (vgl. Queitsch, ZKF 2000, 81; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, aaO, § 6 Rnd. 336a).
56 
Anders als die Verbrauchsgebühr, die sich nach dem Maß der jeweiligen Inanspruchnahme zu richten hat, ist die Grundgebühr - verbrauchsunabhängig - nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu bemessen, der sich an der Vorhalteleistung und der abrufbaren Lieferbereitschaft zu orientieren hat (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Rieger, aaO). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Fixkostenanteil in der kommunalen Abfallwirtschaft - verursacht insbesondere durch die Investitionen in die Abfallentsorgungsanlagen - sehr hoch liegt (in der Literatur wird der Anteil mit rd. 80 % angegeben, vgl. etwa Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 482; Cantner, KStZ 2000, 23, 24). Damit verursacht nicht das Ausmaß der Inanspruchnahme der Abfallentsorgungsanlagen die wesentlichen Kosten, sondern ihr Vorhandensein als solches, ihre Betriebsbereitschaft und die Möglichkeit, sie jederzeit in Anspruch nehmen zu können. Dies rechtfertigt die Heranziehung Betroffener zur Abgeltung verbrauchsunabhängiger Vorhaltekosten im Wege einer Grundgebühr (VGH Bad.-Württ. Urteil vom 02.03.2004, aaO). Die Grundgebühr dient danach dazu, um die Erzeuger und Besitzer (verhältnismäßig) geringer Abfallmengen an den unabhängig vom Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme einer Abfallentsorgungseinrichtung entstehenden Fixkosten angemessen zu beteiligen (Nieders.OVG, Urteil vom 20.01.2000 - 9 L 2396/99 - NVwZ-RR 2001, 128). Damit ist die Erhebung von Grundgebühren für den Bereich der Industrie- und Gewerbebetriebe ein rechtlich zulässiges Instrument, um die hohen Fixkosten, die die Abfallentsorgung in den kommunalen Gebietskörperschaften verursacht, auch auf die gewerblichen Abfallerzeuger und damit diejenigen umzulegen, für deren Entsorgung die Anlagen in der Vergangenheit (auch) errichtet worden sind. Denn bei einer lediglich abfallmengenabhängigen Umlegung der Kosten - insbesondere auch der Nachfolgekosten für die Deponien - und deutlich geringen Mengen an gewerblichen Abfällen sind die privaten Bürgerinnen/Bürger diejenigen, die einen Großteil der hohen Fixkosten zu tragen und damit die „Zeche“ zu bezahlen haben (vgl. Queitsch, ZKF 2000, 86; Schink, AbfallR 2003, 192).
57 
Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund ist die Einführung eines „Grundgebührensystems“ für gewerbliche Betriebe durch den Beklagten dem Grunde nach rechtlich zulässig. Die Grundgebühr wird insbesondere den dargestellten allgemeinen Anforderungen gerecht. Mit ihr wird nur ein Teil der abfallmengenunabhängigen Kosten abgegolten, der andere Teil sowie die abfallmengenabhängigen Kosten werden bei der gleichzeitig erhobenen Verbrauchsgebühr eingestellt. Der Beklagte kalkulierte die Grundgebühr so, dass mit ihr in den Jahren 2005 bis 2007 deutlich weniger als 50 % der verbrauchsunabhängigen Fixkosten umgelegt wurde. Der überwiegende Teil der Fixkosten sowie die abfallmengenabhängigen Kosten wurden danach über verbrauchsabhängige Leistungsgebühren finanziert.
58 
Die Klägerin ist auch an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten angeschlossen. Gestützt auf § 7 Satz 4 der Gewerbeabfallverordnung vom 19.06.2002 (BGBl. I 1938) - GewAbfV - sehen die einschlägigen Satzungen des Beklagten sinngemäß vor, dass die Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle mindestens einen Abfallbehälter mit dem Mindestvolumen von 120 l vorzuhalten haben (§ 14 Abs. 7 AWS 2005, 2006 und 2007). Dementsprechend hat der Beklagte für die Klägerin eine Behälternutzungspflicht angeordnet, und diese hatte seither auch eine Pflichtrestmülltonne angemeldet. Rechtlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Klägerin die Pflichtrestmülltonne in den Jahren 2005 bis 2007 nicht zur Entleerung bereitgestellt hat. Dieses Verhalten ist rechtswidrig und stellt die Einschätzung, die Klägerin nehme die Leistungen des Beklagten und damit die Vorhalteleistung der Abfallentsorgungseinrichtung auch tatsächlich in Anspruch, nicht in Frage. Denn die Abfallbehälternutzungspflicht nach § 7 Satz 4 GewAbfV trifft alle Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle, es sei denn, diese weisen im Einzelfall nach, dass bei ihnen keine Abfälle zur Beseitigung anfallen (BVerwG, Urteile vom 17.02.2005 - 7 C 25.03 - BVerwGE 123, 1 und 7 CN 6.04 - NVwZ 2005, 695). Diesen Nachweis hat die Klägerin aber gerade nicht geführt.
59 
2. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der beklagte Landkreis in Bezug auf die Grundgebühr zwei verschiedene Benutzergruppen bilden durfte. Die einschlägigen Satzungen des Beklagten regeln für die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen eine Grundgebühr, die sich nach der Zahl der auf einem Grundstück vorhandenen Wohneinheiten bemisst (§ 22 Abs. 2 der einschlägigen Satzungen). Dagegen sehen die Satzungen für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen die hier zu beurteilende Grundgebühr nach den auf das Grundstück entfallenden Nutzeinheiten vor (§ 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Dementsprechend hat der Beklagte auf Grundlage der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 16.06.1999 - 2 S 782/98 - VBlBW 1999, 425 und Urteil vom 04.07.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540) die den beiden Gebührenmaßstäben zugrunde liegenden Gebührensätze in getrennten Gebührenkalkulationen ermittelt und die Kosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung den beiden Benutzergruppen zugeordnet mit der Folge einer unterschiedlich hohen Grundgebühr für die Gruppen. Dies kann nicht beanstandet werden. Fehl geht insbesondere der Einwand, die Grundgebühr müsse für alle Nutzer und damit für Gewerbebetriebe und Privathaushalte gleich festgesetzt werden.
60 
Um willkürliche Zuordnungen der Grundgebühr auszuschließen, bedarf es bei der Schaffung gebührenrechtlicher Gruppenbildungen nachvollziehbarer Gründe, warum unterschiedliche Benutzergruppen gebildet werden und weshalb gerade die vorgenommene Gruppenbildung angezeigt ist (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.2004, aaO). Die Bildung unterschiedlicher Benutzergruppen und damit verbunden die Erhebung einer unterschiedlich hohen Grundgebühr ist dann gerechtfertigt, wenn bestimmte Gruppen von Gebührenpflichtigen deutlich stärker von den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen der Abfallentsorgungseinrichtung profitieren und die dadurch entstehenden Mehrkosten letztlich ihnen zugerechnet werden können (vgl. etwa Nieders.OVG, Urteil vom 26.03.2003 - 9 KN 439/02 - NVwZ-RR 2004, 891).
61 
Davon ausgehend kann die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht beanstandet werden, die Betriebe und Einrichtungen, die zur nutzflächenbezogenen Grundgebühr herangezogen werden, würden im Vergleich zu der Gruppe, die eine gefäßbezogene Grundgebühr zu leisten hat, in weitaus stärkerem Umfang Nutzen aus der Vorhalteleistung ziehen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgericht ergibt sich auf der Grundlage der Gebührenkalkulation der Abfallgebühren für das Jahr 2001, mit der der Beklagte erstmals die Differenzierung nach Benutzergruppen eingeführt hat, bezogen auf die verbrauchsunabhängigen Kosten des Restmüllheizkraftwerks eine Vorhalteleistung von 0,29 t je Wohneinheit für private Haushalte, während die Vorhalteleistung für die Abfälle aus anderen Bereichen (Gewerbemüll) dagegen 2,66 t je Nutzeinheit beträgt. Die sich danach für die beiden Benutzergruppen ergebenden deutlichen Unterschiede bei der in Anspruch genommenen Vorhalteleistung, die von der Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen wurden, rechtfertigen ohne weiteres die von der Beklagten vorgenommene Gruppenbildung.
62 
3. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin ferner gegen den Gebührenmaßstab, nach welchem ein Teil der verbrauchsunabhängigen Vorhaltekosten auf die gewerblichen Betriebe (vgl. § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007) umgelegt wird. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstücks, das jeweils an die Abfallentsorgung angeschlossen sei, sei weder mit dem Gleichheitsgrundsatz noch mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar. Dem kann nicht gefolgt werden.
63 
a) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln; dies gilt freilich nicht unter allen Umständen, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Danach ist der Satzungsgeber bei der Gebührenbemessung im Rahmen seines Ermessens nicht gehalten, den jeweils gewählten Maßstab derart weit auszudifferenzieren, dass möglichst jedem Einzelfall - im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit - entsprochen wird. Mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist bei festgestellter ungleicher Betroffenheit nur zu fragen, ob für die Differenzierung oder Nichtdifferenzierung sachlich einleuchtende Gründe bestehen, nicht hingegen, ob der Satzungsgeber die jeweils zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat. Eine willkürliche Satzungsgestaltung kann ihm nur vorgeworfen werden, wenn sich kein sachlicher, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für eine Ungleichbehandlung finden lässt. Das satzungsgeberische Ermessen verbietet den Gerichten die Prüfung, ob der vernünftigste, gerechteste oder wirklichkeitsnächste Maßstab gewählt worden ist. Dabei kann das Entscheidungsermessen des Satzungsgebers zusätzlich insbesondere vom Gesichtspunkt der Praktikabilität geleitet werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 19.12.2007 - 7 BN 6.07 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472).
64 
b) Der hier zu beurteilende Maßstab (gestaffelter und leicht degressiver) Nutzeinheiten verstößt in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (so auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2003, aaO; Bay.VerfGH, Entscheidung vom 24.07.2006 - Vf 2 - VII-04 - BayVBl. 2007, 42; Bay.VGH, Urteile vom 02.02.2005 - 4 N 01.2495 - juris und vom 20.10.1997 - 4 N 95.3631 - BayVBl. 1998, 148). Nach allgemeiner Lebenserfahrung besteht ein sachlicher Bezug zwischen Gewerbegrundstück und seiner Nutzung, wie sie in der „Nutzeinheit“ zum Ausdruck kommt, einerseits und der Entstehung der nicht nach dem jeweils aktuellen Aufkommen an Abfallmengen zu messenden Vorhaltekosten der Einrichtung andererseits. Die Größe der Nutzfläche eines Grundstücks lässt mit anderen Worten einen gewissen Rückschluss auf den Umfang zu, in dem das Grundstück „möglicherweise“ die Leistungen der öffentlichen Abfallbeseitigungseinrichtung in Anspruch nehmen wird (so auch Kibele, NVwZ 2003, 27).
65 
Diese Einschätzung wird auch durch den Endbericht des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003 bestätigt, der im Auftrag des beklagten Landkreises erstellt wurde und als „Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Abfallgrundgebühren gewerblicher Betriebe“ diente. Die Untersuchungen ergaben einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Betriebsfläche und der Abfallmenge, d.h. der Menge an überlassungspflichtigen Abfällen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG. Der Anstieg der Abfallmenge mit der Betriebsfläche erfolgt allerdings nicht linear, auch ist die Schwankungsbreite der Abfallmengen zur Betriebsfläche hoch, und es sind insbesondere auch Extremwerte (große Betriebsfläche und hohe Abfallmengen) festzustellen.
66 
Grundlage für diese Untersuchung waren die Abfallbehältergröße und die Entleerungsintervalle von Umleer- und Wechselbehältern für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen (vgl. S. 4 des Endberichts vom Dezember 2003). Die Untersuchung betraf danach nicht das Verhältnis zwischen der Nutzfläche eines Industrie- oder Gewerbebetriebs und dessen Gesamtabfallmenge bestehend aus Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung, sondern ausschließlich das Verhältnis der Nutzfläche zur aktuellen Menge an überlassungspflichtigen Abfällen. Der Einwand der Klägerin, der Endbericht sei ohne jede Aussagekraft für die entscheidungserhebliche Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzfläche des jeweiligen Gewerbebetriebs und der Menge an überlassungspflichtigen Abfällen gebe, liegt deshalb ersichtlich neben der Sache.
67 
Danach besteht zwar kein entsprechend proportionaler Zusammenhang, sondern nur eine lockere Abhängigkeit zwischen der Nutzfläche eines Gewerbebetriebs und der Menge des überlassungspflichtigen Abfalls zur Beseitigung. Dieser Umstand stellt jedoch die Rechtmäßigkeit des Nutzflächenmaßstabs nicht in Frage, weil sich die Bemessung der Grundgebühr nicht allein an der Menge der überlassungspflichtigen Abfälle, die im jeweiligen Betrieb aktuell anfallen, sondern an dessen „Gesamtabfallpotential“ auszurichten hat. Dass die Einschätzung des Abfallpotentials der Betriebe nur nach einem „groben“ Maßstab erfolgen kann, liegt zum einen in der Natur der Sache. Zum anderen rechtfertigen - insbesondere im Hinblick auf das Fehlen „verfeinerter“ Alternativmaßstäbe - auch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität den Maßstab. Im Einzelnen:
68 
aa) Die Heranziehung Betroffener zur Abgeltung verbrauchsunabhängiger Vorhaltekosten durch Erhebung einer Grundgebühr ist durch die Erwägung gerechtfertigt, dass die Betroffenen die Abfallentsorgungseinrichtung jederzeit in Anspruch nehmen können. Das Maß der Inanspruchnahme durch den jeweiligen Industrie- oder Gewerbebetrieb ist - von Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa § 15 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG) - nicht beschränkt. Deshalb hat der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Leistungen seiner Einrichtung entsprechend der Höchstmenge des gesamten in Betracht kommenden Abfalls bereitzustellen bzw. vorzuhalten. Daraus folgend hat sich die Grundgebühr nicht an dem Maß der Benutzung, d.h. der Menge des aktuell angelieferten Abfalls zu orientieren, sondern an der für den jeweiligen Betrieb vorzuhaltenden Höchstlastkapazität. Maßgeblich ist mit anderen Worten das „Abfallpotential“ des jeweiligen Industrie- oder Gewerbebetriebs. Eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Menge der von der gewerblichen Wirtschaft den öffentlichen Entsorgungsträgern zur Verfügung gestellten Abfälle ist damit zwangsläufig mit großen Unsicherheiten verbunden. Bezogen auf den einzelnen Gewerbebetrieb bedeutet dies gleichermaßen, dass der Umfang, in dem dieser in Zukunft die Betriebsbereitschaft der Einrichtung in Anspruch nehmen wird, nur schwer vorherzusehen ist und sich damit als nur ganz grob abschätzbar darstellt. Dies rechtfertigt es, die Grundgebühr nach einem einfachen und pauschalen Maßstab zu gestalten.
69 
Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei der Prognose darüber, in welchem Umfang der jeweilige Industrie- oder Gewerbebetrieb die Betriebsbereitschaft der Einrichtung und damit die Vorhalteleistung in Anspruch nehmen wird, nicht nur die Abfälle zur Beseitigung, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden müssen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG), sondern auch dessen Abfälle zur Verwertung in den Blick zu nehmen sind. Denn die Einordnung gewerblicher Abfälle als Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung ist variabel, d.h. die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger können sich nicht darauf einrichten, dass eine Verwertung betrieblicher Abfälle in bisherigem Umfang auf Dauer stattfindet; vielmehr ist es ohne weiteres möglich, dass die Industrie- und Gewerbebetriebe in Zukunft diese Abfälle (teilweise) dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wieder als Abfall zur Beseitigung überlassen.
70 
Die Pflicht zur Verwertung von Abfällen ist einzuhalten, soweit dies u.a. wirtschaftlich zumutbar ist, insbesondere für einen gewonnen Stoff oder gewonnene Energie ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann (§ 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG). Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist gegeben, wenn die mit der Verwertung verbundenen Kosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die für eine Abfallbeseitigung zu tragen wären (§ 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG). Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist seit Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Oktober 1996 das Aufkommen an Gewerbeabfällen, das den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern als Abfall zur Beseitigung angedient wird, signifikant zurückgegangen, weil diese Abfälle nach Aussage der Abfallerzeuger oder -besitzer als Abfälle zur Verwertung diversen Verwertungsverfahren zugeführt werden. Das Aufkommen an Gewerbeabfällen korreliert allerdings auffällig mit den im Einzelfall zu entrichtenden Abfallgebühren. Hohe Abfallgebühren verstärken die „Fluchtbewegung“, während sich bei niedrigen Gebühren der Anreiz, die Abfälle außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgungskapazitäten zu entsorgen, in Grenzen hält (vgl. dazu etwa Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 480; Queitsch, KStZ 1999, 21). Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch die Entwicklung der Mengen an gewerblichen Abfällen einerseits und der Abfallgebühren andererseits in den Land- und Stadtkreisen Böblingen, Göppingen, Rems-Murr-Kreis, Stuttgart, Neckar-Odenwald-Kreis und Schwarzwald-Baar-Kreis in den Jahren 1991 bis 1998; je stärker im jeweiligen Land- und Stadtkreis die Müllgebühren gestiegen sind, desto geringere Gewerbeabfallmengen haben die Betriebe den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen (vgl. dazu Abbildung 3 der Anlage 5 der Kreistagsdrucksache Nr. 51/2000 des Landkreises Böblingen zur Abfallwirtschaftssatzung 2001). Da danach auf Grundlage der Systematik des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in starkem Maße der Marktpreis für Abfälle zur Verwertung einerseits und die Kosten für die gemeinwohlverträgliche Abfallbeseitigung (vgl. § 10 KrW-/AbfG) andererseits über die Qualifizierung der Abfälle und damit über die Menge der den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern angedienten Abfälle entscheiden, führt dies zu weiteren Unsicherheiten hinsichtlich der von der gewerblichen Wirtschaft nachgefragten Vorhalteleistung.
71 
Dass bei der Bemessung der Vorhalteleistung für die Industrie- und Gewerbebetriebe deren „Gesamtabfallpotential“ zu berücksichtigen ist, ergibt sich darüber hinaus aus weiteren Besonderheiten des dualen Abfallbegriffs (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG). Abfälle, die aufgrund einer Wiederverwendung oder einer sonstigen Nutzung als sogenannter Sekundärrohstoff im Wirtschaftskreislauf verwertbar sind, sind allein deshalb noch keine Abfälle zur Verwertung. Ein Abfallerzeuger oder -besitzer kann sich nicht mit Erfolg auf die bloße Möglichkeit einer späteren Verwertung berufen. Eine Verwertungsmöglichkeit, die sich erst einem späteren Abfallbesitzer eröffnet und gegebenenfalls von ihm auch genutzt wird, erlaubt noch nicht den Rückschluss, dass beim Abfallerzeuger oder vorherigen Abfallbesitzer kein Beseitigungsabfall vorhanden war. Was namentlich Papier, Pappen, Bioabfälle und Sperrmüll angeht, die in einer Betriebsstätte als Abfall angefallen sind, entscheidet sich die Frage, ob diese Stoffe Abfall zur Verwertung sind, erst dann, wenn der Abfallerzeuger/-besitzer für sie einen konkreten Verwertungsweg sichergestellt hat. Entledigt er sich der genannten Abfallfraktionen dadurch, dass er sie dem örtlich zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt, ist spätestens mit der Bereitstellung zur Verbringung bei ihm Abfall zur Beseitigung angefallen. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger hat etwaige Verwertungsmöglichkeiten dann erneut zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 23.04.2008 - 9 BN 4.07 - NVwZ 2008, 1119; BVerwG, Urteil vom 01.12.2005 - 10 C 4.04 - NVwZ 2006, 589). Auch hier zeigt sich, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bei Abfällen, die sich für die Wiederverwendung oder einer sonstigen Nutzung als sogenannter Sekundärrohstoff eignen, weiterhin in der Pflicht steht und er auch insoweit „Reservekapazitäten“ vorzuhalten hat.
72 
Nach diesen Ausführungen kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine Rede davon sein, dass sich die Höhe der Grundgebühr in gleicher Weise am Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtungen zu orientieren habe wie die Höhe einer Leistungsgebühr. Die Besonderheiten bei der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr machen es von vornherein unmöglich, das Maß der Inanspruchnahme vergleichbar konkret und nachvollziehbar zu bemessen, wie es bei verbrauchsabhängigen Leistungen möglich und geboten ist.
73 
bb) Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt auch keine weitere Differenzierung des hier zu beurteilenden Maßstabs der Nutzeinheiten. Die in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 normierte - leicht degressive - Staffelung nach der Größe der Nutzfläche, d.h. die im Kern vorgesehene Abstufung nach der „Größe“ des Industrie- oder Gewerbebetriebs trägt dem Gleichbehandlungsgebot ausreichend Rechnung. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vorteil, jederzeit seinen Abfall zur Beseitigung (und das grundsätzlich in unbegrenztem Umfang) dem Beklagten überlassen zu können, für einen Großbetrieb deutlich größer sei als für einen Kleinbetrieb.
74 
Darüber hinaus sieht § 22 Abs. 5 der einschlägigen Satzungen vor, dass Betriebe mit einer Nutzfläche von bis zu 200 m² lediglich zu einer halben Nutzeinheit veranlagt werden. Die Grundgebühr je Nutzeinheit im Jahr 2005 von 132,-- EUR, im Jahre 2006 von 96,-- EUR und im Jahre 2007 von 94,80 EUR halbiert sich demnach für diese Betriebe. Dieser Regelung unterfallen von den rund 8000 Betrieben, für die die flächenbezogenen Grundgebühr gilt, ca. 5000 kleinere Einrichtungen mit einer Nutzfläche von unter 200 m². Die dargestellte Gebührenstaffelung trägt danach in besonderer Weise kleineren Betrieben mit geringem Anfall an Abfall und damit einem geringen Abfallpotential durch die Erhebung einer „sehr günstigen“ Grundgebühr Rechnung. Der „grobe“ Maßstab wird damit abgemildert, und dem Gleichbehandlungsgebot wird insoweit in nicht zu beanstandender Weise Rechnung getragen.
75 
Eine weitere „Verfeinerung“ des Maßstabs im Hinblick auf die Betriebe, denen die Bemessung im Hinblick auf ihr stark abweichendes „Abfallpotential“ nicht in vollem Umfang gerecht wird, ist hingegen nicht geboten. Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf Betriebe mit großer Nutzfläche, deren Abfälle derzeit problemlos verwertet werden könnten und bei denen deshalb nur geringe Mengen an Abfall zur Beseitigung entsorgt werden müssten. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen stellt sich die Atypik dieser Fälle bereits als „begrenzt“ dar, weil der Beklagte auch in diesen Fällen - wie dargelegt - ausreichende Entsorgungskapazitäten vorhalten muss. Nach den Untersuchungen des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003 finden sich im Satzungsgebiet des Beklagten aber auch Betriebe mit großer Betriebsfläche und sehr hohen Abfallmengen, die im Hinblick auf die fast lineare Steigerung des Flächenmaßstabes ungleich behandelt werden. Die Besserstellung dieser Betriebe sowie die - begrenzte - Schlechterstellung der Betriebe, in der von der Klägerin genannten Konstellation, sind unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität hinzunehmen. Bei der gebührenmäßigen Erfassung der Nutzer von Abfallentsorgungseinrichtungen geht es um die Regelung von Massenerscheinungen, die eine weitgehende Typisierung erfordern. Unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität führt es deshalb unter gewissen Umständen dazu, dass an sich ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln sind (BVerwG, Beschluss vom 05.11.2001 - 9 B 50.01 - NVwZ-RR 2002, 217). Besonders im Abgabenrecht führt der Versuch, weitestgehende Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen, nicht nur zu häufig unüberwindbaren Hindernissen, sondern auch zu einem unpraktikablen, wenig übersichtlichen und letztlich teuren Verwaltungsverfahren (BVerwG, Urteil vom 13.04.1994 - 8 NB 4.93 - NVwZ 1995, 173).
76 
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, die Menge der anfallenden Abfälle hänge in allererster Linie von der Branche des Unternehmens ab und davon, was konkret produziert werde, mithin ob es sich um ein materialintensives Industrieunternehmen handele oder um einen eher arbeitskraftintensiven Betrieb. Angesichts der strukturellen Unterschiede der in Betracht kommenden Gewerbe würde es einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeuten, im Einzelfall die „Grundgebührenbedeutung“ jedes Betriebs zu ermitteln (so schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2003, aaO; vgl. auch Bay.VGH, Urteil vom 20.10.1997, aaO). Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger müsste für jeden einzelnen Betrieb das jeweilige „Abfallpotential“ untersuchen und die Ergebnisse unter laufender Kontrolle halten. Dass ein solches Verfahrens überaus „streitanfällig“ wäre und zudem mit einem nicht leistbaren Aufwand - insbesondere an Personal - verbunden wäre, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Darlegung. Gleichermaßen unpraktikabel ist ein Maßstab, der die Grundgebühr nach der jeweiligen Branche der gewerblichen Betriebe bemisst. Auch hier sind umfangreiche Ermittlungen erforderlich, um die „Grundgebührenbedeutung“ der Branchen feststellen zu können. Es würde zudem hinsichtlich der Frage, in welche Branche der jeweilige Betrieb einzustufen ist, häufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten und damit verbunden zu streitanfälligen Konstellationen kommen; auch ist durchaus denkbar, dass auf ein und demselben Grundstück Betriebe unterschiedlicher Branchen tätig sind. Schließlich wäre ein solcher Maßstab in weit größerem Umfang auf die Mitwirkung, d.h. auf die Weitergabe von Informationen und Unterlagen, seitens der gewerblichen Wirtschaft angewiesen. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt und erläutert, dass die gewerblichen Betriebe im Satzungsgebiet schon bislang nur sehr zögerlich ihren Mitwirkungspflichten im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses nachgekommen sind.
77 
Die Anforderungen, die die Klägerin an die Ausdifferenzierung eines Grundgebührenmaßstabs im Abfallrecht stellt, laufen im Ergebnis darauf hinaus, dass die Erhebung von Grundgebühren nicht mehr möglich wäre. Auch die weiteren Maßstäbe, die für die Verteilung der abfallmengenunabhängigen Kosten auf Industrie und Gewerbe in der Praxis verwandt werden und bisher als rechtlich zulässig angesehen wurden (Einwohnergleichwert, pro Grundstück oder pro Gewerbebetrieb, vgl. dazu etwa Kibele, NVwZ 2003, 27; Queitsch, ZKF 2000, 83; Cantner, KStZ 2000, 29), begegnen im Hinblick auf eine fehlende oder lediglich pauschale Differenzierung bei den Industrie- und Gewerbebetrieben vergleichbaren oder noch stärkeren rechtlichen Bedenken. Vor diesem Hintergrund wären die bisher verwandten Maßstäbe allesamt rechtswidrig bzw. völlig unpraktikabel (wie der Maßstab, der nach Branchen differenziert).
78 
cc) Zu Unrecht meint die Klägerin darüber hinaus, der Nutzflächenmaßstab verstoße gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit. Dieser Grundsatz gestattet es dem Satzungsgeber, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 v.H. der von der Regelung betroffenen Fälle dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Urteil vom 01.08.1986, aaO und Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36). Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Grundsatz für das Wasser- und Abwasserabgabenrecht entwickelt, und die genannten Entscheidungen stellen auf Besonderheiten ab, die für dieses Rechtsgebiet kennzeichnend sind. Im Wasser- und Abwasserabgabenrecht ist in der Regel eine Gestaltung der Abgaben unproblematisch möglich, die sich „eng“ an der Benutzungsintensität ausrichtet; die Zahl der Ausnahmen, bei denen eine darauf bezogene Differenzierung entfällt, kann deshalb ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand gering gehalten werden, so dass hierfür die 10 %-Regel entwickelt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO; Beschluss vom 05.11.2001, aaO). Diese Aussagen können aber auf die Erhebung von Grundgebühren im Abfallrecht nicht übertragen werden. Die dafür allein in Frage kommenden Gebührenmaßstäbe können sich - wie oben dargelegt - nur an einer stark pauschalierenden Erhebungstechnik ausrichten, sie können nach der Natur der Sache nicht weiter einem Wirklichkeitsmaßstab angenähert werden, wie er im Wasser- und Abwasserabgabenrecht typisch und praktikabel ist. Die bei der Erhebung von Grundgebühren allein möglichen und gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe stellen sich mit anderen Worten als verhältnismäßig „grob“ dar, beinhalten damit bereits immanent zahlreiche Ausnahmen und hinnehmbare Ungleichbehandlungen, die eine Anwendung der starren 10 %-Regel ausschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO und Beschluss vom 05.11.2001, aaO).
79 
Unbehelflich ist auch der in diesem Zusammenhang erfolgte Einwand der Klägerin, nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 02.09.1988 - 2 S 1720/88 - ESVGH 39, 20) habe der Grundsatz der Typengerechtigkeit auch im Abfallgebührenrecht Anwendung gefunden. Die genannte Entscheidung des Senats betraf jedoch nicht die Grundgebühr für Gewerbebetriebe, sondern allein die Verbrauchsgebühr, bei der sich die Gebührengestaltung ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand weitaus enger an der Benutzungsintensität ausrichten lässt.
80 
Schließlich bestand auch kein Anlass, entsprechend der Anregung der Klägerin den Großen Senat beim Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Frage anzurufen, ob die Kriterien, die zum Grundsatz der Typengerechtigkeit entwickelt wurden, auch bei der Bemessung der Grundgebühr für gewerbliche Betriebe gelten. Der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hat dies zwar in seinem Urteil vom 02.03.2004 (aaO) bejaht; bei den entsprechenden Ausführungen handelt es sich jedoch um ein sog. obiter dictum, das für die Entscheidung erkennbar nicht tragend war. Diese Ausführungen sind zudem durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 01.12.2005, aaO) überholt.
81 
dd) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin ferner gegen die vom Satzungsgeber mit der Gesamtgestaltung der Gebühren bezweckte Verhaltenssteuerung und damit gegen die u.a. mit der Einführung des flächenbezogenen Maßstabs für die Grundgebühr verfolgten Absicht, einer sogenannten Scheinverwertung von Abfällen zur Beseitigung durch die Abfallerzeuger/-besitzer entgegenzuwirken. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass die anzustrebende Belastungsgleichheit der Gebührenpflichtigen dem Satzungsgeber dennoch die Befugnis belässt, mit seiner Gebührenregelung eine begrenzte Verhaltenssteuerung zu verbinden (BVerwG, Urteil vom 20.12.2000 - 11 C 7.00 - BVerwGE 112, 297). Danach ist es rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft (vgl. dazu die §§ 4, 5 und 10 KrW-/AbfG) im Rahmen der Gebührengestaltung darauf hinwirken, dass gewerbliche Abfälle schadlos und möglichst hochwertig verwertet, sogenannte Scheinverwertungen von Abfällen zur Beseitigung zurückgedrängt und nicht verwertbare Abfälle dem Verursacherprinzip folgend in der Nähe ihres Entstehungsortes beseitigt werden, ohne dass das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt wird (vgl. dazu § 10 Abs. 4 Krw-/AbfG).
82 
Der Satzungsgeber hat sich bei der Normierung des Gebührenmaßstabes auch von diesen Erwägungen leiten lassen. Zu Unrecht meint die Klägerin in diesem Zusammenhang, nicht der Satzungsgeber, sondern allein das erstinstanzliche Verwaltungsgericht habe die entsprechenden Erwägungen angestellt. Aus der Kreistagsdrucksache Nr. 51/2000, die der Einführung der flächenbezogenen Grundgebühr zugrunde lag, ergibt sich vielmehr ohne jeden vernünftigen Zweifel das Gegenteil. In dem Beschlussantrag für den Satzungsgeber heißt es u.a. wie folgt:
83 
Der Rückgang des Gewerbeabfalls lässt sich zum einen auf Erfolge bei der Vermeidung und eine „echte“ Verwertung von Abfällen sowie strukturelle Veränderungen (z.B. Produktionsverlagerungen in das Ausland) zurückzuführen. Eine weitere Ursache des Rückgangs ist aber auch darin zu sehen, dass bei gewerblichen Abfallerzeugern nur für Abfälle zur Beseitigung eine Überlassungspflicht an den Landkreis besteht. Abfälle zur Verwertung sind nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht überlassungspflichtig und können zu jeder Sortieranlage in der Bundesrepublik oder ins Ausland gebracht werden. Es liegen nämlich viele Nachweise vor, dass Abfälle zur Beseitigung als Scheinverwertung über private Entsorgungsunternehmen (vorbei) an der gesetzlichen Überlassungspflicht insbesondere auf Billigdeponien mit schlechten Umweltstandards in den neuen Bundesländern entsorgt werden. Dabei gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Höhe der Abfallgebühr der einzelnen Landkreise und dem Rückgang der Gewerbeabfallmengen. …
84 
Der in den vergangenen Jahren steigenden Scheinverwertung von Abfällen kann deshalb nur entgegengewirkt werden, wenn alle Gewerbebetriebe zukünftig entsprechend ihrer tatsächlichen Abfallmengen an den Kosten der Abfallentsorgung beteiligt werden. Ein Weg ist hierbei die Heranziehung des Gewerbes zu den Vorhaltekosten der Abfallentsorgungseinrichtungen über eine mengenunabhängige Vorhaltegebühr und die Schaffung einer marktgerechten Leistungsgebühr.
85 
Wird dieses Ziel nicht erreicht, entstehen dem Landkreis Böblingen durch weiteren Mengenrückgang erhebliche Gebührenausfälle. Denn trotz rückläufiger Mengen ist der Landkreis als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger verpflichtet, stets auch für das Gewerbe ausreichend dimensionierte Entsorgungskapazitäten vorzuhalten. …
86 
Der Landkreis Böblingen erhebt schon seit vielen Jahren auf Basis der bestehenden Regelungen in der Abfallwirtschaftssatzung von allen Gewerbebetrieben, die an die öffentliche Abfallabfuhr angeschlossen sind, gefäßbezogene Vorhalte- bzw. Jahresgebühren. Auch bei den Selbstanlieferern (maximal 150 Betriebe) waren die Vorhaltekosten schon immer in der Anlieferergebühr auf den Deponien oder beim Restmüllheizkraftwerk enthalten. Die mengenunabhängige Vorhaltegebühr nach dem Nutzflächenmaßstab ist daher nur eine Umstellung. Ziel ist dabei, die Leistungsgebühren so zu senken, dass im marktwirtschaftlichen Sinne Anreiz zur Inanspruchnahme der Entsorgungsleistungen des Landkreises besteht und somit Abfallexporte nicht mehr rentabel sind. …
87 
Durch die Maßstabsumstellung haben insbesondere Firmen mit höherem Müllaufkommen und geringerer Nutzfläche Vorteile gegenüber allen Betrieben mit geringem Müllaufkommen und höherer Nutzfläche. Gerade für erstere Firmen biete der neue Maßstab den Anreiz, bisher als sogenannten „Verwertungsabfall“ entsorgte Mengen wieder über die öffentliche Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung anzuliefern und nur die sehr günstige Leistungsgebühr bezahlen zu müssen.
88 
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen entbehrt ferner die sinngemäße Behauptung der Klägerin, ausweislich der Kreistagsdrucksache habe der Beklagte beabsichtigt, auch solche Abfälle wieder in die kommunalen Beseitigungsanlagen zu lenken, die sich als Abfälle zur Verwertung darstellten, jeder Grundlage. Nach Wortlaut und Sinnzusammenhang der Aussagen in der Kreistagsdrucksache bezieht sich der vom Satzungsgeber beabsichtigte Lenkungszweck ausschließlich auf die sogenannten Scheinverwertungen und damit nicht auf Abfälle, die der Abfallerzeuger/-besitzer in eigener Verantwortung ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten hat (§ 5 Abs. 3, 4 und 5 KrW-/AbfG). Indem der Satzungsgeber auf Seite 8 der Kreistagsdrucksache 51/2000 den Begriff Verwertungsabfall ausdrücklich mit Anführungszeichen gekennzeichnet hat sowie durch die Wahl des Wortes „sogenannte(r)“ im Zusammenhang mit Verwertungsabfall bringt der Satzungsgeber unmissverständlich seine Vorstellung zum Ausdruck, bei diesen Abfallmengen, die bislang außerhalb der öffentlichen Einrichtung entsorgt worden seien, handele es sich um Abfall zur Beseitigung, für den die Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG gelte.
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Die Entscheidung des Satzungsgebers, der Scheinverwertung von gewerblichen Abfällen entgegenzuwirken, kann auch inhaltlich nicht beanstandet werden. Die Entscheidung beruht insbesondere auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die in der Kreistatsdrucksache wiedergegebene allgemeine Entwicklung in der Abfallentsorgung und insbesondere die darin festgehaltenen Erfahrungen der zuständigen Abfallbehörden stehen in Übereinstimmung mit den Erwägungen, die den Bundesgesetzgeber zur Einführung der Gewerbeabfallverordnung vom 19.06.2002 - GewAbfV - bewogen haben. Ziel der am 01.01.2003 in Kraft getretenen Gewerbeabfallverordnung ist die schadlose, möglichst hochwertige Verwertung von gewerblichen Siedlungsabfällen und die Verhinderung von Scheinverwertungen (vgl. BT-Dr. 14/7328, S. 1, 2, 10 und 13; BR-Dr. 2078/02, S. 1 und 33). In der Begründung für die Gewerbeabfallverordnung heißt es im Hinblick auf die Problematik von Scheinverwertungen u.a. wie folgt:
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Von einer (nicht bekannten) Anzahl von Abfallerzeugern aus anderen Herkunftsbereichen - insbesondere den Bereichen Gewerbe, Industrie und private und öffentliche Einrichtungen - werden Abfälle, die verwertet werden, auch unzulässigerweise entweder gar nicht oder in geringem Maß von Abfällen, die beseitigt werden müssen, getrennt gehalten. Die Abfälle werden in diesen Fällen in einem Behälter gemeinsam erfasst und insgesamt als „Abfälle zur Verwertung“ deklariert. Diese Abfälle werden meist entweder einer Abfallverbrennungsanlage oder einer Sortieranlage zugeführt. Abfälle aus der Sortieranlage werden zum Teil nur zu einem geringen Prozentsatz in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt, während ein größerer Prozentsatz - zumeist weit entfernt vom Anfallort - einer Beseitigung auf kostengünstigen Deponien zugeführt wird (sogenannte Scheinverwertung), wodurch ökologisch anspruchsvolle Verwertungswege benachteiligt werden. …
91 
Durch diese Praxis erhalten die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger am Anfallort der Abfälle weniger Abfälle zur Beseitigung, wodurch die für eine ordnungsgemäße und umweltverträgliche Entsorgung vorgehaltenen Anlagen, insbesondere hochwertige Verbrennungsanlagen, nicht mehr ausgelastet sind und die freien Kapazitäten zu kostengünstigen Preisen zum Teil unter Selbstkostenpreisen angeboten werden müssen. Die Planungssicherheit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wird beeinträchtigt. …
92 
Mit diesen Ausführungen des Bundesgesetzgebers wird die Problematik der Scheinverwertungen im Abfallrecht ausreichend konkretisiert und belegt. Vor diesem Hintergrund durfte der Beklagte auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen in seinem Satzungsgebiet (von der Gefahr) von Scheinverwertungen ausgehen und diesen Gesichtspunkt bei der Gestaltung der Abfallgebühren heranziehen. Substantiierte Einwendungen, die die Einschätzung des Satzungsgebers (insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit und Angemessenheit des verfolgten Lenkungszwecks) in Zweifel ziehen könnten, hat auch die Klägerin nicht erhoben; solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich.
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ee) Das vom Beklagten erstmals für das Jahr 2001 eingeführte Gesamtsystem der Gebührenerhebung - einschließlich des damit verbundenen Lenkungszwecks, Scheinverwertungen entgegen zu wirken - verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich den europarechtlich, bundesrechtlich und landesrechtlich normierten Vorrang der Abfallverwertung vor der Abfallbeseitigung. Es sind insbesondere keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die hier zu beurteilende Gebührenbemessung Anreize gibt, gewerbliche Siedlungsabfälle, die als Abfall zur Verwertung zu qualifizieren sind, der kommunalen Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung zu überlassen. Die Gebührensatzung des Beklagten bietet vielmehr ersichtlich ausreichende Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen, weil der weit überwiegende Teil der Gesamtkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung verbrauchsabhängig abgerechnet wird. Für die Jahre 2005 bis 2007 kalkulierte der beklagte Landkreis - wie bereits dargelegt - die Grundgebühr so, dass das Aufkommen aus der Grundgebühr weit weniger als 50 % der Fixkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung deckte; im Jahre 2005 waren es 42 %, im Jahre 2006 38,9 % und im Jahre 2007 lediglich noch 23,8 % der Fixkosten. Bei einem zu unterstellenden Fixkostenanteil in der kommunalen Abfallwirtschaft von rund 80 % (vgl. Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 482; Cantner, KStZ 2000, 23, 24) hat der Beklagte damit in den Jahren 2005 und 2006 ca. ein Drittel der Gesamtkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung im Wege der Grundgebühr verteilt. Im Jahr 2007 und in den hier nicht streitgegenständlichen weiteren Jahren bis 2011 hat der Beklagte im Rahmen der Grundgebühr noch einen deutlich geringeren Anteil abgerechnet. Dementsprechend wurden zwei Drittel und mehr der Gesamtkosten über verbrauchsabhängige Leistungsgebühren finanziert. Im Hinblick auf die daraus folgende Höhe der Leistungsgebühr kann keine Rede davon sein, dass den Gebührenpflichtigen ein umweltfreundliches Verhalten, d.h. ein Verhalten, das in erster Linie Abfälle vermeidet und in zweiter Linie Abfälle verwertet, als von vornherein ohne Sinn und Nutzen erscheinen müsste. Im Einzelnen:
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Das Bundesverfassungsgericht hat speziell bezogen auf das Abgabenrecht aus der bundesstaatlichen Kompetenzordnung und dem Rechtsstaatsprinzip den allgemeinen Gedanken entwickelt, dass alle rechtsetzenden Organe ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen haben, dass die Rechtsordnung nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich werden darf. Dementsprechend verbietet es die Einheit der Rechtsordnung dem Satzungsgeber, sich für eine gebührenrechtliche Lenkungswirkung zu entscheiden, die dem Gebührenpflichtigen ein Verhalten abverlangt, das einer Regelung des Bundesgesetzgebers widerspricht. Eine insoweit vom Sachgesetzgeber getroffene Entscheidung darf nicht durch gebührenrechtliche Lenkungswirkung verfälscht werden (vgl. BVerfG, Urteile vom 07.05.1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 und vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265).
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Das Gebührensystem des Beklagten und die damit verbundene Lenkungswirkung, die ausweislich der einschlägigen Kreistagsdrucksache die ordnungsgemäße Erfüllung der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG fördern soll, verstößt danach nicht gegen die Einheit der Rechtsordnung und konterkariert insbesondere nicht den Vorrang der Abfallverwertung. Das höherrangige Recht statuiert keinen „absoluten“ Vorrang der Verwertung - wie die Klägerin meint -, es belässt vielmehr dem zuständigen Satzungsgeber die Befugnis, den Vorrang der Verwertung mit anderen abfallwirtschaftlichen Zwecksetzungen in Ausgleich zu bringen und die sich aus der Systematik des Abfallrechts ergebenden Zielkonflikte eigenständig und unter Wahrung eines Einschätzungsspielraums zu lösen (ebenso BVerwG, Urteil vom 20.12.2000, aaO). Die Formulierungen des höherrangigen Rechts sind im Hinblick auf ihre Pauschalität und Offenheit von vornherein nicht geeignet, um dem Satzungsgeber exakte Vorgaben für die Gebührenerhebung zu machen und ihm damit ein bestimmtes Gebührensystem vorzugeben.
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Leitgedanke des europäischen und nationalen Abfallrechts ist die Erreichung eines hohen Umweltschutzniveaus. Diese übergeordnete Zielsetzung soll einmal durch einen „relativen“ Verwertungsbegriff sichergestellt werden, d.h. Abfälle, die nicht vermieden werden können, sind ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist (vgl. dazu §§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, 5 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG). Zum anderen fordern die Regelungen, dass die Abfälle, die nicht verwertet werden, nach den Grundsätzen der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung behandelt und beseitigt werden (vgl. §§ 10 Abs. 4, 11, 12 KrW-/AbfG) und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger dafür ortsnah (und damit flächendeckend) ausreichende Kapazitäten für die Beseitigung dieser Abfälle zur Verfügung stellen (vgl. dazu §§ 13, 15 KrW-/AbfG). Trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Abfallverwertung vor der Beseitigung (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG) entfällt dieser, wenn ausgehend von der übergeordneten Zielsetzung des Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung darstellt (§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG). Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Systematik kann vom Satzungsgeber nicht verlangt werden, dass er im Rahmen seiner gebührenrechtlichen Konzeptbefugnis allein - wie die Klägerin meint - den Vorrang der Abfallverwertung fördert und gleichgewichtige Belange - wie etwa die Sicherstellung einer ausreichenden und ortsnahen Entsorgungskapazität und damit das Interesse an der Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallwirtschaft - zurückstellt.
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Diese Auslegung steht auch in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht und namentlich mit der Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle - RL 75/442/EWG -. Die Richtlinie legt in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) nicht nur den Vorrang der Verwertung fest, sondern darüber hinaus das Prinzip der räumlichen Nähe und der Autarkie im Bereich der Entsorgung. Die Richtlinie selbst ist wiederum im Lichte des primären Unionsrechts auszulegen und anzuwenden. Dieses statuiert in Art. 130 r Abs. 2 EWGV bzw. Art. 174 Abs. 2 Satz 2 EG (heute: Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV) das Prinzip der Nähe. Wenn danach Umweltbeeinträchtigungen nach Möglichkeit an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind, bedeutet dies im Bereich der Abfallwirtschaft, dass die Beseitigung nicht verwertbarer Abfälle dem Verursacherprinzip folgend in die Nähe ihres Entstehungsortes gehört. In Art. 5 Abs. 2 der RL 75/442/EWG findet dieses umweltpolitische Ziel ebenfalls Ausdruck (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO). Die dargestellte Systematik und damit verbunden die besondere Bedeutung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe im Abfallrecht, die bereits in der Ursprungsfassung der Abfallrahmenrichtlinie ihren Niederschlag gefunden hatte, hat der europäische Gesetzgeber in der Folgezeit nicht nur beibehalten, sondern weiterentwickelt und konkretisiert (vgl. die Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2006 über Abfälle, die die bereits zuvor erfolgten Änderungen der Abfallrahmenrichtlinie berücksichtigte, und zuletzt die Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, die am 12.12.2008 in Kraft trat und eigentlich bis 12.12.2010 in nationales Recht umgesetzt werden musste).
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Vor dem Hintergrund dieser Rechtsentwicklung genießt allein das oberste Ziel jeder Abfallpolitik, nämlich die Minimierung der nachteiligen Auswirkungen der Abfallerzeugung und -bewirtschaftung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, absoluten Vorrang (vgl. den 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/98/EG). Dementsprechend gilt die Abfallhierarchie nicht absolut, bei ihrer Anwendung haben die Mitgliedstaaten vielmehr diejenigen Optionen zu fördern, die insgesamt das beste Ergebnis unter dem Aspekt des Umweltschutzes erbringen (Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG). Dem dargestellten obersten Ziel der Abfallpolitik soll schließlich auch die Errichtung eines integrierten und angemessenen Netzes von Abfallbeseitigungsanlagen dienen, um die Abfälle ortsnah beseitigen zu können (vgl. Art. 16 der Richtlinie 2008/98/EG).
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Eine abweichende Einschätzung hinsichtlich der gebührenrechtlichen Konzeptbefugnis des Satzungsgebers rechtfertigt auch nicht § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG (GBl. 1996, 116) in der bis zum 30.03.2005 geltenden Fassung. Nach dieser Bestimmung sollen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger insbesondere in den Satzungen nach § 8 LAbfG die Gebührentatbestände so ausgestalten, dass sich daraus nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung sowie zur Abfalltrennung ergeben. Das Gebot, mit dem Gebührenmaßstab wirksame Anreize auch zur Verwertung zu schaffen, ist nur als Sollvorschrift, nicht als Mussvorschrift ausgebildet. Es fehlt auch eine nähere Präzisierung, in welcher Weise und in welcher Form solche Anreize geschaffen werden sollen. Dies rechtfertigt den Schluss, dass dem Satzungsgeber in diesem Zusammenhang ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt worden ist. Danach ist § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG und der Nachfolgeregelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 KAG 2005 (GBl. 2005, 206), mit der die Sollvorschrift in eine Kannvorschrift umgewandelt und damit der Spielraum des Satzungsgebers nochmals erweitert wurde, jedenfalls ausreichend Genüge getan, wenn - wie hier in den Jahren 2005 und 2006 - ca. ein Drittel der Gesamtkosten über die Grundgebühr und ca. zwei Drittel der Kosten über die Verbrauchsgebühr, die allein vom Aufkommen der Abfälle abhängig ist, abgerechnet werden. Dies gilt erst recht, wenn - wie im Jahr 2007 - ein noch deutlich geringerer Anteil der Gesamtkosten über die Grundgebühr umgelegt wird. Unter Hinweis darauf, dass auch bei Einführung einer Grundgebühr durch die Gebührenerhebung insgesamt noch wirksame Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung geschaffen werden müssen, wurde in der Rechtsprechung zum Teil vertreten, dass im Verhältnis zur Gesamtgebühr über die Grundgebühr nicht mehr als 50 % der Kosten abgerechnet werden dürften (in diesem Sinne Nieders. OVG, Urteil vom 24.06.1998 - 9 L 2722/96 - KStZ 1999, 172). Teilweise wird in der Rechtsprechung dagegen vertreten, dass es bei der Erhebung einer Grundgebühr zulässig sei, über diese mehr als 50 % der gesamten Gebührenbelastung abzurechnen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.02.2000 - 9 A 3915/98 - KStZ 2000, 233; Bay, VGH, Urteil vom 20.10.1997, aaO) bzw. in begründeten Ausnahmefällen bis zu 75 % der Kosten abzurechnen (vgl. Nieders. OVG, Urteil vom 07.06.2004 - 9 KN 502/02 - NordÖR 2004, 310). Zur Begründung für diese Auffassung wird angeführt, in der Abfallwirtschaft müssten aufwändige und hochtechnisierte Anlagen für Sammlung, Transport, Trennung, Verwertung, Behandlung und gegebenenfalls Ablagerung von Abfällen vorgehalten werden und zwar unabhängig vom Grad der Anlagenausnutzung. Da hier mir der Grundgebühr weit weniger als 50 % der gesamten Gebührenbelastung abgerechnet wird, bedarf es anlässlich des vorliegenden Falles keiner abschließenden Beurteilung, ab welcher Grenze die Erhebung einer Grundgebühr unzulässig ist, weil die Gebührengestaltung keine ausreichenden Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung mehr bietet.
100 
Unerheblich ist der sinngemäße Einwand der Klägerin, das Verhältnis von Grundgebühr zur Verbrauchsgebühr sei deshalb zu beanstanden, weil die Grundgebühr - in Einzelfällen - ein Vielfaches der Leerungsgebühr betragen könne. Es ist ausreichend, wenn - wie hier - die Ausgestaltung des Gebührensystems insgesamt und generell dem Gebot genügt, Anreize zur Verwertung von Abfällen zu schaffen. Dagegen ist nicht erforderlich, dass die Grundgebühr im Abrechnungszeitraum, also regelmäßig im Kalenderjahr, bei allen denkbaren Gruppen von Gebührenpflichtigen nur einen untergeordneten Teil der Gesamtgebührenbelastung bzw. nicht mehr als 50 % der gesamten Gebührenbelastung ausmacht (ebenso Nieders. OVG, Urteil vom 24.06.1998 - 9 L 2504/96 - ZKF 1999, 184). Die Gestaltung des Gebührensystems im Abfallrecht erfordert - wie dargelegt - ein weitgehende Typisierung; folglich ist es ausreichend, wenn dem dargestellten Gebot jedenfalls in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Rechnung getragen wird.
101 
Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im Falle der Klägerin ein Missverhältnis von Grund- und Verbrauchsgebühr gegeben ist. Da die Klägerin ihren Abfall zur Beseitigung nicht dem Beklagten andient, fehlt jede Grundlage, um die Höhe der von der Klägerin zu bezahlenden Grundgebühr ins Verhältnis zu ihrer Gesamtgebührenbelastung setzen zu können.
102 
Dass die vom Beklagten gewählte Art der Gebührenbemessung objektiv dazu führt, dass die Industrie- und Gewerbebetriebe im Satzungsgebiet des Beklagten verwertbare Abfälle dem kommunalen Entsorgungsträger überlassen, ist im Übrigen nicht ersichtlich. Auch die Klägerin hat keine Anhaltspunkte geliefert, die den Schluss rechtfertigen könnten, seit Einführung des hier zu beurteilenden Grundgebührensystems im Jahre 2001 würden die Industrie- und Gewerbebetriebe dem Böblinger Restmüllheizkraftwerk in nennenswertem Umfang Abfall zur Verwertung überlassen. Nach der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Übersicht über die Entwicklung des Gewerbeabfallaufkommens in den Jahren 1999 bis 2009 ist in seinem Satzungsgebiet die Menge des Gewebeabfallaufkommens vielmehr in etwa gleich geblieben, d.h. auch nach der Einführung der Gewerbegrundgebühr im Jahre 2001 ist kein nennenswerter Anstieg des Gewerbeabfallaufkommens zu verzeichnen gewesen.
103 
Soweit sich der erwähnten Übersicht allein in den Jahre 2005 bis 2007 ein gewisser Anstieg des Gewerbeabfallaufkommens entnehmen lässt, hat der Beklagte als Grund hierfür unwidersprochen angeführt, dass in dieser Zeit die Kosten für eine „Verwertung“ außerhalb des Landkreises teilweise höher als für eine „Beseitigung“ in der Müllverbrennungsanlage des Beklagten gewesen seien. Wenn es tatsächlich zutreffen sollte (wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung behauptet hat), dass die Betriebe im Satzungsgebiet des Beklagten ihre „Verwertung“ so organisieren, dass sie kostengünstige „Verbrennungsmöglichkeiten“ in anderen Bundesländern (teilweise weit ab) in Anspruch nehmen, bleibt von vornherein kein Raum mehr für die Behauptung der Klägerin, die flächenbezogene Grundgebühr übe eine Lenkungswirkung auf die betriebliche Abfallentsorgung aus, die mit den Zielen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes unvereinbar sei.
104 
Die Klägerin hat auch keine (fachwissenschaftlichen) Veröffentlichungen oder sonstige Erkenntnisquellen zum Beleg dafür benannt, dass es im Bereich anderer öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger, die für Industrie- und Gewerbebetriebe eine flächenbezogene Grundgebühr eingeführt haben, in nennenswertem Umfang zu einer Anlieferung verwertbarer Abfälle gekommen ist. Die von der Klägerin erhobene Tatsachenbehauptung (einer unzulässigen Anreizwirkung) ist danach ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich „aus der Luft gegriffen“, sie ist mit anderen Worten „ins Blaue hinein“, also „erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage“ erhoben worden. Deshalb sieht der Senat auch keinen Anlass, diese Fragestellung dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung (Art. 267 AEUV) vorzulegen.
105 
Selbst wenn in Einzelfällen Abfallerzeuger/-besitzer verwertbare Abfälle den kommunalen Entsorgungsträgern überlassen, gewährleistet die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG, dass der Vorrang der Abfallverwertung vor der Beseitigung beachtet werden muss. Denn mit dem Übergang des Abfallbesitzes auf den kommunalen Entsorgungsträger wechselt nur der Adressat des Verwertungsgebots. Dass im Bereich der gewerblichen Siedlungsabfälle die Verwirklichung des Verwertungsgebots ausschließlich in den Händen der Privatwirtschaft liegen muss, ist weder Bundesrecht noch europäischem Abfallrecht zu entnehmen (so BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO).
106 
ff) Die Klägerin wendet sich schließlich zu Unrecht gegen die vom Satzungsgeber beabsichtigte Lenkungswirkung unter Berufung auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 07.01.2002 - 20 N 01.503 - (NVwZ-RR 2002, 378). Nach dieser Entscheidung darf eine Gemeinde keine Mindestbehälter-Volumen für gewerbliche Beseitigungsabfälle in Höhe von 25 % des Gesamtvolumens der Abfälle festlegen. Denn auch bei einer typisierenden Betrachtungsweise könne nicht davon ausgegangen werden, dass Abfälle zur Beseitigung bei den Gewerbebetrieben generell in diesem Umfang anfallen würden. Diese Entscheidung ist auf den hier zu beurteilenden Rechtsstreit nicht übertragbar. Die Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten gibt gerade kein zwingend vorgeschriebenes Mindestbehälter-Volumen vor. Es ist den Erzeugern und Besitzern von gewerblichen Siedlungsabfällen möglich nachzuweisen, dass ausnahmsweise sämtliche Siedlungsabfälle verwertet werden (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 17.02.2005, aaO). Die Abfallerzeuger und -besitzer müssen ferner neben der Grundgebühr eine Leistungsgebühr entsprechend dem vorgehaltenen Behältervolumen bzw. dem angelieferten Gewicht des Abfalls entrichten. Das Anreizsystem, das mit der Gebührengestaltung des Beklagten verbunden ist, unterscheidet sich demnach grundlegend von den Anreizen, die durch die Normierung eines Mindestbehälter-Volumens gesetzt werden.
107 
gg) Schließlich meint die Klägerin im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ohne Erfolg, die Definition der Nutzfläche in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 weiche von der Ermittlung der Nutzfläche nach der DIN 277 ab und sei deshalb willkürlich. Die Klägerin wendet damit im Kern ein, die einschlägige Satzungsregelung des Beklagten ziehe auch solche Flächen zur Gebührenberechnung heran, auf denen kein Abfall anfallen könne. Dies kann nicht beanstandet werden, weil dem Satzungsgeber auch bei der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabes ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht und er deshalb aus Gründen der Praktikabilität einen - im Vergleich zur DIN 277 - gröberen Maßstab verwendet durfte.
108 
Nach der Definition des Satzungsgebers ergibt sich die Nutzfläche durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse. Dazu gehören auch Lager, Büro- und Sozialräume sowie Betriebswohnungen. Die Nutzfläche privater Haushaltungen/Wohneinheiten und Pkw-Abstellplätze innerhalb der Bauwerksflächen bleibt bei der Nutzflächenermittlung unberücksichtigt (vgl. etwa § 22 Abs. 5 Satz 4 bis 6 AWS 2007). Diese Regelung ermöglicht es dem Beklagten, die für die Erhebung der Grundgebühr maßgebliche Nutzfläche aufgrund der Aktenlage und den Angaben des jeweiligen Industrie- und Gewerbebetriebs ohne größeren Verwaltungsaufwand zu ermitteln. Nach der DIN 277, die für die Ermittlung von Grundflächen und Rauminhalten von Bauwerken oder Teilen von Bauwerken im Hochbau gilt, soweit die Grundflächen und Rauminhalte für die Ermittlung von Kosten maßgebend sind, berechnet sich die Nutzfläche - verkürzt dargestellt - hingegen so, dass von der Nettogrundrissfläche die Verkehrsflächen und die Funktionsflächen in Abzug zu bringen sind. Zu den Verkehrsflächen gehören nicht nur Fahrzeugverkehrsflächen, sondern darüber hinaus auch Flure, Aufzugsschächte und Eingangsräume. Zu den Funktionsflächen zählen nach der DIN 277-1 solche der Abwasser-, Wasser-, Wärme-, Gas-, Elektro-, Fernmelde-, Lüftungs- und Fördertechnik sowie solche sonstiger Technik. Diese Flächensystematik der DIN 277 würde somit - so zu Recht die Klägerin - die Flächen, auf denen kein oder wenig Abfall anfallen kann, bei der Bemessung ausscheiden und insoweit ein „genaueres“ Bild des Abfallpotentials des jeweiligen Betriebes liefern. Allerdings wäre auf der Grundlage der DIN 277 eine ins Einzelne gehende Berechnung der Nutzfläche und damit ersichtlich ein weitaus größerer Personaleinsatz erforderlich, der zwangsläufig zu höheren Kosten und damit auch zu höheren Gebühren für die Nutzer der Einrichtung führen würde. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass sich bei der angezeigten typisierenden Betrachtung das Verhältnis der gesamten Nutzfläche der Betriebe zu den jeweiligen Verkehrs- und Funktionsflächen in etwa entspricht, und es deshalb auch bei Anwendung des von der Klägerin geforderten Maßstabs entsprechend der DIN 277 nicht zu relevanten Verschiebungen bei der Gebührenbelastung der Betriebe kommen würde.
109 
Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass bei der Erhebung von Grundgebühren ein „grober“ Maßstab in der Natur der Sache liegt. Kann nach den bisherigen Ausführungen demnach die vom jeweiligen Industrie- und Gewerbebetrieb in Anspruch genommene Vorhalteleistung nur pauschal bemessen werden, dann sind erst recht die Anforderungen, die an die Differenziertheit bei der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabs zu stellen sind, zurückzunehmen.
110 
c) Der Einwand der Klägerin, die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstückes begründe zusätzlich einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, greift ebenfalls nicht durch. Das Äquivalenzprinzip ist als ein auf die Gebührenerhebung bezogener Ausdruck des bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzusehen. Es besagt aber lediglich, dass die Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.01.2000 - 11 C 5.99 - Buchholz 451.211 GtA Nr. 2 S. 8). Des-wegen verbleibt dem kommunalen Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, wie eine sachgerechte Verknüpfung zwischen dem Wert dieser Leistung und der Gebührenhöhe herzustellen ist, ein weiter Ermessensspielraum. Bei der Müllabfuhr bestimmt der regelmäßige Abholdienst entscheidend den Wert der vom Gebührenschuldner in Anspruch genommenen Leistung. Denn er garantiert ihm, sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen zu können (BVerwG, Urteil vom 20.12.2000, aaO). Um den Wert dieser Leistung in Geld zu bestimmen, kann ein auf den Nutzer entfallender Anteil der für die kommunale Abfallentsorgung aufzuwendenden Kosten angesetzt werden. Eine auf Kostendeckung abzielende Gebühr - wie sie hier vom Beklagten erhoben wird - ist mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, solange der Verteilungsmaßstab dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung trägt. Die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende Belastungsgleichheit gewährleistet im Fall einer Aufwandsgebühr zugleich ein angemessenes Verhältnis zwischen Wert der Leistung und Gebührenhöhe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.11.2001, aaO). Da nach den bisherigen Ausführungen eine Verletzung des Gleichheitsprinzips nicht vorliegt, scheidet damit zugleich ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus.
111 
4. Auf der Grundlage dieser Ausführung bestand kein Anlass, den Beweisanträgen der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzukommen. Im Einzelnen:
112 
a) Die Klägerin behauptet mit ihrem Beweisantrag Nr. 1, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs als Maßstab für die Abfallmenge, die der Betrieb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen muss, von vornherein ungeeignet sei, weil die Nutzfläche für Art und Umfang der Überlassungspflicht eines Gewerbebetriebs schlicht nicht typisch sei und keinerlei Rückschlüsse auf die zu überlassende Abfallmenge erlaube. Diese Formulierung trägt den Anforderungen an die „Bestimmtheit“ einer Beweistatsache ausreichend Rechnung. Beweistatsachen sind konkrete Geschehnisse, Umstände und Zustände der äußeren Welt, innerpsychische Vorgänge und Gegebenheiten und insbesondere auch das Bestehen oder Nichtbestehen von Zusammenhängen. Bloße Wertungen oder Schlussfolgerungen reichen nicht aus; die Auslegung entsprechender Anträge kann aber ergeben, dass die Beweiserhebung in Wahrheit auf eine als solche hinreichend bestimmte Tatsachengrundlage abzielt (vgl. etwa Fischer in: Karlsruher Kommentar, Strafprozessordnung, 6. Aufl., § 244 StPO Rdnr. 69). Soweit die Klägerin mit dem Antrag sinngemäß die Ungeeignetheit des Nutzflächenmaßstabs für die Bemessung der Grundgebühr behauptet, handelt es sich um eine bloße Wertung und Schlussfolgerung. Bei sinnorientierter Auslegung lässt sich dem Antrag jedoch auch die Beweistatsache entnehmen, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs keinerlei Rückschlüsse auf die zu überlassende Abfallmenge erlaube. Eine entsprechende Beweiserhebung erübrigt sich deshalb, weil - so zu Recht das Verwaltungsgericht - das Gegenteil der behaupteten Beweistatsache offenkundig ist (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 1. Alternative StPO entsprechend). Offenkundigkeit umfasst Allgemeinkundigkeit und Gerichtskundigkeit. Danach ist der Erfahrungssatz, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs gewisse Rückschlüsse auf die Abfallmenge zulässt, die der Betrieb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt, allgemeinkundig. Es ist mit anderen Worten allgemeinkundig, dass bei einer größeren Nutzfläche des Gewerbebetriebs zwar nicht entsprechend proportional und damit „punktgenau“, jedoch tendenziell auch größere Mengen an Abfall zur Beseitigung anfallen. Im Allgemeinen sind mit einer größeren Nutzfläche eines Gewerbebetriebs auch eine größere Zahl von Beschäftigten und/oder eine größere Produktion verbunden und damit tendenziell größere Mengen (auch) an Abfällen zur Beseitigung. Dies liegt auf der Hand, Grundlage des dargelegten Erfahrungssatzes ist damit die allgemeine Lebenserfahrung.
113 
Die allgemeine Lebenserfahrung findet ihre Bestätigung auch in der vom Beklagten in Auftrag gegebenen Untersuchung des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003. Danach besteht ein eindeutiger - wenn auch grober - Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzfläche und der Abfallmenge.
114 
Bei einer Gesamtwürdigung des Vorbringens der Klägerin behauptet sie - über den Wortlaut des dargestellten Beweisantrags hinaus - im Kern, dass mit einer steigenden Nutzfläche eines Gewerbebetriebes nicht entsprechend proportional auch die Menge des überlassungspflichtigen Abfalls zur Beseitigung ansteige. Sie behauptet damit mit anderen Worten, es bestünde kein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebes, der durch wenige Ausnahmefälle entsprechend dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit gekennzeichnet sei. Die so umschriebene Beweistatsache ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sie wird im Übrigen auch durch die Untersuchung des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur- Management GmbH vom Dezember 2003 bestätigt, nach der im Satzungsgebiet des Beklagten eine hohe Schwankungsbreite der Abfallmengen zur Betriebsfläche und insbesondere auch Extremwerte (große Betriebsfläche und hohe Abfallmengen) festgestellt wurden. Dieses, den Kern des Vortrags bildende Beweisthema, ist auf der Grundlage der Ausführungen unter 3. b) jedoch nicht entscheidungserheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative StPO entsprechend).
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Dem dargelegten Beweisthema kommt für die hier entscheidungserhebliche Frage, ob der Nutzflächenmaßstab dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG genügt, lediglich indizielle Bedeutung zu. Dies bedeutet, dass der Beweistatsache - kein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs - zwar durchaus eine gewisse Bedeutung für die rechtliche Überprüfung des Nutzflächenmaßstabs zukommt, sich aber aus ihr - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade keine zwingenden Schlüsse auf die Rechtswidrigkeit des hier zu beurteilenden Maßstabs ergeben. Denn die Bemessung der Grundgebühr hat sich nicht an der Menge des Beseitigungsabfalls zu orientieren, die der jeweilige Gewerbebetrieb aktuell dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt. Maßgeblich ist vielmehr die für den jeweiligen Betrieb vorzuhaltende Höchstlastkapazität, d.h. dessen „Abfallpotential“. Die jeweils aktuelle Menge des Beseitigungsabfalls ist danach zwar ein - gewichtiger - Parameter für die Abschätzung des Abfallpotentials, sie ist aber vor dem Hintergrund der dargelegten Systematik des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht die allein maßgebliche Grundlage für die Verteilung der Vorhaltekosten der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungseinrichtung. Dementsprechend setzt die Rechtmäßigkeit des Grundgebührenmaßstab nicht voraus, dass ein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche eines Gewerbebetriebs und seiner derzeitigen Menge an Beseitigungsabfall besteht. Bei der Erhebung von Grundgebühren liegt vielmehr ein „grober“ Maßstab in der Natur der Sache; die Sachgerechtigkeit dieses Maßstabs wird durch Erwägungen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt und insbesondere der abgabenrechtliche Grundsatz der Typengerechtigkeit findet keine Anwendung.
116 
b) Unerheblich ist auch die Beweisbehauptung Nr. 2 der Klägerin, „dass deutlich mehr als 10 % der Gewerbebetriebe des Landkreises Böblingen atypisch seien, weil ein Mehr an Nutzfläche keinerlei Rückschlüsse auf eine auch nur annähernd proportionale Vergrößerung der überlassungspflichtigen Abfallmenge erlaube“. Gleiches gilt schließlich für die Beweisbehauptung Nr. 3 der Klägerin, „dass die Größe der Fläche, die ein Gewerbebetrieb betrieblich nutze, kein sachgerechter Maßstab dafür sei, ob und inwieweit die Verwertung anfallender Gewerbeabfälle technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sei (mit der Folge einer gesetzlichen Verwertungspflicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 KrW-/AbfG)“. Mit den letztgenannten beiden Beweisanträgen variiert die Klägerin unter Verwendung verschiedener Formulierungen lediglich das bereits unter 4. a) abgehandelte Beweisthema, wonach kein entsprechend proportionaler bzw. enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs bestehe, der den Anforderungen des abgabenrechtlichen Grundsatzes der Typengerechtigkeit gerecht werde. Auch insoweit gilt wiederum, dass die Rechtmäßigkeit des Maßstabs bei der Erhebung von Grundgebühren keinen entsprechend proportionalen bzw. engen Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs voraussetzt. Darüber hinaus findet auf den hier zu beurteilenden Nutzflächenmaßstab der abgabenrechtliche Grundsatz der Typengerechtigkeit keine Anwendung.
117 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
118 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
119 
Beschluss vom 1. Februar 2011
120 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 7.806,40 EUR festgesetzt.
121 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
53 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Abfallgebührenbescheide des Beklagten für die Veranlagungsjahre 2005, 2006 und 2007 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hier zu beurteilende Abfallgrundgebühr für gewerbliche Betriebe hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
54 
Die Abfallgebührenbescheide für das Jahr 2005 beruhen auf der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten vom 19.11.2001 i.d.F. der 5. Änderungssatzung vom 14.03.2005 (AWS 2005), die für dieses Veranlagungsjahr rückwirkend in Kraft trat. Für die Gebührenbescheide des Jahres 2006 ist die Abfallwirtschaftssatzung vom 19.11.2001 i.d.F. der Änderungssatzung vom 21.11.2005 (AWS 2006) und für die Gebührenbescheide des Jahres 2007 die Neufassung der Abfallwirtschaftssatzung vom 20.11.2006 (AWS 2007) einschlägig. Die Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abfallabfuhr (Abfallgebühren) für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen, die von den Betrieben über 120 l-Müllbehälter und größer bereitgestellt oder von diesen selbst angeliefert werden, werden als Grundgebühr sowie als Entleerungsgebühr erhoben (§ 22 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Die Grundgebühr bemisst sich nach den auf das Grundstück entfallenden Nutzeinheiten zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld (§ 22 Abs. 5 Satz 1 der Satzungen). Die Anzahl der Nutzeinheiten errechnet sich auf der Grundlage der Nutzfläche des gewerblichen Betriebs, diese Nutzfläche wiederum ergibt sich im Grundsatz durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse (§ 22 Abs. 5 Sätze 4 und 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Die Jahresgrundgebühr für die gewerblichen Siedlungsabfälle beträgt nach § 22 Abs. 7 der jeweiligen Abfallwirtschaftssatzung je Nutzeinheit im Jahr 2005 132,-- EUR, im Jahre 2006 96,-- EUR und im Jahre 2007 94,80 EUR. Die neben der Grundgebühr erhobene Entleerungsgebühr bestimmt sich nach der Größe der zur Abfuhr bereitgestellten Abfallbehälter sowie der Zahl der Leerungen (§ 22 Abs. 7 AWS 2005, 2006 und 2007), die Entleerungsgebühr für die Selbstanlieferer zum Restmüllheizkraftwerk bemisst sich nach dem Gewicht der angelieferten Abfälle (§ 23 der einschlägigen Satzungen). Die dargestellte Kombination aus nutzflächenbezogener Grundgebühr sowie einer Verbrauchsgebühr, die sich nach der Menge bzw. dem Gewicht des Abfalls bemisst, ist rechtlich nicht zu beanstanden und hält insbesondere die Vorgaben des höherrangigen Rechts ein.
55 
1. Das baden-württembergische Landesrecht enthält - im Unterschied zum Recht anderer Länder - keine ausdrückliche Regelung über die Zulässigkeit einer verbrauchsunabhängigen Grundgebühr. Die Erhebung einer solchen Gebühr - auch auf dem Gebiet der Abfallentsorgung - ist jedoch trotz Fehlens einer gesetzlichen Regelung allgemein anerkannt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11.10.2004 - 2 S 1998/02 - BWGZ 2005, 67; Beschluss vom 29.10.2003 - 2 S 2407/02 - DÖV 2004, 713; Urteil vom 02.03.2004 - 10 S 15/03 - ZUR 2004, 358). Unter einer Grundgebühr ist eine Benutzungsgebühr zu verstehen, die für die Inanspruchnahme der Lieferungs- bzw. Betriebsbereitschaft einer Einrichtung erhoben wird. Mit ihr sollen die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten (sogenannte Fixkosten) ganz oder teilweise abgegolten werden (vgl. Rieger in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2010, § 6 Rdnr. 595). Dazu rechnen z.B. feststehende Kosten für die Anmietung von Abfallgefäßen, An- und Abfahrtskosten bei der Leerung der Abfallgefäße, soweit diese nicht mengenabhängig sind, Kosten für die Finanzierung von Abfallentsorgungseinrichtungen einschließlich der Abschreibungen, Personal- und Verwaltungskosten sowie Nachsorgeaufwendungen für stillgelegte Deponien. Da in die Grundgebühr nur abfallmengenunabhängige Fixkosten eingerechnet werden können, ist die Erhebung einer Grundgebühr nur bei gleichzeitiger Erhebung einer Verbrauchsgebühr (Leistungs- oder Arbeitsgebühr) zulässig, mit der die laufenden abfallmengenabhängigen Kosten sowie gegebenenfalls der mit der Grundgebühr nicht abgedeckte Teil der Fixkosten abgerechnet werden (vgl. dazu Queitsch, ZKF 2000, 81). Hieraus folgt zugleich, dass eine Grundgebühr nur dann erhoben werden kann, wenn der betreffende Abfallerzeuger/-besitzer an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung angeschlossen ist, d.h. diese benutzt bzw. benutzen muss und damit zumindest die Vorhalteleistung in Anspruch nimmt. Denn bei der Grundgebühr handelt es sich grundsätzlich um eine Gebühr und nicht um einen Beitrag, bei dem bereits die Möglichkeit der Inanspruchnahme ausreicht (vgl. Queitsch, ZKF 2000, 81; Schulte/Wiesemann in: Driehaus, aaO, § 6 Rnd. 336a).
56 
Anders als die Verbrauchsgebühr, die sich nach dem Maß der jeweiligen Inanspruchnahme zu richten hat, ist die Grundgebühr - verbrauchsunabhängig - nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu bemessen, der sich an der Vorhalteleistung und der abrufbaren Lieferbereitschaft zu orientieren hat (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Rieger, aaO). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Fixkostenanteil in der kommunalen Abfallwirtschaft - verursacht insbesondere durch die Investitionen in die Abfallentsorgungsanlagen - sehr hoch liegt (in der Literatur wird der Anteil mit rd. 80 % angegeben, vgl. etwa Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 482; Cantner, KStZ 2000, 23, 24). Damit verursacht nicht das Ausmaß der Inanspruchnahme der Abfallentsorgungsanlagen die wesentlichen Kosten, sondern ihr Vorhandensein als solches, ihre Betriebsbereitschaft und die Möglichkeit, sie jederzeit in Anspruch nehmen zu können. Dies rechtfertigt die Heranziehung Betroffener zur Abgeltung verbrauchsunabhängiger Vorhaltekosten im Wege einer Grundgebühr (VGH Bad.-Württ. Urteil vom 02.03.2004, aaO). Die Grundgebühr dient danach dazu, um die Erzeuger und Besitzer (verhältnismäßig) geringer Abfallmengen an den unabhängig vom Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme einer Abfallentsorgungseinrichtung entstehenden Fixkosten angemessen zu beteiligen (Nieders.OVG, Urteil vom 20.01.2000 - 9 L 2396/99 - NVwZ-RR 2001, 128). Damit ist die Erhebung von Grundgebühren für den Bereich der Industrie- und Gewerbebetriebe ein rechtlich zulässiges Instrument, um die hohen Fixkosten, die die Abfallentsorgung in den kommunalen Gebietskörperschaften verursacht, auch auf die gewerblichen Abfallerzeuger und damit diejenigen umzulegen, für deren Entsorgung die Anlagen in der Vergangenheit (auch) errichtet worden sind. Denn bei einer lediglich abfallmengenabhängigen Umlegung der Kosten - insbesondere auch der Nachfolgekosten für die Deponien - und deutlich geringen Mengen an gewerblichen Abfällen sind die privaten Bürgerinnen/Bürger diejenigen, die einen Großteil der hohen Fixkosten zu tragen und damit die „Zeche“ zu bezahlen haben (vgl. Queitsch, ZKF 2000, 86; Schink, AbfallR 2003, 192).
57 
Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund ist die Einführung eines „Grundgebührensystems“ für gewerbliche Betriebe durch den Beklagten dem Grunde nach rechtlich zulässig. Die Grundgebühr wird insbesondere den dargestellten allgemeinen Anforderungen gerecht. Mit ihr wird nur ein Teil der abfallmengenunabhängigen Kosten abgegolten, der andere Teil sowie die abfallmengenabhängigen Kosten werden bei der gleichzeitig erhobenen Verbrauchsgebühr eingestellt. Der Beklagte kalkulierte die Grundgebühr so, dass mit ihr in den Jahren 2005 bis 2007 deutlich weniger als 50 % der verbrauchsunabhängigen Fixkosten umgelegt wurde. Der überwiegende Teil der Fixkosten sowie die abfallmengenabhängigen Kosten wurden danach über verbrauchsabhängige Leistungsgebühren finanziert.
58 
Die Klägerin ist auch an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung des Beklagten angeschlossen. Gestützt auf § 7 Satz 4 der Gewerbeabfallverordnung vom 19.06.2002 (BGBl. I 1938) - GewAbfV - sehen die einschlägigen Satzungen des Beklagten sinngemäß vor, dass die Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle mindestens einen Abfallbehälter mit dem Mindestvolumen von 120 l vorzuhalten haben (§ 14 Abs. 7 AWS 2005, 2006 und 2007). Dementsprechend hat der Beklagte für die Klägerin eine Behälternutzungspflicht angeordnet, und diese hatte seither auch eine Pflichtrestmülltonne angemeldet. Rechtlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die Klägerin die Pflichtrestmülltonne in den Jahren 2005 bis 2007 nicht zur Entleerung bereitgestellt hat. Dieses Verhalten ist rechtswidrig und stellt die Einschätzung, die Klägerin nehme die Leistungen des Beklagten und damit die Vorhalteleistung der Abfallentsorgungseinrichtung auch tatsächlich in Anspruch, nicht in Frage. Denn die Abfallbehälternutzungspflicht nach § 7 Satz 4 GewAbfV trifft alle Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle, es sei denn, diese weisen im Einzelfall nach, dass bei ihnen keine Abfälle zur Beseitigung anfallen (BVerwG, Urteile vom 17.02.2005 - 7 C 25.03 - BVerwGE 123, 1 und 7 CN 6.04 - NVwZ 2005, 695). Diesen Nachweis hat die Klägerin aber gerade nicht geführt.
59 
2. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der beklagte Landkreis in Bezug auf die Grundgebühr zwei verschiedene Benutzergruppen bilden durfte. Die einschlägigen Satzungen des Beklagten regeln für die Entsorgung von Abfällen aus privaten Haushaltungen eine Grundgebühr, die sich nach der Zahl der auf einem Grundstück vorhandenen Wohneinheiten bemisst (§ 22 Abs. 2 der einschlägigen Satzungen). Dagegen sehen die Satzungen für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen die hier zu beurteilende Grundgebühr nach den auf das Grundstück entfallenden Nutzeinheiten vor (§ 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007). Dementsprechend hat der Beklagte auf Grundlage der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 16.06.1999 - 2 S 782/98 - VBlBW 1999, 425 und Urteil vom 04.07.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540) die den beiden Gebührenmaßstäben zugrunde liegenden Gebührensätze in getrennten Gebührenkalkulationen ermittelt und die Kosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung den beiden Benutzergruppen zugeordnet mit der Folge einer unterschiedlich hohen Grundgebühr für die Gruppen. Dies kann nicht beanstandet werden. Fehl geht insbesondere der Einwand, die Grundgebühr müsse für alle Nutzer und damit für Gewerbebetriebe und Privathaushalte gleich festgesetzt werden.
60 
Um willkürliche Zuordnungen der Grundgebühr auszuschließen, bedarf es bei der Schaffung gebührenrechtlicher Gruppenbildungen nachvollziehbarer Gründe, warum unterschiedliche Benutzergruppen gebildet werden und weshalb gerade die vorgenommene Gruppenbildung angezeigt ist (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.2004, aaO). Die Bildung unterschiedlicher Benutzergruppen und damit verbunden die Erhebung einer unterschiedlich hohen Grundgebühr ist dann gerechtfertigt, wenn bestimmte Gruppen von Gebührenpflichtigen deutlich stärker von den Vorhalte- und Bereitstellungsleistungen der Abfallentsorgungseinrichtung profitieren und die dadurch entstehenden Mehrkosten letztlich ihnen zugerechnet werden können (vgl. etwa Nieders.OVG, Urteil vom 26.03.2003 - 9 KN 439/02 - NVwZ-RR 2004, 891).
61 
Davon ausgehend kann die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht beanstandet werden, die Betriebe und Einrichtungen, die zur nutzflächenbezogenen Grundgebühr herangezogen werden, würden im Vergleich zu der Gruppe, die eine gefäßbezogene Grundgebühr zu leisten hat, in weitaus stärkerem Umfang Nutzen aus der Vorhalteleistung ziehen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgericht ergibt sich auf der Grundlage der Gebührenkalkulation der Abfallgebühren für das Jahr 2001, mit der der Beklagte erstmals die Differenzierung nach Benutzergruppen eingeführt hat, bezogen auf die verbrauchsunabhängigen Kosten des Restmüllheizkraftwerks eine Vorhalteleistung von 0,29 t je Wohneinheit für private Haushalte, während die Vorhalteleistung für die Abfälle aus anderen Bereichen (Gewerbemüll) dagegen 2,66 t je Nutzeinheit beträgt. Die sich danach für die beiden Benutzergruppen ergebenden deutlichen Unterschiede bei der in Anspruch genommenen Vorhalteleistung, die von der Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen wurden, rechtfertigen ohne weiteres die von der Beklagten vorgenommene Gruppenbildung.
62 
3. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin ferner gegen den Gebührenmaßstab, nach welchem ein Teil der verbrauchsunabhängigen Vorhaltekosten auf die gewerblichen Betriebe (vgl. § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007) umgelegt wird. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstücks, das jeweils an die Abfallentsorgung angeschlossen sei, sei weder mit dem Gleichheitsgrundsatz noch mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar. Dem kann nicht gefolgt werden.
63 
a) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln; dies gilt freilich nicht unter allen Umständen, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Danach ist der Satzungsgeber bei der Gebührenbemessung im Rahmen seines Ermessens nicht gehalten, den jeweils gewählten Maßstab derart weit auszudifferenzieren, dass möglichst jedem Einzelfall - im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit - entsprochen wird. Mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist bei festgestellter ungleicher Betroffenheit nur zu fragen, ob für die Differenzierung oder Nichtdifferenzierung sachlich einleuchtende Gründe bestehen, nicht hingegen, ob der Satzungsgeber die jeweils zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat. Eine willkürliche Satzungsgestaltung kann ihm nur vorgeworfen werden, wenn sich kein sachlicher, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für eine Ungleichbehandlung finden lässt. Das satzungsgeberische Ermessen verbietet den Gerichten die Prüfung, ob der vernünftigste, gerechteste oder wirklichkeitsnächste Maßstab gewählt worden ist. Dabei kann das Entscheidungsermessen des Satzungsgebers zusätzlich insbesondere vom Gesichtspunkt der Praktikabilität geleitet werden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 19.12.2007 - 7 BN 6.07 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472).
64 
b) Der hier zu beurteilende Maßstab (gestaffelter und leicht degressiver) Nutzeinheiten verstößt in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (so auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2003, aaO; Bay.VerfGH, Entscheidung vom 24.07.2006 - Vf 2 - VII-04 - BayVBl. 2007, 42; Bay.VGH, Urteile vom 02.02.2005 - 4 N 01.2495 - juris und vom 20.10.1997 - 4 N 95.3631 - BayVBl. 1998, 148). Nach allgemeiner Lebenserfahrung besteht ein sachlicher Bezug zwischen Gewerbegrundstück und seiner Nutzung, wie sie in der „Nutzeinheit“ zum Ausdruck kommt, einerseits und der Entstehung der nicht nach dem jeweils aktuellen Aufkommen an Abfallmengen zu messenden Vorhaltekosten der Einrichtung andererseits. Die Größe der Nutzfläche eines Grundstücks lässt mit anderen Worten einen gewissen Rückschluss auf den Umfang zu, in dem das Grundstück „möglicherweise“ die Leistungen der öffentlichen Abfallbeseitigungseinrichtung in Anspruch nehmen wird (so auch Kibele, NVwZ 2003, 27).
65 
Diese Einschätzung wird auch durch den Endbericht des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003 bestätigt, der im Auftrag des beklagten Landkreises erstellt wurde und als „Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Abfallgrundgebühren gewerblicher Betriebe“ diente. Die Untersuchungen ergaben einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Betriebsfläche und der Abfallmenge, d.h. der Menge an überlassungspflichtigen Abfällen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG. Der Anstieg der Abfallmenge mit der Betriebsfläche erfolgt allerdings nicht linear, auch ist die Schwankungsbreite der Abfallmengen zur Betriebsfläche hoch, und es sind insbesondere auch Extremwerte (große Betriebsfläche und hohe Abfallmengen) festzustellen.
66 
Grundlage für diese Untersuchung waren die Abfallbehältergröße und die Entleerungsintervalle von Umleer- und Wechselbehältern für die Entsorgung von hausmüllähnlichen gewerblichen Siedlungsabfällen (vgl. S. 4 des Endberichts vom Dezember 2003). Die Untersuchung betraf danach nicht das Verhältnis zwischen der Nutzfläche eines Industrie- oder Gewerbebetriebs und dessen Gesamtabfallmenge bestehend aus Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung, sondern ausschließlich das Verhältnis der Nutzfläche zur aktuellen Menge an überlassungspflichtigen Abfällen. Der Einwand der Klägerin, der Endbericht sei ohne jede Aussagekraft für die entscheidungserhebliche Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzfläche des jeweiligen Gewerbebetriebs und der Menge an überlassungspflichtigen Abfällen gebe, liegt deshalb ersichtlich neben der Sache.
67 
Danach besteht zwar kein entsprechend proportionaler Zusammenhang, sondern nur eine lockere Abhängigkeit zwischen der Nutzfläche eines Gewerbebetriebs und der Menge des überlassungspflichtigen Abfalls zur Beseitigung. Dieser Umstand stellt jedoch die Rechtmäßigkeit des Nutzflächenmaßstabs nicht in Frage, weil sich die Bemessung der Grundgebühr nicht allein an der Menge der überlassungspflichtigen Abfälle, die im jeweiligen Betrieb aktuell anfallen, sondern an dessen „Gesamtabfallpotential“ auszurichten hat. Dass die Einschätzung des Abfallpotentials der Betriebe nur nach einem „groben“ Maßstab erfolgen kann, liegt zum einen in der Natur der Sache. Zum anderen rechtfertigen - insbesondere im Hinblick auf das Fehlen „verfeinerter“ Alternativmaßstäbe - auch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität den Maßstab. Im Einzelnen:
68 
aa) Die Heranziehung Betroffener zur Abgeltung verbrauchsunabhängiger Vorhaltekosten durch Erhebung einer Grundgebühr ist durch die Erwägung gerechtfertigt, dass die Betroffenen die Abfallentsorgungseinrichtung jederzeit in Anspruch nehmen können. Das Maß der Inanspruchnahme durch den jeweiligen Industrie- oder Gewerbebetrieb ist - von Ausnahmen abgesehen (vgl. etwa § 15 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG) - nicht beschränkt. Deshalb hat der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Leistungen seiner Einrichtung entsprechend der Höchstmenge des gesamten in Betracht kommenden Abfalls bereitzustellen bzw. vorzuhalten. Daraus folgend hat sich die Grundgebühr nicht an dem Maß der Benutzung, d.h. der Menge des aktuell angelieferten Abfalls zu orientieren, sondern an der für den jeweiligen Betrieb vorzuhaltenden Höchstlastkapazität. Maßgeblich ist mit anderen Worten das „Abfallpotential“ des jeweiligen Industrie- oder Gewerbebetriebs. Eine Prognose über die zukünftige Entwicklung der Menge der von der gewerblichen Wirtschaft den öffentlichen Entsorgungsträgern zur Verfügung gestellten Abfälle ist damit zwangsläufig mit großen Unsicherheiten verbunden. Bezogen auf den einzelnen Gewerbebetrieb bedeutet dies gleichermaßen, dass der Umfang, in dem dieser in Zukunft die Betriebsbereitschaft der Einrichtung in Anspruch nehmen wird, nur schwer vorherzusehen ist und sich damit als nur ganz grob abschätzbar darstellt. Dies rechtfertigt es, die Grundgebühr nach einem einfachen und pauschalen Maßstab zu gestalten.
69 
Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei der Prognose darüber, in welchem Umfang der jeweilige Industrie- oder Gewerbebetrieb die Betriebsbereitschaft der Einrichtung und damit die Vorhalteleistung in Anspruch nehmen wird, nicht nur die Abfälle zur Beseitigung, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden müssen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG), sondern auch dessen Abfälle zur Verwertung in den Blick zu nehmen sind. Denn die Einordnung gewerblicher Abfälle als Abfall zur Verwertung oder Abfall zur Beseitigung ist variabel, d.h. die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger können sich nicht darauf einrichten, dass eine Verwertung betrieblicher Abfälle in bisherigem Umfang auf Dauer stattfindet; vielmehr ist es ohne weiteres möglich, dass die Industrie- und Gewerbebetriebe in Zukunft diese Abfälle (teilweise) dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wieder als Abfall zur Beseitigung überlassen.
70 
Die Pflicht zur Verwertung von Abfällen ist einzuhalten, soweit dies u.a. wirtschaftlich zumutbar ist, insbesondere für einen gewonnen Stoff oder gewonnene Energie ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann (§ 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG). Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist gegeben, wenn die mit der Verwertung verbundenen Kosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die für eine Abfallbeseitigung zu tragen wären (§ 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG). Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist seit Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Oktober 1996 das Aufkommen an Gewerbeabfällen, das den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern als Abfall zur Beseitigung angedient wird, signifikant zurückgegangen, weil diese Abfälle nach Aussage der Abfallerzeuger oder -besitzer als Abfälle zur Verwertung diversen Verwertungsverfahren zugeführt werden. Das Aufkommen an Gewerbeabfällen korreliert allerdings auffällig mit den im Einzelfall zu entrichtenden Abfallgebühren. Hohe Abfallgebühren verstärken die „Fluchtbewegung“, während sich bei niedrigen Gebühren der Anreiz, die Abfälle außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgungskapazitäten zu entsorgen, in Grenzen hält (vgl. dazu etwa Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 480; Queitsch, KStZ 1999, 21). Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch die Entwicklung der Mengen an gewerblichen Abfällen einerseits und der Abfallgebühren andererseits in den Land- und Stadtkreisen Böblingen, Göppingen, Rems-Murr-Kreis, Stuttgart, Neckar-Odenwald-Kreis und Schwarzwald-Baar-Kreis in den Jahren 1991 bis 1998; je stärker im jeweiligen Land- und Stadtkreis die Müllgebühren gestiegen sind, desto geringere Gewerbeabfallmengen haben die Betriebe den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen (vgl. dazu Abbildung 3 der Anlage 5 der Kreistagsdrucksache Nr. 51/2000 des Landkreises Böblingen zur Abfallwirtschaftssatzung 2001). Da danach auf Grundlage der Systematik des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in starkem Maße der Marktpreis für Abfälle zur Verwertung einerseits und die Kosten für die gemeinwohlverträgliche Abfallbeseitigung (vgl. § 10 KrW-/AbfG) andererseits über die Qualifizierung der Abfälle und damit über die Menge der den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern angedienten Abfälle entscheiden, führt dies zu weiteren Unsicherheiten hinsichtlich der von der gewerblichen Wirtschaft nachgefragten Vorhalteleistung.
71 
Dass bei der Bemessung der Vorhalteleistung für die Industrie- und Gewerbebetriebe deren „Gesamtabfallpotential“ zu berücksichtigen ist, ergibt sich darüber hinaus aus weiteren Besonderheiten des dualen Abfallbegriffs (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG). Abfälle, die aufgrund einer Wiederverwendung oder einer sonstigen Nutzung als sogenannter Sekundärrohstoff im Wirtschaftskreislauf verwertbar sind, sind allein deshalb noch keine Abfälle zur Verwertung. Ein Abfallerzeuger oder -besitzer kann sich nicht mit Erfolg auf die bloße Möglichkeit einer späteren Verwertung berufen. Eine Verwertungsmöglichkeit, die sich erst einem späteren Abfallbesitzer eröffnet und gegebenenfalls von ihm auch genutzt wird, erlaubt noch nicht den Rückschluss, dass beim Abfallerzeuger oder vorherigen Abfallbesitzer kein Beseitigungsabfall vorhanden war. Was namentlich Papier, Pappen, Bioabfälle und Sperrmüll angeht, die in einer Betriebsstätte als Abfall angefallen sind, entscheidet sich die Frage, ob diese Stoffe Abfall zur Verwertung sind, erst dann, wenn der Abfallerzeuger/-besitzer für sie einen konkreten Verwertungsweg sichergestellt hat. Entledigt er sich der genannten Abfallfraktionen dadurch, dass er sie dem örtlich zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt, ist spätestens mit der Bereitstellung zur Verbringung bei ihm Abfall zur Beseitigung angefallen. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger hat etwaige Verwertungsmöglichkeiten dann erneut zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 23.04.2008 - 9 BN 4.07 - NVwZ 2008, 1119; BVerwG, Urteil vom 01.12.2005 - 10 C 4.04 - NVwZ 2006, 589). Auch hier zeigt sich, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bei Abfällen, die sich für die Wiederverwendung oder einer sonstigen Nutzung als sogenannter Sekundärrohstoff eignen, weiterhin in der Pflicht steht und er auch insoweit „Reservekapazitäten“ vorzuhalten hat.
72 
Nach diesen Ausführungen kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine Rede davon sein, dass sich die Höhe der Grundgebühr in gleicher Weise am Maß der Benutzung der Abfallentsorgungseinrichtungen zu orientieren habe wie die Höhe einer Leistungsgebühr. Die Besonderheiten bei der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr machen es von vornherein unmöglich, das Maß der Inanspruchnahme vergleichbar konkret und nachvollziehbar zu bemessen, wie es bei verbrauchsabhängigen Leistungen möglich und geboten ist.
73 
bb) Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt auch keine weitere Differenzierung des hier zu beurteilenden Maßstabs der Nutzeinheiten. Die in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 normierte - leicht degressive - Staffelung nach der Größe der Nutzfläche, d.h. die im Kern vorgesehene Abstufung nach der „Größe“ des Industrie- oder Gewerbebetriebs trägt dem Gleichbehandlungsgebot ausreichend Rechnung. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vorteil, jederzeit seinen Abfall zur Beseitigung (und das grundsätzlich in unbegrenztem Umfang) dem Beklagten überlassen zu können, für einen Großbetrieb deutlich größer sei als für einen Kleinbetrieb.
74 
Darüber hinaus sieht § 22 Abs. 5 der einschlägigen Satzungen vor, dass Betriebe mit einer Nutzfläche von bis zu 200 m² lediglich zu einer halben Nutzeinheit veranlagt werden. Die Grundgebühr je Nutzeinheit im Jahr 2005 von 132,-- EUR, im Jahre 2006 von 96,-- EUR und im Jahre 2007 von 94,80 EUR halbiert sich demnach für diese Betriebe. Dieser Regelung unterfallen von den rund 8000 Betrieben, für die die flächenbezogenen Grundgebühr gilt, ca. 5000 kleinere Einrichtungen mit einer Nutzfläche von unter 200 m². Die dargestellte Gebührenstaffelung trägt danach in besonderer Weise kleineren Betrieben mit geringem Anfall an Abfall und damit einem geringen Abfallpotential durch die Erhebung einer „sehr günstigen“ Grundgebühr Rechnung. Der „grobe“ Maßstab wird damit abgemildert, und dem Gleichbehandlungsgebot wird insoweit in nicht zu beanstandender Weise Rechnung getragen.
75 
Eine weitere „Verfeinerung“ des Maßstabs im Hinblick auf die Betriebe, denen die Bemessung im Hinblick auf ihr stark abweichendes „Abfallpotential“ nicht in vollem Umfang gerecht wird, ist hingegen nicht geboten. Die Klägerin beruft sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf Betriebe mit großer Nutzfläche, deren Abfälle derzeit problemlos verwertet werden könnten und bei denen deshalb nur geringe Mengen an Abfall zur Beseitigung entsorgt werden müssten. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen stellt sich die Atypik dieser Fälle bereits als „begrenzt“ dar, weil der Beklagte auch in diesen Fällen - wie dargelegt - ausreichende Entsorgungskapazitäten vorhalten muss. Nach den Untersuchungen des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003 finden sich im Satzungsgebiet des Beklagten aber auch Betriebe mit großer Betriebsfläche und sehr hohen Abfallmengen, die im Hinblick auf die fast lineare Steigerung des Flächenmaßstabes ungleich behandelt werden. Die Besserstellung dieser Betriebe sowie die - begrenzte - Schlechterstellung der Betriebe, in der von der Klägerin genannten Konstellation, sind unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität hinzunehmen. Bei der gebührenmäßigen Erfassung der Nutzer von Abfallentsorgungseinrichtungen geht es um die Regelung von Massenerscheinungen, die eine weitgehende Typisierung erfordern. Unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität führt es deshalb unter gewissen Umständen dazu, dass an sich ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln sind (BVerwG, Beschluss vom 05.11.2001 - 9 B 50.01 - NVwZ-RR 2002, 217). Besonders im Abgabenrecht führt der Versuch, weitestgehende Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen, nicht nur zu häufig unüberwindbaren Hindernissen, sondern auch zu einem unpraktikablen, wenig übersichtlichen und letztlich teuren Verwaltungsverfahren (BVerwG, Urteil vom 13.04.1994 - 8 NB 4.93 - NVwZ 1995, 173).
76 
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, die Menge der anfallenden Abfälle hänge in allererster Linie von der Branche des Unternehmens ab und davon, was konkret produziert werde, mithin ob es sich um ein materialintensives Industrieunternehmen handele oder um einen eher arbeitskraftintensiven Betrieb. Angesichts der strukturellen Unterschiede der in Betracht kommenden Gewerbe würde es einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeuten, im Einzelfall die „Grundgebührenbedeutung“ jedes Betriebs zu ermitteln (so schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.10.2003, aaO; vgl. auch Bay.VGH, Urteil vom 20.10.1997, aaO). Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger müsste für jeden einzelnen Betrieb das jeweilige „Abfallpotential“ untersuchen und die Ergebnisse unter laufender Kontrolle halten. Dass ein solches Verfahrens überaus „streitanfällig“ wäre und zudem mit einem nicht leistbaren Aufwand - insbesondere an Personal - verbunden wäre, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Darlegung. Gleichermaßen unpraktikabel ist ein Maßstab, der die Grundgebühr nach der jeweiligen Branche der gewerblichen Betriebe bemisst. Auch hier sind umfangreiche Ermittlungen erforderlich, um die „Grundgebührenbedeutung“ der Branchen feststellen zu können. Es würde zudem hinsichtlich der Frage, in welche Branche der jeweilige Betrieb einzustufen ist, häufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten und damit verbunden zu streitanfälligen Konstellationen kommen; auch ist durchaus denkbar, dass auf ein und demselben Grundstück Betriebe unterschiedlicher Branchen tätig sind. Schließlich wäre ein solcher Maßstab in weit größerem Umfang auf die Mitwirkung, d.h. auf die Weitergabe von Informationen und Unterlagen, seitens der gewerblichen Wirtschaft angewiesen. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt und erläutert, dass die gewerblichen Betriebe im Satzungsgebiet schon bislang nur sehr zögerlich ihren Mitwirkungspflichten im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses nachgekommen sind.
77 
Die Anforderungen, die die Klägerin an die Ausdifferenzierung eines Grundgebührenmaßstabs im Abfallrecht stellt, laufen im Ergebnis darauf hinaus, dass die Erhebung von Grundgebühren nicht mehr möglich wäre. Auch die weiteren Maßstäbe, die für die Verteilung der abfallmengenunabhängigen Kosten auf Industrie und Gewerbe in der Praxis verwandt werden und bisher als rechtlich zulässig angesehen wurden (Einwohnergleichwert, pro Grundstück oder pro Gewerbebetrieb, vgl. dazu etwa Kibele, NVwZ 2003, 27; Queitsch, ZKF 2000, 83; Cantner, KStZ 2000, 29), begegnen im Hinblick auf eine fehlende oder lediglich pauschale Differenzierung bei den Industrie- und Gewerbebetrieben vergleichbaren oder noch stärkeren rechtlichen Bedenken. Vor diesem Hintergrund wären die bisher verwandten Maßstäbe allesamt rechtswidrig bzw. völlig unpraktikabel (wie der Maßstab, der nach Branchen differenziert).
78 
cc) Zu Unrecht meint die Klägerin darüber hinaus, der Nutzflächenmaßstab verstoße gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit. Dieser Grundsatz gestattet es dem Satzungsgeber, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 v.H. der von der Regelung betroffenen Fälle dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Urteil vom 01.08.1986, aaO und Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36). Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Grundsatz für das Wasser- und Abwasserabgabenrecht entwickelt, und die genannten Entscheidungen stellen auf Besonderheiten ab, die für dieses Rechtsgebiet kennzeichnend sind. Im Wasser- und Abwasserabgabenrecht ist in der Regel eine Gestaltung der Abgaben unproblematisch möglich, die sich „eng“ an der Benutzungsintensität ausrichtet; die Zahl der Ausnahmen, bei denen eine darauf bezogene Differenzierung entfällt, kann deshalb ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand gering gehalten werden, so dass hierfür die 10 %-Regel entwickelt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO; Beschluss vom 05.11.2001, aaO). Diese Aussagen können aber auf die Erhebung von Grundgebühren im Abfallrecht nicht übertragen werden. Die dafür allein in Frage kommenden Gebührenmaßstäbe können sich - wie oben dargelegt - nur an einer stark pauschalierenden Erhebungstechnik ausrichten, sie können nach der Natur der Sache nicht weiter einem Wirklichkeitsmaßstab angenähert werden, wie er im Wasser- und Abwasserabgabenrecht typisch und praktikabel ist. Die bei der Erhebung von Grundgebühren allein möglichen und gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe stellen sich mit anderen Worten als verhältnismäßig „grob“ dar, beinhalten damit bereits immanent zahlreiche Ausnahmen und hinnehmbare Ungleichbehandlungen, die eine Anwendung der starren 10 %-Regel ausschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO und Beschluss vom 05.11.2001, aaO).
79 
Unbehelflich ist auch der in diesem Zusammenhang erfolgte Einwand der Klägerin, nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 02.09.1988 - 2 S 1720/88 - ESVGH 39, 20) habe der Grundsatz der Typengerechtigkeit auch im Abfallgebührenrecht Anwendung gefunden. Die genannte Entscheidung des Senats betraf jedoch nicht die Grundgebühr für Gewerbebetriebe, sondern allein die Verbrauchsgebühr, bei der sich die Gebührengestaltung ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand weitaus enger an der Benutzungsintensität ausrichten lässt.
80 
Schließlich bestand auch kein Anlass, entsprechend der Anregung der Klägerin den Großen Senat beim Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Frage anzurufen, ob die Kriterien, die zum Grundsatz der Typengerechtigkeit entwickelt wurden, auch bei der Bemessung der Grundgebühr für gewerbliche Betriebe gelten. Der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs hat dies zwar in seinem Urteil vom 02.03.2004 (aaO) bejaht; bei den entsprechenden Ausführungen handelt es sich jedoch um ein sog. obiter dictum, das für die Entscheidung erkennbar nicht tragend war. Diese Ausführungen sind zudem durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 01.12.2005, aaO) überholt.
81 
dd) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin ferner gegen die vom Satzungsgeber mit der Gesamtgestaltung der Gebühren bezweckte Verhaltenssteuerung und damit gegen die u.a. mit der Einführung des flächenbezogenen Maßstabs für die Grundgebühr verfolgten Absicht, einer sogenannten Scheinverwertung von Abfällen zur Beseitigung durch die Abfallerzeuger/-besitzer entgegenzuwirken. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass die anzustrebende Belastungsgleichheit der Gebührenpflichtigen dem Satzungsgeber dennoch die Befugnis belässt, mit seiner Gebührenregelung eine begrenzte Verhaltenssteuerung zu verbinden (BVerwG, Urteil vom 20.12.2000 - 11 C 7.00 - BVerwGE 112, 297). Danach ist es rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft (vgl. dazu die §§ 4, 5 und 10 KrW-/AbfG) im Rahmen der Gebührengestaltung darauf hinwirken, dass gewerbliche Abfälle schadlos und möglichst hochwertig verwertet, sogenannte Scheinverwertungen von Abfällen zur Beseitigung zurückgedrängt und nicht verwertbare Abfälle dem Verursacherprinzip folgend in der Nähe ihres Entstehungsortes beseitigt werden, ohne dass das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt wird (vgl. dazu § 10 Abs. 4 Krw-/AbfG).
82 
Der Satzungsgeber hat sich bei der Normierung des Gebührenmaßstabes auch von diesen Erwägungen leiten lassen. Zu Unrecht meint die Klägerin in diesem Zusammenhang, nicht der Satzungsgeber, sondern allein das erstinstanzliche Verwaltungsgericht habe die entsprechenden Erwägungen angestellt. Aus der Kreistagsdrucksache Nr. 51/2000, die der Einführung der flächenbezogenen Grundgebühr zugrunde lag, ergibt sich vielmehr ohne jeden vernünftigen Zweifel das Gegenteil. In dem Beschlussantrag für den Satzungsgeber heißt es u.a. wie folgt:
83 
Der Rückgang des Gewerbeabfalls lässt sich zum einen auf Erfolge bei der Vermeidung und eine „echte“ Verwertung von Abfällen sowie strukturelle Veränderungen (z.B. Produktionsverlagerungen in das Ausland) zurückzuführen. Eine weitere Ursache des Rückgangs ist aber auch darin zu sehen, dass bei gewerblichen Abfallerzeugern nur für Abfälle zur Beseitigung eine Überlassungspflicht an den Landkreis besteht. Abfälle zur Verwertung sind nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht überlassungspflichtig und können zu jeder Sortieranlage in der Bundesrepublik oder ins Ausland gebracht werden. Es liegen nämlich viele Nachweise vor, dass Abfälle zur Beseitigung als Scheinverwertung über private Entsorgungsunternehmen (vorbei) an der gesetzlichen Überlassungspflicht insbesondere auf Billigdeponien mit schlechten Umweltstandards in den neuen Bundesländern entsorgt werden. Dabei gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Höhe der Abfallgebühr der einzelnen Landkreise und dem Rückgang der Gewerbeabfallmengen. …
84 
Der in den vergangenen Jahren steigenden Scheinverwertung von Abfällen kann deshalb nur entgegengewirkt werden, wenn alle Gewerbebetriebe zukünftig entsprechend ihrer tatsächlichen Abfallmengen an den Kosten der Abfallentsorgung beteiligt werden. Ein Weg ist hierbei die Heranziehung des Gewerbes zu den Vorhaltekosten der Abfallentsorgungseinrichtungen über eine mengenunabhängige Vorhaltegebühr und die Schaffung einer marktgerechten Leistungsgebühr.
85 
Wird dieses Ziel nicht erreicht, entstehen dem Landkreis Böblingen durch weiteren Mengenrückgang erhebliche Gebührenausfälle. Denn trotz rückläufiger Mengen ist der Landkreis als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger verpflichtet, stets auch für das Gewerbe ausreichend dimensionierte Entsorgungskapazitäten vorzuhalten. …
86 
Der Landkreis Böblingen erhebt schon seit vielen Jahren auf Basis der bestehenden Regelungen in der Abfallwirtschaftssatzung von allen Gewerbebetrieben, die an die öffentliche Abfallabfuhr angeschlossen sind, gefäßbezogene Vorhalte- bzw. Jahresgebühren. Auch bei den Selbstanlieferern (maximal 150 Betriebe) waren die Vorhaltekosten schon immer in der Anlieferergebühr auf den Deponien oder beim Restmüllheizkraftwerk enthalten. Die mengenunabhängige Vorhaltegebühr nach dem Nutzflächenmaßstab ist daher nur eine Umstellung. Ziel ist dabei, die Leistungsgebühren so zu senken, dass im marktwirtschaftlichen Sinne Anreiz zur Inanspruchnahme der Entsorgungsleistungen des Landkreises besteht und somit Abfallexporte nicht mehr rentabel sind. …
87 
Durch die Maßstabsumstellung haben insbesondere Firmen mit höherem Müllaufkommen und geringerer Nutzfläche Vorteile gegenüber allen Betrieben mit geringem Müllaufkommen und höherer Nutzfläche. Gerade für erstere Firmen biete der neue Maßstab den Anreiz, bisher als sogenannten „Verwertungsabfall“ entsorgte Mengen wieder über die öffentliche Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung anzuliefern und nur die sehr günstige Leistungsgebühr bezahlen zu müssen.
88 
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen entbehrt ferner die sinngemäße Behauptung der Klägerin, ausweislich der Kreistagsdrucksache habe der Beklagte beabsichtigt, auch solche Abfälle wieder in die kommunalen Beseitigungsanlagen zu lenken, die sich als Abfälle zur Verwertung darstellten, jeder Grundlage. Nach Wortlaut und Sinnzusammenhang der Aussagen in der Kreistagsdrucksache bezieht sich der vom Satzungsgeber beabsichtigte Lenkungszweck ausschließlich auf die sogenannten Scheinverwertungen und damit nicht auf Abfälle, die der Abfallerzeuger/-besitzer in eigener Verantwortung ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten hat (§ 5 Abs. 3, 4 und 5 KrW-/AbfG). Indem der Satzungsgeber auf Seite 8 der Kreistagsdrucksache 51/2000 den Begriff Verwertungsabfall ausdrücklich mit Anführungszeichen gekennzeichnet hat sowie durch die Wahl des Wortes „sogenannte(r)“ im Zusammenhang mit Verwertungsabfall bringt der Satzungsgeber unmissverständlich seine Vorstellung zum Ausdruck, bei diesen Abfallmengen, die bislang außerhalb der öffentlichen Einrichtung entsorgt worden seien, handele es sich um Abfall zur Beseitigung, für den die Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG gelte.
89 
Die Entscheidung des Satzungsgebers, der Scheinverwertung von gewerblichen Abfällen entgegenzuwirken, kann auch inhaltlich nicht beanstandet werden. Die Entscheidung beruht insbesondere auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die in der Kreistatsdrucksache wiedergegebene allgemeine Entwicklung in der Abfallentsorgung und insbesondere die darin festgehaltenen Erfahrungen der zuständigen Abfallbehörden stehen in Übereinstimmung mit den Erwägungen, die den Bundesgesetzgeber zur Einführung der Gewerbeabfallverordnung vom 19.06.2002 - GewAbfV - bewogen haben. Ziel der am 01.01.2003 in Kraft getretenen Gewerbeabfallverordnung ist die schadlose, möglichst hochwertige Verwertung von gewerblichen Siedlungsabfällen und die Verhinderung von Scheinverwertungen (vgl. BT-Dr. 14/7328, S. 1, 2, 10 und 13; BR-Dr. 2078/02, S. 1 und 33). In der Begründung für die Gewerbeabfallverordnung heißt es im Hinblick auf die Problematik von Scheinverwertungen u.a. wie folgt:
90 
Von einer (nicht bekannten) Anzahl von Abfallerzeugern aus anderen Herkunftsbereichen - insbesondere den Bereichen Gewerbe, Industrie und private und öffentliche Einrichtungen - werden Abfälle, die verwertet werden, auch unzulässigerweise entweder gar nicht oder in geringem Maß von Abfällen, die beseitigt werden müssen, getrennt gehalten. Die Abfälle werden in diesen Fällen in einem Behälter gemeinsam erfasst und insgesamt als „Abfälle zur Verwertung“ deklariert. Diese Abfälle werden meist entweder einer Abfallverbrennungsanlage oder einer Sortieranlage zugeführt. Abfälle aus der Sortieranlage werden zum Teil nur zu einem geringen Prozentsatz in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt, während ein größerer Prozentsatz - zumeist weit entfernt vom Anfallort - einer Beseitigung auf kostengünstigen Deponien zugeführt wird (sogenannte Scheinverwertung), wodurch ökologisch anspruchsvolle Verwertungswege benachteiligt werden. …
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Durch diese Praxis erhalten die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger am Anfallort der Abfälle weniger Abfälle zur Beseitigung, wodurch die für eine ordnungsgemäße und umweltverträgliche Entsorgung vorgehaltenen Anlagen, insbesondere hochwertige Verbrennungsanlagen, nicht mehr ausgelastet sind und die freien Kapazitäten zu kostengünstigen Preisen zum Teil unter Selbstkostenpreisen angeboten werden müssen. Die Planungssicherheit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wird beeinträchtigt. …
92 
Mit diesen Ausführungen des Bundesgesetzgebers wird die Problematik der Scheinverwertungen im Abfallrecht ausreichend konkretisiert und belegt. Vor diesem Hintergrund durfte der Beklagte auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen in seinem Satzungsgebiet (von der Gefahr) von Scheinverwertungen ausgehen und diesen Gesichtspunkt bei der Gestaltung der Abfallgebühren heranziehen. Substantiierte Einwendungen, die die Einschätzung des Satzungsgebers (insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit und Angemessenheit des verfolgten Lenkungszwecks) in Zweifel ziehen könnten, hat auch die Klägerin nicht erhoben; solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich.
93 
ee) Das vom Beklagten erstmals für das Jahr 2001 eingeführte Gesamtsystem der Gebührenerhebung - einschließlich des damit verbundenen Lenkungszwecks, Scheinverwertungen entgegen zu wirken - verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich den europarechtlich, bundesrechtlich und landesrechtlich normierten Vorrang der Abfallverwertung vor der Abfallbeseitigung. Es sind insbesondere keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die hier zu beurteilende Gebührenbemessung Anreize gibt, gewerbliche Siedlungsabfälle, die als Abfall zur Verwertung zu qualifizieren sind, der kommunalen Abfallentsorgung als Abfall zur Beseitigung zu überlassen. Die Gebührensatzung des Beklagten bietet vielmehr ersichtlich ausreichende Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen, weil der weit überwiegende Teil der Gesamtkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung verbrauchsabhängig abgerechnet wird. Für die Jahre 2005 bis 2007 kalkulierte der beklagte Landkreis - wie bereits dargelegt - die Grundgebühr so, dass das Aufkommen aus der Grundgebühr weit weniger als 50 % der Fixkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung deckte; im Jahre 2005 waren es 42 %, im Jahre 2006 38,9 % und im Jahre 2007 lediglich noch 23,8 % der Fixkosten. Bei einem zu unterstellenden Fixkostenanteil in der kommunalen Abfallwirtschaft von rund 80 % (vgl. Kibele, NVwZ 2003, 23; Schink, EildLKT NRW 2000, 482; Cantner, KStZ 2000, 23, 24) hat der Beklagte damit in den Jahren 2005 und 2006 ca. ein Drittel der Gesamtkosten der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung im Wege der Grundgebühr verteilt. Im Jahr 2007 und in den hier nicht streitgegenständlichen weiteren Jahren bis 2011 hat der Beklagte im Rahmen der Grundgebühr noch einen deutlich geringeren Anteil abgerechnet. Dementsprechend wurden zwei Drittel und mehr der Gesamtkosten über verbrauchsabhängige Leistungsgebühren finanziert. Im Hinblick auf die daraus folgende Höhe der Leistungsgebühr kann keine Rede davon sein, dass den Gebührenpflichtigen ein umweltfreundliches Verhalten, d.h. ein Verhalten, das in erster Linie Abfälle vermeidet und in zweiter Linie Abfälle verwertet, als von vornherein ohne Sinn und Nutzen erscheinen müsste. Im Einzelnen:
94 
Das Bundesverfassungsgericht hat speziell bezogen auf das Abgabenrecht aus der bundesstaatlichen Kompetenzordnung und dem Rechtsstaatsprinzip den allgemeinen Gedanken entwickelt, dass alle rechtsetzenden Organe ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen haben, dass die Rechtsordnung nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich werden darf. Dementsprechend verbietet es die Einheit der Rechtsordnung dem Satzungsgeber, sich für eine gebührenrechtliche Lenkungswirkung zu entscheiden, die dem Gebührenpflichtigen ein Verhalten abverlangt, das einer Regelung des Bundesgesetzgebers widerspricht. Eine insoweit vom Sachgesetzgeber getroffene Entscheidung darf nicht durch gebührenrechtliche Lenkungswirkung verfälscht werden (vgl. BVerfG, Urteile vom 07.05.1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 und vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265).
95 
Das Gebührensystem des Beklagten und die damit verbundene Lenkungswirkung, die ausweislich der einschlägigen Kreistagsdrucksache die ordnungsgemäße Erfüllung der abfallrechtlichen Überlassungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG fördern soll, verstößt danach nicht gegen die Einheit der Rechtsordnung und konterkariert insbesondere nicht den Vorrang der Abfallverwertung. Das höherrangige Recht statuiert keinen „absoluten“ Vorrang der Verwertung - wie die Klägerin meint -, es belässt vielmehr dem zuständigen Satzungsgeber die Befugnis, den Vorrang der Verwertung mit anderen abfallwirtschaftlichen Zwecksetzungen in Ausgleich zu bringen und die sich aus der Systematik des Abfallrechts ergebenden Zielkonflikte eigenständig und unter Wahrung eines Einschätzungsspielraums zu lösen (ebenso BVerwG, Urteil vom 20.12.2000, aaO). Die Formulierungen des höherrangigen Rechts sind im Hinblick auf ihre Pauschalität und Offenheit von vornherein nicht geeignet, um dem Satzungsgeber exakte Vorgaben für die Gebührenerhebung zu machen und ihm damit ein bestimmtes Gebührensystem vorzugeben.
96 
Leitgedanke des europäischen und nationalen Abfallrechts ist die Erreichung eines hohen Umweltschutzniveaus. Diese übergeordnete Zielsetzung soll einmal durch einen „relativen“ Verwertungsbegriff sichergestellt werden, d.h. Abfälle, die nicht vermieden werden können, sind ordnungsgemäß und schadlos zu verwerten, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist (vgl. dazu §§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, 5 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG). Zum anderen fordern die Regelungen, dass die Abfälle, die nicht verwertet werden, nach den Grundsätzen der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung behandelt und beseitigt werden (vgl. §§ 10 Abs. 4, 11, 12 KrW-/AbfG) und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger dafür ortsnah (und damit flächendeckend) ausreichende Kapazitäten für die Beseitigung dieser Abfälle zur Verfügung stellen (vgl. dazu §§ 13, 15 KrW-/AbfG). Trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Abfallverwertung vor der Beseitigung (§ 5 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG) entfällt dieser, wenn ausgehend von der übergeordneten Zielsetzung des Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung darstellt (§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG). Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Systematik kann vom Satzungsgeber nicht verlangt werden, dass er im Rahmen seiner gebührenrechtlichen Konzeptbefugnis allein - wie die Klägerin meint - den Vorrang der Abfallverwertung fördert und gleichgewichtige Belange - wie etwa die Sicherstellung einer ausreichenden und ortsnahen Entsorgungskapazität und damit das Interesse an der Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallwirtschaft - zurückstellt.
97 
Diese Auslegung steht auch in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht und namentlich mit der Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle - RL 75/442/EWG -. Die Richtlinie legt in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) nicht nur den Vorrang der Verwertung fest, sondern darüber hinaus das Prinzip der räumlichen Nähe und der Autarkie im Bereich der Entsorgung. Die Richtlinie selbst ist wiederum im Lichte des primären Unionsrechts auszulegen und anzuwenden. Dieses statuiert in Art. 130 r Abs. 2 EWGV bzw. Art. 174 Abs. 2 Satz 2 EG (heute: Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV) das Prinzip der Nähe. Wenn danach Umweltbeeinträchtigungen nach Möglichkeit an ihrem Ursprung zu bekämpfen sind, bedeutet dies im Bereich der Abfallwirtschaft, dass die Beseitigung nicht verwertbarer Abfälle dem Verursacherprinzip folgend in die Nähe ihres Entstehungsortes gehört. In Art. 5 Abs. 2 der RL 75/442/EWG findet dieses umweltpolitische Ziel ebenfalls Ausdruck (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO). Die dargestellte Systematik und damit verbunden die besondere Bedeutung der Grundsätze der Entsorgungsautarkie und der Nähe im Abfallrecht, die bereits in der Ursprungsfassung der Abfallrahmenrichtlinie ihren Niederschlag gefunden hatte, hat der europäische Gesetzgeber in der Folgezeit nicht nur beibehalten, sondern weiterentwickelt und konkretisiert (vgl. die Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2006 über Abfälle, die die bereits zuvor erfolgten Änderungen der Abfallrahmenrichtlinie berücksichtigte, und zuletzt die Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, die am 12.12.2008 in Kraft trat und eigentlich bis 12.12.2010 in nationales Recht umgesetzt werden musste).
98 
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsentwicklung genießt allein das oberste Ziel jeder Abfallpolitik, nämlich die Minimierung der nachteiligen Auswirkungen der Abfallerzeugung und -bewirtschaftung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, absoluten Vorrang (vgl. den 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/98/EG). Dementsprechend gilt die Abfallhierarchie nicht absolut, bei ihrer Anwendung haben die Mitgliedstaaten vielmehr diejenigen Optionen zu fördern, die insgesamt das beste Ergebnis unter dem Aspekt des Umweltschutzes erbringen (Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG). Dem dargestellten obersten Ziel der Abfallpolitik soll schließlich auch die Errichtung eines integrierten und angemessenen Netzes von Abfallbeseitigungsanlagen dienen, um die Abfälle ortsnah beseitigen zu können (vgl. Art. 16 der Richtlinie 2008/98/EG).
99 
Eine abweichende Einschätzung hinsichtlich der gebührenrechtlichen Konzeptbefugnis des Satzungsgebers rechtfertigt auch nicht § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG (GBl. 1996, 116) in der bis zum 30.03.2005 geltenden Fassung. Nach dieser Bestimmung sollen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger insbesondere in den Satzungen nach § 8 LAbfG die Gebührentatbestände so ausgestalten, dass sich daraus nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung sowie zur Abfalltrennung ergeben. Das Gebot, mit dem Gebührenmaßstab wirksame Anreize auch zur Verwertung zu schaffen, ist nur als Sollvorschrift, nicht als Mussvorschrift ausgebildet. Es fehlt auch eine nähere Präzisierung, in welcher Weise und in welcher Form solche Anreize geschaffen werden sollen. Dies rechtfertigt den Schluss, dass dem Satzungsgeber in diesem Zusammenhang ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt worden ist. Danach ist § 2 Abs. 1 Satz 2 LAbfG und der Nachfolgeregelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 KAG 2005 (GBl. 2005, 206), mit der die Sollvorschrift in eine Kannvorschrift umgewandelt und damit der Spielraum des Satzungsgebers nochmals erweitert wurde, jedenfalls ausreichend Genüge getan, wenn - wie hier in den Jahren 2005 und 2006 - ca. ein Drittel der Gesamtkosten über die Grundgebühr und ca. zwei Drittel der Kosten über die Verbrauchsgebühr, die allein vom Aufkommen der Abfälle abhängig ist, abgerechnet werden. Dies gilt erst recht, wenn - wie im Jahr 2007 - ein noch deutlich geringerer Anteil der Gesamtkosten über die Grundgebühr umgelegt wird. Unter Hinweis darauf, dass auch bei Einführung einer Grundgebühr durch die Gebührenerhebung insgesamt noch wirksame Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung geschaffen werden müssen, wurde in der Rechtsprechung zum Teil vertreten, dass im Verhältnis zur Gesamtgebühr über die Grundgebühr nicht mehr als 50 % der Kosten abgerechnet werden dürften (in diesem Sinne Nieders. OVG, Urteil vom 24.06.1998 - 9 L 2722/96 - KStZ 1999, 172). Teilweise wird in der Rechtsprechung dagegen vertreten, dass es bei der Erhebung einer Grundgebühr zulässig sei, über diese mehr als 50 % der gesamten Gebührenbelastung abzurechnen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.02.2000 - 9 A 3915/98 - KStZ 2000, 233; Bay, VGH, Urteil vom 20.10.1997, aaO) bzw. in begründeten Ausnahmefällen bis zu 75 % der Kosten abzurechnen (vgl. Nieders. OVG, Urteil vom 07.06.2004 - 9 KN 502/02 - NordÖR 2004, 310). Zur Begründung für diese Auffassung wird angeführt, in der Abfallwirtschaft müssten aufwändige und hochtechnisierte Anlagen für Sammlung, Transport, Trennung, Verwertung, Behandlung und gegebenenfalls Ablagerung von Abfällen vorgehalten werden und zwar unabhängig vom Grad der Anlagenausnutzung. Da hier mir der Grundgebühr weit weniger als 50 % der gesamten Gebührenbelastung abgerechnet wird, bedarf es anlässlich des vorliegenden Falles keiner abschließenden Beurteilung, ab welcher Grenze die Erhebung einer Grundgebühr unzulässig ist, weil die Gebührengestaltung keine ausreichenden Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung mehr bietet.
100 
Unerheblich ist der sinngemäße Einwand der Klägerin, das Verhältnis von Grundgebühr zur Verbrauchsgebühr sei deshalb zu beanstanden, weil die Grundgebühr - in Einzelfällen - ein Vielfaches der Leerungsgebühr betragen könne. Es ist ausreichend, wenn - wie hier - die Ausgestaltung des Gebührensystems insgesamt und generell dem Gebot genügt, Anreize zur Verwertung von Abfällen zu schaffen. Dagegen ist nicht erforderlich, dass die Grundgebühr im Abrechnungszeitraum, also regelmäßig im Kalenderjahr, bei allen denkbaren Gruppen von Gebührenpflichtigen nur einen untergeordneten Teil der Gesamtgebührenbelastung bzw. nicht mehr als 50 % der gesamten Gebührenbelastung ausmacht (ebenso Nieders. OVG, Urteil vom 24.06.1998 - 9 L 2504/96 - ZKF 1999, 184). Die Gestaltung des Gebührensystems im Abfallrecht erfordert - wie dargelegt - ein weitgehende Typisierung; folglich ist es ausreichend, wenn dem dargestellten Gebot jedenfalls in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Rechnung getragen wird.
101 
Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im Falle der Klägerin ein Missverhältnis von Grund- und Verbrauchsgebühr gegeben ist. Da die Klägerin ihren Abfall zur Beseitigung nicht dem Beklagten andient, fehlt jede Grundlage, um die Höhe der von der Klägerin zu bezahlenden Grundgebühr ins Verhältnis zu ihrer Gesamtgebührenbelastung setzen zu können.
102 
Dass die vom Beklagten gewählte Art der Gebührenbemessung objektiv dazu führt, dass die Industrie- und Gewerbebetriebe im Satzungsgebiet des Beklagten verwertbare Abfälle dem kommunalen Entsorgungsträger überlassen, ist im Übrigen nicht ersichtlich. Auch die Klägerin hat keine Anhaltspunkte geliefert, die den Schluss rechtfertigen könnten, seit Einführung des hier zu beurteilenden Grundgebührensystems im Jahre 2001 würden die Industrie- und Gewerbebetriebe dem Böblinger Restmüllheizkraftwerk in nennenswertem Umfang Abfall zur Verwertung überlassen. Nach der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Übersicht über die Entwicklung des Gewerbeabfallaufkommens in den Jahren 1999 bis 2009 ist in seinem Satzungsgebiet die Menge des Gewebeabfallaufkommens vielmehr in etwa gleich geblieben, d.h. auch nach der Einführung der Gewerbegrundgebühr im Jahre 2001 ist kein nennenswerter Anstieg des Gewerbeabfallaufkommens zu verzeichnen gewesen.
103 
Soweit sich der erwähnten Übersicht allein in den Jahre 2005 bis 2007 ein gewisser Anstieg des Gewerbeabfallaufkommens entnehmen lässt, hat der Beklagte als Grund hierfür unwidersprochen angeführt, dass in dieser Zeit die Kosten für eine „Verwertung“ außerhalb des Landkreises teilweise höher als für eine „Beseitigung“ in der Müllverbrennungsanlage des Beklagten gewesen seien. Wenn es tatsächlich zutreffen sollte (wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung behauptet hat), dass die Betriebe im Satzungsgebiet des Beklagten ihre „Verwertung“ so organisieren, dass sie kostengünstige „Verbrennungsmöglichkeiten“ in anderen Bundesländern (teilweise weit ab) in Anspruch nehmen, bleibt von vornherein kein Raum mehr für die Behauptung der Klägerin, die flächenbezogene Grundgebühr übe eine Lenkungswirkung auf die betriebliche Abfallentsorgung aus, die mit den Zielen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes unvereinbar sei.
104 
Die Klägerin hat auch keine (fachwissenschaftlichen) Veröffentlichungen oder sonstige Erkenntnisquellen zum Beleg dafür benannt, dass es im Bereich anderer öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger, die für Industrie- und Gewerbebetriebe eine flächenbezogene Grundgebühr eingeführt haben, in nennenswertem Umfang zu einer Anlieferung verwertbarer Abfälle gekommen ist. Die von der Klägerin erhobene Tatsachenbehauptung (einer unzulässigen Anreizwirkung) ist danach ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich „aus der Luft gegriffen“, sie ist mit anderen Worten „ins Blaue hinein“, also „erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage“ erhoben worden. Deshalb sieht der Senat auch keinen Anlass, diese Fragestellung dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung (Art. 267 AEUV) vorzulegen.
105 
Selbst wenn in Einzelfällen Abfallerzeuger/-besitzer verwertbare Abfälle den kommunalen Entsorgungsträgern überlassen, gewährleistet die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG, dass der Vorrang der Abfallverwertung vor der Beseitigung beachtet werden muss. Denn mit dem Übergang des Abfallbesitzes auf den kommunalen Entsorgungsträger wechselt nur der Adressat des Verwertungsgebots. Dass im Bereich der gewerblichen Siedlungsabfälle die Verwirklichung des Verwertungsgebots ausschließlich in den Händen der Privatwirtschaft liegen muss, ist weder Bundesrecht noch europäischem Abfallrecht zu entnehmen (so BVerwG, Urteil vom 01.12.2005, aaO).
106 
ff) Die Klägerin wendet sich schließlich zu Unrecht gegen die vom Satzungsgeber beabsichtigte Lenkungswirkung unter Berufung auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 07.01.2002 - 20 N 01.503 - (NVwZ-RR 2002, 378). Nach dieser Entscheidung darf eine Gemeinde keine Mindestbehälter-Volumen für gewerbliche Beseitigungsabfälle in Höhe von 25 % des Gesamtvolumens der Abfälle festlegen. Denn auch bei einer typisierenden Betrachtungsweise könne nicht davon ausgegangen werden, dass Abfälle zur Beseitigung bei den Gewerbebetrieben generell in diesem Umfang anfallen würden. Diese Entscheidung ist auf den hier zu beurteilenden Rechtsstreit nicht übertragbar. Die Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten gibt gerade kein zwingend vorgeschriebenes Mindestbehälter-Volumen vor. Es ist den Erzeugern und Besitzern von gewerblichen Siedlungsabfällen möglich nachzuweisen, dass ausnahmsweise sämtliche Siedlungsabfälle verwertet werden (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 17.02.2005, aaO). Die Abfallerzeuger und -besitzer müssen ferner neben der Grundgebühr eine Leistungsgebühr entsprechend dem vorgehaltenen Behältervolumen bzw. dem angelieferten Gewicht des Abfalls entrichten. Das Anreizsystem, das mit der Gebührengestaltung des Beklagten verbunden ist, unterscheidet sich demnach grundlegend von den Anreizen, die durch die Normierung eines Mindestbehälter-Volumens gesetzt werden.
107 
gg) Schließlich meint die Klägerin im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ohne Erfolg, die Definition der Nutzfläche in § 22 Abs. 5 AWS 2005, 2006 und 2007 weiche von der Ermittlung der Nutzfläche nach der DIN 277 ab und sei deshalb willkürlich. Die Klägerin wendet damit im Kern ein, die einschlägige Satzungsregelung des Beklagten ziehe auch solche Flächen zur Gebührenberechnung heran, auf denen kein Abfall anfallen könne. Dies kann nicht beanstandet werden, weil dem Satzungsgeber auch bei der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabes ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht und er deshalb aus Gründen der Praktikabilität einen - im Vergleich zur DIN 277 - gröberen Maßstab verwendet durfte.
108 
Nach der Definition des Satzungsgebers ergibt sich die Nutzfläche durch die Vervielfältigung der mit Gebäuden überbauten Fläche des Grundstücks mit der Zahl der Geschosse. Dazu gehören auch Lager, Büro- und Sozialräume sowie Betriebswohnungen. Die Nutzfläche privater Haushaltungen/Wohneinheiten und Pkw-Abstellplätze innerhalb der Bauwerksflächen bleibt bei der Nutzflächenermittlung unberücksichtigt (vgl. etwa § 22 Abs. 5 Satz 4 bis 6 AWS 2007). Diese Regelung ermöglicht es dem Beklagten, die für die Erhebung der Grundgebühr maßgebliche Nutzfläche aufgrund der Aktenlage und den Angaben des jeweiligen Industrie- und Gewerbebetriebs ohne größeren Verwaltungsaufwand zu ermitteln. Nach der DIN 277, die für die Ermittlung von Grundflächen und Rauminhalten von Bauwerken oder Teilen von Bauwerken im Hochbau gilt, soweit die Grundflächen und Rauminhalte für die Ermittlung von Kosten maßgebend sind, berechnet sich die Nutzfläche - verkürzt dargestellt - hingegen so, dass von der Nettogrundrissfläche die Verkehrsflächen und die Funktionsflächen in Abzug zu bringen sind. Zu den Verkehrsflächen gehören nicht nur Fahrzeugverkehrsflächen, sondern darüber hinaus auch Flure, Aufzugsschächte und Eingangsräume. Zu den Funktionsflächen zählen nach der DIN 277-1 solche der Abwasser-, Wasser-, Wärme-, Gas-, Elektro-, Fernmelde-, Lüftungs- und Fördertechnik sowie solche sonstiger Technik. Diese Flächensystematik der DIN 277 würde somit - so zu Recht die Klägerin - die Flächen, auf denen kein oder wenig Abfall anfallen kann, bei der Bemessung ausscheiden und insoweit ein „genaueres“ Bild des Abfallpotentials des jeweiligen Betriebes liefern. Allerdings wäre auf der Grundlage der DIN 277 eine ins Einzelne gehende Berechnung der Nutzfläche und damit ersichtlich ein weitaus größerer Personaleinsatz erforderlich, der zwangsläufig zu höheren Kosten und damit auch zu höheren Gebühren für die Nutzer der Einrichtung führen würde. Im Übrigen kann davon ausgegangen werden, dass sich bei der angezeigten typisierenden Betrachtung das Verhältnis der gesamten Nutzfläche der Betriebe zu den jeweiligen Verkehrs- und Funktionsflächen in etwa entspricht, und es deshalb auch bei Anwendung des von der Klägerin geforderten Maßstabs entsprechend der DIN 277 nicht zu relevanten Verschiebungen bei der Gebührenbelastung der Betriebe kommen würde.
109 
Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass bei der Erhebung von Grundgebühren ein „grober“ Maßstab in der Natur der Sache liegt. Kann nach den bisherigen Ausführungen demnach die vom jeweiligen Industrie- und Gewerbebetrieb in Anspruch genommene Vorhalteleistung nur pauschal bemessen werden, dann sind erst recht die Anforderungen, die an die Differenziertheit bei der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabs zu stellen sind, zurückzunehmen.
110 
c) Der Einwand der Klägerin, die Bemessung der Grundgebühren nach der Nutzfläche des Grundstückes begründe zusätzlich einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, greift ebenfalls nicht durch. Das Äquivalenzprinzip ist als ein auf die Gebührenerhebung bezogener Ausdruck des bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit anzusehen. Es besagt aber lediglich, dass die Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.01.2000 - 11 C 5.99 - Buchholz 451.211 GtA Nr. 2 S. 8). Des-wegen verbleibt dem kommunalen Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, wie eine sachgerechte Verknüpfung zwischen dem Wert dieser Leistung und der Gebührenhöhe herzustellen ist, ein weiter Ermessensspielraum. Bei der Müllabfuhr bestimmt der regelmäßige Abholdienst entscheidend den Wert der vom Gebührenschuldner in Anspruch genommenen Leistung. Denn er garantiert ihm, sich jederzeit in rechtmäßiger Weise seines Abfalls entledigen zu können (BVerwG, Urteil vom 20.12.2000, aaO). Um den Wert dieser Leistung in Geld zu bestimmen, kann ein auf den Nutzer entfallender Anteil der für die kommunale Abfallentsorgung aufzuwendenden Kosten angesetzt werden. Eine auf Kostendeckung abzielende Gebühr - wie sie hier vom Beklagten erhoben wird - ist mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, solange der Verteilungsmaßstab dem Gleichheitsgrundsatz Rechnung trägt. Die nach Art. 3 Abs. 1 GG anzustrebende Belastungsgleichheit gewährleistet im Fall einer Aufwandsgebühr zugleich ein angemessenes Verhältnis zwischen Wert der Leistung und Gebührenhöhe (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.11.2001, aaO). Da nach den bisherigen Ausführungen eine Verletzung des Gleichheitsprinzips nicht vorliegt, scheidet damit zugleich ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus.
111 
4. Auf der Grundlage dieser Ausführung bestand kein Anlass, den Beweisanträgen der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzukommen. Im Einzelnen:
112 
a) Die Klägerin behauptet mit ihrem Beweisantrag Nr. 1, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs als Maßstab für die Abfallmenge, die der Betrieb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen muss, von vornherein ungeeignet sei, weil die Nutzfläche für Art und Umfang der Überlassungspflicht eines Gewerbebetriebs schlicht nicht typisch sei und keinerlei Rückschlüsse auf die zu überlassende Abfallmenge erlaube. Diese Formulierung trägt den Anforderungen an die „Bestimmtheit“ einer Beweistatsache ausreichend Rechnung. Beweistatsachen sind konkrete Geschehnisse, Umstände und Zustände der äußeren Welt, innerpsychische Vorgänge und Gegebenheiten und insbesondere auch das Bestehen oder Nichtbestehen von Zusammenhängen. Bloße Wertungen oder Schlussfolgerungen reichen nicht aus; die Auslegung entsprechender Anträge kann aber ergeben, dass die Beweiserhebung in Wahrheit auf eine als solche hinreichend bestimmte Tatsachengrundlage abzielt (vgl. etwa Fischer in: Karlsruher Kommentar, Strafprozessordnung, 6. Aufl., § 244 StPO Rdnr. 69). Soweit die Klägerin mit dem Antrag sinngemäß die Ungeeignetheit des Nutzflächenmaßstabs für die Bemessung der Grundgebühr behauptet, handelt es sich um eine bloße Wertung und Schlussfolgerung. Bei sinnorientierter Auslegung lässt sich dem Antrag jedoch auch die Beweistatsache entnehmen, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs keinerlei Rückschlüsse auf die zu überlassende Abfallmenge erlaube. Eine entsprechende Beweiserhebung erübrigt sich deshalb, weil - so zu Recht das Verwaltungsgericht - das Gegenteil der behaupteten Beweistatsache offenkundig ist (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 1. Alternative StPO entsprechend). Offenkundigkeit umfasst Allgemeinkundigkeit und Gerichtskundigkeit. Danach ist der Erfahrungssatz, dass die Nutzfläche eines Gewerbebetriebs gewisse Rückschlüsse auf die Abfallmenge zulässt, die der Betrieb gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt, allgemeinkundig. Es ist mit anderen Worten allgemeinkundig, dass bei einer größeren Nutzfläche des Gewerbebetriebs zwar nicht entsprechend proportional und damit „punktgenau“, jedoch tendenziell auch größere Mengen an Abfall zur Beseitigung anfallen. Im Allgemeinen sind mit einer größeren Nutzfläche eines Gewerbebetriebs auch eine größere Zahl von Beschäftigten und/oder eine größere Produktion verbunden und damit tendenziell größere Mengen (auch) an Abfällen zur Beseitigung. Dies liegt auf der Hand, Grundlage des dargelegten Erfahrungssatzes ist damit die allgemeine Lebenserfahrung.
113 
Die allgemeine Lebenserfahrung findet ihre Bestätigung auch in der vom Beklagten in Auftrag gegebenen Untersuchung des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management GmbH vom Dezember 2003. Danach besteht ein eindeutiger - wenn auch grober - Zusammenhang zwischen der betrieblichen Nutzfläche und der Abfallmenge.
114 
Bei einer Gesamtwürdigung des Vorbringens der Klägerin behauptet sie - über den Wortlaut des dargestellten Beweisantrags hinaus - im Kern, dass mit einer steigenden Nutzfläche eines Gewerbebetriebes nicht entsprechend proportional auch die Menge des überlassungspflichtigen Abfalls zur Beseitigung ansteige. Sie behauptet damit mit anderen Worten, es bestünde kein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebes, der durch wenige Ausnahmefälle entsprechend dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit gekennzeichnet sei. Die so umschriebene Beweistatsache ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sie wird im Übrigen auch durch die Untersuchung des INFA-Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastruktur- Management GmbH vom Dezember 2003 bestätigt, nach der im Satzungsgebiet des Beklagten eine hohe Schwankungsbreite der Abfallmengen zur Betriebsfläche und insbesondere auch Extremwerte (große Betriebsfläche und hohe Abfallmengen) festgestellt wurden. Dieses, den Kern des Vortrags bildende Beweisthema, ist auf der Grundlage der Ausführungen unter 3. b) jedoch nicht entscheidungserheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative StPO entsprechend).
115 
Dem dargelegten Beweisthema kommt für die hier entscheidungserhebliche Frage, ob der Nutzflächenmaßstab dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG genügt, lediglich indizielle Bedeutung zu. Dies bedeutet, dass der Beweistatsache - kein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs - zwar durchaus eine gewisse Bedeutung für die rechtliche Überprüfung des Nutzflächenmaßstabs zukommt, sich aber aus ihr - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade keine zwingenden Schlüsse auf die Rechtswidrigkeit des hier zu beurteilenden Maßstabs ergeben. Denn die Bemessung der Grundgebühr hat sich nicht an der Menge des Beseitigungsabfalls zu orientieren, die der jeweilige Gewerbebetrieb aktuell dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlässt. Maßgeblich ist vielmehr die für den jeweiligen Betrieb vorzuhaltende Höchstlastkapazität, d.h. dessen „Abfallpotential“. Die jeweils aktuelle Menge des Beseitigungsabfalls ist danach zwar ein - gewichtiger - Parameter für die Abschätzung des Abfallpotentials, sie ist aber vor dem Hintergrund der dargelegten Systematik des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht die allein maßgebliche Grundlage für die Verteilung der Vorhaltekosten der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungseinrichtung. Dementsprechend setzt die Rechtmäßigkeit des Grundgebührenmaßstab nicht voraus, dass ein enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche eines Gewerbebetriebs und seiner derzeitigen Menge an Beseitigungsabfall besteht. Bei der Erhebung von Grundgebühren liegt vielmehr ein „grober“ Maßstab in der Natur der Sache; die Sachgerechtigkeit dieses Maßstabs wird durch Erwägungen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt und insbesondere der abgabenrechtliche Grundsatz der Typengerechtigkeit findet keine Anwendung.
116 
b) Unerheblich ist auch die Beweisbehauptung Nr. 2 der Klägerin, „dass deutlich mehr als 10 % der Gewerbebetriebe des Landkreises Böblingen atypisch seien, weil ein Mehr an Nutzfläche keinerlei Rückschlüsse auf eine auch nur annähernd proportionale Vergrößerung der überlassungspflichtigen Abfallmenge erlaube“. Gleiches gilt schließlich für die Beweisbehauptung Nr. 3 der Klägerin, „dass die Größe der Fläche, die ein Gewerbebetrieb betrieblich nutze, kein sachgerechter Maßstab dafür sei, ob und inwieweit die Verwertung anfallender Gewerbeabfälle technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sei (mit der Folge einer gesetzlichen Verwertungspflicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 KrW-/AbfG)“. Mit den letztgenannten beiden Beweisanträgen variiert die Klägerin unter Verwendung verschiedener Formulierungen lediglich das bereits unter 4. a) abgehandelte Beweisthema, wonach kein entsprechend proportionaler bzw. enger Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs bestehe, der den Anforderungen des abgabenrechtlichen Grundsatzes der Typengerechtigkeit gerecht werde. Auch insoweit gilt wiederum, dass die Rechtmäßigkeit des Maßstabs bei der Erhebung von Grundgebühren keinen entsprechend proportionalen bzw. engen Zusammenhang zwischen Nutzfläche und zu überlassender Abfallmenge eines Gewerbebetriebs voraussetzt. Darüber hinaus findet auf den hier zu beurteilenden Nutzflächenmaßstab der abgabenrechtliche Grundsatz der Typengerechtigkeit keine Anwendung.
117 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
118 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
119 
Beschluss vom 1. Februar 2011
120 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 7.806,40 EUR festgesetzt.
121 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung wird zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens bleibt der Entscheidung im Berufungsverfahren vorbehalten.


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(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.

(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Hat der eine oder der andere Teil mehrere zur Aufrechnung geeignete Forderungen, so kann der aufrechnende Teil die Forderungen bestimmen, die gegeneinander aufgerechnet werden sollen. Wird die Aufrechnung ohne eine solche Bestimmung erklärt oder widerspricht der andere Teil unverzüglich, so findet die Vorschrift des § 366 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Schuldet der aufrechnende Teil dem anderen Teil außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten, so findet die Vorschrift des § 367 entsprechende Anwendung.

(1) Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich nach den Vorschriften der Steuergesetze.

(2) Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, so wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig, es sei denn, dass in einem nach § 254 erforderlichen Leistungsgebot eine Zahlungsfrist eingeräumt worden ist. Ergibt sich der Anspruch in den Fällen des Satzes 1 aus der Festsetzung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, so tritt die Fälligkeit nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung ein.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. April 2009 - 2 K 4176/07 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Niederschlagswassergebühren.
Die Beklagte betreibt zur Beseitigung des in ihrem Gebiet anfallenden Abwassers Abwasseranlagen in Form eines Eigenbetriebs (Eigenbetrieb Stadtentwässerung Pforzheim - ESP) geführte öffentliche Einrichtung und erhebt für die Benutzung dieser Anlagen nach Maßgabe ihrer Satzung über die Gebührenerhebung für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen (Abwassergebührensatzung - AbwGebS) eine laufende Benutzungsgebühr.
Die Abwassergebühren wurden ursprünglich nach dem (einheitlichen) Frischwassermaßstab berechnet. Am 17.10.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine neue, rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft tretende Abwassergebührensatzung, nach deren § 2 die Abwassergebühren getrennt für die auf den Grundstücken anfallende Schmutzwassermenge (Schmutzwassergebühr) und für die an den Kanal angeschlossenen gebührenrelevanten versiegelten Flächen (Niederschlagswassergebühr) erhoben werden. Die Schmutzwassergebühr beträgt gemäß § 7 Abs. 1 AbwGebS je Kubikmeter Schmutzwasser 1,86 EUR, die Niederschlagswassergebühr gemäß § 7 Abs. 3 AbwGebS je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr 0,92 EUR. Über die Entstehung und die Fälligkeit der Gebühren trifft § 11 AbwGebS folgende Regelung:
(1) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren entsteht mit dem Tag, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist.
(2) Die Gebühren werden zwei Wochen nach Bekanntgabe des Gebührenbescheides fällig. …
(3) …
Die Klägerin ist Eigentümerin des im Gebiet der Beklagten gelegenen Grundstücks Flst.Nr. ... (... ...), dessen versiegelte Fläche von der Beklagten mit 934 m 2 angenommen wird. Mit Bescheid vom 11.1.2007 setzte die Beklagte auf dieser Grundlage die für das Grundstück für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 zu bezahlenden Niederschlagswassergebühren auf 849,86 EUR fest.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 15.1.2007 Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Satzung vom 17.10.2006 sei rechtswidrig. Die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttretens verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip in Form des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Des Weiteren habe die Beklagte im Rahmen des Verfahrens zur Aufstellung der Satzung jegliche Transparenz vermissen lassen. Im Rahmen der Flächenermittlung seien erhebliche Versäumnisse unterlaufen. Die der Satzung zugrunde liegende Kalkulation der Abwassergebühren sei nicht transparent und nicht vollständig. Insbesondere dürfe es nicht zum Nachteil der Gebührenschuldner führen, dass der Eigenbetrieb Stadtentwässerung vollständig über Fremdkapital finanziert werde. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, dass die Gebührenkalkulation, die für das Jahr 2007 gefertigt worden sei, maßgebliche Aussagen für das Jahr 2006 treffen könne.
Die Beklagte wies den Widerspruch am 6.11.2007 mit der Begründung zurück, die Abwassergebührensatzung sei rechtmäßig. Die Satzung verstoße insbesondere nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Veranlagungsfläche sei ordnungsgemäß ermittelt worden. Die Stadt habe im Rahmen des ihr zustehenden Ermessensspielraums entschieden, den Entwässerungsbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm zur teilweisen Finanzierung des Anlagevermögens ein verzinsliches Trägerdarlehen zu gewähren. Das Darlehen habe damit Eigenkapital ersetzenden Charakter. Die hierauf entfallenden Zinsen stellten einen Ausgleich für die ansonsten zulässigerweise zu berücksichtigenden Eigenkapitalzinsen dar. Die Zinshöhe von 5,34 % im Jahre 2006 sei angemessen. Es entspreche der Erfahrung, dass sich die gebührenrelevante Abwassermenge gegenüber der Prognose allenfalls noch geringfügig verändere. Deshalb habe für die Jahre 2006 und 2007 von den gleichen Mengen wie für 2005 ausgegangen werden dürfen.
Die Klägerin hat am 7.12.2007 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben mit dem Antrag, die Bescheide der Beklagten vom 11.1. und 6.11.2007 aufzuheben. Zur Begründung hat sie zunächst ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, es sei bereits fraglich, ob die Beklagte die Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf den Eigenbetrieb Stadtentwässerung habe übertragen dürfen. Jedenfalls sei äußerst zweifelhaft sei, ob die Betriebskosten, die durch den Eigenbetrieb selbst verursacht würden, in die Gebührenkalkulation eingestellt werden dürften. Dadurch, dass der Eigenbetrieb Stadtentwässerung ausgegliedert und nicht mit Eigenkapital ausgestattet worden sei, seien Fremdfinanzierungskosten künstlich geschaffen worden, um den Gebührensatz höher ausgestalten zu können. Jedenfalls seien die zusätzlich geschaffenen Fremdfinanzierungskosten nicht erforderlich.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Die Einwohner seien bereits seit langer Zeit durch Informationsschreiben, umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Presseberichterstattung darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, eine gesplittete Abwassergebühr einzuführen. Sie hätten somit spätestens zum 1.1.2006 mit deren Einführung rechnen müssen. Die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen werde durch die neue Satzung nicht ungünstiger gestellt. Ein Verstoß gegen das Schlechterstellungsverbot liege somit nicht vor. Ein neu zu gründendes Unternehmen könne durch Kapital finanziert werden, das der Eigentümer dem Unternehmen zur Verfügung stelle oder das von Dritten als Kredit oder Zuschuss gegeben werde. Der Eigentümer könne dem Unternehmen neben dem Eigenkapital auch Darlehen gewähren. Dies gelte als Kreditaufnahme durch den Eigenbetrieb. Der Gebührenkalkulation liege ein durchschnittlicher kalkulatorischer Zins in Höhe von 5,4 % zugrunde, der aus den Echtzinsaufwendungen für Fremddarlehen, Kassenkrediten und Trägerdarlehen abzüglich nicht gebührenfähiger Bauzeitzinsen im Verhältnis zum Anlagevermögen ermittelt worden sei. Für die Berechnung des Straßenentwässerungskostenanteils sei auf die Globalberechnung zur Ermittlung des Abwasserbeitrags vom März 2002 zurückgegriffen worden. Für die Beschlussfassung über den Gebührensatz 2006 habe sie auf eine Gebührenkalkulation zurückgreifen dürfen, die für das Wirtschaftsjahr 2007 erstellt worden sei. § 11 Abs. 1 AbwGebS sei rechtmäßig. Da eine Gebühr erst mit der Inanspruchnahme, also der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei diese Vorschrift dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
10 
Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Gemeinderat der Beklagten am 16.12.2008 eine rückwirkend zum 1.1.2008 in Kraft tretende Änderung des § 11 AbwGebS beschlossen. § 11 Abs. 1 AbwGebS lautet in der neuen Fassung nunmehr wie folgt:
11 
Die Gebührenschuld entsteht jeweils mit dem Ende des Abrechnungszeitraums. Abrechnungszeitraum ist für die Erhebung der Gebühren der Zeitraum, für den der Wasserverbrauch zur Berechnung des Entgelts für die Wasserlieferung festgestellt wird. Für die Erhebung der Niederschlagswassergebühr gilt dies mit der Maßgabe, dass der erste Abrechnungszeitraum jedoch frühestens mit dem Tag beginnt, an dem befestigte Flächen an die Stadtentwässerungsanlagen angeschlossen sind.
12 
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 23.4.2009 die Bescheide der Beklagten vom 11.1. und 6.11.2007 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Abwassergebührensatzung der Beklagten sei für den von dem angefochtenen Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr ungültig. Die Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld gehöre nach § 2 Abs. 1 S. 2 KAG zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer Satzung, soweit sie sich - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz ergebe. Bei Gebühren, die für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben würden, sei eine eindeutige satzungsmäßige Bestimmung des Zeitintervalls, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollten, erforderlich. Eine derartige Bestimmung enthalte die Abwassergebührensatzung für den hier betroffenen Zeitraum nicht. Hinsichtlich der Niederschlagswassergebühren könne man zwar möglicherweise aus dem Maßstab Quadratmeter anrechenbarerer versiegelter Fläche/Jahr schließen, dass Erhebungszeitraum das Kalenderjahr sein solle. Eine "eindeutige" Bestimmung enthalte die Satzung jedoch auch bei einer solchen Auslegung nicht. Hinsichtlich der Schmutzwassergebühr fehle es sogar an jeglichem Anhaltspunkt für den Erhebungszeitraum. Bei der Schmutzwassergebühr komme hinzu, dass die Höhe der Gebührenschuld zu dem nach der Abwassergebührensatzung maßgeblichen Entstehungszeitpunkt nicht berechenbar sei, da in diesem Zeitpunkt nicht feststehe, welche Wassermenge dem Grundstück aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführt werde. Der von der Beklagten für das Jahr 2006 beschlossene Gebührensatz sei außerdem unwirksam, da die dem Gemeinderat bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz vorliegende Gebührenkalkulation sich auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe. Die Beklagte habe nicht darzulegen vermocht, dass die Kalkulation auch uneingeschränkt aussagekräftige Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Ohnehin habe sich das Jahr 2006 bei der Beschlussfassung bereits dem Ende zugeneigt, so dass für dieses Jahr erhebliche Teile der Ausgaben bereits festgestanden und daher nicht mehr hätten prognostiziert werden müssen. Es liege zwar nahe, dass die Abwassermengen in den Jahren 2006 und 2007 nicht erheblich voneinander abwichen. Für die in der Gebührenkalkulation zu berücksichtigenden Ausgaben und Einnahmen lasse sich das jedoch nicht ohne weiteres annehmen. Ein Vergleich der ursprünglichen Gebührenkalkulation für das Jahr 2006 und der Gebührenkalkulation für das Jahr 2007 bestätige dies. Die Kosten der Abwasserbeseitigung in der Kalkulation für das Jahr 2007 von 23.722.400 EUR dürften der Sache nach den "bereinigten Aufwendungen aus 1.9." in der Kalkulation für das Jahr 2007 von 23.355.400 EUR entsprechen. Der Unterschied zwischen den beiden Beträgen von knapp 400.000 EUR könne kaum mehr als unerheblich bezeichnet werden. Zu derselben Gebührenobergrenze im Jahr 2007 sei die Beklagte des Weiteren nur gelangt, weil sie bei der Festsetzung des Gebührensatzes eine Unterdeckung in Höhe von 782.900 EUR einkalkuliert habe. Aus § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG ergeb sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. Der Bestimmung lasse sich nicht entnehmen, dass für die Kalkulation eines Gebührensatzes für ein Jahr auf die Gebührenkalkulation für das nachfolgende Jahr zurückgegriffen werden dürfe. Es sei ferner zweifelhaft, ob die Gebührenkalkulation für das Jahr 2007 den Anforderungen genüge, die an eine ordnungsgemäße Gebührenkalkulation zu stellen seien. Eine Kalkulation nach Kostenstellen biete dem Gemeinderat möglicherweise kein ausreichendes Bild von der Ermittlung des Gebührenbedarfs. So seien bei dieser Art der Kalkulation weder die Höhe der Abschreibungen noch die Zinsbelastung aufgrund des von der Beklagten ihrem Eigenbetrieb gewährten Trägerdarlehens ausgewiesen. Würde es darauf ankommen, so wäre auch der Frage nachzugehen, ob es sich bei den aufgrund des Trägerdarlehens anfallenden Zinsen um auf die Gebührenzahler abwälzbare Kosten handele.
13 
Gegen das Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Die Beklagte macht geltend, die Satzung vom 17.10.2006 enthalte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine gültige Entstehensregelung. Da die Gebührenhöhe vorab festgelegt worden sei, könne der Gebührenschuldner bereits bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung die damit verbundene Gebühr erkennen. Die Bestimmung eines Erhebungszeitraums sei dafür nicht erforderlich. Von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls sei abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben würden, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Satzung werde deutlich, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Entwässerung und (kumulativ) mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe. Der für das Jahr 2006 beschlossene Gebührensatz sei wirksam. Die für das Jahr 2007 erstellte Gebührenkalkulation sei nur herangezogen worden, um die Aufteilung der Gebühren in Schmutzwasser- und Niederschlagswassergebühren vornehmen zu können. Der Gemeinderat habe zuvor für das Jahr 2006 unter Berücksichtigung der restlichen Überdeckung aus dem Jahr 2002 und einem Anteil der Unterdeckung aus 2004 einen Gebührensatz von 2,72 EUR/m 3 festgesetzt. Er sei dabei von einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m 3 und gebührenfähigen Gesamtkosten von 17.067.100 EUR ausgegangen, woraus sich eine zulässige Gebührenobergrenze von 2,79 EUR/m 3 ergeben habe. Bei der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr sei das sich aus dem beschlossenen Gebührensatz ergebende Gebührenaufkommen auf eine Schmutzwassergebühr von 1,86 EUR/m³ und eine Regenwassergebühr von 0,92 EUR/m² aufgeteilt worden. Aus welchen Gründen die von dem Verwaltungsgericht geforderte getrennte Ausweisung der Abschreibungen in der Gebührenkalkulation erforderlich sei, sei nicht ersichtlich. Die Gebührenkalkulation wähle einen anderen Ansatz, indem sie an einzelne "Kostenverursacher" anknüpfe. Dem Gemeinderat sei bewusst gewesen, dass in den einzelnen Beträgen Abschreibungen enthalten seien. Eine darüber hinausgehende Ausweisung sei nicht erforderlich. Im Übrigen hätten die auf S. 4 der Gebührenkalkulation genannten Anlagen dem Gemeinderat zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung gestanden. Der vereinbarte Zinssatz für das Trägerdarlehen von 6 % orientiere sich an der Zinsbelastung des städtischen Haushalts seit 1986 und bilde die durchschnittliche Zinsbelastung ab.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. April 2009 - 2 K 4176/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Die Klägerin beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten der Beklagten sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Gebührenbescheid zu Recht aufgehoben. Die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende und diesen stützenden Abwassergebührensatzung der Beklagten ist für den von dem Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr unwirksam (unten 1). Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt (unten 2).
21 
1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die - rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft getretene - Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, enthält diese Satzung keine ausreichende Regelung über die Entstehung der Gebühr und ist daher nichtig. Die am 16.12.2008 beschlossene Änderung der Satzung bleibt dabei außer Betracht, da die Änderung nach dem Willen der Beklagten erst am 1.1.2008 in Kraft treten soll und sich deshalb für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum (1.1. bis 27.12.2006) keine Gültigkeit beimisst.
22 
a) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 170 AO). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 30.11.2000 - 2 S 2061/98 - BWGZ 2001, 269) muss sich deshalb beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung aus der Abgabensatzung mit hinreichender Klarheit ergeben, zu welchem Zeitpunkt die Abgabenschuld nach dem Willen des Satzungsgebers entstehen soll.
23 
An dieser Auffassung ist auch nach der Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG durch das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005 festzuhalten. Die Vorschrift legt auch in ihrer Neufassung den unverzichtbaren Mindestinhalt einer Abgabensatzung fest. Der Umstand, dass der Gesetzgeber das von der Vorschrift bisher verwendete Wort "muss" durch ein "soll" ersetzt hat, ändert daran nichts. Die Änderung hat ihren Grund in der Einbeziehung des Erschließungsbeitragsrechts in das Kommunalabgabengesetz (vgl. LT-Drs. 13/3966, S. 40) und erklärt sich dadurch, dass in der auch für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen erforderlichen Satzung wegen der völlig unterschiedlichen Kosten der einzelnen Erschließungsanlagen ein Abgabensatz nicht bestimmt werden kann. Für den Erlass von Benutzungsgebührensatzungen ergeben sich aus der geänderten Fassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG keine Konsequenzen. Das "soll" in dieser Vorschrift ist vielmehr in diesen Fällen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage weiterhin wie ein "muss" zu lesen.
24 
b) Den sich aus § 2 Abs. 1 S. 2 KAG ergebenden Anforderungen wird mit der Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006 nicht entsprochen.
25 
Entstehung und Fälligkeit der Gebührenschuld werden in § 11 AbwGebS geregelt. In seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmte Abs. 1 dieser Vorschrift, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren mit dem Tag entsteht, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist. Diese Regelung ist, wie auch die Beklagte einräumt, unvollständig. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können Benutzungsgebühren nur für die (tatsächliche) Benutzung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden, da erst dadurch das für eine solche Gebühr eigentümliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet wird. Die bloße Möglichkeit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder der Umstand, dass durch die Einrichtung Vorteile geboten werden, reichen danach zur Gebührenerhebung nicht aus. Von der Beklagten wird dementsprechend vorgebracht, § 11 Abs. 1 AbwGebS bestimme, dass die Gebührenschuld frühestens mit dem Tag entstehe, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt sei. Da eine Gebühr aber erst mit der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei § 11 Abs. 1 AbwGebS dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
26 
Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 11 Abs. 1 AbwGebS wird von dem Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in der Vorschrift allein genannten betriebsfähigen Herstellung des Anschlusses an die Entwässerung nur der frühestens mögliche Zeitpunkt für das Entstehen der Gebührenpflicht beschrieben wird und es im Übrigen für das Entstehen der Gebührenpflicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen ankommen soll, sind weder der Vorschrift selbst noch anderen Bestimmungen der Satzung zu entnehmen. Davon abgesehen bliebe auch bei einem solchen Verständnis der Vorschrift offen, für welchen Zeitraum durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung die Gebührenpflicht entstehen soll. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 - KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 - Juris; Lohmann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 661; Driehaus, aaO, § 2 Rn. 92).
27 
Eine solche Festlegung lässt sich der Satzung der Beklagten weder für die Schmutzwasser- noch für die Niederschlagswassergebühr entnehmen. Zwar heißt es in § 7 Abs. 3 AbwGebS, dass die Niederschlagswassergebühr 0,92 EUR je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr betrage. In § 4 Abs. 1 S. 4 AbwGebS ist ferner von einer "jährlichen" Niederschlagswassergebühr die Rede. Die Satzung könnte im Hinblick hierauf dahin verstanden werden, dass Erhebungszeitraum für die Niederschlagswassergebühr das Kalenderjahr sein und die Pflicht zur Bezahlung dieser Gebühr mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahrs entstehen soll, worauf auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zu sprechen gekommen ist. Gegen ein solches Verständnis der Satzung spricht jedoch zum einen die Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 AbwGebS, wonach "die Gebühren" - also sowohl die Schmutzwasser- als auch die Niederschlagswassergebühr - in der Regel zusammen mit den Frischwasserentgelten, berechnet und erhoben werden, und zum anderen die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 AbwGebS, nach der Abschlagszahlungen (auch) auf die Niederschlagswassergebühr verlangt werden können, wenn "die Gebühr für mehrere Monate abgerechnet" wird. Die Höhe der Abschlagszahlungen wird nach § 10 Abs. 1 S. 2 AbwGebS anteilig berechnet entsprechend den anrechenbaren versiegelten Grundstücksflächen "im zuletzt abgerechneten Zeitraum". Diese Regelungen deuten darauf hin, dass die Beklagte sich auch bei der Erhebung der Niederschlagswassergebühren vorbehalten will, den Abrechnungszeitraum von Fall zu Fall zu bestimmen, was sich mit einer Regelung, die das Entstehen der Gebührenpflicht an das Ende des jeweiligen Kalenderjahrs knüpft, nicht verträgt.
28 
Wie die Berufungsbegründung zeigt, ist auch die Beklagte selbst der Meinung, dass in ihrer Satzung kein Erhebungszeitraum festgelegt sei. Nach den dazu gegebenen Erklärungen ist von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls vielmehr bewusst abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben werden sollten, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Die Beklagte hat dementsprechend die Klägerin nicht zu einer Niederschlagswassergebühr für das gesamte Jahr 2006, sondern nur für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 herangezogen.
29 
2. Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den sich aus § 14 Abs. 3 KAG ergebenden Anforderungen genügt.
30 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urt. v. 4.7.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540; NK-Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - NVwZ-RR 1996, 593) hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan die Höhe des Gebührensatzes innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation zu beschließen, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze der öffentlichen Einrichtung hervorgehen muss. Da weder § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch § 78 Abs. 2 GemO die Gemeinde verpflichten, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten durch Gebühren anzustreben, hat der Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz im Wege einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, welche gebührenfähigen Kosten in die Gebührenkalkulation eingestellt werden sollen. Außerdem ist ihm bei der Ermittlung der in den Gebührensatz einzustellenden Kostenfaktoren überall dort ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wo sich diese Kosten nicht rein rechnerisch, sondern nur im Wege von Schätzungen oder finanzpolitischen Bewertungen ermitteln lassen. Die Gebührenkalkulation dient somit nicht nur als Kontrollinstrument zur Überprüfung des letztlich beschlossenen Gebührensatzes, sondern auch dem Nachweis dafür, dass der Ortsgesetzgeber als Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Kostenermittlung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Ist dem Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies - vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG - die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge.
31 
a) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossene Gebührensatz für das Jahr 2006 sei ungültig, da sich die der Beschlussfassung am 17.10.2006 zugrunde liegende Gebührenkalkulation auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe und nicht ersichtlich sei, dass diese Kalkulation auch uneingeschränkt verwertbare Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Dem vermag der Senat auf der Grundlage der ihm zugänglichen Informationen nicht zu folgen.
32 
Der Vorlage zu der Sitzung des Gemeinderats vom 17.10.2006 lag eine von dem Büro ... ... gefertigte Gebührenkalkulation für das "Wirtschaftsjahr 2007" bei. Die Gebührenkalkulation geht von einer im Jahr 2007 zu erwartenden Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ aus. Die "ansatzfähigen Kosten der Abwasserbeseitigung" werden für das gleiche Jahr - ohne die auf die Straßenflächen entfallenden Kosten - mit 17.374.902,03 EUR veranschlagt, von denen 11.794.509,49 EUR der Schmutzwasserbeseitigung und 5.580.392,54 EUR der Niederschlagswasserbeseitigung zugeordnet werden. Die Beklagte ist der Meinung, dass diese Zahlen wegen der hinreichend gleichen abwassertechnischen Verhältnisse nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könnten. Das ist nicht zu beanstanden. Die Prognose einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ auch für das Jahr 2006 steht in Übereinstimmung mit der für das gleiche Jahr vorgenommenen Prognose in der früheren Kalkulation, die der Satzung vom 13.12.2005 zugrunde lag, und bewegt sich im Rahmen der im Wirtschaftsplan des ESP für das Jahr 2006 genannten tatsächlichen Verbrauchsmengen, die in den Jahren 2002 bis 2005 zu verzeichnen waren. Die Prognose ist danach nicht zu bemängeln. Die in der Gebührenkalkulation ferner vorgenommene Kostenschätzung beruht auf einem "Kostenstellenbericht" vom 27.7.2006, der auf der Grundlage der bis dahin bekannten Zahlen eine Zusammenstellung der in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.2007 zu erwartenden Kosten enthält. Gegen die Annahme der Beklagten, dass auch diese Schätzung nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könne, bestehen im Hinblick auf diese Grundlage der Schätzung ebenfalls keine Bedenken. Ihre Richtigkeit wird zudem dadurch bestätigt, dass nach der Darstellung der Beklagten die in den Jahren 2006 und 2007 tatsächlich entstandenen Kosten einander nahezu entsprochen haben. Dieser Darstellung ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
33 
b) Die dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegende Gebührenkalkulation ist jedoch deshalb als mangelhaft zu erachten, weil sie keinen Aufschluss über die Höhe der einzelnen Kostenarten gibt, aus denen sich die in die Kalkulation eingestellten Gesamtkosten zusammensetzen.
34 
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen die Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen insgesamt ansatzfähigen Kosten (Gesamtkosten) der Einrichtung gedeckt werden. Die Betriebswirtschaftslehre kennt als Unterfall der Kostenrechnung die Kostenartenrechnung, die der systematischen Erfassung aller bei der Leistungserstellung entstehenden Kosten dient. Nach der Art der verbrauchten Produktionsfaktoren wird dabei zwischen Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen, Zinsen, Kosten für Dienstleistungen Dritter sowie Kosten für Steuern, Gebühren und Beiträge unterschieden (Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., S. 1254 ff). Eine derartige Aufschlüsselung hat auch in der Gebührenkalkulation zu erfolgen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 42).
35 
Die Gebührenkalkulation hat die Aufgabe, die tatsächlichen Grundlagen für die rechtssatzmäßige Festsetzung des Gebührensatzes zur Verfügung zu stellen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss sie für den kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.2.2004 - 12 A 10826/03.OVG - Juris). Auf eine Aufschlüsselung der in die Kalkulation eingestellten Kosten nach den einzelnen Kostenarten kann danach nicht verzichtet werden. Das hat jedenfalls für die gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KAG zu den Kosten nach Absatz 1 Satz 1 gehörenden kalkulatorischen Kosten in Form einer angemessenen Verzinsung des Anlagekapitals sowie angemessener Abschreibungen zu gelten, über deren Höhe der Gemeinderat in den mit dem Begriff der Angemessenheit gezogenen rechtlichen Grenzen nach seinem Ermessen zu entscheiden hat.
36 
Dieser Forderung wird mit der dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegenden Gebührenkalkulation nicht genügt. Die in der Kalkulation genannten ansatzfähigen Gesamtkosten ergeben sich aus einer Addition der zuvor unter der Überschrift "eigentlicher Betriebsaufwand" aufgeführten Beträge, die einzelnen "Kostenstellen" der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung zugeordnet werden. Nach den von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen setzen sich diese Beträge aus den verschiedenen Kosten in Form von Personalkosten, Materialkosten, Kapitalkosten etc. zusammen, von denen den einzelnen Kostenstellen jeweils ein bestimmter Anteil zugewiesen wird. Wie diese Beträge sich im Einzelnen errechnen, geht jedoch aus der Kalkulation selbst nicht hervor. Über die Höhe der einzelnen Kostenarten, aus denen sich die angenommenen Gesamtkosten zusammensetzen, gibt die Kalkulation dementsprechend keinen Aufschluss.
37 
3. Ob die Satzung der Beklagten darüber hinaus an weiteren zu ihrer Nichtigkeit führenden Mängeln leidet, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die von der Beklagten genannte große Zahl weiterer Verfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit der Satzung gestritten wird, sowie die Möglichkeit, die aufgezeigten Fehler durch den Erlass einer neuen Gebührensatzung zu beheben, sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden Hinweisen veranlasst:
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob es sich bei den Zinsen, die der Eigenbetrieb aufgrund des ihm von der Beklagten gewährten Trägerdarlehens zu bezahlen hat, um betriebsbedingte Kosten handelt. Diese Bedenken dürften jedenfalls im Grundsatz unbegründet sein.
39 
Die Beklagte hat bei der im Jahre 2004 erfolgten Gründung des Eigenbetriebs Stadtentwässerung beschlossen, den Eigenbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm stattdessen ein - mit 6 % zu verzinsendes - Trägerdarlehen zu gewähren. Dieses Vorgehen dürfte nur bilanztechnische Gründe haben, aber keine Auswirkungen auf die Höhe der ansatzfähigen Gesamtkosten haben. Nach der bereits erwähnten Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KAG gehört zu den ansatzfähigen Gesamtkosten die "angemessene Verzinsung des Anlagekapitals", d. h. eine angemessene Verzinsung der um Beiträge, Zuweisungen und Zuschüsse Dritter gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der Abschreibungen (vgl. § 14 Abs. 3 S. 2 KAG). Zinsbasis ist damit das in der Anlage noch gebundene Kapital, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert worden sind. Die Gewährung eines Eigenkapital ersetzenden Trägerdarlehens hat daher nicht, wie die Klägerin argwöhnt, das Produzieren "künstlicher" Kosten zur Folge.
40 
b) In der Gebührenkalkulation werden auf der Grundlage einer zu erwartenden Abwassermenge von jeweils 6,1 Mio. m³ und zu erwartenden Kosten von jeweils 17.374.902 EUR sowohl für das Jahr 2006 als auch für das Jahr 2007 kostendeckende Gebührensätze von 1,93 EUR/m 3 (Schmutzwassergebühr) und 0,99 EUR/m 2 (Niederschlagswassergebühr) errechnet (S.10). Im Hinblick auf das vorgegebene Ziel, dass die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr nicht zu einer Ausweitung des sich aus dem zuvor beschlossenen Gebührensatz ergebenden Gebühreneinnahmenvolumens führen solle, hat der Gemeinderat der Beklagten jedoch um 0,07 EUR/m 3 bzw. 0,07 EUR/m 2 niedrigere Gebührensätze beschlossen und damit - sowohl für 2006 als auch für 2007 - eine Unterdeckung von jeweils 782.900 EUR in Kauf genommen.
41 
Diese Entscheidung ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da sich - wie bereits angesprochen - weder aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch aus § 78 Abs. 2 GemO eine Verpflichtung der Gemeinde ergibt, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten anzustreben. Nach Ziff. 2 des Beschlussvorschlags in der Sitzungsvorlage hatte der Gemeinderat der Beklagten jedoch die Vorstellung, dass die einkalkulierte Unterdeckung "mit künftigen Überdeckungen zu verrechnen oder in (künftige) Gebührenkalkulationen einzustellen sein" werde, d.h. in den folgenden Jahren ausgeglichen werden könne und auch tatsächlich ausgeglichen werden solle. Diese Vorstellung ist irrig, da Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat, in den Folgejahren nicht ausgeglichen werden können.
42 
Nach dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit dürfen die Gebührenpflichtigen nur mit Kosten belastet werden, die den Nutzungen der jeweiligen Rechnungsperiode entsprechen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 92 ff). § 14 Abs. 2 S. 2 KAG enthält eine Durchbrechung dieses Grundsatzes. In Fällen, in denen am Ende eines Kalkulationszeitraums das Gebührenaufkommen hinter den ansatzfähigen Gesamtkosten zurückbleibt, ist es den Gemeinden danach gestattet, die auf diese Weise entstandene Kostenunterdeckung innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Diesem Recht steht die sich ebenfalls aus § 14 Abs. 2 S. 2 Halbsatz KAG ergebende Verpflichtung gegenüber, Kostenüberdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums auszugleichen. Die Regelung berücksichtigt, dass die tatsächlichen Kosten, Erlöse und Mengen von den prognostisch ermittelten und der Kalkulation zugrunde gelegten Werten abweichen können und in aller Regel auch tatsächlich abweichen. § 14 Abs. 2 S. 2 KAG soll deshalb gewährleisten, dass das zunächst auf den jeweiligen Kalkulations- oder Bemessungszeitraum begrenzte Kostendeckungsprinzip auf mittlere Frist gesehen tatsächlich realisiert wird bzw. - soweit es um den Ausgleich von Kostenunterdeckungen geht - realisiert werden kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2008 - 2 S 2559/05 - VBlBW 2008, 350). Ausgeglichen werden können danach aber nur Kostenunterdeckungen, die sich erst am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, nicht aber Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Quaas, NVwZ 2007, 757; Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 104)
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
44 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 849,86 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
47 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Gebührenbescheid zu Recht aufgehoben. Die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende und diesen stützenden Abwassergebührensatzung der Beklagten ist für den von dem Bescheid betroffenen Zeitraum mangels einer gültigen Regelung über die Entstehung der Gebühr unwirksam (unten 1). Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt (unten 2).
21 
1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die - rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft getretene - Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, enthält diese Satzung keine ausreichende Regelung über die Entstehung der Gebühr und ist daher nichtig. Die am 16.12.2008 beschlossene Änderung der Satzung bleibt dabei außer Betracht, da die Änderung nach dem Willen der Beklagten erst am 1.1.2008 in Kraft treten soll und sich deshalb für den von dem angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum (1.1. bis 27.12.2006) keine Gültigkeit beimisst.
22 
a) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen Gebühren für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie andere Kommunalabgaben nur auf Grund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Zum unverzichtbaren Mindestinhalt einer solchen Satzung gehört gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 KAG eine Regelung über die Entstehung der Abgabenschuld, soweit sich diese Rechtsfolge - wie im Falle von Abwassergebühren - nicht schon aus dem Gesetz herleiten lässt. Mit der Entstehung der Abgabenschuld kann die Abgabenforderung beim Abgabenpflichtigen geltend gemacht werden, sofern gesetzlich kein späterer Zeitpunkt für die Fälligkeit festgesetzt ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG in Verbindung mit § 220 Abs. 2 AO). Mit der Entstehung der Abgabenschuld beginnt außerdem die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG in Verbindung mit § 170 AO). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 30.11.2000 - 2 S 2061/98 - BWGZ 2001, 269) muss sich deshalb beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung aus der Abgabensatzung mit hinreichender Klarheit ergeben, zu welchem Zeitpunkt die Abgabenschuld nach dem Willen des Satzungsgebers entstehen soll.
23 
An dieser Auffassung ist auch nach der Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG durch das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.3.2005 festzuhalten. Die Vorschrift legt auch in ihrer Neufassung den unverzichtbaren Mindestinhalt einer Abgabensatzung fest. Der Umstand, dass der Gesetzgeber das von der Vorschrift bisher verwendete Wort "muss" durch ein "soll" ersetzt hat, ändert daran nichts. Die Änderung hat ihren Grund in der Einbeziehung des Erschließungsbeitragsrechts in das Kommunalabgabengesetz (vgl. LT-Drs. 13/3966, S. 40) und erklärt sich dadurch, dass in der auch für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen erforderlichen Satzung wegen der völlig unterschiedlichen Kosten der einzelnen Erschließungsanlagen ein Abgabensatz nicht bestimmt werden kann. Für den Erlass von Benutzungsgebührensatzungen ergeben sich aus der geänderten Fassung des § 2 Abs. 1 S. 2 KAG keine Konsequenzen. Das "soll" in dieser Vorschrift ist vielmehr in diesen Fällen in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage weiterhin wie ein "muss" zu lesen.
24 
b) Den sich aus § 2 Abs. 1 S. 2 KAG ergebenden Anforderungen wird mit der Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17.10.2006 nicht entsprochen.
25 
Entstehung und Fälligkeit der Gebührenschuld werden in § 11 AbwGebS geregelt. In seiner bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmte Abs. 1 dieser Vorschrift, dass die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren mit dem Tag entsteht, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt ist. Diese Regelung ist, wie auch die Beklagte einräumt, unvollständig. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 KAG können Benutzungsgebühren nur für die (tatsächliche) Benutzung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden, da erst dadurch das für eine solche Gebühr eigentümliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründet wird. Die bloße Möglichkeit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder der Umstand, dass durch die Einrichtung Vorteile geboten werden, reichen danach zur Gebührenerhebung nicht aus. Von der Beklagten wird dementsprechend vorgebracht, § 11 Abs. 1 AbwGebS bestimme, dass die Gebührenschuld frühestens mit dem Tag entstehe, an dem der Anschluss an die Stadtentwässerung betriebsfähig hergestellt sei. Da eine Gebühr aber erst mit der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen entstehen könne, sei § 11 Abs. 1 AbwGebS dahin zu verstehen, dass die Gebührenschuld mit dem Anschluss an die Stadtentwässerung und - kumulativ - mit der Benutzung der Abwasseranlage entstehe.
26 
Die von der Beklagten für richtig gehaltene Auslegung des § 11 Abs. 1 AbwGebS wird von dem Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Anhaltspunkte dafür, dass mit der in der Vorschrift allein genannten betriebsfähigen Herstellung des Anschlusses an die Entwässerung nur der frühestens mögliche Zeitpunkt für das Entstehen der Gebührenpflicht beschrieben wird und es im Übrigen für das Entstehen der Gebührenpflicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen ankommen soll, sind weder der Vorschrift selbst noch anderen Bestimmungen der Satzung zu entnehmen. Davon abgesehen bliebe auch bei einem solchen Verständnis der Vorschrift offen, für welchen Zeitraum durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung die Gebührenpflicht entstehen soll. Bei Gebühren, die - wie Abwassergebühren - nicht für eine nur einmalige Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, ist die Festlegung des Zeitintervalls erforderlich, für welches die Gebühren jeweils anfallen sollen, da nur so die Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung exakt angewendet werden können. Werden Gebühren für die laufende Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben, muss deshalb die Satzung festlegen, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitraum die Gebühr als entstanden gelten soll (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 - KStZ 2000, 12; HessVGH, Beschl. v. 28.8.1986 - 5 TH 1870/86 - Juris; Lohmann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 661; Driehaus, aaO, § 2 Rn. 92).
27 
Eine solche Festlegung lässt sich der Satzung der Beklagten weder für die Schmutzwasser- noch für die Niederschlagswassergebühr entnehmen. Zwar heißt es in § 7 Abs. 3 AbwGebS, dass die Niederschlagswassergebühr 0,92 EUR je Quadratmeter anrechenbarer versiegelter Grundstücksfläche und Jahr betrage. In § 4 Abs. 1 S. 4 AbwGebS ist ferner von einer "jährlichen" Niederschlagswassergebühr die Rede. Die Satzung könnte im Hinblick hierauf dahin verstanden werden, dass Erhebungszeitraum für die Niederschlagswassergebühr das Kalenderjahr sein und die Pflicht zur Bezahlung dieser Gebühr mit dem Ende des jeweiligen Kalenderjahrs entstehen soll, worauf auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zu sprechen gekommen ist. Gegen ein solches Verständnis der Satzung spricht jedoch zum einen die Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 AbwGebS, wonach "die Gebühren" - also sowohl die Schmutzwasser- als auch die Niederschlagswassergebühr - in der Regel zusammen mit den Frischwasserentgelten, berechnet und erhoben werden, und zum anderen die Regelung in § 10 Abs. 1 S. 1 AbwGebS, nach der Abschlagszahlungen (auch) auf die Niederschlagswassergebühr verlangt werden können, wenn "die Gebühr für mehrere Monate abgerechnet" wird. Die Höhe der Abschlagszahlungen wird nach § 10 Abs. 1 S. 2 AbwGebS anteilig berechnet entsprechend den anrechenbaren versiegelten Grundstücksflächen "im zuletzt abgerechneten Zeitraum". Diese Regelungen deuten darauf hin, dass die Beklagte sich auch bei der Erhebung der Niederschlagswassergebühren vorbehalten will, den Abrechnungszeitraum von Fall zu Fall zu bestimmen, was sich mit einer Regelung, die das Entstehen der Gebührenpflicht an das Ende des jeweiligen Kalenderjahrs knüpft, nicht verträgt.
28 
Wie die Berufungsbegründung zeigt, ist auch die Beklagte selbst der Meinung, dass in ihrer Satzung kein Erhebungszeitraum festgelegt sei. Nach den dazu gegebenen Erklärungen ist von der Festlegung eines konkreten Zeitintervalls vielmehr bewusst abgesehen worden, da die Gebühren nach einem "rollierenden System" erhoben werden sollten, bei dem laufend Ablesungen vorgenommen und Gebührenbescheide erstellt würden. Die Beklagte hat dementsprechend die Klägerin nicht zu einer Niederschlagswassergebühr für das gesamte Jahr 2006, sondern nur für den Zeitraum 1.1. bis 27.12.2006 herangezogen.
29 
2. Die Satzung der Beklagten ist unabhängig davon auch deshalb nichtig, weil die ihr zugrunde liegende Gebührenkalkulation nicht den sich aus § 14 Abs. 3 KAG ergebenden Anforderungen genügt.
30 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urt. v. 4.7.1996 - 2 S 1478/94 - BWGZ 1997, 540; NK-Beschl. v. 27.2.1996 - 2 S 1407/94 - NVwZ-RR 1996, 593) hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtssetzungsorgan die Höhe des Gebührensatzes innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation zu beschließen, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze der öffentlichen Einrichtung hervorgehen muss. Da weder § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch § 78 Abs. 2 GemO die Gemeinde verpflichten, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten durch Gebühren anzustreben, hat der Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz im Wege einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, welche gebührenfähigen Kosten in die Gebührenkalkulation eingestellt werden sollen. Außerdem ist ihm bei der Ermittlung der in den Gebührensatz einzustellenden Kostenfaktoren überall dort ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wo sich diese Kosten nicht rein rechnerisch, sondern nur im Wege von Schätzungen oder finanzpolitischen Bewertungen ermitteln lassen. Die Gebührenkalkulation dient somit nicht nur als Kontrollinstrument zur Überprüfung des letztlich beschlossenen Gebührensatzes, sondern auch dem Nachweis dafür, dass der Ortsgesetzgeber als Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Kostenermittlung eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Ist dem Gemeinderat vor oder bei der Beschlussfassung über den Gebührensatz eine Gebührenkalkulation nicht zur Billigung unterbreitet worden oder ist die unterbreitete Gebührenkalkulation in einem für die Gebührensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies - vorbehaltlich des § 2 Abs. 2 S. 1 KAG - die Ungültigkeit des Gebührensatzes zur Folge.
31 
a) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht angenommen, der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossene Gebührensatz für das Jahr 2006 sei ungültig, da sich die der Beschlussfassung am 17.10.2006 zugrunde liegende Gebührenkalkulation auf das Wirtschaftsjahr 2007 bezogen habe und nicht ersichtlich sei, dass diese Kalkulation auch uneingeschränkt verwertbare Aussagen für das Jahr 2006 treffe. Dem vermag der Senat auf der Grundlage der ihm zugänglichen Informationen nicht zu folgen.
32 
Der Vorlage zu der Sitzung des Gemeinderats vom 17.10.2006 lag eine von dem Büro ... ... gefertigte Gebührenkalkulation für das "Wirtschaftsjahr 2007" bei. Die Gebührenkalkulation geht von einer im Jahr 2007 zu erwartenden Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ aus. Die "ansatzfähigen Kosten der Abwasserbeseitigung" werden für das gleiche Jahr - ohne die auf die Straßenflächen entfallenden Kosten - mit 17.374.902,03 EUR veranschlagt, von denen 11.794.509,49 EUR der Schmutzwasserbeseitigung und 5.580.392,54 EUR der Niederschlagswasserbeseitigung zugeordnet werden. Die Beklagte ist der Meinung, dass diese Zahlen wegen der hinreichend gleichen abwassertechnischen Verhältnisse nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könnten. Das ist nicht zu beanstanden. Die Prognose einer Abwassermenge von 6,1 Mio. m³ auch für das Jahr 2006 steht in Übereinstimmung mit der für das gleiche Jahr vorgenommenen Prognose in der früheren Kalkulation, die der Satzung vom 13.12.2005 zugrunde lag, und bewegt sich im Rahmen der im Wirtschaftsplan des ESP für das Jahr 2006 genannten tatsächlichen Verbrauchsmengen, die in den Jahren 2002 bis 2005 zu verzeichnen waren. Die Prognose ist danach nicht zu bemängeln. Die in der Gebührenkalkulation ferner vorgenommene Kostenschätzung beruht auf einem "Kostenstellenbericht" vom 27.7.2006, der auf der Grundlage der bis dahin bekannten Zahlen eine Zusammenstellung der in der Zeit vom 1.1. bis 31.12.2007 zu erwartenden Kosten enthält. Gegen die Annahme der Beklagten, dass auch diese Schätzung nicht nur für 2007, sondern auch für 2006 Gültigkeit beanspruchen könne, bestehen im Hinblick auf diese Grundlage der Schätzung ebenfalls keine Bedenken. Ihre Richtigkeit wird zudem dadurch bestätigt, dass nach der Darstellung der Beklagten die in den Jahren 2006 und 2007 tatsächlich entstandenen Kosten einander nahezu entsprochen haben. Dieser Darstellung ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
33 
b) Die dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegende Gebührenkalkulation ist jedoch deshalb als mangelhaft zu erachten, weil sie keinen Aufschluss über die Höhe der einzelnen Kostenarten gibt, aus denen sich die in die Kalkulation eingestellten Gesamtkosten zusammensetzen.
34 
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 KAG dürfen die Gebühren höchstens so bemessen werden, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen insgesamt ansatzfähigen Kosten (Gesamtkosten) der Einrichtung gedeckt werden. Die Betriebswirtschaftslehre kennt als Unterfall der Kostenrechnung die Kostenartenrechnung, die der systematischen Erfassung aller bei der Leistungserstellung entstehenden Kosten dient. Nach der Art der verbrauchten Produktionsfaktoren wird dabei zwischen Personalkosten, Materialkosten, Abschreibungen, Zinsen, Kosten für Dienstleistungen Dritter sowie Kosten für Steuern, Gebühren und Beiträge unterschieden (Wöhe, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 19. Aufl., S. 1254 ff). Eine derartige Aufschlüsselung hat auch in der Gebührenkalkulation zu erfolgen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 42).
35 
Die Gebührenkalkulation hat die Aufgabe, die tatsächlichen Grundlagen für die rechtssatzmäßige Festsetzung des Gebührensatzes zur Verfügung zu stellen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss sie für den kundigen, mit dem Sachverhalt vertrauten kommunalen Mandatsträger transparent, verständlich, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.2.2004 - 12 A 10826/03.OVG - Juris). Auf eine Aufschlüsselung der in die Kalkulation eingestellten Kosten nach den einzelnen Kostenarten kann danach nicht verzichtet werden. Das hat jedenfalls für die gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KAG zu den Kosten nach Absatz 1 Satz 1 gehörenden kalkulatorischen Kosten in Form einer angemessenen Verzinsung des Anlagekapitals sowie angemessener Abschreibungen zu gelten, über deren Höhe der Gemeinderat in den mit dem Begriff der Angemessenheit gezogenen rechtlichen Grenzen nach seinem Ermessen zu entscheiden hat.
36 
Dieser Forderung wird mit der dem am 17.10.2006 gefassten Satzungsbeschluss zugrunde liegenden Gebührenkalkulation nicht genügt. Die in der Kalkulation genannten ansatzfähigen Gesamtkosten ergeben sich aus einer Addition der zuvor unter der Überschrift "eigentlicher Betriebsaufwand" aufgeführten Beträge, die einzelnen "Kostenstellen" der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Einrichtung zugeordnet werden. Nach den von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gegebenen Erläuterungen setzen sich diese Beträge aus den verschiedenen Kosten in Form von Personalkosten, Materialkosten, Kapitalkosten etc. zusammen, von denen den einzelnen Kostenstellen jeweils ein bestimmter Anteil zugewiesen wird. Wie diese Beträge sich im Einzelnen errechnen, geht jedoch aus der Kalkulation selbst nicht hervor. Über die Höhe der einzelnen Kostenarten, aus denen sich die angenommenen Gesamtkosten zusammensetzen, gibt die Kalkulation dementsprechend keinen Aufschluss.
37 
3. Ob die Satzung der Beklagten darüber hinaus an weiteren zu ihrer Nichtigkeit führenden Mängeln leidet, bedarf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die von der Beklagten genannte große Zahl weiterer Verfahren, in denen über die Rechtmäßigkeit der Satzung gestritten wird, sowie die Möglichkeit, die aufgezeigten Fehler durch den Erlass einer neuen Gebührensatzung zu beheben, sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden Hinweisen veranlasst:
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat es als zweifelhaft bezeichnet, ob es sich bei den Zinsen, die der Eigenbetrieb aufgrund des ihm von der Beklagten gewährten Trägerdarlehens zu bezahlen hat, um betriebsbedingte Kosten handelt. Diese Bedenken dürften jedenfalls im Grundsatz unbegründet sein.
39 
Die Beklagte hat bei der im Jahre 2004 erfolgten Gründung des Eigenbetriebs Stadtentwässerung beschlossen, den Eigenbetrieb nicht mit Eigenkapital auszustatten, sondern ihm stattdessen ein - mit 6 % zu verzinsendes - Trägerdarlehen zu gewähren. Dieses Vorgehen dürfte nur bilanztechnische Gründe haben, aber keine Auswirkungen auf die Höhe der ansatzfähigen Gesamtkosten haben. Nach der bereits erwähnten Regelung in § 14 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 KAG gehört zu den ansatzfähigen Gesamtkosten die "angemessene Verzinsung des Anlagekapitals", d. h. eine angemessene Verzinsung der um Beiträge, Zuweisungen und Zuschüsse Dritter gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der Abschreibungen (vgl. § 14 Abs. 3 S. 2 KAG). Zinsbasis ist damit das in der Anlage noch gebundene Kapital, ohne dass es darauf ankommt, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit Eigen- oder Fremdmitteln finanziert worden sind. Die Gewährung eines Eigenkapital ersetzenden Trägerdarlehens hat daher nicht, wie die Klägerin argwöhnt, das Produzieren "künstlicher" Kosten zur Folge.
40 
b) In der Gebührenkalkulation werden auf der Grundlage einer zu erwartenden Abwassermenge von jeweils 6,1 Mio. m³ und zu erwartenden Kosten von jeweils 17.374.902 EUR sowohl für das Jahr 2006 als auch für das Jahr 2007 kostendeckende Gebührensätze von 1,93 EUR/m 3 (Schmutzwassergebühr) und 0,99 EUR/m 2 (Niederschlagswassergebühr) errechnet (S.10). Im Hinblick auf das vorgegebene Ziel, dass die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr nicht zu einer Ausweitung des sich aus dem zuvor beschlossenen Gebührensatz ergebenden Gebühreneinnahmenvolumens führen solle, hat der Gemeinderat der Beklagten jedoch um 0,07 EUR/m 3 bzw. 0,07 EUR/m 2 niedrigere Gebührensätze beschlossen und damit - sowohl für 2006 als auch für 2007 - eine Unterdeckung von jeweils 782.900 EUR in Kauf genommen.
41 
Diese Entscheidung ist für sich genommen nicht zu beanstanden, da sich - wie bereits angesprochen - weder aus § 14 Abs. 1 S. 1 KAG noch aus § 78 Abs. 2 GemO eine Verpflichtung der Gemeinde ergibt, bei ihren öffentlichen Einrichtungen eine vollständige Deckung der Kosten anzustreben. Nach Ziff. 2 des Beschlussvorschlags in der Sitzungsvorlage hatte der Gemeinderat der Beklagten jedoch die Vorstellung, dass die einkalkulierte Unterdeckung "mit künftigen Überdeckungen zu verrechnen oder in (künftige) Gebührenkalkulationen einzustellen sein" werde, d.h. in den folgenden Jahren ausgeglichen werden könne und auch tatsächlich ausgeglichen werden solle. Diese Vorstellung ist irrig, da Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat, in den Folgejahren nicht ausgeglichen werden können.
42 
Nach dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit dürfen die Gebührenpflichtigen nur mit Kosten belastet werden, die den Nutzungen der jeweiligen Rechnungsperiode entsprechen (Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 92 ff). § 14 Abs. 2 S. 2 KAG enthält eine Durchbrechung dieses Grundsatzes. In Fällen, in denen am Ende eines Kalkulationszeitraums das Gebührenaufkommen hinter den ansatzfähigen Gesamtkosten zurückbleibt, ist es den Gemeinden danach gestattet, die auf diese Weise entstandene Kostenunterdeckung innerhalb der folgenden fünf Jahre auszugleichen. Diesem Recht steht die sich ebenfalls aus § 14 Abs. 2 S. 2 Halbsatz KAG ergebende Verpflichtung gegenüber, Kostenüberdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums auszugleichen. Die Regelung berücksichtigt, dass die tatsächlichen Kosten, Erlöse und Mengen von den prognostisch ermittelten und der Kalkulation zugrunde gelegten Werten abweichen können und in aller Regel auch tatsächlich abweichen. § 14 Abs. 2 S. 2 KAG soll deshalb gewährleisten, dass das zunächst auf den jeweiligen Kalkulations- oder Bemessungszeitraum begrenzte Kostendeckungsprinzip auf mittlere Frist gesehen tatsächlich realisiert wird bzw. - soweit es um den Ausgleich von Kostenunterdeckungen geht - realisiert werden kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.2008 - 2 S 2559/05 - VBlBW 2008, 350). Ausgeglichen werden können danach aber nur Kostenunterdeckungen, die sich erst am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, nicht aber Kostenunterdeckungen, die der Gebührengläubiger bewusst in Kauf genommen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.10.1998 - 2 S 399/97 - VBlBW 1999, 219; Quaas, NVwZ 2007, 757; Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 Rn. 104)
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
44 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
45 
Beschluss
46 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 849,86 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
47 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2013 - 1 K 437/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag.
Der Kläger ist seit 1977 Eigentümer des unbebauten, 841 m² großen Grundstücks FIst.-Nr. 3762/3 der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981, der für das Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. 1982/83 wurde im Zuge der Erschließung des Gebietes die Wasserversorgungsleitung in der vor dem Grundstück des Klägers verlaufenden öffentlichen Straße verlegt. Dabei wurde auch ein „Blindanschluss“ für das Grundstück des Klägers hergestellt.
Die Beklagte hatte die Entgeltzahlungen für die Versorgung mit Trinkwasser seit Mitte der 70er Jahre privatrechtlich geregelt. Am 09.11.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung - WVS -). Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 WVS trat diese Satzung am 01.01.2007 in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 WVS betreibt die Beklagte die Wasserversorgung seither als öffentliche Einrichtung. Nach § 25 WVS erhebt sie zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen einen Wasserversorgungsbeitrag.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 - zugestellt am 20.12.2011 - setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für das Grundstück Flst.-Nr. 3762/3 einen Wasserversorgungsbeitrag in Höhe von 2.222,68 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurück.
Am 15.03.2013 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.09.2013 abgewiesen hat. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Für das veranlagte Grundstück sei die abstrakte Beitragsschuld entstanden. Bei dem Grundstück handele es sich um Bauland, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" liege. Für ein solches Grundstück entstehe die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden könne (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; §§ 36 Abs. 1 Nr. 1, 26 Abs. 2 WVS). Die Anschlussmöglichkeit bestehe hier bereits seit 1982/83. Nach dem Vortrag der Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung in das unbebaute Grundstück gelegt worden, die allerdings verschlossen worden sei (sogenannter Blindanschluss).
Die Entstehung der abstrakten Beitragsschuld setze ferner das Vorliegen einer gültigen Satzung voraus (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG). Auch diese Voraussetzung sei mit Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 erfüllt. Die Beklagte habe mit Erlass dieser Satzung die Beitragspflicht auch mit Wirkung für das Grundstück des Klägers begründen können, obwohl die Anschlussmöglichkeit zu einem Zeitpunkt geschaffen worden sei, als die Beklagte über keine Wasserversorgungssatzung verfügt habe. Das Kommunalabgabengesetz enthalte keine Vorschriften, denen entnommen werden könne, dass anschließbare Baugrundstücke, die die Vorteilslage bereits vor Inkrafttreten der Satzung erhalten hätten, von der Beitragspflicht ausgenommen seien. § 32 Abs. 2 KAG betreffe lediglich Grundstücke, die schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätten angeschlossen werden können, jedoch noch nicht angeschlossen worden seien. Diese Fallkonstellation liege hier jedoch nicht vor, da das Grundstück des Klägers erst 1982/83 die Anschlussmöglichkeit erhalten habe.
Die Beitragsschuld sei auch nicht durch Erfüllung erloschen. Unstreitig sei gegenüber dem Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides für das streitige Grundstück kein Wasserversorgungsbeitragsbescheid ergangen. Der Kläger behaupte lediglich, die Beklagte habe ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses verlangt, das er auch entrichtet habe. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses für das veranlagte Grundstück habe er jedoch keine Nachweise vorgelegt. Demgegenüber habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die Sachkontenblätter der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. Dort seien alle geforderten Baukostenzuschüsse einzeln aufgeführt. Die in den Sachkontenblättern aufgeführten drei Zahlungen des Klägers über 2.000,-- DM (11.06.1982), über 626,-- DM (18.08.1982) und über 451,14 DM (31.12.1982) bezögen sich auf drei Belege, die aber nicht das veranlagte Grundstück beträfen. In den Rechnungsbelegen würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus ziehe die Beklagte zutreffend den Schluss, dass die Zahlungen nur die beiden bebauten Grundstücke des Klägers (FIst.-Nrn. 3792/2 und 3792) betreffen könnten. Dieser Darstellung sei der Kläger nicht mehr entgegengetreten. Unabhängig davon trage er nach allgemeinen Grundsätzen für den Einwand der Erfüllung die materielle Beweislast.
Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO betrage die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginne gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Da die abstrakte Beitragsschuld hier am 01.01.2007 entstanden sei, habe die Festsetzungsfrist am 01.01.2008 begonnen zu laufen und am 31.12.2011 geendet. Diese Frist sei mit Erlass des angefochtenen Wasserversorgungsbeitragsbescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, den der Kläger am 20.12.2011 erhalten habe.
Die Beklagte habe ihr Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags auch nicht verwirkt. Auch dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen sei, berühre die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung nicht. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte Ende 2006 dazu entschlossen habe, die bis dahin praktizierte privatrechtliche Entgeltregelung aufzugeben und künftig zur Finanzierung ihrer öffentlichen Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben zu erheben. Eine solche Umstellung sei von der Organisationsgewalt der Beklagten gedeckt. Es treffe nicht zu, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 privatrechtliche Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger bereits verjährt gewesen seien. Denn der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Anschlussnehmer gewesen. Da sein Grundstück bis heute unbebaut sei, habe es an einer Verbindung des Verteilungsnetzes mit einer Anlage des Klägers gefehlt.
10 
Ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, neben der grundsätzlich maßgeblichen AVBWasserV eigene allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser aufzustellen, könne offen bleiben. Ein zivilrechtlicher Anspruch nach den AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 sei ebenfalls nicht entstanden. Nr. 3.6 der AVB-Wasser sehe zwar vor, dass das städtische Wasserwerk der Beklagten berechtigt sei, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge" für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Alle Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 zur Ermittlung des „Wasserversorgungsbeitrags" ließen jedoch eindeutig erkennen, dass für unbebaute Grundstücke, deren Bebauung auch nicht unmittelbar bevorstehe, das Entgelt nicht berechnet werden könne. Alle Bestimmungen stellten nämlich auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück ab.
11 
Entgegen der Auffassung des Klägers folge auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) nicht, dass die Beitragserhebung im vorliegenden Fall rechtswidrig sei. Allein die Tatsache, dass zwischen der Verschaffung der Vorteilslage und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag hier nahezu 30 Jahre verstrichen seien, könne die Rechtswidrigkeit nicht begründen. Der Kläger habe 1982/83 durch die Anschlussmöglichkeit einen dauerhaften Vorteil erhalten. Diese Vorteilslage dauere bis heute an. Sie ermögliche es dem Kläger, sein Grundstück baulich zu nutzen. Dass er bis zum Erlass der Wasserversorgungssatzung keinen privatrechtlichen Baukostenzuschuss zu entrichten gehabt habe, liege allein daran, dass er von der Anschlussmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Es sei für ihn nach den Bestimmungen der AVBWasserV ohne weiteres erkennbar gewesen, dass er einen Baukostenzuschuss zu entrichten habe, sobald er auf seinem Grundstück eine Anlage errichte und diese mit dem öffentlichen Versorgungsnetz verbinde. Dies gelte umso mehr, als er für seine beiden bebauten Grundstücke im Jahr 1982 derartige Baukostenzuschüsse entrichtet habe.
12 
Der Kläger hat am 11.11.2013 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet: Für sein Grundstück bestehe seit dem Jahr 1982 eine Anschlussmöglichkeit. Die Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 sei ohne Rückwirkung am 01.01.2007 in Kraft getreten. Deshalb falle der Tatbestand der Anschlussmöglichkeit nicht in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Satzung. Damit sei die sachliche Beitragsschuld auf der Grundlage dieser Satzung nicht entstanden. Es liege ein bereits abgeschlossener Sachverhalt vor, denn die Vorteilslage für sein Grundstück sei bereits 1982/1983 entstanden. Damals sei die Versorgung mit Trinkwasser privatrechtlich geregelt gewesen. Nach Nr. 3.6 AVB-Wasser der Beklagten sei diese berechtigt gewesen, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten Wasserversorgungsbeiträge für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Daraus folge, dass die sachliche Beitragsschuld hier 1982/1983 entstanden sei. Die Beitragshöhe habe sich nach der maximalen Nutzungsmöglichkeit gerichtet. Seiner Erinnerung nach sei die Beitragsschuld auch beglichen worden. Entsprechende Belege seien nach nunmehr 30 Jahren bei ihm jedoch nicht mehr auffindbar. Die Beweislast liege bei der Beklagten. Aus dem Gesamtzusammenhang gehe hervor, dass zwischen ihm und der Beklagten ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis bestanden habe. Da die Beklagte einen Anschluss tatsächlich hergestellt habe, sei davon auszugehen, dass auch ein entsprechender Antrag gestellt und ein Vertragsverhältnis - jedenfalls durch konkludente Handlungen - begründet worden sei. Andernfalls hätte die Beklagte das Grundstück zur Herstellung des Grundstücksanschlusses zu Unrecht betreten.
13 
Selbst wenn man davon ausgehe, dass 1982/1983 die entstandene Beitragsschuld weder festgesetzt noch gezahlt worden sei, sei diese Schuld inzwischen veranlagungsverjährt. Er verweise auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Danach sei für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden könnten, verfassungsrechtlich geboten. Hier liege der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung, nämlich der tatsächliche Anschluss, 30 Jahre zurück. Die Auffassung der Beklagten würde es ermöglichen, den Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze unendlich hinauszuschieben. Damit würde der Interessenkonflikt einseitig zu Lasten der Abgabenschuldner gelöst. Die Verjährung könne nämlich unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen. Die sachliche Beitragspflicht sei hier im zeitlichen Geltungsbereich der AVB-Wasser im Jahr 1982 entstanden. Eine erneute Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nach Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung scheide bereits im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung aus.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.09.2013 - 1 K 437/13 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 aufzuheben,
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie führt zur Begründung aus: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Gemäß § 32 Abs. 1 KAG entstehe die Beitragsschuld, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Beide Voraussetzungen müssten gleichzeitig vorliegen. Die Wasserversorgungssatzung der Beklagten sei am 01.01.2007 in Kraft getreten. Vor Inkrafttreten der Satzung sei das Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet gewesen. Gemäß § 9 AVB-WasserV sei das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuss zu verlangen. Ziffer 3.6 AVB-Wasser i.V. mit Ziffer 1 der Anlage 2 konkretisiere die Höhe des Baukostenzuschusses. Daraus ergebe sich, dass Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragsschuld damals stets gewesen sei, dass das maßgebliche Grundstück tatsächlich an die Versorgungsleitungen angeschlossen gewesen sei. Dies sei beim Grundstück des Klägers nicht der Fall gewesen. Es gebe keine Unterlagen über einen Anschluss des Grundstücks oder einen bezahlten Baukostenzuschuss. Von einem tatsächlichen Anschluss könne erst ausgegangen werden, wenn das Grundstück über eine Hausanschlussleitung dauerhaft und betriebsfertig verbunden sei. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Anschluss verschlossen worden sei. Das Grundstück des Klägers besitze lediglich einen solchen „Blindanschluss“. Der Hinweis des Klägers auf die Regelung unter Ziffer 3.6 AVB-Wasser bleibe ohne Erfolg. Die Möglichkeit einer Heranziehung vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten habe damals nur bestehen können, wenn die Anschlussarbeiten zeitnah erfolgten, also konkret geplant seien. Bis zum Inkrafttreten der Versorgungssatzung habe es an den rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Beteiligung des Klägers an den Kosten für die Errichtung der sein Grundstück unstreitig erschließenden Wasserversorgungsleitungen gefehlt. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu einer teilweisen Kostentragung herangezogen zu werden.
19 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte unter dem 17./18.02.2014 mitgeteilt: Auch nach nochmaliger Überprüfung sei weder ein Antrag noch eine entsprechende Annahmeerklärung auffindbar. Anträge auf Wasserversorgung aus dem Zeitraum 1982/83 seien größtenteils nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist entsorgt worden. Die Erschließung eines Baugebiets mit der Hauptleitung und den Grundstücksanschlüssen im öffentlichen Straßenraum („Blindanschlüsse“) erfolge im Vorfeld unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung. Um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, würden die Grundstücksanschlüsse häufig - wie auch im vorliegenden Fall - in das Privatgrundstück hinein verlängert. Bei einer geplanten Bebauung stelle der Eigentümer einen Antrag auf Anschluss an die Wasserversorgung. Wenn ein Vertragsverhältnis bestehe, installiere die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung. Nach den von dem Kläger vorgelegten Fotografien habe sich hier auf dem Anschluss noch die Endkappe (ohne Entnahmemöglichkeit) befunden. Vergleichbare (Blind-) Anschlüsse seien in vergleichbaren Fällen routinemäßig hergestellt worden.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Abwassergebühren

2

Nach § 2 der „zentralen Abwassergebührensatzung Gebiet 1“ des Beklagten vom 18. Januar 2011 in der Gestalt der 2. Änderungssatzung vom 26. März 2013 (AGS 1) erhebt der Beklagte für die Inanspruchnahme der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen Abwassergebühren für die Grundstücke, die an diese öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen angeschlossen sind oder in diese entwässern. Die Gebühr wird für die Beseitigung von Abwasser berechnet, getrennt nach Grundgebühr und Mengengebühr (§ 3 Satz 1 AGS 1). Die Mengengebühr für die Schmutzwasserentsorgung wird nach der Abwassermenge bemessen, die in die öffentliche Abwasseranlage gelangt (§ 3 Satz 2 AGS 1). Als in die öffentliche Schmutzwasseranlage gelangt gilt u. a. die dem Grundstück aus öffentlichen Wasserversorgungsanlagen zugeführte und durch Wasserzähler ermittelte Wassermenge (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AGS 1). § 3 AGS 1 Abs. 4 und 5 lautet auszugsweise wie folgt:

3

„(4) Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage gelangt sind, werden abgesetzt. Dass bestimmte Wassermengen nicht in die öffentliche Abwasseranlage gelangt sind, ist durch Wasserzähler nachzuweisen. […]

4

(5) Wassermengen, die durch Wasserrohrbrüche nicht in die zentrale öffentliche Abwasserentsorgungsanlage gelangt sind, werden auf Antrag, der spätestens einen Monat nach dem Ereignis und der Möglichkeit der Kenntnisnahme zu stellen ist, abgesetzt. Bei der in diesem Absatz ausgestalteten Monatsfrist handelt es sich um eine Ausschlussfrist, das heißt, Anträge, die nach der Monatsfrist beim Verband eingehen, werden nicht berücksichtigt. Die anzusetzende Wassermenge wird unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Trinkwasserverbrauchs im Verbandsgebiet und unter Berücksichtigung der auf dem Grundstück am 30.06. des Vorjahres amtlich gemeldeten Personen oder begründeten Angaben des Gebühren-schuldners geschätzt.“ […]

5

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks E-Straße11b in D-Stadt. Mit Bescheid vom 5. Februar 2014 setzte der Beklagte für das Grundstück des Klägers für das Jahr 2013 - unstreitige - Grundgebühren i. H. v. 49,08 € sowie Mengengebühren i. H. v. 3.227,14 € fest. Der Beklagte ging dabei von einem Wasserverbrauch von 1.813 m³ und einem Gebührensatz von 1,78 €/m³ aus.

6

Mit Schreiben vom 11. Februar 2014 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, der hohe Wasserverbrauch sei auf einen Wasserrohrbruch in der Hauptleitung zurückzuführen, der am 16. Oktober 2013 entdeckt und repariert worden sei. In der Folgezeit habe sich anhand regelmäßigen Ablesens der Wasseruhr ein durchschnittlicher täglicher Wasserverbrauch von 0,4166 m³ ergeben, der der Gebührenberechnung für 2013 zugrunde zu legen sei.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung hieß es, im Kalenderjahr 2013 seien dem Grundstück des Klägers 1.813 m³ Trinkwasser zugeführt worden. Die Voraussetzungen für die Absetzung von Wassermengen, die infolge von Wasserrohrbrüchen nicht in die öffentliche Abwassereinrichtung abgeleitet werden, seien nicht erfüllt, da der Kläger innerhalb der maßgeblichen Frist keinen Antrag eingereicht habe.

8

Mit der am 12. Juni 2014 erhobenen Klage hat der Kläger sein Widerspruchsvorbringen aufrechterhalten und ergänzend geltend gemacht, dass der Antrag auf Absetzung der Abwassermenge fristgemäß gestellt worden sei. Die nach § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 maßgebliche Kenntnis der anzusetzenden Wassermenge habe der Kläger erst durch den angefochtenen Abwasserbescheid erlangt.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 2014 insoweit aufzuheben, als damit Benutzungsgebühren von mehr als 331,95 € festgesetzt wurden.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er verteidigte die angefochtenen Bescheide. Ergänzend führte er aus, das die Antragsfrist gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 auslösende Ereignis sei nicht die Kenntnis der anzusetzenden Wassermenge, sondern der Wasserrohrbruch. Die Monatsfrist sei damit bereits am 16. Oktober 2013 in Gang gesetzt worden.

14

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Mai 2014 aufgehoben, soweit darin Benutzungsgebühren von mehr als 404,46 € festgesetzt werden, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Beklagte könne sich auf die in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 geregelte Monatsfrist nicht berufen. Die Vorschrift sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Zwar habe die Rechtsprechung die Einführung von Fristen für die Geltendmachung von nicht in die Abwasseranlage gelangten Wassermengen jedenfalls in den Fällen gebilligt, in denen der Grundstückseigentümer Wassermengen bewusst nicht wieder der Abwasseranlage zugeführt hat. Die sachliche Rechtfertigung für die Absetzungsfrist bestehe in diesen Fällen allein in dem Umstand, dass diese Wassermengen bereits bei der Festsetzung der Abwassergebühr Berücksichtigung finden sollten. Dazu sei es jedoch nicht zwingend erforderlich, eine Frist von einem Monat nach Ereignis und Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Wasserrohrbruch einzuführen, wie dies in § 3 Abs. 5 AGS 1 vorgesehen sei. Selbst wenn man wie der Beklagte die Rechtfertigung für die Absetzungsfrist in einer möglichst zeitnahen Feststellung des Zählerstandes sehe, um illegale Wasserentnahmen und Zuführungen zur Abwasseranlage auszuschließen, so finde dies weder im Gebührenrecht noch in der konkreten satzungsrechtlichen Ausgestaltung seine Entsprechung. Das Abwassergebührenrecht lebe sowohl bei der Feststellung der eingeleiteten Abwassermengen als auch bei der Bemessung von Gebühren von Näherungen, weshalb singuläre Wasserrohrbrüche keine hinreichende Veranlassung für Sonderregelungen wie § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 böten. Darüber hinaus fehle der Regelung die Folgerichtigkeit, weil sie keine Schätzung der tatsächlich zugeführten und durch den Wasserzähler gemessenen Wassermenge zulasse. Sie knüpfe an den durchschnittlichen Trinkwasserverbrauch im Verbandsgebiet an. Soweit die Vorschrift die Schätzung auch aufgrund der begründeten Angaben des Gebührenschuldners zulasse, dürfte dies nicht den Stand des Wasserzählers betreffen. Finde § 3 Abs. 5 AGS 1 nach alldem bei der hier streitigen Gebührenfestsetzung keine Anwendung, sei die zu berücksichtigende Wassermenge unter Zugrundelegung des Verbrauchs bzw. der Einleitmenge des Vorjahres unter Berücksichtigung der begründeten Angaben des Gebührenpflichtigen zu schätzen, woraus sich für das Jahr 2013 die im Tenor festgehaltene Höhe der Benutzungsgebühren ergebe.

15

Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 16. August 2016 zugelassen.

16

Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, die in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 geregelte Monatsfrist sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die damit bezweckte zeitnahe Feststellung des Wasserzählerstandes diene dazu, den einer Schätzung zu unterwerfenden Zeitraum möglichst kurz zu halten und damit zu beschränken, sodass für den künftigen Zeitraum wieder auf Ablesewerte abgestellt werden könne. Auch schließe § 3 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 AGS 1 die Berücksichtigung des Wasserzählerstandes bei der Schätzung der anzusetzenden Wassermenge nicht aus.

17

Der Beklagte beantragt,

18

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 27. August 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.

19

Der Kläger beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Er verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

II.

23

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung gemäß § 130a VwGO durch Beschluss, weil er sie einstimmig für begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Das Verfahren wirft weder in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf noch bestehen erhebliche Unklarheiten in tatsächlicher Hinsicht.

24

Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

25

Die Regelung des Gebührenmaßstabes in § 3 AGS 1 begegnet keinen Bedenken. Der vom Beklagten gewählte Frischwassermaßstab ist als zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Schmutzwassermenge anerkannt, sofern die Satzung - wie hier - vorsieht, dass nachweislich der Abwasseranlage nicht zugeführte Mengen in Abzug gebracht werden. Der Nachweis dieser Mengen kann dem Gebührenpflichtigen auferlegt werden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2012 - 9 A 2799/10 -, juris, Rn. 9; Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 382 ff. ; Quaas, KStZ 2000, S. 181 <191>).

26

Die Regelung über den Frischwassermaßstab in § 3 AGS 1 wurde vom Beklagten auch zutreffend angewandt. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die in dem angegriffenen Bescheid zu Grunde gelegte Wassermenge von 1.813 m³ der seinem Grundstück aus öffentlichen Wasserversorgungsanlagen zugeführten und durch Wasserzähler ermittelten Wassermenge entspricht. Damit ist grundsätzlich eine Mengengebühr i. H. v. 3.227,14 € (1.813 m³ x 1,78 €/m³) entstanden. Zusammen mit der hier unstreitigen Grundgebühr i. H. v. 49,08 € ergeben sich für den Abrechnungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis zu 31. Dezember 2013 danach Abwassergebühren i. H. v. 3.276,22 €.

27

Ein Anspruch auf Absetzung von Wassermengen scheitert vorliegend daran, dass der Kläger die hierfür satzungsrechtlich vorgesehene Antragsfrist versäumt hat. Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 werden Wassermengen, die durch Wasserrohrbrüche nicht in die zentrale öffentliche Abwasserentsorgungsanlage gelangt sind, auf Antrag, der spätestens einen Monat nach dem Ereignis und der Möglichkeit der Kenntnisnahme zu stellen ist, abgesetzt. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist (§ 3 Abs. 5 Satz 2 AGS 1). Sie beginnt mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme des Wasserrohrbruchs. Nach Angaben des Klägers wurde der Wasserrohrbruch am 16. Oktober 2013 entdeckt, womit die Monatsfrist (spätestens) in diesem Zeitpunkt zu laufen begann. Das Widerspruchsschreiben vom 11. Februar 2014, mit dem der Wasserrohrbruch dem Beklagten erstmalig angezeigt wurde, liegt jenseits der Antragsfrist.

28

Die Bestimmung der Ausschlussfrist von einem Monat ab Kenntnisnahmemöglichkeit des Wasserrohrbruchs ist vom Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG-LSA gedeckt (allgemein zum Gestaltungsspielraum im Abgabenrecht z. B. OVG LSA, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 4 L 137/09 -, juris, Rn. 11). Während sonstige, nicht in die öffentliche Abwasseranlage gelangte Wassermengen nur abgesetzt werden, sofern sie durch Wasserzähler nachgewiesen sind (§ 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 AGS 1), wird bei einem Wasserrohrbruch die abzusetzende Wassermenge nach den Maßgaben von § 3 Abs. 5 Satz 3 AGS 1 geschätzt. In diesem Fall ist es grundsätzlich sachgerecht und angemessen, Absetzungsanträge zu befristen, damit der Beklagte das Vorliegen eines Rohrbruchs sowie ggf. die Angaben des Gebührenschuldners zu der anzusetzenden Wassermenge (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 3 AGS 1) zeitnah überprüfen kann. Der Satzungsgeber ist nicht verpflichtet, die Möglichkeit der Absetzung zeitlich unbeschränkt zu gewähren, sondern kann die Absetzung von einer fristgemäßen Antragstellung abhängig machen, um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Hierbei ist es dem Gebührenschuldner ohne weiteres zumutbar, innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden oder Möglichkeit der Kenntnisnahme des Wasserrohrbuchs einen Absetzungsantrag zu stellen (vgl. VG Halle, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 A 75/02 -, juris, Rn. 24; bestätigt durch OVG LSA, Beschluss vom 24. August 2005 - 4 L 170/05 -, n.v.; vgl. auch VG Dessau, Urteil vom 12. August 2005 - 1 A 329/04 -, juris, Rn. 23 ).

29

Soweit das Verwaltungsgericht dagegen einwendet, das Abwassergebührenrecht lebe sowohl bei der Feststellung der eingeleiteten Abwassermengen als auch bei der Bemessung der Gebühren von Näherungen, weshalb singuläre Wasserrohrbrüche keine hinreichende Veranlassung geben dürften, Sonderregelungen wie in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 einzuführen, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Ungenauigkeiten hinsichtlich der Gebührenbemessung in Folge der Verwendung des Frischwassermaßstabs sind nur hinzunehmen, sofern sie unvermeidbar sind (vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2012 - 9 A 2646/11 -, juris, Rn. 69). Die in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 vorgesehene Absetzungsfrist dient gerade dem Zweck, Unklarheiten über die tatsächlich eingeleitete und deshalb anzusetzende Wassermenge möglichst zu begrenzen und ist hierfür auch geeignet.

30

Der Regelung in § 3 Abs. 5 Satz 3 AGS 1 mangelt es nicht an Folgerichtigkeit. Danach erfolgt die Schätzung der anzusetzenden Wassermenge entweder unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Grundwasserverbrauchs im Verbandsgebiet und unter Berücksichtigung der auf dem Grundstück am 30.06. des Vorjahres amtlich gemeldeten Personen (§ 3 Abs. 5 Satz 3 Alt. 1 AGS 1) oder der begründeten Angaben des Gebührenschuldners (§ 3 Abs. 5 Satz 3 Alt. 2 AGS 1). Hierunter sind nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung alle Angaben zu verstehen, die dem Beklagten eine zuverlässige Schätzung der anzusetzenden Wassermenge ermöglichen. Die begründeten Angaben des Gebührenschuldners können dabei sowohl auf einer besonderen Messeinrichtung (Abwassermesser) beruhen, wie es § 3 Abs. 4 Satz 2 AGS 1 für den Nachweis sonstiger abzusetzender Wassermengen vorsieht, als auch auf sonstigen nachprüfbaren Unterlagen, aus denen sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, welche Wassermengen aus welchem Grund und in welcher Höhe der öffentlichen Abwassereinrichtung nicht zugeleitet wurden (vgl. Queitsch, KStZ 2006, S. 81 <81 f.>). Hierzu zählt auch die - vom Beklagten nachprüfbare - Mitteilung des Wasserzählerstandes.

31

Die vom Kläger darüber hinaus erhobenen Einwände gegen die Fristregelung in § 3 Abs. 5 Satz 1 AGS 1 greifen ebenfalls nicht durch. Insbesondere ist die Regelung nicht so zu verstehen, dass die absetzbare Wassermenge innerhalb der Monatsfrist (genau) bezeichnet werden muss. Vielmehr ist - wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend ausführt - lediglich der Absetzungsantrag innerhalb der Monatsfrist zu stellen. Der Senat nimmt hierfür zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug (§ 130b Satz 2 VwGO). Damit ist zugleich dem weiteren Einwand des Klägers die Grundlage entzogen, er habe gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 AGS 1 die Schätzung des Beklagten unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Trinkwasserverbrauchs im Verbandsgebiet abwarten dürfen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

34

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. März 2006 - 11 K 4971/04 - teilweise geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags durch die Beklagte, von dem in den Jahren 2001 und 2002 für seinen Metzgereibetrieb bezogenen Frischwasser 25 % bzw. 20 % als nicht eingeleitete Abwassermenge abzusetzen.
Der Kläger betreibt auf seinem auch zu Wohnzwecken genutzten Grundstück im Gebiet der Beklagten eine Metzgerei. Mit Schreiben vom 5.4.2002 beantragte er, bei der Bemessung der Gebühr von der Abwassermenge, die jährlich auf den Betrieb entfalle, eine Wassermenge von 25 % abzusetzen. Diesen auch für das Folgejahr wiederholten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 24.5.2002 und 29.4.2003 ab. Den hiergegen jeweils eingelegten Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Rems-Murr-Kreis durch Widerspruchsbescheid vom 8.5.2003 zurück.
Am 22.5.2003 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und unter Hinweis auf verschiedene, von ihm im Verfahren vorgelegte Stellungnahmen vorgetragen, er habe - wie satzungsrechtlich gefordert - die auf seinen Betrieb entfallenden Absatzmengen nachgewiesen.
Dem Antrag des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 24.5.2002 und vom 9.4.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 8.5.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei der Berechnung der Abwassergebühr für die Jahre 2001 und 2002 jeweils eine Wassermenge von 140 m³ abzusetzen, ist die Beklagte entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe den geforderten Nachweis über nicht eingeleitete Wassermengen nicht erbracht, da die vorgelegten Gutachten zu pauschal seien. Auch fehle es an Anhaltspunkten für einen pauschalen Abzug solcher Wassermengen bei Betrieben wie dem des Klägers.
Durch Urteil vom 21.3.2006 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger bei der Bemessung seiner Abwassergebühr für das Jahr 2001 die Absetzung einer Wassermenge von 42 m³ und für das Jahr 2002 die Absetzung einer Wassermenge von 42,8 m³ zu gewähren; soweit die Bescheide der Beklagten vom 24.5.2002 und vom 9.4.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Rems-Murr-Kreis vom 8.5.2003 dem entgegenstehen, hat sie das Verwaltungsgericht aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen dargelegt, dass ein Nachholen des Nachweises nicht eingeleiteter Wassermengen nach Ablauf der satzungsrechtlich vorgesehenen Antragsfrist zulässig sei. Dieser Nachweis verbiete zwar eine Schätzung, für seine Erfüllung dürfe jedoch - entsprechend den Anforderungen an den Gebührenmaßstab - ein „Wirklichkeitsmaßstab“ nicht gefordert werden. Bestimme eine satzungsrechtliche Regelung - wie hier - zur Inanspruchnahme einer Vergünstigungsregelung einen „Nachweis“, so sei dieser demnach erbracht, wenn der Abgabenschuldner konkrete Umstände dartun könne, die aller Wahrscheinlichkeit nach und nach menschlichem Ermessen dazu führten, dass der normative Ermäßigungstatbestand einer solchen Vergünstigungsregelung erfüllt sei. In diesem Sinne nachgewiesen sei die im Tenor bezeichnete Wassermenge. Sie ergebe sich unter Berücksichtigung der im Betrieb des Klägers bei der Wurstherstellung verarbeiteten Frischfleischmenge, die nach einem für Fleischerfachgeschäfte erstellten Gutachten eines Fachinstituts für Fleischforschung als Berechnungsgrundlage dienen könne. Nachgewiesen im dargestellten Sinn sei auch die Wassermenge, die im Rahmen der Wurstherstellung durch den verwendeten Wasserdampfkochschrank verdunste. Zwar sei diese Menge im Rahmen einer Ablesung für den Zeitraum April 2004 bis April 2005 festgestellt worden; sie sei nach dem „Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ aber auch für die streitigen Jahre zugrunde zu legen. Auch die im Rahmen der Nassreinigung der Produktionsflächen verdunsteten Mengen seien nachgewiesen. Denn insoweit bestehe ein Gutachten für einen dritten Metzgereibetrieb. Nicht nachgewiesen seien indes die vom Kläger im Übrigen angeführten Wassermengen zur Fertigung von Sülzen, Suppen und Soßen und für die Schinkenproduktion. Insoweit fehle es an einer nachvollziehbaren Angabe zu Mengen und Produktionsverfahren. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die nachgewiesenen und daher abzusetzenden Wassermengen nicht mehr um die in § 40 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Beklagten festgelegte, von einer Absetzung auszunehmenden Menge von 20 m³ pro Jahr zu verringern. Es führe zu einem von dem Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität nicht mehr geforderten Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, versage man dem Kläger trotz des Nachweises nicht eingeleiteter Wassermengen deren uneingeschränkte Absetzung. Auch trete eine eigentlich der Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts widersprechende Anhebung der Bagatellgrenze für die Absetzung ein. Nicht zuletzt sei mit der Beschränkung der abzusetzenden Wassermenge auch eine Ungleichbehandlung des Betroffenen gegenüber den anderen Gebührenschuldnern verbunden.
Gegen das ihr am 13.4.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.5. 2006 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen darauf abhebt, dass der nach der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.11.1999 i.d.F. vom 7.12.2000 - AbwS - erforderliche Antrag des Klägers nicht rechtzeitig gestellt sei. Denn in ihm sei die abzusetzende Menge nicht innerhalb der Frist des § 40 Abs. 4 AbwS bezeichnet worden. Die Bestimmung stelle jedoch eine auch die Begründung umfassende Ausschlussfrist dar. Auch wenn man dem nicht folge, müsse die Klage abgewiesen werden. Denn der satzungsrechtlich geforderte Nachweis über nicht eingeleitete Abwassermengen sei vom Kläger nicht geführt. Aus der Berechnung vom 28.4.2005 über Wassermengen, die nicht als Abwasser eingeleitet worden seien, lasse sich der geforderte Nachweis nicht herleiten. So sei dort eine Nassreinigungsfläche mit 273 m² zugrunde gelegt, während der Kläger selbst im Schriftsatz vom 11.3.2004 die Fläche der „Wurstküche“ mit 50 m² angebe. Der von ihm betriebene Dampfkochschrank verbrauche nach Angaben des Klägers 4,8 m³, während eine konkrete Messung 25 m³ Wasserverbrauch ergeben habe. Diese Feststellung sei jedoch 2005 erfolgt und könne auf die Jahre 2001 und 2002, um die es hier gehe, nicht übertragen werden. Auch sei ein Nachweis darüber nicht erbracht, welche der nachweislich bezogenen Fleischmengen im Betrieb des Klägers zu Wurst verarbeitet worden seien. Die Zahlen in der vorgelegten Berechnung vom 28.4.2005 seien insoweit deutlich anders als die zuvor vom Kläger angegebenen. Zur Klimaanlage habe der Kläger entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nur ein Gutachten zu einem Drittgerät vorgelegt. Nicht vorgetragen oder erkennbar sei, warum dieses Fremdgutachten auf das vom Kläger verwendete Gerät übertragbar sei. Dass im Übrigen die satzungsrechtlich festgelegte Grenze für eine Absetzung von Wassermengen hier nicht zu beachten sei, widerspreche entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts dem Gleichbehandlungsgebot.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21.3.2006 -11 K 4971/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt die angefochtene gerichtliche Entscheidung und hebt hervor, dass er seiner Nachweispflicht im Einzelnen nachgekommen und insbesondere der Ansicht des Verwaltungsgerichts zu folgen sei, eine Anwendung der satzungsrechtlichen Bagatellgrenze komme nicht in Betracht.
13 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten der Beklagten und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf sie und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
14 
Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, da er das Rechtsmittel einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Beide Beteiligte sind dazu gehört worden (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
15 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der zulässigen Verpflichtungsklage des Klägers auch nicht teilweise stattgeben dürfen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 24.5.2002 und vom 9.4.2003 (in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8.5.2003), mit denen eine Absetzung von Wassermengen bei der Abwassergebührenbemessung abgelehnt worden ist, sind rechtmäßig und verletzen daher den Kläger nicht in seinen Rechten Zwar folgt dies nicht bereits daraus, dass der Kläger die Nachweisfrist nicht eingehalten hätte (dazu 1.). Indes hat der Kläger materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Absetzung der von ihm geltend gemachten Wassermengen bei der Berechnung der Abwassergebühr für die jeweiligen Jahre (dazu unten 2.; zum Ganzen vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
16 
1. Ein Anspruch auf Absetzung von Wassermengen scheitert entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits daran, dass der Kläger die hierfür satzungsrechtlich vorgesehene Antragsfrist versäumt haben könnte.
17 
Nach § 40 Abs. 1 der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.11.1999 i.d.F. vom 7.12.2000 - AbwS - werden Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet wurden, auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühr abgesetzt; von der Absetzung ausgenommen ist eine Wassermenge von 20 m³/Jahr. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung sind Anträge auf Absetzung nicht eingeleiteter Wassermengen bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Gebührenbescheids zu stellen. Diese Antragsfrist ist als Ausschlussfrist zu sehen (vgl. auch Senat, Urteil vom 22.8.1988 - 2 S 424/87 -, BWGZ 1989, 88, 89). Indes umfasst dieses Verständnis der Frist nicht zugleich auch die Forderung, innerhalb der genannten Frist müsse die absetzbare Wassermenge auch (genau) bezeichnet sein (davon geht ohne nähere Darlegung der Senat im genannten Urteil vom 22.8.1988, a.a.O. S. 89 aus). Diese Forderung ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend betont - in der Satzung nicht angelegt, die lediglich den Antrag an die in § 40 Abs. 4 normativ festgelegte Monatsfrist bindet. Sie ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht (dazu Senat, Urteil vom 14.11.2005 - 2 S 1884/03 -; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. A., § 22 RdNr. 35, je m.w.N.). Eine über die genannte Wirkung hinausgehende „formelle Präklusion“, die sich auf die Begründung des Antrags beziehen könnte, müsste insbesondere gesetzlich festgelegt und auch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sein (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 31 RdNr. 6 ff, m.w.N.). Für eine satzungsrechtliche oder sonstige normative Festlegung finden sich keine Anhaltspunkte, insbesondere bietet der Wortlaut der satzungsrechtlichen Bestimmung hierfür keinen Ansatz. Auch deren entsprechende Auslegung scheidet aus.
18 
Insbesondere die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Präklusion würde auch - ohne dass dies hier abschließend zu entscheiden ist - die Frage nach der Abgabengerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) aufwerfen. Ferner ist nicht festzustellen, dass die Forderung einer Monatsfrist auch für die Antragsbegründung von der Sache her geboten sein könnte. Zwar wird, wie § 40 Abs. 2 AbwS für landwirtschaftliche Betriebe verdeutlicht, im Regelfall der Mengennachweis durch einen Wasserzähler und damit „fristgerecht“ erbracht werden können. Die Satzung sieht aber auch eine „Ermittlung“ nach Tiereinheiten vor (§ 40 Abs. 3 AbwS), mithin also eine Festlegung der Abwassermenge auf Grund von gesicherten Erfahrungswerten. Jedenfalls mit Blick auf diese satzungsrechtliche Festlegung ist der Rückgriff auf solche Umstände erforderlich, die sich in dem dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Zeitraum ergeben haben und bei denen es in der Natur der Sache liegt, dass zwar die genannte Monatsfrist für den Antrag auf Absetzung selbst, nicht jedoch auch für dessen Begründung eingehalten werden kann. Nicht streitig ist im Übrigen, dass der Kläger seinen Absetzungsantrag jeweils innerhalb der Monatsfrist gestellt hat.
19 
2. Der Anspruch auf eine Absetzung von Wassermengen, wie er hier noch Gegenstand des Verfahrens ist, ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts aus Rechtsgründen nicht gegeben.
20 
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Beklagten gilt in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum als angefallene Abwassermenge die dem Grundstück aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge. Dass nachweisbar nicht der Abwassereinrichtung zugeleitete Mengen an Frischwasser bei der Bemessung der Abwassergebühr abgesetzt werden dürfen, ist in der Rechtsprechung und in der Literatur allgemein anerkannt (vgl. dazu Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 2005, § 6 RdNrn. 382 ff.; Queitsch, KStZ 2006, 81, je m.w.N.) und wird hier auch durch die o. a. satzungsrechtliche Regelung des § 40 Abs. 1 der Satzung bestätigt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Zusammenhang, der sich bei dem der Abwassergebühr zugrunde gelegten Frischwassermaßstab und der eingeleiteten Abwassermenge ergibt, dann nicht mehr besteht, wenn erhebliche Mengen an Abwasser nachweislich nicht in die Entsorgungseinrichtung eingeleitet werden. Im Rahmen der Gebührenbemessung für die Abwasserentsorgung dürfen daher Abwassermengen zumindest in den Fällen abgesetzt werden, in denen eine gewisse Bagatellgrenze überschritten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.4.1967 - VII C 15.65 -, BVerwGE 26, 317; Beschluss vom 28.3.1995 - 8 N 3.93 -, BWGZ 1995, 511; ferner Senat, Urteil vom 10.7.1979 - II 1096/78 -, KStZ 1980, 93 auch zur Frage, ob eine sachlich unbillige Härte bei Nichterreichen einer satzungsrechtlich festgelegten Bagatellgrenze gegeben ist).
21 
Der Satzungsgeber darf eine solche Absetzung von nicht eingeleiteten Wassermengen von einem Nachweis abhängig machen und diesen Nachweis dem Nutzer (Gebührenschuldner) auferlegen (zur Zulässigkeit einer entsprechenden Regelung s. BVerwG, Urteil vom 14.4.1967 - VII C 15.65 - , a.a.O.; Beschluss vom 28.3.1995, a.a.O.; Senat, Urteil vom 24.7.2003 - 2 S 2700/01 -BWGZ 2003, 810; ferner Schulte/Wiesemann, a.a.O., RdNr. 387 m.w.N.; Queitsch, a.a.O., 81 m.w.N. in FN 4). Ob dabei - wie das Verwaltungsgericht dies vertritt - die Anforderung an die Nachweispflicht mit dem für die Bemessung der Gebühr nach dem Frischwasserverbrauch maßgeblichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab in Beziehung zu setzen ist, wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn von einer - hier nicht eröffneten - Schätzungsbefugnis des Betroffenen oder der Gemeinde ausgegangen werden könnte. Dies kann hier indes offen bleiben. Berücksichtigt man, dass die Frage nach dem Maßstab für eine Gebühr nicht gleichzusetzen ist mit der nach der Verbrauchsmenge, für die dem Nutzer durch den geforderten Nachweis eine Art "Beweislast" (dazu Queitsch a.a.O., m.w.N. in FN 4) zugeordnet wird, ist ein inhaltlicher Zusammenhang, wie ihn das Verwaltungsgericht bejaht, nicht ohne weiteres vorhanden. Vielmehr ist aus der satzungsrechtlichen Vorgabe, dass der Nachweis über eine Abzugsmenge erfolgen muss, auf einen Wirklichkeitsmaßstab zu schließen, d.h. nachzuweisen ist die tatsächlich nicht eingeleitete Frischwassermenge. Ist - und dies wie dargelegt in zulässiger Weise - satzungsrechtlich und damit normativ eine Nachweispflicht festgelegt, ergeben sich die Anforderungen an deren Erfüllung aus ihrem Charakter als Beweislastregel, ihrer satzungsrechtlichen Normierung und letztlich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demnach fordert der Nachweis - soweit nicht ohnehin technische Messeinrichtungen satzungsrechtlich vorgegeben sind - das Ausschöpfen aller dem Betroffenen zumutbaren Darlegungs- und Substantiierungsmöglichkeiten. Eine eigene Ermittlung der Abzugsmenge durch die Gemeinde ist regelmäßig nicht geboten; sie darf bei Fehlen des Nachweises von der dem Grundstück zugeführten Frischwassermenge ausgehen. Zu rechtfertigen ist dies mit Blick darauf, dass die nachzuweisenden Umstände auf eine besondere, einzelfallbezogene Befreiung von der Gebühr abzielen und sie ihre Grundlagen ausschließlich im Bereich des Betroffenen finden.
22 
Regelmäßig wird dieser Nachweis mittels eines gesonderten Wasserzählers ermöglicht, wie es die Satzung der Beklagten auch in ihrem § 40 Abs. 2 vorsieht. Anerkannt ist allerdings auch, den Nachweis - wie dargelegt - durch geeignete Unterlagen zu führen, die der Gemeinde eine nachvollziehbare Grundlage zur Bestimmung der nicht eingeleiteten Abwassermenge verschaffen können. Der Nachweis ist schließlich auch anhand allgemeiner Erfahrungswerte zulässig (dazu Schulte/Wiesemann, a.a.O., RdNr. 385; Queitsch a.a.O., S. 82; Bleile, Praxishandbuch Kommunales Gebührenrecht in Bad.-Württ., 11.00, Erl. 1.2.2.7, S. 9 ff., je m.w.N.). Die hier in Rede stehenden Abzugsmengen für die streitigen Jahre sind vom Kläger nicht durch ein Zählwerk gemessen und nachgewiesen worden. Entgegen seiner Ansicht können auch die von ihm unterbreiteten Unterlagen nicht als "Nachweis" durch Rückgriff auf allgemeine Erfahrungswerte beurteilt werden.
23 
Solche Erfahrungswerte haben sich zwar bei einzelnen Benutzergruppen bzw. Betriebsarten infolge langjähriger Erfahrung in Form von Durchschnittswerten oder Rahmenwerten herausgebildet. Sie kommen dann, wenn sie sich auf genau nachprüfbare Berechnungsgrundlagen stützen, als Nachweisgrundlage in Betracht. Fehlt es allerdings an derartigen genauen Berechnungsgrundlagen und liegen lediglich allgemeine Durchschnitts- oder Rahmenwerte vor, sind sie als alleinige Nachweisgrundlage nicht ausreichend (vgl. Bleile a.a.O.; vgl. auch Gössl, BWGZ 1992, 701). Für Metzgereibetriebe wie den des Klägers fehlt es an solchen allgemeinen Erfahrungswerten zu produktions- bzw. betriebsbezogenen Mengen nicht eingeleiteten Abwassers. Einer Bildung derartiger Erfahrungsgrundlagen stand und steht namentlich entgegen, dass verallgemeinerungsfähige Werte wegen der unterschiedlichen Produktionsverhältnisse in den jeweiligen Einzelbetrieben nicht zu ermitteln sind (dazu Gössl, a.a.O.; Queitsch, a.a.O., S. 84; Bleile, a.a.O., je m.w.N.). Welcher Wasseranteil verarbeitet und daher nicht als Abwasser eingeleitet ist, richtet sich nach der jeweiligen konkreten Rezeptur für eine Wurstsorte, mithin nach individuellen, von Betrieb zu Betrieb und von Produkt zu Produkt unterschiedlichen Vorgaben (Einzelheiten bei Queitsch, a.a.O. S. 84; vgl. auch Bleile, a.a.O. S. 11).
24 
Anerkannt ist indes auch, dass bei Fehlen solcher verallgemeinerungsfähiger Erfahrungswerte die Möglichkeit eröffnet ist, die dem betroffenen Betrieb zuzuordnenden Absatzmengen einzelfallbezogen festzustellen. Sind Messeinrichtungen - wie hier - für den Betrieb nicht vorhanden oder unzureichend, ist der satzungsrechtlich geforderte Nachweis durch eine dann betriebsbezogene Ermittlung zu erbringen, wie etwa durch ein Einzelgutachten, das nachvollziehbare Rückschlüsse auf die dem konkreten Betrieb zuzuordnenden Werte erlaubt und daher als Grundlage (Nachweis) für die Feststellung nicht eingeleiteter Abwassermengen ausreicht (vgl. nur Bleile a.a.O.). Mit dem Verwaltungsgericht ist daher davon auszugehen, dass der satzungsrechtlich geforderte „Nachweis“ - soweit Messeinrichtungen oder Erfahrungswerte fehlen - eine Darlegung schlüssiger Umstände erfordert, aus denen sich die Menge nicht eingeleiteten Wassers für den konkreten Betrieb ermitteln lässt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts, das von einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgeht, statt die mit dem Nachweis geforderten tatsächlich festgestellten Mengen nicht eingeleiteten Wassers zugrunde zu legen, ist allerdings eine solche schlüssige Darlegung und damit der geforderte Nachweis durch den Kläger für den noch streitigen Mengenanteil hier nicht erfolgt.
25 
(a) Das Verwaltungsgericht hat eine Teilmenge an Frischwasser für nachgewiesen gehalten, die 12,5 % der Menge der vom Kläger in den streitigen Jahren bezogenen Menge an Frischfleisch entspricht, da diese Menge bei der üblichen Wurstherstellung Verwendung finde. Es hat dabei zugrunde gelegt, dass der Kläger eine Stellungnahme des Instituts für Fleischforschung, Fleischtechnologie und Qualitätssicherung vom 3.3.2005 vorgelegt hat, die die Annahme der anteiligen Menge an Frischwasser bei der Wurstherstellung belegt. Dass dies den geforderten Nachweis im obigen Sinn nicht darstellt, macht die Beklagte zutreffend geltend. Denn die Angaben des Instituts sind nicht betriebsbezogen ermittelt; es fehlt ein Zusammenhang mit den Besonderheiten des klägerischen Betriebs, auf die es aber entscheidend ankommen muss. Als "Nachweis" scheiden die Angaben des Fachinstituts aber auch deshalb aus, weil sie nicht in Einklang zu bringen sind mit denen des Klägers. Abgesehen von unterschiedlichen Angaben zum Anteil des Frischfleischs hat der Kläger auch einen erheblich höheren Anteil des bei der Wurstherstellung verarbeiteten Frischwassers pro kg Magerfleisch angegeben, als nach der Stellungnahme belegt werden soll. Das Verwaltungsgericht hat für die abweichenden Angaben des Klägers daher auch zu Recht dargelegt, dass sie als Grundlage eines Nachweises gerade nicht in Betracht kommen. Macht aber der Betroffene selbst Angaben, die erheblich von denen abweichen, auf die er sich als allgemeine Erfahrungswerte stützen will, nimmt er letzteren die Tauglichkeit, sie als allgemein maßgebliche Werte heranzuziehen. Auch das Verwaltungsgericht legt nicht dar, warum es sich bei den Angaben in der Stellungnahme vom 3.3.2005 um für den Betriebstyp allgemein anerkannte Erfahrungswerte handelt, obwohl sich die betriebstypischen Abläufe von Betrieb zu Betrieb notwendigerweise unterscheiden. Dass sich im Übrigen die vom Verwaltungsgericht festgestellten „Rundungsunschärfen“ verbieten, folgt aus dem für den Nachweis geforderten Wirklichkeitsmaßstab.
26 
(b) Als nachgewiesen hat das Verwaltungsgericht ferner eine Wassermenge von 25 m³ pro Jahr angesehen, die einem Verbrauch beim Betrieb des Wasserdampfkochschrankes entspräche. Diese Verbrauchsmenge ist zwar durch einen Wasserzähler festgehalten, der jedoch im Zeitraum zwischen 20.4.2004 und 20.4.2005 abgelesen worden ist. Hinsichtlich dieses Ablesezeitraums macht die Beklagte geltend, der festgestellte Verbrauch sei auf die Werte in den streitigen Jahre 2001 und 2002 nicht übertragbar. Dem ist zu folgen. Nimmt man in Blick, dass nach dem vom Kläger vorgelegten „Gutachten“ des Fleischerverbands Bayern vom 28.4.2005 eine für den Dampfkochschrank maßgebliche nicht eingeleitete Wassermenge von lediglich 4,8 m³ anzusetzen wäre, verliert auch die Feststellung für 2005 an Maßgeblichkeit und daher ihre Eignung, die für die vergangenen Jahre maßgeblichen Werte als nachgewiesen anzusehen. Auch insoweit gilt, dass der Nachweispflicht wegen der nicht nachvollziehbaren "Abweichung" der Angaben nicht nachgekommen ist. Auch wenn ein Messergebnis tatsächlich vorliegt, muss es deshalb an Aussagekraft verlieren, zumal auch unterschiedliche Erfassungszeiträume in Rede stehen, und daher auch unklar bleiben muss, ob überhaupt gleiche Produktions- und Mengenverhältnisse in den jeweiligen Jahren festgestellt werden können. Die Beklagte hat dem Messergebnis im Übrigen Rechnung getragen, wenn sie für den genannten „Messzeitraum“ eine Absetzung ausdrücklich anerkennt.
27 
(c) Das Verwaltungsgericht hat ferner die Verdunstungsmenge von 11,2 m³ als („gerade noch“) nachgewiesene nicht eingeleitete Abwassermenge beurteilt. Auch diese Menge ist einem Gutachten entnommen, das für einen Fremdbetrieb erstellt worden ist und daher bereits dem Grunde nach nicht ohne Darlegung einer Vergleichbarkeit herangezogen werden darf. Allerdings beruht die Annahme des Verwaltungsgerichts auch auf Angaben aus einem Arbeitsblatt der Arbeitsmappe des Heizungsingenieurs. Deren Übertragung auf „ca. 80 m²“, die im klägerischen Betrieb die Fläche der klimatisierten Produktionsräume darstellen sollen, sieht das Verwaltungsgericht als gerechtfertigt an. Dieser Annahme ist nicht zu folgen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass nur ein Gutachten zu einem Drittgerät vorgelegt worden ist und der Kläger auch nicht vorgetragen habe, warum dieses Fremdgutachten auf die von ihm verwendete Klimaanlage übertragbar sei. Es kommt hinzu, dass das Verwaltungsgericht selbst das „Gutachten“ als im Übrigen unbrauchbar eingestuft und es lediglich hinsichtlich der Verdunstungsmenge als „nachvollziehbar berechnet“ angesehen hat. Zwar mag die Berechnungsweise methodisch vertretbar sein, indes fehlt ihr hier aber der konkrete Bezug zu den besonderen Gegebenheiten im Betrieb des Klägers und damit letztendlich die Möglichkeit, Grundlage des Nachweises insoweit nicht eingeleiteter Wassermengen zu sein (vgl. im Übrigen auch die grundsätzlichen Bedenken gegen den Abzug von Verdunstungsmengen bei Queitsch, a.a.O. S 85).
28 
(d) Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen zutreffend dargelegt, dass die weiter unterbreiteten Angaben des Klägers als Nachweis nicht eingeleiteter Abwassermengen ungeeignet sind. Darauf kann verwiesen werden. Ist daher nach allem die Annahme gerechtfertigt, dass der nach § 40 Abs. 1 AbwS geforderte Nachweis der nicht eingeleiteten Wassermenge für die Jahre 2001 und 2002 nicht erbracht ist, erübrigt es sich, auf die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts einzugehen, eine Absetzung nicht eingeleiteter Frischwassermengen müsse aus Gründen der Gleichbehandlung ohne Berücksichtigung der satzungsrechtlich nach Abs. 1 Satz 2 dieser Bestimmung von der Absetzung ausgenommenen Menge von 20 m³/Jahr erfolgen.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
30 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
31 
Beschluss
vom 5. Oktober 2006
32 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 252,76 EUR festgesetzt (vgl. § 52 Abs. 3 GKG, § 5 ZPO; Wert der vom Verwaltungsgericht anerkannten Absatzmengen für die Jahre 2001 und 2002 in Höhe von 84,8 m² x 3,05 bzw. 2,91 EUR).
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.