Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 15. Juni 2005 - 1 S 2718/04

bei uns veröffentlicht am15.06.2005

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringens vom 22. September 2003 - 1 K 1727/02 - geändert: es wird festgestellt, dass die Beschlagnahme der schwarz-weiß-roten Fahne am 25. Juni 2002 durch den Polizeivollzugsdienst der Polizeidirektion U. rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme einer Fahne.
Am 25.06.2002 fanden sich auf dem R.platz/M.platz in U. nach dem Halbfinalspiel der Fußballweltmeisterschaft zahlreiche Personen ein, um den Einzug der deutschen Fußballnationalmannschaft in das Endspiel zu feiern. Der Kläger hielt sich zusammen mit Bekannten ebenfalls dort auf; er führte die schwarz-weiß-rote Flagge des deutschen Kaiserreichs mit, auf deren Fahnenstock ein vergoldeter Adler angebracht war. Die Fahne des Klägers sowie eine gleichartige Fahne einer weiteren Person wurden von der Polizei beschlagnahmt.
Im Bericht des Polizeireviers U.-Mitte vom 27.06.2002, der im Anschluss an die Beschlagnahme vom Einsatzleiter, POK ..., gefertigt wurde, wurde ausgeführt, dass die Feier auf dem R.platz im Wesentlichen störungsfrei verlaufen sei. Auffällig seien lediglich 6-10 junge Männer - unter ihnen der Kläger - gewesen, die der rechten Szene zuzuordnen seien. Sie hätten die anderen Fans mittels mitgebrachter Reichsflaggen provoziert. - Im Vorlagebericht der Polizeidirektion U. an das Regierungspräsidium Tübingen vom 16.08.2002 wird hierzu ergänzend ausgeführt, dass aus der Gruppe mehrfach „Deutschland den Deutschen“ und ähnliches gerufen sowie die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen worden sei. - Beim ersten Versuch der polizeilichen Beschlagnahme sei es zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gekommen. Danach sei die Flagge des Klägers und eine weitere Flagge beschlagnahmt worden; diese hätten nach Ende der Feier gegen 22:00 Uhr wieder ausgehändigt werden können. Mit Schreiben vom 05.07.2002 wurde dem Kläger nochmals mitgeteilt, dass die Flaggen auf dem Polizeirevier abgeholt werden könnten.
Bereits am 27.06.2002 hatte der Kläger beim Amtsgericht Ulm die Aufhebung der Beschlagnahme beantragt und zugleich beim Verwaltungsgericht Sigmaringen - eine später zurückgenommene - Klage (1 K 1535/02) erhoben. Mit Beschluss vom 05.08.2002 verwies das Amtsgericht Ulm den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Sigmaringen, da die Beschlagnahme aus präventiven Gründen aufgrund des Polizeigesetzes erfolgt und deswegen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei.
Zur Begründung des vor dem Verwaltungsgericht verfolgten Fortsetzungsfeststellungsbegehrens hat der Kläger geltend gemacht, dass sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse zum einen aus einer Wiederholungsgefahr ergebe, denn bereits während des Gerichtsverfahrens sei ihm erneut aufgegeben worden, zwei Fahnen von den Fenstern seiner Wohnung zu entfernen. Zum anderen habe er ein Rehabilitierungsinteresse, denn er sei in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG verletzt worden. Der Beklagte gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus, wenn ihm die Provokation anderer Besucher vorgeworfen werde. Er habe sich lediglich mit einem Freund zum R.platz begeben und dort einen Arbeitskollegen getroffen; in einer Gruppe habe er sich aber nicht befunden. Die mitgeführte Fahne habe er auf dem Rücken getragen und nicht geschwenkt. Parolen seien weder von seinen drei Begleitern noch von ihm skandiert worden. Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit habe nicht vorgelegen; die Reichsflagge erfülle ebensowenig wie die Reichskriegsflagge den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB. Außerdem werde durch das Zeigen einer schwarz-weiß-roten Fahne nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoßen; auf die Sichtweise eines Beobachters komme es nicht an. Die Fahne gelte als Symbol der Monarchie und erwecke darüber hinaus keine anderen Assoziationen. Die behauptete provokante Wirkung der Fahne mache ihn nicht zum Zweckveranlasser; auf eine Eskalation der Lage mit nachfolgender Körperverletzung und Sachbeschädigung habe er es nicht angelegt. Er dürfe aber auch nicht als Nichtstörer in Anspruch genommen werden. Jedenfalls sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft gewesen, da ein milderes Mittel, wie z. B. die Aufforderung, die Fahne einzurollen, nicht in Betracht gezogen worden sei. Außerdem seien vorgeschriebene Formalitäten nicht beachtet worden, indem ihm eine Quittung über die Beschlagnahme verweigert worden sei.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Beschlagnahme nach § 33 PolG vorgelegen hätten. Der Kläger habe sich in einer Personengruppe befunden, aus der nationalistische Parolen skandiert worden seien, und er habe eine Fahne geschwenkt. Diese Fahne habe in ihrem Erscheinungsbild der Reichskriegsflagge geähnelt. Andere Teilnehmer an den Feierlichkeiten auf dem R.platz hätten sich dadurch gestört gefühlt und es sei eine angespannte Situation entstanden. Eine Störung der öffentlichen Ordnung sei eingetreten gewesen, da ein objektiver Beobachter das Schwenken der Flagge als einen Verstoß gegen § 130 StGB, nämlich als Aufruf zu Gewalt gegen Ausländer, habe verstehen können. Eine Störung der öffentlichen Sicherheit habe unmittelbar bevorgestanden, da bei einem Nichteinschreiten wegen der bevorstehenden Eskalation mit Körperverletzungen und Sachschäden habe gerechnet werden müssen. Der Kläger sei somit Verhaltensstörer i.S. von § 6 Abs. 1 PolG gewesen. Jedenfalls habe gegen den Kläger nach § 9 PolG vorgegangen werden können, um sicherzustellen, dass es zu keinen Auseinandersetzungen komme, da anderenfalls die gesamte Feierlichkeit hätte beendet werden müssen.
Mit Urteil vom 22. September 2003 hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen, das in der mündlichen Verhandlung den Kläger informatorisch befragt sowie den Einsatzleiter der Polizei, PHK ..., und zwei weitere Zeugen vernommen hat, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig; das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich jedenfalls aus einer Wiederholungsgefahr. Sie sei aber unbegründet, da die Beschlagnahme der Fahne rechtmäßig gewesen sei. Die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Einschreiten nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG hätten vorgelegen. Vor der Beschlagnahme der Fahne habe eine Störung der öffentlichen Sicherheit unmittelbar bevorgestanden. Dies ergebe sich aus der Aussage des Zeugen ..., der die Situation während der Siegesfeier nachvollziehbar in der Weise eingeschätzt habe, dass es ohne polizeiliche Maßnahmen zu folgenschweren Auseinandersetzungen zwischen der Gruppe des Klägers und anderen Teilnehmern kommen werde. Ob der Kläger und seine Begleiter Verhaltensstörer im Sinne des § 6 Abs. 1 PolG gewesen seien, könne offen bleiben, denn die Maßnahme der Polizei sei im konkreten Fall jedenfalls gem. § 9 PolG zulässig gewesen. Die Polizei habe nicht ausreichend eigene Mittel zur Verfügung gehabt, um auf andere Art und Weise möglichen Ausschreitungen zwischen Personengruppen inmitten Hunderter von Menschen zu begegnen. Die Polizei habe keinen Anlass gehabt, sich auf einen solchen Fall vorzubereiten; die Lage unterscheide sich von Veranstaltungen politischer Parteien, bei denen Gegendemonstrationen angekündigt seien. Auf das Recht der Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 GG könne sich der Kläger nicht stützen, da die Teilnahme an einer Siegesfeier anlässlich eines Fußballspieles auch dann nicht vom Versammlungsbegriff umfasst sei, wenn einige Teilnehmer Flaggen bei sich führten. Darüber hinaus sei die Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerfrei gefällt worden. Der Zeuge ... habe die betroffenen Belange erkannt und sich ohne Rechtsfehler für ein Einschreiten gegen den Kläger entschlossen. Die Beschlagnahme sei schließlich nicht deswegen rechtswidrig, weil die verlangte Quittung nicht ausgestellt worden sei.
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 15.11.2004 - 1 S 2588/03 - zugelassenen Berufung führt der Kläger aus: Unzutreffend sei das Verwaltungsgericht vom Vorliegen einer Gefahrenlage ausgegangen, denn es habe die Zeugenaussagen unrichtig gewürdigt; zu Unrecht habe sich das Verwaltungsgericht auf die widersprüchlichen Aussagen des Zeugen ... gestützt. Aber auch dann, wenn eine Gefahrenlage vorgelegen hätte, sei es keinesfalls zulässig gewesen, ihn als Störer in Anspruch zu nehmen. Vielmehr hätte die Polizei gegen die Störer vorgehen müssen. Es könne dabei nicht davon ausgegangen werden, dass die Polizei nicht in der Lage gewesen sei, die Ruhe auf dem R.platz aufrecht zu erhalten. Sollte dies doch der Fall gewesen sein, dürfe dies keine negativen Konsequenzen für ihn nach sich ziehen. Das Grundrecht aus Art. 5 GG dürfe nicht allein deshalb beschnitten werden, weil andere Personen sich durch eine Meinungsäußerung gestört fühlten; auch bei unliebsamen Meinungsäußerungen müsse der Schutz vor Störern gewährleistet sein.
Der Kläger beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringens vom 22. September 2003 - 1 K 1727/02 - zu ändern und festzustellen, dass die Beschlagnahme der schwarz-weiß-roten Fahne am 25. Juni 2002 durch den Polizeivollzugsdienst der Polizeidirektion U. rechtswidrig war.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er verteidigt das angefochtene Urteil
14 
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen PHK ... und ...; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren, sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Denn sie erweist sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht lediglich als zulässig, sondern auch als begründet.
16 
Die in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig. Der Kläger kann sich insbesondere auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse berufen. Ob sich dies - wie das Verwaltungsgericht meint - aus einer Wiederholungsgefahr ergibt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls folgt ein ideelles Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme aus dem mit ihr verbundenen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit, der wegen des durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz auch bei - wie hier - typischerweise kurzfristiger Erledigung einer gerichtlichen Kontrolle in einem Hauptsacheverfahren unterliegen muss (vgl. hierzu aus der Rspr. des erkennenden Senats zuletzt Urteile vom 07.12.2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 f. und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, jeweils m.w.N.).
17 
Die Klage ist auch begründet; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Senat nicht feststellen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten gegen den Kläger vorlagen.
18 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG ist die Polizei - gemäß § 60 Abs. 3 PolG neben der allgemeinen Polizeibehörde auch der Polizeivollzugsdienst - zur Beschlagnahme einer Sache ermächtigt, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung erforderlich ist.
19 
Eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung war weder allein durch das Zeigen der Reichsflagge noch zusammen mit den Begleitumständen bereits eingetreten.
20 
Mit dem Zeigen von symbolträchtigen Gegenständen wie einer Fahne wird von der Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Deren Grenzen werden - wie das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit versammlungsrechtlichen Maßnahmen klargestellt hat (vgl. zuletzt Beschluss 20.6.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <155 f.>) - vorbehaltlich des Schutzes der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre durch die Strafrechtsordnung gezogen. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit setzt insoweit eine tatbestandliche Eingrenzung voraus, die den Rückgriff auf das polizeiliche Schutzgut der öffentlichen Ordnung - auch als vermeintlich verfassungsunmittelbarer Schranke für die Äußerung einer rechtsextremistischen Ideologie - verbietet.
21 
Strafrechtlich relevant ist das Zeigen der vom Kläger mitgeführten Flagge nicht; davon ist offensichtlich auch der Polizeivollzugsdienst ausgegangen, der ausdrücklich eine polizeirechtliche und nicht etwa eine strafprozessuale Beschlagnahme angeordnet hat.
22 
Der Straftatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der die Verwendung von Kennzeichen bestimmter politischer Organisationen unter Strafe stellt, ist hier nicht erfüllt. Die schwarz-weiß-rote Flagge des (2.) deutschen Kaiserreichs hat zwar, wie dem Senat aus zahlreichen - insbesondere versammlungsrechtlichen - Verfahren bekannt ist, heute in der politischen Auseinandersetzung nicht vorrangig einen monarchistischen Gehalt, sondern steht für die entschiedene Ablehnung der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie. Ungeachtet der vom Kläger auch vor dem Senat gewählten Selbstdarstellung, bei der er sich als politisch eher unbedarft präsentiert und vornehmlich historisch interessiert bezeichnet hat, spricht vieles dafür, dass er gerade auf diese Bedeutung - deren Kenntnis hat er nicht in Abrede gestellt - als Gegenpol zur bestehenden politischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland Wert legt. Die Affinität des äußersten rechten Randes des politischen Spektrums zu dieser Flagge, die sich nicht zuletzt auch daraus erklären mag, dass sie nach dem Ende der Weimarer Republik, die in Art. 3 Satz 1 WRV schwarz-rot-gold zu den Reichsfarben bestimmt hatte, von 1933 bis 1935 wieder die Nationalflagge des Deutschen Reiches war und das Dritte Reich sich auch danach in der Hakenkreuzfahne dieser Farben bedient hat, macht die schwarz-weiß-rote Fahne aber nicht zum Kennzeichen einer verbotenen nationalsozialistischen Organisation.
23 
Das Zeigen der Flagge als solches ist - ungeachtet der damit zum Ausdruck gebrachten Nähe zu rechtsextremistischen und oftmals fremdenfeindlichen Ansichten - nicht als Volksverhetzung nach § 130 StGB strafbar. Ob das Tragen der Fahne rechtlich anders zu qualifizieren ist, wenn dabei zugleich ausländerfeindliche Parolen gerufen werden, kann hier dahinstehen. Denn nach der Beweisaufnahme kann weder festgestellt werden, dass der Kläger selbst solche Parolen gerufen hat, noch davon ausgegangen werden, dass er sich entsprechende Rufe von dritter Seite zurechnen lassen müsste. Nach den Einlassungen des Klägers, die vom Zeugen ... bestätigt worden sind, hat er sich nur kurze Zeit am Rande der Siegesfeier im vorderen Bereich des Rathaus aufgehalten, bevor er vom Zeugen ... auf die Fahnen angesprochen wurde; politische Parolen hat er damals nicht gerufen. Der Zeuge ... hat nicht behauptet, dass er Rufe wie „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ dem Kläger habe zuordnen können. Vielmehr sind solche Parolen nach seiner Erinnerung aus einer Personengruppe gekommen, bei der bereits einige Zeit zuvor eine Fahne beschlagnahmt worden war; dies hat sich im hinteren Bereich des Platzes in der Nähe des Brunnens abgespielt. Der Senat kann sich indes nicht davon überzeugen, dass - wie der Zeuge ... meint - der Kläger sich dort aufgehalten hat; demnach fehlt es schon an jeglicher Grundlage für die Annahme, er habe sich durch seine bloße Anwesenheit solche Parolen zu eigen gemacht.
24 
Der Polizeivollzugsdienst war auch nicht zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit zur Beschlagnahme berechtigt.
25 
Eine unmittelbar bevorstehenden Störung liegt nur dann vor, wenn der Eintritt der Störung nach allgemeiner Erfahrung sofort oder in allernächster Zeit bevorsteht und als gewiss anzusehen ist, falls nicht eingeschritten wird (vgl. Senatsurteile vom 10.07.2000 - 1 S 2239/99 -, VBlBW 2001, 102 <103>, vom 20.02.1995 - 1 S 3184/94 -, VBlBW 1995, 282, sowie Senatsbeschluss vom 28.08.1986 - 1 S 3241/85 -, VBlBW 1987, 183). Bei der Überprüfung der erforderlichen Prognoseentscheidung, auf die sich die Annahme einer solchen sowohl auf die große zeitliche Nähe als auch auf die hohe Wahrscheinlichkeit eines Störungseintritts bezogenen Lageeinschätzung gründet, ist nach den Grundsätzen der ex-ante-Sicht auf diejenigen Erkenntnismöglichkeiten abzustellen, die dem einschreitenden Beamten im Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung standen. Dabei ist auch den spezifischen Handlungsbedingungen des Polizeivollzugsdienstes Rechnung zu tragen, der unmittelbar an Ort und Stelle und kurzfristig auf sich schnell verändernde Situationen reagieren muss. Bei Beachtung dieser Grundsätze kann der Senat nicht feststellen, dass der Zeuge ... sich bei der seinem Einschreiten zugrunde liegenden Gefahrenprognose auf eine hinreichend verlässliche Tatsachen- und Erfahrungsgrundlage stützen konnte.
26 
Der Zeuge ... als der für einen störungsfreien Verlauf der Feier verantwortliche Einsatzleiter wollte mit der Beschlagnahme der Fahne des Klägers der Gefahr gewalttätiger Konfrontationen begegnen, die sich zumindest auch an der von anderen Teilnehmern der Siegesfeier als Provokation empfundenen Fahne entzünden konnten. Anhaltspunkt für die befürchtete Eskalation der Lage war dabei insbesondere die Unmutsäußerung eines Teilnehmers, der ein polizeiliches Einschreiten gegen diejenigen Personen forderte, die Reichsflaggen mit sich führten, und von ihm als Rechtsradikale eingeordnet wurden. Dieser Teilnehmer hatte für den Fall der Untätigkeit der Polizei zwar eigenes Eingreifen angekündigt. Der Schluss auf unmittelbar bevorstehende - und mit den zur Verfügung stehenden polizeilichen Kräften nicht mehr beherrschbare - handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und Angehörigen der insbesondere durch entsprechende Parolen erkennbaren „rechten Szene“ einerseits und anderen Teilnehmern der Feier, die sich an der Kundgabe solcher politischen Äußerungen störten, andererseits, war aber nicht gerechtfertigt. Der Zeuge ... selbst hat auf ausdrückliche Nachfrage des Senats die Wahrscheinlichkeit, dass die Drohung, „selbst etwas gegen die Rechtsradikalen zu unternehmen“, in die Tat umgesetzt worden wäre, als eher gering bewertet. Diese Einschätzung entspricht der Umschreibung des das Einschreiten fordernden Mannes als eines „Normalbürgers“, der nicht in aggressiver Weise aufgetreten ist oder einer „linken Szene“ zuzuordnen war. Auch unter den übrigen Teilnehmern der Feier hat der Zeuge ... Mitglieder einer linken Szene, die - wie manche Anhänger von sogenannten „Antifa“-Gruppierungen - vor einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen nicht zurückschrecken, nicht ausgemacht. Die angesichts dieser Umstände verbleibende Befürchtung, dass es zu Diskussionen und im Anschluss daran - nicht zuletzt wegen alkoholbedingter Enthemmung eines Teils der Anwesenden - zu Konfrontationen kommen könnte, ist zu vage und zu unbestimmt, um die Annahme einer für § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG erforderlichen Störungslage zu stützen. Der Verweis auf den Vorfall um 16:00 Uhr, bei dem es bei einer Personenkontrolle zu Widerstandshandlungen gekommen war, ändert daran nichts. Denn dabei handelte es sich um ein Vorgehen der Polizei gegen Störer, nicht jedoch - wie nun befürchtet - um eine Auseinandersetzung unter den Teilnehmern der Feier.
27 
Der Zeuge ... war letztlich bestrebt, schon im Vorfeld jeglichen Ansatz für eine Störung bereits im Keim zu ersticken; dies mag nicht zuletzt im Interesse derjenigen Fußballfans, die möglichst ungestört und unbelastet von einer politischen Vereinnahmung von ungebetener Seite feiern wollten, nachvollziehbar gewesen sein. Eine Gefahrenvorsorge in diesem Sinne ist den Polizeibehörden indes nicht zugewiesen; vielmehr ist auch eine mit dem Gebrauch der Reichsflagge beabsichtigte politische Provokation hinzunehmen, solange die Gefahrenschwelle nicht überschritten ist.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
29 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

 
15 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Denn sie erweist sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht lediglich als zulässig, sondern auch als begründet.
16 
Die in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig. Der Kläger kann sich insbesondere auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse berufen. Ob sich dies - wie das Verwaltungsgericht meint - aus einer Wiederholungsgefahr ergibt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls folgt ein ideelles Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme aus dem mit ihr verbundenen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit, der wegen des durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz auch bei - wie hier - typischerweise kurzfristiger Erledigung einer gerichtlichen Kontrolle in einem Hauptsacheverfahren unterliegen muss (vgl. hierzu aus der Rspr. des erkennenden Senats zuletzt Urteile vom 07.12.2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 f. und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, jeweils m.w.N.).
17 
Die Klage ist auch begründet; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Senat nicht feststellen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten gegen den Kläger vorlagen.
18 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG ist die Polizei - gemäß § 60 Abs. 3 PolG neben der allgemeinen Polizeibehörde auch der Polizeivollzugsdienst - zur Beschlagnahme einer Sache ermächtigt, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung erforderlich ist.
19 
Eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung war weder allein durch das Zeigen der Reichsflagge noch zusammen mit den Begleitumständen bereits eingetreten.
20 
Mit dem Zeigen von symbolträchtigen Gegenständen wie einer Fahne wird von der Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Deren Grenzen werden - wie das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit versammlungsrechtlichen Maßnahmen klargestellt hat (vgl. zuletzt Beschluss 20.6.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <155 f.>) - vorbehaltlich des Schutzes der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre durch die Strafrechtsordnung gezogen. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit setzt insoweit eine tatbestandliche Eingrenzung voraus, die den Rückgriff auf das polizeiliche Schutzgut der öffentlichen Ordnung - auch als vermeintlich verfassungsunmittelbarer Schranke für die Äußerung einer rechtsextremistischen Ideologie - verbietet.
21 
Strafrechtlich relevant ist das Zeigen der vom Kläger mitgeführten Flagge nicht; davon ist offensichtlich auch der Polizeivollzugsdienst ausgegangen, der ausdrücklich eine polizeirechtliche und nicht etwa eine strafprozessuale Beschlagnahme angeordnet hat.
22 
Der Straftatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der die Verwendung von Kennzeichen bestimmter politischer Organisationen unter Strafe stellt, ist hier nicht erfüllt. Die schwarz-weiß-rote Flagge des (2.) deutschen Kaiserreichs hat zwar, wie dem Senat aus zahlreichen - insbesondere versammlungsrechtlichen - Verfahren bekannt ist, heute in der politischen Auseinandersetzung nicht vorrangig einen monarchistischen Gehalt, sondern steht für die entschiedene Ablehnung der freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie. Ungeachtet der vom Kläger auch vor dem Senat gewählten Selbstdarstellung, bei der er sich als politisch eher unbedarft präsentiert und vornehmlich historisch interessiert bezeichnet hat, spricht vieles dafür, dass er gerade auf diese Bedeutung - deren Kenntnis hat er nicht in Abrede gestellt - als Gegenpol zur bestehenden politischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland Wert legt. Die Affinität des äußersten rechten Randes des politischen Spektrums zu dieser Flagge, die sich nicht zuletzt auch daraus erklären mag, dass sie nach dem Ende der Weimarer Republik, die in Art. 3 Satz 1 WRV schwarz-rot-gold zu den Reichsfarben bestimmt hatte, von 1933 bis 1935 wieder die Nationalflagge des Deutschen Reiches war und das Dritte Reich sich auch danach in der Hakenkreuzfahne dieser Farben bedient hat, macht die schwarz-weiß-rote Fahne aber nicht zum Kennzeichen einer verbotenen nationalsozialistischen Organisation.
23 
Das Zeigen der Flagge als solches ist - ungeachtet der damit zum Ausdruck gebrachten Nähe zu rechtsextremistischen und oftmals fremdenfeindlichen Ansichten - nicht als Volksverhetzung nach § 130 StGB strafbar. Ob das Tragen der Fahne rechtlich anders zu qualifizieren ist, wenn dabei zugleich ausländerfeindliche Parolen gerufen werden, kann hier dahinstehen. Denn nach der Beweisaufnahme kann weder festgestellt werden, dass der Kläger selbst solche Parolen gerufen hat, noch davon ausgegangen werden, dass er sich entsprechende Rufe von dritter Seite zurechnen lassen müsste. Nach den Einlassungen des Klägers, die vom Zeugen ... bestätigt worden sind, hat er sich nur kurze Zeit am Rande der Siegesfeier im vorderen Bereich des Rathaus aufgehalten, bevor er vom Zeugen ... auf die Fahnen angesprochen wurde; politische Parolen hat er damals nicht gerufen. Der Zeuge ... hat nicht behauptet, dass er Rufe wie „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ dem Kläger habe zuordnen können. Vielmehr sind solche Parolen nach seiner Erinnerung aus einer Personengruppe gekommen, bei der bereits einige Zeit zuvor eine Fahne beschlagnahmt worden war; dies hat sich im hinteren Bereich des Platzes in der Nähe des Brunnens abgespielt. Der Senat kann sich indes nicht davon überzeugen, dass - wie der Zeuge ... meint - der Kläger sich dort aufgehalten hat; demnach fehlt es schon an jeglicher Grundlage für die Annahme, er habe sich durch seine bloße Anwesenheit solche Parolen zu eigen gemacht.
24 
Der Polizeivollzugsdienst war auch nicht zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit zur Beschlagnahme berechtigt.
25 
Eine unmittelbar bevorstehenden Störung liegt nur dann vor, wenn der Eintritt der Störung nach allgemeiner Erfahrung sofort oder in allernächster Zeit bevorsteht und als gewiss anzusehen ist, falls nicht eingeschritten wird (vgl. Senatsurteile vom 10.07.2000 - 1 S 2239/99 -, VBlBW 2001, 102 <103>, vom 20.02.1995 - 1 S 3184/94 -, VBlBW 1995, 282, sowie Senatsbeschluss vom 28.08.1986 - 1 S 3241/85 -, VBlBW 1987, 183). Bei der Überprüfung der erforderlichen Prognoseentscheidung, auf die sich die Annahme einer solchen sowohl auf die große zeitliche Nähe als auch auf die hohe Wahrscheinlichkeit eines Störungseintritts bezogenen Lageeinschätzung gründet, ist nach den Grundsätzen der ex-ante-Sicht auf diejenigen Erkenntnismöglichkeiten abzustellen, die dem einschreitenden Beamten im Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung standen. Dabei ist auch den spezifischen Handlungsbedingungen des Polizeivollzugsdienstes Rechnung zu tragen, der unmittelbar an Ort und Stelle und kurzfristig auf sich schnell verändernde Situationen reagieren muss. Bei Beachtung dieser Grundsätze kann der Senat nicht feststellen, dass der Zeuge ... sich bei der seinem Einschreiten zugrunde liegenden Gefahrenprognose auf eine hinreichend verlässliche Tatsachen- und Erfahrungsgrundlage stützen konnte.
26 
Der Zeuge ... als der für einen störungsfreien Verlauf der Feier verantwortliche Einsatzleiter wollte mit der Beschlagnahme der Fahne des Klägers der Gefahr gewalttätiger Konfrontationen begegnen, die sich zumindest auch an der von anderen Teilnehmern der Siegesfeier als Provokation empfundenen Fahne entzünden konnten. Anhaltspunkt für die befürchtete Eskalation der Lage war dabei insbesondere die Unmutsäußerung eines Teilnehmers, der ein polizeiliches Einschreiten gegen diejenigen Personen forderte, die Reichsflaggen mit sich führten, und von ihm als Rechtsradikale eingeordnet wurden. Dieser Teilnehmer hatte für den Fall der Untätigkeit der Polizei zwar eigenes Eingreifen angekündigt. Der Schluss auf unmittelbar bevorstehende - und mit den zur Verfügung stehenden polizeilichen Kräften nicht mehr beherrschbare - handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und Angehörigen der insbesondere durch entsprechende Parolen erkennbaren „rechten Szene“ einerseits und anderen Teilnehmern der Feier, die sich an der Kundgabe solcher politischen Äußerungen störten, andererseits, war aber nicht gerechtfertigt. Der Zeuge ... selbst hat auf ausdrückliche Nachfrage des Senats die Wahrscheinlichkeit, dass die Drohung, „selbst etwas gegen die Rechtsradikalen zu unternehmen“, in die Tat umgesetzt worden wäre, als eher gering bewertet. Diese Einschätzung entspricht der Umschreibung des das Einschreiten fordernden Mannes als eines „Normalbürgers“, der nicht in aggressiver Weise aufgetreten ist oder einer „linken Szene“ zuzuordnen war. Auch unter den übrigen Teilnehmern der Feier hat der Zeuge ... Mitglieder einer linken Szene, die - wie manche Anhänger von sogenannten „Antifa“-Gruppierungen - vor einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen nicht zurückschrecken, nicht ausgemacht. Die angesichts dieser Umstände verbleibende Befürchtung, dass es zu Diskussionen und im Anschluss daran - nicht zuletzt wegen alkoholbedingter Enthemmung eines Teils der Anwesenden - zu Konfrontationen kommen könnte, ist zu vage und zu unbestimmt, um die Annahme einer für § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG erforderlichen Störungslage zu stützen. Der Verweis auf den Vorfall um 16:00 Uhr, bei dem es bei einer Personenkontrolle zu Widerstandshandlungen gekommen war, ändert daran nichts. Denn dabei handelte es sich um ein Vorgehen der Polizei gegen Störer, nicht jedoch - wie nun befürchtet - um eine Auseinandersetzung unter den Teilnehmern der Feier.
27 
Der Zeuge ... war letztlich bestrebt, schon im Vorfeld jeglichen Ansatz für eine Störung bereits im Keim zu ersticken; dies mag nicht zuletzt im Interesse derjenigen Fußballfans, die möglichst ungestört und unbelastet von einer politischen Vereinnahmung von ungebetener Seite feiern wollten, nachvollziehbar gewesen sein. Eine Gefahrenvorsorge in diesem Sinne ist den Polizeibehörden indes nicht zugewiesen; vielmehr ist auch eine mit dem Gebrauch der Reichsflagge beabsichtigte politische Provokation hinzunehmen, solange die Gefahrenschwelle nicht überschritten ist.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
29 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Sonstige Literatur

 
30 
Rechtsmittelbelehrung
31 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
32 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
33 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
34 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
35 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
36 
Beschluss
37 
vom 15. Juni 2005
38 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§ 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
39 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 15. Juni 2005 - 1 S 2718/04 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 13 Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung


Über den Antrag auf Eröffnung des Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung soll erst nach Zahlung der dafür vorgesehenen Gebühr und der Auslagen für die öffentliche Bekanntmachung entschieden werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 130 Volksverhetzung


(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,1.gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehör

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 25 Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung


Die Kosten des Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung schuldet, wer das Verfahren beantragt hat.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 72 Übergangsvorschrift aus Anlass des Inkrafttretens dieses Gesetzes


Das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verweisungen hierauf sind weiter anzuwenden 1. in Recht

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 14 Ausnahmen von der Abhängigmachung


Die §§ 12 und 13 gelten nicht,1.soweit dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt ist,2.wenn dem Antragsteller Gebührenfreiheit zusteht oder3.wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung weder aussichtslos noch mutwillig erscheint und wenn glaubhaft g

Strafgesetzbuch - StGB | § 86a Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Absatz 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung

Referenzen - Urteile

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 15. Juni 2005 - 1 S 2718/04 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 15. Juni 2005 - 1 S 2718/04 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Apr. 2005 - 1 S 2362/04

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Tenor Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. November 2003 - 4 K 1967/01 - werden zurückgewiesen. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelasse

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 07. Dez. 2004 - 1 S 2218/03

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Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Juli 2002 - 7 K 1232/01 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 15. Juni 2005 - 1 S 2718/04.

Verwaltungsgericht München Urteil, 04. Mai 2016 - M 7 K 15.1110

bei uns veröffentlicht am 04.05.2016

Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde. II. Es wird festgestellt, dass die beschränkenden Verfügungen Nrn. 6.1, 6.2 (soweit im Klammerzusatz schwarze Fahnen, schwarz-weiß-rote und Fahne

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 25. Okt. 2012 - 1 S 1401/11

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30.11.2010 - 3 K 1259/08 - geändert. Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 wird aufgehoben.Der Beklagte trägt die Kosten des Ve

Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 22. März 2006 - 11 K 632/06

bei uns veröffentlicht am 22.03.2006

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,-- festgesetzt. Gründe   1 Der Antrag des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung

Referenzen

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Juli 2002 - 7 K 1232/01 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Ausreiseuntersagung.
Der Kläger befand sich in der Nacht vom 20. auf den 21.7.2001 in einem Reisebus auf dem Weg zu dem am 22.7.2001 in Genua stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel G 8. Gegen 0.10 Uhr wurde er am Grenzübergang Weil am Rhein Richtung Schweiz von Beamten des Bundesgrenzschutzes kontrolliert. Mit Verfügung vom 21.7.2001 untersagte das Bundesgrenzschutzamt Weil am Rhein dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 in Italien. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass er beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Nach vorliegenden Erkenntnissen sei der Kläger bereits polizeilich in Erscheinung getreten. Am 8.11.1996 sei er in Bonn im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene gegen eine als rechtsextrem eingestufte Gruppierung aufgefallen. Damals seien ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) zur Last gelegt worden.
Noch am 21.7.2001 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein, der nicht beschieden wurde. Gleichzeitig beantragte er beim Verwaltungsgericht Freiburg vorläufigen Rechtsschutz (3 K 1170/01). Dieses Verfahren wurde von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
Am 30.7.2001 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig war. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass vorliegend keine Tatsachen gegeben seien, die die Annahme rechtfertigten, seine Ausreise zu dem G 8-Gipfel nach Genua gefährde erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Er habe sich bei dem Versuch der Ausreise in einer Gruppe friedlicher und unbescholtener Demonstranten aufgehalten und gehöre nicht zu einer Gruppierung, von der gewalttätige Auseinandersetzungen ernsthaft zu befürchten gewesen seien. Soweit das Bundesgrenzschutzamt sich in seiner Verfügung auf ein angebliches Strafverfahren aus dem Jahre 1996 berufe, seien diese Angaben sachlich falsch. Gegen ihn sei in diesem Zusammenhang lediglich ein Verfahren wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs geführt worden, welches von der Staatsanwaltschaft Bonn nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Seither sei er weder strafrechtlich noch anderweitig polizeilich auffällig geworden. Zudem habe das Polizeipräsidium Bonn mit Schreiben vom 1.6.2001 seinem Antrag auf Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen stattgegeben, da eine weitere Aufbewahrung nicht mehr als notwendig erachtet worden sei. Ihm sei mitgeteilt worden, dass die entsprechenden Maßnahmen bereits veranlasst worden seien.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Eine fahndungsmäßige Überprüfung des Klägers habe ergeben, dass dieser viermal in der Datei Landfriedensbruch ausgeschrieben gewesen sei. Diese Ausschreibungen ebenso wie die Erkenntnis, dass der Kläger am 8.11.1996 im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene in Erscheinung getreten sei, hätten die Annahme gerechtfertigt, der Kläger werde in Genua erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
Mit Urteil vom 9.7.2002 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Bewertung, wonach beim Kläger Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlägen, erweise sich - auch aus der Sicht zum maßgeblichen Zeitpunkt des Einschreitens - als fehlerhaft. Denn bei der Beurteilung sei von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden und das Einschreiten sei auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt gewesen. Nach der dem angefochtenen Bescheid beigefügten Begründung sei das Bundesgrenzschutzamt davon ausgegangen, dass dem Kläger im Zusammenhang mit einer Veranstaltung in Bonn am 8.11.1996 verschiedene Straftaten (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen) zur Last gelegt worden seien. Das sich hiergegen wendende Vorbringen des Klägers stimme mit einer vom Gericht eingeholten Auskunft der Staatsanwaltschaft Bonn überein, wonach dort kein Ermittlungsverfahren wegen der in dem Bescheid genannten Straftaten „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition)“ gegen den Kläger anhängig gewesen sei. Anhängig gewesen sei allerdings ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers habe das Polizeipräsidium Bonn aber bereits mit Bescheid vom 1.6.2001 mitgeteilt, eine weitere Aufbewahrung der über den Kläger vorgehaltenen erkennungsdienstlichen Unterlagen sei nicht mehr notwendig und einer Vernichtung könne zugestimmt werden. Danach seien auch die notwendigen Maßnahmen der Vernichtung sowie Löschung entsprechender Einträge im Informationssystem der Polizei bereits veranlasst worden. Die Grundsätze der polizeilichen Anscheinsgefahr könnten vorliegend keine Anwendung finden. Denn die Beklagte habe den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung selbst maßgeblich verursacht. Die Ausreiseuntersagung erweise sich auch nicht deshalb als im Ergebnis rechtmäßig, weil sie auch bei Berücksichtigung der zutreffenden Sachlage hätte verfügt werden können. Angesichts des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung des Polizeipräsidiums Bonn und des Umstandes, dass keine neueren Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen des Klägers vorgelegen hätten und bei der Überprüfung an der Grenze keine Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Teilnahme des Klägers an gewalttätigen Aktionen festgestellt worden seien, könne im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung vorgelegen hätten.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 29.9.2003 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus: Bei Verfügung der Ausreiseuntersagung sei nicht von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden. Aus den bei Überprüfung der Datei Landfriedensbruch und einer erweiterten telefonischen Recherche über das Bundeskriminalamt gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der gegen den Kläger im Jahre 1996 geführten Ermittlungen habe sich ergeben, dass dieser sich zumindest im Umfeld gewalttätiger Demonstrationsteilnehmer bewege. Trotz der gegenüber dem Kläger bewilligten Löschung seien diese Daten zum Zeitpunkt der Entscheidung am 21.7.2001 noch verfügbar gewesen, so dass auf sie habe zurückgegriffen werden können. Die Gefahrenprognose sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der durch das Landeskriminalamt mitgeteilte Tatvorwurf unzutreffend sei. Maßgeblich für die Entscheidung vor Ort sei gewesen, dass der Kläger wegen Landfriedensbruchs oder einer artverwandten Straftat in Erscheinung getreten sei.
Die Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9.7.2002 - 7 K 1232/01 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt aus: Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht lediglich auf den fehlerhaften Inhalt der Inpol-Datei abgestellt, sondern maßgeblich auch darauf Bezug genommen, dass das Bundesgrenzschutzamt deren Inhalt falsch ausgewertet habe. Die Beamten des Bundesgrenzschutzes seien davon ausgegangen, dass er viermal zur Fahndung wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben gewesen sei und hätten sich damit über die Bedeutung der Eintragung im Irrtum befunden. Zudem hätten wegen des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung und des Fehlens neuerer Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung nicht vorgelegen.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Gründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Sonstige Literatur

 
41 
Rechtsmittelbelehrung
42 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
43 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
44 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
45 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
46 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
47 
Beschluss vom 7. Dezember 2004
48 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§§ 25 Abs. 2, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
49 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. November 2003 - 4 K 1967/01 - werden zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass die Beschlagnahme ihrer Fahrzeuge samt Ladung rechtswidrig war.
Im Vorfeld des für den 18.10.2000 geplanten Brennelemente-Transportes (sog. „Castor-Transport“) vom Kernkraftwerk Philippsburg in die Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague riefen Kernkraftgegner der Kampagne „x 1000 mal quer“ zu verschiedenen Demonstrationen und Aktionen mit dem Ziel auf, den vorgesehenen Transport - auch durch Blockaden - zu verhindern. Am 15.10.2000 fand in Phillipsburg eine Auftaktdemonstration mit ca. 1000 Teilnehmern statt, von denen einige dem Aufruf folgten, bis zum 18.10.2000 in der Nähe des Kernkraftwerks zu verbleiben. Zu diesem Zweck hatte die Initiative „x 1000 mal quer“ auf einem Wiesengrundstück im Ortsteil Oberhausen der benachbarten Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen in ca. 7 km Entfernung vom Kernkraftwerk ein Camp errichtet. Bis zum Mittag des 16.10.2000 wurden dort zwei größere Rundzelte, mehrere Versorgungs- und Küchenzelte und ca. 40 Iglu-Zelte aufgebaut sowie vier Toilettenhäuschen aufgestellt; ca. 150 Personen hielten sich dort auf. Die Klägerin zu 1), eine in einem niederländischen Register eingetragene Vereinigung, die sich als „Kochkollektiv“ bezeichnet, war für den Betrieb der Küche und die Versorgung des Zeltlagers mit Lebensmitteln zuständig; dabei wurde sie von der Klägerin zu 2) unterstützt, die die Küche „Maulwurf“ betreibt.
Am 16.10.2000 gegen 15:10 h forderte das Landratsamt Karlsruhe die Bewohner des Zeltlagers auf, die Zelte sofort abzubrechen und sich zu entfernen. Der Sofortvollzug von Platzverweis und Räumungsverfügung wurde angeordnet und für den Fall der Nichtbeachtung die Anwendung von Zwangsmitteln angedroht. Außerdem wurde das Verbot ausgesprochen, an anderer Stelle ein Zeltlager zu errichten.
Nach dem Abbau der Rundzelte und des Küchenzelts wurden diese zusammen mit den Koch- und Kücheneinrichtungen und den Lebensmitteln auf das Fahrzeug der Klägerin zu 1) (niederländisches Kennzeichen: BZ-41-ZB) und auf das Fahrzeug und den Anhänger der Klägerin zu 2) (amtliche Kennzeichen: FR-CK 581, FR-JP 985) sowie ein weiteres Fahrzeug verladen. Die Küchenfahrzeuge verließen das Grundstück nach 19:00 h und legten, von der Polizei überwacht, auf der B 36 in Richtung Karlsruhe eine Strecke von ca. 5 km zurück. Dort wurden die Fahrzeuge gestoppt, beschlagnahmt und zur Salm-Kaserne in Philippsburg gebracht. Den Eigentümern wurde angeboten, dass sie jedenfalls über ein Fahrzeug verfügen könnten, wenn dieses entladen werde; das dritte Fahrzeug wurde daraufhin entladen und sodann freigegeben, während die Fahrzeuge der Klägerinnen auf dem Kasernengelände verblieben. Am folgenden Tag wurden die Fahrzeuge samt Anhänger sowie die Lebensmittel an die Klägerinnen herausgegeben, während die Beschlagnahme der Küchengerätschaften aufrechterhalten blieb.
Mit einer an die Eigentümer bzw. die Besitzer der Fahrzeuge adressierten Verfügung vom 18.10.2000 wurde die Beschlagnahme der Fahrzeuge samt der logistischen Beladung schriftlich bestätigt (Ziff. 1) und der Sofortvollzug angeordnet (Ziff. 3).; in Ziff. 2 wurde bestimmt, dass über die Fahrzeuge frei verfügt werden kann, sofern die Beladung abgeladen wird. Zur Begründung wurde auf § 33 PolG verwiesen und ausgeführt, dass die Beschlagnahme zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung erforderlich sei. Mit dem Zeltlager sei eine wesentliche infrastrukturelle Basis und Voraussetzung für eine längere Unterbringung vieler Personen geschaffen worden, mit der die Bewegung über eine Plattform verfüge, um angekündigte kollektive Rechtsbrüche zu organisieren; so hätten einige Camp-Bewohner bereits an rechtswidrigen Aktionen teilgenommen. Das Camp habe offensichtlich zu einer logistischen Zentrale des Widerstands mit einer Kapazität von mehreren tausend Menschen ausgebaut werden sollen; es sei geräumt worden, um massenhafte Rechtsbrüche zu verhindern. Schließlich sei auch einer allgemeinen hygienischen bzw. Seuchengefahr begegnet worden. Nach der Auflösung des Camps und Verladung der Kücheneinrichtungsgegenstände auf die später beschlagnahmten Fahrzeuge habe der Betreiber der Küche auf die Frage nach dem nächsten Anfahrtsziel angegeben, „dass er dies noch nicht wisse, er werde von seinen Auftraggebern … noch in die nächste Örtlichkeit eingewiesen“. Deshalb sei davon auszugehen, dass an anderer Stelle im Landkreis Karlsruhe ein neues Camp errichtet werden solle. Die Beschlagnahme sei geeignet und erforderlich, um den Zweck zu erreichen, weitere Störungen der öffentlichen Sicherheit aus einem Camp heraus wirksam und dauerhaft zu unterbinden. Darüber hinaus sei sie auch angemessen gewesen, da das Interesse der Besitzer der Gerätschaften zurückzutreten habe.
Gegen die Beschlagnahmeverfügung erhoben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 18.10.2000 Widerspruch. Ihre Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, soweit er die beschlagnahmten Gerätschaften betraf, wurde vom Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2981/00 - abgelehnt.
Mit Verfügung vom 06.11.2000 hob das Landratsamt Karlsruhe die Beschlagnahme der mit Verfügung vom 18.10.2000 beschlagnahmten Gerätschaften und der sonstigen Ladung auf, soweit diese nicht schon herausgegeben worden war.
Am 06.08.2001 haben die Klägerinnen Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich zum einen aus der Wiederholungsgefahr; denn selbst wenn keine Transporte mehr stattfänden, sei jedenfalls mit Aktionen gegen die geplante Einrichtung eines Interims- und Zwischenlagers in Philippsburg zu rechnen. Zum anderen könne sich die Klägerin zu 1) auf ein Rehabilitierungsinteresse stützen, da im „Limburgs Dagblad“, einer niederländischen Tageszeitung, über die Beschlagnahme der Küche berichtet worden sei. Schließlich müsse es den Klägerinnen möglich sein, die Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme, die sich typischerweise kurzfristig erledige, gerichtlich klären zu lassen; die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes sei hierfür nicht ausreichend. In der Sache haben die Klägerinnen die Auffassung vertreten, dass die angefochtene Beschlagnahmeverfügung bereits formell rechtswidrig gewesen sei. Das Landratsamt Karlsruhe sei für den Erlass der Beschlagnahme auf polizeirechtlicher Grundlage nicht zuständig gewesen; insbesondere die Voraussetzungen einer Eilzuständigkeit gem. § 67 Abs. 1 PolG hätten nicht vorgelegen. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sei die Verfügung rechtswidrig gewesen. Das Camp habe mit den geplanten Aktionen eine untrennbare Einheit gebildet; demnach sei Art. 8 Abs. 1 GG einschlägig, da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und die Vorschriften des Versammlungsgesetzes das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Personen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsäußerung und Meinungsbildung schütze. Von einem solchen inneren Zusammenhang sei auch die Beschlagnahmeverfügung ausgegangen. Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme habe nicht mehr von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch das aufgelöste Zeltlager ausgegangen werden können; die Aussage des Küchenbetreibers, er kenne das nächste Anfahrtsziel nicht, rechtfertige nicht die Annahme, an anderer Stelle könnte ein neues Camp errichtet werden.
Mit Urteil vom 18.11.2003 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klagen - dem Antrag des Beklagten folgend - als unzulässig abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt: Die Klägerinnen hätten ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung nicht dargelegt. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, da sich keine konkreten Anhaltspunkte abzeichnen, dass ähnliche Demonstrationen in Philippsburg in absehbarer Zeit durchgeführt würden. Denn die Castor-Transporte aus dem Kernkraftwerk nach La Hague seien mittlerweile abgeschlossen, und künftig würden die Brennelemente in Interims- und Zwischenlagern auf dem Gelände des Kraftwerks in Philippsburg untergebracht. Allein die Möglichkeit, dass auch gegen diese Art der Lagerung Demonstrationen mit entsprechender Infrastruktur durchgeführt würden, sei zu ungewiss und zu wenig konkret und demnach nicht ausreichend, um eine Wiederholungsgefahr zu begründen; es sei nämlich nicht erkennbar, dass auch diese Aktionen ähnlichen Zulauf und Interesse erwecken würden, da die Fortführung des Betriebs des Kernkraftwerks in Philippsburg anders als im Oktober 2000 nicht in Frage stehe. Außerdem sei die Behördenentscheidung aufgrund des Einzelfalls ergangen und es sei nicht wahrscheinlich, dass das Landratsamt in Zukunft in vergleichbarer Weise gegen Versammlungsteilnehmer vorgehen wird. Ein Rehabilitierungsinteresse stehe den Klägerinnen ebenfalls nicht zu. Es könne weder festgestellt werden, dass die Beschlagnahme der Fahrzeuge und der Küchengegenstände selbst für die Klägerinnen eine diskriminierende Wirkung gehabt hätte, noch dass die Berichterstattung darüber in der lokalen und überregionalen Presse und einer niederländischen Zeitung geeignet gewesen sei, der Öffentlichkeit ein falsches oder gar ehrenrühriges Bild von den Klägerinnen zu vermitteln. Ein besonderes rechtliches Interesse sei auch nicht durch die Grundrechtsbetroffenheit der Klägerinnen in Verbindung mit der Rechtsweggarantie des Art.19 Abs. 4 GG anzunehmen. Die Beschlagnahme stelle keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff im Sinne der Rechtsprechung dar; dabei kämen tiefgreifende Grundrechtseingriffe insbesondere bei jenen Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz vorbeugend dem Richter vorbehalte. Eine vergleichbare Belastung der Klägerinnen sei nicht zu erkennen; sie seien durch die Beschlagnahme nicht in einem Grundrecht betroffen, das dem Schutz der persönlichen Sphäre oder der menschlichen Würde diene. Letztlich sei die den Klägerinnen eingeräumte Rechtsschutzmöglichkeit ausreichend gewesen. Der zeitliche Ablauf zeige, dass die Klägerinnen Gelegenheit gehabt hätten, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen; eine Beschwerde gegen den im Eilverfahren ergangenen Beschluss wäre bis zur Erledigung der Beschlagnahme noch möglich gewesen.
10 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 04.10.2004 - 1 S 1512/04 - zugelassenen Berufungen vertiefen die Klägerinnen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen vor: Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspreche dem berechtigten Interesse gem. § 43 VwGO und sei nicht an zu strenge Voraussetzungen zu knüpfen. Bei kurzfristiger Erledigung von Verwaltungsmaßnahmen folge es aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, der zur Vermeidung rechtsfreier Räume bei der Verletzung eines jeglichen subjektiven Rechts mindestens eine gerichtliche Instanz im Hauptsacheverfahren garantiere. Jedenfalls sei bezüglich der Klägerin zu 1) ein tiefgreifender Grundrechtseingriff deshalb gegeben, weil sie als Betreiberin der Küche durch die Beschlagnahme in ihrer Berufsausübung betroffen sei. Außerdem liege ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Klägerinnen vor, der nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil mögliche Schadensersatzansprüche nicht geltend gemacht würden. Darüber hinaus sei ein Rehabilitierungsinteresse zu Unrecht abgelehnt worden, denn jeder Pressebericht über polizeiliche Maßnahmen zu Lasten einzelner habe in gewisser Weise einen diskriminierenden Charakter, weil es die Öffentlichkeit - ungeachtet der Wertung im Presseartikel - für möglich halten könne, dass der Betroffene Störer sei. Die Klagen seien auch begründet. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde sei für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung nicht zuständig gewesen; auf eine Eilkompetenz gem. § 67 Abs. 1 PolG könne sich das Landratsamt nicht berufen. Die Beschlagnahme habe im Zusammenhang mit der Auflösung des Camps gestanden. Die Ortspolizeibehörde hätte schon zu diesem Zeitpunkt informiert werden können und auch müssen; die unzuständige Behörde könne sich in einem solchen Fall nicht mehr auf eine Eilkompetenz berufen, wenn dies unterblieben sei und zu einem späteren Zeitpunkt das Tätigwerden der zuständigen Behörde nicht mehr erreichbar erscheine. Dies gelte umso mehr als die Beschlagnahme bereits zuvor erwogen, aber nur aus polizeitaktischen Gründen zurückgestellt worden sei. Auch materiell-rechtlich sei die Beschlagnahme rechtswidrig gewesen. Zur Beseitigung bereits eingetretener Störungen sei sie nicht erforderlich gewesen, denn das Camp sei bereits aufgelöst und die Küche verladen gewesen. Eine unmittelbar bevorstehende Störung durch den Aufbau eines neuen Camps an anderer Stelle sei nicht belegt. Auch könnten Einschätzungen, die für die Kampagne „x 1000 mal quer“ zutreffend sein mögen, nicht auf die Klägerinnen übertragen werden, da sie lediglich Eigentümerinnen der Küche, nicht aber Anhänger der Kampagne seien. Im Übrigen hätten die Klägerinnen der Polizei zugesagt, den Landkreis zu verlassen. Auf Weisungen der Kampagne hätten sie nicht gewartet; etwas anderes ergebe sich nicht aus der Aussage eines Fahrers der Betreiber der Küche, er kenne das Fahrtziel nicht.
11 
Die Klägerinnen beantragen,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. November 2003 - 4 K 1967/01 - zu ändern und festzustellen, dass die mit Bescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 16.10.2000/18.10.2000 verfügte Beschlagnahme der Kraftfahrzeuge und des Anhängers mit den amtlichen Kennzeichen BZ-41-ZW (NL), FR-CK 581 und FR-JP 985 und des Inhalts dieser Fahrzeuge rechtswidrig war.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Berufungen zurückzuweisen.
15 
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt des Weiteren aus: Die Klagen seien auch unbegründet. Die Zuständigkeit des Landratsamts gründe sich auf die Eilkompetenz gem. § 67 Abs. 1 PolG. Seit Beginn der Auftaktkundgebung sei eine sehr komplexe polizeiliche Aufgabe wahrgenommen worden; dabei dürften auch polizeitaktische Aspekte nicht zurückstehen. Folglich dürfe der zuständigkeitsbegründende Begriff der „Gefahr im Verzug“ nicht eng ausgelegt werden. Nach der im damaligen Zeitpunkt nicht offensichtlich fehlsamen Einschätzung habe die Gefahr bestanden, dass sich eine Störung i. S. von § 33 PolG bei allernächster Gelegenheit wieder realisieren werde; die damalige Sicht, dass ein rechtzeitiges Tätigwerden der an sich zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar sei, sei rückblickend nicht zu beanstanden. Auch die materielle Gefahreneinschätzung sei, wie schon das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Beschluss des vorläufigen Rechtsschutzes festgestellt habe, zutreffend gewesen. Im übrigen treffe es nicht zu, dass sich die Klägerinnen rechtzeitig vor der Beschlagnahme von den Veranstaltern der Aktionstage distanziert hätten. Vielmehr hätten sie noch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Zusicherung, sich nicht mehr an vergleichbaren Aktionen unterstützend zu beteiligen, ausdrücklich abgelehnt.
16 
Mit rechtskräftigem Urteil vom 14.02.2001 – 4 K 3227/00 – stellte das Verwaltungsgericht Karlsruhe auf die Klage eines Zeltlagerbewohners fest, dass der am 16.10.2000 ergangene Platzverweis und die Räumungsverfügung aus formellen Gründen rechtswidrig gewesen sei, da das Landratsamt Karlsruhe als sachlich unzuständige Behörde gehandelt habe.
17 
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den damaligen Einsatzleiter der Polizei, Herrn Polizeidirektor Trunk, informatorisch als amtliche Auskunftsperson angehört. Wegen des wesentlichen Inhalts seiner Aussagen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten - auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (4 K 2981/00) und im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Räumungsverfügung (4 K 3227/00) - verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 15.04.2005 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
19 
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch behördliche Aufhebung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161 <165>) und auch im übrigen zulässig.
21 
Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <206 ff.>); der zwischen Erledigung und Einreichung der Klagen verstrichene Zeitraum von lediglich 9 Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (siehe hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.12.2002 - 2 BvR 1660/00 -, NJW 2003, 1514 <1515>). Als Adressaten des streitigen Verwaltungsakts sind die Klägerinnen klagebefugt.
22 
Schließlich können sich die Klägerinnen auf das notwendige Feststellungsinteresse stützen. Dieses ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es nicht darum geht, den in einem bereits angestrengten Anfechtungsprozess getätigten Aufwand weiterhin zu nutzen, mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 <228>; Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <209>) und umfasst anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 <4>).
23 
Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr, die ein rechtliches Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen zu begründen geeignet wäre, hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Ein ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist hier indessen zu bejahen.
24 
Die Klägerinnen berufen sich hier zunächst auf ein Rehabilitierungsinteresse wegen diskriminierender Wirkung der behördlichen Maßnahme. Die - behauptete - Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche reicht hierfür allerdings nicht aus; erforderlich ist eine „Bemakelung“ des Betroffenen, die sich aus den Gründen des Bescheids oder den Umständen seines Erlasses ergibt, aus der Einstufung als Störer im polizeirechtlichen Sinne aber nicht automatisch folgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6). Hieraus muss sich eine fortwirkende konkrete und objektive Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen ergeben, die gerade durch den gerichtlichen Ausspruch beseitigt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164 <166>; Urteil vom 19.03.1992 - 5 C 44.87 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244; Urteil des erkennenden Senats vom 08.05.1989 - 1 S 722/88 -, NVwZ 1990, 378). Ob die Klägerinnen in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6, m.w.N.) in diesem Sinne noch merkliche ungünstige Nachwirkungen im beruflichen oder gesellschaftlichen Bereich plausibel dargetan haben, erscheint fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ideeller Art ist nicht auf eine Rehabilitation im engem Sinn beschränkt; unter Beachtung verfassungsrechtlicher Garantien ist das Rechtsschutzinteresse bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen nicht nur dann gegeben, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, eine fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.
25 
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegen-stand haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991; Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2543, jeweils m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005, 138 <139>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung - nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade im Hauptsacheverfahren - in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Rechtsprechung ist zwar anlässlich der Fälle sogenannter prozessualer Überholung bei Eingriffen unter Richtervorbehalt entwickelt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. -, BVerfGE 104, 220 <233>, m.w.N.), aber nicht hierauf beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, NVwZ 1999, 290 <292>; vom 22.02.2002 - 1 BvR 300/02 -, NJW 2002, 2225).
26 
Anknüpfend an diese Grundsätze ist hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG können die Klägerinnen zwar nicht geltend machen; dies folgt - auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung des aufgelösten Zeltlagers und den Vorwirkungen der Versammlungsfreiheit - schon aus dem persönlichen Schutzbereich des Grundrechts, das auch auf inländische juristische Personen i.S. von Art. 19 Abs. 3 GG nur in deren Eigenschaft als Veranstalter Anwendung finden kann (vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Auch kann sich die Klägerin zu 1 als ausländische juristische Person nicht ohne weiteres auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen; hier bedürfte es ggfs. eines Rückgriffs auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, um zu einer grundrechts- und rechtsschutzbezogenen Gleichbehandlung zu gelangen (siehe hierzu Wieland in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 72 m.N.). Ob der zeitweilige Entzug der Nutzung ihrer Gerätschaften und Fahrzeuge nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung einen tiefgreifenden bzw. gewichtigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, mag - insbesondere angesichts der nur kurzen Dauer der Beschlagnahme - zweifelhaft erscheinen.
27 
Diese grundrechtsdogmatischen Überlegungen sind indessen im Ergebnis nicht ausschlaggebend, denn eine solchermaßen isolierte Betrachtungsweise wird nach Ansicht des Senats der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht. Eine spezifische Grundrechtsverletzung wird, soweit von einer fortwirkenden Rechtsbeeinträchtigung abgesehen werden soll, in der Regel zu Recht gefordert, da anderenfalls wegen der durch Art. 2 Abs. 1 GG umfassend grundrechtlich geschützten Freiheitssphäre des Bürgers für die besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis bei erledigtem Verwaltungshandeln letztlich kein Raum mehr bliebe (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245). Einem Rechtsstreit kann aber - bei Wahrung dieser Grundentscheidung - auch dann eine solche Bedeutung zukommen, dass unter rechtsstaatlichen Aspekten ein großzügiger Zugang zur gerichtlichen Kontrolle angezeigt erscheint, wenn das beanstandete polizeiliche Vorgehen Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist. Dies ist hier der Fall. Denn die geltend gemachten Rechtsverletzungen, die als solche nicht bloß geringfügig sind, werden maßgeblich davon geprägt, dass sie im Zusammenhang mit der behördlichen Reaktion auf eine damals viel beachtete (Groß-)Demonstration stehen, die für die Klägerinnen angesichts ihres Selbstverständnisses eine große Symbolkraft besaß. Ein öffentliches Interesse an einer rechtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns kann als solches ein Rechtsschutzinteresse zwar nicht begründen; reflexhaft kommt es den Klägerinnen jedoch zugute, indem vor diesem Hintergrund die Anforderungen an dessen Vorliegen herabgesetzt werden.
28 
2. Die Klagen sind nicht begründet. Die Beschlagnahmeverfügung hat die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt; sie war formell und materiell rechtmäßig.
29 
a. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 2, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG) war für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung, die ihre Ermächtigungsgrundlage als sogenannte polizeirechtliche Standardmaßnahme in § 33 PolG findet, zuständig.
30 
Als Versammlungsbehörde nach der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - (vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278) war das Landratsamt hier allerdings nicht zur Entscheidung berufen.
31 
Aus der genannten Verordnung folgt nicht, dass die Zuständigkeit für alle im Umfeld einer Versammlung erforderlichen polizeilichen Maßnahmen in der Hand der Kreispolizeibehörde als Versammlungsbehörde konzentriert werden. Sie beschränkt deren Zuständigkeit zum einen auf die Durchführung des Versammlungsgesetzes, d.h. auf Maßnahmen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Versammlungsgesetz findet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), zum anderen auf Maßnahmen auf Grund des Polizeigesetzes, die der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Vorschriften und Anordnungen dienen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2); hierzu zählen insbesondere Auflagen als sogenannte Minus-Maßnahmen i. S. von § 15 VersG. Eine Maßnahme, die an versammlungsrechtliche Anordnungen anknüpft, liegt hier nicht vor.
32 
Die Auflösung des Zeltlagers wurde zu Recht nicht auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes verfügt. Denn das Camp erfüllte die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs der Versammlung, die durch den Zweck gemeinsamer Meinungsbildung und -kundgabe geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <343 ff.>, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>), nicht; vielmehr diente es als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die in den folgenden Tagen beabsichtigten Demonstrationen, die ihrerseits auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit abzielten (siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 23.09.1991 - 5 B 254/91 -, NVwZ-RR 1992, 360). Wollte man allein in der Anwesenheit der Lagerbewohner eine Art „konkludente Solidaritätsadresse“ zugunsten der Demonstrationsteilnehmer erblicken, verlöre das Erfordernis der gemeinschaftlichen Meinungsäußerung jegliche Konturen (siehe hierzu auch das den Beteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 -). Die Beschlagnahme als Folgemaßnahme diente demnach auch nicht der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Anordnungen.
33 
Dieser rechtlichen Einordnung steht nicht entgegen, dass das Zeltlager als „logistische Basis“ einen engen Bezug zu den gegen den Castor-Transport gerichteten Versammlungen hatte, die ungeachtet der beabsichtigten Blockade-Aktionen weiterhin als i. S. v. Art. 8 Abs. 1 GG friedliche Demonstrationen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit standen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <105 f.>).
34 
Zwar hat das Grundrecht der Versammlungsfreiheit im Interesse seiner Effektuierung auch Vorwirkungen. Die genaue Reichweite des grundrechtlichen Vorfeldschutzes ist aber für die einfachgesetzliche Frage der behördlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Denn der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>).
35 
Das Landratsamt als die der originär - als allgemeine Polizeibehörde -zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1, § 66 Abs. 2 PolG) übergeordnete Fachaufsichtsbehörde (§ 64 Nr. 3 b PolG) konnte sich aber auf eine Eilzuständigkeit nach § 67 Abs. 1 PolG stützen.
36 
Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes war hier eröffnet. Inwieweit das Polizeigesetz bei Vorfeldmaßnahmen, die den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG berühren, insbesondere wegen der Anforderungen des Zitiergebotes (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) nur eingeschränkt anwendbar ist (siehe hierzu Deger, NVwZ 1999, 265 <267>; Kniesel, NJW 2000, 2857 <2862 f.>), kann hier offenbleiben. Denn ungeachtet der inhaltlichen Nähe zu den geplanten Demonstrationen ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht berührt. Art. 8 Abs. 1 GG schützt den gesamten Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <349>; Beschluss vom 11.06.1991 - 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, 203 <209>). Demnach sind z.B. Behinderungen der Anfahrt und schleppende vorbeugende Kontrollen mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Eine weitere Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist aber nicht gerechtfertigt. Insbesondere eine - wie hier - feste „Infrastruktur“ fällt nicht mehr unter den Schutz des Grundrechts; denn sie ist für die eigentliche Versammlung nicht mehr funktional notwendig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.12.1993 - 1 S 1957/93 -, NVwZRR 1994, 370; OVG Berlin, Beschluss vom 08.07.1999 -1 SN 63/99 -, LKV 1999, 372 <373>, zur straßenrechtlichen Erlaubnispflicht von Imbissständen; Schulze-Fielitz, a.a.O. , Art. 8 Rn 34). Folglich ist es nicht gerechtfertigt, insoweit Erlaubnisvorbehalte - sowie nachfolgend Eingriffsmöglichkeiten - außerhalb des Versammlungsgesetzes zu suspendieren und die Beachtung der dort geregelten rechtlichen Vorgaben der bloß abwägenden Berücksichtigung der Versammlungsbehörde zu überlassen (vgl. Kanther, NVwZ 2001, 1239 <1242>; Dietlein, NVwZ 1992, 1066).
37 
Nach § 67 Abs. 1 PolG kann die Fachaufsichtsbehörde die polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, wenn bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar erscheint. Gefahr im Verzug liegt hierbei vor, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse und der Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme; der Begriff „Gefahr in Verzug“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden, da eine effiziente Gefahrenabwehr nicht durch Zuständigkeitsprobleme erschwert oder verhindert werden darf. Dabei kommt es gerade nicht auf eine objektive Unerreichbarkeit der sachlich zuständigen Polizeibehörde an; es genügt vielmehr, dass es für die Fachaufsichtsbehörde den Anschein hat, die an sich zuständige Polizeibehörde sei nicht erreichbar. Diese Einschätzung der handelnden Behörde kann gerichtlich nur beanstandet werden, wenn sie offensichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, die sich bereits im Zeitpunkt der Entscheidung erkennen ließen (vgl. Urteil des Senats vom 14.12.1989 - 1 S 799/89 -, NJW 1990, 1618 zu § 46 Abs. 2 Nr. 2 PolG a.F. <§ 60 Abs. 2 PolG>). Nach diesen Vorgaben ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Zuständigkeit für die Beschlagnahme in Anspruch genommen hat.
38 
Nach den Schilderungen des vom Senat in der mündlichen Verhandlung angehörten Einsatzleiters der Polizei war die Kreispolizeibehörde bereits kurze Zeit nach Erlass der Räumungsverfügung, etwa gegen 16:00 Uhr, zur Überzeugung gelangt, dass eine Beschlagnahme der Küchen zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Diese Einschätzung beruhte in erster Linie auf den Einlassungen eines Vertreters der Klägerinnen, wonach diese die Kampagne, falls gewünscht, weiterhin unterstützen wollten. Es spricht zwar vieles dafür, im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 - zur Zuständigkeit für den Erlass der Räumungsverfügung auch für die folgende Zeit davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen weiterhin i. S. v. § 67 Abs. 1 PolG erreichbar war; er war damals mit der Sachlage vertraut und ist auch in die Erörterungen zur beabsichtigten Beschlagnahme mit einbezogen worden. Allein auf diesen Zeitpunkt bezogen kann die hier streitige Zuständigkeitsfrage aber nicht beantwortet werden. Denn die interne Willensbildung der Polizeibehörde ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend. Vielmehr bestimmt sich diese nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung; wirksam geworden ist die Beschlagnahme erst mit der um ca. 19:30 Uhr erfolgten Bekanntgabe, als die Fahrzeuge auf der Bundesstraße 36 auf dem Gebiet der Gemeinde Waghäusel in Richtung Süden fuhren. Der Bürgermeister von Waghäusel als das für die grundsätzlich zuständige Ortspolizeibehörde handelnde Organ war indessen Sinne von § 67 Abs. 1 PolG nicht rechtzeitig erreichbar.
39 
Der Zeitpunkt und der Ort des polizeilichen Einschreitens war hier durch die polizeitaktische Erwägung bestimmt, die Küchenfahrzeuge, soweit ein Verbleiben im Landkreis Karlsruhe nicht auszuschließen war, erst in räumlicher Entfernung vom Lagerplatz zu beschlagnahmen; damit sollte im Interesse der Deeskalation eine unter Umständen gewalttätige Solidarisierung durch die Bewohner des Lagers vermieden werden. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Da den Klägerinnen bei ihrem Abzug vom Lagerplatz eines Fahrtroute nicht vorgegeben wurde und der konkrete Ort des polizeilichen Zugriffs letztlich auch von verkehrstechnischen Erfordernissen bestimmt war, hätte die Wahrung der gesetzlich für den Regelfall vorgesehenen Zuständigkeitsordnung außer der Unterrichtung des Bürgermeisters von Oberhausen-Rheinhausen noch die Einbindung von - mindestens - drei weiteren Bürgermeistern - nämlich denen von Philippsburg, Waghäusel und Altlussheim - erforderlich gemacht, die dann - schon „auf Vorrat“ - eine Beschlagnahmeverfügung hätten vorbereiten müssen für den Fall, dass sich auf ihrer Gemarkung der Handlungsbedarf einstellt. Ein solches Vorgehen war jedoch angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht angezeigt; es war bereits nicht abzuschätzen, wie lange der Abbau der Küchenzelte und die Verladung der Gerätschaften dauern werde, so dass eine rechtzeitige Reaktion der örtlich zuständigen Ortspolizeibehörde, die sich mit der Situation und deren polizeirechtliche Bewertung erst hätte vertraut machen müssen, nicht gewährleistet gewesen wäre.
40 
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen waren die polizeitaktischen Überlegungen nicht darauf beschränkt, im Interesse größtmöglicher Wahrung der Zuständigkeitsordnung die Beschlagnahme zwar in gewisser räumlicher Entfernung vom Lagerplatz, aber noch auf dem Gebiet der Gemeinde Rheinhausen-Oberhausen anzuordnen. Zum einen wäre den Klägerinnen damit von vornherein die Möglichkeit genommen worden, den Landkreis Karlsruhe in Richtung Norden zu verlassen und so einer Beschlagnahme zu entgehen; mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre das nicht vereinbar. Wird - wie tatsächlich geschehen - auf der Bundesstraße 36 die Fahrtrichtung Süden gewählt, so könnte mit dieser Vorgabe den verkehrstechnischen Erfordernissen nicht in angemessener Weise Rechnung getragen werden, da hier das Gemeindegebiet schon wenige 100 Meter nach der Einmündung der von Oberhausen kommenden Kreisstraße 3537 endet. Zum anderen wird mit der Ansicht der Klägerinnen die Gefahr eines Missbrauchs überbewertet. Die Behörde, die sich auf einen Zuständigkeitswechsel wegen Gefahr im Verzug beruft, darf diese Gefahr zwar nicht bewusst herbeiführen, um eine ansonsten nicht gegebene Zuständigkeit zu begründen. Dies unterliegt dann einer strengen gerichtlichen Kontrolle, wenn die Zuständigkeitsverlagerung mit dem Verlust besonderer Schutzvorkehrungen für den Betroffenen einhergeht, was insbesondere bei Eingriffen gilt, die im Regelfall unter Richtervorbehalt stehen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 -, BVerfGE 103, 142 <155 ff.>). Geht es demgegenüber lediglich um eine Abweichung von der instanziellen Behördenzuständigkeit, kommt der Effektivität der Gefahrenabwehr bei der Ausfüllung der Rechtsbegriffe ein deutlich größeres Gewicht zu.
41 
b. Die Beschlagnahme war auch materiell rechtmäßig.
42 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG kann die Polizei eine Sache u. a. dann beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen einen unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen auf der Grundlage der Erkenntnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlagnahmeverfügung vor; dies hat bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2891/00 - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt.
43 
Aufgrund der Einlassungen der Koordinatoren der Kampagne „x 1000 mal quer“, die in generalstabsmäßiger Art und Weise eine Verhinderung der von ihr befürchteten Castor-Transporte anstrebte, stand zu erwarten, dass nach Räumung des Zeltlagers in Oberhausen-Rheinhausen an anderer Stelle wiederum - insbesondere unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften - ein Zeltlager zum Zwecke der logistischen Unterstützung auch gewaltbereiter Demonstrationsteilnehmer errichtet würde.
44 
Vor diesem Hintergrund war schließlich auch die Einschätzung des Landratsamts, dass sich die Klägerinnen ebenfalls an der Errichtung eines neuen Lager beteiligen würden, was es durch die Beschlagnahme zu verhindern galt, nicht fehlsam. Denn nach der Aussage des Einsatzleiters der Polizei hat sich der Ansprechpartner auf Seiten der Klägerinnen dahingehend eingelassen, dass sie nebst ihren Einrichtungen den Camp-Bewohnern weiterhin unterstützend zur Verfügung stehen wollten. Die auf dieser Aussage eines Vertreters der Klägerinnen gestützte Gefahrenprognose beruhte entgegen ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen haben insoweit geltend gemacht, die Aussage, weiterhin den Camp-Bewohnern zur Verfügung stehen zu wollen, habe sich nicht auf ein Lager wie das soeben aufgelöste bezogen, sondern auf ein „Zusammensein in anderer Form“, das gegebenenfalls von der Polizei geduldet würde. Ein solches Verständnis der Aussage lag aus der damaligen Perspektive indessen fern; denn die Gespräche mit den Klägerinnen fanden immer vor dem Hintergrund der Räumungsverfügung statt, in der auch die Errichtung eines Zeltlagers an anderer Stelle untersagt worden war. Folglich war vor dem Verständnishorizont der Behörde die von den Klägerinnen erklärte Bereitschaft, die Camp-Bewohner weiterhin zu unterstützen, auf die Errichtung eines neuen Lagers gemünzt. Auf die Möglichkeit eines anderen Verständnisses hätten die Klägerinnen ausdrücklich hinweisen müssen. Auf die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es demnach nicht an, so dass der Senat dem Beweisantrag nicht nachkommen musste.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

 
18 
Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 15.04.2005 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
19 
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch behördliche Aufhebung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161 <165>) und auch im übrigen zulässig.
21 
Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <206 ff.>); der zwischen Erledigung und Einreichung der Klagen verstrichene Zeitraum von lediglich 9 Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (siehe hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.12.2002 - 2 BvR 1660/00 -, NJW 2003, 1514 <1515>). Als Adressaten des streitigen Verwaltungsakts sind die Klägerinnen klagebefugt.
22 
Schließlich können sich die Klägerinnen auf das notwendige Feststellungsinteresse stützen. Dieses ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es nicht darum geht, den in einem bereits angestrengten Anfechtungsprozess getätigten Aufwand weiterhin zu nutzen, mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 <228>; Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <209>) und umfasst anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 <4>).
23 
Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr, die ein rechtliches Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen zu begründen geeignet wäre, hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Ein ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist hier indessen zu bejahen.
24 
Die Klägerinnen berufen sich hier zunächst auf ein Rehabilitierungsinteresse wegen diskriminierender Wirkung der behördlichen Maßnahme. Die - behauptete - Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche reicht hierfür allerdings nicht aus; erforderlich ist eine „Bemakelung“ des Betroffenen, die sich aus den Gründen des Bescheids oder den Umständen seines Erlasses ergibt, aus der Einstufung als Störer im polizeirechtlichen Sinne aber nicht automatisch folgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6). Hieraus muss sich eine fortwirkende konkrete und objektive Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen ergeben, die gerade durch den gerichtlichen Ausspruch beseitigt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164 <166>; Urteil vom 19.03.1992 - 5 C 44.87 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244; Urteil des erkennenden Senats vom 08.05.1989 - 1 S 722/88 -, NVwZ 1990, 378). Ob die Klägerinnen in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6, m.w.N.) in diesem Sinne noch merkliche ungünstige Nachwirkungen im beruflichen oder gesellschaftlichen Bereich plausibel dargetan haben, erscheint fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ideeller Art ist nicht auf eine Rehabilitation im engem Sinn beschränkt; unter Beachtung verfassungsrechtlicher Garantien ist das Rechtsschutzinteresse bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen nicht nur dann gegeben, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, eine fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.
25 
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegen-stand haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991; Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2543, jeweils m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005, 138 <139>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung - nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade im Hauptsacheverfahren - in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Rechtsprechung ist zwar anlässlich der Fälle sogenannter prozessualer Überholung bei Eingriffen unter Richtervorbehalt entwickelt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. -, BVerfGE 104, 220 <233>, m.w.N.), aber nicht hierauf beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, NVwZ 1999, 290 <292>; vom 22.02.2002 - 1 BvR 300/02 -, NJW 2002, 2225).
26 
Anknüpfend an diese Grundsätze ist hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG können die Klägerinnen zwar nicht geltend machen; dies folgt - auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung des aufgelösten Zeltlagers und den Vorwirkungen der Versammlungsfreiheit - schon aus dem persönlichen Schutzbereich des Grundrechts, das auch auf inländische juristische Personen i.S. von Art. 19 Abs. 3 GG nur in deren Eigenschaft als Veranstalter Anwendung finden kann (vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Auch kann sich die Klägerin zu 1 als ausländische juristische Person nicht ohne weiteres auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen; hier bedürfte es ggfs. eines Rückgriffs auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, um zu einer grundrechts- und rechtsschutzbezogenen Gleichbehandlung zu gelangen (siehe hierzu Wieland in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 72 m.N.). Ob der zeitweilige Entzug der Nutzung ihrer Gerätschaften und Fahrzeuge nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung einen tiefgreifenden bzw. gewichtigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, mag - insbesondere angesichts der nur kurzen Dauer der Beschlagnahme - zweifelhaft erscheinen.
27 
Diese grundrechtsdogmatischen Überlegungen sind indessen im Ergebnis nicht ausschlaggebend, denn eine solchermaßen isolierte Betrachtungsweise wird nach Ansicht des Senats der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht. Eine spezifische Grundrechtsverletzung wird, soweit von einer fortwirkenden Rechtsbeeinträchtigung abgesehen werden soll, in der Regel zu Recht gefordert, da anderenfalls wegen der durch Art. 2 Abs. 1 GG umfassend grundrechtlich geschützten Freiheitssphäre des Bürgers für die besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis bei erledigtem Verwaltungshandeln letztlich kein Raum mehr bliebe (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245). Einem Rechtsstreit kann aber - bei Wahrung dieser Grundentscheidung - auch dann eine solche Bedeutung zukommen, dass unter rechtsstaatlichen Aspekten ein großzügiger Zugang zur gerichtlichen Kontrolle angezeigt erscheint, wenn das beanstandete polizeiliche Vorgehen Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist. Dies ist hier der Fall. Denn die geltend gemachten Rechtsverletzungen, die als solche nicht bloß geringfügig sind, werden maßgeblich davon geprägt, dass sie im Zusammenhang mit der behördlichen Reaktion auf eine damals viel beachtete (Groß-)Demonstration stehen, die für die Klägerinnen angesichts ihres Selbstverständnisses eine große Symbolkraft besaß. Ein öffentliches Interesse an einer rechtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns kann als solches ein Rechtsschutzinteresse zwar nicht begründen; reflexhaft kommt es den Klägerinnen jedoch zugute, indem vor diesem Hintergrund die Anforderungen an dessen Vorliegen herabgesetzt werden.
28 
2. Die Klagen sind nicht begründet. Die Beschlagnahmeverfügung hat die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt; sie war formell und materiell rechtmäßig.
29 
a. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 2, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG) war für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung, die ihre Ermächtigungsgrundlage als sogenannte polizeirechtliche Standardmaßnahme in § 33 PolG findet, zuständig.
30 
Als Versammlungsbehörde nach der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - (vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278) war das Landratsamt hier allerdings nicht zur Entscheidung berufen.
31 
Aus der genannten Verordnung folgt nicht, dass die Zuständigkeit für alle im Umfeld einer Versammlung erforderlichen polizeilichen Maßnahmen in der Hand der Kreispolizeibehörde als Versammlungsbehörde konzentriert werden. Sie beschränkt deren Zuständigkeit zum einen auf die Durchführung des Versammlungsgesetzes, d.h. auf Maßnahmen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Versammlungsgesetz findet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), zum anderen auf Maßnahmen auf Grund des Polizeigesetzes, die der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Vorschriften und Anordnungen dienen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2); hierzu zählen insbesondere Auflagen als sogenannte Minus-Maßnahmen i. S. von § 15 VersG. Eine Maßnahme, die an versammlungsrechtliche Anordnungen anknüpft, liegt hier nicht vor.
32 
Die Auflösung des Zeltlagers wurde zu Recht nicht auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes verfügt. Denn das Camp erfüllte die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs der Versammlung, die durch den Zweck gemeinsamer Meinungsbildung und -kundgabe geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <343 ff.>, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>), nicht; vielmehr diente es als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die in den folgenden Tagen beabsichtigten Demonstrationen, die ihrerseits auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit abzielten (siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 23.09.1991 - 5 B 254/91 -, NVwZ-RR 1992, 360). Wollte man allein in der Anwesenheit der Lagerbewohner eine Art „konkludente Solidaritätsadresse“ zugunsten der Demonstrationsteilnehmer erblicken, verlöre das Erfordernis der gemeinschaftlichen Meinungsäußerung jegliche Konturen (siehe hierzu auch das den Beteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 -). Die Beschlagnahme als Folgemaßnahme diente demnach auch nicht der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Anordnungen.
33 
Dieser rechtlichen Einordnung steht nicht entgegen, dass das Zeltlager als „logistische Basis“ einen engen Bezug zu den gegen den Castor-Transport gerichteten Versammlungen hatte, die ungeachtet der beabsichtigten Blockade-Aktionen weiterhin als i. S. v. Art. 8 Abs. 1 GG friedliche Demonstrationen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit standen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <105 f.>).
34 
Zwar hat das Grundrecht der Versammlungsfreiheit im Interesse seiner Effektuierung auch Vorwirkungen. Die genaue Reichweite des grundrechtlichen Vorfeldschutzes ist aber für die einfachgesetzliche Frage der behördlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Denn der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>).
35 
Das Landratsamt als die der originär - als allgemeine Polizeibehörde -zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1, § 66 Abs. 2 PolG) übergeordnete Fachaufsichtsbehörde (§ 64 Nr. 3 b PolG) konnte sich aber auf eine Eilzuständigkeit nach § 67 Abs. 1 PolG stützen.
36 
Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes war hier eröffnet. Inwieweit das Polizeigesetz bei Vorfeldmaßnahmen, die den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG berühren, insbesondere wegen der Anforderungen des Zitiergebotes (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) nur eingeschränkt anwendbar ist (siehe hierzu Deger, NVwZ 1999, 265 <267>; Kniesel, NJW 2000, 2857 <2862 f.>), kann hier offenbleiben. Denn ungeachtet der inhaltlichen Nähe zu den geplanten Demonstrationen ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht berührt. Art. 8 Abs. 1 GG schützt den gesamten Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <349>; Beschluss vom 11.06.1991 - 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, 203 <209>). Demnach sind z.B. Behinderungen der Anfahrt und schleppende vorbeugende Kontrollen mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Eine weitere Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist aber nicht gerechtfertigt. Insbesondere eine - wie hier - feste „Infrastruktur“ fällt nicht mehr unter den Schutz des Grundrechts; denn sie ist für die eigentliche Versammlung nicht mehr funktional notwendig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.12.1993 - 1 S 1957/93 -, NVwZRR 1994, 370; OVG Berlin, Beschluss vom 08.07.1999 -1 SN 63/99 -, LKV 1999, 372 <373>, zur straßenrechtlichen Erlaubnispflicht von Imbissständen; Schulze-Fielitz, a.a.O. , Art. 8 Rn 34). Folglich ist es nicht gerechtfertigt, insoweit Erlaubnisvorbehalte - sowie nachfolgend Eingriffsmöglichkeiten - außerhalb des Versammlungsgesetzes zu suspendieren und die Beachtung der dort geregelten rechtlichen Vorgaben der bloß abwägenden Berücksichtigung der Versammlungsbehörde zu überlassen (vgl. Kanther, NVwZ 2001, 1239 <1242>; Dietlein, NVwZ 1992, 1066).
37 
Nach § 67 Abs. 1 PolG kann die Fachaufsichtsbehörde die polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, wenn bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar erscheint. Gefahr im Verzug liegt hierbei vor, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse und der Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme; der Begriff „Gefahr in Verzug“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden, da eine effiziente Gefahrenabwehr nicht durch Zuständigkeitsprobleme erschwert oder verhindert werden darf. Dabei kommt es gerade nicht auf eine objektive Unerreichbarkeit der sachlich zuständigen Polizeibehörde an; es genügt vielmehr, dass es für die Fachaufsichtsbehörde den Anschein hat, die an sich zuständige Polizeibehörde sei nicht erreichbar. Diese Einschätzung der handelnden Behörde kann gerichtlich nur beanstandet werden, wenn sie offensichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, die sich bereits im Zeitpunkt der Entscheidung erkennen ließen (vgl. Urteil des Senats vom 14.12.1989 - 1 S 799/89 -, NJW 1990, 1618 zu § 46 Abs. 2 Nr. 2 PolG a.F. <§ 60 Abs. 2 PolG>). Nach diesen Vorgaben ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Zuständigkeit für die Beschlagnahme in Anspruch genommen hat.
38 
Nach den Schilderungen des vom Senat in der mündlichen Verhandlung angehörten Einsatzleiters der Polizei war die Kreispolizeibehörde bereits kurze Zeit nach Erlass der Räumungsverfügung, etwa gegen 16:00 Uhr, zur Überzeugung gelangt, dass eine Beschlagnahme der Küchen zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Diese Einschätzung beruhte in erster Linie auf den Einlassungen eines Vertreters der Klägerinnen, wonach diese die Kampagne, falls gewünscht, weiterhin unterstützen wollten. Es spricht zwar vieles dafür, im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 - zur Zuständigkeit für den Erlass der Räumungsverfügung auch für die folgende Zeit davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen weiterhin i. S. v. § 67 Abs. 1 PolG erreichbar war; er war damals mit der Sachlage vertraut und ist auch in die Erörterungen zur beabsichtigten Beschlagnahme mit einbezogen worden. Allein auf diesen Zeitpunkt bezogen kann die hier streitige Zuständigkeitsfrage aber nicht beantwortet werden. Denn die interne Willensbildung der Polizeibehörde ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend. Vielmehr bestimmt sich diese nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung; wirksam geworden ist die Beschlagnahme erst mit der um ca. 19:30 Uhr erfolgten Bekanntgabe, als die Fahrzeuge auf der Bundesstraße 36 auf dem Gebiet der Gemeinde Waghäusel in Richtung Süden fuhren. Der Bürgermeister von Waghäusel als das für die grundsätzlich zuständige Ortspolizeibehörde handelnde Organ war indessen Sinne von § 67 Abs. 1 PolG nicht rechtzeitig erreichbar.
39 
Der Zeitpunkt und der Ort des polizeilichen Einschreitens war hier durch die polizeitaktische Erwägung bestimmt, die Küchenfahrzeuge, soweit ein Verbleiben im Landkreis Karlsruhe nicht auszuschließen war, erst in räumlicher Entfernung vom Lagerplatz zu beschlagnahmen; damit sollte im Interesse der Deeskalation eine unter Umständen gewalttätige Solidarisierung durch die Bewohner des Lagers vermieden werden. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Da den Klägerinnen bei ihrem Abzug vom Lagerplatz eines Fahrtroute nicht vorgegeben wurde und der konkrete Ort des polizeilichen Zugriffs letztlich auch von verkehrstechnischen Erfordernissen bestimmt war, hätte die Wahrung der gesetzlich für den Regelfall vorgesehenen Zuständigkeitsordnung außer der Unterrichtung des Bürgermeisters von Oberhausen-Rheinhausen noch die Einbindung von - mindestens - drei weiteren Bürgermeistern - nämlich denen von Philippsburg, Waghäusel und Altlussheim - erforderlich gemacht, die dann - schon „auf Vorrat“ - eine Beschlagnahmeverfügung hätten vorbereiten müssen für den Fall, dass sich auf ihrer Gemarkung der Handlungsbedarf einstellt. Ein solches Vorgehen war jedoch angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht angezeigt; es war bereits nicht abzuschätzen, wie lange der Abbau der Küchenzelte und die Verladung der Gerätschaften dauern werde, so dass eine rechtzeitige Reaktion der örtlich zuständigen Ortspolizeibehörde, die sich mit der Situation und deren polizeirechtliche Bewertung erst hätte vertraut machen müssen, nicht gewährleistet gewesen wäre.
40 
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen waren die polizeitaktischen Überlegungen nicht darauf beschränkt, im Interesse größtmöglicher Wahrung der Zuständigkeitsordnung die Beschlagnahme zwar in gewisser räumlicher Entfernung vom Lagerplatz, aber noch auf dem Gebiet der Gemeinde Rheinhausen-Oberhausen anzuordnen. Zum einen wäre den Klägerinnen damit von vornherein die Möglichkeit genommen worden, den Landkreis Karlsruhe in Richtung Norden zu verlassen und so einer Beschlagnahme zu entgehen; mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre das nicht vereinbar. Wird - wie tatsächlich geschehen - auf der Bundesstraße 36 die Fahrtrichtung Süden gewählt, so könnte mit dieser Vorgabe den verkehrstechnischen Erfordernissen nicht in angemessener Weise Rechnung getragen werden, da hier das Gemeindegebiet schon wenige 100 Meter nach der Einmündung der von Oberhausen kommenden Kreisstraße 3537 endet. Zum anderen wird mit der Ansicht der Klägerinnen die Gefahr eines Missbrauchs überbewertet. Die Behörde, die sich auf einen Zuständigkeitswechsel wegen Gefahr im Verzug beruft, darf diese Gefahr zwar nicht bewusst herbeiführen, um eine ansonsten nicht gegebene Zuständigkeit zu begründen. Dies unterliegt dann einer strengen gerichtlichen Kontrolle, wenn die Zuständigkeitsverlagerung mit dem Verlust besonderer Schutzvorkehrungen für den Betroffenen einhergeht, was insbesondere bei Eingriffen gilt, die im Regelfall unter Richtervorbehalt stehen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 -, BVerfGE 103, 142 <155 ff.>). Geht es demgegenüber lediglich um eine Abweichung von der instanziellen Behördenzuständigkeit, kommt der Effektivität der Gefahrenabwehr bei der Ausfüllung der Rechtsbegriffe ein deutlich größeres Gewicht zu.
41 
b. Die Beschlagnahme war auch materiell rechtmäßig.
42 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG kann die Polizei eine Sache u. a. dann beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen einen unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen auf der Grundlage der Erkenntnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlagnahmeverfügung vor; dies hat bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2891/00 - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt.
43 
Aufgrund der Einlassungen der Koordinatoren der Kampagne „x 1000 mal quer“, die in generalstabsmäßiger Art und Weise eine Verhinderung der von ihr befürchteten Castor-Transporte anstrebte, stand zu erwarten, dass nach Räumung des Zeltlagers in Oberhausen-Rheinhausen an anderer Stelle wiederum - insbesondere unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften - ein Zeltlager zum Zwecke der logistischen Unterstützung auch gewaltbereiter Demonstrationsteilnehmer errichtet würde.
44 
Vor diesem Hintergrund war schließlich auch die Einschätzung des Landratsamts, dass sich die Klägerinnen ebenfalls an der Errichtung eines neuen Lager beteiligen würden, was es durch die Beschlagnahme zu verhindern galt, nicht fehlsam. Denn nach der Aussage des Einsatzleiters der Polizei hat sich der Ansprechpartner auf Seiten der Klägerinnen dahingehend eingelassen, dass sie nebst ihren Einrichtungen den Camp-Bewohnern weiterhin unterstützend zur Verfügung stehen wollten. Die auf dieser Aussage eines Vertreters der Klägerinnen gestützte Gefahrenprognose beruhte entgegen ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen haben insoweit geltend gemacht, die Aussage, weiterhin den Camp-Bewohnern zur Verfügung stehen zu wollen, habe sich nicht auf ein Lager wie das soeben aufgelöste bezogen, sondern auf ein „Zusammensein in anderer Form“, das gegebenenfalls von der Polizei geduldet würde. Ein solches Verständnis der Aussage lag aus der damaligen Perspektive indessen fern; denn die Gespräche mit den Klägerinnen fanden immer vor dem Hintergrund der Räumungsverfügung statt, in der auch die Errichtung eines Zeltlagers an anderer Stelle untersagt worden war. Folglich war vor dem Verständnishorizont der Behörde die von den Klägerinnen erklärte Bereitschaft, die Camp-Bewohner weiterhin zu unterstützen, auf die Errichtung eines neuen Lagers gemünzt. Auf die Möglichkeit eines anderen Verständnisses hätten die Klägerinnen ausdrücklich hinweisen müssen. Auf die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es demnach nicht an, so dass der Senat dem Beweisantrag nicht nachkommen musste.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Sonstige Literatur

 
47 
Rechtsmittelbelehrung
48 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
49 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
50 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
51 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
52 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§ 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
55 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Absatz 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt (§ 11 Absatz 3) verwendet oder
2.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der ein derartiges Kennzeichen darstellt oder enthält, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

(3) § 86 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Juli 2002 - 7 K 1232/01 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Ausreiseuntersagung.
Der Kläger befand sich in der Nacht vom 20. auf den 21.7.2001 in einem Reisebus auf dem Weg zu dem am 22.7.2001 in Genua stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel G 8. Gegen 0.10 Uhr wurde er am Grenzübergang Weil am Rhein Richtung Schweiz von Beamten des Bundesgrenzschutzes kontrolliert. Mit Verfügung vom 21.7.2001 untersagte das Bundesgrenzschutzamt Weil am Rhein dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 in Italien. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass er beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Nach vorliegenden Erkenntnissen sei der Kläger bereits polizeilich in Erscheinung getreten. Am 8.11.1996 sei er in Bonn im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene gegen eine als rechtsextrem eingestufte Gruppierung aufgefallen. Damals seien ihm Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) zur Last gelegt worden.
Noch am 21.7.2001 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein, der nicht beschieden wurde. Gleichzeitig beantragte er beim Verwaltungsgericht Freiburg vorläufigen Rechtsschutz (3 K 1170/01). Dieses Verfahren wurde von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt.
Am 30.7.2001 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig war. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass vorliegend keine Tatsachen gegeben seien, die die Annahme rechtfertigten, seine Ausreise zu dem G 8-Gipfel nach Genua gefährde erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland. Er habe sich bei dem Versuch der Ausreise in einer Gruppe friedlicher und unbescholtener Demonstranten aufgehalten und gehöre nicht zu einer Gruppierung, von der gewalttätige Auseinandersetzungen ernsthaft zu befürchten gewesen seien. Soweit das Bundesgrenzschutzamt sich in seiner Verfügung auf ein angebliches Strafverfahren aus dem Jahre 1996 berufe, seien diese Angaben sachlich falsch. Gegen ihn sei in diesem Zusammenhang lediglich ein Verfahren wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs geführt worden, welches von der Staatsanwaltschaft Bonn nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Seither sei er weder strafrechtlich noch anderweitig polizeilich auffällig geworden. Zudem habe das Polizeipräsidium Bonn mit Schreiben vom 1.6.2001 seinem Antrag auf Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen stattgegeben, da eine weitere Aufbewahrung nicht mehr als notwendig erachtet worden sei. Ihm sei mitgeteilt worden, dass die entsprechenden Maßnahmen bereits veranlasst worden seien.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Eine fahndungsmäßige Überprüfung des Klägers habe ergeben, dass dieser viermal in der Datei Landfriedensbruch ausgeschrieben gewesen sei. Diese Ausschreibungen ebenso wie die Erkenntnis, dass der Kläger am 8.11.1996 im Zusammenhang mit einem Aufzug der linken Szene in Erscheinung getreten sei, hätten die Annahme gerechtfertigt, der Kläger werde in Genua erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
Mit Urteil vom 9.7.2002 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Ausreiseuntersagung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001 rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Bewertung, wonach beim Kläger Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlägen, erweise sich - auch aus der Sicht zum maßgeblichen Zeitpunkt des Einschreitens - als fehlerhaft. Denn bei der Beurteilung sei von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden und das Einschreiten sei auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt gewesen. Nach der dem angefochtenen Bescheid beigefügten Begründung sei das Bundesgrenzschutzamt davon ausgegangen, dass dem Kläger im Zusammenhang mit einer Veranstaltung in Bonn am 8.11.1996 verschiedene Straftaten (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, schwerer Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen) zur Last gelegt worden seien. Das sich hiergegen wendende Vorbringen des Klägers stimme mit einer vom Gericht eingeholten Auskunft der Staatsanwaltschaft Bonn überein, wonach dort kein Ermittlungsverfahren wegen der in dem Bescheid genannten Straftaten „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition)“ gegen den Kläger anhängig gewesen sei. Anhängig gewesen sei allerdings ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers habe das Polizeipräsidium Bonn aber bereits mit Bescheid vom 1.6.2001 mitgeteilt, eine weitere Aufbewahrung der über den Kläger vorgehaltenen erkennungsdienstlichen Unterlagen sei nicht mehr notwendig und einer Vernichtung könne zugestimmt werden. Danach seien auch die notwendigen Maßnahmen der Vernichtung sowie Löschung entsprechender Einträge im Informationssystem der Polizei bereits veranlasst worden. Die Grundsätze der polizeilichen Anscheinsgefahr könnten vorliegend keine Anwendung finden. Denn die Beklagte habe den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung selbst maßgeblich verursacht. Die Ausreiseuntersagung erweise sich auch nicht deshalb als im Ergebnis rechtmäßig, weil sie auch bei Berücksichtigung der zutreffenden Sachlage hätte verfügt werden können. Angesichts des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung des Polizeipräsidiums Bonn und des Umstandes, dass keine neueren Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen des Klägers vorgelegen hätten und bei der Überprüfung an der Grenze keine Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Teilnahme des Klägers an gewalttätigen Aktionen festgestellt worden seien, könne im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung vorgelegen hätten.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 29.9.2003 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus: Bei Verfügung der Ausreiseuntersagung sei nicht von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen worden. Aus den bei Überprüfung der Datei Landfriedensbruch und einer erweiterten telefonischen Recherche über das Bundeskriminalamt gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich der gegen den Kläger im Jahre 1996 geführten Ermittlungen habe sich ergeben, dass dieser sich zumindest im Umfeld gewalttätiger Demonstrationsteilnehmer bewege. Trotz der gegenüber dem Kläger bewilligten Löschung seien diese Daten zum Zeitpunkt der Entscheidung am 21.7.2001 noch verfügbar gewesen, so dass auf sie habe zurückgegriffen werden können. Die Gefahrenprognose sei auch nicht deshalb zu beanstanden, weil der durch das Landeskriminalamt mitgeteilte Tatvorwurf unzutreffend sei. Maßgeblich für die Entscheidung vor Ort sei gewesen, dass der Kläger wegen Landfriedensbruchs oder einer artverwandten Straftat in Erscheinung getreten sei.
Die Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9.7.2002 - 7 K 1232/01 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt aus: Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht lediglich auf den fehlerhaften Inhalt der Inpol-Datei abgestellt, sondern maßgeblich auch darauf Bezug genommen, dass das Bundesgrenzschutzamt deren Inhalt falsch ausgewertet habe. Die Beamten des Bundesgrenzschutzes seien davon ausgegangen, dass er viermal zur Fahndung wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben gewesen sei und hätten sich damit über die Bedeutung der Eintragung im Irrtum befunden. Zudem hätten wegen des längeren Zurückliegens der Vorwürfe, der bereits erfolgten Löschungsbewilligung und des Fehlens neuerer Erkenntnisse über strafrechtliche Verfehlungen die Voraussetzungen einer Ausreiseuntersagung nicht vorgelegen.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Gründe

 
15 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
16 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage des Klägers begründet ist (II.).
17 
I. Die Klage des Klägers ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 21.7.2001, mit der dem Kläger befristet bis zum 22.7.2001, 22.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Weltwirtschaftsgipfel G 8 nach Italien untersagt wurde und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur die Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, VBlBW 2004, 214 und vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerwG, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.
18 
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, namentlich im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Senatsurteil vom 18.12.2003, a.a.O., sowie BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der streitgegenständlichen Verfügung ist in schwerwiegender Weise jedenfalls in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Klägers auf Ausreisefreiheit eingegriffen worden (zur zusätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG vgl. VG Berlin, Urteil vom 17.12.2003 - 1 A 309.01 -, Juris, sowie VG Göttingen, Urteil vom 27.1.2004 - 1 A 1014/02, Juris). Vor diesem Hintergrund wäre es mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, dem Kläger den Zugang zum Gericht zu versagen. Unabhängig davon ist auch aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausreiseuntersagung anzunehmen (zu dieser Voraussetzung vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl. 2004, 822; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.3.1992, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244). Denn in der Begründung der Verfügung heißt es, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beabsichtige, sich in Genua an gewaltsamen Ausschreitungen zu beteiligen. Da hiermit ein kriminelles Verhalten des Klägers prognostiziert wird, ist das Ausreiseverbot geeignet, diskriminierend zu wirken.
19 
II. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Klage begründet ist. Die mit Verfügung vom 21.7.2001 ausgesprochene Ausreiseuntersagung war rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
20 
Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 10 Abs. 1 Satz 2 des Passgesetzes i.d.F. des Gesetzes vom 1.5.2000 (BGBl. I S. 626) - PassG - in Betracht. Nach dieser Bestimmung können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.1.1957, BVerfGE 6, 32 ff.; Senatsbeschluss vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71).
21 
Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland gestützt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG). Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, unterliegt uneingeschränkt der richterlichen Überprüfung. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müssen für die Feststellung einer solchen Gefährdung „bestimmte Tatsachen“ sprechen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen (vgl. BVerfGE 6, 32 ff.; BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, DÖV 1969, 74 ff.; Beschlüsse des Senats vom 14.6.2000 - 1 S 1271/00 -, vom 7.6.1995, VBlBW 1996, 71 und vom 18.5.1994, DVBl. 1995, 360 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 26.11.1997 - 1 S 1095/96 -, best. durch BVerwG, Beschluss vom 17.9.1998, Buchholz 402.00 § 7 PassG Nr. 1). Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.8.1968, a.a.O.). Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so kann dies ein Ausreiseverbot als Vorsorgemaßnahme rechtfertigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.6.2000, a.a.O., sowie vom 7.6.1995, a.a.O.).
22 
An diesem Maßstab gemessen dürfte die Beklagte zwar zu Recht davon ausgegangen sein, dass im Zusammenhang mit der Durchführung des G 8-Gipfels in Genua mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen und dass eine Beteiligung gewaltbereiter deutscher Demonstranten geeignet war, das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 4.8.2003 - 1 S 720/03 -). Nicht gerechtfertigt war jedoch die weitere Feststellung des Bundesgrenzschutzamtes, in der Person des Klägers lägen bestimmte Tatsachen vor, die die Annahme begründeten, auch von ihm würde eine solche Gefahr ausgehen.
23 
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, die vom Bundesgrenzschutzamt vorgenommene Prognose sei bereits deshalb zu beanstanden, weil dabei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen worden sei. Die Grundsätze der Anscheinsgefahr fänden keine Anwendung, weil die Beklagte den Anschein einer Gefahr durch die in ihren Verantwortungsbereich fallende fehlerhafte Speicherung (bzw. noch nicht durchgeführte Löschung) der Daten des Klägers in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes selbst maßgeblich verursacht habe. Nach Auffassung des Senats spricht indes einiges dafür, dass auch im vorliegenden Fall bei der Prüfung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorlag, die Grundsätze der Anscheinsgefahr Geltung beanspruchten (unter 1. ). Diese Frage bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Verfügung war selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht rechtmäßig (unter 2.).
24 
1. Nach den Grundsätzen der Anscheinsgefahr ist es entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der Ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen konnte und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht (vgl. Senatsurteil vom 22.7.2004 - 1 S 410/03 -, Urteil vom 10.5.1990 - 5 S 1842/89 -, VBlBW 1990, 469, 470 f. und Beschluss vom 16.10.1990 - 8 S 2087/90 -, NVwZ 1991, 493; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 1 RdNr. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 424). Dabei beurteilt es sich auch nach den - ggf. eingeschränkten - Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt des Einschreitens, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
25 
Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze dürfte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Beklagte möglicherweise selbst den Anschein der Gefahr zurechenbar (mit-) verursacht hat. Dies wäre wohl der Fall gewesen, wenn die den Kläger betreffenden Einträge im Informationssystem der Polizei tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - teilweise unrichtig gewesen wären und überdies zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesgrenzschutzamts bereits hätten gelöscht sein müssen und diese Mängel von einer anderen Behörde der Beklagten (etwa vom Bundeskriminalamt) zu verantworten gewesen wären. Indes können die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist bei der Beurteilung der Gefahr allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1974, BVerwGE 45, 51, 58; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 425). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, die Grundsätze der Anscheinsgefahr auch anzuwenden, wenn das Vorhandensein fehlerhafter oder aus Rechtsgründen nicht mehr verwertbarer Informationen auf dem Handeln einer anderen Behörde beruht und dem handelnden Beamten - am obigen Maßstab gemessen - kein Vorwurf gemacht werden kann, dass er diese Informationen seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (zur Möglichkeit der „Kompensation“ auf der sog. Sekundärebene in solchen Fällen vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNrn. 867, 868, 915 m.w.N.; Wolf/Stephan, a.a.O., § 55 RdNr. 11; Schoch, JuS 1990, 504, 507; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 8.9.1989, VBlBW 1990, 232, 233, und vom 10.5.1990, VBlBW 1990, 469, 471).
26 
2. Diese Frage kann jedoch letztlich offen bleiben. Denn die streitgegenständliche Verfügung erweist sich selbst bei Anwendung der Grundsätze der Anscheinsgefahr nicht als rechtmäßig. Der Beamte des Bundesgrenzschutzamtes durfte auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bei pflichtgemäßem Handeln nicht davon ausgehen, dass im Falle des Klägers bestimmte Tatsachen die Annahme eine Gefährdung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. PassG begründen.
27 
Seinem Wortlaut nach zwingt § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG mit dem Merkmal der „bestimmten Tatsachen“ nicht zu der Schlussfolgerung, einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung dürften nur Tatsachen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zugrunde gelegt werden. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts vom 26.1.2000 heißt es, die Anordnung der Passbeschränkung setze „eine konkrete Gefährdungslage“ voraus. Es müssten „Tatsachen vorliegen, die auf eine Gefährlichkeit des Betroffenen schließen lassen und aufgrund derer damit zu rechnen ist, dass er bei dem bevorstehenden Anlass erneut gewalttätig wird“. Der Betroffene müsse „als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d.h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein“ (BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9). Der Senat entnimmt der Gesetzesbegründung zwar keine Auslegungsdirektive dahingehend, dass in die Gefährdungsprognose im Sinne einer starren zeitlichen Grenze nur Vorfälle innerhalb der letzten zwölf Monate einfließen dürften (so auch Breucker, Transnationale polizeiliche Gewaltprävention, 2003, S. 160 f., m.w.N.; ähnlich Medert/Süßmuth, Passrecht, § 7 RdNr. 12; a.A. Nolte, NVwZ 2001, 147, 151). Denn eine solche starre Grenze stünde einer sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegen. Individuellen Besonderheiten könnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden, insbesondere wäre die für eine realitätsnahe Einschätzung der Gefährdungslage gebotene Beobachtung der persönlichen Entwicklung des Betroffenen über Jahre hinweg nicht möglich. Diesem Umstand kommt insbesondere auch deshalb nicht unerhebliche Bedeutung zu, weil Gewalttäter oftmals nur bestimmte Großveranstaltungen zum Anlass für Ausschreitungen nehmen, die in großen Zeitintervallen stattfinden (vgl. Breucker, a.a.O., S. 161).
28 
Jedoch ist mit Blick auf den aus den Gesetzgebungsmaterialien erkennbaren Willen des Normgebers sowie in Ansehung des mit einer Passversagung bzw. Ausreiseuntersagung verbundenen gravierenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit zur Wahrung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu fordern, dass die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdungslage hinreichende Aktualität aufweist. Jedenfalls im Regelfall bedarf es deshalb der Feststellung von Vorfällen (auch) aus jüngerer Zeit, um die Gefährdungsprognose zu begründen. Dies schließt es nicht aus, im Einzelfall auch auf zeitlich weiter zurückliegende Vorfälle zurückzugreifen. In einem solchen Fall muss jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig geprüft werden, ob die herangezogene Tatsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausreiseuntersagung noch so schwer wiegt, dass die Annahme einer hinreichend konkreten Gefährdungslage weiterhin gerechtfertigt ist.
29 
Nach diesen Grundsätzen war die am 21.7.2001 angestellte Prognose der Beklagten, der Kläger werde sich im Falle seiner Ausreise auf dem G 8-Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen und dadurch das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen, auf der Grundlage der von dem zuständigen Beamten des Bundesgrenzschutzamtes über den Kläger eingeholten Informationen nicht gerechtfertigt.
30 
Erkenntnisse aus jüngerer Zeit, von denen auf eine Beteiligung des Klägers an Gewalttätigkeiten G 8-Gipfel in Genua hätte geschlossen werden können, lagen nicht vor. Insbesondere konnten bei der Überprüfung an der Grenze aktuelle Anhaltspunkte für eine Absicht des Klägers, in Genua an gewalttätigen Aktionen teilzunehmen, nicht festgestellt werden. Der Kläger befand sich in einer als friedlich angesehenen Reisegruppe, welcher mit Ausnahme des Klägers vollständig die Ausreise gestattet wurde. Dies ist von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen worden (vgl. Schriftsatz vom 26.7.2001, S. 27 der VG-Akte 3 K 1170/01).
31 
Dem steht nicht entgegen, dass jedenfalls nach Auffassung des zuständigen Bundesgrenzschutzamts die Verfügung auch darauf gestützt worden war, dass eine „fahndungsmäßige Überprüfung“ des Klägers ergeben habe, dass dieser „ 4 x (LKA München, LKA Düsseldorf, LKA Baden-Württemberg und PD Kaiserslautern) wegen Landfriedensbruchs ausgeschrieben“ sei (vgl. den Tagebucheintrag des Bundesgrenzschutzamtes, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01, den INPOL-Auszug Personenfahndung, S. 57 der VG-Akte 7 K 1232/01 sowie den Schriftsatz des Bundesgrenzschutzamtes Weil am Rhein vom 26.7.2001 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, S. 25 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Denn die insoweit von dem zuständigen Beamten abgerufenen Daten hinsichtlich „aktueller Ausschreibungen“ ließen jedenfalls bei pflichtgemäßer Beurteilung einen Schluss auf das Vorliegen hinreichend aktueller und für die im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG anzustellende Gefährdungsprognose relevanter Auffälligkeiten des Klägers nicht zu.
32 
Unstreitig ist gegen den Kläger wegen seiner Beteiligung an einem Aufzug von Anhängern der linken Szene am 8.11.1996 in Bonn von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs durchgeführt worden. Dieses Ermittlungsverfahren hat zur Aufnahme der diesbezüglichen Daten des Klägers in eine von den Staatsschutzdienststellen des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abrufbaren Verbunddatei des Informationssystems der Polizei (INPOL) geführt (zum Inhalt dieser Datei vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Darüber hinaus wurde mit Blick auf dieses Ermittlungsverfahren eine Speicherung von Daten des Klägers im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ veranlasst, dessen Bestand nur anlassbezogen und zeitlich sowie in der Regel auch räumlich begrenzt zur Abfrage freigegeben wird (vgl. das Schreiben vom 14.9.2001, a.a.O., sowie die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Der Datenbestand dieser Datei kann im Vorfeld von Demonstrationen oder sonstigen Ereignissen in die Personenfahndungsdatei eingegeben werden, so dass nun u.a. auch die Polizeidienststellen der Länder sowie die Dienststellen des Bundesgrenzschutzes auf die Daten Zugriff haben (vgl. § 11 Abs. 2 BKAG sowie Bäumler, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., J RdNrn. 181, 155). Bei Kontrollen soll dann auf die Personen, deren Daten in der Datei gespeichert sind, ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, wobei jedoch grundsätzlich nur Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die nach allgemeinem Polizeirecht zulässig sind (vgl. Bäumler, a.a.O., RdNr. 181). Im Zeitpunkt der Überprüfung des Klägers am 21.7.2001 an der Grenze bei Weil am Rhein war von den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg aus Anlass des G 8-Gipfels in Genua und von den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aufgrund anderer Anlässe die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes beantragt worden.
33 
Bei dieser Sachlage konnte ein mit dem polizeilichen Informationssystem vertrauter Nutzungsberechtigter aus den von dem Grenzschutzbeamten abgerufenen Daten (vgl. S. 57 der VG-Akte) bei sorgfältiger Überprüfung nur folgern, dass der Kläger lediglich mit Blick auf das Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme an dem Aufzug am 8.11.1996 im „geschützten Bereich Landfriedensbruch“ geführt wurde und dass die Freigabe des geschützten Fahndungsbestandes zu Kontrollzwecken von vier Bundesländern beantragt worden war (vgl. auch die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes vom 5.9.2001, S. 74 f. der VG-Akte 3 K 1170/01). Sollte der zuständige Beamte demgegenüber aufgrund der Speicherung der Daten des Klägers in der Fahndungsdatei irrtümlich davon ausgegangen sein, gegen diesen lägen auch andere, insbesondere aktuellere Vorwürfe vor oder gar konkrete Fahndungsersuchen von Dienststellen verschiedener Bundesländer, würde es sich um eine pflichtwidrige Fehleinschätzung gehandelt haben, die nicht geeignet wäre, die Annahme einer Anscheinsgefahr zu rechtfertigen.
34 
Mithin stammten letztlich sämtliche Vorfälle, aus denen der zuständige Beamte nach den eingeholten Informationen bei pflichtgemäßer Beurteilung eine Gefährdung hat ableiten können, bereits aus dem Jahr 1996. Umstände, die trotz dieses langen Zeitraums die Annahme der Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten und damit einer aktuellen Gefährdungslage hätten rechtfertigen können, vermag der Senat nicht festzustellen.
35 
Dies gilt zunächst für den von dem kontrollierenden Beamten des Bundesgrenzschutzamtes abgerufenen, objektiv möglicherweise teilweise unrichtigen Inhalt der INPOL-Verbunddatei hinsichtlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Mitführen von Schusswaffen (Signalmunition) im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Aufzug am 8.11.1996 in Bonn (vgl. das Schreiben des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen an die Klägervertreter vom 14.9.2001, S. 45 der VG-Akte 7 K 1232/01). Die Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens stellt eine gravierende und im Hinblick auf die von der Beklagten prognostizierte Gefährdung (Teilnahme an Gewalttätigkeiten in Genua) auch einschlägige Vorbelastung dar. Insbesondere der Verdacht, der Kläger habe einen besonders schweren Fall des Landfriedenbruchs begangen, wiegt schwer angesichts der für dieses Delikt bestehenden Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (§ 125 a StGB). Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns bereits ein Zeitraum von über 4 Jahren und 8 Monaten vergangen war, in dem der Kläger weder strafrechtlich in Erscheinung getreten noch sonst den Behörden im Zusammenhang mit der Teilnahme an gewalttätigen Demonstrationen aufgefallen ist. Dieser lange Zeitraum der Unauffälligkeit kann als Indiz dafür gewertet werden, dass sich seine Einstellung zur Anwendung von Gewalt geändert hat. Dies gilt um so mehr, als der Kläger im Zeitpunkt der Teilnahme an dem Aufzug erst 19 Jahre alt und somit noch Heranwachsender war und es nicht auszuschließen ist, dass es sich bei seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Aufzug am 8.11.1996 um eine jugendtypische Verfehlung gehandelt hat.
36 
Im Rahmen der Gefährdungsprognose war zugunsten des Klägers ferner zu berücksichtigen, dass damals keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt, sondern das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf dem von dem Beamten des Bundesgrenzschutzamtes zu dem Vorfall gefertigten Tagebucheintrag („StA Bonn 50 Js 666/96 (§ 170 II StPO)“, S. 55 der VG-Akte 7 K 1232/01) spricht vieles dafür, dass dem Grenzbeamten dieser Ausgang des Verfahrens bekannt war. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hätte bekannt sein müssen. Denn er kannte das Datum des zugrunde liegenden Vorfalls und hatte zudem telefonisch beim Bundeskriminalamt in Meckenheim recherchiert. Greifbare Anhaltspunkte, die aus seiner Sicht hätten nahe legen können, dass das bereits aus dem Jahr 1996 stammende Ermittlungsverfahren auf andere Weise als durch Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geendet hatte, sind von der Beklagten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Der Auffassung der Beklagten, der Umstand, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen sei, mindere nicht die Relevanz der Vorkommnisse für die Gefahrenprognose, kann so nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, ist das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren - für den zuständigen Grenzschutzbeamten erkennbar - gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also wegen Fehlens eines hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Zwar schließt diese Form der Verfahrenseinstellung einen gegen den Beschuldigten fortbestehenden Tatverdacht nicht notwendig aus (vgl. Senatsurteil vom 29.9.2003 - 1 S 2145/02 -). Einem solchen „Restverdacht“ kommt indes im Verhältnis zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Rahmen der Gefahrenprognose geringeres Gewicht zu.
37 
Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Senats die dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahre 1996 zukommende Indizwirkung durch den langen Zeitraum, in dem der Kläger - bezogen auf sein Verhalten im Zusammenhang mit Demonstrationen - unauffällig geblieben ist, maßgeblich entkräftet worden. Eine Ausreiseuntersagung war deshalb nicht mehr gerechtfertigt. Dies gilt auch, wenn berücksichtigt wird, dass dem Beamten ausweislich des Tagebucheintrags vom 21.7.2001 (a.a.O.) aufgrund einer telefonischen Recherche beim Bundeskriminalamt in Meckenheim bekannt war, dass der Kläger 1996 „mehrfach in Erscheinung getreten war“. Denn den beiden weiteren Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 1996 (S. 47 der VG-Akte 7 K 1232/01) konnte unter dem hier allein erheblichen Gesichtspunkt einer Gefährdungsprognose im Hinblick auf Gewalttätigkeiten keine maßgebliche Bedeutung mehr zukommen. Dies gilt um so mehr, als sich diese auf über fünf Jahre zurückliegende Vorfälle vom Mai 1996 bezogen. Dem entspricht es, dass die Verfahren in der Begründung der Verfügung vom 21.7.2001 keine Erwähnung fanden und dass auch nur das Verfahren vom November 1996 Eingang in die INPOL-Verbunddatei gefunden hat.
38 
Da es nach alledem bereits am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG fehlte, bedarf es keiner Prüfung, ob die Beklagte das ihr in dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen („können“) auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
40 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Sonstige Literatur

 
41 
Rechtsmittelbelehrung
42 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
43 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
44 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
45 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
46 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
47 
Beschluss vom 7. Dezember 2004
48 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§§ 25 Abs. 2, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
49 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. November 2003 - 4 K 1967/01 - werden zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass die Beschlagnahme ihrer Fahrzeuge samt Ladung rechtswidrig war.
Im Vorfeld des für den 18.10.2000 geplanten Brennelemente-Transportes (sog. „Castor-Transport“) vom Kernkraftwerk Philippsburg in die Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague riefen Kernkraftgegner der Kampagne „x 1000 mal quer“ zu verschiedenen Demonstrationen und Aktionen mit dem Ziel auf, den vorgesehenen Transport - auch durch Blockaden - zu verhindern. Am 15.10.2000 fand in Phillipsburg eine Auftaktdemonstration mit ca. 1000 Teilnehmern statt, von denen einige dem Aufruf folgten, bis zum 18.10.2000 in der Nähe des Kernkraftwerks zu verbleiben. Zu diesem Zweck hatte die Initiative „x 1000 mal quer“ auf einem Wiesengrundstück im Ortsteil Oberhausen der benachbarten Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen in ca. 7 km Entfernung vom Kernkraftwerk ein Camp errichtet. Bis zum Mittag des 16.10.2000 wurden dort zwei größere Rundzelte, mehrere Versorgungs- und Küchenzelte und ca. 40 Iglu-Zelte aufgebaut sowie vier Toilettenhäuschen aufgestellt; ca. 150 Personen hielten sich dort auf. Die Klägerin zu 1), eine in einem niederländischen Register eingetragene Vereinigung, die sich als „Kochkollektiv“ bezeichnet, war für den Betrieb der Küche und die Versorgung des Zeltlagers mit Lebensmitteln zuständig; dabei wurde sie von der Klägerin zu 2) unterstützt, die die Küche „Maulwurf“ betreibt.
Am 16.10.2000 gegen 15:10 h forderte das Landratsamt Karlsruhe die Bewohner des Zeltlagers auf, die Zelte sofort abzubrechen und sich zu entfernen. Der Sofortvollzug von Platzverweis und Räumungsverfügung wurde angeordnet und für den Fall der Nichtbeachtung die Anwendung von Zwangsmitteln angedroht. Außerdem wurde das Verbot ausgesprochen, an anderer Stelle ein Zeltlager zu errichten.
Nach dem Abbau der Rundzelte und des Küchenzelts wurden diese zusammen mit den Koch- und Kücheneinrichtungen und den Lebensmitteln auf das Fahrzeug der Klägerin zu 1) (niederländisches Kennzeichen: BZ-41-ZB) und auf das Fahrzeug und den Anhänger der Klägerin zu 2) (amtliche Kennzeichen: FR-CK 581, FR-JP 985) sowie ein weiteres Fahrzeug verladen. Die Küchenfahrzeuge verließen das Grundstück nach 19:00 h und legten, von der Polizei überwacht, auf der B 36 in Richtung Karlsruhe eine Strecke von ca. 5 km zurück. Dort wurden die Fahrzeuge gestoppt, beschlagnahmt und zur Salm-Kaserne in Philippsburg gebracht. Den Eigentümern wurde angeboten, dass sie jedenfalls über ein Fahrzeug verfügen könnten, wenn dieses entladen werde; das dritte Fahrzeug wurde daraufhin entladen und sodann freigegeben, während die Fahrzeuge der Klägerinnen auf dem Kasernengelände verblieben. Am folgenden Tag wurden die Fahrzeuge samt Anhänger sowie die Lebensmittel an die Klägerinnen herausgegeben, während die Beschlagnahme der Küchengerätschaften aufrechterhalten blieb.
Mit einer an die Eigentümer bzw. die Besitzer der Fahrzeuge adressierten Verfügung vom 18.10.2000 wurde die Beschlagnahme der Fahrzeuge samt der logistischen Beladung schriftlich bestätigt (Ziff. 1) und der Sofortvollzug angeordnet (Ziff. 3).; in Ziff. 2 wurde bestimmt, dass über die Fahrzeuge frei verfügt werden kann, sofern die Beladung abgeladen wird. Zur Begründung wurde auf § 33 PolG verwiesen und ausgeführt, dass die Beschlagnahme zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung erforderlich sei. Mit dem Zeltlager sei eine wesentliche infrastrukturelle Basis und Voraussetzung für eine längere Unterbringung vieler Personen geschaffen worden, mit der die Bewegung über eine Plattform verfüge, um angekündigte kollektive Rechtsbrüche zu organisieren; so hätten einige Camp-Bewohner bereits an rechtswidrigen Aktionen teilgenommen. Das Camp habe offensichtlich zu einer logistischen Zentrale des Widerstands mit einer Kapazität von mehreren tausend Menschen ausgebaut werden sollen; es sei geräumt worden, um massenhafte Rechtsbrüche zu verhindern. Schließlich sei auch einer allgemeinen hygienischen bzw. Seuchengefahr begegnet worden. Nach der Auflösung des Camps und Verladung der Kücheneinrichtungsgegenstände auf die später beschlagnahmten Fahrzeuge habe der Betreiber der Küche auf die Frage nach dem nächsten Anfahrtsziel angegeben, „dass er dies noch nicht wisse, er werde von seinen Auftraggebern … noch in die nächste Örtlichkeit eingewiesen“. Deshalb sei davon auszugehen, dass an anderer Stelle im Landkreis Karlsruhe ein neues Camp errichtet werden solle. Die Beschlagnahme sei geeignet und erforderlich, um den Zweck zu erreichen, weitere Störungen der öffentlichen Sicherheit aus einem Camp heraus wirksam und dauerhaft zu unterbinden. Darüber hinaus sei sie auch angemessen gewesen, da das Interesse der Besitzer der Gerätschaften zurückzutreten habe.
Gegen die Beschlagnahmeverfügung erhoben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 18.10.2000 Widerspruch. Ihre Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, soweit er die beschlagnahmten Gerätschaften betraf, wurde vom Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2981/00 - abgelehnt.
Mit Verfügung vom 06.11.2000 hob das Landratsamt Karlsruhe die Beschlagnahme der mit Verfügung vom 18.10.2000 beschlagnahmten Gerätschaften und der sonstigen Ladung auf, soweit diese nicht schon herausgegeben worden war.
Am 06.08.2001 haben die Klägerinnen Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich zum einen aus der Wiederholungsgefahr; denn selbst wenn keine Transporte mehr stattfänden, sei jedenfalls mit Aktionen gegen die geplante Einrichtung eines Interims- und Zwischenlagers in Philippsburg zu rechnen. Zum anderen könne sich die Klägerin zu 1) auf ein Rehabilitierungsinteresse stützen, da im „Limburgs Dagblad“, einer niederländischen Tageszeitung, über die Beschlagnahme der Küche berichtet worden sei. Schließlich müsse es den Klägerinnen möglich sein, die Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme, die sich typischerweise kurzfristig erledige, gerichtlich klären zu lassen; die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes sei hierfür nicht ausreichend. In der Sache haben die Klägerinnen die Auffassung vertreten, dass die angefochtene Beschlagnahmeverfügung bereits formell rechtswidrig gewesen sei. Das Landratsamt Karlsruhe sei für den Erlass der Beschlagnahme auf polizeirechtlicher Grundlage nicht zuständig gewesen; insbesondere die Voraussetzungen einer Eilzuständigkeit gem. § 67 Abs. 1 PolG hätten nicht vorgelegen. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sei die Verfügung rechtswidrig gewesen. Das Camp habe mit den geplanten Aktionen eine untrennbare Einheit gebildet; demnach sei Art. 8 Abs. 1 GG einschlägig, da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und die Vorschriften des Versammlungsgesetzes das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Personen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsäußerung und Meinungsbildung schütze. Von einem solchen inneren Zusammenhang sei auch die Beschlagnahmeverfügung ausgegangen. Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme habe nicht mehr von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch das aufgelöste Zeltlager ausgegangen werden können; die Aussage des Küchenbetreibers, er kenne das nächste Anfahrtsziel nicht, rechtfertige nicht die Annahme, an anderer Stelle könnte ein neues Camp errichtet werden.
Mit Urteil vom 18.11.2003 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klagen - dem Antrag des Beklagten folgend - als unzulässig abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt: Die Klägerinnen hätten ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung nicht dargelegt. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, da sich keine konkreten Anhaltspunkte abzeichnen, dass ähnliche Demonstrationen in Philippsburg in absehbarer Zeit durchgeführt würden. Denn die Castor-Transporte aus dem Kernkraftwerk nach La Hague seien mittlerweile abgeschlossen, und künftig würden die Brennelemente in Interims- und Zwischenlagern auf dem Gelände des Kraftwerks in Philippsburg untergebracht. Allein die Möglichkeit, dass auch gegen diese Art der Lagerung Demonstrationen mit entsprechender Infrastruktur durchgeführt würden, sei zu ungewiss und zu wenig konkret und demnach nicht ausreichend, um eine Wiederholungsgefahr zu begründen; es sei nämlich nicht erkennbar, dass auch diese Aktionen ähnlichen Zulauf und Interesse erwecken würden, da die Fortführung des Betriebs des Kernkraftwerks in Philippsburg anders als im Oktober 2000 nicht in Frage stehe. Außerdem sei die Behördenentscheidung aufgrund des Einzelfalls ergangen und es sei nicht wahrscheinlich, dass das Landratsamt in Zukunft in vergleichbarer Weise gegen Versammlungsteilnehmer vorgehen wird. Ein Rehabilitierungsinteresse stehe den Klägerinnen ebenfalls nicht zu. Es könne weder festgestellt werden, dass die Beschlagnahme der Fahrzeuge und der Küchengegenstände selbst für die Klägerinnen eine diskriminierende Wirkung gehabt hätte, noch dass die Berichterstattung darüber in der lokalen und überregionalen Presse und einer niederländischen Zeitung geeignet gewesen sei, der Öffentlichkeit ein falsches oder gar ehrenrühriges Bild von den Klägerinnen zu vermitteln. Ein besonderes rechtliches Interesse sei auch nicht durch die Grundrechtsbetroffenheit der Klägerinnen in Verbindung mit der Rechtsweggarantie des Art.19 Abs. 4 GG anzunehmen. Die Beschlagnahme stelle keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff im Sinne der Rechtsprechung dar; dabei kämen tiefgreifende Grundrechtseingriffe insbesondere bei jenen Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz vorbeugend dem Richter vorbehalte. Eine vergleichbare Belastung der Klägerinnen sei nicht zu erkennen; sie seien durch die Beschlagnahme nicht in einem Grundrecht betroffen, das dem Schutz der persönlichen Sphäre oder der menschlichen Würde diene. Letztlich sei die den Klägerinnen eingeräumte Rechtsschutzmöglichkeit ausreichend gewesen. Der zeitliche Ablauf zeige, dass die Klägerinnen Gelegenheit gehabt hätten, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen; eine Beschwerde gegen den im Eilverfahren ergangenen Beschluss wäre bis zur Erledigung der Beschlagnahme noch möglich gewesen.
10 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 04.10.2004 - 1 S 1512/04 - zugelassenen Berufungen vertiefen die Klägerinnen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen vor: Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspreche dem berechtigten Interesse gem. § 43 VwGO und sei nicht an zu strenge Voraussetzungen zu knüpfen. Bei kurzfristiger Erledigung von Verwaltungsmaßnahmen folge es aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, der zur Vermeidung rechtsfreier Räume bei der Verletzung eines jeglichen subjektiven Rechts mindestens eine gerichtliche Instanz im Hauptsacheverfahren garantiere. Jedenfalls sei bezüglich der Klägerin zu 1) ein tiefgreifender Grundrechtseingriff deshalb gegeben, weil sie als Betreiberin der Küche durch die Beschlagnahme in ihrer Berufsausübung betroffen sei. Außerdem liege ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Klägerinnen vor, der nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil mögliche Schadensersatzansprüche nicht geltend gemacht würden. Darüber hinaus sei ein Rehabilitierungsinteresse zu Unrecht abgelehnt worden, denn jeder Pressebericht über polizeiliche Maßnahmen zu Lasten einzelner habe in gewisser Weise einen diskriminierenden Charakter, weil es die Öffentlichkeit - ungeachtet der Wertung im Presseartikel - für möglich halten könne, dass der Betroffene Störer sei. Die Klagen seien auch begründet. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde sei für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung nicht zuständig gewesen; auf eine Eilkompetenz gem. § 67 Abs. 1 PolG könne sich das Landratsamt nicht berufen. Die Beschlagnahme habe im Zusammenhang mit der Auflösung des Camps gestanden. Die Ortspolizeibehörde hätte schon zu diesem Zeitpunkt informiert werden können und auch müssen; die unzuständige Behörde könne sich in einem solchen Fall nicht mehr auf eine Eilkompetenz berufen, wenn dies unterblieben sei und zu einem späteren Zeitpunkt das Tätigwerden der zuständigen Behörde nicht mehr erreichbar erscheine. Dies gelte umso mehr als die Beschlagnahme bereits zuvor erwogen, aber nur aus polizeitaktischen Gründen zurückgestellt worden sei. Auch materiell-rechtlich sei die Beschlagnahme rechtswidrig gewesen. Zur Beseitigung bereits eingetretener Störungen sei sie nicht erforderlich gewesen, denn das Camp sei bereits aufgelöst und die Küche verladen gewesen. Eine unmittelbar bevorstehende Störung durch den Aufbau eines neuen Camps an anderer Stelle sei nicht belegt. Auch könnten Einschätzungen, die für die Kampagne „x 1000 mal quer“ zutreffend sein mögen, nicht auf die Klägerinnen übertragen werden, da sie lediglich Eigentümerinnen der Küche, nicht aber Anhänger der Kampagne seien. Im Übrigen hätten die Klägerinnen der Polizei zugesagt, den Landkreis zu verlassen. Auf Weisungen der Kampagne hätten sie nicht gewartet; etwas anderes ergebe sich nicht aus der Aussage eines Fahrers der Betreiber der Küche, er kenne das Fahrtziel nicht.
11 
Die Klägerinnen beantragen,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. November 2003 - 4 K 1967/01 - zu ändern und festzustellen, dass die mit Bescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 16.10.2000/18.10.2000 verfügte Beschlagnahme der Kraftfahrzeuge und des Anhängers mit den amtlichen Kennzeichen BZ-41-ZW (NL), FR-CK 581 und FR-JP 985 und des Inhalts dieser Fahrzeuge rechtswidrig war.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Berufungen zurückzuweisen.
15 
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt des Weiteren aus: Die Klagen seien auch unbegründet. Die Zuständigkeit des Landratsamts gründe sich auf die Eilkompetenz gem. § 67 Abs. 1 PolG. Seit Beginn der Auftaktkundgebung sei eine sehr komplexe polizeiliche Aufgabe wahrgenommen worden; dabei dürften auch polizeitaktische Aspekte nicht zurückstehen. Folglich dürfe der zuständigkeitsbegründende Begriff der „Gefahr im Verzug“ nicht eng ausgelegt werden. Nach der im damaligen Zeitpunkt nicht offensichtlich fehlsamen Einschätzung habe die Gefahr bestanden, dass sich eine Störung i. S. von § 33 PolG bei allernächster Gelegenheit wieder realisieren werde; die damalige Sicht, dass ein rechtzeitiges Tätigwerden der an sich zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar sei, sei rückblickend nicht zu beanstanden. Auch die materielle Gefahreneinschätzung sei, wie schon das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Beschluss des vorläufigen Rechtsschutzes festgestellt habe, zutreffend gewesen. Im übrigen treffe es nicht zu, dass sich die Klägerinnen rechtzeitig vor der Beschlagnahme von den Veranstaltern der Aktionstage distanziert hätten. Vielmehr hätten sie noch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Zusicherung, sich nicht mehr an vergleichbaren Aktionen unterstützend zu beteiligen, ausdrücklich abgelehnt.
16 
Mit rechtskräftigem Urteil vom 14.02.2001 – 4 K 3227/00 – stellte das Verwaltungsgericht Karlsruhe auf die Klage eines Zeltlagerbewohners fest, dass der am 16.10.2000 ergangene Platzverweis und die Räumungsverfügung aus formellen Gründen rechtswidrig gewesen sei, da das Landratsamt Karlsruhe als sachlich unzuständige Behörde gehandelt habe.
17 
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den damaligen Einsatzleiter der Polizei, Herrn Polizeidirektor Trunk, informatorisch als amtliche Auskunftsperson angehört. Wegen des wesentlichen Inhalts seiner Aussagen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten - auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (4 K 2981/00) und im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Räumungsverfügung (4 K 3227/00) - verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 15.04.2005 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
19 
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch behördliche Aufhebung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161 <165>) und auch im übrigen zulässig.
21 
Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <206 ff.>); der zwischen Erledigung und Einreichung der Klagen verstrichene Zeitraum von lediglich 9 Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (siehe hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.12.2002 - 2 BvR 1660/00 -, NJW 2003, 1514 <1515>). Als Adressaten des streitigen Verwaltungsakts sind die Klägerinnen klagebefugt.
22 
Schließlich können sich die Klägerinnen auf das notwendige Feststellungsinteresse stützen. Dieses ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es nicht darum geht, den in einem bereits angestrengten Anfechtungsprozess getätigten Aufwand weiterhin zu nutzen, mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 <228>; Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <209>) und umfasst anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 <4>).
23 
Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr, die ein rechtliches Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen zu begründen geeignet wäre, hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Ein ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist hier indessen zu bejahen.
24 
Die Klägerinnen berufen sich hier zunächst auf ein Rehabilitierungsinteresse wegen diskriminierender Wirkung der behördlichen Maßnahme. Die - behauptete - Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche reicht hierfür allerdings nicht aus; erforderlich ist eine „Bemakelung“ des Betroffenen, die sich aus den Gründen des Bescheids oder den Umständen seines Erlasses ergibt, aus der Einstufung als Störer im polizeirechtlichen Sinne aber nicht automatisch folgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6). Hieraus muss sich eine fortwirkende konkrete und objektive Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen ergeben, die gerade durch den gerichtlichen Ausspruch beseitigt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164 <166>; Urteil vom 19.03.1992 - 5 C 44.87 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244; Urteil des erkennenden Senats vom 08.05.1989 - 1 S 722/88 -, NVwZ 1990, 378). Ob die Klägerinnen in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6, m.w.N.) in diesem Sinne noch merkliche ungünstige Nachwirkungen im beruflichen oder gesellschaftlichen Bereich plausibel dargetan haben, erscheint fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ideeller Art ist nicht auf eine Rehabilitation im engem Sinn beschränkt; unter Beachtung verfassungsrechtlicher Garantien ist das Rechtsschutzinteresse bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen nicht nur dann gegeben, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, eine fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.
25 
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegen-stand haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991; Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2543, jeweils m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005, 138 <139>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung - nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade im Hauptsacheverfahren - in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Rechtsprechung ist zwar anlässlich der Fälle sogenannter prozessualer Überholung bei Eingriffen unter Richtervorbehalt entwickelt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. -, BVerfGE 104, 220 <233>, m.w.N.), aber nicht hierauf beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, NVwZ 1999, 290 <292>; vom 22.02.2002 - 1 BvR 300/02 -, NJW 2002, 2225).
26 
Anknüpfend an diese Grundsätze ist hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG können die Klägerinnen zwar nicht geltend machen; dies folgt - auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung des aufgelösten Zeltlagers und den Vorwirkungen der Versammlungsfreiheit - schon aus dem persönlichen Schutzbereich des Grundrechts, das auch auf inländische juristische Personen i.S. von Art. 19 Abs. 3 GG nur in deren Eigenschaft als Veranstalter Anwendung finden kann (vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Auch kann sich die Klägerin zu 1 als ausländische juristische Person nicht ohne weiteres auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen; hier bedürfte es ggfs. eines Rückgriffs auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, um zu einer grundrechts- und rechtsschutzbezogenen Gleichbehandlung zu gelangen (siehe hierzu Wieland in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 72 m.N.). Ob der zeitweilige Entzug der Nutzung ihrer Gerätschaften und Fahrzeuge nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung einen tiefgreifenden bzw. gewichtigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, mag - insbesondere angesichts der nur kurzen Dauer der Beschlagnahme - zweifelhaft erscheinen.
27 
Diese grundrechtsdogmatischen Überlegungen sind indessen im Ergebnis nicht ausschlaggebend, denn eine solchermaßen isolierte Betrachtungsweise wird nach Ansicht des Senats der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht. Eine spezifische Grundrechtsverletzung wird, soweit von einer fortwirkenden Rechtsbeeinträchtigung abgesehen werden soll, in der Regel zu Recht gefordert, da anderenfalls wegen der durch Art. 2 Abs. 1 GG umfassend grundrechtlich geschützten Freiheitssphäre des Bürgers für die besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis bei erledigtem Verwaltungshandeln letztlich kein Raum mehr bliebe (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245). Einem Rechtsstreit kann aber - bei Wahrung dieser Grundentscheidung - auch dann eine solche Bedeutung zukommen, dass unter rechtsstaatlichen Aspekten ein großzügiger Zugang zur gerichtlichen Kontrolle angezeigt erscheint, wenn das beanstandete polizeiliche Vorgehen Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist. Dies ist hier der Fall. Denn die geltend gemachten Rechtsverletzungen, die als solche nicht bloß geringfügig sind, werden maßgeblich davon geprägt, dass sie im Zusammenhang mit der behördlichen Reaktion auf eine damals viel beachtete (Groß-)Demonstration stehen, die für die Klägerinnen angesichts ihres Selbstverständnisses eine große Symbolkraft besaß. Ein öffentliches Interesse an einer rechtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns kann als solches ein Rechtsschutzinteresse zwar nicht begründen; reflexhaft kommt es den Klägerinnen jedoch zugute, indem vor diesem Hintergrund die Anforderungen an dessen Vorliegen herabgesetzt werden.
28 
2. Die Klagen sind nicht begründet. Die Beschlagnahmeverfügung hat die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt; sie war formell und materiell rechtmäßig.
29 
a. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 2, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG) war für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung, die ihre Ermächtigungsgrundlage als sogenannte polizeirechtliche Standardmaßnahme in § 33 PolG findet, zuständig.
30 
Als Versammlungsbehörde nach der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - (vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278) war das Landratsamt hier allerdings nicht zur Entscheidung berufen.
31 
Aus der genannten Verordnung folgt nicht, dass die Zuständigkeit für alle im Umfeld einer Versammlung erforderlichen polizeilichen Maßnahmen in der Hand der Kreispolizeibehörde als Versammlungsbehörde konzentriert werden. Sie beschränkt deren Zuständigkeit zum einen auf die Durchführung des Versammlungsgesetzes, d.h. auf Maßnahmen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Versammlungsgesetz findet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), zum anderen auf Maßnahmen auf Grund des Polizeigesetzes, die der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Vorschriften und Anordnungen dienen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2); hierzu zählen insbesondere Auflagen als sogenannte Minus-Maßnahmen i. S. von § 15 VersG. Eine Maßnahme, die an versammlungsrechtliche Anordnungen anknüpft, liegt hier nicht vor.
32 
Die Auflösung des Zeltlagers wurde zu Recht nicht auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes verfügt. Denn das Camp erfüllte die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs der Versammlung, die durch den Zweck gemeinsamer Meinungsbildung und -kundgabe geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <343 ff.>, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>), nicht; vielmehr diente es als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die in den folgenden Tagen beabsichtigten Demonstrationen, die ihrerseits auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit abzielten (siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 23.09.1991 - 5 B 254/91 -, NVwZ-RR 1992, 360). Wollte man allein in der Anwesenheit der Lagerbewohner eine Art „konkludente Solidaritätsadresse“ zugunsten der Demonstrationsteilnehmer erblicken, verlöre das Erfordernis der gemeinschaftlichen Meinungsäußerung jegliche Konturen (siehe hierzu auch das den Beteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 -). Die Beschlagnahme als Folgemaßnahme diente demnach auch nicht der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Anordnungen.
33 
Dieser rechtlichen Einordnung steht nicht entgegen, dass das Zeltlager als „logistische Basis“ einen engen Bezug zu den gegen den Castor-Transport gerichteten Versammlungen hatte, die ungeachtet der beabsichtigten Blockade-Aktionen weiterhin als i. S. v. Art. 8 Abs. 1 GG friedliche Demonstrationen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit standen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <105 f.>).
34 
Zwar hat das Grundrecht der Versammlungsfreiheit im Interesse seiner Effektuierung auch Vorwirkungen. Die genaue Reichweite des grundrechtlichen Vorfeldschutzes ist aber für die einfachgesetzliche Frage der behördlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Denn der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>).
35 
Das Landratsamt als die der originär - als allgemeine Polizeibehörde -zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1, § 66 Abs. 2 PolG) übergeordnete Fachaufsichtsbehörde (§ 64 Nr. 3 b PolG) konnte sich aber auf eine Eilzuständigkeit nach § 67 Abs. 1 PolG stützen.
36 
Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes war hier eröffnet. Inwieweit das Polizeigesetz bei Vorfeldmaßnahmen, die den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG berühren, insbesondere wegen der Anforderungen des Zitiergebotes (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) nur eingeschränkt anwendbar ist (siehe hierzu Deger, NVwZ 1999, 265 <267>; Kniesel, NJW 2000, 2857 <2862 f.>), kann hier offenbleiben. Denn ungeachtet der inhaltlichen Nähe zu den geplanten Demonstrationen ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht berührt. Art. 8 Abs. 1 GG schützt den gesamten Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <349>; Beschluss vom 11.06.1991 - 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, 203 <209>). Demnach sind z.B. Behinderungen der Anfahrt und schleppende vorbeugende Kontrollen mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Eine weitere Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist aber nicht gerechtfertigt. Insbesondere eine - wie hier - feste „Infrastruktur“ fällt nicht mehr unter den Schutz des Grundrechts; denn sie ist für die eigentliche Versammlung nicht mehr funktional notwendig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.12.1993 - 1 S 1957/93 -, NVwZRR 1994, 370; OVG Berlin, Beschluss vom 08.07.1999 -1 SN 63/99 -, LKV 1999, 372 <373>, zur straßenrechtlichen Erlaubnispflicht von Imbissständen; Schulze-Fielitz, a.a.O. , Art. 8 Rn 34). Folglich ist es nicht gerechtfertigt, insoweit Erlaubnisvorbehalte - sowie nachfolgend Eingriffsmöglichkeiten - außerhalb des Versammlungsgesetzes zu suspendieren und die Beachtung der dort geregelten rechtlichen Vorgaben der bloß abwägenden Berücksichtigung der Versammlungsbehörde zu überlassen (vgl. Kanther, NVwZ 2001, 1239 <1242>; Dietlein, NVwZ 1992, 1066).
37 
Nach § 67 Abs. 1 PolG kann die Fachaufsichtsbehörde die polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, wenn bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar erscheint. Gefahr im Verzug liegt hierbei vor, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse und der Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme; der Begriff „Gefahr in Verzug“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden, da eine effiziente Gefahrenabwehr nicht durch Zuständigkeitsprobleme erschwert oder verhindert werden darf. Dabei kommt es gerade nicht auf eine objektive Unerreichbarkeit der sachlich zuständigen Polizeibehörde an; es genügt vielmehr, dass es für die Fachaufsichtsbehörde den Anschein hat, die an sich zuständige Polizeibehörde sei nicht erreichbar. Diese Einschätzung der handelnden Behörde kann gerichtlich nur beanstandet werden, wenn sie offensichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, die sich bereits im Zeitpunkt der Entscheidung erkennen ließen (vgl. Urteil des Senats vom 14.12.1989 - 1 S 799/89 -, NJW 1990, 1618 zu § 46 Abs. 2 Nr. 2 PolG a.F. <§ 60 Abs. 2 PolG>). Nach diesen Vorgaben ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Zuständigkeit für die Beschlagnahme in Anspruch genommen hat.
38 
Nach den Schilderungen des vom Senat in der mündlichen Verhandlung angehörten Einsatzleiters der Polizei war die Kreispolizeibehörde bereits kurze Zeit nach Erlass der Räumungsverfügung, etwa gegen 16:00 Uhr, zur Überzeugung gelangt, dass eine Beschlagnahme der Küchen zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Diese Einschätzung beruhte in erster Linie auf den Einlassungen eines Vertreters der Klägerinnen, wonach diese die Kampagne, falls gewünscht, weiterhin unterstützen wollten. Es spricht zwar vieles dafür, im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 - zur Zuständigkeit für den Erlass der Räumungsverfügung auch für die folgende Zeit davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen weiterhin i. S. v. § 67 Abs. 1 PolG erreichbar war; er war damals mit der Sachlage vertraut und ist auch in die Erörterungen zur beabsichtigten Beschlagnahme mit einbezogen worden. Allein auf diesen Zeitpunkt bezogen kann die hier streitige Zuständigkeitsfrage aber nicht beantwortet werden. Denn die interne Willensbildung der Polizeibehörde ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend. Vielmehr bestimmt sich diese nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung; wirksam geworden ist die Beschlagnahme erst mit der um ca. 19:30 Uhr erfolgten Bekanntgabe, als die Fahrzeuge auf der Bundesstraße 36 auf dem Gebiet der Gemeinde Waghäusel in Richtung Süden fuhren. Der Bürgermeister von Waghäusel als das für die grundsätzlich zuständige Ortspolizeibehörde handelnde Organ war indessen Sinne von § 67 Abs. 1 PolG nicht rechtzeitig erreichbar.
39 
Der Zeitpunkt und der Ort des polizeilichen Einschreitens war hier durch die polizeitaktische Erwägung bestimmt, die Küchenfahrzeuge, soweit ein Verbleiben im Landkreis Karlsruhe nicht auszuschließen war, erst in räumlicher Entfernung vom Lagerplatz zu beschlagnahmen; damit sollte im Interesse der Deeskalation eine unter Umständen gewalttätige Solidarisierung durch die Bewohner des Lagers vermieden werden. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Da den Klägerinnen bei ihrem Abzug vom Lagerplatz eines Fahrtroute nicht vorgegeben wurde und der konkrete Ort des polizeilichen Zugriffs letztlich auch von verkehrstechnischen Erfordernissen bestimmt war, hätte die Wahrung der gesetzlich für den Regelfall vorgesehenen Zuständigkeitsordnung außer der Unterrichtung des Bürgermeisters von Oberhausen-Rheinhausen noch die Einbindung von - mindestens - drei weiteren Bürgermeistern - nämlich denen von Philippsburg, Waghäusel und Altlussheim - erforderlich gemacht, die dann - schon „auf Vorrat“ - eine Beschlagnahmeverfügung hätten vorbereiten müssen für den Fall, dass sich auf ihrer Gemarkung der Handlungsbedarf einstellt. Ein solches Vorgehen war jedoch angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht angezeigt; es war bereits nicht abzuschätzen, wie lange der Abbau der Küchenzelte und die Verladung der Gerätschaften dauern werde, so dass eine rechtzeitige Reaktion der örtlich zuständigen Ortspolizeibehörde, die sich mit der Situation und deren polizeirechtliche Bewertung erst hätte vertraut machen müssen, nicht gewährleistet gewesen wäre.
40 
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen waren die polizeitaktischen Überlegungen nicht darauf beschränkt, im Interesse größtmöglicher Wahrung der Zuständigkeitsordnung die Beschlagnahme zwar in gewisser räumlicher Entfernung vom Lagerplatz, aber noch auf dem Gebiet der Gemeinde Rheinhausen-Oberhausen anzuordnen. Zum einen wäre den Klägerinnen damit von vornherein die Möglichkeit genommen worden, den Landkreis Karlsruhe in Richtung Norden zu verlassen und so einer Beschlagnahme zu entgehen; mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre das nicht vereinbar. Wird - wie tatsächlich geschehen - auf der Bundesstraße 36 die Fahrtrichtung Süden gewählt, so könnte mit dieser Vorgabe den verkehrstechnischen Erfordernissen nicht in angemessener Weise Rechnung getragen werden, da hier das Gemeindegebiet schon wenige 100 Meter nach der Einmündung der von Oberhausen kommenden Kreisstraße 3537 endet. Zum anderen wird mit der Ansicht der Klägerinnen die Gefahr eines Missbrauchs überbewertet. Die Behörde, die sich auf einen Zuständigkeitswechsel wegen Gefahr im Verzug beruft, darf diese Gefahr zwar nicht bewusst herbeiführen, um eine ansonsten nicht gegebene Zuständigkeit zu begründen. Dies unterliegt dann einer strengen gerichtlichen Kontrolle, wenn die Zuständigkeitsverlagerung mit dem Verlust besonderer Schutzvorkehrungen für den Betroffenen einhergeht, was insbesondere bei Eingriffen gilt, die im Regelfall unter Richtervorbehalt stehen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 -, BVerfGE 103, 142 <155 ff.>). Geht es demgegenüber lediglich um eine Abweichung von der instanziellen Behördenzuständigkeit, kommt der Effektivität der Gefahrenabwehr bei der Ausfüllung der Rechtsbegriffe ein deutlich größeres Gewicht zu.
41 
b. Die Beschlagnahme war auch materiell rechtmäßig.
42 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG kann die Polizei eine Sache u. a. dann beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen einen unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen auf der Grundlage der Erkenntnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlagnahmeverfügung vor; dies hat bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2891/00 - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt.
43 
Aufgrund der Einlassungen der Koordinatoren der Kampagne „x 1000 mal quer“, die in generalstabsmäßiger Art und Weise eine Verhinderung der von ihr befürchteten Castor-Transporte anstrebte, stand zu erwarten, dass nach Räumung des Zeltlagers in Oberhausen-Rheinhausen an anderer Stelle wiederum - insbesondere unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften - ein Zeltlager zum Zwecke der logistischen Unterstützung auch gewaltbereiter Demonstrationsteilnehmer errichtet würde.
44 
Vor diesem Hintergrund war schließlich auch die Einschätzung des Landratsamts, dass sich die Klägerinnen ebenfalls an der Errichtung eines neuen Lager beteiligen würden, was es durch die Beschlagnahme zu verhindern galt, nicht fehlsam. Denn nach der Aussage des Einsatzleiters der Polizei hat sich der Ansprechpartner auf Seiten der Klägerinnen dahingehend eingelassen, dass sie nebst ihren Einrichtungen den Camp-Bewohnern weiterhin unterstützend zur Verfügung stehen wollten. Die auf dieser Aussage eines Vertreters der Klägerinnen gestützte Gefahrenprognose beruhte entgegen ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen haben insoweit geltend gemacht, die Aussage, weiterhin den Camp-Bewohnern zur Verfügung stehen zu wollen, habe sich nicht auf ein Lager wie das soeben aufgelöste bezogen, sondern auf ein „Zusammensein in anderer Form“, das gegebenenfalls von der Polizei geduldet würde. Ein solches Verständnis der Aussage lag aus der damaligen Perspektive indessen fern; denn die Gespräche mit den Klägerinnen fanden immer vor dem Hintergrund der Räumungsverfügung statt, in der auch die Errichtung eines Zeltlagers an anderer Stelle untersagt worden war. Folglich war vor dem Verständnishorizont der Behörde die von den Klägerinnen erklärte Bereitschaft, die Camp-Bewohner weiterhin zu unterstützen, auf die Errichtung eines neuen Lagers gemünzt. Auf die Möglichkeit eines anderen Verständnisses hätten die Klägerinnen ausdrücklich hinweisen müssen. Auf die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es demnach nicht an, so dass der Senat dem Beweisantrag nicht nachkommen musste.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

 
18 
Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 15.04.2005 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
19 
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch behördliche Aufhebung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161 <165>) und auch im übrigen zulässig.
21 
Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <206 ff.>); der zwischen Erledigung und Einreichung der Klagen verstrichene Zeitraum von lediglich 9 Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (siehe hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.12.2002 - 2 BvR 1660/00 -, NJW 2003, 1514 <1515>). Als Adressaten des streitigen Verwaltungsakts sind die Klägerinnen klagebefugt.
22 
Schließlich können sich die Klägerinnen auf das notwendige Feststellungsinteresse stützen. Dieses ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es nicht darum geht, den in einem bereits angestrengten Anfechtungsprozess getätigten Aufwand weiterhin zu nutzen, mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 <228>; Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <209>) und umfasst anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 <4>).
23 
Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr, die ein rechtliches Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen zu begründen geeignet wäre, hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Ein ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist hier indessen zu bejahen.
24 
Die Klägerinnen berufen sich hier zunächst auf ein Rehabilitierungsinteresse wegen diskriminierender Wirkung der behördlichen Maßnahme. Die - behauptete - Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche reicht hierfür allerdings nicht aus; erforderlich ist eine „Bemakelung“ des Betroffenen, die sich aus den Gründen des Bescheids oder den Umständen seines Erlasses ergibt, aus der Einstufung als Störer im polizeirechtlichen Sinne aber nicht automatisch folgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6). Hieraus muss sich eine fortwirkende konkrete und objektive Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen ergeben, die gerade durch den gerichtlichen Ausspruch beseitigt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164 <166>; Urteil vom 19.03.1992 - 5 C 44.87 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244; Urteil des erkennenden Senats vom 08.05.1989 - 1 S 722/88 -, NVwZ 1990, 378). Ob die Klägerinnen in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6, m.w.N.) in diesem Sinne noch merkliche ungünstige Nachwirkungen im beruflichen oder gesellschaftlichen Bereich plausibel dargetan haben, erscheint fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ideeller Art ist nicht auf eine Rehabilitation im engem Sinn beschränkt; unter Beachtung verfassungsrechtlicher Garantien ist das Rechtsschutzinteresse bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen nicht nur dann gegeben, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, eine fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.
25 
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegen-stand haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991; Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2543, jeweils m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005, 138 <139>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung - nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade im Hauptsacheverfahren - in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Rechtsprechung ist zwar anlässlich der Fälle sogenannter prozessualer Überholung bei Eingriffen unter Richtervorbehalt entwickelt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. -, BVerfGE 104, 220 <233>, m.w.N.), aber nicht hierauf beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, NVwZ 1999, 290 <292>; vom 22.02.2002 - 1 BvR 300/02 -, NJW 2002, 2225).
26 
Anknüpfend an diese Grundsätze ist hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG können die Klägerinnen zwar nicht geltend machen; dies folgt - auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung des aufgelösten Zeltlagers und den Vorwirkungen der Versammlungsfreiheit - schon aus dem persönlichen Schutzbereich des Grundrechts, das auch auf inländische juristische Personen i.S. von Art. 19 Abs. 3 GG nur in deren Eigenschaft als Veranstalter Anwendung finden kann (vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Auch kann sich die Klägerin zu 1 als ausländische juristische Person nicht ohne weiteres auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen; hier bedürfte es ggfs. eines Rückgriffs auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, um zu einer grundrechts- und rechtsschutzbezogenen Gleichbehandlung zu gelangen (siehe hierzu Wieland in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 72 m.N.). Ob der zeitweilige Entzug der Nutzung ihrer Gerätschaften und Fahrzeuge nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung einen tiefgreifenden bzw. gewichtigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, mag - insbesondere angesichts der nur kurzen Dauer der Beschlagnahme - zweifelhaft erscheinen.
27 
Diese grundrechtsdogmatischen Überlegungen sind indessen im Ergebnis nicht ausschlaggebend, denn eine solchermaßen isolierte Betrachtungsweise wird nach Ansicht des Senats der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht. Eine spezifische Grundrechtsverletzung wird, soweit von einer fortwirkenden Rechtsbeeinträchtigung abgesehen werden soll, in der Regel zu Recht gefordert, da anderenfalls wegen der durch Art. 2 Abs. 1 GG umfassend grundrechtlich geschützten Freiheitssphäre des Bürgers für die besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis bei erledigtem Verwaltungshandeln letztlich kein Raum mehr bliebe (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245). Einem Rechtsstreit kann aber - bei Wahrung dieser Grundentscheidung - auch dann eine solche Bedeutung zukommen, dass unter rechtsstaatlichen Aspekten ein großzügiger Zugang zur gerichtlichen Kontrolle angezeigt erscheint, wenn das beanstandete polizeiliche Vorgehen Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist. Dies ist hier der Fall. Denn die geltend gemachten Rechtsverletzungen, die als solche nicht bloß geringfügig sind, werden maßgeblich davon geprägt, dass sie im Zusammenhang mit der behördlichen Reaktion auf eine damals viel beachtete (Groß-)Demonstration stehen, die für die Klägerinnen angesichts ihres Selbstverständnisses eine große Symbolkraft besaß. Ein öffentliches Interesse an einer rechtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns kann als solches ein Rechtsschutzinteresse zwar nicht begründen; reflexhaft kommt es den Klägerinnen jedoch zugute, indem vor diesem Hintergrund die Anforderungen an dessen Vorliegen herabgesetzt werden.
28 
2. Die Klagen sind nicht begründet. Die Beschlagnahmeverfügung hat die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt; sie war formell und materiell rechtmäßig.
29 
a. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 2, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG) war für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung, die ihre Ermächtigungsgrundlage als sogenannte polizeirechtliche Standardmaßnahme in § 33 PolG findet, zuständig.
30 
Als Versammlungsbehörde nach der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - (vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278) war das Landratsamt hier allerdings nicht zur Entscheidung berufen.
31 
Aus der genannten Verordnung folgt nicht, dass die Zuständigkeit für alle im Umfeld einer Versammlung erforderlichen polizeilichen Maßnahmen in der Hand der Kreispolizeibehörde als Versammlungsbehörde konzentriert werden. Sie beschränkt deren Zuständigkeit zum einen auf die Durchführung des Versammlungsgesetzes, d.h. auf Maßnahmen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Versammlungsgesetz findet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), zum anderen auf Maßnahmen auf Grund des Polizeigesetzes, die der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Vorschriften und Anordnungen dienen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2); hierzu zählen insbesondere Auflagen als sogenannte Minus-Maßnahmen i. S. von § 15 VersG. Eine Maßnahme, die an versammlungsrechtliche Anordnungen anknüpft, liegt hier nicht vor.
32 
Die Auflösung des Zeltlagers wurde zu Recht nicht auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes verfügt. Denn das Camp erfüllte die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs der Versammlung, die durch den Zweck gemeinsamer Meinungsbildung und -kundgabe geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <343 ff.>, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>), nicht; vielmehr diente es als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die in den folgenden Tagen beabsichtigten Demonstrationen, die ihrerseits auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit abzielten (siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 23.09.1991 - 5 B 254/91 -, NVwZ-RR 1992, 360). Wollte man allein in der Anwesenheit der Lagerbewohner eine Art „konkludente Solidaritätsadresse“ zugunsten der Demonstrationsteilnehmer erblicken, verlöre das Erfordernis der gemeinschaftlichen Meinungsäußerung jegliche Konturen (siehe hierzu auch das den Beteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 -). Die Beschlagnahme als Folgemaßnahme diente demnach auch nicht der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Anordnungen.
33 
Dieser rechtlichen Einordnung steht nicht entgegen, dass das Zeltlager als „logistische Basis“ einen engen Bezug zu den gegen den Castor-Transport gerichteten Versammlungen hatte, die ungeachtet der beabsichtigten Blockade-Aktionen weiterhin als i. S. v. Art. 8 Abs. 1 GG friedliche Demonstrationen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit standen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <105 f.>).
34 
Zwar hat das Grundrecht der Versammlungsfreiheit im Interesse seiner Effektuierung auch Vorwirkungen. Die genaue Reichweite des grundrechtlichen Vorfeldschutzes ist aber für die einfachgesetzliche Frage der behördlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Denn der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>).
35 
Das Landratsamt als die der originär - als allgemeine Polizeibehörde -zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1, § 66 Abs. 2 PolG) übergeordnete Fachaufsichtsbehörde (§ 64 Nr. 3 b PolG) konnte sich aber auf eine Eilzuständigkeit nach § 67 Abs. 1 PolG stützen.
36 
Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes war hier eröffnet. Inwieweit das Polizeigesetz bei Vorfeldmaßnahmen, die den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG berühren, insbesondere wegen der Anforderungen des Zitiergebotes (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) nur eingeschränkt anwendbar ist (siehe hierzu Deger, NVwZ 1999, 265 <267>; Kniesel, NJW 2000, 2857 <2862 f.>), kann hier offenbleiben. Denn ungeachtet der inhaltlichen Nähe zu den geplanten Demonstrationen ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht berührt. Art. 8 Abs. 1 GG schützt den gesamten Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <349>; Beschluss vom 11.06.1991 - 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, 203 <209>). Demnach sind z.B. Behinderungen der Anfahrt und schleppende vorbeugende Kontrollen mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Eine weitere Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist aber nicht gerechtfertigt. Insbesondere eine - wie hier - feste „Infrastruktur“ fällt nicht mehr unter den Schutz des Grundrechts; denn sie ist für die eigentliche Versammlung nicht mehr funktional notwendig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.12.1993 - 1 S 1957/93 -, NVwZRR 1994, 370; OVG Berlin, Beschluss vom 08.07.1999 -1 SN 63/99 -, LKV 1999, 372 <373>, zur straßenrechtlichen Erlaubnispflicht von Imbissständen; Schulze-Fielitz, a.a.O. , Art. 8 Rn 34). Folglich ist es nicht gerechtfertigt, insoweit Erlaubnisvorbehalte - sowie nachfolgend Eingriffsmöglichkeiten - außerhalb des Versammlungsgesetzes zu suspendieren und die Beachtung der dort geregelten rechtlichen Vorgaben der bloß abwägenden Berücksichtigung der Versammlungsbehörde zu überlassen (vgl. Kanther, NVwZ 2001, 1239 <1242>; Dietlein, NVwZ 1992, 1066).
37 
Nach § 67 Abs. 1 PolG kann die Fachaufsichtsbehörde die polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, wenn bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar erscheint. Gefahr im Verzug liegt hierbei vor, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse und der Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme; der Begriff „Gefahr in Verzug“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden, da eine effiziente Gefahrenabwehr nicht durch Zuständigkeitsprobleme erschwert oder verhindert werden darf. Dabei kommt es gerade nicht auf eine objektive Unerreichbarkeit der sachlich zuständigen Polizeibehörde an; es genügt vielmehr, dass es für die Fachaufsichtsbehörde den Anschein hat, die an sich zuständige Polizeibehörde sei nicht erreichbar. Diese Einschätzung der handelnden Behörde kann gerichtlich nur beanstandet werden, wenn sie offensichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, die sich bereits im Zeitpunkt der Entscheidung erkennen ließen (vgl. Urteil des Senats vom 14.12.1989 - 1 S 799/89 -, NJW 1990, 1618 zu § 46 Abs. 2 Nr. 2 PolG a.F. <§ 60 Abs. 2 PolG>). Nach diesen Vorgaben ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Zuständigkeit für die Beschlagnahme in Anspruch genommen hat.
38 
Nach den Schilderungen des vom Senat in der mündlichen Verhandlung angehörten Einsatzleiters der Polizei war die Kreispolizeibehörde bereits kurze Zeit nach Erlass der Räumungsverfügung, etwa gegen 16:00 Uhr, zur Überzeugung gelangt, dass eine Beschlagnahme der Küchen zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Diese Einschätzung beruhte in erster Linie auf den Einlassungen eines Vertreters der Klägerinnen, wonach diese die Kampagne, falls gewünscht, weiterhin unterstützen wollten. Es spricht zwar vieles dafür, im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 - zur Zuständigkeit für den Erlass der Räumungsverfügung auch für die folgende Zeit davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen weiterhin i. S. v. § 67 Abs. 1 PolG erreichbar war; er war damals mit der Sachlage vertraut und ist auch in die Erörterungen zur beabsichtigten Beschlagnahme mit einbezogen worden. Allein auf diesen Zeitpunkt bezogen kann die hier streitige Zuständigkeitsfrage aber nicht beantwortet werden. Denn die interne Willensbildung der Polizeibehörde ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend. Vielmehr bestimmt sich diese nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung; wirksam geworden ist die Beschlagnahme erst mit der um ca. 19:30 Uhr erfolgten Bekanntgabe, als die Fahrzeuge auf der Bundesstraße 36 auf dem Gebiet der Gemeinde Waghäusel in Richtung Süden fuhren. Der Bürgermeister von Waghäusel als das für die grundsätzlich zuständige Ortspolizeibehörde handelnde Organ war indessen Sinne von § 67 Abs. 1 PolG nicht rechtzeitig erreichbar.
39 
Der Zeitpunkt und der Ort des polizeilichen Einschreitens war hier durch die polizeitaktische Erwägung bestimmt, die Küchenfahrzeuge, soweit ein Verbleiben im Landkreis Karlsruhe nicht auszuschließen war, erst in räumlicher Entfernung vom Lagerplatz zu beschlagnahmen; damit sollte im Interesse der Deeskalation eine unter Umständen gewalttätige Solidarisierung durch die Bewohner des Lagers vermieden werden. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Da den Klägerinnen bei ihrem Abzug vom Lagerplatz eines Fahrtroute nicht vorgegeben wurde und der konkrete Ort des polizeilichen Zugriffs letztlich auch von verkehrstechnischen Erfordernissen bestimmt war, hätte die Wahrung der gesetzlich für den Regelfall vorgesehenen Zuständigkeitsordnung außer der Unterrichtung des Bürgermeisters von Oberhausen-Rheinhausen noch die Einbindung von - mindestens - drei weiteren Bürgermeistern - nämlich denen von Philippsburg, Waghäusel und Altlussheim - erforderlich gemacht, die dann - schon „auf Vorrat“ - eine Beschlagnahmeverfügung hätten vorbereiten müssen für den Fall, dass sich auf ihrer Gemarkung der Handlungsbedarf einstellt. Ein solches Vorgehen war jedoch angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht angezeigt; es war bereits nicht abzuschätzen, wie lange der Abbau der Küchenzelte und die Verladung der Gerätschaften dauern werde, so dass eine rechtzeitige Reaktion der örtlich zuständigen Ortspolizeibehörde, die sich mit der Situation und deren polizeirechtliche Bewertung erst hätte vertraut machen müssen, nicht gewährleistet gewesen wäre.
40 
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen waren die polizeitaktischen Überlegungen nicht darauf beschränkt, im Interesse größtmöglicher Wahrung der Zuständigkeitsordnung die Beschlagnahme zwar in gewisser räumlicher Entfernung vom Lagerplatz, aber noch auf dem Gebiet der Gemeinde Rheinhausen-Oberhausen anzuordnen. Zum einen wäre den Klägerinnen damit von vornherein die Möglichkeit genommen worden, den Landkreis Karlsruhe in Richtung Norden zu verlassen und so einer Beschlagnahme zu entgehen; mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre das nicht vereinbar. Wird - wie tatsächlich geschehen - auf der Bundesstraße 36 die Fahrtrichtung Süden gewählt, so könnte mit dieser Vorgabe den verkehrstechnischen Erfordernissen nicht in angemessener Weise Rechnung getragen werden, da hier das Gemeindegebiet schon wenige 100 Meter nach der Einmündung der von Oberhausen kommenden Kreisstraße 3537 endet. Zum anderen wird mit der Ansicht der Klägerinnen die Gefahr eines Missbrauchs überbewertet. Die Behörde, die sich auf einen Zuständigkeitswechsel wegen Gefahr im Verzug beruft, darf diese Gefahr zwar nicht bewusst herbeiführen, um eine ansonsten nicht gegebene Zuständigkeit zu begründen. Dies unterliegt dann einer strengen gerichtlichen Kontrolle, wenn die Zuständigkeitsverlagerung mit dem Verlust besonderer Schutzvorkehrungen für den Betroffenen einhergeht, was insbesondere bei Eingriffen gilt, die im Regelfall unter Richtervorbehalt stehen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 -, BVerfGE 103, 142 <155 ff.>). Geht es demgegenüber lediglich um eine Abweichung von der instanziellen Behördenzuständigkeit, kommt der Effektivität der Gefahrenabwehr bei der Ausfüllung der Rechtsbegriffe ein deutlich größeres Gewicht zu.
41 
b. Die Beschlagnahme war auch materiell rechtmäßig.
42 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG kann die Polizei eine Sache u. a. dann beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen einen unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen auf der Grundlage der Erkenntnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlagnahmeverfügung vor; dies hat bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2891/00 - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt.
43 
Aufgrund der Einlassungen der Koordinatoren der Kampagne „x 1000 mal quer“, die in generalstabsmäßiger Art und Weise eine Verhinderung der von ihr befürchteten Castor-Transporte anstrebte, stand zu erwarten, dass nach Räumung des Zeltlagers in Oberhausen-Rheinhausen an anderer Stelle wiederum - insbesondere unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften - ein Zeltlager zum Zwecke der logistischen Unterstützung auch gewaltbereiter Demonstrationsteilnehmer errichtet würde.
44 
Vor diesem Hintergrund war schließlich auch die Einschätzung des Landratsamts, dass sich die Klägerinnen ebenfalls an der Errichtung eines neuen Lager beteiligen würden, was es durch die Beschlagnahme zu verhindern galt, nicht fehlsam. Denn nach der Aussage des Einsatzleiters der Polizei hat sich der Ansprechpartner auf Seiten der Klägerinnen dahingehend eingelassen, dass sie nebst ihren Einrichtungen den Camp-Bewohnern weiterhin unterstützend zur Verfügung stehen wollten. Die auf dieser Aussage eines Vertreters der Klägerinnen gestützte Gefahrenprognose beruhte entgegen ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen haben insoweit geltend gemacht, die Aussage, weiterhin den Camp-Bewohnern zur Verfügung stehen zu wollen, habe sich nicht auf ein Lager wie das soeben aufgelöste bezogen, sondern auf ein „Zusammensein in anderer Form“, das gegebenenfalls von der Polizei geduldet würde. Ein solches Verständnis der Aussage lag aus der damaligen Perspektive indessen fern; denn die Gespräche mit den Klägerinnen fanden immer vor dem Hintergrund der Räumungsverfügung statt, in der auch die Errichtung eines Zeltlagers an anderer Stelle untersagt worden war. Folglich war vor dem Verständnishorizont der Behörde die von den Klägerinnen erklärte Bereitschaft, die Camp-Bewohner weiterhin zu unterstützen, auf die Errichtung eines neuen Lagers gemünzt. Auf die Möglichkeit eines anderen Verständnisses hätten die Klägerinnen ausdrücklich hinweisen müssen. Auf die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es demnach nicht an, so dass der Senat dem Beweisantrag nicht nachkommen musste.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Sonstige Literatur

 
47 
Rechtsmittelbelehrung
48 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
49 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
50 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
51 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
52 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§ 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
55 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 oder Absatz 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in einem von ihm verbreiteten Inhalt (§ 11 Absatz 3) verwendet oder
2.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der ein derartiges Kennzeichen darstellt oder enthält, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

(3) § 86 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Die Kosten des Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung schuldet, wer das Verfahren beantragt hat.

Die §§ 12 und 13 gelten nicht,

1.
soweit dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt ist,
2.
wenn dem Antragsteller Gebührenfreiheit zusteht oder
3.
wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung weder aussichtslos noch mutwillig erscheint und wenn glaubhaft gemacht wird, dass
a)
dem Antragsteller die alsbaldige Zahlung der Kosten mit Rücksicht auf seine Vermögenslage oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde oder
b)
eine Verzögerung dem Antragsteller einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Schaden bringen würde; zur Glaubhaftmachung genügt in diesem Fall die Erklärung des zum Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalts.

Über den Antrag auf Eröffnung des Verteilungsverfahrens nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung soll erst nach Zahlung der dafür vorgesehenen Gebühr und der Auslagen für die öffentliche Bekanntmachung entschieden werden.

Das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verweisungen hierauf sind weiter anzuwenden

1.
in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem 1. Juli 2004 anhängig geworden sind; dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem 1. Juli 2004 eingelegt worden ist;
2.
in Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem 1. Juli 2004 rechtskräftig geworden ist;
3.
in Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung für Kosten, die vor dem 1. Juli 2004 fällig geworden sind.