Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 11. Jan. 2017 - 1 B 78/16
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 14.11.2016 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 17.10.2016 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Versagung eines Aufenthaltstitels.
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Der am ...01.1997 in Betlehem geborene Antragsteller ist aufgrund der Anerkennungslage von Palästina ungeklärter Staatsangehöriger. Im Rahmen des Visumverfahrens legte er eine Verpflichtungserklärung seines Vaters zur Tragung der Kosten seines Lebensunterhalts und seiner Ausreise vor. Er reiste am 19.09.2014 mit einem zum Zwecke des Hochschulstudiums erteilten Visum mit Gültigkeitszeitraum vom 15.09.2014 bis zum 14.09.2015 in das Bundesgebiet ein. Er begann zunächst ein Studium der Elektro- und Informationstechnik an der Hochschule H…. Seit Oktober 2015 studiert er Humanmedizin an der Universität zu A-Stadt.
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Der Antragsteller hielt sich unangemeldet an verschiedenen Orten im Bundesgebiet auf und sprach erstmalig am 08.10.2015 bei der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin zur Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis vor. Er erhielt mit Datum vom 08.10.2015 eine Grenzübertrittsbescheinigung, in der erklärt wurde, dass er nach den §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 AufenthG verpflichtet sei bis zum 22.10.2015 das Bundesgebiet zu verlassen. In einem Gespräch mit dem damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers am 19.05.2016 wurde von Seiten der Antragsgegnerin angeregt, dass der Antragsteller aus dem Bundesgebiet ausreisen solle, um mit einem neuen Visum wieder in das Bundesgebiet einzureisen. Der Antragsteller trug gegenüber der Antragsgegnerin vor, er sei krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, sich vor Ablauf seines Visums bei der Ausländerbehörde zu melden. Das Ablaufdatum seines Visums sei mit der Antragstellung am 08.10.2015 nur um wenige Tage überschritten gewesen. Die Ausreise zur Nachholung des Visumverfahrens sei eine unbillige Härte und würde sein Studium gefährden. Er müsse innerhalb der Semesterferien ein Pflegepraktikum absolvieren. Er habe ferner bereits einen bindenden Mietvertrag unterschrieben. Es sei nicht absehbar, wann er über die Auslandsvertretung in Ramallah erneut ein Visum erhalten würde. Es bestehe die Gefahr, dass die israelischen Behörden seine Ausreise wegen akuter Unruhezustände verweigern bzw. verzögern könnten.
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Mit Schreiben vom 23.10.2015 kündigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller an, dass sie beabsichtige seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abzulehnen und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.11.2015.
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Mit Schreiben vom 01.06.2016 wurde gegenüber dem damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers die ausländerrechtliche Situation dargelegt und die Abschiebung für den Fall der Nichtausreise angedroht. Der Aufforderung der Antragsgegnerin, sich umgehend bei der Ausländerbehörde zu melden, kam der Antragsteller nicht nach. Sein Aufenthaltsort war unbekannt.
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Am 19.08.2016 erhielt der Antragsteller eine bis zum 18.11.2016 befristete Duldung, die mit der ausstehenden Klärung der Abschiebungsmodalitäten sowie mit der ausstehenden Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und zur Anordnung der Fortgeltungswirkung begründet wurde.
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Der Antragsteller legte der Antragsgegnerin ein Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin J… A… vom 24.08.2016 vor. Demnach habe sich der Antragsteller am 10.09.2015 bei dem Arzt in B-Stadt mit Atemnot, Husten, allgemeiner Schwäche und Kopfschmerzen vorgestellt. Es wurde eine Bronchitis diagnostiziert. Der Antragsteller sei vom 10.09.2015 bis zum 07.10.2015 aufgrund der akuten Erkrankung abgeschwächt und damit weder leistungs- noch reisefähig gewesen.
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Mit Verfügung vom 17.10.2016 versagte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und setzte dem Antragsteller eine Frist zur freiwilligen Ausreise bis zum 11.11.2016. Gleichzeitig wurde die Abschiebung in das Gebiet von Palästina angedroht. Für den Fall der Abschiebung wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von sechs Monaten verhängt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller nicht die Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 2 AufenthG erfülle, da zum Zeitpunkt der Antragstellung kein gültiges Visum mehr vorgelegen habe. Zudem sei ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG gegeben, da der Antragsteller mehrmals gegen die Meldepflicht verstoßen habe und sich ab dem 15.09.2015 ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Fortgeltungswirkung des Visums sei nicht anzuordnen gewesen. Denn es sei nach Ablauf des Visums bis zur Antragstellung ein Zeitraum von über drei Wochen vergangen. Die vorgetragenen Erkrankungen seien kein Grund für die Verlängerung der Fortgeltungswirkung. Es sei dem Antragsteller ohne Weiteres möglich gewesen, sich während der einjährigen Gültigkeitsdauer seines Visums frühzeitig um einen Aufenthaltstitel mit längerer Gültigkeitsdauer zu bemühen. Es sei keine so schwerwiegende Erkrankung nachgewiesen worden, die eine Kontaktaufnahme mit der Ausländerbehörde unmöglich gemacht habe.
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Gegen die Verfügung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 14.11.2016 Widerspruch eingelegt und mit Schreiben vom selben Tage vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
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Der Antragsteller trägt vor, dass ihm vor Erteilung der Duldung in einem Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter am 18.08.2016 zugesagt worden sei, dass bei genügender Entschuldigung der verspäteten Antragstellung die Aufenthaltserlaubnis erteilt würde. Eine sofortige Anmeldung seines Wohnsitzes sei nach seiner Einreise nicht erfolgt, da noch nicht festgestanden habe, wo er sein Studium antreten werde. Er habe keine Zulassung zum Sommersemester erhalten, sei innerhalb der Geltungsdauer des Visums aus- und wiedereingereist und habe sich zeitweilig besuchsweise bei seinem in Berlin tätigen Bruder aufgehalten. Nach Erhalt der Zulassung sei er nach A-Stadt gekommen, wo er seit dem 25.08.2016 in seiner eigenen Wohnung gemeldet sei. Die Visumserteilung werde durch die israelischen Behörden, die sehr willkürlich verführen, erschwert. Es sei nicht vorhersehbar, wann ein neues Visum erteilt werde, so dass sein für August 2017 anstehendes 1. Staatsexamen in Frage gestellt sei.
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Der Antragsteller beantragt,
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die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung der Ausländerbehörde vom 17.10.2016 anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragsgegnerin verweist auf die Begründung der Verfügung vom 17.10.2016 und trägt darüber hinausgehend vor, dass der Antragsteller nicht unverschuldet die Frist für die rechtzeitige Antragstellung versäumt habe. Er sei aus vergangenen Aufenthalten in der Bundesrepublik mit dem Visaverfahren vertraut gewesen. Das vorgelegte Attest müsse als Gefälligkeitsattest angesehen werden. Die Ausstellung sei knapp ein Jahr nach der vorgetragenen Erkrankung erfolgt. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, warum aufgrund der festgestellten Erkrankung eine Reiseunfähigkeit gegeben sei. Zudem sei es dem Antragsteller trotz der Erkrankung möglich gewesen, sich per E-Mail oder Telefon um einen Termin bei der Ausländerbehörde zu kümmern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte.
II.
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Der Antrag ist nach den §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die im Bescheid vom 17.10.2016 enthaltene Abschiebungsandrohung begehrt.
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Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsteller nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des (unbeschränkt erhobenen) Widerspruchs hinsichtlich der ebenfalls im Bescheid angeordneten Befristung der Sperrwirkungen einer möglichen Abschiebung bzw. der Ausweisung begehrt. Zwar entfalten Widerspruch und Klage gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. Eine Erstreckung des Aussetzungsantrags auf diesen Regelungsteil entspräche jedoch abgesehen davon, dass der Antragsteller sich bislang nicht ausdrücklich gegen die Befristungsentscheidung gewandt hat, nicht seinem gegenwärtig vorrangigen Rechtsschutzinteresse, von einer Abschiebung verschont zu bleiben. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG stellt im Grundsatz einen den Ausländer begünstigenden Verwaltungsakt dar, weil das Verbot ohne die von der Ausländerbehörde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG vorzunehmende Befristung sonst unbefristet gelten würde. Entsprechend ist eine Befristung des Verbots ebenso wie eine Verkürzung der behördlich festgesetzten Frist im Hauptsacheverfahren auch allein mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.07.2012 – 1 C 19/11 –, juris Rn. 27 ff.). Abgesehen von der Anforderung, dass die nunmehr von Amts wegen vorzunehmende Befristung nach § 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG spätestens bei der Abschiebung festgesetzt werden muss, hat sie für die Durchführung der Abschiebung aber keine unmittelbaren Auswirkungen.
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Der so verstandene Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und begründet.
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Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft. Es handelt sich bei der Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG um eine Vollstreckungsmaßnahme, gegen die Rechtsbehelfe gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 248 Abs. 1 Satz 2 LVwG keine aufschiebende Wirkung haben. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig.
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Der Antrag ist auch begründet.
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Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht regelmäßig auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Voll-ziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (wieder-)herzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 06.08.1991 – 4 M 109/91 –, juris Rn. 5).
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Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich der Antrag als begründet. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts. Die Abschiebungsandrohung erweist sich nämlich als offensichtlich rechtswidrig und der Antragsteller ist dadurch in seinen Rechten verletzt. Denn der Antragsteller ist bei summarischer Prüfung nicht ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG).
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Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung sind die §§ 59, 58 Abs. 1 und 2 Nr. 2 AufenthG. Die Ausreiseverpflichtung des Antragstellers beruht auf § 50 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 AufenthG. Danach ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt. Der Antragsteller verfügte nach Ablauf seines Visums zwar nicht mehr über den erforderlichen Aufenthaltstitel. Aufgrund der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis am 08.10.2015 galt sein Visum gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend. Zwar war das Visum bereits am 14.09.2016 abgelaufen, sodass der Antrag auf Verlängerung verspätet gestellt wurde (§ 81 Abs. 4 Sätze 1 und 3 AufenthG). Jedoch hat es die Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung rechtswidrig unterlassen, die Fortgeltungswirkung des Visums des Antragstellers nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG anzuordnen. Der Anordnung der Suspensivwirkung des Widerspruchs des Antragstellers in der hier vorliegenden Konstellation steht nicht entgegen, dass nach der Regelungskonzeption des § 81 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Anordnung der Fortgeltungswirkung durch eine behördliche Entscheidung erfolgen müsste. Denn die verfahrensgegenständliche Abschiebungsandrohung ist selbst rechtswidrig, da sie auf der rechtswidrigen Ablehnung des Anspruchs des Antragstellers auf Anordnung der Fortgeltungswirkung seines Visums beruht.
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Der Antragsteller hatte einen Anspruch auf die Anordnung der Fortgeltungswirkung. Aufgrund der nur geringfügigen Fristüberschreitung war zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anzuordnen. Nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen, wenn der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt wurde. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist neben der nachgeholten Antragstellung eine unbillige Härte. Wann eine unbillige Härte vorliegt, wird im Gesetz nicht näher definiert. Dem Wortlaut der Vorschrift nach dürften die insoweit zu stellenden Anforderungen jedenfalls unterhalb der Schwelle liegen, die für die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG oder einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG besteht (VG Aachen, Beschl. v. 26.10.2015 – 4 L 815/15 –, juris Rn. 19). Zur Auslegung des Begriffs kann auch die Gesetzesbegründung herangezogen werden. Danach liegt eine unbillige Härte im Sinne der Vorschrift insbesondere vor, wenn der Ausländer die Frist zur Antragstellung nur geringfügig überschritten hat, die Fristüberschreitung lediglich auf Fahrlässigkeit zurückzuführen ist und bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass – eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt – bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann (BT-Drucks. 17/8682, S. 23).
- 26
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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Die Antragstellung erfolgte mit geringfügiger Verspätung nach Ablauf des Visums. Das Visum lief am 14.09.2015 ab und die Antragstellung erfolgte am 08.10.2015. Es liegt eine Verspätung von lediglich drei Wochen und drei Tagen vor. Die Kammer geht davon aus, dass eine geringfügige Zeitüberschreitung vorliegt, da die Antragstellung noch innerhalb eines Monats erfolgte und der zeitliche Zusammenhang zum abgelaufenen Visum des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung noch gegeben war (vgl. Rechtsprechung zur Geringfügigkeit der Überschreitung der Frist zur Antragstellung: bejaht bei einem Tag: VG Würzburg, Beschl. v. 20.02.2015 – W 7 S 14.1361 –, juris Rn. 23; bejaht bei einer Woche: VG Aachen, Beschl. v. 24.05.2016 – 8 L 1025/15 –, juris Rn. 6 ff.; offen gelassen bei einem Monat: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 06.08.2013 – OVG 7 S 72.13 –, juris Rn. 2; verneint bei mehr als einem Jahr: VG Berlin, Beschl. v. 30.09.2014 – 30 L 246.14 –, juris Rn. 19; verneint bei sechs Monaten: VG Aachen, Beschl. v. 26.10.2015 – 4 L 815/15 –, juris Rn. 18; verneint bei drei Monaten: VGH München, Beschl. v. 21.09.2016 – 10 ZB 16.1296 –, juris Rn. 8).
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Eine unbillige Härte durch den Ausschluss der Fortgeltungswirkung ist ebenfalls gegeben. Denn dem Antragsteller entsteht durch das Versäumnis der Antragsfrist ein Nachteil, der von der Rechtsordnung so nicht gewollt ist und der sich als unverhältnismäßig darstellt. Das Unterbleiben der Anordnung der Fortgeltungswirkung seines Visums und die darauf beruhende Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führen für den Antragsteller zu unverhältnismäßigen Nachteilen. Denn eine Verweisung auf die Nachholung des Visumverfahrens ist für den Antragsteller unzumutbar. Der Antragsteller hat durch seinen substantiierten Vortrag und durch Vorlage der Studienbescheinigung seiner Universität und der Stellungnahme seines Universitätsmentors glaubhaft gemacht, dass er erfolgreich Humanmedizin studiert und bei ununterbrochenem Fortgang seines Studiums noch im August 2017 sein 1. Staatsexamen wird ablegen können. Glaubhaft ist auch der Vortrag zur Unvorhersehbarkeit der Dauer eines nachzuholenden Visumverfahrens. Nach den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes für die Palästinensergebiete (https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PalaestinensischeGebieteSicherheit.html, Stand 11.01.2017) ist davon auszugehen, dass beispielsweise Grenzübergänge zwischen dem Westjordanland und Israel ohne Vorankündigung gesperrt werden. Für den Antragsteller würde damit eine Einreise nach Israel unmöglich gemacht und die Ausreise nach Deutschland unvorhersehbar verzögert.
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Zudem hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Frist zumindest aus Nachlässigkeit und nicht vorsätzlich erfolgte. An die Annahme einer unbilligen Härte dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (siehe. BT-Drucks. 17/8682, S. 22; Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 81 AufenthG, Rn. 56). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller die Antragsfrist zum Ablauf der Geltungsdauer seines Visums bewusst hat verstreichen lassen (vgl. VG Aachen, Beschl. v. 24.05.2016 – 8 L 1025/15 –, juris Rn. 8; VG Berlin, Beschl. v. 30.09.2014 – 30 L 246.14 –, juris Rn. 19). Es kann daher dahinstehen, ob der Antragsteller eine Verhinderung der rechtzeitigen Antragstellung durch Krankheit durch Vorlage eines Attestes glaubhaft gemacht hat, das mehr als zehn Monate nach der geltend gemachten Erkrankung von einem Arzt in B-Stadt ausgestellt wurde.
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Es ist auch davon auszugehen, dass dem Antragsteller unter der Prämisse der fristgemäßen Antragstellung eine Aufenthaltserlaubnis hätte erteilt werden können. Der Aufenthalt des Antragstellers erfüllt die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke des Hochschulstudiums nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Auch die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG sind erfüllt. Der Lebensunterhalt des Antragstellers kann aufgrund der Verpflichtungserklärung des Vaters des Antragstellers als gesichert gelten. Der Antragsteller ist nach § 5 Abs. 2 AufenthG mit dem erforderlichen Visum eingereist.
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Es besteht kein Ausweisungsinteresse (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
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Es besteht kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG wegen eines illegalen Aufenthalts des Antragstellers. Denn der Antragsteller hat sich – wie oben dargelegt – aufgrund der anzuordnenden Fortgeltungswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG nicht ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten. Bei der Anordnung der Fortgeltungswirkung gilt der Aufenthaltstitel, dessen Fortgeltung fingiert wird, ab dem Ablauf der Geltung bis zur Entscheidung über die Neuerteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels als fortbestehend.
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Auch ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG aufgrund mehrmaliger Verstöße gegen das Melderecht ist nicht gegeben. Zwar hat der Antragsteller sich erst im August 2016 bei der zuständigen Meldebehörde mit seinem Wohnsitz angemeldet. Jedoch ist der vorherige unangemeldete Aufenthalt im Bundesgebiet als nicht nur vereinzelter oder nur geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG anzusehen. Der Tatbestand der unterlassenen Anmeldung nach § 17 Abs. 1 Bundesmeldegesetz (BMG) stellt nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 BMG (bis zum In-Kraft-Treten des Bundesmeldegesetzes am 01.11.2015 nach §§ 11 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 2 Landesmeldegesetz Schleswig-Holstein) eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine vereinzelte Ordnungswidrigkeit stellt aber kein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse dar, weil sie nicht ähnlich schwer wiegt wie eine Straftat, die zu einer Verurteilung von einem bis zwei Jahren Freiheitsstrafe geführt hat, § 54 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG (Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 54 AufenthG, Rn. 72). Auch liegt kein nicht nur vereinzelter Verstoß gegen Rechtsvorschriften vor. Denn es wurde bisher gegen den Antragsteller wegen eines oder mehrerer Verstöße gegen das Melderecht kein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, in dem ein Rechtsverstoß festgestellt wurde.
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Sofern nach dem Wortlaut der Vorschrift beim Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Fortgeltungswirkung von einem Ermessen der Behörde auszugehen ist (vgl. Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 81 AufenthG, Rn. 57; Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 81 AufenthG, Rn. 25), ist dieses im vorliegenden Fall auf Null reduziert. Denn es kommt wegen des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung der Fortgeltungswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG nur die Entscheidung zugunsten des Antragstellers in Betracht. Die Vorschrift wurde laut Gesetzesbegründung eingeführt, um einen Ausgleich für übermäßige, vom Gesetzgeber nicht intendierte Folgen zu bieten, die aus dem Ausschluss der Fortgeltungsfiktion auch in Fällen resultieren, in denen die verspätete Antragstellung aus bloßer Nachlässigkeit und nur mit einer kurzen Zeitüberschreitung erfolgt (BT-Drucks. 17/8682, S. 23). Da hier eine unbillige Härte durch die ausbleibende Fortgeltungswirkung bejaht werden kann, kommt lediglich die Entscheidung für die Anordnung der Fortgeltungswirkung in Betracht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 2, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG.
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(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.
(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.
(2a) (weggefallen)
(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.
(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.
(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.
(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.
(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass
- 1.
der Lebensunterhalt gesichert ist, - 1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist, - 2.
kein Ausweisungsinteresse besteht, - 3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und - 4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.
(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer
- 1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und - 2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.
(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.
(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, - 1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten - a)
gegen das Leben, - b)
gegen die körperliche Unversehrtheit, - c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches, - d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder - e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
- 1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, - 3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, - 4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder - 5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, - a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt, - b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder - c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.
(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, - 2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - 3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht, - 4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht, - 5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben, - 6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist, - 7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde, - 8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland - a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder - b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
- 9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.
(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Widerspruch und Klage gegen
- 1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels, - 1a.
Maßnahmen nach § 49, - 2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen, - 2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e, - 3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft, - 4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes, - 5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d, - 6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1, - 7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11, - 8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie - 9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
Tatbestand
- 1
-
Der im Jahr 1964 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.
- 2
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Der Kläger reiste 1976 in das Bundesgebiet zu seinen Eltern ein. Seine Mutter war von 1969 bis 1982 als Arbeitnehmerin beschäftigt. Nach dem Besuch der Hauptschule schloss er eine Lehre als Elektrokaufmann ab. Im Dezember 1987 erhielt er eine Aufenthaltsberechtigung. Aus der im März 1988 geschlossenen Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen sind zwei Töchter hervorgegangen. Die Ehe wurde mittlerweile geschieden.
- 3
-
Der Kläger ist mehrfach strafrechtlich aufgefallen: Wegen Vergewaltigung seiner damaligen Ehefrau wurde er im November 2000 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Landgericht Krefeld verhängte gegen ihn im Oktober 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 11 Fällen und Körperverletzung. Dem Strafurteil ist zu entnehmen, dass der Kläger ab Januar 2004 Zeiten berufsbedingter Abwesenheit seiner Ehefrau zur Vornahme sexueller Handlungen an seiner älteren Tochter ausnutzte. Als er bemerkte, dass diese trotz des elterlichen Verbots Kontakt zu einem Jungen hatte, schlug er sie mit der Hand und der Faust ins Gesicht.
- 4
-
Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 2. Mai 2006 aus und drohte ihm für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Über die Ausweisung des assoziationsberechtigten Klägers sei im Ermessenswege zu entscheiden. Wegen der als Niederlassungserlaubnis fortgeltenden Aufenthaltsberechtigung genieße dieser besonderen Ausweisungsschutz, so dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden könne. Diese lägen in spezialpräventiver Ausprägung vor, denn der Schutz von Kindern vor Sexualdelikten und gewalttätigen Übergriffen sei eine überragend wichtige Aufgabe der Gemeinschaft und berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die den Ausweisungsanlass bildende Tat wiege schwer; besonders fielen die Ausnutzung der Vertrauensstellung, die Wehrlosigkeit des Opfers und die Intensität der Tatbegehung ins Gewicht. Angesichts der Gesamtpersönlichkeit des Klägers und seines bisherigen Verhaltens bestehe eine hohe Wiederholungsgefahr. Er sei einschlägig vorbestraft und habe weder Einsicht in das begangene Unrecht gezeigt noch seien eine Aufarbeitung der Geschehnisse und der Versuch einer Überwindung seiner Neigungen erkennbar. Trotz Verwurzelung in den hiesigen Verhältnissen sowie familiärer Bindungen sei die Ausweisung angesichts der künftig vom Kläger ausgehenden Gefahren für elementare Rechtsgüter auch mit Blick auf Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Die Ausweisung werde zunächst auf unbefristete Zeit ausgesprochen, da über eine Befristung erst nach positiven Veränderungen in der Person des Klägers entschieden werden könne. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung Düsseldorf am 25. August 2006 zurück.
- 5
-
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. Januar 2007 ab. Die auf § 55 AufenthG und Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gestützte Ermessensausweisung sei nicht zu beanstanden, weil der weitere Aufenthalt des Klägers eine tatsächliche und hinreichend schwere, das Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefährdung begründe. Die spezialpräventive Ausweisung stütze sich nicht allein auf die strafrechtliche Verurteilung. Vielmehr bestünden Anhaltspunkte dafür, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch neue Verfehlungen des Klägers drohe, wenn er zu seiner Familie und damit auch zu seiner jüngeren minderjährigen Tochter in das Umfeld komme, das seine Straftaten ermöglicht habe. Art. 8 EMRK und Art. 6 GG seien nicht verletzt, da bei der Abwägung die Art und Schwere der begangenen Straftaten sowie die Wiederholungsgefahr erheblich zulasten des Klägers ins Gewicht fielen.
- 6
-
Während des Berufungsverfahrens hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 7. März 2008 die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe wegen erhöhter Rückfallgefährdung des Klägers abgelehnt. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 13. Mai 2008 verworfen.
- 7
-
Mit Beschluss vom 5. September 2008 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat sich die Begründung des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht und darüber hinaus ausgeführt, dass das Ausweisungsverfahren nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens nicht zu beanstanden sei. Die Ausweisung sei auch materiell rechtmäßig, denn die Gefahrenprognose habe - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts - weiterhin Bestand. Der Kläger sei in erhöhtem Maße rückfallgefährdet. Dies verdeutlichten die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf.
- 8
-
Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 25. August 2009 - BVerwG 1 C 25.08 - (Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 53) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob sich der Schutz vor Ausweisung gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zugunsten eines türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 gegenüber dem Mitgliedstaat besitzt, in dem er seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren gehabt hat, nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG richtet. Der EuGH hat die Frage mit Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08 - (Ziebell) in einem Parallelverfahren verneint und entschieden, dass Art. 14 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegensteht, sofern das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Der Senat hat daraufhin mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 den Vorlagebeschluss aufgehoben.
- 9
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Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG (Vier-Augen-Prinzip), das nach der Stand-Still-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei. Die Befassung der Widerspruchsbehörde im Nachgang zur Ausweisung genüge dem nicht. Bei der Gefahrenprognose seien auch nach der letzten Behördenentscheidung eingetretene Veränderungen zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, der sich nach der Entlassung aus der Strafhaft im September 2009 einer psychotherapeutischen Behandlung unterzogen und straffrei geführt habe. Klärungsbedürftig sei, was der EuGH in der Ziebell-Entscheidung mit der Schranke der Unerlässlichkeit der Ausweisung meine. Im Übrigen verstoße die unbefristete Ausweisung gegen das Übermaßverbot sowie Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Der Kläger sei faktischer Inländer, da er sich wirtschaftlich und sozial integriert habe. Schließlich verletze die Ausweisung Art. 24 Abs. 3 der Grundrechte-Charta. Hilfsweise begehrt der Kläger im Revisionsverfahren, die Wirkungen der Ausweisung mit sofortiger Wirkung zu befristen. Er habe einen Befristungsanspruch aus der Rückführungsrichtlinie sowie § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011.
- 10
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Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt und hält die Revision für unbegründet.
Entscheidungsgründe
- 11
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Die zulässige Revision des Klägers hat nur in geringem Umfang Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) die Ausweisung (1.) und die Abschiebungsandrohung (3.) als rechtmäßig angesehen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.d.F. des während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 ist der Beklagte jedoch zu verpflichten, die in Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von sieben Jahren zu befristen (2.).
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, des Befristungsbegehrens und der noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Berufungsgerichts am 5. September 2008 (Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 12 für die Ausweisung; Urteil vom 22. März 2012 - BVerwG 1 C 3.11 - Rn. 13 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - für die Abschiebungsandrohung). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl I S. 3044). Damit sind insbesondere auch die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - zu beachten.
- 13
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1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig.
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1.1 Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ANBA 1981, 4 = InfAuslR 1982, 33) - ARB 1/80 -. Denn der Kläger besitzt eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80. Er ist im Alter von 12 Jahren zum Zweck der Familienzusammenführung erlaubt in das Bundesgebiet eingereist. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass seine Mutter von 1969 bis 1982 dem regulären Arbeitsmarkt angehört hat. Der Kläger hat bei seinen Eltern gelebt und die Mindestaufenthaltszeiten des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erfüllt. Nach Abschluss der Lehre zum Elektrokaufmann greift auch Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 zu seinen Gunsten. Demzufolge kann der Kläger gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422). Das ist hier der Fall. Damit liegen auch schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vor.
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1.2 Der Senat hat bereits in dem Vorlagebeschluss vom 25. August 2009 - BVerwG 1 C 25.08 - (Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 53 Rn. 21) darauf hingewiesen, dass die Vergewaltigung der Ehefrau und der mehrfache sexuelle Missbrauch der älteren Tochter einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bilden. Das strafrechtlich geahndete persönliche Verhalten des Klägers begründet eine - über die mit jedem Rechtsverstoß verbundene Störung der öffentlichen Ordnung hinausgehende - tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter der sexuellen Selbstbestimmung und der körperlichen Integrität nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen sehr hohen Rang ein und lösen - insbesondere bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen - staatliche Schutzpflichten aus, die sich auch gegen die Eltern richten.
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In dem Vorlagebeschluss (a.a.O. Rn. 22) hat der Senat des Weiteren ausgeführt, dass bei bedrohten Rechtsgütern mit einer hervorgehobenen Bedeutung für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr eher geringere Anforderungen gelten (ebenso Urteile vom 2. September 2009 - BVerwG 1 C 2.09 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 17 und vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <305 f.>). An diesem differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung Kritik geäußert worden, da er dem Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten und der daher gebotenen engen Auslegung der unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen für die Aufenthaltsbeendigung als ultima ratio nicht gerecht werde (VGH Mannheim, Urteile vom 4. Mai 2011 - 11 S 207/11 - NVwZ 2011, 1210 und vom 10. Februar 2012 - 11 S 1361/11 - NVwZ-RR 2012, 492). Dem vermag der Senat schon deshalb nicht zu folgen, da jede sicherheitsrechtliche Gefahrenprognose nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (Urteile vom 6. September 1974 - BVerwG 1 C 17.73 - BVerwGE 47, 31 <40>; vom 17. März 1981 - BVerwG 1 C 74.76 - BVerwGE 62, 36 <39> und vom 3. Juli 2002 - BVerwG 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 <356>). Auch die den Gerichten der Mitgliedstaaten obliegende und auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O.), kann im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts den Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser bestimmt die mögliche Schadenshöhe. Das bedeutet aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen (Urteil vom 27. Oktober 1978 - BVerwG 1 C 91.76 - BVerwGE 57, 61 <65>).
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Diesen Maßgaben genügt die von dem Beklagten gestellte und von den Vorinstanzen bestätigte Prognose der konkreten Wiederholungsgefahr beim Kläger. Beklagter und Verwaltungsgericht haben die Tatumstände, die Persönlichkeitsstruktur des Klägers, bei dem Einsicht, Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Geschehenen fehlen, sowie die mangelnde Überwindung seiner Neigungen durch therapeutische Unterstützung umfassend gewürdigt. Das Berufungsgericht hat sich das zu eigen gemacht. Darüber hinaus hat es darauf abgestellt, dass die Strafvollstreckungskammer wegen der erhöhten Rückfallgefährdung des Klägers die Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt und die Justizvollzugsanstalt sich dahingehend geäußert hat, dass bereits eine Gewährung von Hafturlaub nicht kalkulierbare Sicherheitsrisiken berge. Auf der Grundlage dieser das Revisionsgericht bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) zur erhöhten Rückfallgefährdung des Klägers ist auch nicht ansatzweise zu erkennen, dass das Berufungsgericht seiner Prognose zulasten des Klägers einen zu niedrigen und damit unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt hat. Die ausführliche Würdigung der Persönlichkeit des Klägers und die aus konkreten Umständen abgeleitete Wiederholungsgefahr belegen, dass der Beklagte nicht allein die strafrechtliche Verurteilung zum Anlass für die ausschließlich spezialpräventiv motivierte Ausweisung genommen, sondern die zukünftig vom Kläger ausgehende Gefahr in den Blick genommen hat.
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Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigt die Zeitspanne, die infolge der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an den EuGH zwischen der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts und der Verhandlung vor dem Senat verstrichen ist, weder die Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen neuen tatsächlichen Umstände im Revisionsverfahren noch eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht ist - abgesehen von Fällen begründeter Verfahrensrügen - entsprechend seiner vornehmlich auf die Rechtsprüfung beschränkten Aufgabenstellung nach § 137 Abs. 2 VwGO an die vom Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Diese das Rechtsmittel der Revision kennzeichnende Beschränkung führt dazu, dass das Revisionsgericht den Streitfall nicht in gleichem Umfang wie das Berufungsgericht prüft und dass es deshalb - im Gegensatz zum Berufungsgericht (§ 128 VwGO) - neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel nicht berücksichtigt (Urteil vom 3. Juni 1977 - BVerwG 4 C 37.75 - BVerwGE 54, 73 <75>). Dies schließt auch eine Zurückverweisung der Sache nur wegen nachträglicher Veränderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts grundsätzlich aus. Damit soll gleichzeitig der Gefahr einer "Endlosigkeit" des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgebeugt und verhindert werden, dass einer in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Berufungsentscheidung nachträglich die Grundlage entzogen wird (Urteile vom 28. Februar 1984 - BVerwG 9 C 981.81 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 19 S. 48<51 f.> und vom 20. Oktober 1992 - BVerwG 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <105 f.>).
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Die in § 137 Abs. 2 VwGO enthaltene revisionsrechtliche Sperre für die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Umstände wird nicht dadurch überwunden, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen das Vorliegen einer gegenwärtigen, d.h. aktuellen Gefahr verlangt (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 80, 82 und insbesondere Rn. 84). Damit wird der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachlage angesprochen, der infolge der der Verwaltungsgerichtsordnung zu entnehmenden Trennung zwischen Tatsacheninstanzen und Revisionsinstanz nur für Entscheidungen der Tatsachengerichte maßgeblich ist. Denn nur ihnen obliegt gemäß § 86 Abs. 1 und 2, §§ 108 und 128 VwGO die Erforschung des Sachverhalts und die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen im Wege freier richterlicher Beweiswürdigung. Diese Trennung der Funktionen von Tatsachen- und Rechtsinstanz wird durch das Unionsrecht nicht modifiziert, da es nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten ist, das gerichtliche Verfahrensrecht auch insoweit zu regeln, als es den Schutz von aus dem Unionsrecht erwachsenden individuellen Rechten gewährleisten soll. Dabei dürfen die prozessrechtlichen Regelungen jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein als bei entsprechenden, nur auf nationales Recht gestützten Rechtsbehelfen (Äquivalenzgrundsatz). Zudem darf nach dem Effektivitätsgrundsatz die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (EuGH, Urteile vom 12. Februar 2008 - Rs. C-2/06, Kempter - Slg. 2008, I-411 Rn. 57 und vom 10. April 2003 - Rs. C-276/01, Steffensen - Slg. 2003, I-3735 Rn. 60 ff. - jeweils m.w.N.). Beiden Grundsätzen wird die Bindung des Revisionsgerichts aus § 137 Abs. 2 VwGO auch in der vorliegenden Fallkonstellation gerecht. Die Eröffnung der auf eine reine Rechtskontrolle beschränkten dritten Instanz widerspricht auch nicht dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Denn der dort niedergelegte Grundsatz effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes eröffnet dem Einzelnen den Zugang zu einem Gericht und nicht zu mehreren Gerichtsinstanzen (EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - Rs. C-69/10, Samba Diouf - NVwZ 2011, 1380 Rn. 69). Er verlangt nicht, dass ein nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats eröffnetes Rechtsmittel wie die Revision eine Überprüfung der Tatsachen auf aktuellem Sachstand ermöglicht. Im Übrigen steht dem Kläger im Hinblick auf nach der Berufungsentscheidung eingetretene Umstände, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der von ihm ausgehenden Gefahr mit sich bringen können, die Möglichkeit zur Beantragung einer Verkürzung der von der Ausländerbehörde gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 - 5 AufenthG bereits mit der Ausweisung festzusetzenden Frist offen (dazu unter 2.).
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1.3 Da der Kläger ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht besitzt, darf er nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Bei deren gerichtlicher Überprüfung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen (EuGH, Urteil vom Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 84; so bereits Urteil vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 29.02 - BVerwGE 121, 315 <320 f.>). Die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über den Erlass einer Ausweisung erfordert eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet. Zugunsten des Ausländers sind die Gründe für einen besonderen Ausweisungsschutz (§ 56 AufenthG) sowie die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Außerdem sind die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben, in die Abwägung einzustellen (§ 55 Abs. 3 AufenthG). Die von Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens sind dabei entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere bei im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Ausländern, zumal wenn sie über keine Bindungen an das Land ihrer Staatsangehörigkeit verfügen.
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Mit Blick auf diese Vorgaben hat der Senat bereits im Vorlagebeschluss vom 25. August 2009 (a.a.O. Rn. 24) ausgeführt, dass die Ermessensausübung des Beklagten nicht zu beanstanden ist. Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens werden angesichts der vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter der sexuellen Selbstbestimmung sowie der körperlichen Integrität von Frauen in seiner Umgebung nicht überschritten. Es begegnet keinen Bedenken, dass der Beklagte das durch den Rechtsgüterschutz geprägte und durch grundrechtliche Schutzpflichten zusätzlich verstärkte öffentliche Interesse daran, den Aufenthalt des Klägers zu beenden, höher gewichtet hat als dessen Interesse an einem Verbleib in Deutschland. Zwar schlägt sein über dreißigjähriger rechtmäßiger Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu seinen Gunsten zu Buche. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass er über ausreichende persönliche Bindungen in die Türkei verfügt, so dass ihm die Ausreise dorthin zumutbar ist. Der Schutz des Familienlebens und der elterlichen Sorge genießt hohe Bedeutung, verliert aber an Gewicht, wenn man das Kindeswohl der minderjährigen Tochter mitberücksichtigt, so dass die Aufenthaltsbeendigung auch im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 24 Abs. 3 der GRCh gerechtfertigt ist. In der Gesamtabwägung aller gegenläufigen Belange ist die Ausweisung verhältnismäßig und "unerlässlich" im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 86). Denn mit diesem Begriff hat der Gerichtshof lediglich die gebotene Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interessen des Betroffenen, d.h. dessen tatsächlich vorliegende Integrationsfaktoren, im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesprochen (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 10. Februar 2012 - 11 S 1361/11 - NVwZ-RR 2012, 492).
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1.4 Die weiteren Rügen der Revision sind unbegründet; insbesondere ist das Ausweisungsverfahren fehlerfrei durchgeführt worden. Zwar war das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene "Vier-Augen-Prinzip" auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige zu übertragen (Urteil vom 13. September 2005 - BVerwG 1 C 7.04 - BVerwGE 124, 217 <221 f.> im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - Rs. C-136/03, Dörr und Ünal - Slg. 2005, I-4759
= NVwZ 2006, 72). In dem hier vorliegenden Fall hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid aber am 2. Mai 2006 und damit erst nach Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG zum 30. April 2006 (Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG) erlassen. Zu diesem Zeitpunkt galt Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr; stattdessen ist nunmehr Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG als unionsrechtlicher Bezugsrahmen für die Anwendung des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 heranzuziehen (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 79). Nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG steht langfristig Aufenthaltsberechtigten zur Überprüfung einer Ausweisung der Rechtsweg offen; die Beteiligung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme ist nicht vorgeschrieben.
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Im Übrigen hat der Gerichtshof vor Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG die Anwendung des "Vier-Augen-Prinzips" auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige damit begründet, dass die im Rahmen von Art. 48 EGV eingeräumten Rechtspositionen so weit wie möglich auf assoziationsberechtigte türkische Arbeitnehmer übertragen werden müssen. Um effektiv zu sein, müssten diese (materiellen) Rechte von den türkischen Staatsangehörigen vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Zur Gewährleistung der Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes sei es unabdingbar, ihnen die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden. Daher müsse es ihnen ermöglicht werden, sich u.a. auf Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG zu berufen, da die Verfahrensgarantien untrennbar mit den materiellen subjektiven Rechten verbunden seien, auf die sie sich beziehen (EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 a.a.O. Rn. 62 und 67). Da Ausgangspunkt der Betrachtung des Gerichtshofs die Verfahrensgarantien sind, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, erweist sich seine Rechtsprechung zur Übertragung auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige schon im Ansatz offen für Fälle von Rechtsänderungen, die die Stellung der Unionsbürger betreffen. Für diese gewährleistet Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG gegen Entscheidungen, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung getroffen werden, einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde. Im Rechtsbehelfsverfahren sind nach Art. 31 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände zu überprüfen, auf denen die Entscheidung beruht. Nach Satz 2 gewährleistet das Rechtsbehelfsverfahren, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG nicht unverhältnismäßig ist. Demzufolge gebietet Unionsrecht bei Ausweisungen von Unionsbürgern keine behördliche Kontrolle mehr nach dem "Vier-Augen-Prinzip". Dann können assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige nach der dynamisch angelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Übertragung von Rechten auf diese Gruppe keine bessere verfahrensrechtliche Rechtsstellung beanspruchen.
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Demgegenüber beruft sich der Kläger auf die Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP. Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Gemäß Art. 41 Abs. 1 ZP werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Aus diesen Stand-Still-Klauseln ergibt sich nach Auffassung des Klägers, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG bei der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger weiterhin anzuwenden sei. Dem folgt der Senat nicht.
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Gegen die Auffassung des Klägers spricht bereits, dass Art. 13 ARB 1/80 seinem Wortlaut nach nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die Europäische Union verpflichtet. Art. 41 Abs. 1 ZP betrifft sachlich nur Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, nicht aber die der Arbeitnehmerfreizügigkeit zuzurechnende aufenthaltsrechtliche Stellung aus Art. 7 ARB 1/80. Des Weiteren erscheint fraglich, ob die auf den Zugang zum Arbeits- bzw. Binnenmarkt zugeschnittenen Stand-Still-Klauseln überhaupt Verfahrensregelungen bei der Aufenthaltsbeendigung erfassen (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 20 zu den gesetzlichen Erlöschenstatbeständen für Aufenthaltstitel) und ob die Aufhebung des "Vier-Augen-Prinzips" mit Blick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG eine merkliche Verschlechterung der Rechtsposition darstellt. Das kann aber dahinstehen, da die weitere Anwendung des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige selbst bei Annahme einer rechtserheblichen Verschlechterung gegen Art. 59 ZP verstoßen würde. Nach dieser Vorschrift darf der Türkei in den von diesem Protokoll erfassten Bereichen keine günstigere Behandlung gewährt werden als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen. Das wäre aber bei weiterer Anwendung des "Vier-Augen-Prinzips" im Vergleich zu den Verfahrensrechten von Unionsbürgern aus Art. 31 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG - wie oben dargelegt - der Fall.
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Im Übrigen entspricht das im vorliegenden Fall durchgeführte Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO den Anforderungen der in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltenen Verfahrensgarantien (Urteil vom 13. September 2005 a.a.O. S. 221 f.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat mangels durchgreifender neuer Argumente der Revision fest.
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2. Auf den Hilfsantrag des Klägers, mit dem dieser die Befristung der Wirkungen der Ausweisung mit sofortiger Wirkung begehrt, ist die Beklagte zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von sieben Jahren zu befristen. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
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2.1 Der erst in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag ist zulässig. Das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren in § 142 VwGO steht dem nicht entgegen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift soll sich das Revisionsgericht grundsätzlich auf die rechtliche Prüfung des in der Vorinstanz bereits erörterten und aufbereiteten Streitstoffes beschränken, um nicht wegen eines erstmals im Revisionsverfahren gestellten Klageantrags ohne weitere Rechtsprüfung zu einer Zurückverweisung gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO gezwungen zu sein (Urteil vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 21.88 - Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 21 = NVwZ 1990, 260<261>). Eine solche Situation liegt aber hier nicht vor. Während des Revisionsverfahrens ist § 11 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 in der Weise geändert worden, dass der Kläger nunmehr einen Anspruch auf gleichzeitige Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung hat (s.u. 2.2.2). Dieser Änderung des materiellen Rechts trägt der gestellte Hilfsantrag Rechnung. Durch dessen Einbeziehung wird der Streitstoff auch nicht verändert, da der Befristungsanspruch in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich auf dem gegen die Ausweisung gerichteten Anfechtungsbegehren aufbaut (vgl. Urteil vom 26. Januar 1995 - BVerwG 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 <342>).
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2.2 Der Hilfsantrag ist nur in geringem Umfang begründet. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.
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2.2.1 Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 haben Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (Weiterentwicklung der Rechtsprechung im Urteil vom 14. Februar 2012 - BVerwG 1 C 7.11 - juris Rn. 28 f.). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
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Die Regelungen zur Befristung der Wirkungen einer Ausweisung und Abschiebung sind seit dem Ausländergesetz 1965 kontinuierlich zugunsten der betroffenen Ausländer verbessert worden. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 stand die Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung noch vollumfänglich im Ermessen der Ausländerbehörde. § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990 sah vor, dass auf Antrag eine Befristung in der Regel erfolgte (ebenso § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG 2004); die Länge der Frist lag im Auswahlermessen der Behörde. Diese Entwicklung belegt die gewachsene Sensibilität des Gesetzgebers für die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung in zeitlicher Dimension angesichts der einschneidenden Folgen für die persönliche Lebensführung des Ausländers und die ihn ggf. treffenden sozialen, familiären und wirtschaftlichen Nachteile (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1979 - 1 BvR 650/77 - BVerfGE 51, 386 <398 ff.>). Denn typischerweise genügt eine zeitlich befristete Ausweisung zur Erreichung der mit dieser ordnungsrechtlichen Maßnahme verfolgten präventiven Zwecke (Urteile vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 13.99 - BVerwGE 110, 140 <147> und vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <371 ff.>).
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Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung setzte nach den bisher geltenden Vorschriften grundsätzlich die vorherige Ausreise des Ausländers voraus (Beschluss vom 17. Januar 1996 - BVerwG 1 B 3.96 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 5; Urteil vom 7. Dezember 1999 a.a.O. S. 147; vgl. auch BTDrucks 11/6321 S. 57 zu § 8 Abs. 2 AuslG 1990). Die gesetzliche Systematik von Ausweisung und Befristung war zweitaktig angelegt, da im Zeitpunkt des Erlasses einer (auch) spezialpräventiv motivierten Ausweisung typischerweise kaum zu prognostizieren ist, wie der Betroffene sich zukünftig verhalten wird. Das Verhalten nach der Ausweisung ist aber neben dem Gewicht des Ausweisungsgrundes, der Berücksichtigung des Ausweisungszwecks und der Folgenbetrachtung im Hinblick auf das Übermaßverbot einer der für die Fristbestimmung maßgeblichen Faktoren (Urteil vom 11. August 2000 a.a.O. S. 372 ff.). Die im Gesetz angelegte Trennung von Ausweisung einerseits und Befristung ihrer Wirkungen andererseits hat zur Folge, dass eine fehlerhafte Befristungsentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führt, sondern selbstständig angreifbar ist (Beschlüsse vom 31. März 1981 - BVerwG 1 B 853.80 - Buchholz 402.24 § 15 AuslG Nr. 3 und vom 10. Dezember 1993 - BVerwG 1 B 160.93 - Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 2; Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 30).
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Der Senat hat bereits zur früheren Rechtslage mehrfach entschieden, dass die Ausländerbehörde zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Einzelfall auch von Amts wegen verpflichtet sein kann, die Wirkungen der Ausweisung schon bei Erlass der Ausweisung zu befristen. Ob dies erforderlich war, hing bei einer spezialpräventiven Ausweisung von den gesamten Umständen des Einzelfalles, insbesondere dem Ausmaß der von dem Ausländer ausgehenden Gefahr, der Vorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklung dieser Gefahr und den schutzwürdigen Belangen des Ausländers und seiner Angehörigen ab (Urteile vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 2.04 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 42, vom 23. Oktober 2007 - BVerwG 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367 Rn. 18 und vom 2. September 2009 - BVerwG 1 C 2.09 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 54 Rn. 25 sowie Beschluss vom 20. August 2009 - BVerwG 1 B 13.09 - Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 4 Rn. 8). Bei einer allein generalpräventiv motivierten Ausweisung eines Ausländers mit besonderem Ausweisungsschutz war es demgegenüber regelmäßig geboten, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung von Amts wegen zugleich mit der Ausweisung zu entscheiden. Denn in diesen Fällen lässt sich bereits in dem für die Ausweisung maßgeblichen Zeitpunkt beurteilen, wie lange der Betroffene unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen privaten Belange vom Bundesgebiet ferngehalten werden muss, um die notwendige generalpräventive Wirkung zu erzielen, so dass es unverhältnismäßig wäre, ihn über diesen für seine Lebensplanung wichtigen Umstand im Unklaren zu lassen (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 29). Sowohl bei der generalpräventiven als auch bei der spezialpräventiven Ausweisung kann der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG ausnahmsweise sogar die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung "auf Null" gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet ist (Urteil vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 LS 4 und Rn. 28).
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Das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 hat die Rechtslage für die betroffenen Ausländer weiter verbessert: § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. verschafft dem Betroffenen nunmehr - vorbehaltlich der Ausnahmen in Satz 7 der Vorschrift - einen uneingeschränkten, auch hinsichtlich der Dauer der Befristung voller gerichtlicher Überprüfung unterliegenden Befristungsanspruch (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 32 f. - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen). Zugleich ist hinsichtlich der Dauer der Frist geregelt, dass diese unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen ist und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F.).
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Diese Änderungen des § 11 AufenthG dienen der Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie (ABl EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98). Diese Richtlinie, die auf Art. 63 Abs. 3 Buchst. b EG (jetzt: Art. 79 Abs. 2 Buchst. c AEUV) gestützt ist und die illegale Einwanderung bekämpfen soll, ergänzt die Migrationspolitik um eine wirksame Rückkehrpolitik mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften (4. Erwägungsgrund). Die Richtlinie findet gemäß Art. 2 Abs. 1 - vorbehaltlich der Opt-out-Klausel in Absatz 2 der Vorschrift - Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese die Voraussetzungen für die Einreise bzw. den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllen (5. Erwägungsgrund). Im Einklang mit allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts sollen Entscheidungen gemäß dieser Richtlinie auf Grundlage des Einzelfalls und anhand objektiver Kriterien getroffen werden (6. Erwägungsgrund). Um die Interessen der Betroffenen wirksam zu schützen, sollen für Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr eine Reihe gemeinsamer rechtlicher Mindestgarantien gelten (11. Erwägungsgrund). Die Wirkung der einzelstaatlichen Rückführungsmaßnahmen soll einen europäischen Zuschnitt erhalten (14. Erwägungsgrund). Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie definiert die Rückkehrentscheidung als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird. Rückkehrentscheidungen gehen in den in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie genannten Fällen mit einem Einreiseverbot einher; gemäß Satz 2 der Vorschrift können sie in anderen Fällen mit einem Einreiseverbot einhergehen. Das Einreiseverbot definiert Art. 3 Nr. 6 der Richtlinie als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt werden und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Die Dauer des Einreiseverbots wird gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Die Dauer des Einreiseverbots kann jedoch nach Satz 2 der Vorschrift fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Verfahrensrechtlich garantiert Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie die Möglichkeit der Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs gegen Entscheidungen nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie, also Rückkehrentscheidungen sowie ggf. Entscheidungen über ein Einreiseverbot oder eine Abschiebung.
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Die Begründung des Gesetzentwurfs zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 geht davon aus, dass große Teile der in der Rückführungsrichtlinie enthaltenen Vorgaben durch die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zur Aufenthaltsbeendigung bereits erfüllt werden. Da die Richtlinie - anders als das geltende Aufenthaltsrecht mit der Differenzierung zwischen Ausreisepflichten kraft Verwaltungsakts und kraft Gesetzes - eine "Rückkehrentscheidung" verlange, an die unterschiedliche prozedurale bzw. formelle Garantien geknüpft würden, seien punktuelle gesetzliche Anpassungen erforderlich. Diese erfolgten jedoch innerhalb der geltenden Systematik, indem sie an den die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsakt (z.B. Ausweisung) oder an die Abschiebungsandrohung nach § 59 des Aufenthaltsgesetzes geknüpft würden. Die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie erfordere darüber hinaus die Einführung einer Regelobergrenze von fünf Jahren für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG (BTDrucks 17/5470 S. 17).
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Das macht deutlich, dass sich der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 11 AufenthG auch hinsichtlich der in Absatz 1 Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten gesetzlichen Folgen der Ausweisung und deren Befristung an den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Rückkehrentscheidung orientiert hat. Im Regelungsmodell der Richtlinie ist das Einreiseverbot jedoch als antragsunabhängige, mit einer Rückkehrentscheidung von Amts wegen einhergehende Einzelfallentscheidung ausgestaltet, in der die Dauer der befristeten Untersagung des Aufenthalts in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt wird (Art. 3 Nr. 6 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie). Aus der Absicht des Gesetzgebers, dieses Modell trotz der beibehaltenen systematischen Trennung von Ausweisung und Befristung nachzuvollziehen, ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen gebietet § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. den gleichzeitigen Erlass von Ausweisung und Befristung. Zum anderen genügt für den in dieser Vorschrift vorgesehenen Antrag jede Form der Willensbekundung des Betroffenen, mit der dieser sich gegen eine Ausweisung wendet (anders noch zu § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990: Beschluss vom 14. Juli 2000 - BVerwG 1 B 40.00 - Buchholz 402.240 § 8 AuslG Nr. 18). Dieser Auslegungsbefund des einfachen Rechts trägt zugleich der besonderen Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK Rechnung. Denn der EGMR zieht die Frage der Befristung bei der Prüfung von Ausweisungen am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK als ein wesentliches Kriterium heran (EGMR, Urteile vom 17. April 2003 - Nr. 52853/99, Yilmaz/Deutschland - NJW 2004, 2147; vom 27. Oktober 2005 - Nr. 32231/02, Keles/Deutschland - InfAuslR 2006, 3 <4>; vom 22. März 2007 - Nr. 1638/03, Maslov/Österreich - InfAuslR 2007, 221 <223> und vom 25. März 2010 - Nr. 40601/05, Mutlag/Deutschland - InfAuslR 2010, 325 <327>). Diese grund- und menschenrechtlichen Impulse verbunden mit der Absicht des Gesetzgebers, sich am Regelungsmodell der Rückführungsrichtlinie zu orientieren, führen in der Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass der Erlass einer Entscheidung zur Befristung der Wirkungen einer Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr die vorherige Ausreise des Ausländers voraussetzt.
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Dagegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, aus § 11 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ergebe sich, dass der Gesetzgeber nach wie vor von einer nachträglichen Befristung ausgehe. Nach dieser Vorschrift ist bei der Bemessung der Fristlänge zu berücksichtigen, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Es liegt auf der Hand, dass sich diese Umstände erst nach Erlass der Ausweisung feststellen lassen. Dennoch läuft die Vorschrift bei gleichzeitigem Erlass von Ausweisung und Befristung nicht leer. Denn die Ausländerbehörde hat ihre zusammen mit der Ausweisung getroffene Befristungsentscheidung, die sich u.a. auf eine Prognose des künftigen Verhaltens des Ausländers stützt und die Folgen der Ausweisung im Hinblick auf das zeitliche Übermaßverbot berücksichtigt, auf Antrag zu überprüfen und ggf. neu zu fassen, wenn einer der für die Fristbestimmung maßgeblichen Faktoren sich im Nachhinein ändert. Neben nachgewiesenen entscheidungserheblichen Änderungen der Sachlage kennzeichnet § 11 Abs. 1 Satz 5 AufenthG einen zusätzlichen Punkt, der von der Ausländerbehörde bei einer nachträglich beantragten Verkürzung der Frist zu berücksichtigen ist. Im Übrigen haben auch die Gerichte bei ihrer Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Befristungsentscheidung, die auch hinsichtlich der Bemessung der Fristdauer seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde steht (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 31), die rechtzeitige und freiwillige Ausreise des Betroffenen zu berücksichtigen.
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2.2.2 Fehlt die notwendige Befristung der Wirkungen der Ausweisung, hat das aber auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche rechtmäßige - Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr kann der Ausländer zugleich mit Anfechtung der Ausweisung seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gerichtlich durchsetzen (Urteil vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 30). Damit wird dem sich aus dem materiellen Recht ergebenden Anspruch des Betroffenen auf gleichzeitige Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen Rechnung getragen und die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung im Ergebnis gewährleistet. Diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung entspricht der gesetzlichen Systematik, die nach wie vor zwei getrennte Verwaltungsakte - die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits - vorsieht (s.o. Rn. 32). Prozessual wird dieses Ergebnis dadurch sichergestellt, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen gesehen wird, sofern eine solche nicht bereits von der Ausländerbehörde verfügt worden ist. Das Prozessrecht muss gewährleisten, dass der Ausländer gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht auf ein eigenständiges neues Verfahren verwiesen wird. Daher ist im Fall der gerichtlichen Bestätigung der Ausweisung auf den Hilfsantrag zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu treffen.
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Erachtet das Gericht die Ausweisung für rechtmäßig, hat es auf den Hilfsantrag des Betroffenen hin die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde vollumfänglich zu überprüfen. Hat eine Ausländerbehörde eine zu lange Frist festgesetzt oder fehlt - wie hier - eine behördliche Befristungsentscheidung, hat das Gericht über die konkrete Dauer einer angemessenen Frist selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung der Ausweisung zu verpflichten (Weiterentwicklung des Urteils vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 31).
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2.2.3 Der Senat hält im vorliegenden Fall - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts und auf der Grundlage von dessen tatsächlichen Feststellungen - eine Frist von sieben Jahren für angemessen.
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Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG). Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mit Blick auf die im vorliegenden Fall bedeutsame Gefahrenschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (vgl. Urteile vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> und vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19 ff.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts zu überprüfen oder bei fehlender behördlicher Befristungsentscheidung - wie hier - durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen.
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Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, da von dem Kläger - im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts - eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht; das ergibt sich aus den Ausführungen zu den Ausweisungsvoraussetzungen. Wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter und der vom Berufungsgericht festgestellten hohen Wiederholungsgefahr erachtet der Senat auch im Hinblick auf die familiären und persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet einen Zeitraum von sieben Jahren für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential in der Person des Klägers Rechnung tragen zu können. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Rückfallgefahr bei Delikten dieser Art, des Alters des Klägers, seines (Nach-)Tatverhaltens ohne therapeutische Auf- und Verarbeitung des Geschehens sowie seines familiären Umfelds ist nicht zu erwarten, dass er die hier maßgebliche Gefahrenschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vor Ablauf der festgesetzten Frist unterschreiten wird. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte auf den bei ihm während des Revisionsverfahrens gestellten Befristungsantrag auf aktueller Tatsachengrundlage zu prüfen hat, ob sich aus dem Vorbringen des Klägers zur Entwicklung seit dem 5. September 2008 Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Frist ergeben.
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3. Die Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig. Der Kläger ist ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG), da infolge der Ausweisung seine gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgeltende Aufenthaltsberechtigung erloschen ist (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die im angefochtenen Bescheid vom Beklagten getroffene Festsetzung der Ausreisefrist von einem Monat legt der Senat in Übereinstimmung mit § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. zugunsten des Klägers dahingehend aus, dass ihm eine Frist von 31 Tagen für die freiwillige Ausreise zur Verfügung steht.
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4. Die Frage, ob die Ausweisung, die Befristung ihrer Wirkungen und die Abschiebungsandrohung an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie zu messen sind, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Der Senat ist bisher davon ausgegangen, dass die Rückführungsrichtlinie, die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG bis zum 24. Dezember 2010 umzusetzen war, für davor erlassene und mit der Klage angegriffene Abschiebungsandrohungen keine Geltung beansprucht (Urteile vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 35 und vom 22. März 2012 a.a.O. Rn. 15; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch VerwGH Wien, Urteile vom 16. Juni 2011 - Az. 2011/18/0064 - und vom 20. März 2012 - Az. 2011/21/0298). Für den sachlichen Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie ist zudem umstritten, ob die Ausweisung als Rückkehrentscheidung i.S.d. Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2008/115/EG angesehen werden kann (dafür: Basse/Burbaum/Richard, ZAR 2011, 361<364>; Hörich, ZAR 2011, 281 <284 Fn. 45>; dagegen: VGH Mannheim, Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 - NVwZ-RR 2012, 412; offen: OVG Münster, Urteil vom 22. März 2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88). Das alles kann indes hier dahinstehen. Denn selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die (Wirkungen der) Ausweisung und die Abschiebungsandrohung unterstellt, verhilft das der Revision im vorliegenden Fall nicht in weitergehendem Umfang zum Erfolg. Da der Kläger mit seinem Hilfsantrag die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung zusammen mit deren gerichtlicher Prüfung durchsetzen kann, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan. In dem hier vorliegenden Fall konnte die Dauer des Einreiseverbots auch die Regelfrist von fünf Jahren überschreiten, da der Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung i.S.d. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG darstellt.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat gewichtet den gegen die Ausweisung und die Abschiebungsandrohung gerichteten Anfechtungsantrag mit 4/5 und den auf Befristung zielenden Verpflichtungsantrag mit 1/5. Nachdem der Kläger aber mit seinem Hilfsantrag nur zum Teil obsiegt hat, hat er 9/10 der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.
(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.
(2a) (weggefallen)
(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.
(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.
(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.
(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.
(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.
(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.
(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer
- 1.
unerlaubt eingereist ist, - 2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder - 3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer
- 1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, - 2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist, - 3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist, - 4.
mittellos ist, - 5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt, - 6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder - 7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.
(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.
(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.
(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.
(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.
(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.
(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.
(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als
- 1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3, - 2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7), - 2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2), - 2b.
ICT-Karte (§ 19), - 2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b), - 3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder - 4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.
(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.
(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.
(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.
(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.
(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.
(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.
(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.
(1) Die Klage ist bei dem Gericht schriftlich zu erheben. Bei dem Verwaltungsgericht kann sie auch zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden.
(2) Der Klage und allen Schriftsätzen sollen vorbehaltlich des § 55a Absatz 5 Satz 3 Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.
(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.
(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.
(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.
(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.
(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.
(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.
(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn
- 1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder - 2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.
(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.
(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.
(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.
(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
- 1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, - 2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und - 3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.
(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
- 1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und - 2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens 4 K 1740/15 auszusetzen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Kammer versteht den wörtlich gestellten Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. September 2015 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26. August 2015, zugegangen am 26. August 2015, mit der darin verfügten Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis anzuordnen,
4bei verständiger Würdigung des Antragsbegehrens dahin, dass beantragt wird,
5die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26. August 2015 (4 K 1740/15) hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung anzuordnen,
6hilfsweise, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens (4 K 1740/15) auszusetzen.
7Das Antragsbegehren ist, auch im Falle eines – wie hier – anwaltlich vertretenen Antragstellers, anhand des Antrags und der Begründung unter Berücksichtigung des erkennbaren Rechtsschutzziels auszulegen (vgl. §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO).
8Vgl. nur: BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 2 BvR 542/07 -, juris, Rn. 17.
9Dies zugrundegelegt geht die Kammer zunächst davon aus, dass der Antrag nicht auch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der unter Ziffer 3. des Bescheides verfügten Ausweisung des Antragstellers gerichtet ist. Denn der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Ausweisungsentscheidung nicht gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet, so dass der Klage insoweit bereits nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt und ein Aussetzungsantrag zur Wahrung der Rechte des Antragstellers nicht erforderlich ist.
10Des Weiteren geht die Kammer davon aus, dass der Antragsteller ebenfalls nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der unter Ziffern 2. und 3. des Bescheides angeordneten Befristung der Sperrwirkungen einer möglichen Abschiebung bzw. der Ausweisung begehrt. Zwar entfalten Klagen gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG nunmehr gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG i.d.F. des zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, 1386) keine aufschiebende Wirkung. Diese verfahrensrechtliche Neuregelung findet nach dem Grundsatz des "intertemporalen Prozessrechts" auch im vorliegenden Fall Anwendung. Eine Erstreckung des Aussetzungsantrags auf diesen Regelungsteil entspräche jedoch abgesehen davon, dass der Antragsteller sich bislang nicht ausdrücklich gegen die Befristungsentscheidung gewandt hat, erkennbar nicht seinem Rechtsschutzinteresse. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG stellt im Grundsatz einen den Ausländer begünstigenden Verwaltungsakt dar, weil das Verbot ohne die von der Ausländerbehörde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG vorzunehmende Befristung sonst unbefristet gilt. Entsprechend ist eine Befristung des Verbots ebenso wie eine Verkürzung der behördlich festgesetzten Frist im Hauptsacheverfahren auch allein mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen.
11Vgl. zur Befristung der Sperrwirkungen einer Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG: BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277 = juris, Rn. 27 und 40.
12Eine eventuelle Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage insoweit hätte daher lediglich zur Folge, dass das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG dann unbefristet gelten würde. Dies kann aber erkennbar nicht im Interesse des betroffenen Ausländers liegen und wäre bei der im Aussetzungsverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung – selbst im Falle der (Ermessens-) Fehlerhaftigkeit der Befristungsentscheidung – als ein gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechender Gesichtspunkt mit zu berücksichtigen. Ein daher insoweit allein zielführender Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf Festsetzung einer kürzeren Frist dürfte hingegen wegen der insoweit eindeutigen Regelung des Gesetzgebers in § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nunmehr unzulässig sein. Darüber hinaus dürfte für einen solchen Antrag auch der erforderliche Anordnungsgrund fehlen, da das Einreise- und Aufenthaltsverbot erst im Falle einer Abschiebung (kraft Gesetzes) entsteht, die der Ausländer jedoch durch eine freiwillige Ausreise selbst verhindern kann, und da es dem Ausländer überdies grundsätzlich zumutbar ist, das Befristungsverfahren vom Ausland aus zu führen.
13Schließlich versteht die Kammer den Antrag mit Blick darauf, dass der Antragsteller eine Aufenthaltsbeendigung unter allen Umständen verhindert wissen will, dahin, dass er für den Fall der Unzulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis hilfsweise auch die Aussetzung der Abschiebung im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung im Rahmen des rechtlich Zulässigen begehrt.
14Der so verstandene Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt mit dem Hauptantrag ohne Erfolg.
15Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die in der Ordnungsverfügung (Ziffer 1.) enthaltene Versagung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt, ist der nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG statthafte Antrag bereits unzulässig.
16Denn die ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde hatte nicht den Verlust einer bereits bestehenden Rechtsposition des Antragstellers zur Folge. Sein am 9. Juli 2013 gestellter Verlängerungsantrag war verspätet und hat nicht die hier allein in Betracht zu ziehende Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG ausgelöst.
17Vgl. hierzu: Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: März 2015, § 81Rn. 60 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2004 - 19 B 1737/02 - und vom 15. März 2004 - 19 B 106/04 - (beide n.v.).
18Danach gilt der bisherige Aufenthaltstitel als fortbestehend, wenn ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift setzt die fiktive Fortgeltung des Aufenthaltstitels damit voraus, dass der Ausländer im Zeitpunkt der Antragstellung noch im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels ist und sich aufgrund dessen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
19Dies war hier nicht der Fall. Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung am 9. Juli 2013 war die dem Antragsteller zuletzt bis zum 12. Januar 2013 verlängerte Aufenthaltserlaubnis schon fast sechs Monate abgelaufen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die Aufenthaltserlaubnis auch nicht bis zum 2. April 2015 verlängert worden. Zwar hat der Antragsgegner den Antragsteller bei seiner Vorsprache zur Beantragung der Verlängerung des Aufenthaltstitels am 9. Juli 2013 ebenso wie bei seiner erneuten Vorsprache am 2. April 2015 das Formblatt zur Bestellung eines elektronischen Aufenthaltstitels bei der Bundesdruckerei mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 8. Juli 2014 bzw. 2. April 2015 unterschreiben lassen. Ausweislich der beigezogenen Ausländerakte wurden dem Antragsteller entsprechende elektronische Dokumente jedoch weder ausgehändigt noch ihm eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf sonstige Weise bekannt gegeben, was aber Voraussetzung für deren Wirksamkeit gewesen wäre (vgl. § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW).
20Der Antragsgegner hat in der Folgezeit auch weder die Fortgeltungswirkung gemäß § 81 Abs. 4 S. 3 AufenthG ausdrücklich angeordnet noch stand dem Antragsteller ein Anspruch hierauf zu. Nach dieser Vorschrift kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen, wenn der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels – wie hier – verspätet gestellt wurde. Wann eine unbillige Härte vorliegt, wird im Gesetz nicht näher definiert. Dem Wortlaut der Vorschrift nach dürften die insoweit zu stellenden Anforderungen jedenfalls unterhalb der Schwelle liegen, die für die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG oder einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG besteht. Zur Auslegung des Begriffs kann auch die Gesetzesbegründung herangezogen werden. Danach liegt eine unbillige Härte im Sinne der Vorschrift insbesondere vor, wenn der Ausländer die Frist zur Antragstellung nur geringfügig überschritten hat, die Fristüberschreitung lediglich auf Fahrlässigkeit zurückzuführen ist und bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass – eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt – bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann (vgl. BT-Drs. 17/8682, S. 23). Im Hinblick auf die letzte Vorgabe ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Verlängerung bzw. Erteilung des Aufenthaltstitels vorliegen, dem eigentlichen Verwaltungsverfahren vorbehalten bleiben muss und nicht in die Entscheidung über die Anordnung der Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 S. 3 AufenthG verlagert werden darf, durch die der Aufenthalt des Ausländers für die Dauer des Verwaltungsverfahrens gerade unabhängig von den Erfolgsaussichten des Antrags gesichert werden soll.
21Vgl. Sammel, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage, § 81 Rn. 26.
22Davon ausgehend lag hier eine unbillige Härte nicht vor. Denn der Antragsteller hat mit seinem Verlängerungsantrag vom 9. Juli 2013 die Frist zur Beantragung einer Verlängerung der bis zum 12. Januar 2013 gültigen Aufenthaltserlaubnis um nahezu sechs Monate und damit nicht mehr nur geringfügig überschritten.
23Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die in der Ordnungsverfügung (Ziffer 2.) enthaltene Abschiebungsandrohung begehrt, ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW zwar zulässig, aber unbegründet.
24Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts das private Interesse des Antragstellers an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung. Die Abschiebungsandrohung erweist sich nämlich als offensichtlich rechtmäßig.
25Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach §§ 50, 58, 59, AufenthG sind erfüllt. Der Antragsteller ist ausreisepflichtig, weil er nach Ablauf der Geltungsdauer seiner zuletzt bis zum 12. Januar 2013 befristeten Aufenthaltserlaubnis sowie Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die streitgegenständliche Ordnungsverfügung nicht (mehr) im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist (vgl. § 50 Abs. 1 AufenthG).
26Auf die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht – die sich hier allerdings aus § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG ergibt, da der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, wie dargelegt, keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst hat – kommt es für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung hingegen nicht an.
27Vgl. hierzu grundlegend: OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2009 ‑ 18 A 2620/08 -, juris, Rn. 30 und 32.
28Der Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise bedurfte es im Fall des Antragstellers ausnahmsweise nicht, da dieser sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung und auch noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf richterliche Anordnung in (Straf-)Haft befand bzw. befindet (vgl. § 59 Abs. 5 S. 1, 1. HS i.V.m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG). In diesen Fällen wird der Ausländer – ohne Fristsetzung unmittelbar – aus der Haft abgeschoben (vgl. § 59 Abs. 5 S. 1, 2. HS AufenthG). Die vom Antragsgegner vorsorglich gesetzte Ausreisefrist von einer Woche ab Haftentlassung für den Fall, dass eine Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich ist, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie ist angemessen und zur Regelung der persönlichen Angelegenheiten des Antragstellers (noch) ausreichend.
29Gemäß § 59 Abs. 3 S. 1 AufenthG steht dem Erlass der Abschiebungsandrohung das Vorliegen von etwaigen Abschiebungsverboten ebenso wenig entgegen wie das Vorliegen von Duldungsgründen nach § 60a Abs. 2 AufenthG.
30Vgl. zu Letzterem: OVG NRW, Beschluss vom 6. Januar 2005 - 18 B 2801/04 -, NWVBl. 2005, 275 = juris, Rn. 7 ff.
31Der Antragsteller hat jedoch mit dem sinngemäß gestellten Hilfsantrag Erfolg.
32Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller darlegt, dass ihm ein Anspruch auf ein bestimmtes Handeln zusteht (Anordnungsanspruch) und dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss, weil ihm ansonsten unzumutbare Nachteile entstehen (Anordnungsgrund). Der Antragsteller hat Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
33Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund zur Seite, da der Antragsgegner nach Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis und Ausweisung des Antragstellers mit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung beabsichtigt, diesen zeitnah abzuschieben. Die bisherige Aussetzung der Abschiebung erfolgte ausschließlich mit Blick auf das vorliegende Eilverfahren zur Gewährleistung effektiven Rechtschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG).
34Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
35Nach bisherigem Sach- und Streitstand ist nicht auszuschließen, dass sich die Abschiebung des Antragstellers mit Blick auf die familiären Bindungen zu seinem minderjährigen deutschen Sohn als rechtlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG erweist. Es bestehen greifbare Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem Antragsteller und seinem minderjährigen Sohn eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft besteht, die durch eine Abschiebung des Antragstellers in Verbindung mit dem auf fünf Jahre befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auch unter Berücksichtigung seiner wiederholten, nicht unerheblichen Straffälligkeit ggf. unverhältnismäßig beeinträchtigt würde.
36Die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalls.
37Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Januar 2009 - 2 BvR 1064/08 -, InfAuslR 2009, 150 = juris, Rn. 14, und vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 862 = juris, Rn. 16.
38Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG allerdings nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. Bei der Bewertung der familiären Beziehungen kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann. Die Entwicklung eines Kindes wird aber nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt.
39Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Januar 2009 - 2 BvR 1064/08 -, InfAuslR 2009, 150 = juris, Rn. 14, und vom 1 Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 - 2 BvR 1830/08 -, juris, 28 ff.
40Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Es ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. Dabei ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient.
41Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 -, NVwZ 2013, 1207 = juris, Rn. 13 f., und vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris, 31 ff.
42Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zweifelhaft, ob der Antragsgegner im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen den persönlichen Belangen des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse an dessen Aufenthaltsbeendigung die familiären Bindungen des Antragstellers, insbesondere zu seinem minderjährigen deutschen Sohn ausreichend berücksichtigt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt hat.
43Der Antragsgegner ist in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung davon ausgegangen, dass der Antragsteller, der seit Oktober 2008 nicht mehr in einem Haushalt mit seiner inzwischen geschiedenen Ehefrau und seinen beiden Kinder – einem 16-jährigen Sohn und einer 22-jährigen Tochter – lebt, über keine persönlichen Bindungen im Bundesgebiet verfügt, insbesondere keinerlei Kontakt und keinerlei persönliche Bindung zu seinen Kindern (mehr) hat. Diese Annahme beruht im Wesentlichen auf einer fernmündlich eingeholten Auskunft der volljährigen und in L. wohnhaften Tochter des Antragstellers, wonach diese kaum Kontakt zu ihrem Vater habe, sowie auf der Tatsache, dass der Antragsteller innerhalb der ihm gesetzten Frist keine Nachweise über Art und Umfang der behaupteten Beziehung zu seinen Kindern und über die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem minderjährigen Sohn vorgelegt hat.
44Der Antragsteller hat jedoch unmittelbar nach Erlass der Ordnungsverfügung sowie im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens hinreichend substantiiert dargelegt und zum Teil durch eidesstattliche Versicherungen u.a. seines Vermieters und Arbeitgebers glaubhaft gemacht, dass er bis zu seiner Inhaftierung Anfang diesen Jahres häufigen und regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern gehabt habe, und zwar dergestalt, dass neben Besuchen zu Weihnachten in der Regel jedes zweite Wochenende wechselseitige Besuchskontakte entweder bei ihm oder bei den Kindern stattgefunden hätten. Das letzte Mal vor seiner Inhaftierung habe er seine Kinder am 13. März 2015 bei sich zu Hause getroffen.
45Sind danach aber Art und Umfang der familiären Bindungen des Antragstellers im Bundesgebiet, namentlich zu seinem minderjährigen deutschen Sohn, zwischen den Beteiligten streitig bzw. offen, bedarf es im Hinblick auf die persönlichen und familiären Verhältnisse des Antragstellers grundsätzlich weiterer Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht. Das gilt insbesondere auch angesichts der abweichenden Darstellung zur Intensität des persönlichen Kontakts seitens der Tochter sowie mit Blick auf den behaupteten letzten Besuchskontakt, der insofern zweifelhaft erscheint, als der Antragsteller bereits am 2. Februar 2015 festgenommen worden ist. Ferner ist offen, ob dem Antragsteller nach der Scheidung von seiner Ehefrau noch das (gemeinsame) Sorgerecht für den minderjährigen Sohn zusteht. Die erforderliche Aufklärung des Sachverhalts kann jedoch nicht im vorliegenden Eilverfahren erfolgen, das lediglich Raum für eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage bietet, sondern muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
46Die Aufklärung der persönlichen Bindungen des Antragstellers zu seinem minderjährigen Sohn ist auch erheblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung. Besteht die behauptete familiäre Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn in Form einer gelebten Vater-Sohn-Beziehung tatsächlich, kann nämlich nicht ohne weiteres festgestellt werden, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers wegen der von ihm begangenen Straftaten und einer ggf. daraus folgenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten zwingend der Vorrang vor seinen persönlichen Belangen einzuräumen wäre.
47Dem Schutz der familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Staatsangehörigen, die – wie dargelegt – auch außerhalb einer Hausgemeinschaft bestehen kann, kommt grundsätzlich erhebliches Gewicht zu. Dies folgt bereits daraus, dass ein deutscher Staatsangehöriger in der Regel nicht darauf verwiesen werden kann, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem ausländischen Familienangehörigen dauerhaft außerhalb des Bundesgebiets zu führen. Kann die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem minderjährigen Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, weil das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und ihm ein Verlassen des Bundesgebiets wegen seiner Beziehungen zu dem anderen Elternteil nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück.
48Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Januar 2009 - 2 BvR 1064/08 -, NVwZ 2009, 387 = juris, Rn. 15 f., und vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris, 35.
49Entsprechend hat auch der Gesetzgeber der besonderen Schutzbedürftigkeit der familiären Lebensgemeinschaft mit einem Deutschen dadurch Rechnung getragen, dass bei Bestehen einer solchen zum einen die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter erleichterten Bedingungen erfolgt (vgl. § 28 AufenthG), insbesondere vom Vorliegen eines Ausweisungsgrundes im Ermessenswege abgesehen werden kann (vgl. § 27 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), und zum anderen der Ausländer besonderen Ausweisungsschutz genießt (vgl. § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG). Letzteres bedeutet, dass der Ausländer nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann (vgl. § 56 Abs. 1 S. 2 AufenthG). Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung können nicht nur bei Verwirklichung der Ausweisungstatbestände der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG, bei denen die Vermutung des § 56 Abs. 1 S. 3 AufenthG eingreift, sondern auch bei Vorliegen sonstiger (Regel- und Ermessens-)Ausweisungsgründe gegeben sein. Erforderlich ist jedoch stets, dass dem Ausweisungsanlass ein besonderes – den vorgenannten Ausweisungsgründen vergleichbar schweres – Gewicht zukommt. Dieses kann sich bei Straftaten aus deren Art, Schwere und Häufigkeit ergeben.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 -, BVerwGE 142, 29 = juris, Rn. 17.
51Bei spezialpräventiv begründeten Ausweisungen müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht. Eine Ausweisung aus Gründen der Generalprävention ist bei Ausländern, die einen besonderen Ausweisungsschutz genießen, nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn eine Straftat besonders schwer wiegt und deshalb ein dringendes Bedürfnis dafür besteht, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Dabei kommt es stets auf die besondere Schwere der Straftat im Einzelfall an. Diese erfordert im Hinblick auf die verhaltenssteuernde Wirkung der Ausweisung auf andere Ausländer, dass von einer derartigen Straftat eine besonders hohe Gefahr für den Staat oder die Gesellschaft ausgeht, wie dies insbesondere bei Drogendelikten oder Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität der Fall sein kann.
52Vgl. BVerwG, Urteile 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 -, BVerwGE 142, 29 = juris, Rn. 24, vom 31. August 2004 - 1 C 25.03 -, BVerwGE 121, 356 = juris, Rn. 16, und vom 11. Juni 1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247 = juris, Rn. 26 ff.
53Diese Maßstäbe zur Zulässigkeit der Ausweisung eines Ausländers, der mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, können zu Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung und damit des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses nach § 60a Abs. 2 AufenthG entsprechend herangezogen werden. Denn sie beinhalten letztlich eine Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der gerade auch beim Vollzug der Ausreisepflicht zu beachten ist.
54Gemessen daran erscheint es zweifelhaft, ob mit der letzten Verurteilung des Antragstellers vom 27. Januar 2014 wegen fahrlässigen Vollrausches, die der Antragsgegner in Verbindung mit den vorangegangenen Verurteilungen des Antragstellers (überwiegend Straßenverkehrsdelikte) zum Anlass der Aufenthaltsbeendigung genommen hat, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen, die den im Falle einer familiären Lebensgemeinschaft bestehenden besonderen Ausweisungsschutz des Antragstellers zurücktreten lassen können.
55Zunächst durfte der Antragsgegner – entgegen der Ansicht des Antragstellers – die strafgerichtlichen Verurteilungen bei der aufenthaltsbeendenden Entscheidung berücksichtigen. Sie sind insbesondere nicht verbraucht. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass als Ausprägung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes der "Verbrauch" eines Ausweisungsgrundes eintreten kann, wenn ein Tatbestand geschaffen wird, aufgrund dessen der Ausländer erwarten kann, dass ihm das Verbleiben im Bundesgebiet erlaubt wird. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Ausländerbehörde dem Betroffenen in voller Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausweisung den weiteren Aufenthalt im Wege der vorbehaltlosen Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ermöglicht. Der dem Ausländer durch das Verhalten der Ausländerbehörde vermittelte Schutz steht indes unter dem Vorbehalt, dass sich die für das behördliche Verhalten maßgeblichen Umstände nicht ändern.
56Vgl. hierzu etwa: OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2008 - 18 B 771/08 -, juris, Rn. 7.
57In Anwendung dieser Grundsätze kommt ein Verbrauch von Ausweisungsgründen im Hinblick auf die letzten drei Verurteilungen vom 4. März 2011 (50 Tagessätzen wegen Beleidigung), vom 14. Mai 2012 (vier Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen fahrlässigen Vollrausches) und vom 27. Januar 2014 (fünf Monate Freiheitsstrafe wegen fahrlässigen Vollrausches), schon deswegen nicht in Betracht, weil diese zeitlich nach der letzten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers am 13. Januar 2011 erfolgt sind. Mangels weiterer Verlängerung des Aufenthaltstitels ist insoweit kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden.
58Darüber hinaus durfte der Antragsgegner auch die zeitlich davor liegenden Verurteilungen in Rechnung stellen. Zwar ist dem Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis in der Vergangenheit jeweils in Kenntnis der im Zeitraum von 1997 bis 2009 ergangenen sieben Verurteilungen ohne Vorbehalt verlängert worden. Der durch stillschweigenden Verzicht auf eine Ausweisung damit begründete Vertrauensschutz verbietet allerdings nicht, diese Straftaten im Rahmen der wegen der weiteren Straffälligkeit des Antragstellers erforderlichen neuen Gefahrenprognose mit zu berücksichtigen. Denn der dem Ausländer durch eine vorbehaltslose Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis vermittelte Vertrauensschutz steht stets unter dem Vorbehalt, dass sich die für das behördliche Verhalten maßgeblichen Umstände nicht ändern. Dies ist jedoch gerade dann der Fall, wenn – wie hier – zu früheren Verurteilungen, die nicht zum Anlass für eine Aufenthaltsbeendigung genommen wurden, weitere Straftaten hinzutreten. Denn insoweit liegt ein neuer Lebenssachverhalt vor, der in der Zusammenschau mit den vorangegangenen strafrechtlichen Verfehlungen insgesamt neu zu würdigen ist.
59Soweit die Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung mit Blick auf dessen strafrechtliche Verfehlungen auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt wird, bestehen jedoch bereits erhebliche Zweifel, ob dies den vorgenannten Anforderungen an das Vorliegen schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügt. Zwar fällt die Anzahl der vom Antragsteller begangenen Straftaten – im Zeitraum von 1997 bis 2014 insgesamt zehn – erheblich ins Gewicht. Auch sind die begangenen Delikte ihrer Art nach nicht unbedeutend. Dies gilt insbesondere für die letzte Verurteilung aus dem Jahr 2014 zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung, die bereits für sich genommen den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den strafrechtlichen Verfehlungen des Antragstellers in der Mehrzahl um Straftaten aus dem straßenverkehrsrechtlichen Bereich handelt (1997 fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, 1998 einmal Urkundenfälschung in Tateinheit mit Fahren ohne Pflichtversicherung und einmal Fahren ohne Fahrerlaubnis, 1999 fahrlässige Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, 2000 Fahren ohne Fahrerlaubnis, 2009 fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, 2012 fahrlässiger Vollrausch mit Fahrerlaubnissperre, 2014 fahrlässiger Vollrausch mit Fahrerlaubnissperre). Straßenverkehrsdelikte bilden jedoch regelmäßig keinen ausreichenden Anlass, um auf ein gesetzmäßiges Verhalten anderer Ausländer hinzuwirken. Sie sind zwar generell gefährlich für die Allgemeinheit und damit in der Regel schwerwiegende Straftaten. Sie können aber grundsätzlich nicht zu den besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die öffentliche Ordnung gezählt werden, die aus Gründen der Generalprävention die Ausweisung im dargelegten Sinne unvermeidbar werden lassen.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 1981 - 1 C 23.81 -, BVerwGE 64, 13 = juris, Rn. 20; Hailbronner, Ausländerrecht, Bd. I, § 56 Rn. 44.
61Soweit die Aufenthaltsbeendigung des Weiteren neuen Gesetzesverstößen des Antragstellers vorbeugen soll und damit auf spezialpräventive Erwägungen gestützt wird, erscheint es ebenfalls zweifelhaft, ob angesichts der bisherigen Straffälligkeit des Antragstellers bereits eine erhöhte – schwere – Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung festzustellen ist, die geeignet ist, dessen ggf. bestehenden besonderen Ausweisungsschutz zu überwinden.
62Der Antragsgegner hat angesichts der wiederholten Straffälligkeit des Antragstellers zwar zu Recht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung zur Verhinderung weiterer Straftaten angenommen. Denn es liegen belastbare Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Antragsteller droht. Der Antragsgegner hat sich bezüglich der Gefahrenprognose in nicht zu beanstandender Weise an die strafrichterliche Sozialprognose im Rahmen der ablehnenden Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil vom 27. Januar 2014 angeschlossen. Mit dem Strafgericht ist davon auszugehen, dass – zum damaligen Zeitpunkt – keine begründete Wahrscheinlichkeit bestand, dass der Antragsteller sich künftig straffrei führen wird. Dem stehen zum einen dessen Vorbelastungen und insbesondere sein Bewährungsversagen entgegen. So wurde der Antragsteller seit 1997 bereits siebenmal im Zusammenhang mit straßenverkehrsrechtlichen Delikte verurteilt. Zuletzt ist er noch am 14. Mai 2012 wegen einer gleich gelagerten Straftat (fahrlässiger Vollrausch) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass sich die Lebenssituation des Antragstellers seit dieser letzten Verurteilung in irgendeiner Weise verändert hätte. Positive Entwicklungen sind nicht zu erkennen. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller bislang irgendetwas unternommen hätte, um sein offensichtlich bestehendes Alkoholproblem in den Griff zu bekommen. Die Annahme einer Alkoholproblematik gründet sich darauf, dass mindestens sechs der zehn Verurteilungen des Antragstellers im Zusammenhang mit – übermäßigem – Alkoholkonsum standen. Bei der Verurteilung von 3. Dezember 2007 (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen und Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung) wurde beim Antragsteller – um 17:30 Uhr – eine Blutalkoholkonzentration von 2,33 Promille festgestellt, bei der letzten Verurteilung vom 27. Januar 2014 sogar eine von 2,88 Promille. Alkoholwerte in dieser Größenordnung rechtfertigen jedoch den Schluss, dass beim Antragsteller eine massive Alkoholgewöhnung infolge eines ganz erheblichen Alkoholkonsums vorliegt, da derartige Werte von "Durchschnittstrinkern", die nur gelegentlich Alkohol konsumieren, in der Regel nicht erreicht werden können.
63Allerdings lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, ob aus diesen Umständen auch eine gesteigerte – schwere – Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung folgt, wie sie im Rahmen des ggf. bestehenden besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 S. 2 AufenthG erforderlich ist. Nach Auffassung der Kammer bedarf es für eine abschließende Beurteilung dieser Frage vielmehr der Beiziehung der einschlägigen Strafakten, um die Schwere der Straftaten im Einzelnen würdigen können. Ferner erscheint eine weitere tatsächliche Aufklärung in Bezug auf das bisherige (Alkohol-)Konsumverhalten des Antragstellers sowie dessen Einstellung hierzu geboten. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass für die aktuelle Gefahrenprognose auch die Tatsache von Bedeutung ist, dass der Antragsteller zwischenzeitlich sowohl die 2014 verhängte Freiheitsstrafe von fünf Monaten als auch die 2012 verhängte Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wurde, verbüßt hat und voraussichtlich am 1. November 2015 aus der Justizvollzugsanstalt entlassen wird. Insoweit bleibt zu ermitteln, ob die vom Antragsteller bisher ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Straftaten unter dem Eindruck des erfolgten Strafvollzugs unverändert fortbesteht.
64Schließlich ist das Gewicht der – behaupteten – Bindungen des Antragstellers zu seinem minderjährigen deutschen Sohn auch nicht deswegen von vornherein deutlich geringer zu veranschlagen, weil der Sohn bereits das 16. Lebensjahr vollendet hat. Zwar haben die Folgen einer – wie hier – vorübergehenden Trennung bei einem Jugendlichen kein vergleichbar hohes, gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht wie bei einem noch sehr kleinen Kind, das den vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung ggf. nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt.
65Vgl. hierzu: BVerfG, Beschlüsse vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris, 33, und vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682 = juris, Rn. 22.
66Dennoch ist auch ein Jugendlicher, der sich in der Phase des Erwachsenwerdens befindet, zur Entwicklung seiner Persönlichkeit noch in hohem Maße auf die geistig-emotionale Auseinandersetzung und den persönlichen Kontakt mit beiden Elternteilen angewiesen. Dies gilt insbesondere für einen männlichen Jugendlichen im Hinblick auf die väterliche Bezugsperson. Auch ein Jugendlicher kann unter Kindeswohlgesichtspunkten daher nicht ohne weiteres, d.h. ohne Vorliegen schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darauf verwiesen werden, den Kontakt zu seinem Vater nur noch telefonisch, schriftlich oder über sonstige (digitale) Kommunikationsmitteln aufrechtzuerhalten. Dies gilt hier umso mehr, als eine Abschiebung des Antragstellers zur Folge hätte, dass für seinen Sohn der Vater als (persönlich) ansprechbare Bezugsperson in den beiden letzten Jahren bis zum Erreichen der Volljährigkeit vollständig wegfiele.
67Die Kostenentscheidung folgt aus den § 155 Abs. 1 VwGO.
68Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Auffangstreitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter dieses Verfahrens erscheint das Antragsinteresse in der bestimmten Höhe ausreichend und angemessen berücksichtigt.
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1. Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufforderung zur freiwilligen Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland sowie die angedrohte Abschiebung durch den Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 30. September 2014 und begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Im vorliegenden Verfahren begehrt er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den vorgenannten Bescheid.
Der Antragsteller ist togolesischer Staatsangehöriger und reiste am
Zum Sommersemester 2011 begann er ein Informatikstudium an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM). Zum Wintersemester 2011/2012 wechselte er das Studienfach zu Elektronik an der gleichen Hochschule.
Mit Schreiben des Landratsamts Aschaffenburg vom
Am
Mit Schreiben des Landratsamts Aschaffenburg vom
Mit Bescheid vom
Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf den Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom
2. Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom
Der Antragsteller lässt sinngemäß beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der Begründung wurde zunächst auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Ergänzend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Aufenthalt des Antragstellers in Deutschland in den Jahren 2013 und 2014 nicht belegt sei. Die Lohnkostenabrechnungen stammten größtenteils aus 2012 und 2013. 2014 habe er nur im Dezember in Deutschland gearbeitet. Dass der Antragsteller an der THM keine Studienleistungen erbracht habe, spreche ebenfalls nicht für einen Aufenthalt in Deutschland. Der Mietvertrag und die Heizkostenabrechnung belegten nicht, dass sich der Antragsteller tatsächlich selbst in der Wohnung aufgehalten habe. Die Erklärung von Frau K. stelle eine bloße Gefälligkeitsbescheinigung dar. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Schriftsätze vom 27. Januar 2015 und 19. Februar 2015 Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig und begründet. Das Interesse des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung aufgrund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Dabei hat es die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 152).
Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus. Die Aufforderung zur freiwilligen Ausreise und die Androhung der Abschiebung erweisen sich nach der hier gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig und der Antragsteller ist dadurch in seinen Rechten verletzt. Denn der Antragsteller ist bei summarischer Prüfung nicht ausreisepflichtig (§§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 AufenthG).
1.1. Die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers ist bei summarischer Prüfung nicht durch die Aufnahme des Studiums in Frankreich 2012 gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen. Nach dieser Vorschrift erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist.
Unschädlich sind danach nur Auslandsaufenthalte, die nach ihrem Zweck typischerweise zeitlich begrenzt sind und die keine wesentliche Änderung der gewöhnlichen Lebensumstände in Deutschland mit sich bringen. Fehlt es an einem dieser Merkmale, liegt ein seiner Natur nach nicht nur vorübergehender Grund vor. Neben der Dauer und dem Zweck des Auslandsaufenthalts sind bei der Prüfung, ob die Ausreise aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund erfolgt ist, alle objektiven Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, während es auf den inneren Willen des Ausländers und insbesondere seine Planung der späteren Rückkehr nach Deutschland nicht allein ankommen kann. Als ihrer Natur nach vorübergehende Gründe für Auslandsaufenthalte können danach etwa Urlaubsreisen, Aufenthalte zur vorübergehenden Pflege von Angehörigen und zur Ableistung der Wehrpflicht oder Aufenthalte während der Schul- oder Berufsausbildung anzusehen sein, die nur zeitlich begrenzte Ausbildungsabschnitte, nicht aber die Ausbildung insgesamt ins Ausland verlagern. Eine abstrakte Zeitspanne, bei deren Überschreitung stets von einem nicht mehr vorübergehenden Grund auszugehen wäre, lässt sich aber nicht benennen (vgl. nur BVerwG, U. v.
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass der Antragsteller durch sein Studium in Frankreich, das seinen Angaben zufolge ein Fernstudium war, nicht aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund aus der Bundesrepublik ausgereist ist. Zwar hat er nicht nur Teile seines Studiums in Frankreich absolviert, sondern den gesamten Bachelorstudiengang „Wirtschaft in Kombination mit Englisch/Deutsch“. Hierbei ist jedoch im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu berücksichtigen, dass der Antragsteller von vornherein beabsichtigte, im Anschluss an das Studium in Frankreich sein Studium an der THM fortzusetzen bzw. nach Rücksprache mit der Universität einen auf das Studium in Frankreich aufbauenden Masterstudiengang zu absolvieren, auch wenn der innere Wille des Antragstellers allein nicht maßgeblich ist. Das Studium in Frankreich und der damit zumindest zeitweise erforderliche Aufenthalt in Frankreich waren von vornherein zeitlich begrenzt. Der Auslandsaufenthalt war damit gerade nicht auf unabsehbare Zeit angelegt (vgl. BayVGH, U. v. 2.11.2010 - 10 B 09.1771 - juris Rn. 25). Bei summarischer Prüfung hatte der Antragsteller seinen Lebensmittelpunkt auch während seines Studiums in Frankreich durchgehend in Deutschland. Er war durchgehend einwohnermelderechtlich mit Hauptwohnsitz in G... gemeldet (vgl. BayVGH, U. v. 2.11.2010 - 10 B 09.1771 - juris Rn. 25). Ausweislich des Schreibens der HGW Hausgemeinschaft vom 2. Februar 2015 hatte der Antragsteller vom 17. Mai 2009 bis 30. September 2014 eine Wohnung in G... angemietet. Hieraus allein lässt sich nicht ableiten, dass er auch tatsächlich in G... gewohnt hat, diesem Umstand kommt aber zumindest eine starke indizielle Wirkung zu. Die Erklärung des Antragstellers, ein Fernstudium in Frankreich absolviert zu haben und lediglich zu den Prüfungen vor Ort gewesen zu sein, ist in Anbetracht der vorgelegten Korrespondenz mit der Universität in Amiens plausibel. Für weite Zeiträume der Jahre 2012 und 2013 konnte der Kläger überdies Nachweise über eine Berufstätigkeit in Deutschland vorlegen. Dass dies für 2014 nur für den Monat Dezember erfolgte, belegt nicht, dass er seinen Lebensmittelpunkt nach Frankreich verlagert hatte. Auch ergibt sich dies nicht bereits daraus, dass er an der THM keine Prüfungsleistungen erbracht hatte. Zwar spricht vieles dafür, dass Prüfungsleistungen an der THM aufgrund des Studiums an der Universität in Amiens nicht erbracht worden sind. Der Antragsteller hat jedoch glaubhaft gemacht, dieses Studium im Wesentlichen von Deutschland aus betrieben zu haben und nur sporadisch zu Prüfungen nach Frankreich gereist zu sein. Damit ist bei summarischer Prüfung nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller das Bundesgebiet nicht nur vorübergehend verlassen wollte. Sein Aufenthaltsrecht ist deshalb nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen.
Das Schreiben von Frau K.
1.2. Für ein Erlöschen nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG ergeben sich keine Anhaltspunkte. Eine Abwesenheit des Antragstellers aus der Bundesrepublik Deutschland von mehr als sechs Monaten ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
1.3. Aufgrund der Beantragung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis am
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung basiert auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG.
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Die sinngemäß gestellten Anträge,
31. die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums - 8 K 2020/15 - gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2015 hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis anzuordnen,
42. hilfsweise, die Antragsgegnerin im Weg des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen, äußerst hilfsweise, der Antragsgegnerin zu untersagen, gegen den Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten und ihn nach Tunesien abzuschieben,
5haben keinen Erfolg.
6Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage in Bezug auf die in der angefochtenen Ordnungsverfügung enthaltene Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt, ist der nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) statthafte Antrag bereits unzulässig, da die ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde in der Ordnungsverfügung vom 28. Oktober 2015 nicht den Verlust einer bereits bestehenden Rechtsposition des Antragstellers zur Folge hatte. Der am 30. September 2013 gestellte Verlängerungsantrag des Antragstellers hat nicht die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde nur dann als fortbestehend, wenn der Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung beantragt. Die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers war jedoch nur bis zum 23. September 2013 befristet und daher eine Woche vor Stellung des Verlängerungsantrags am 30. September 2013 bereits erloschen.
7Die Antragsgegnerin hat auch keine Entscheidung über die Anordnung der Fortgeltung des Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG getroffen. Danach kann die Ausländerbehörde, wenn der Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt wurde, zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen. Die Kammer geht davon aus, dass es angesichts der weitreichenden Auswirkungen einer Fortgeltungsanordnung auch auf den einstweiligen Rechtschutz einer eindeutigen Willensäußerung der Ausländerbehörde bedarf, dass die bisherige Aufenthaltserlaubnis (vorläufig) fortbestehen soll. Allein aufgrund der Tatsache, dass dem Ausländer mit Blick auf seinen Verlängerungsantrag zunächst bis zu einer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine sog. Fiktionsbescheinigung ausgestellt wird, kann nicht auf den Willen der Ausländerbehörde geschlossen werden, eine Fortgeltungswirkung anzuordnen. Vielmehr erfolgt die Ausstellung eines solchen Papiers häufig ohne nähere Prüfung allein, um dem Ausländer für die Zeitdauer des Verfahrens ein Ausweispapier an die Hand zu geben und ihm die Aufrechterhaltung der bisherigen Arbeitsstelle zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn der Ausländerbehörde bei der Ausstellung der sog. "Fiktionsbescheinigung" - wie hier aus dem Vermerk vom 13. Januar 2014 ersichtlich - vor Ausstellung der ersten "Fiktionsbescheinigung" die verspätete Antragstellung bewusst war. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus der Bescheinigung oder sonstigen Umständen der eindeutige Wille der Ausländerbehörde zur Anordnung der Fortgeltungswirkung ergibt. An derartigen Anhaltspunkten fehlt es hier. Aus dem Vermerk der Ausländerbehörde vom 13. Januar 2014 anlässlich der Terminsvereinbarung des Antragstellers ergibt sich lediglich, dass dem Sachbearbeiter der Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis aufgefallen war und der Antragsteller hierzu angegeben hatte, er habe auf ein Schreiben seines Anwalts gewartet und deshalb bisher keinen Termin vereinbart. Der Antrag zu 1. wird auch nicht dadurch statthaft, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Anordnung der Fortgeltungswirkung im Sinne des § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG hätte. Voraussetzung für die Anordnung der Fortgeltungswirkung ist, dass diese zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich ist, § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG. Weder hat der Antragsteller geltend gemacht, dass die Fortgeltungsanordnung zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich ist noch sind sonstige Gründe für eine unbillige Härte erkennbar. Eine unbillige Härte liegt vor, wenn der infolge der Versäumnis entstehende Nachteil von der Rechtsordnung so nicht gewollt ist oder sich als unverhältnismäßig darstellt. Das ist der Fall, wenn der Betroffene unverschuldet oder lediglich aufgrund von Fahrlässigkeit an der rechtzeitigen Beantragung der Verlängerung gehindert war, die Fristüberschreitung nur geringfügig ist und bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass ‑ eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt ‑ bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Der Ausländer hat dazu Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, warum ihm eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich war und/oder die Fristüberschreitung lediglich auf Fahrlässigkeit beruhte,
8vgl. Zeitler in HTK- Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand 20. April 2016, § 81 Rdnr. 56f; Welte in Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Stand Dezember 2014, § 81 AufenthG Rdnr. 182f.
9Hier sind keine Gründe erkennbar oder geltend gemacht worden, die den Antragsteller an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert hätten. Vielmehr sprechen die vom Sachbearbeiter in seinem Vermerk vom 13. Januar 2014 aufgenommenen Angaben des Antragstellers, er habe auf ein Schreiben seines Anwalts gewartet, sogar dafür, dass er bewusst und nicht lediglich fahrlässig die Frist zur rechtzeitigen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat verstreichen lassen. Es fehlt auch an der weiteren Voraussetzung für die Annahme einer unbilligen Härte, dass bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass ‑ eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt ‑ bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Bei summarischer Prüfung hätte der Antragsteller selbst bei unterstellter rechtzeitiger Antragstellung keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Verlängerung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28 Abs. 3, 31 AufenthG oder § 25 b AufenthG. Hinsichtlich des vom Antragsteller geltend gemachten Anspruchs auf Verlängerung seiner bisherigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nach §§ 28 Abs. 3 Satz 1, 31 Abs. 1 AufenthG gilt dies schon deshalb, weil er die bei entsprechender Anwendung des § 31 AufenthG erforderliche rechtmäßige Mindestdauer der Lebensgemeinschaft mit seinem deutschen Kind von drei Jahren nicht erreicht hat. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG (richtigerweise wäre mangels eines Sorgerechts eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zu erteilen gewesen) ist dem Antragsteller erst am 28. Dezember 2011 erteilt worden, die Lebensgemeinschaft mit dem Kind endete wegen dessen Umzugs nach unbekannt nach den eigenen Angaben des Antragstellers in seiner Vorsprache vom 30. September 2013 etwa 5 Monate zuvor. Damit dauerte die rechtmäßige, d.h. von einem Aufenthaltsrecht des Antragstellers gedeckte familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem Kind nur weniger als zwei Jahre. Soweit der Antragsteller darüber hinaus einen Anspruch nach § 25 b AufenthG geltend macht, ergibt sich die fehlende Anspruchsberechtigung aus den nachfolgenden Ausführungen.
10Soweit der Antragsteller mit seinem zweiten Antrag im Wege einer einstweiligen Anordnung die Erteilung einer Duldung bzw. die Untersagung der Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen begehrt, ist der Antrag jedenfalls unbegründet.
11Nach § 123 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf die begehrte Handlung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Anordnungsgrund), § 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung.
12Allerdings scheidet aus gesetzessystematischen Gründen grundsätzlich die Gewährung von Abschiebungsschutz für die Dauer des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens aus, wenn ‑ wie hier ‑ die Fiktionswirkung eines Antrags nicht ausgelöst war und daher ein Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig ist. Die Erteilung einer Duldung widerspräche in diesem Fall der in §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung, für die Dauer eines Genehmigungsverfahrens nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Bleiberecht zu gewähren. Von diesem Grundsatz ist jedoch zur Gewährleistung des in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verankerten Rechts auf effektiven Rechtsschutz dann eine Ausnahme zu machen, wenn nur mit Hilfe einer einstweiligen Anordnung und einer Duldung bzw. der Gewährung von Abschiebungsschutz sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung ihrem Sinn und Zweck nach dem Betroffenen zugutekommt,
13vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 11. Januar 2016 - 17 B 890/15 -, zitiert nach juris m. w. N.,
14wobei dieser Grundsatz auch noch für die Phase des Verfahrens nach Ablehnung der Verlängerung/Erteilung durch die Behörde gilt. Schon aus diesem Grund kann der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht aus §§ 28 Abs. 3, 31 AufenthG herleiten. Durch die verspätete Antragstellung ist darüber hinaus die ursprüngliche Aufenthaltserlaubnis erloschen und schon deshalb nicht mehr nach § 31 AufenthG verlängerbar.
15Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des ebenfalls geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 b AufenthG. Insoweit kann ausnahmsweise die Geltendmachung des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Weg der einstweiligen Anordnung notwendig und zulässig sein, um sicherzustellen, dass der von § 25 b AufenthG vorausgesetzte fortdauernde Aufenthalt von grundsätzlich 8 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland nicht unterbrochen wird. Auch die Voraussetzungen für einen auf § 25 b AufenthG gestützten Anordnungsanspruch liegen jedoch nicht vor. Danach soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Absatz 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Letzteres setzt regelmäßig die Erfüllung der in § 25 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 genannten Kriterien voraus. Der Antragsteller ist jedoch nicht geduldet i. S. d. § 25 b Abs. 1 S. 1 AufenthG. Die Kammer geht davon aus, dass es insoweit entsprechend dem eindeutigen Wortlaut der Norm auf den Besitz einer Duldung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ankommt. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, durch die Einführung einer stichtagsunabhängigen Bleiberegelung die Zahl derjenigen Personen zu reduzieren, die weder abgeschoben werden noch eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können und aufgrund dessen längerfristige (Ketten-) Duldungen erhalten,
16vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 25. Februar 2015, Bundestagsdrucksache 18/4097 S. 23 und 29.
17Der Antragsteller ist und war auch zuvor zu keinem Zeitpunkt seit Einführung des § 25 b AufenthG am 1. August 2015 im Sinne dieser Vorschrift geduldet. Weder hat hier die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Duldung erteilt, noch hat(te) der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Wann ein Ausländer geduldet ist, ergibt sich grundsätzlich aus § 60 a AufenthG. Dieser enthält ausweislich der amtlichen Überschrift die Voraussetzungen einer vorrübergehenden Aussetzung der Abschiebung (Duldung). In Betracht kommt - soweit ersichtlich - nur die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Abs. 2 S. 1 AufenthG. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Hier sind keine Gründe erkennbar, aus denen die Abschiebung des Antragstellers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Der Antragsteller ist im Besitz eines gültigen Passes, gegebenenfalls könnte ein Passersatzpapier zeitnah beschafft werden. Auch die Sicherheitslage in Tunesien steht Abschiebungen in das Heimatland des Antragstellers entgegen seiner nicht näher begründeten Auffassung nicht entgegen. Sicherheitsbedenken beziehen sich im Wesentlichen auf einzelne, vom Terrorismus besonders betroffene Landesteile. Vielmehr ist es im März 2016 zum Abschluss einer Vereinbarung zwischen Deutschland und Tunesien betreffend die einfachere Abschiebung von ausreisepflichtigen tunesischen Staatsbürgern gekommen, die seit April 2016 erfolgreich umgesetzt wird,
18vgl. Die Zeit online vom 1. März 2016: "Tunesien und Deutschland starten Pilotprojekt für Abschiebungen; https.//mopo24.de/nachrichten/kriminelle-asylbewerber-zurueck-in-tunesien-leipzig-halle-flughafen-65976.
19Allein die Erteilung einer sog. verfahrensbedingten Duldung für die Dauer des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens oder die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung für die Dauer des Verfahrens reichen für die Anwendbarkeit des § 25 b AufenthG nicht aus. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, aber aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 60 a Abs. 2 und 25 b Abs. 1 AufenthG, sowie aus dem erkennbaren Sinn und Zweck der letztgenannten Vorschrift. Eine allein verfahrensbedingte Duldung dient nur der Abwicklung während der Dauer des Verfahrens, begründet aber keinen humanitären Aufenthalt, der nach den o.g. Zielen des Gesetzgebers durch § 25 b AufenthG legalisiert werden soll. Wollte man dies anders sehen, ergäbe sich die Situation, dass die Ausländerbehörde mangels Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zunächst gehindert wäre, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 b Abs. 1 AufenthG in Fällen zu erteilen, in denen materiell keine Duldungsgründe ersichtlich sind, die Ausländerbehörde jedoch mit Einlegen eines Rechtsbehelfs (des einstweiligen Rechtschutzes) sich entweder weigern müsste, den Ausländer zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens zu dulden oder das Verfahren regelmäßig "verlieren" würde, da mit Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen geschaffen würden. Es kann jedoch nicht Sinn und Zweck eines gerichtlichen Verfahrens sein, das der Überprüfung einer behördlichen Entscheidung dient, die Voraussetzungen einer positiven behördlichen Entscheidung erst herbeizuführen,
20vgl. zur ähnlichen Situation bei § 39 Nr. 5 AufenthV: Oberverwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 16. November 2010 - 4 Bs 220/10 - juris, Rdnr. 10 m. w. N.
21Dass der Antragsteller - jedenfalls bis zur Ablehnung seines Antrags durch die streitgegenständliche Ordnungsverfügung - im Besitz einer Fiktionsbescheinigung war, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Dies gilt auch unabhängig davon, dass dem Antragsteller - wie oben gezeigt - die Fiktionsbescheinigung zu Unrecht ausgestellt worden war, weil sein verspäteter Verlängerungsantrag keine Fiktionswirkung ausgelöst hat. Der Wortlaut des § 25 b Abs. 1 S. 1 AufenthG sieht eine Erstreckung auf die Situation der Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3, 4 AufenthG nicht vor. Auch der o.g. Sinn und Zweck des § 25 b AufenthG gebietet nicht die Erstreckung auf die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung, bei der der Schwebezustand durch die Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis beendet werden kann.
22Auch mit dem weiter hilfsweise verfolgten Begehren, der Antragsgegnerin zu untersagen, gegen den Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, hat der Antragsteller keinen Erfolg, wie sich ebenfalls aus den obigen Ausführungen ergibt.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 S. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Das Antragsinteresse ist mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter dieses Verfahrens in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Auffangwerts (5.000,- €) ausreichend und angemessen berücksichtigt.
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Abschiebung des Antragstellers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens 4 K 1740/15 auszusetzen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Kammer versteht den wörtlich gestellten Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. September 2015 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26. August 2015, zugegangen am 26. August 2015, mit der darin verfügten Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis anzuordnen,
4bei verständiger Würdigung des Antragsbegehrens dahin, dass beantragt wird,
5die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 26. August 2015 (4 K 1740/15) hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung anzuordnen,
6hilfsweise, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens (4 K 1740/15) auszusetzen.
7Das Antragsbegehren ist, auch im Falle eines – wie hier – anwaltlich vertretenen Antragstellers, anhand des Antrags und der Begründung unter Berücksichtigung des erkennbaren Rechtsschutzziels auszulegen (vgl. §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO).
8Vgl. nur: BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 2 BvR 542/07 -, juris, Rn. 17.
9Dies zugrundegelegt geht die Kammer zunächst davon aus, dass der Antrag nicht auch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der unter Ziffer 3. des Bescheides verfügten Ausweisung des Antragstellers gerichtet ist. Denn der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Ausweisungsentscheidung nicht gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet, so dass der Klage insoweit bereits nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt und ein Aussetzungsantrag zur Wahrung der Rechte des Antragstellers nicht erforderlich ist.
10Des Weiteren geht die Kammer davon aus, dass der Antragsteller ebenfalls nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der unter Ziffern 2. und 3. des Bescheides angeordneten Befristung der Sperrwirkungen einer möglichen Abschiebung bzw. der Ausweisung begehrt. Zwar entfalten Klagen gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG nunmehr gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG i.d.F. des zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, 1386) keine aufschiebende Wirkung. Diese verfahrensrechtliche Neuregelung findet nach dem Grundsatz des "intertemporalen Prozessrechts" auch im vorliegenden Fall Anwendung. Eine Erstreckung des Aussetzungsantrags auf diesen Regelungsteil entspräche jedoch abgesehen davon, dass der Antragsteller sich bislang nicht ausdrücklich gegen die Befristungsentscheidung gewandt hat, erkennbar nicht seinem Rechtsschutzinteresse. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG stellt im Grundsatz einen den Ausländer begünstigenden Verwaltungsakt dar, weil das Verbot ohne die von der Ausländerbehörde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG vorzunehmende Befristung sonst unbefristet gilt. Entsprechend ist eine Befristung des Verbots ebenso wie eine Verkürzung der behördlich festgesetzten Frist im Hauptsacheverfahren auch allein mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen.
11Vgl. zur Befristung der Sperrwirkungen einer Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG: BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277 = juris, Rn. 27 und 40.
12Eine eventuelle Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage insoweit hätte daher lediglich zur Folge, dass das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG dann unbefristet gelten würde. Dies kann aber erkennbar nicht im Interesse des betroffenen Ausländers liegen und wäre bei der im Aussetzungsverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung – selbst im Falle der (Ermessens-) Fehlerhaftigkeit der Befristungsentscheidung – als ein gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechender Gesichtspunkt mit zu berücksichtigen. Ein daher insoweit allein zielführender Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet auf Festsetzung einer kürzeren Frist dürfte hingegen wegen der insoweit eindeutigen Regelung des Gesetzgebers in § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nunmehr unzulässig sein. Darüber hinaus dürfte für einen solchen Antrag auch der erforderliche Anordnungsgrund fehlen, da das Einreise- und Aufenthaltsverbot erst im Falle einer Abschiebung (kraft Gesetzes) entsteht, die der Ausländer jedoch durch eine freiwillige Ausreise selbst verhindern kann, und da es dem Ausländer überdies grundsätzlich zumutbar ist, das Befristungsverfahren vom Ausland aus zu führen.
13Schließlich versteht die Kammer den Antrag mit Blick darauf, dass der Antragsteller eine Aufenthaltsbeendigung unter allen Umständen verhindert wissen will, dahin, dass er für den Fall der Unzulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis hilfsweise auch die Aussetzung der Abschiebung im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung im Rahmen des rechtlich Zulässigen begehrt.
14Der so verstandene Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt mit dem Hauptantrag ohne Erfolg.
15Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die in der Ordnungsverfügung (Ziffer 1.) enthaltene Versagung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt, ist der nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG statthafte Antrag bereits unzulässig.
16Denn die ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde hatte nicht den Verlust einer bereits bestehenden Rechtsposition des Antragstellers zur Folge. Sein am 9. Juli 2013 gestellter Verlängerungsantrag war verspätet und hat nicht die hier allein in Betracht zu ziehende Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG ausgelöst.
17Vgl. hierzu: Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: März 2015, § 81Rn. 60 ff.; OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2004 - 19 B 1737/02 - und vom 15. März 2004 - 19 B 106/04 - (beide n.v.).
18Danach gilt der bisherige Aufenthaltstitel als fortbestehend, wenn ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift setzt die fiktive Fortgeltung des Aufenthaltstitels damit voraus, dass der Ausländer im Zeitpunkt der Antragstellung noch im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels ist und sich aufgrund dessen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
19Dies war hier nicht der Fall. Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung am 9. Juli 2013 war die dem Antragsteller zuletzt bis zum 12. Januar 2013 verlängerte Aufenthaltserlaubnis schon fast sechs Monate abgelaufen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die Aufenthaltserlaubnis auch nicht bis zum 2. April 2015 verlängert worden. Zwar hat der Antragsgegner den Antragsteller bei seiner Vorsprache zur Beantragung der Verlängerung des Aufenthaltstitels am 9. Juli 2013 ebenso wie bei seiner erneuten Vorsprache am 2. April 2015 das Formblatt zur Bestellung eines elektronischen Aufenthaltstitels bei der Bundesdruckerei mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 8. Juli 2014 bzw. 2. April 2015 unterschreiben lassen. Ausweislich der beigezogenen Ausländerakte wurden dem Antragsteller entsprechende elektronische Dokumente jedoch weder ausgehändigt noch ihm eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf sonstige Weise bekannt gegeben, was aber Voraussetzung für deren Wirksamkeit gewesen wäre (vgl. § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW).
20Der Antragsgegner hat in der Folgezeit auch weder die Fortgeltungswirkung gemäß § 81 Abs. 4 S. 3 AufenthG ausdrücklich angeordnet noch stand dem Antragsteller ein Anspruch hierauf zu. Nach dieser Vorschrift kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen, wenn der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels – wie hier – verspätet gestellt wurde. Wann eine unbillige Härte vorliegt, wird im Gesetz nicht näher definiert. Dem Wortlaut der Vorschrift nach dürften die insoweit zu stellenden Anforderungen jedenfalls unterhalb der Schwelle liegen, die für die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG oder einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG besteht. Zur Auslegung des Begriffs kann auch die Gesetzesbegründung herangezogen werden. Danach liegt eine unbillige Härte im Sinne der Vorschrift insbesondere vor, wenn der Ausländer die Frist zur Antragstellung nur geringfügig überschritten hat, die Fristüberschreitung lediglich auf Fahrlässigkeit zurückzuführen ist und bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass – eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt – bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann (vgl. BT-Drs. 17/8682, S. 23). Im Hinblick auf die letzte Vorgabe ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Verlängerung bzw. Erteilung des Aufenthaltstitels vorliegen, dem eigentlichen Verwaltungsverfahren vorbehalten bleiben muss und nicht in die Entscheidung über die Anordnung der Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 S. 3 AufenthG verlagert werden darf, durch die der Aufenthalt des Ausländers für die Dauer des Verwaltungsverfahrens gerade unabhängig von den Erfolgsaussichten des Antrags gesichert werden soll.
21Vgl. Sammel, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage, § 81 Rn. 26.
22Davon ausgehend lag hier eine unbillige Härte nicht vor. Denn der Antragsteller hat mit seinem Verlängerungsantrag vom 9. Juli 2013 die Frist zur Beantragung einer Verlängerung der bis zum 12. Januar 2013 gültigen Aufenthaltserlaubnis um nahezu sechs Monate und damit nicht mehr nur geringfügig überschritten.
23Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die in der Ordnungsverfügung (Ziffer 2.) enthaltene Abschiebungsandrohung begehrt, ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW zwar zulässig, aber unbegründet.
24Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts das private Interesse des Antragstellers an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung. Die Abschiebungsandrohung erweist sich nämlich als offensichtlich rechtmäßig.
25Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach §§ 50, 58, 59, AufenthG sind erfüllt. Der Antragsteller ist ausreisepflichtig, weil er nach Ablauf der Geltungsdauer seiner zuletzt bis zum 12. Januar 2013 befristeten Aufenthaltserlaubnis sowie Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die streitgegenständliche Ordnungsverfügung nicht (mehr) im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist (vgl. § 50 Abs. 1 AufenthG).
26Auf die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht – die sich hier allerdings aus § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG ergibt, da der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, wie dargelegt, keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst hat – kommt es für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung hingegen nicht an.
27Vgl. hierzu grundlegend: OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2009 ‑ 18 A 2620/08 -, juris, Rn. 30 und 32.
28Der Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise bedurfte es im Fall des Antragstellers ausnahmsweise nicht, da dieser sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung und auch noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf richterliche Anordnung in (Straf-)Haft befand bzw. befindet (vgl. § 59 Abs. 5 S. 1, 1. HS i.V.m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG). In diesen Fällen wird der Ausländer – ohne Fristsetzung unmittelbar – aus der Haft abgeschoben (vgl. § 59 Abs. 5 S. 1, 2. HS AufenthG). Die vom Antragsgegner vorsorglich gesetzte Ausreisefrist von einer Woche ab Haftentlassung für den Fall, dass eine Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich ist, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie ist angemessen und zur Regelung der persönlichen Angelegenheiten des Antragstellers (noch) ausreichend.
29Gemäß § 59 Abs. 3 S. 1 AufenthG steht dem Erlass der Abschiebungsandrohung das Vorliegen von etwaigen Abschiebungsverboten ebenso wenig entgegen wie das Vorliegen von Duldungsgründen nach § 60a Abs. 2 AufenthG.
30Vgl. zu Letzterem: OVG NRW, Beschluss vom 6. Januar 2005 - 18 B 2801/04 -, NWVBl. 2005, 275 = juris, Rn. 7 ff.
31Der Antragsteller hat jedoch mit dem sinngemäß gestellten Hilfsantrag Erfolg.
32Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller darlegt, dass ihm ein Anspruch auf ein bestimmtes Handeln zusteht (Anordnungsanspruch) und dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss, weil ihm ansonsten unzumutbare Nachteile entstehen (Anordnungsgrund). Der Antragsteller hat Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
33Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund zur Seite, da der Antragsgegner nach Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis und Ausweisung des Antragstellers mit der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung beabsichtigt, diesen zeitnah abzuschieben. Die bisherige Aussetzung der Abschiebung erfolgte ausschließlich mit Blick auf das vorliegende Eilverfahren zur Gewährleistung effektiven Rechtschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG).
34Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
35Nach bisherigem Sach- und Streitstand ist nicht auszuschließen, dass sich die Abschiebung des Antragstellers mit Blick auf die familiären Bindungen zu seinem minderjährigen deutschen Sohn als rechtlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG erweist. Es bestehen greifbare Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem Antragsteller und seinem minderjährigen Sohn eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft besteht, die durch eine Abschiebung des Antragstellers in Verbindung mit dem auf fünf Jahre befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auch unter Berücksichtigung seiner wiederholten, nicht unerheblichen Straffälligkeit ggf. unverhältnismäßig beeinträchtigt würde.
36Die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalls.
37Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Januar 2009 - 2 BvR 1064/08 -, InfAuslR 2009, 150 = juris, Rn. 14, und vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 862 = juris, Rn. 16.
38Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG allerdings nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. Bei der Bewertung der familiären Beziehungen kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes haben kann. Die Entwicklung eines Kindes wird aber nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt.
39Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Januar 2009 - 2 BvR 1064/08 -, InfAuslR 2009, 150 = juris, Rn. 14, und vom 1 Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 - 2 BvR 1830/08 -, juris, 28 ff.
40Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Es ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. Dabei ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient.
41Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 -, NVwZ 2013, 1207 = juris, Rn. 13 f., und vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris, 31 ff.
42Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zweifelhaft, ob der Antragsgegner im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zwischen den persönlichen Belangen des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse an dessen Aufenthaltsbeendigung die familiären Bindungen des Antragstellers, insbesondere zu seinem minderjährigen deutschen Sohn ausreichend berücksichtigt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt hat.
43Der Antragsgegner ist in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung davon ausgegangen, dass der Antragsteller, der seit Oktober 2008 nicht mehr in einem Haushalt mit seiner inzwischen geschiedenen Ehefrau und seinen beiden Kinder – einem 16-jährigen Sohn und einer 22-jährigen Tochter – lebt, über keine persönlichen Bindungen im Bundesgebiet verfügt, insbesondere keinerlei Kontakt und keinerlei persönliche Bindung zu seinen Kindern (mehr) hat. Diese Annahme beruht im Wesentlichen auf einer fernmündlich eingeholten Auskunft der volljährigen und in L. wohnhaften Tochter des Antragstellers, wonach diese kaum Kontakt zu ihrem Vater habe, sowie auf der Tatsache, dass der Antragsteller innerhalb der ihm gesetzten Frist keine Nachweise über Art und Umfang der behaupteten Beziehung zu seinen Kindern und über die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem minderjährigen Sohn vorgelegt hat.
44Der Antragsteller hat jedoch unmittelbar nach Erlass der Ordnungsverfügung sowie im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens hinreichend substantiiert dargelegt und zum Teil durch eidesstattliche Versicherungen u.a. seines Vermieters und Arbeitgebers glaubhaft gemacht, dass er bis zu seiner Inhaftierung Anfang diesen Jahres häufigen und regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern gehabt habe, und zwar dergestalt, dass neben Besuchen zu Weihnachten in der Regel jedes zweite Wochenende wechselseitige Besuchskontakte entweder bei ihm oder bei den Kindern stattgefunden hätten. Das letzte Mal vor seiner Inhaftierung habe er seine Kinder am 13. März 2015 bei sich zu Hause getroffen.
45Sind danach aber Art und Umfang der familiären Bindungen des Antragstellers im Bundesgebiet, namentlich zu seinem minderjährigen deutschen Sohn, zwischen den Beteiligten streitig bzw. offen, bedarf es im Hinblick auf die persönlichen und familiären Verhältnisse des Antragstellers grundsätzlich weiterer Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht. Das gilt insbesondere auch angesichts der abweichenden Darstellung zur Intensität des persönlichen Kontakts seitens der Tochter sowie mit Blick auf den behaupteten letzten Besuchskontakt, der insofern zweifelhaft erscheint, als der Antragsteller bereits am 2. Februar 2015 festgenommen worden ist. Ferner ist offen, ob dem Antragsteller nach der Scheidung von seiner Ehefrau noch das (gemeinsame) Sorgerecht für den minderjährigen Sohn zusteht. Die erforderliche Aufklärung des Sachverhalts kann jedoch nicht im vorliegenden Eilverfahren erfolgen, das lediglich Raum für eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage bietet, sondern muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
46Die Aufklärung der persönlichen Bindungen des Antragstellers zu seinem minderjährigen Sohn ist auch erheblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung. Besteht die behauptete familiäre Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn in Form einer gelebten Vater-Sohn-Beziehung tatsächlich, kann nämlich nicht ohne weiteres festgestellt werden, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers wegen der von ihm begangenen Straftaten und einer ggf. daraus folgenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten zwingend der Vorrang vor seinen persönlichen Belangen einzuräumen wäre.
47Dem Schutz der familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Staatsangehörigen, die – wie dargelegt – auch außerhalb einer Hausgemeinschaft bestehen kann, kommt grundsätzlich erhebliches Gewicht zu. Dies folgt bereits daraus, dass ein deutscher Staatsangehöriger in der Regel nicht darauf verwiesen werden kann, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem ausländischen Familienangehörigen dauerhaft außerhalb des Bundesgebiets zu führen. Kann die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem minderjährigen Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, weil das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und ihm ein Verlassen des Bundesgebiets wegen seiner Beziehungen zu dem anderen Elternteil nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück.
48Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Januar 2009 - 2 BvR 1064/08 -, NVwZ 2009, 387 = juris, Rn. 15 f., und vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris, 35.
49Entsprechend hat auch der Gesetzgeber der besonderen Schutzbedürftigkeit der familiären Lebensgemeinschaft mit einem Deutschen dadurch Rechnung getragen, dass bei Bestehen einer solchen zum einen die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter erleichterten Bedingungen erfolgt (vgl. § 28 AufenthG), insbesondere vom Vorliegen eines Ausweisungsgrundes im Ermessenswege abgesehen werden kann (vgl. § 27 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG), und zum anderen der Ausländer besonderen Ausweisungsschutz genießt (vgl. § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG). Letzteres bedeutet, dass der Ausländer nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden kann (vgl. § 56 Abs. 1 S. 2 AufenthG). Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung können nicht nur bei Verwirklichung der Ausweisungstatbestände der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG, bei denen die Vermutung des § 56 Abs. 1 S. 3 AufenthG eingreift, sondern auch bei Vorliegen sonstiger (Regel- und Ermessens-)Ausweisungsgründe gegeben sein. Erforderlich ist jedoch stets, dass dem Ausweisungsanlass ein besonderes – den vorgenannten Ausweisungsgründen vergleichbar schweres – Gewicht zukommt. Dieses kann sich bei Straftaten aus deren Art, Schwere und Häufigkeit ergeben.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 -, BVerwGE 142, 29 = juris, Rn. 17.
51Bei spezialpräventiv begründeten Ausweisungen müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht. Eine Ausweisung aus Gründen der Generalprävention ist bei Ausländern, die einen besonderen Ausweisungsschutz genießen, nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn eine Straftat besonders schwer wiegt und deshalb ein dringendes Bedürfnis dafür besteht, über eine etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus durch Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Dabei kommt es stets auf die besondere Schwere der Straftat im Einzelfall an. Diese erfordert im Hinblick auf die verhaltenssteuernde Wirkung der Ausweisung auf andere Ausländer, dass von einer derartigen Straftat eine besonders hohe Gefahr für den Staat oder die Gesellschaft ausgeht, wie dies insbesondere bei Drogendelikten oder Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität der Fall sein kann.
52Vgl. BVerwG, Urteile 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 -, BVerwGE 142, 29 = juris, Rn. 24, vom 31. August 2004 - 1 C 25.03 -, BVerwGE 121, 356 = juris, Rn. 16, und vom 11. Juni 1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247 = juris, Rn. 26 ff.
53Diese Maßstäbe zur Zulässigkeit der Ausweisung eines Ausländers, der mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, können zu Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung und damit des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses nach § 60a Abs. 2 AufenthG entsprechend herangezogen werden. Denn sie beinhalten letztlich eine Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der gerade auch beim Vollzug der Ausreisepflicht zu beachten ist.
54Gemessen daran erscheint es zweifelhaft, ob mit der letzten Verurteilung des Antragstellers vom 27. Januar 2014 wegen fahrlässigen Vollrausches, die der Antragsgegner in Verbindung mit den vorangegangenen Verurteilungen des Antragstellers (überwiegend Straßenverkehrsdelikte) zum Anlass der Aufenthaltsbeendigung genommen hat, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen, die den im Falle einer familiären Lebensgemeinschaft bestehenden besonderen Ausweisungsschutz des Antragstellers zurücktreten lassen können.
55Zunächst durfte der Antragsgegner – entgegen der Ansicht des Antragstellers – die strafgerichtlichen Verurteilungen bei der aufenthaltsbeendenden Entscheidung berücksichtigen. Sie sind insbesondere nicht verbraucht. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass als Ausprägung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes der "Verbrauch" eines Ausweisungsgrundes eintreten kann, wenn ein Tatbestand geschaffen wird, aufgrund dessen der Ausländer erwarten kann, dass ihm das Verbleiben im Bundesgebiet erlaubt wird. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Ausländerbehörde dem Betroffenen in voller Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausweisung den weiteren Aufenthalt im Wege der vorbehaltlosen Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ermöglicht. Der dem Ausländer durch das Verhalten der Ausländerbehörde vermittelte Schutz steht indes unter dem Vorbehalt, dass sich die für das behördliche Verhalten maßgeblichen Umstände nicht ändern.
56Vgl. hierzu etwa: OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2008 - 18 B 771/08 -, juris, Rn. 7.
57In Anwendung dieser Grundsätze kommt ein Verbrauch von Ausweisungsgründen im Hinblick auf die letzten drei Verurteilungen vom 4. März 2011 (50 Tagessätzen wegen Beleidigung), vom 14. Mai 2012 (vier Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen fahrlässigen Vollrausches) und vom 27. Januar 2014 (fünf Monate Freiheitsstrafe wegen fahrlässigen Vollrausches), schon deswegen nicht in Betracht, weil diese zeitlich nach der letzten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers am 13. Januar 2011 erfolgt sind. Mangels weiterer Verlängerung des Aufenthaltstitels ist insoweit kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden.
58Darüber hinaus durfte der Antragsgegner auch die zeitlich davor liegenden Verurteilungen in Rechnung stellen. Zwar ist dem Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis in der Vergangenheit jeweils in Kenntnis der im Zeitraum von 1997 bis 2009 ergangenen sieben Verurteilungen ohne Vorbehalt verlängert worden. Der durch stillschweigenden Verzicht auf eine Ausweisung damit begründete Vertrauensschutz verbietet allerdings nicht, diese Straftaten im Rahmen der wegen der weiteren Straffälligkeit des Antragstellers erforderlichen neuen Gefahrenprognose mit zu berücksichtigen. Denn der dem Ausländer durch eine vorbehaltslose Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis vermittelte Vertrauensschutz steht stets unter dem Vorbehalt, dass sich die für das behördliche Verhalten maßgeblichen Umstände nicht ändern. Dies ist jedoch gerade dann der Fall, wenn – wie hier – zu früheren Verurteilungen, die nicht zum Anlass für eine Aufenthaltsbeendigung genommen wurden, weitere Straftaten hinzutreten. Denn insoweit liegt ein neuer Lebenssachverhalt vor, der in der Zusammenschau mit den vorangegangenen strafrechtlichen Verfehlungen insgesamt neu zu würdigen ist.
59Soweit die Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers in der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung mit Blick auf dessen strafrechtliche Verfehlungen auf generalpräventive Gesichtspunkte gestützt wird, bestehen jedoch bereits erhebliche Zweifel, ob dies den vorgenannten Anforderungen an das Vorliegen schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügt. Zwar fällt die Anzahl der vom Antragsteller begangenen Straftaten – im Zeitraum von 1997 bis 2014 insgesamt zehn – erheblich ins Gewicht. Auch sind die begangenen Delikte ihrer Art nach nicht unbedeutend. Dies gilt insbesondere für die letzte Verurteilung aus dem Jahr 2014 zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung, die bereits für sich genommen den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den strafrechtlichen Verfehlungen des Antragstellers in der Mehrzahl um Straftaten aus dem straßenverkehrsrechtlichen Bereich handelt (1997 fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, 1998 einmal Urkundenfälschung in Tateinheit mit Fahren ohne Pflichtversicherung und einmal Fahren ohne Fahrerlaubnis, 1999 fahrlässige Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, 2000 Fahren ohne Fahrerlaubnis, 2009 fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, 2012 fahrlässiger Vollrausch mit Fahrerlaubnissperre, 2014 fahrlässiger Vollrausch mit Fahrerlaubnissperre). Straßenverkehrsdelikte bilden jedoch regelmäßig keinen ausreichenden Anlass, um auf ein gesetzmäßiges Verhalten anderer Ausländer hinzuwirken. Sie sind zwar generell gefährlich für die Allgemeinheit und damit in der Regel schwerwiegende Straftaten. Sie können aber grundsätzlich nicht zu den besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die öffentliche Ordnung gezählt werden, die aus Gründen der Generalprävention die Ausweisung im dargelegten Sinne unvermeidbar werden lassen.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 1981 - 1 C 23.81 -, BVerwGE 64, 13 = juris, Rn. 20; Hailbronner, Ausländerrecht, Bd. I, § 56 Rn. 44.
61Soweit die Aufenthaltsbeendigung des Weiteren neuen Gesetzesverstößen des Antragstellers vorbeugen soll und damit auf spezialpräventive Erwägungen gestützt wird, erscheint es ebenfalls zweifelhaft, ob angesichts der bisherigen Straffälligkeit des Antragstellers bereits eine erhöhte – schwere – Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung festzustellen ist, die geeignet ist, dessen ggf. bestehenden besonderen Ausweisungsschutz zu überwinden.
62Der Antragsgegner hat angesichts der wiederholten Straffälligkeit des Antragstellers zwar zu Recht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung zur Verhinderung weiterer Straftaten angenommen. Denn es liegen belastbare Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Antragsteller droht. Der Antragsgegner hat sich bezüglich der Gefahrenprognose in nicht zu beanstandender Weise an die strafrichterliche Sozialprognose im Rahmen der ablehnenden Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil vom 27. Januar 2014 angeschlossen. Mit dem Strafgericht ist davon auszugehen, dass – zum damaligen Zeitpunkt – keine begründete Wahrscheinlichkeit bestand, dass der Antragsteller sich künftig straffrei führen wird. Dem stehen zum einen dessen Vorbelastungen und insbesondere sein Bewährungsversagen entgegen. So wurde der Antragsteller seit 1997 bereits siebenmal im Zusammenhang mit straßenverkehrsrechtlichen Delikte verurteilt. Zuletzt ist er noch am 14. Mai 2012 wegen einer gleich gelagerten Straftat (fahrlässiger Vollrausch) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass sich die Lebenssituation des Antragstellers seit dieser letzten Verurteilung in irgendeiner Weise verändert hätte. Positive Entwicklungen sind nicht zu erkennen. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller bislang irgendetwas unternommen hätte, um sein offensichtlich bestehendes Alkoholproblem in den Griff zu bekommen. Die Annahme einer Alkoholproblematik gründet sich darauf, dass mindestens sechs der zehn Verurteilungen des Antragstellers im Zusammenhang mit – übermäßigem – Alkoholkonsum standen. Bei der Verurteilung von 3. Dezember 2007 (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen und Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung) wurde beim Antragsteller – um 17:30 Uhr – eine Blutalkoholkonzentration von 2,33 Promille festgestellt, bei der letzten Verurteilung vom 27. Januar 2014 sogar eine von 2,88 Promille. Alkoholwerte in dieser Größenordnung rechtfertigen jedoch den Schluss, dass beim Antragsteller eine massive Alkoholgewöhnung infolge eines ganz erheblichen Alkoholkonsums vorliegt, da derartige Werte von "Durchschnittstrinkern", die nur gelegentlich Alkohol konsumieren, in der Regel nicht erreicht werden können.
63Allerdings lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, ob aus diesen Umständen auch eine gesteigerte – schwere – Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung folgt, wie sie im Rahmen des ggf. bestehenden besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 S. 2 AufenthG erforderlich ist. Nach Auffassung der Kammer bedarf es für eine abschließende Beurteilung dieser Frage vielmehr der Beiziehung der einschlägigen Strafakten, um die Schwere der Straftaten im Einzelnen würdigen können. Ferner erscheint eine weitere tatsächliche Aufklärung in Bezug auf das bisherige (Alkohol-)Konsumverhalten des Antragstellers sowie dessen Einstellung hierzu geboten. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass für die aktuelle Gefahrenprognose auch die Tatsache von Bedeutung ist, dass der Antragsteller zwischenzeitlich sowohl die 2014 verhängte Freiheitsstrafe von fünf Monaten als auch die 2012 verhängte Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wurde, verbüßt hat und voraussichtlich am 1. November 2015 aus der Justizvollzugsanstalt entlassen wird. Insoweit bleibt zu ermitteln, ob die vom Antragsteller bisher ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Straftaten unter dem Eindruck des erfolgten Strafvollzugs unverändert fortbesteht.
64Schließlich ist das Gewicht der – behaupteten – Bindungen des Antragstellers zu seinem minderjährigen deutschen Sohn auch nicht deswegen von vornherein deutlich geringer zu veranschlagen, weil der Sohn bereits das 16. Lebensjahr vollendet hat. Zwar haben die Folgen einer – wie hier – vorübergehenden Trennung bei einem Jugendlichen kein vergleichbar hohes, gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht wie bei einem noch sehr kleinen Kind, das den vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung ggf. nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt.
65Vgl. hierzu: BVerfG, Beschlüsse vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris, 33, und vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682 = juris, Rn. 22.
66Dennoch ist auch ein Jugendlicher, der sich in der Phase des Erwachsenwerdens befindet, zur Entwicklung seiner Persönlichkeit noch in hohem Maße auf die geistig-emotionale Auseinandersetzung und den persönlichen Kontakt mit beiden Elternteilen angewiesen. Dies gilt insbesondere für einen männlichen Jugendlichen im Hinblick auf die väterliche Bezugsperson. Auch ein Jugendlicher kann unter Kindeswohlgesichtspunkten daher nicht ohne weiteres, d.h. ohne Vorliegen schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darauf verwiesen werden, den Kontakt zu seinem Vater nur noch telefonisch, schriftlich oder über sonstige (digitale) Kommunikationsmitteln aufrechtzuerhalten. Dies gilt hier umso mehr, als eine Abschiebung des Antragstellers zur Folge hätte, dass für seinen Sohn der Vater als (persönlich) ansprechbare Bezugsperson in den beiden letzten Jahren bis zum Erreichen der Volljährigkeit vollständig wegfiele.
67Die Kostenentscheidung folgt aus den § 155 Abs. 1 VwGO.
68Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Auffangstreitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter dieses Verfahrens erscheint das Antragsinteresse in der bestimmten Höhe ausreichend und angemessen berücksichtigt.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Die sinngemäß gestellten Anträge,
31. die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums - 8 K 2020/15 - gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2015 hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis anzuordnen,
42. hilfsweise, die Antragsgegnerin im Weg des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen, äußerst hilfsweise, der Antragsgegnerin zu untersagen, gegen den Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten und ihn nach Tunesien abzuschieben,
5haben keinen Erfolg.
6Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage in Bezug auf die in der angefochtenen Ordnungsverfügung enthaltene Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt, ist der nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) statthafte Antrag bereits unzulässig, da die ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde in der Ordnungsverfügung vom 28. Oktober 2015 nicht den Verlust einer bereits bestehenden Rechtsposition des Antragstellers zur Folge hatte. Der am 30. September 2013 gestellte Verlängerungsantrag des Antragstellers hat nicht die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde nur dann als fortbestehend, wenn der Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung beantragt. Die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers war jedoch nur bis zum 23. September 2013 befristet und daher eine Woche vor Stellung des Verlängerungsantrags am 30. September 2013 bereits erloschen.
7Die Antragsgegnerin hat auch keine Entscheidung über die Anordnung der Fortgeltung des Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG getroffen. Danach kann die Ausländerbehörde, wenn der Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt wurde, zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen. Die Kammer geht davon aus, dass es angesichts der weitreichenden Auswirkungen einer Fortgeltungsanordnung auch auf den einstweiligen Rechtschutz einer eindeutigen Willensäußerung der Ausländerbehörde bedarf, dass die bisherige Aufenthaltserlaubnis (vorläufig) fortbestehen soll. Allein aufgrund der Tatsache, dass dem Ausländer mit Blick auf seinen Verlängerungsantrag zunächst bis zu einer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine sog. Fiktionsbescheinigung ausgestellt wird, kann nicht auf den Willen der Ausländerbehörde geschlossen werden, eine Fortgeltungswirkung anzuordnen. Vielmehr erfolgt die Ausstellung eines solchen Papiers häufig ohne nähere Prüfung allein, um dem Ausländer für die Zeitdauer des Verfahrens ein Ausweispapier an die Hand zu geben und ihm die Aufrechterhaltung der bisherigen Arbeitsstelle zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn der Ausländerbehörde bei der Ausstellung der sog. "Fiktionsbescheinigung" - wie hier aus dem Vermerk vom 13. Januar 2014 ersichtlich - vor Ausstellung der ersten "Fiktionsbescheinigung" die verspätete Antragstellung bewusst war. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus der Bescheinigung oder sonstigen Umständen der eindeutige Wille der Ausländerbehörde zur Anordnung der Fortgeltungswirkung ergibt. An derartigen Anhaltspunkten fehlt es hier. Aus dem Vermerk der Ausländerbehörde vom 13. Januar 2014 anlässlich der Terminsvereinbarung des Antragstellers ergibt sich lediglich, dass dem Sachbearbeiter der Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis aufgefallen war und der Antragsteller hierzu angegeben hatte, er habe auf ein Schreiben seines Anwalts gewartet und deshalb bisher keinen Termin vereinbart. Der Antrag zu 1. wird auch nicht dadurch statthaft, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Anordnung der Fortgeltungswirkung im Sinne des § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG hätte. Voraussetzung für die Anordnung der Fortgeltungswirkung ist, dass diese zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich ist, § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG. Weder hat der Antragsteller geltend gemacht, dass die Fortgeltungsanordnung zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich ist noch sind sonstige Gründe für eine unbillige Härte erkennbar. Eine unbillige Härte liegt vor, wenn der infolge der Versäumnis entstehende Nachteil von der Rechtsordnung so nicht gewollt ist oder sich als unverhältnismäßig darstellt. Das ist der Fall, wenn der Betroffene unverschuldet oder lediglich aufgrund von Fahrlässigkeit an der rechtzeitigen Beantragung der Verlängerung gehindert war, die Fristüberschreitung nur geringfügig ist und bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass ‑ eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt ‑ bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Der Ausländer hat dazu Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, warum ihm eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich war und/oder die Fristüberschreitung lediglich auf Fahrlässigkeit beruhte,
8vgl. Zeitler in HTK- Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand 20. April 2016, § 81 Rdnr. 56f; Welte in Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Stand Dezember 2014, § 81 AufenthG Rdnr. 182f.
9Hier sind keine Gründe erkennbar oder geltend gemacht worden, die den Antragsteller an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert hätten. Vielmehr sprechen die vom Sachbearbeiter in seinem Vermerk vom 13. Januar 2014 aufgenommenen Angaben des Antragstellers, er habe auf ein Schreiben seines Anwalts gewartet, sogar dafür, dass er bewusst und nicht lediglich fahrlässig die Frist zur rechtzeitigen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat verstreichen lassen. Es fehlt auch an der weiteren Voraussetzung für die Annahme einer unbilligen Härte, dass bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass ‑ eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt ‑ bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Bei summarischer Prüfung hätte der Antragsteller selbst bei unterstellter rechtzeitiger Antragstellung keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Verlängerung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28 Abs. 3, 31 AufenthG oder § 25 b AufenthG. Hinsichtlich des vom Antragsteller geltend gemachten Anspruchs auf Verlängerung seiner bisherigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nach §§ 28 Abs. 3 Satz 1, 31 Abs. 1 AufenthG gilt dies schon deshalb, weil er die bei entsprechender Anwendung des § 31 AufenthG erforderliche rechtmäßige Mindestdauer der Lebensgemeinschaft mit seinem deutschen Kind von drei Jahren nicht erreicht hat. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG (richtigerweise wäre mangels eines Sorgerechts eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zu erteilen gewesen) ist dem Antragsteller erst am 28. Dezember 2011 erteilt worden, die Lebensgemeinschaft mit dem Kind endete wegen dessen Umzugs nach unbekannt nach den eigenen Angaben des Antragstellers in seiner Vorsprache vom 30. September 2013 etwa 5 Monate zuvor. Damit dauerte die rechtmäßige, d.h. von einem Aufenthaltsrecht des Antragstellers gedeckte familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem Kind nur weniger als zwei Jahre. Soweit der Antragsteller darüber hinaus einen Anspruch nach § 25 b AufenthG geltend macht, ergibt sich die fehlende Anspruchsberechtigung aus den nachfolgenden Ausführungen.
10Soweit der Antragsteller mit seinem zweiten Antrag im Wege einer einstweiligen Anordnung die Erteilung einer Duldung bzw. die Untersagung der Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen begehrt, ist der Antrag jedenfalls unbegründet.
11Nach § 123 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf die begehrte Handlung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Anordnungsgrund), § 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung.
12Allerdings scheidet aus gesetzessystematischen Gründen grundsätzlich die Gewährung von Abschiebungsschutz für die Dauer des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens aus, wenn ‑ wie hier ‑ die Fiktionswirkung eines Antrags nicht ausgelöst war und daher ein Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig ist. Die Erteilung einer Duldung widerspräche in diesem Fall der in §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung, für die Dauer eines Genehmigungsverfahrens nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Bleiberecht zu gewähren. Von diesem Grundsatz ist jedoch zur Gewährleistung des in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verankerten Rechts auf effektiven Rechtsschutz dann eine Ausnahme zu machen, wenn nur mit Hilfe einer einstweiligen Anordnung und einer Duldung bzw. der Gewährung von Abschiebungsschutz sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung ihrem Sinn und Zweck nach dem Betroffenen zugutekommt,
13vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 11. Januar 2016 - 17 B 890/15 -, zitiert nach juris m. w. N.,
14wobei dieser Grundsatz auch noch für die Phase des Verfahrens nach Ablehnung der Verlängerung/Erteilung durch die Behörde gilt. Schon aus diesem Grund kann der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht aus §§ 28 Abs. 3, 31 AufenthG herleiten. Durch die verspätete Antragstellung ist darüber hinaus die ursprüngliche Aufenthaltserlaubnis erloschen und schon deshalb nicht mehr nach § 31 AufenthG verlängerbar.
15Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des ebenfalls geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 b AufenthG. Insoweit kann ausnahmsweise die Geltendmachung des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Weg der einstweiligen Anordnung notwendig und zulässig sein, um sicherzustellen, dass der von § 25 b AufenthG vorausgesetzte fortdauernde Aufenthalt von grundsätzlich 8 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland nicht unterbrochen wird. Auch die Voraussetzungen für einen auf § 25 b AufenthG gestützten Anordnungsanspruch liegen jedoch nicht vor. Danach soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Absatz 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Letzteres setzt regelmäßig die Erfüllung der in § 25 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 genannten Kriterien voraus. Der Antragsteller ist jedoch nicht geduldet i. S. d. § 25 b Abs. 1 S. 1 AufenthG. Die Kammer geht davon aus, dass es insoweit entsprechend dem eindeutigen Wortlaut der Norm auf den Besitz einer Duldung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ankommt. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, durch die Einführung einer stichtagsunabhängigen Bleiberegelung die Zahl derjenigen Personen zu reduzieren, die weder abgeschoben werden noch eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können und aufgrund dessen längerfristige (Ketten-) Duldungen erhalten,
16vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 25. Februar 2015, Bundestagsdrucksache 18/4097 S. 23 und 29.
17Der Antragsteller ist und war auch zuvor zu keinem Zeitpunkt seit Einführung des § 25 b AufenthG am 1. August 2015 im Sinne dieser Vorschrift geduldet. Weder hat hier die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Duldung erteilt, noch hat(te) der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Wann ein Ausländer geduldet ist, ergibt sich grundsätzlich aus § 60 a AufenthG. Dieser enthält ausweislich der amtlichen Überschrift die Voraussetzungen einer vorrübergehenden Aussetzung der Abschiebung (Duldung). In Betracht kommt - soweit ersichtlich - nur die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Abs. 2 S. 1 AufenthG. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Hier sind keine Gründe erkennbar, aus denen die Abschiebung des Antragstellers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Der Antragsteller ist im Besitz eines gültigen Passes, gegebenenfalls könnte ein Passersatzpapier zeitnah beschafft werden. Auch die Sicherheitslage in Tunesien steht Abschiebungen in das Heimatland des Antragstellers entgegen seiner nicht näher begründeten Auffassung nicht entgegen. Sicherheitsbedenken beziehen sich im Wesentlichen auf einzelne, vom Terrorismus besonders betroffene Landesteile. Vielmehr ist es im März 2016 zum Abschluss einer Vereinbarung zwischen Deutschland und Tunesien betreffend die einfachere Abschiebung von ausreisepflichtigen tunesischen Staatsbürgern gekommen, die seit April 2016 erfolgreich umgesetzt wird,
18vgl. Die Zeit online vom 1. März 2016: "Tunesien und Deutschland starten Pilotprojekt für Abschiebungen; https.//mopo24.de/nachrichten/kriminelle-asylbewerber-zurueck-in-tunesien-leipzig-halle-flughafen-65976.
19Allein die Erteilung einer sog. verfahrensbedingten Duldung für die Dauer des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens oder die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung für die Dauer des Verfahrens reichen für die Anwendbarkeit des § 25 b AufenthG nicht aus. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, aber aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 60 a Abs. 2 und 25 b Abs. 1 AufenthG, sowie aus dem erkennbaren Sinn und Zweck der letztgenannten Vorschrift. Eine allein verfahrensbedingte Duldung dient nur der Abwicklung während der Dauer des Verfahrens, begründet aber keinen humanitären Aufenthalt, der nach den o.g. Zielen des Gesetzgebers durch § 25 b AufenthG legalisiert werden soll. Wollte man dies anders sehen, ergäbe sich die Situation, dass die Ausländerbehörde mangels Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zunächst gehindert wäre, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 b Abs. 1 AufenthG in Fällen zu erteilen, in denen materiell keine Duldungsgründe ersichtlich sind, die Ausländerbehörde jedoch mit Einlegen eines Rechtsbehelfs (des einstweiligen Rechtschutzes) sich entweder weigern müsste, den Ausländer zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens zu dulden oder das Verfahren regelmäßig "verlieren" würde, da mit Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen geschaffen würden. Es kann jedoch nicht Sinn und Zweck eines gerichtlichen Verfahrens sein, das der Überprüfung einer behördlichen Entscheidung dient, die Voraussetzungen einer positiven behördlichen Entscheidung erst herbeizuführen,
20vgl. zur ähnlichen Situation bei § 39 Nr. 5 AufenthV: Oberverwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 16. November 2010 - 4 Bs 220/10 - juris, Rdnr. 10 m. w. N.
21Dass der Antragsteller - jedenfalls bis zur Ablehnung seines Antrags durch die streitgegenständliche Ordnungsverfügung - im Besitz einer Fiktionsbescheinigung war, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Dies gilt auch unabhängig davon, dass dem Antragsteller - wie oben gezeigt - die Fiktionsbescheinigung zu Unrecht ausgestellt worden war, weil sein verspäteter Verlängerungsantrag keine Fiktionswirkung ausgelöst hat. Der Wortlaut des § 25 b Abs. 1 S. 1 AufenthG sieht eine Erstreckung auf die Situation der Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3, 4 AufenthG nicht vor. Auch der o.g. Sinn und Zweck des § 25 b AufenthG gebietet nicht die Erstreckung auf die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung, bei der der Schwebezustand durch die Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis beendet werden kann.
22Auch mit dem weiter hilfsweise verfolgten Begehren, der Antragsgegnerin zu untersagen, gegen den Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, hat der Antragsteller keinen Erfolg, wie sich ebenfalls aus den obigen Ausführungen ergibt.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 S. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Das Antragsinteresse ist mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter dieses Verfahrens in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Auffangwerts (5.000,- €) ausreichend und angemessen berücksichtigt.
Der Zugang von Ausländern zur Ausbildung dient der allgemeinen Bildung und der internationalen Verständigung ebenso wie der Sicherung des Bedarfs des deutschen Arbeitsmarktes an Fachkräften. Neben der Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen Deutschlands in der Welt trägt er auch zu internationaler Entwicklung bei. Die Ausgestaltung erfolgt so, dass die Interessen der öffentlichen Sicherheit beachtet werden.
(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass
- 1.
der Lebensunterhalt gesichert ist, - 1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist, - 2.
kein Ausweisungsinteresse besteht, - 3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und - 4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.
(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer
- 1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und - 2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.
(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.
(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, - 1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten - a)
gegen das Leben, - b)
gegen die körperliche Unversehrtheit, - c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches, - d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder - e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
- 1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, - 3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, - 4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder - 5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, - a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt, - b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder - c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.
(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, - 2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - 3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht, - 4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht, - 5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben, - 6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist, - 7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde, - 8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland - a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder - b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
- 9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.
(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.
(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.
(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.
(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.
(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.
(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.
(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, - 1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten - a)
gegen das Leben, - b)
gegen die körperliche Unversehrtheit, - c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches, - d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder - e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
- 1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, - 3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, - 4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder - 5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, - a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt, - b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder - c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.
(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, - 2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - 3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht, - 4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht, - 5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben, - 6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist, - 7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde, - 8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland - a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder - b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
- 9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 19 Absatz 6 eine Wohnanschrift anbietet oder zur Verfügung stellt.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
- 1.
entgegen § 17 Absatz 1, auch in Verbindung mit § 27 Absatz 2 Satz 2 oder § 28 Absatz 1 Satz 1 oder Satz 2, entgegen § 29 Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 4 Satz 2 oder § 32 Absatz 1 Satz 2 sich nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig anmeldet, - 2.
entgegen § 17 Absatz 2 Satz 1 sich nicht oder nicht rechtzeitig abmeldet, - 3.
entgegen § 19 Absatz 1 Satz 2 den Einzug nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig bestätigt, - 4.
entgegen § 19 Absatz 1 Satz 5 eine Bestätigung ausstellt, - 5.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 19 Absatz 5 oder § 25 oder § 28 Absatz 4 zuwiderhandelt, - 6.
entgegen § 21 Absatz 4 Satz 2 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht, - 7.
entgegen § 28 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 den Kapitän oder ein Besatzungsmitglied nicht oder nicht rechtzeitig anmeldet oder nicht oder nicht rechtzeitig abmeldet, - 8.
entgegen § 29 Absatz 2 Satz 1 einen besonderen Meldeschein nicht oder nicht rechtzeitig unterschreibt, - 9.
entgegen § 30 Absatz 1 Satz 1 einen besonderen Meldeschein nicht bereithält, - 10.
entgegen § 30 Absatz 4 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, einen Meldeschein nicht oder nicht mindestens ein Jahr aufbewahrt oder Daten nicht oder nicht mindestens ein Jahr speichert, - 11.
entgegen § 30 Absatz 4 Satz 3 einen Meldeschein nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt oder Daten nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellt,
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro und in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu tausend Euro geahndet werden.
(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, - 1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten - a)
gegen das Leben, - b)
gegen die körperliche Unversehrtheit, - c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches, - d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder - e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
- 1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, - 3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, - 4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder - 5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, - a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt, - b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder - c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.
(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer
- 1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist, - 2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, - 3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht, - 4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht, - 5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben, - 6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist, - 7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde, - 8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland - a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder - b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
- 9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.
(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.
(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.
(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.
(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.
(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.
(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.
(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.