Verwaltungsgericht Mainz Beschluss, 09. Feb. 2018 - 4 L 1411/17.MZ
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2017 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der zulässige Antrag ist begründet.
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Der auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2017 gerichtete Antrag des Antragstellers ist nach § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig.
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Der Antrag ist auch begründet, da auf der Grundlage der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden kann, ob der Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2017 offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, und das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt.
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I. Für die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung ist hier die Bedeutung der Statusentscheidung über die Staatsangehörigkeit für den Antragsteller besonders zu berücksichtigen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 6.8.2010 – 7 B 10849/10.OVG –, ESOVG).
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Der Staatsangehörigkeitsstatus ist seiner Natur nach für den Einzelnen und für die Gemeinschaft von grundlegender Bedeutung (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 –, BVerfGE 116, 24 und juris Rn. 75 m.w.N.; OVG RP, Beschluss vom 6.8.2010 – 7 B 10849/10.OVG –, ESOVG; VGH BW, Urteil vom 17.9.2007 – 13 S 2794/06 –, juris Rn. 27). Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu in seinem Urteil vom 24. Mai 2006 aus:
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„Er bestimmt seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Der Grundrechtsschutz hat besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden kann, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über "Alles oder Nichts" darstellt. Die Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut hat über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung, denn der bürgerschaftliche Status betrifft die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens: Über ihn wird die Staatsgewalt – vermittelt über das Wahlrecht – legitimiert.“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 –, BVerfGE 116, 24 und juris Rn. 75 m.w.N.)
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Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz betont in seinem Beschluss vom 6. August 2010:
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„Regelungen und Maßnahmen, die in den Bestand der Staatsangehörigkeit eingreifen, berühren das Zugehörigkeitsverhältnis, durch das das Staatsvolk als solches konstituiert wird (vgl. BVerfGE 43, 37, 51 = NJW 1991, 162), und damit zugleich den Bestand aller Rechte und Pflichten, die an das Zugehörigkeitsverhältnis anknüpfen. Zu den speziellen Eigenheiten der Staatsangehörigkeit gehören die Vielfalt, personelle Reichweite und teilweise existenzielle Bedeutung der daran anknüpfenden Rechtsfolgen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006, 2 BvR 669/04, Votum der Richter Broß, Osterloh, Lübbe-Wolff und Gerhard, Rn. 90, NVwZ 2006, 807).“ (OVG RP, Beschluss vom 6.8.2010 – 7 B 10849/10.OVG –, ESOVG)
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Bereits eine von den Gerichten bestätigte Abweichung von der im Gesetz in § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs stellt deshalb einen selbständigen Eingriff in ein solch gewichtiges Recht dar, der nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig ist (vgl. OVG RP, Beschluss vom 6.8.2010 – 7 B 10849/10.OVG –, ESOVG).
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Zwar mag es zutreffen, dass die Schutzwürdigkeit des Staatsbürgers im Hinblick auf den – auch nur vorübergehenden – Erhalt dieses existenzbedeutsamen Status in Fällen einer „erschlichenen Einbürgerung“ zurücktritt, da es sich insoweit um eine nur angemaßte, nicht verdiente, Rechtsposition handelt (vgl. OVG RP, Beschluss vom 6.8.2010 – 7 B 10849/10.OVG –, ESOVG). Insoweit hat auch das Bundesverfassungsgericht herausgestellt, dass demjenigen, der nachweislich selbst durch Täuschung seine Einbürgerung herbeiführte, kein schützenswertes Vertrauen zusteht, so dass bei einer zeitnahen Rücknahme das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiegt (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 –, BVerfGE 116, 24 und juris Rn. 51 und 76; auch VGH BW, Urteil vom 17.9.2007 – 13 S 2794/06 –, juris Rn. 27). Diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich indes auf die Ermessensabwägung im Rahmen der eigentlichen Rücknahmeentscheidung, die die Nachweislichkeit bzw. das Feststehen des gesetzlichen Rücknahmetatbestands voraussetzt. Nur auf der Grundlage eines aufgeklärten Sachverhalts und einer abschließenden Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen könnte demnach auch das Gericht den öffentlichen Interessen an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände den Vorzug vor den gewichtigen persönlichen Interessen des Antragstellers am – einstweiligen – Erhalt seines Status als Staatsbürger einräumen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, dem sich die Kammer anschließt, verlangt hierfür im Eilverfahren eine mehr als nur summarische Prüfung, wobei eine Abwägung zugunsten des öffentlichen Interesses allenfalls bei einem vollständig aufgeklärten Sachverhalt und dem Fehlen von Zweifeln an einem Offensichtlichkeitsurteil hinsichtlich der Erfüllung des rechtlichen Tatbestands naheliegen soll; die Fallgestaltung müsse insoweit gleichsam den Missbrauch auf der Stirn tragen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 6.8.2010 – 7 B 10849/10.OVG –, ESOVG; Beschluss vom 8.1.2008 – 7 B 11180/07.OVG –, ESOVG; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 19.6.2002 – 5 CS 02.1101 –, juris Rn. 3, wonach die Veränderung des bestehenden Zustandes im Wege des Sofortvollzugs vor Bestandskraft des Bescheids bei Statusfragen wie der Staatsangehörigkeit grundsätzlichen unzulässig sein soll; VGH BW, Beschluss vom 26.8.1993 – 13 S 2019/93 –, juris Rn. 1, wonach es bei der Rücknahme der Einbürgerung um eine Statusfrage gehe, die ihrer Natur nach nur einer endgültigen Klärung fähig sei; a.A. wohl HambOVG, Beschluss vom 28.8.2001 – 3 Bs 102/01 –, juris Rn. 30; VG Saarland, Beschluss vom 29.9.2016 – 2 L 1039/16 –, juris Rn. 11 im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit verbunden sind).
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II. Daran gemessen bestehen auf der Grundlage der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung derzeit zumindest Zweifel daran, dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2017 offensichtlich rechtmäßig ist; eine Entscheidung darüber muss einer umfassenden Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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1. Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 des Bescheids vom 11. Dezember 2017 angeordnete (rückwirkende) Rücknahme der Einbürgerung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin ist § 35 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes – StAG –. Danach kann eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist. Voraussetzung ist also, dass die am 12. Dezember 2012 erfolgte Einbürgerung des Antragstellers rechtswidrig ist und der Erlass in einer der vorgenannten Formen erwirkt worden ist.
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In Betracht kommt hier, dass die Einbürgerung durch arglistige Täuschung oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihren Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Ausländer den maßgeblichen Bediensteten der Behörde in seiner Entscheidung beeinflusst, indem er bei diesem einen Irrtum über entscheidungserhebliche Tatsachen hervorruft, deren Unrichtigkeit der Ausländer kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.3.2016 – 19 A 2330/11 –, juris Rn. 69). Dabei muss insbesondere auch die Loyalitätserklärung jedenfalls hinsichtlich der in ihr enthaltenen Tatsachenerklärungen der Sache nach vollständig und wahrheitsgemäß abgegeben werden, wobei wahrheitswidrige Erklärungen eines Einbürgerungsbewerbers zu den Ausschlussgründen des § 11 StAG – gleichsam als Anknüpfungspunkt für eine Täuschung im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG – die Rücknahme der Einbürgerung rechtfertigen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4.7.2016 – 1 B 78/16 –, juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 17.3.2016 – 19 A 2330/11 –, juris Rn. 71 ff.).
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Die Rechtswidrigkeit der am 12. Dezember 2012 vollzogenen Einbürgerung des Antragstellers könnte sich aus § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergeben. Danach ist eine Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. In Betracht kommt hier ein Verfolgen oder Unterstützen von Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Der Antragsteller hätte dann mit seiner Unterschrift unter die (erweiterte) Loyalitätserklärung vom 8. November 2012 im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG die objektiv unzutreffende Erklärung abgegeben, keine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 StAG zu verfolgen oder zu unterstützen.
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Um Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 StAG handelt es sich bei solchen politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Dabei werden nicht nur gewaltanwendende oder vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen erfasst, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche; bei einer exilpolitischen Betätigung muss die Eignung hinzutreten, die Beziehung der Bundesrepublik Deutschland zu einem ausländischen Staat zu belasten oder zu beeinträchtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 – 5 C 1/11 –, BVerwGE 142, 132 und juris Rn. 17; OVG NRW, Urteil vom 17.3.2016 – 19 A 2330/11 –, juris Rn. 33).
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Ein Unterstützen liegt in jeder Handlung eines Ausländers, die für Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Dies muss für den Ausländer erkennbar sein und er muss zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen, wobei einzelne Unterstützungshandlungen der Einbürgerung nur dann als tatsächliche Anhaltspunkte entgegenstehen, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen zu indizieren; dies ist aufgrund einer wertenden Betrachtung der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 – 5 C 1/11 –, BVerwGE 142 und juris Rn. 19 f.; OVG NRW, Urteil vom 17.3.2016 – 19 A 2330/11 –, juris Rn. 55), wobei der Antragsgegnerin insoweit kein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.12.2009 – 5 C 24/08 –, BVerwGE 135, 302 und juris Rn. 17).
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Jedenfalls bei der HAMAS und der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. – IGD – handelt es sich um Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG (vgl. zur HAMAS: BVerwG, Urteil vom 3.12.2004 – 6 A 10/02 –, DVBl 2005, 590 und juris Rn. 14 ff. zu § 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Satz 2 GG; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.3.2012 – OVG 5 N 24.11 –, juris Rn. 10; siehe auch Beschluss (GASP) 2017/1426 des Rates vom 4.8.2017; zur IGD: HessVGH, Urteil vom 21.11.2017 – 5 A 2126/16 –, juris Rn. 23; VG Berlin, Urteil vom 29.11.2005 – 2 A 100.04 –, juris Rn. 17 ff.). Beide Organisationen sind auch in der von der Erklärung des Antragstellers vom 8. November 2012 in Bezug genommenen Liste extremistischer Organisationen aufgeführt. Für eine unmittelbare Tätigkeit des Antragstellers in oder für diese Organisationen – etwa als Funktionär, Mitglied oder Spender – hat die Antragsgegnerin indes nichts vorgetragen. Sie hat vielmehr verschiedene mittelbare Verdachtsmomente dafür vorgebracht, dass Verbindungen des Antragstellers zur HAMAS bestehen, die jedenfalls auf Unterstützungshandlungen des Antragstellers im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 StAG schließen ließen, wie etwa die (Funktionärs-)Tätigkeit des Antragstellers für andere palästinensische Organisationen, seine Beteiligung an diversen Konferenzen und Kontakte zu HAMAS- und IGD-Funktionären.
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2. Dies reicht im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung für das erforderliche Offensichtlichkeitsurteil hinsichtlich der Erfüllung des rechtlichen Tatbestands indes hier nicht aus.
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Zwar ist die Rücknahmeentscheidung nicht erst dann rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG sicher nachgewiesen sind. Vielmehr verlagert § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG den Schutz der dort aufgeführten Schutzgüter vor, so dass bereits das Vorliegen eines durch konkrete Tatsachen begründeten (personenbezogenen) Verdachts ausreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.12.2009 – 5 C 24/08 –, BVerwGE 135, 302 und juris Rn. 14 f.; BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 – 5 C 1/11 –, BVerwGE 142, 132 und juris Rn. 20; OVG RP, Urteil vom 24.5.2005 – 7 A 10953/04 –, UA S. 18; HessVGH, Urteil vom 21.11.2017 – 5 A 2126/16 –, juris Rn. 22; BT-Drucks 14/533 S. 18 f. zu § 86 AuslG a.F.). Ein Verdacht im Sinne der Norm rechtfertigt sich dabei schon aus dem Vorliegen eines Umstandes, der bei objektiver und vernünftiger Sicht auf eine Unterstützung von gegen die genannten Schutzgüter gerichteten Bestrebungen hinweist (vgl. OVG RP, Urteil vom 24.5.2005 – 7 A 10953/04 –, UA S. 18).
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Trotz dieses herabgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstabs und der verschiedenen von der Antragsgegnerin aufgeführten Verdachtsmomente verbleiben für die Kammer aber noch Zweifel sowohl an der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung als auch an deren Erwirkung durch arglistige Täuschung oder vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihren Erlass gewesen sind.
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a) Zweifel bestehen zunächst hinsichtlich der von der Antragsgegnerin in der Rücknahmeentscheidung in Bezug genommenen Anknüpfungstatsachen, die zeitlich vor der Einbürgerung des Antragstellers am 12. Dezember 2012 liegen. Diese Tatsachen waren der Antragsgegnerin nämlich sämtlich bereits vor der Einbürgerung bekannt, was wiederum der Antragsteller, dessen Prozessbevollmächtigter bereits am 2. August 2012 Einsicht in die Verwaltungsakten hatte, wusste. Im Hinblick auf diese Tatsachen erscheint demnach eine Täuschungshandlung bzw. ein vorsätzliches Verschweigen von wesentlichen Angaben bzw. eine Kausalität im Sinne eines Erwirkens der Einbürgerung (vgl. SaarlOVG, Urteil vom 24.2.2011 – 1 A 327/10 –, juris Rn. 37; OVG NRW, Urteil vom 17.3.2016 – 19 A 2330/11 –, juris Rn. 77) zweifelhaft.
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Das betrifft zum einen den gegen den Antragsteller zeitweise bestehenden Verdacht, er sei in Waffenbeschaffungsaktivitäten der HAMAS eingebunden gewesen. Dies war der Antragsgegnerin spätestens mit dem Erkenntnisbericht des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz vom 29. September 2011 – Erkenntnisbericht – bekannt, wobei der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Antragsgegnerin bereits unter dem 19. August 2011 auf das anhängige Bußgeldverfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 33 Abs. 4 Nr. 1 Außenwirtschaftsgesetz – AWG – i.V.m. § 70 Abs. 5a Nr. 1 Außenwirtschaftsverordnung – AWV – hingewiesen hatte. Außerdem wurde das Verfahren am 18. April 2012 gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG können zwar auch dann vorliegen, wenn ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt wurde, da im Rahmen des § 11 StAG gerade keine Gewissheit erforderlich ist und die Unschuldsvermutung nicht vor Rechtsfolgen schützt, die keinen Strafcharakter haben, sondern an ordnungsrechtlichen Zielsetzungen orientiert sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 – 5 C 1/11 –, BVerwGE 142, 132 und juris Rn. 45). Dem steht hier aber entgegen, dass die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion der Antragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 28. Juli 2011 bzw. 5. April 2012 mitgeteilt hatte, es werde nach Rücksprache mit dem Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz die Auffassung vertreten, dass ein Sicherheitsgespräch mit dem Antragsteller nicht zielführend sei, da keine neuen, insbesondere belastbaren Erkenntnisse hinzugekommen seien. Letztlich hat auch die Antragsgegnerin ihre Rücknahmeentscheidung nicht maßgeblich auf einen Verdacht der Verwicklung des Antragstellers in Waffenbeschaffungsaktivitäten der HAMAS gestützt. Jedenfalls hat der Antragsteller aber auf das Verfahren hingewiesen und der Antragsgegnerin waren die insoweit maßgeblichen Umstände zum Zeitpunkt der Einbürgerung bekannt, so dass es an einer arglistigen Täuschung bzw. einem Erwirken der Einbürgerung insoweit fehlen könnte.
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Gleiches gilt für die damalige Tätigkeit des Antragstellers im Vorstand der Muslimischen Hochschulgruppe der Universität M. – MHG – und deren Anbindung an die Muslimische Jugend Deutschland e.V., die nach den behördlichen Erkenntnissen eine Nähe zur Muslimbruderschaft, die auf der Liste extremistischer Organisationen aufgeführt ist, aufweise. Die Einbürgerung erfolgte in Kenntnis auch dieser Umstände.
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Schließlich bestehen derzeit auch Zweifel, soweit die Rücknahmeentscheidung und der gegen den Antragsteller bestehende Verdacht, er habe Verbindungen zur HAMAS, mit der Teilnahme des Herrn A. S. an der Hochzeitsfeier des Antragstellers am 14. Oktober 2009 begründet wird. So heißt es hierzu bereits im Erkenntnisbericht vom 29. September 2011, dass an der Hochzeitsfeier sowohl HAMAS-Funktionäre als auch der Muslimbruderschaft bzw. der IGD nahestehende Personen teilgenommen haben sollen. Genannt war u.a. Herr S., der im Erkenntnisbericht als IGD-Funktionär bezeichnet wird, der in Verbindung zum 2002 wegen Unterstützung der HAMAS verbotenen Al-Aqsa e.V. und dessen Vorsitzendem gestanden habe und der als Führungsperson im „Islamischen Kultur- und Erziehungszentrum Berlin e.V.“ bekannt sei, das als Treffort von HAMAS-Anhängern gelte. In der Mitteilung des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 7. Dezember 2017 wurde nun lediglich ergänzend ausgeführt, dass sich nach dem Tod von Herrn S. im Jahr 2014 insbesondere aus den Umständen einer ihm zu Ehren abgehaltenen Trauerfeier neue Erkenntnisse ergeben hätten, die dessen eindeutige HAMAS-Zugehörigkeit belegten. Da aber bereits zum Zeitpunkt der Einbürgerung des Antragstellers ohnehin zumindest sicher davon ausgegangen wurde, dass Herr S. IGD-Funktionär gewesen ist und die IGD auf der von der erweiterten Loyalitätserklärung in Bezug genommenen Liste extremistischer Organisationen aufgeführt ist (siehe zur IGD auch HessVGH, Urteil vom 21.11.2017 – 5 A 2126/16 –, juris Rn. 23; VG Berlin, Urteil vom 29.11.2005 – 2 A 100.04 –, juris Rn. 17 ff.), ist eine dahingehende Täuschungshandlung des Antragstellers bzw. die erforderliche Kausalität zur Einbürgerung derzeit zumindest nicht offensichtlich. Hinzu kommt, dass als tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zwar auch persönliche Kontakte oder Freundschaften des Betroffenen mit Personen, die ihrerseits gegen die in § 11 StAG genannten Schutzgüter gerichtete Handlungen verfolgen oder unterstützen, herangezogen werden können. Dies dürfte aber voraussetzen, dass zumindest ein Bezug zwischen der Freundschaft und den inkriminierten Überzeugungen besteht, indem etwa die Freundschaft gerade auf einer Übereinstimmung der politisch-gesellschaftlichen Anschauungen beruht oder der Betroffene mit der Einstellung des Freundes/der Kontaktperson sympathisiert und diese gutheißt (so etwa VG Darmstadt, Urteil vom 17.6.2010 – 5 K 1466/09 –, juris Rn. 21; VG Hamburg, Beschluss vom 22.2.2016 – 19 E 6426/15 –, juris Rn. 26). Ob alleine die Teilnahme an der Hochzeitsfeier des Antragstellers – wobei der Kammer deren genaueren Umstände wie etwa die Größe der Feier oder der Kreis der Gäste nicht bekannt sind – ausreicht, um den Schluss auf eine derartige Beziehung zwischen dem Antragsteller und Herrn S. zu rechtfertigen, erscheint auf Grundlage einer nur summarischen Prüfung ohne weitere Angaben zu etwaigen Treffen, Gesprächen oder Kontakten des Antragstellers mit Herrn S. zumindest zweifelhaft. Auch dies bedarf einer abschließenden Überprüfung und Bewertung im Hauptsacheverfahren, zumal der Antragsteller in einer eidesstattlichen Versicherung vom 13. Januar 2018 erklärt hat, er selbst habe zu Herrn S. nur eine flüchtige Beziehung gehabt, dieser sei ein Studienkollege seines Vaters gewesen.
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b) Nach Auffassung der Kammer muss auch die rechtliche Beurteilung der zeitlich nach der Einbürgerung liegenden Anknüpfungstatsachen einer umfassenden Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben und kann nicht bereits im Eilverfahren im Wege einer summarischen Prüfung vorgenommen werden.
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Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Rücknahme einer Einbürgerung deren Rechtswidrigkeit voraussetzt, d.h., die Ausschlussgründe des § 11 StAG müssen bereits zum Zeitpunkt der Einbürgerung vorgelegen haben. Die Rücknahme kann deshalb nicht auf Verfolgungs- oder Unterstützungsaktivitäten des Antragstellers im Sinne des § 11 StAGnach seiner Einbürgerung gestützt werden, da diese auch auf einer späteren Radikalisierung beruhen könnten (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 22.2.2016 – 19 E 6426/15 –, juris Rn. 14).
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Zwar kann unter bestimmten Umständen aus einem späteren Verhalten des Betroffenen geschlossen werden, dass Ausschlussgründe im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bereits zum Zeitpunkt der Einbürgerung vorgelegen haben, etwa, wenn sich bei Betrachtung von Aktivitäten vor und nach der Einbürgerung eine gewisse Konstanz zeigt (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 22.2.2016 – 19 E 6426/15 –, juris Rn. 34). Dies bedarf aus Sicht der Kammer hier aber einer – im Eilverfahren nicht möglichen – mehr als nur summarischen Prüfung, in der die gesamten Umstände einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind.
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Dies gilt insbesondere für die Bewertung der Tätigkeiten des Antragstellers in zwei palästinensischen Organisationen und im Zusammenhang mit verschiedenen Konferenzen. So wird dem Antragsteller von der Antragsgegnerin nicht vorgeworfen, sich unmittelbar in einer Organisation betätigt zu haben, die auf der Liste extremistischer Organisationen geführt wird. Ob es sich bei den vom Antragsteller – in hervorgehobener Funktion als Vorsitzender – unterstützten Organisationen „PalMed Studentenkomitee“ und „Palastinian Youth in Europe“ – PYE – aber tatsächlich ihrerseits um – wie von der Antragsgegnerin behauptet – HAMAS-nahestehende Organisationen bzw. um Organisationen handelt, die ihrerseits Ziele im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgen, ist für die Kammer zumindest nicht offensichtlich. Beide Organisationen waren – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Hinsichtlich des „PalMed Studentenkomitees“ beschränken sich der Vortrag der Antragsgegnerin und des Ministeriums des Innern und für Sport im Wesentlichen darauf, es bestehe ein „originärer Bezug zum „Palestinian Return Centre“ – PRC –, da die Vereinsgründung des „Palästinensischen Ärzteforums in Europa“ – PalMed Europe – am Rande der 5. „Palestinians in Europe Conference“ des PRC im Mai 2007 initiiert worden sei. Das PRC wiederum werde von der HAMAS als Plattform genutzt und sei im Dezember 2010 in Israel wegen seiner Verbindungen zur HAMAS zur ungesetzlichen Organisation erklärt worden. Weitere Anhaltspunkte, die auf eine Verbindung zwischen dem „PalMed Studentenkomitee“ und der HAMAS oder dem PRC bzw. auf Verbindungen zwischen dem PRC – das soweit ersichtlich bislang ebenfalls noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung war – und der HAMAS hindeuten, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen. Ob vor diesem Hintergrund allein der Umstand, dass PalMed Europe am Rande einer PRC-Konferenz gegründet wurde, ausreicht, um auf eine Verbindung des „PalMed Studentenkomitees“ zur HAMAS zu schließen, vermag die Kammer bei einer nur summarischen Prüfung nicht festzustellen. Außerdem wäre zu klären, ob insoweit eine Täuschungshandlung des Antragstellers bzw. die Kausalität zur Einbürgerung bejaht werden könnte, da der Antragsteller – unbestritten – vorgetragen hat, dass er bereits vor seiner Einbürgerung im Vorstand des „PalMed Studentenkomitees“ tätig gewesen sei, dies der Antragsgegnerin bekannt gewesen sei und mit der Wahl zum Vorsitzenden demnach kein qualitativ neuer Umstand hinzugekommen sei.
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Schließlich bedürfen auch die Bewertung der PYE, deren Vorsitzender der Antragsteller seit dem Jahr 2015 ist, und die Teilnahme des Antragstellers – teilweise auch als (Mit-)Organisator oder Redner – an Konferenzen einer näheren Betrachtung im Hauptsacheverfahren. Zwar haben die Antragsgegnerin und das Ministerium des Innern und für Sport insoweit zahlreiche – zumindest mittelbare – Verknüpfungen zu extremistischen Organisationen wie der HAMAS und der IGD aufgezeigt, da an diesen Konferenzen auch HAMAS- oder IGD-Funktionäre teilgenommen haben bzw. als Redner aufgetreten sind. Insoweit dürfte der Versagungstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zwar bereits dann erfüllt sein, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit des Antragsstellers zu einer und/oder aktiven Betätigung für eine Organisation bestünden, die ihrerseits Ziele im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt oder er einer solchen ein öffentliches Forum bietet, ohne dass es dann noch darauf ankäme, ob dem Antragsteller selbst aufgrund eigener Äußerungen oder Aktionen ein verfassungsfeindliches Verhalten nachgewiesen werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.12.2009 – 5 C 24/08 –, BVerwGE 135, 302 und juris Rn. 18; OVG RP, Urteil vom 24.5.2005 – 7 A 10953/04 –, UA S. 18; HessVGH, Urteil vom 21.11.2017 – 5 A 2126/16 –, juris Rn. 22). Etwas Anderes kann aber unter Umständen gelten, wenn bei einer Gesamtbetrachtung des Wirkens einer Organisation – oder wohl auch im Rahmen einer Konferenz – diese nicht als homogen einzustufen ist, sondern in ihr verschiedene Strömungen vertreten werden, die voneinander klar unterschieden werden können, und der Betroffene einer Strömung angehört, die selbst keine Ziele im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt oder unterstützt (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.12.2009 – 5 C 24/08 –, BVerwGE 135, 302 und juris Rn. 20; siehe dazu auch HessVGH, Urteil vom 21.11.2017 – 5 A 2126/16 –, juris Rn. 29). Auch dies erscheint der Kammer derzeit nicht hinreichend eindeutig. Schließlich ist gerade hinsichtlich der Tätigkeit des Antragstellers als Vorsitzender der PYE zu berücksichtigen, dass diese erst im Jahr 2015 – also wohl erst über zwei Jahre nach seiner Einbürgerung aufgenommen wurde.
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Die vorgenannten Gesichtspunkte begründen auf der Grundlage der nur möglichen summarischen Prüfung zumindest Zweifel, die einem Offensichtlichkeitsurteil hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2017 hier entgegenstehen. Angesichts der Bedeutung des Staatsangehörigkeitsstatus für den Antragsteller, der Rücknahmeentscheidung mit ihrer „Alles oder Nichts“-Wirkung, der Intensität der Beeinträchtigung bei einer auch nur vorübergehenden Entziehung, der Dauer von fünf Jahren – zugleich die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb der nach § 35 Abs. 3 StAG eine Rücknahme überhaupt erfolgen dürfte –, in denen der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit innehatte (vgl. zur Bedeutung des Zeitmoments OVG RP, Beschluss vom 6.8.2010 – 7 B 10849/10 –, ESOVG) und der drohenden Staatenlosigkeit des Antragstellers, die zwar nach § 35 Abs. 2 StAG in der Regel nicht der Rücknahme entgegensteht, aber hier in der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. OVG RP, Beschluss vom 6.8.2010 – 7 B 10849/10 –, ESOVG), überwiegt hier deshalb das Suspensivinteresse des Antragstellers das grundsätzlich bestehende öffentliche Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse im Staatsangehörigkeitsrecht. Darüberhinausgehende öffentliche Interessen – etwa zwingende Sicherheitsinteressen – hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen. Dagegen spräche hier aber auch, dass die Erkenntnisse, auf die die Rücknahmeentscheidung gestützt wurde, zumindest dem Ministerium des Innern und für Sport überwiegend bereits seit mehreren Jahren bekannt waren, ohne dass dies zum Anlass für ein früheres Einschreiten genommen wurde.
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Es kommt deswegen nicht mehr darauf an, ob die Antragsgegnerin die Fünf-Jahresfrist des § 35 Abs. 3 StAG eingehalten hat – wovon die Kammer allerdings ausgeht, da die Frist erst mit der Übergabe der Einbürgerungsurkunde am 12. Dezember 2012 zu laufen begonnen haben dürfte – und ob die Antragsgegnerin nach § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes – LVwVfG – i.V.m § 28 Abs. 2 Nr. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – von einer vorherigen Anhörung des Antragstellers absehen durfte bzw. diese durch den Austausch von Schriftsätzen im Eilverfahren mit heilender Wirkung nachgeholt hat (vgl. dazu Stelkens u.a., VwVfG, § 45 Rn. 86 m.w.N.).
- 32
Aus denselben Gründen ist auch die aufschiebende Wirkung bezüglich der in Ziffer 2 des Bescheids vom 11. Dezember 2017 angeordneten Aufforderung zur Herausgabe der Einbürgerungsurkunde (vgl. § 1 LVwVfG i.V.m. § 52 Satz 1 VwVfG) anzuordnen.
- 33
Die Antragsgegnerin hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
- 34
Die Entscheidung über die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 42.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Mainz Beschluss, 09. Feb. 2018 - 4 L 1411/17.MZ
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Mainz Beschluss, 09. Feb. 2018 - 4 L 1411/17.MZ zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 geändert. Die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.9.2006 geändert. Die Verfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 31.8.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.11.2005 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.
(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.
(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.
(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.
(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am XX. August 1980 in Al Hoceima/Marokko geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 7. November 1987 zum Familiennachzug in das Bundesgebiet ein und erhielt am 27. Juni 1996 erstmalig eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die am 3. Juli 1997 unbefristet verlängert wurde und die ab dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt. Er besuchte in X. zunächst den Schulkindergarten der Grundschule, erwarb 1999 an der Gesamtschule den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und 2001 an der Abendrealschule die Fachoberschulreife. Anschließend begann er an der M.-Schule, Berufskolleg der Stadt E., eine Ausbildung zum Physikalisch-technischen Assistenten, die er 2004 abbrach. Zwischen August 2006 und April 2010 arbeitete er für jeweils maximal 7 Monate, aber mit Unterbrechungen von bis zu 16 Monaten als Helfer bei Zeitarbeits-, Automobil- und Logistikfirmen.
3Aufgrund eines Einleitungsvermerks des Landeskriminalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2007 leitete die Staatsanwaltschaft Zweibrücken das Ermittlungsverfahren 4126 Js 8066/07 unter anderem gegen den somalischen Staatsangehörigen I., geboren am 6. Februar 1982 in Mogadischu/ Somalia, und den libanesischen Staatsangehörigen T., geboren am 6. Februar 1974 in Beirut/ Libanon, wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der fortgesetzten Begehung des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst und Förderung des internationalen Jihad ein. In dessen Rahmen ordnete das Amtsgericht Zweibrücken die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) der Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse I.‘s und T.‘s sowie deren Observation an. Der Hauptbeschuldigte I. wurde am 20. Februar 2008 in anderer Sache vorläufig festgenommen. Das Landgericht Frankenthal verurteilte ihn wegen gemeinschaftlichen Totschlags zum Nachteil von drei georgischen Staatsangehörigen zu lebenslanger Freiheitsstrafe (Urteil vom 16. Februar 2009 ‑ 5220 Js 4635/08 ‑).
4Gegen T. erließ der Donnersbergkreis unter dem 29. April 2009 eine Ausweisungsverfügung wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht stellte zu seiner Überzeugung fest, T. sei zumindest als aktiver Unterstützer des Terrornetzwerks Al Qaida einzustufen. Er habe die so genannte „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida dadurch unterstützt, dass er seine Wohnung in Wiesbaden sowohl für deren Mitglieder als auch für angeworbene Selbstmordattentäter bis zu deren Ausreise in den Irak zum Zweck des gewaltsamen Jihad zur Verfügung gestellt habe. Auch habe er Spenden für die „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida gesammelt und seine Absicht bekundet, den gewaltsamen Jihad durch ein von ihm selbst verübtes Selbstmordattentat im Irak unterstützen zu wollen (VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 9. April 2010 ‑ 2 K 1050/09.NW ‑, OVG Koblenz, Beschluss vom 4. November 2010 ‑ 7 A 10982/10.OVG ‑).
5Aus den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus Polizeivermerken ergeben sich für die Zeit zwischen dem 14. Dezember 2007 und dem 20. April 2008 insgesamt 262 Gesprächs- und SMS-Verbindungen sowie Anwahlversuche zwischen dem Kläger und T.. Darin verabredeten sich beide in deutscher und arabischer Sprache u. a. für persönliche Treffen bei T., der damals in Kirchheimbolanden wohnte und in Mainz arbeitete. Der Kläger fuhr am 23./ 24. Dezember 2007, am 5./6. Januar 2008, am 2./3. Februar 2008 und am 16./ 17. Februar 2008 jeweils mit der Bahn von Wuppertal nach Mainz oder Alzey und ließ sich von T. am Bahnhof abholen. Mit Ausnahme des Treffens im Dezember 2007 reiste der Kläger dabei jeweils in Begleitung des K., geboren am 31. März 1982 in Dortmund, der sich damals „Youssef“ nannte und dessen Identität die Sicherheitsbehörden erst im Juni 2012 klären konnten. Insgesamt mindestens zweimal fuhr T. anlässlich dieser Aufenthalte mit dem Kläger (und zweimal auch mit K.) nach Ludwigshafen, um sich dort mit I. zu treffen. Wegen der Anzahl der Treffen und der Teilnehmer sowie wegen des Inhalts der Gespräche im Einzelnen nimmt der Senat auf die TKÜ-Protokolle und die polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerke vom 8. Februar, 13. und 17. März, 29. August 2008 sowie vom 12. Oktober 2011 Bezug.
6Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte K. wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Es stellte fest, dass er sich im Herbst 2009 unter dem Namen „Yusuf“ nach Pakistan in das Grenzgebiet zu Afghanistan habe einschleusen lassen, um sich am bewaffneten Kampf der Muslime in Afghanistan gegen die Truppen der USA und ihrer Verbündeten zu beteiligen. Er habe sich dort bewaffnet und den Deutschen Taliban Mujaheddin (DTM) angeschlossen. Seinen Ausreise- und Kampfentschluss habe er „im Laufe des Jahres 2008“ gefasst. Nach dem Abbruch seines Studiums in Frankfurt am Main 2003 sei er wieder zu seinen Eltern nach Lünen gezogen und habe begonnen, in verschiedenen Städten des Ruhrgebiets und in Wuppertal marokkanische Moscheen zu besuchen. Dadurch habe sich ein Freundeskreis entwickelt, der aus Moslems bestanden habe, die der Muslimbruderschaft und Tablighi Jamaat zuzurechnen gewesen seien (Urteil vom 24. März 2014 ‑ III‑5 StS 3/13 ‑).
7Der Kläger heiratete am 30. April 2009 vor dem Standesamt C. die am 18. März 1987 ebenfalls in C. geborene Arzthelferin D.. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Aus der Ehe ist die am 22. Mai 2015 in C. geborene Tochter N. hervorgegangen. Ebenfalls zum 30. April 2009 meldete sich der Kläger von X. nach C. um.
8Unter dem 16. Juni 2010 beantragte er dort seine Einbürgerung. Er unterschrieb eine einfache Loyalitätserklärung, in der es u. a. heißt, er verfolge oder unterstütze keine Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und er habe solche Bestrebungen auch nicht verfolgt oder unterstützt. Das Kundencenter C. der Kooperation Arbeit und Soziales S. teilte dem Beklagten unter dem 22. Juni 2010 mit, der Kläger habe keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Eine Erkenntnisabfrage des Beklagten im automatisierten OSiP-Verfahren ergab am 10. August 2010 unter anderem, dass beim LKA Nordrhein-Westfalen und beim Verfassungsschutz keine Erkenntnisse über den Kläger vorlägen.
9Der Beklagte bürgerte den Kläger am 8. September 2010 unter dauerhafter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit ein.
10Mit Fax vom 13. September 2010 informierte das Polizeipräsidium Köln die Ausländerbehörde des Beklagten über die Erkenntnisse aus der TKÜ gegen I. und T. Außerdem habe ein Sozialarbeiter des Berufskollegs M.-Schule im Jahre 2002 mitgeteilt, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Seine Ehefrau sei die Tochter eines Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“, der aufgrund von Personenverflechtung ideologisch der Muslimbruderschaft nahestehe. Das Polizeipräsidium X. teilte ergänzend mit, der Kläger habe vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. April 2009 eine Wohnung in der U. straße 172 in X. angemietet gehabt, welche er niemals bezogen habe. Diese letztgenannte Mitteilung ließ sich der Beklagte durch den Geschäftsführer der Vermieterin telefonisch bestätigen.
11Durch Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers rückwirkend auf den Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück (Nr. 1), forderte ihn zur unverzüglichen Rückgabe dieser Urkunde auf (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an (Nr. 3) und drohte ihm für den Fall der Nichterfüllung der Rückgabeaufforderung den unmittelbaren Zwang an (Nr. 4). Seine Einbürgerung sei rechtswidrig gewesen, weil sich aus den inzwischen vorliegenden Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, dass er sich bereit erklärt habe, sich für die Ausbildung zum heiligen Krieg in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Der Kläger habe sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 dreimal mit T. und einmal mit I. in Mainz und Ludwigshafen persönlich getroffen. Seine abgehörten Telefonate mit T. in dieser Zeit seien zunehmend konspirativ geworden. Auch das Herunterladen von radikal-islamistischen Seiten aus dem Internet sei unter diesen Umständen als Vorbereitungshandlung zu werten. Weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung seien die familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags, das Anmieten der nie bezogenen Wohnung und seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001. Der Kläger habe in seiner Loyalitätserklärung arglistig getäuscht, weil er darin seine Treffen mit I. und T. verschwiegen habe. Die Bedeutung dieser Treffen für seine Einbürgerung sei ihm auch bewusst gewesen, weil er in den Telefonaten mit T. selber angegeben habe, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen. Im Rahmen des Rücknahmeermessens stehe das Interesse des Klägers hinter dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes zurück. Wegen der Täuschung könne er kein schutzwürdiges Vertrauen geltend machen. Zudem besitze er die deutsche Staatsangehörigkeit erst seit kurzem und habe lediglich einen Personalausweis, aber noch keinen Pass beantragt. Er werde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil er seine marokkanische Staatsangehörigkeit behalten habe.
12Der Kläger hat am 13. Oktober 2010 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, das erste Treffen mit T. in Mainz habe ausschließlich familiären Charakter gehabt. T. sei der Cousin seiner damaligen Verlobten, Frau G., gewesen, die er Ende 2007 über eine Partnervermittlung im Internet kennen gelernt und in die er sich verliebt habe. Sie beide hätten heiraten wollen, Frau G. sei jedoch im Februar 2008 in Saudi-Arabien nach vorherigem Koma an einer Blutvergiftung gestorben. Er, der Kläger, habe den Cousin seiner Verlobten und dessen Familie kennen lernen und von ihm verschiedene Geschenke entgegen nehmen wollen (Tücher, Parfüm), welche seine Verlobte der Ehefrau T.‘s in Saudi-Arabien übergeben habe. Die beim zweiten Treffen am 5. Januar 2008 in Mainz übergebenen CD’s seien Lern-CD’s für Kinder gewesen, die für die Kinder des T. bestimmt gewesen seien. An seinem dritten Treffen mit T. am 3. Februar 2008 hätten auch „Youssef“, der ein entfernter Bekannter sei, und I. teilgenommen, der ihm als ein Freund von T. vorgestellt worden sei. Auch bei diesem Treffen seien lediglich persönliche und „sonstige allgemeine Dinge“ besprochen worden. Der Jihad oder die Anwerbung zur Ausbildung in einem sog. „Terrorcamp“ seien nicht Gesprächsgegenstand gewesen. Ob er 2002 die vom Beklagten genannte Internetseite besucht und dort Gedichte heruntergeladen habe, sei ihm nicht mehr erinnerlich. Sein Ordnerdienst bei der palästinensischen Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. in 2001 sei nur untergeordneter Art gewesen und habe nur „kurzzeitig“ gedauert. Aus der religiösen Betätigung seines Schwiegervaters lasse sich keine verfassungsfeindliche Einstellung bei ihm selbst ableiten. Die Wohnung U. straße 172 habe er angemietet, weil er auf der Suche nach einer festen Beziehung gewesen sei und mit seiner zukünftigen Ehefrau dann eine eigene Wohnung habe beziehen wollen. Es sei keine konspirative Wohnung gewesen, sondern er habe sie als Nebenwohnung offiziell gemeldet.
13Die Ausländerbehörde des Beklagten führte am 6. Oktober 2010 und am 22. Februar 2011 Sicherheitsgespräche mit dem Kläger durch. Wegen der Gesprächsinhalte nimmt der Senat auf die hierüber vom Beklagten gefertigten Niederschriften Bezug.
14Im Erörterungstermin vom 25. Mai 2011 hat das Verwaltungsgericht den Kläger informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten seiner Angaben nimmt der Senat auf das Terminprotokoll Bezug.
15Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
16den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 aufzuheben.
17Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er hat die Auffassung vertreten, die Angaben des Klägers seien nicht überzeugend, weil er anlässlich der Telefonate die Satzbestandteile „über die Sache reden“ und „nicht am Telefon“ verwendet habe.
20Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid aufgehoben. Die Erkenntnisse des Beklagten trügen im Ergebnis weder die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung noch diejenige ihres vorwerfbaren Erwirkens. Seine Einbürgerung sei weder wegen seiner Kontakte zu T. noch wegen seiner Heirat der Tochter des Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“ noch wegen des Herunterladens von Inhalten über den Jihad auf der Internetseite www.azzam.de noch wegen des Anmietens einer nicht bezogenen Wohnung rechtswidrig. Auch ein vorwerfbares Erwirken der Einbürgerung durch arglistige Täuschung sei nicht feststellbar. Hierfür komme allenfalls die abgegebene Loyalitätserklärung in Betracht. Es fehle bereits an einer Unterstützungshandlung, von der auf ein subjektives Erkennen und vorsätzliches Verschweigen einer solchen geschlossen werden könne.
21Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung legt der Beklagte ergänzend ein Protokoll über die von ihm durchgeführte Zeugenvernehmung des deutschen Staatsangehörigen P., geb. am 1. Oktober 1968 in Suleimania/Irak, am 23. Mai 2013 in der Justizvollzugsanstalt Diez vor, der bei zumindest einem der Treffen I.‘s mit dem Kläger anwesend war. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage nimmt der Senat auf das Protokoll Bezug. Ferner legt der Beklagte einen an ihn gerichteten Brief des Zeugen P., in dem er sich ergänzend zu den ihm gestellten Fragen äußert, sowie das Protokoll von dessen Zeugenvernehmung durch das LKA Nordrhein-Westfalen am 10. Juni 2013 vor.
22Der Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
24Der Kläger beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Er macht ergänzend geltend, aus den Darlegungen des Beklagten werde nicht einmal ansatzweise ersichtlich, welche konkrete Unterstützungshandlung für eine verfassungsfeindliche Bestrebung er begangen haben solle. Seine angebliche Bereitschaft, sich für den bewaffneten Kampf im Ausland anwerben zu lassen, habe der Beklagte ihm lediglich unterstellt, aber nicht nachgewiesen, dass diese subjektive Tatsache auch tatsächlich vorgelegen habe. Es lägen lediglich Anhaltspunkte dafür vor, dass T. und I. potentielle Jihad-Kämpfer anwerben wollten. Auch sei nicht auszuschließen, dass T. den zunächst nur persönlichen Kontakt zu ihm habe ausnutzen wollen, um ihn für den Jihad anzuwerben und T. sich damit habe brüsten wollen, unter staatlicher Überwachung zu stehen. Aus den Akten ergebe sich jedoch kein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass T. seine Anwerbung auch ihm gegenüber offenbart habe.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Eilverfahrens 19 B 277/15 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (6 Hefte), der Strafakten 4126 Js 8066/07 der Staatsanwaltschaft Zweibrücken (6 Ordner) und der Beiakten des genannten Eilverfahrens Bezug.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung des Beklagten ist statthaft, nachdem der Senat sie zugelassen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das gilt sowohl für die darin unter Nr. 1 verfügte Rücknahme der Einbürgerung (A.) als auch für die in Nr. 2 enthaltene Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde (B.) sowie schließlich für die darin unter Nr. 4 ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs (C.). Die unter Nr. 3 getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Maßnahmen zu Nrn. 1 und 2 war Gegenstand nicht des vorliegenden Rechtsstreits, sondern des Eilverfahrens 19 B 277/15.
30A. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung in Nr. 1 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 35 Abs. 1 StAG. Die Vorschrift ist am 12. Februar 2009 in Kraft getreten und verdrängt als spezielle staatsangehörigkeitsrechtliche Rücknahmeermächtigung für den hier vorliegenden Fall einer erschlichenen Einbürgerung die allgemeine Rücknahmeermächtigung in § 48 VwVfG NRW.
31BVerwG, Urteil vom 9. September 2014 ‑ 1 C 10.14 ‑, StAZ 2015, 212, juris, Rdn. 18; Urteil vom 11. November 2010 ‑ 5 C 12.10 ‑, StAZ 2011, 281, juris, Rdn. 13; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 3. Dezember 2012 ‑ 11 K 1038/12 ‑, juris, Rdn. 20.
32Nach § 35 Abs. 1 StAG kann u. a. eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind. Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung erfolgen (Abs. 3). Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig (I.). Der Kläger hat sie durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die für seine Einbürgerung wesentlich waren (II.). Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist eingehalten (III.) und sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt (IV.). Der Rücknahmebescheid ist auch formell rechtmäßig (V.).
33I. Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig, weil sie gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verstieß. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (1. Alternative) oder die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (2. Alternative) oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (3. Alternative), es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Im Fall des Klägers rechtfertigen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass er zumindest in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 Bestrebungen unterstützt hat, die im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (1.). Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung dieser Bestrebungen abgewandt hat (2.).
341. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen im vorliegenden Fall die Annahme, dass der Kläger in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/ oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt hat, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Hierin liegt ein Unterstützungsverdacht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Das Terrornetzwerk Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative dieser Vorschrift durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten (a). Der genannte Unterstützungsverdacht ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen P., aus den Gesprächsinhalten in den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus sonstigen aussagekräftigen Indizien (b). Der erwähnte Aufbau des konspirativen Vertrauensverhältnisses mit dem Ziel einer Rekrutierung als Kämpfer für den Jihad, dessen der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren (c).
35a) Das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Diese Alternative ist § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG nachgebildet und erfasst politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Dazu gehören nicht nur gewaltanwendende oder ‑vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Ihr Anwendungsbereich geht insofern über die nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG untersagte politische Betätigung eines Ausländers hinaus. Denn § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hat die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG enthaltene Beschränkung auf Bestrebungen „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ nicht übernommen.
36BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 ‑ 5 C 1.11 ‑, BVerwGE 142, 132, juris, Rdn. 17; VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 29; Berlit, in: Fritz/Vormeier (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht (GK-StAR), Stand: Aktualisierungslieferung Nr. 33, November 2015, IV-2 § 11 StAG, Rdn. 130 f.
37Nach diesen Maßstäben erfüllten das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna im Frühjahr 2008 die Voraussetzungen des Bestrebungsbegriffs im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.
38Für die Erfüllung der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Al Qaida im Frühjahr 2008 ist maßgeblich, dass dieses Terrornetzwerk damals wie heute das Ziel verfolgt, die islamische Welt von westlichen Einflüssen zu befreien und dort Gottesstaaten auf der Grundlage der Scharia zu errichten. Hierzu führt es einen „Heiligen Krieg“ (Jihad) gegen die den eigenen Glauben und die Gemeinschaft der Gläubigen bedrohenden „Feinde des Islam“, zu denen sie die gesamte westliche Welt und die als „Apostaten“ angesehenen pro-westlichen Regime in den muslimischen Staaten zählt. Dazu gehört in aller erster Linie der Staat Israel, den Bin Laden als „Besatzungsstaat“ bezeichnet hat. Den Jihad versteht Al Qaida als gewaltsamen Kampf, sich hieran zu beteiligen sieht sie als individuelle Pflicht eines jeden rechtgläubigen Muslim an. Für ein legitimes Mittel des Jihad hält sie insbesondere die Verunsicherung des „Feindes“ durch terroristische Anschläge, die auf die Tötung einer möglichst großen Zahl von Menschen abzielen. Auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Alternative sind auch dadurch gefährdet, dass sich Al Qaida bei der Rekrutierung von Märtyrern für eine terroristische Ausbildung in einem Ausbildungslager auch in Deutschland lebender Muslime bedient, sei es, dass diese selbst rekrutiert werden sollen, sei es, dass sie die Rekrutierung und Schleusung islamistischer Kämpfer aus arabischen Ländern von Deutschland aus organisieren. Sind diese Muslime zugleich deutsche Staatsangehörige, macht sich Al Qaida auch die damit verbundene Reisefreiheit bewusst zunutze. Das belegen die tatsächlichen Feststellungen deutscher Strafgerichte in den vom Verfassungsschutz dokumentierten Strafverurteilungen.
39Bundesministerium des Innern (BMI), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 226, Verfassungsschutzbericht 2008, S. 217 f.; vgl. auch VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 30.
40Die Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna war im Frühjahr 2008 und ist bis heute ebenfalls eine terroristische Organisation, die ihre politischen Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen und durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt.
41Bay. VGH, Urteil vom 2. September 2013 ‑ 10 B 10.1713 ‑, juris, Rdn. 59; VG München, Urteil vom 14. Januar 2015 ‑ M 25 K 13.3143 ‑, juris, Rdn. 22; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.1.
42b) Der Verdacht gegen den Kläger, in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder der Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt zu haben, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, ergibt sich aus den folgenden Indiztatsachen, die zur vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit des Senats im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO feststehen: Der Kläger hat sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 insgesamt viermal mit T. und mindestens zweimal auch mit I. im Raum Mainz/Ludwigshafen getroffen (aa). Beide waren zum damaligen Zeitpunkt als Anwerber für zumindest eine der genannten Terrororganisationen tätig (bb). Der Kläger ist in der Absicht zu diesen Treffen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen (cc).
43aa) Die Treffen des Klägers mit den beiden genannten Personen ergeben sich aus den TKÜ-Protokollen und polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerken sowie teilweise auch aus dem Geständnis des Klägers, der eingeräumt hat, sich an den genannten Tagen insgesamt viermal mit T. und am 3. Februar 2008 auch mit I. getroffen zu haben. Zumindest ein weiteres Treffen des Klägers und K.‘s auch mit I. in Ludwigshafen ergibt sich aus dem polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk vom 17. März 2008, in dem KHK’in B. ein Telefonat I.‘s mit T.n am 14. Februar 2008 und das darauf folgende Geschehen wie folgt wiedergegeben hat:
44„Mitten im Gespräch wechselt I. plötzlich das Thema und erwähnt, dass T. unbedingt mit „denen“ am Wochenende kommen müsse. Es sei wichtig, dass sie kommen, denn „es“ könne jetzt sofort gehen. Er müsse mit ihnen reden.Tatsächlich setzte sich anschließend T. mit H. telefonisch in Verbindung und vereinbarte kurzfristig ein Treffen für den 16.02.08, zu dem H. und „Youssef“ wiederum per Bahn anreisten. Das Treffen mit I. fand noch am 16.02.08 in Ludwigshafen statt.“
45Auch im polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk des KHK V. vom 13. März 2008 heißt es, T., eine weitere Person, der Kläger und „Youssef“ seien am 16. Februar 2008 gemeinsam nach Ludwigshafen gefahren, wo ein Treffen mit I. habe beobachtet werden können. Vor dem Hintergrund dieser polizeilichen Feststellungen bewertet der Senat die abweichende Darstellung des Klägers lediglich als ein schlichtes und pauschales Bestreiten, I. habe T. in seiner (des Klägers) Gegenwart „nur einmal (in Wiesbaden) getroffen“ und dabei „in Anwesenheit des Klägers über allgemeine und allgemeinpolitische Dinge gesprochen …, nicht aber über den internationalen gewaltsamen ‚heiligen Krieg‘ oder über die Anwerbung des Klägers hierzu“ (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Dem hierauf bezogenen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung des I. ist der Senat nicht gefolgt, weil der Kläger keine konkreten positiven Beweistatsachen in das Wissen des Zeugen gestellt hat.
46bb) Dass I. und T. für die beiden genannten Terrororganisationen Kämpfer angeworben und Spenden gesammelt haben, ergibt sich zur Überzeugung des Senats vor allem aus den Angaben des Zeugen P. gegenüber dem Beklagten und dem LKA Nordrhein-Westfalen. Der Zeuge hat am 10. Juni 2013 I. anhand des ihm vorgelegten Lichtbildes zweifelsfrei identifiziert („Das ist der I.“) und auf die Frage des LKA, ob er Kontakt zu einer Organisation gehabt habe, geantwortet: „Er hatte Kontakt zur Ansar al-Islam.“ Ebenso hat der Zeuge auch T. auf dem ihm vorgelegten Lichtbild als „den Libanesen“ identifiziert, der „zwei Frauen hat“ und den er gemeinsam mit I. und einem „Marokkaner“ namens „O.“ mit einem „langen Bart“ „ungefähr im Jahr 2008 oder 2007“ vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe, weil I. von ihm, dem Zeugen P., zwei Pässe habe kaufen wollen für „O.“ und „eine andere arabisch stämmige Person“, die beide in den Irak „in den Jihad“ gewollt hätten. Auch in dem Brief an den Beklagten schreibt der Zeuge, I. habe ihm über T. erzählt, „dass derjenige zu den Anhängern von Al Qaida gehöre und er in den Irak zum Jihad gehen wolle“. Inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend hat der Zeuge des Weiteren auch in seiner Vernehmung am 23. Mai 2013 auf die Frage des Beklagten geantwortet, ob er den Namen der Gruppe kenne, für die I. angeworben habe: „Das globale System nennt sich Al Qaida. Die Ansar al-Islam zum Beispiel ist ja auch eine Gruppe, welche für Al Qaida arbeitet.“
47Bestätigung finden diese Angaben des Zeugen P. in den polizeilich überwachten Gesprächen zwischen I. und T. sowie zwischen T. und einer unbekannt gebliebenen anderen Person. So hat I. dem T. am 11. Mai 2007 während eines überwachten Kontakts in einem Fahrzeug mitgeteilt, dass sie jetzt „eine große Aufgabe, ein großes Programm“ hätten, weil sie „Leute“ „nach Tschetschenien schicken“ sollten und „er“ dafür „5.000 Euro von mir erwartet“. In einem weiteren überwachten Gespräch am 25. Mai 2007 hat T. einem Gesprächspartner mitgeteilt, Personen, die „nicht von Al Qaida“ gewesen seien, hätten ihn mit einer mitgebrachten Kalaschnikow „zu Hause bei mir trainiert“, „habe Ausbildung gehabt“.
48Der Kläger hat die Indizwirkung dieser Tatsachen auch nicht etwa in Abrede gestellt, insbesondere nicht den Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen P. in Zweifel gezogen, soweit sich diese auf den Anwerbezweck des Verhaltens von I. und T. beziehen. Insoweit hat der Kläger vielmehr eingeräumt, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass T. „gemeinsam und gleichsam im Auftrag“ des I. Dritte als potentielle Jihad-Kämpfer habe anwerben wollen, und es sei auch „nicht auszuschließen“, „dass T. den zunächst persönlichen Kontakt zu dem Kläger ausnutzen wollte, um diesen für den Jihad anzuwerben.“
49cc) Der Kläger ist in der Absicht zu den Treffen im Raum Mainz/Ludwigshafen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Diese Überzeugung gewinnt der Senat aus einer Gesamtbewertung ebenfalls zunächst der bereits zitierten Angaben des Zeugen P. sowie aus den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T..
50Der Zeuge P. hat den Kläger in seinen beiden Vernehmungen durch den Beklagten und durch das LKA Nordrhein-Westfalen jeweils nach Lichtbildvorlage als den „Marokkaner“ namens „O.“ bezeichnet, „der aus X. kam“ und den er einmal gemeinsam mit I. und T. vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe und der „auch in den Jihad“ gewollt habe. Zudem hat der Zeuge den Kläger in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten als „der Andere von Bild Nummer 3“ bezeichnet, für den I. von ihm (dem Zeugen P.) einen irakischen Pass habe kaufen wollen, weil er „in den Irak zum Jihad“ habe gehen wollen.
51Diese Angaben des Zeugen führen schon für sich genommen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eindeutig auf die Person des Klägers, jedenfalls steht dies aber im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus den TKÜ-Protokollen zur vollen Überzeugung des Senats fest. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Zeuge P. ihn auf den vorgelegten Lichtbildern jeweils nicht sofort mit Sicherheit zu identifizieren vermochte („Ich bin mir nicht sicher. Ich habe einmal diese Person getroffen ...“; „Es kann sein, dass es diese Person war.“). Denn seine anfängliche Unsicherheit zur Person des Klägers jedenfalls in seiner Vernehmung durch den Beklagten hat der Zeuge selbst beseitigt, indem er in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten eine eindeutige Zuordnung zum Kläger als der „Person auf Bild Nummer 3“ vorgenommen hat.
52Bestätigung findet diese tatsächliche Würdigung in der Tatsache, dass es in den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T. unter anderem auch um eine Passbeschaffung für den Kläger ging. Er hat T. am 11. April 2008 angerufen und dabei von ihm den Rat erteilt bekommen, „sich einen deutschen Pass zu besorgen“, worauf er geantwortet hat, er habe „dies schon versucht, aber es ist schwierig“. Sodann hieß es, vieles sei natürlich leichter mit einem deutschen Pass, z. B. das visafreie Reisen. Wahrheitswidrig ist hiernach die spätere Zeugenaussage des Klägers in seiner Vernehmung durch den Generalbundesanwalt im Ermittlungsverfahren gegen K. am 2. September 2013 in Köln. Darin hat der Kläger nach einer Unterbrechung der Vernehmung zum Zweck der Beratung mit seinem Anwalt ausdrücklich erklärt: „Ich kann nur wiederholen, dass es niemals um Pässe ging. Ich habe bei ihm (P.) nie Pässe bestellt oder über Pässe gesprochen. Das Gleiche gilt in Bezug auf T. und I.“
53Auch die Einlassung des Klägers, die Treffen mit T. und I. hätten ausschließlich familiären Charakter gehabt, bewertet der Senat als unglaubhaft. Sie erklärt insbesondere nicht, weshalb der Kläger mehrere Fahrten nach Mainz gemeinsam mit K. unternommen hat, der nach seinen Angaben nur ein „entfernter Bekannter“ von ihm gewesen sein soll, dessen Nachname ihm unbekannt gewesen sei. Der Senat teilt in diesem Punkt die Bewertung des Generalbundesanwalts im Strafverfahren gegen K., die Darstellung des Klägers sei als Schutzbehauptung zu werten, weil keine plausiblen anderweitigen Gründe zu erkennen seien, aus denen der Kläger K. mehrfach zu zeit- und kostenaufwändigen Reisen jeweils mit Übernachtung mitgenommen haben sollte (Anklageschrift vom 19. September 2013 ‑ 2 BJs 19/12-4, 2 StE 5/13-4 ‑, S. 17 f. unter „III. Der Ausreiseversuch mit H. im Jahr 2008“). Diese Bewertung hat der Generalbundesanwalt zutreffend gestützt auf die ausweichende und verharmlosende Antwort des Klägers in seiner bereits erwähnten Zeugenvernehmung auf die Frage nach dem Grund der Begleitung durch „Youssef“: „Er ist einfach mitgefahren. Ich habe ihn mitgenommen. Einen besonderen Grund gab es nicht. Wir sind mit der Bahn gefahren. Die Fahrkarte hat er selbst bezahlt.“. Dem in diesem Zusammenhang gestellten Beweisantrag des Klägers auf Einholung einer Auskunft des Generalbundesanwalts ist der Senat nicht gefolgt (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Es kommt nicht auf die damit unter Beweis gestellten Tatsachen an, wie oft sich K. mutmaßlich mit I. getroffen hat und wann es mutmaßlich zu einer Anwerbung des K. für den internationalen Jihad oder die DTM gekommen ist.
54Unglaubhaft ist insbesondere die Behauptung des Klägers, zentrales Motiv für die Reisen sei seine Liebe zu G. gewesen, deren Familienangehörige er habe kennen lernen wollen. Auffällig ist nämlich, dass in den auszugsweise wiedergegebenen TKÜ-Protokollen der abgehörten Telefonate zwischen dem Kläger und T. zwar die Heiratsvermittlung und die Eltern G.‘s Erwähnung finden, nicht aber deren Blutvergiftung, deren Koma und deren Tod in Saudi-Arabien im Februar 2008. Im Widerspruch zu dieser nachträglichen Darstellung hat der Kläger dem T. noch im Telefonat vom 20. April 2008 auf dessen Frage, was er, der Kläger, mit der „Verlobten“ gemacht habe, geantwortet, es sei „alles in Ordnung“. Gegen den Wahrheitsgehalt der genannten Behauptung des Klägers spricht weiter seine Antwort auf die Frage in der Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe. Wäre tatsächlich seine Liebe zu der angeblich im Februar 2008 verstorbenen G. zentrales Motiv für die Treffen mit T. gewesen, so hätte auf diese Frage keine Antwort näher gelegen als diejenige, der Kontakt zu T. sei wegen des Todes seiner Geliebten abgebrochen. Stattdessen hat der Kläger aber geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte.
55Die genannte Behauptung des Klägers erklärt des Weiteren nicht sein aus den TKÜ-Protokollen ablesbares Bemühen um einen Reisepass. Insbesondere bleibt unerklärlich, weshalb T. ihm noch im bereits erwähnten Telefonat vom 11. April 2008, also etwa zwei Monate nach dem angeblichen Versterben der G. im Februar 2008, den Rat gegeben haben sollte, sich einen deutschen Pass zu besorgen. Auch erklärt die Einlassung des Klägers nicht, weshalb T. und er am Telefon wiederholt konspirative Formulierungen verwendet haben („über die Sache reden“, „nicht am Telefon“). Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Behauptung des Klägers, nicht er, sondern nur T. habe am Telefon konspirative Formulierungen verwendet. So hat der Kläger den T. am 1. Januar 2008 angerufen und ihm mitgeteilt, er wolle über eine „Sache“ reden, woraufhin T. entgegnete, er wolle darüber „nicht am Telefon“ sprechen. Auch dieser Hinweis T.‘s ist nicht plausibel, wenn es von Seiten des Klägers tatsächlich nur um das Besprechen unverfänglicher Familienangelegenheiten hätte gehen sollen. Im Gegenteil hat T. selbst im Telefonat zwischen beiden am 18. März 2008 ausdrücklich die plausible Erklärung für sein konspiratives Verhalten geliefert, indem er dem Kläger den Hinweis gab: „A sagt, dass sie abgehört werden, daher will A nicht so viel über Telefon reden.“
56Unglaubhaft und in sich widersprüchlich ist auch der Einwand des Klägers, Hintergrund der beabsichtigten Geheimhaltung am Telefon sei ausschließlich die dem T. drohende Abschiebung, aber „keine zwischen ihm und dem Kläger geplanten wie auch immer gearteten terroristischen Aktivitäten“ gewesen. Denn die Abschiebung drohte dem T., wie die spätere Ausweisungsverfügung des Donnersbergkreises vom 29. April 2009 belegt, ausschließlich wegen seiner Verbindungen zu terroristischen Organisationen.
57c) Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/ Ansar al-Sunna mit dem Ziel, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, deren der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren. Der Unterstützungsbegriff in dieser Bestimmung erfasst jede Handlung eines Ausländers, die für eine der in dieser Vorschrift genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist, die dieser Ausländer für ihn erkennbar und von seinem Willen getragen zum Vorteil dieser Bestrebungen vornimmt und die nach Art und Gewicht auf eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen schließen lässt.
58BVerwG, Urteile vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 19 f., vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 16 und vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 18 m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2010 ‑ 19 A 1491/05 ‑, NWVBl. 2011, 271, juris, Rdn. 47 m. w. N.; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 96.
59Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses durch den Kläger auf seinen Reisen zu T. und I. in den Raum Mainz/Ludwigshafen im Frühjahr 2008 erfüllt diese Merkmale einer Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Es war für die beiden genannten Terrororganisationen objektiv vorteilhaft, in ihm einen weiteren Kämpfer für die gemeinsame Sache im Vorfeld eines bewaffneten Einsatzes im Jihad gewonnen zu haben. Demgegenüber steht einer Qualifizierung seines Verhaltens als Unterstützungshandlung nicht entgegen, dass seine Ausreise letztlich gescheitert ist. Denn für die Annahme einer Unterstützungshandlung ist nicht erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war.
60BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 20.
61Die zwischen I. und T. sowie dem Kläger geführten persönlichen Gespräche, der hierfür erforderliche Reise- und Übernachtungsaufwand, die dabei im Wege der TKÜ protokollierten Gesprächsauszüge aus Telefonaten sowie weitere Indizien lassen auch auf eine nach Art und Gewicht dauernde Identifikation des Klägers mit den politischen Zielen der beiden genannten Terrororganisationen schließen. Insbesondere greift der Einwand des Klägers in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht durch, es sei allenfalls zu einem losen Kontakt zwischen ihm auf der einen Seite sowie I. und T. auf der anderen Seite gekommen, der die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis noch nicht überschritten habe und der als einfacher Kontakt „selbst zum schwärzesten aller Ritter“ nicht für die Annahme einer Unterstützungshandlung ausreiche. Dieser Einwand steht im Widerspruch zu den konspirativen Äußerungen auch des Klägers selbst gegenüber T., die sich aus den TKÜ-Protokollen ergeben. Danach war die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis zwischen beiden Personen jedenfalls am 1. Januar 2008 überschritten, als der Kläger T. anrief und ihn bat, mit ihm über „die Sache“ zu reden, und T. diese Bitte mit der Bemerkung „nicht am Telefon“ ablehnte.
62Eine dauerhafte Identifikation des Klägers mit gewaltbereiten islamistischen Bestrebungen lässt sich zudem seit seiner Jugendzeit aus mehreren weiteren Indizien rückschließen. Dazu gehört zunächst seine Äußerung im Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts, in der er „die ganze Muslimbruderschaft“ als „ganz harmlos“ bezeichnete, eine sunnitische islamistische Bewegung also, deren zentrale Organisation in Deutschland, die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) mit Hauptsitz in Köln, durch einen offenen Brief ihres Vorsitzenden Samir Falah vom 27. Juli 2013 mit folgenden Worten sinngemäß zum gewaltsamen Kampf im Nahen Osten aufrief: „Keiner wird junge Menschen davon abhalten können, Waffen in die Hand zu nehmen, um gegen diese Ungerechtigkeiten in den Kampf zu ziehen. Wir warnen daher vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten.“
63BMI, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 244.
64Weiteres Indiz hierfür ist die unbestritten gebliebene Mitteilung eines Sozialarbeiters am Berufskolleg M.-Schule in E. aus dem Jahre 2002, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Diese Mitteilung hat der Kläger lediglich dahin kommentiert, dass der genannte Vorfall zu lange her sei und er sich deshalb nicht mehr an ihn erinnern könne. Darin liegt keine inhaltliche Distanzierung von der in diesem Herunterladen zum Ausdruck kommenden radikalen islamistischen Geisteshaltung. Als weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung hat der Beklagte zutreffend seine familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags sowie seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001 angeführt.
65Mit der vorstehenden Würdigung stuft der Senat das aktive Herstellen eines konspirativen Vertrauensverhältnisses zum Zweck der Anwerbung für den Jihad unabhängig davon als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ein, von welcher Seite die Initiative hierfür ausgeht und von welcher Seite es betrieben wird. Sowohl der Anwerbende oder dessen Mittelsmann als auch derjenige, der sich als islamistischer Kämpfer anwerben lässt, unterstützen die hierauf gerichtete Bestrebung, sofern ihr Handeln die oben genannten Voraussetzungen des Unterstützungsbegriffs erfüllt.
66Zur „Missionierung“ vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2013 ‑ 19 E 8/12 ‑, juris, Rdn. 3; zum Anwerben von Kämpfern Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.
672. Der Kläger hatte im Zeitpunkt seiner Einbürgerung auch nicht glaubhaft gemacht, sich von der Unterstützung der bezeichneten Terrororganisationen abgewandt zu haben. Das Sich-Abwenden von verfassungswidrigen Bestrebungen ist ein innerer Vorgang. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt oder unterstützt zu haben.
68BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 47; OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 2016 ‑ 19 A 1214/11 ‑, juris, Rdn. 56.
69Grundvoraussetzung des Sich-Abwendens ist hiernach die Einsicht des Ausländers in die Verfassungswidrigkeit seines bisherigen Handelns. Bereits hieran fehlte es im Fall des Klägers sowohl im Zeitpunkt seiner Einbürgerung als auch in der Zeit danach.
70Insbesondere hat sich der Kläger nicht dadurch abgewandt, dass er den Kontakt zu T. in der Zeit nach der Festnahme I.‘s am 20. Februar 2008 von sich aus abgebrochen und angekündigte Trefftermine abgesagt hat. Auf die hierauf zielende Frage in der ausländerbehördlichen Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe, hat der Kläger nämlich lediglich ausweichend und nichtssagend geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte. Aus diesen Äußerungen des Klägers geht nicht hervor, was er mit „diesen Sachen“ meinte, mit denen er nichts mehr zu tun haben möchte. Erst recht lassen sie keine Einsicht des Klägers in die Verfassungswidrigkeit seiner Rekrutierungsbemühungen sowie eine innere Abkehr von der hierfür maßgeblichen radikal-islamistischen Einstellung erkennen. Sein Aussageverhalten in der genannten Sicherheitsbefragung ist vielmehr geprägt von Äußerungen, mit denen er seine Rolle bei den Rekrutierungsbemühungen T.‘s und I.‘s herunterzuspielen versuchte.
71II. Der Kläger hat seine hiernach rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die hierfür wesentlich waren. Mit dem Tatbestandsmerkmal der arglistigen Täuschung knüpft § 35 Abs. 1 StAG an den entsprechenden Begriff im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht an (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Der Adressat eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes begeht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine arglistige Täuschung in diesem Sinn, wenn er den maßgeblichen Bediensteten der Behörde in seiner Entscheidung beeinflusst, indem er bei diesem einen Irrtum über entscheidungserhebliche Tatsachen hervorruft, deren Unrichtigkeit der Adressat kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt.
72BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2007 ‑ 5 B 132.07 ‑, juris, Rdn. 4; Urteil vom 24. Oktober 1996 ‑ 2 C 23.96 ‑, BVerwGE 102, 178, juris, Rdn. 14; Urteil vom 18. September 1985 ‑ 2 C 30.84 ‑, DVBl. 1986, 148, juris, Rdn. 24; OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, juris, Rdn. 99.
73Nach diesem Maßstab hat der Kläger mit seiner Unterschrift unter seine Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 die objektiv unzutreffende Erklärung abgegeben, keine Bestrebungen unterstützt zu haben, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Nr. 2 Buchstabe c) seiner Loyalitätserklärung).
74Zur Überzeugung des Senats hatte der Kläger bei der Unterschrift unter diese Erklärung auch den erforderlichen Täuschungsvorsatz. Diesen Rückschluss zieht der Senat aus dem Umstand, dass er sich für die Stellung des Einbürgerungsantrags seinen Vollbart abrasiert hat, obwohl der Bart nach seinen telefonischen Angaben gegenüber T. „mein Leben“ ist und er dementsprechend auch heute wieder einen Vollbart trägt. Diese Äußerung lässt den Schluss zu, dass er das Tragen eines Vollbartes als ein unbedingt verpflichtendes Gebot seines streng sunnitisch-islamistischen Glaubens empfindet und er gerade diese radikale religiöse innere Einstellung gegenüber der Einbürgerungsbehörde des Beklagten verbergen wollte. Hinzu kommt, dass er sich über die Rechts- und Verfassungswidrigkeit ihres beiderseitigen Handelns spätestens seit den telefonischen Hinweisen T.‘s in den bereits erwähnten Telefonaten am 1. Januar und am 18. März 2008 im Klaren war, „dass sie abgehört werden“ und er deshalb über die „Sache“ nicht am Telefon reden wolle.
75Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger als Nichtjurist zwischen den verschiedenen, aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG in die unterzeichnete Formularerklärung übernommenen Alternativen verfassungswidriger Bestrebungen zu differenzieren vermochte, ob er wusste, für welche konkreten Gruppierung(en) T. und I. Jihad-Kämpfer rekrutierten und als welche Art verfassungsfeindlicher Bestrebung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG diese rechtlich einzuordnen war. Denn für die Arglist im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG genügt eine Parallelwertung in der Laiensphäre. Ausreichend ist also, dass er in der Lage war, von der behördlichen oder polizeilichen Telefonüberwachung zumindest der von T. genutzten Anschlüsse auf die Rechts- und Verfassungswidrigkeit auch seines eigenen Handelns zu schließen. Aufgrund seines schulischen und beruflichen Werdeganges und eines Rückschlusses aus seinem taktischen Aussageverhalten in den Sicherheitsbefragungen, in der Zeugenvernehmung im Strafverfahren gegen K. und im erstinstanzlichen Erörterungstermin ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger diese Fähigkeit am 16. Juni 2010 besaß.
76Die unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 ist tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Täuschung über den Ausschlussgrund in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unabhängig davon, ob man die entsprechende Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG materiell oder lediglich formell versteht.
77Für ein materielles Verständnis: BayVGH, Urteil vom 19. Januar 2012 ‑ 5 B 11.732 ‑, BayVBl. 2012, 565, juris, Rdn. 19, 22; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 7. März 2013 ‑ 1 S 617/13 ‑, und vom 20. Februar 2008 ‑ 13 S 1169/07 ‑, juris, Rdn. 27; VG Aachen, Urteil vom 19. November 2015 ‑ 5 K 480/14 ‑, juris, Rdn. 65 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. April 2015 ‑ 11 K 5984/14 ‑, InfAuslR 2015, 347, juris, Rdn. 42; Dollinger/Heusch, VBlBW 2006, 216 (218); anders VG Köln, Urteil vom 13. April 2011 ‑ 10 K 201/10 ‑, juris, Rdn. 41 ‑ 44; Berlit, a. a. O., § 10 StAG, Rdn. 134 ff.
78Denn gerade auch bei einem lediglich formellen Verständnis der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG abzugebenden Loyalitätserklärung bildet diese die Grundlage für die materielle Prüfung des Ausschlussgrundes in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch die Einbürgerungsbehörde.
79Die arglistig unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 war auch im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG „wesentlich“ und kausal („erwirkt“) für die Einbürgerungsentscheidung des Beklagten. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Loyalitätserklärung die Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG betrifft, während sich die Rechtswidrigkeit der am 8. September 2010 vollzogenen Einbürgerung des Klägers nach dem oben unter I. Ausgeführten aus einem Verstoß gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergibt. Denn dieser Ausschlussgrund steht mit den Erklärungserfordernissen in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG, wie bereits ausgeführt, in einem engen inhaltlichen Zusammenhang.
80III. Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist nach § 35 Abs. 3 StAG eingehalten. Er hat dem Kläger den Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 am selben Tag persönlich übergeben. Zu diesem Zeitpunkt lag die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 8. September 2010 erst etwa vier Wochen zurück.
81Dass dieser Zeitpunkt inzwischen mehr als fünf Jahre zurückliegt, ist unerheblich. Denn die Rücknahmefrist in § 35 Abs. 3 StAG konkretisiert den in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Begriff der „zeitnahen“ Rücknahme, der sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme, also bis zur Bekanntgabe des Rücknahmebescheides verstrichenen Zeitraum bezieht. Mit der Bekanntgabe des Rücknahmebescheides entfällt die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Eingebürgerten in den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit.
82BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 ‑ 2 BvR 669/04 ‑, BVerfGE 116, 24, juris, Rdn. 72, 76, 89; BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2008 ‑ 5 C 32.07 ‑, NVwZ 2008, 1249, juris, Rdn. 15; Urteil vom 14. Februar 2008 ‑ 5 C 4.07 ‑, BVerwGE 130, 209, juris, Rdn. 15.
83IV. Der Beklagte hat sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt. Er hat dem öffentlichen Interesse an der Rückgängigmachung der rechtswidrigen Einbürgerung des Klägers ohne Ermessensfehler den Vorrang vor dessen privatem Interesse am Erhalt seiner deutschen Staatsangehörigkeit gegeben. Am Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO und des § 40 VwVfG NRW kann der Senat insbesondere nicht beanstanden, dass der Beklagte das Klägerinteresse nur mit geringem Gewicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt hat. Denn der Kläger war im Zeitpunkt der Rücknahme erst seit knapp einem Monat im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. In diesem kurzen Zeitraum konnte er zudem sein ohnehin nicht schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestand noch nicht betätigen, insbesondere die angekündigte Türkeireise noch nicht antreten, weil ihm noch kein deutsches Ausweisdokument ausgestellt worden war. Er wurde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil der Beklagte ihn unter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit eingebürgert hatte (§ 35 Abs. 2 StAG). Die Rücknahme hatte und hat auch keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Auswirkungen auf Familienmitglieder des Klägers (§ 35 Abs. 5 StAG). Seine Ehefrau und seine Tochter sind und bleiben unabhängig von seiner Einbürgerung und deren Rücknahme deutsche Staatsangehörige. Entgegen seiner Auffassung liegt auch kein Ermessensfehler darin, dass der Beklagte im angefochtenen Rücknahmebescheid keine Ausführungen zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland gemacht hat. Denn hierbei handelt es sich um eine ausschließlich aufenthaltsrechtliche Frage.
84Des Weiteren ist der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung auch von einem im Wesentlichen zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Unwesentlich in diesem Sinn ist seine irrige Annahme im Rücknahmebescheid, der Kläger habe sich dreimal (statt tatsächlich mindestens viermal) mit T. persönlich getroffen. Hierbei handelt es sich allenfalls um einen Irrtum zugunsten des Klägers, von dem im Übrigen auch die im Ergebnis zutreffende tatsächliche Schlussfolgerung des Beklagten unberührt bleibt, aus den bekannt gewordenen Gesamtumständen dieser Treffen sei auf ein entsprechendes konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen zu schließen. Ebenfalls ohne Auswirkung auf die Ermessensentscheidung bleibt die irrige Annahme des Beklagten, der Kläger habe in den Telefonaten mit T. selber angegeben, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen, während dieser Hinweis in Wahrheit nicht vom Kläger, sondern von T. stammte. Auch diese irrige Sachverhaltsannahme des Beklagten lässt seine tatsächliche Schlussfolgerung auf ein konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen unberührt.
85V. Der Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 ist schließlich auch formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte fehlerfrei von einer vorherigen Anhörung des Klägers nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW abgesehen und sich hierfür auf die Ausnahmetatbestände in § 28 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwVfG NRW gestützt. Nach diesen Vorschriften kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint oder wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen. Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW hat der Beklagte hier zu Recht aus dem Untertauchen T.‘s Mitte September 2010 sowie aus der Äußerung des Klägers gegenüber seinem Bürgerbüro abgeleitet, am 7. oder 8. Oktober 2010 in die Türkei reisen zu wollen und hierfür dringend einen Personalausweis zu benötigen. Mit der Androhung unmittelbaren Zwangs zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde hat der Beklagte auch im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung getroffen.
86B. Auch die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde in Nr. 2 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist zulässig. Insbesondere ist diese Aufforderung nach wie vor wirksam, obwohl der Kläger sie bei der persönlichen Übergabe des Rücknahmebescheides am Morgen des 5. Oktober 2010 um 7.30 Uhr sofort erfüllt hat. Denn sie stellt weiterhin den Rechtsgrund für das Behaltendürfen dieser Urkunde durch den Beklagten dar.
87Die Klage ist auch insoweit unbegründet. Rechtsgrundlage für die Rückgabeaufforderung ist § 52 Satz 1 VwVfG NRW. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts auf eine zurückgenommene Einbürgerung sollte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers von der Einführung der Spezialregelung in § 35 StAG unberührt bleiben.
88Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 549/08 vom 8. August 2008, S. 8.
89Nach § 52 Satz 1 VwVfG NRW kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden zurückfordern, wenn dieser unanfechtbar zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Hier ist die Wirksamkeit der Einbürgerung des Klägers im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW „aus einem anderen Grund“ nicht mehr gegeben, nämlich weil der Beklagte in Nr. 3 des angefochtenen Bescheides die sofortige Vollziehung seiner Rücknahmeentscheidung in Nr. 1 angeordnet hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung ist ein solcher „anderer Grund“ im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW, der die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes trotz der gegen seine Rücknahme erhobenen Klage entfallen lässt.
90OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1990 ‑ 5 A 1692/89 ‑, NWVBl 1990, 386, juris, Rdn. 19 m. w. N.; VG Arnsberg, Urteil vom 7. September 2005 ‑ 1 K 4045/04 ‑, juris, Rdn. 41.
91C. Rechtsgrundlage für die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 4 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 62 VwVG NRW. Die bestimmte Frist, die Einbürgerungsurkunde „unverzüglich“ herauszugeben, war angemessen im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW. Maßgeblich für diese Bewertung sind die Umstände, aus denen der Senat oben unter A.V. bereits die Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW abgeleitet hat.
92Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
94Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.
(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.
(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.
(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.
(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 14.11.2016 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 17.10.2016 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Versagung eines Aufenthaltstitels.
- 2
Der am ...01.1997 in Betlehem geborene Antragsteller ist aufgrund der Anerkennungslage von Palästina ungeklärter Staatsangehöriger. Im Rahmen des Visumverfahrens legte er eine Verpflichtungserklärung seines Vaters zur Tragung der Kosten seines Lebensunterhalts und seiner Ausreise vor. Er reiste am 19.09.2014 mit einem zum Zwecke des Hochschulstudiums erteilten Visum mit Gültigkeitszeitraum vom 15.09.2014 bis zum 14.09.2015 in das Bundesgebiet ein. Er begann zunächst ein Studium der Elektro- und Informationstechnik an der Hochschule H…. Seit Oktober 2015 studiert er Humanmedizin an der Universität zu A-Stadt.
- 3
Der Antragsteller hielt sich unangemeldet an verschiedenen Orten im Bundesgebiet auf und sprach erstmalig am 08.10.2015 bei der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin zur Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis vor. Er erhielt mit Datum vom 08.10.2015 eine Grenzübertrittsbescheinigung, in der erklärt wurde, dass er nach den §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 AufenthG verpflichtet sei bis zum 22.10.2015 das Bundesgebiet zu verlassen. In einem Gespräch mit dem damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers am 19.05.2016 wurde von Seiten der Antragsgegnerin angeregt, dass der Antragsteller aus dem Bundesgebiet ausreisen solle, um mit einem neuen Visum wieder in das Bundesgebiet einzureisen. Der Antragsteller trug gegenüber der Antragsgegnerin vor, er sei krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, sich vor Ablauf seines Visums bei der Ausländerbehörde zu melden. Das Ablaufdatum seines Visums sei mit der Antragstellung am 08.10.2015 nur um wenige Tage überschritten gewesen. Die Ausreise zur Nachholung des Visumverfahrens sei eine unbillige Härte und würde sein Studium gefährden. Er müsse innerhalb der Semesterferien ein Pflegepraktikum absolvieren. Er habe ferner bereits einen bindenden Mietvertrag unterschrieben. Es sei nicht absehbar, wann er über die Auslandsvertretung in Ramallah erneut ein Visum erhalten würde. Es bestehe die Gefahr, dass die israelischen Behörden seine Ausreise wegen akuter Unruhezustände verweigern bzw. verzögern könnten.
- 4
Mit Schreiben vom 23.10.2015 kündigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller an, dass sie beabsichtige seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abzulehnen und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.11.2015.
- 5
Mit Schreiben vom 01.06.2016 wurde gegenüber dem damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers die ausländerrechtliche Situation dargelegt und die Abschiebung für den Fall der Nichtausreise angedroht. Der Aufforderung der Antragsgegnerin, sich umgehend bei der Ausländerbehörde zu melden, kam der Antragsteller nicht nach. Sein Aufenthaltsort war unbekannt.
- 6
Am 19.08.2016 erhielt der Antragsteller eine bis zum 18.11.2016 befristete Duldung, die mit der ausstehenden Klärung der Abschiebungsmodalitäten sowie mit der ausstehenden Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und zur Anordnung der Fortgeltungswirkung begründet wurde.
- 7
Der Antragsteller legte der Antragsgegnerin ein Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin J… A… vom 24.08.2016 vor. Demnach habe sich der Antragsteller am 10.09.2015 bei dem Arzt in B-Stadt mit Atemnot, Husten, allgemeiner Schwäche und Kopfschmerzen vorgestellt. Es wurde eine Bronchitis diagnostiziert. Der Antragsteller sei vom 10.09.2015 bis zum 07.10.2015 aufgrund der akuten Erkrankung abgeschwächt und damit weder leistungs- noch reisefähig gewesen.
- 8
Mit Verfügung vom 17.10.2016 versagte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und setzte dem Antragsteller eine Frist zur freiwilligen Ausreise bis zum 11.11.2016. Gleichzeitig wurde die Abschiebung in das Gebiet von Palästina angedroht. Für den Fall der Abschiebung wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von sechs Monaten verhängt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller nicht die Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 2 AufenthG erfülle, da zum Zeitpunkt der Antragstellung kein gültiges Visum mehr vorgelegen habe. Zudem sei ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG gegeben, da der Antragsteller mehrmals gegen die Meldepflicht verstoßen habe und sich ab dem 15.09.2015 ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Fortgeltungswirkung des Visums sei nicht anzuordnen gewesen. Denn es sei nach Ablauf des Visums bis zur Antragstellung ein Zeitraum von über drei Wochen vergangen. Die vorgetragenen Erkrankungen seien kein Grund für die Verlängerung der Fortgeltungswirkung. Es sei dem Antragsteller ohne Weiteres möglich gewesen, sich während der einjährigen Gültigkeitsdauer seines Visums frühzeitig um einen Aufenthaltstitel mit längerer Gültigkeitsdauer zu bemühen. Es sei keine so schwerwiegende Erkrankung nachgewiesen worden, die eine Kontaktaufnahme mit der Ausländerbehörde unmöglich gemacht habe.
- 9
Gegen die Verfügung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 14.11.2016 Widerspruch eingelegt und mit Schreiben vom selben Tage vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
- 10
Der Antragsteller trägt vor, dass ihm vor Erteilung der Duldung in einem Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter am 18.08.2016 zugesagt worden sei, dass bei genügender Entschuldigung der verspäteten Antragstellung die Aufenthaltserlaubnis erteilt würde. Eine sofortige Anmeldung seines Wohnsitzes sei nach seiner Einreise nicht erfolgt, da noch nicht festgestanden habe, wo er sein Studium antreten werde. Er habe keine Zulassung zum Sommersemester erhalten, sei innerhalb der Geltungsdauer des Visums aus- und wiedereingereist und habe sich zeitweilig besuchsweise bei seinem in Berlin tätigen Bruder aufgehalten. Nach Erhalt der Zulassung sei er nach A-Stadt gekommen, wo er seit dem 25.08.2016 in seiner eigenen Wohnung gemeldet sei. Die Visumserteilung werde durch die israelischen Behörden, die sehr willkürlich verführen, erschwert. Es sei nicht vorhersehbar, wann ein neues Visum erteilt werde, so dass sein für August 2017 anstehendes 1. Staatsexamen in Frage gestellt sei.
- 11
Der Antragsteller beantragt,
- 12
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung der Ausländerbehörde vom 17.10.2016 anzuordnen.
- 13
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 14
den Antrag abzulehnen.
- 15
Die Antragsgegnerin verweist auf die Begründung der Verfügung vom 17.10.2016 und trägt darüber hinausgehend vor, dass der Antragsteller nicht unverschuldet die Frist für die rechtzeitige Antragstellung versäumt habe. Er sei aus vergangenen Aufenthalten in der Bundesrepublik mit dem Visaverfahren vertraut gewesen. Das vorgelegte Attest müsse als Gefälligkeitsattest angesehen werden. Die Ausstellung sei knapp ein Jahr nach der vorgetragenen Erkrankung erfolgt. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, warum aufgrund der festgestellten Erkrankung eine Reiseunfähigkeit gegeben sei. Zudem sei es dem Antragsteller trotz der Erkrankung möglich gewesen, sich per E-Mail oder Telefon um einen Termin bei der Ausländerbehörde zu kümmern.
- 16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte.
II.
- 17
Der Antrag ist nach den §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die im Bescheid vom 17.10.2016 enthaltene Abschiebungsandrohung begehrt.
- 18
Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsteller nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des (unbeschränkt erhobenen) Widerspruchs hinsichtlich der ebenfalls im Bescheid angeordneten Befristung der Sperrwirkungen einer möglichen Abschiebung bzw. der Ausweisung begehrt. Zwar entfalten Widerspruch und Klage gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. Eine Erstreckung des Aussetzungsantrags auf diesen Regelungsteil entspräche jedoch abgesehen davon, dass der Antragsteller sich bislang nicht ausdrücklich gegen die Befristungsentscheidung gewandt hat, nicht seinem gegenwärtig vorrangigen Rechtsschutzinteresse, von einer Abschiebung verschont zu bleiben. Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG stellt im Grundsatz einen den Ausländer begünstigenden Verwaltungsakt dar, weil das Verbot ohne die von der Ausländerbehörde gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG vorzunehmende Befristung sonst unbefristet gelten würde. Entsprechend ist eine Befristung des Verbots ebenso wie eine Verkürzung der behördlich festgesetzten Frist im Hauptsacheverfahren auch allein mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.07.2012 – 1 C 19/11 –, juris Rn. 27 ff.). Abgesehen von der Anforderung, dass die nunmehr von Amts wegen vorzunehmende Befristung nach § 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG spätestens bei der Abschiebung festgesetzt werden muss, hat sie für die Durchführung der Abschiebung aber keine unmittelbaren Auswirkungen.
- 19
Der so verstandene Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und begründet.
- 20
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO statthaft. Es handelt sich bei der Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG um eine Vollstreckungsmaßnahme, gegen die Rechtsbehelfe gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 248 Abs. 1 Satz 2 LVwG keine aufschiebende Wirkung haben. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig.
- 21
Der Antrag ist auch begründet.
- 22
Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht regelmäßig auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse an der Voll-ziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (wieder-)herzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 06.08.1991 – 4 M 109/91 –, juris Rn. 5).
- 23
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich der Antrag als begründet. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts. Die Abschiebungsandrohung erweist sich nämlich als offensichtlich rechtswidrig und der Antragsteller ist dadurch in seinen Rechten verletzt. Denn der Antragsteller ist bei summarischer Prüfung nicht ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 AufenthG).
- 24
Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung sind die §§ 59, 58 Abs. 1 und 2 Nr. 2 AufenthG. Die Ausreiseverpflichtung des Antragstellers beruht auf § 50 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 AufenthG. Danach ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt. Der Antragsteller verfügte nach Ablauf seines Visums zwar nicht mehr über den erforderlichen Aufenthaltstitel. Aufgrund der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis am 08.10.2015 galt sein Visum gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend. Zwar war das Visum bereits am 14.09.2016 abgelaufen, sodass der Antrag auf Verlängerung verspätet gestellt wurde (§ 81 Abs. 4 Sätze 1 und 3 AufenthG). Jedoch hat es die Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung rechtswidrig unterlassen, die Fortgeltungswirkung des Visums des Antragstellers nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG anzuordnen. Der Anordnung der Suspensivwirkung des Widerspruchs des Antragstellers in der hier vorliegenden Konstellation steht nicht entgegen, dass nach der Regelungskonzeption des § 81 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Anordnung der Fortgeltungswirkung durch eine behördliche Entscheidung erfolgen müsste. Denn die verfahrensgegenständliche Abschiebungsandrohung ist selbst rechtswidrig, da sie auf der rechtswidrigen Ablehnung des Anspruchs des Antragstellers auf Anordnung der Fortgeltungswirkung seines Visums beruht.
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Der Antragsteller hatte einen Anspruch auf die Anordnung der Fortgeltungswirkung. Aufgrund der nur geringfügigen Fristüberschreitung war zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anzuordnen. Nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen, wenn der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt wurde. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist neben der nachgeholten Antragstellung eine unbillige Härte. Wann eine unbillige Härte vorliegt, wird im Gesetz nicht näher definiert. Dem Wortlaut der Vorschrift nach dürften die insoweit zu stellenden Anforderungen jedenfalls unterhalb der Schwelle liegen, die für die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG oder einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG besteht (VG Aachen, Beschl. v. 26.10.2015 – 4 L 815/15 –, juris Rn. 19). Zur Auslegung des Begriffs kann auch die Gesetzesbegründung herangezogen werden. Danach liegt eine unbillige Härte im Sinne der Vorschrift insbesondere vor, wenn der Ausländer die Frist zur Antragstellung nur geringfügig überschritten hat, die Fristüberschreitung lediglich auf Fahrlässigkeit zurückzuführen ist und bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass – eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt – bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann (BT-Drucks. 17/8682, S. 23).
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Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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Die Antragstellung erfolgte mit geringfügiger Verspätung nach Ablauf des Visums. Das Visum lief am 14.09.2015 ab und die Antragstellung erfolgte am 08.10.2015. Es liegt eine Verspätung von lediglich drei Wochen und drei Tagen vor. Die Kammer geht davon aus, dass eine geringfügige Zeitüberschreitung vorliegt, da die Antragstellung noch innerhalb eines Monats erfolgte und der zeitliche Zusammenhang zum abgelaufenen Visum des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung noch gegeben war (vgl. Rechtsprechung zur Geringfügigkeit der Überschreitung der Frist zur Antragstellung: bejaht bei einem Tag: VG Würzburg, Beschl. v. 20.02.2015 – W 7 S 14.1361 –, juris Rn. 23; bejaht bei einer Woche: VG Aachen, Beschl. v. 24.05.2016 – 8 L 1025/15 –, juris Rn. 6 ff.; offen gelassen bei einem Monat: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 06.08.2013 – OVG 7 S 72.13 –, juris Rn. 2; verneint bei mehr als einem Jahr: VG Berlin, Beschl. v. 30.09.2014 – 30 L 246.14 –, juris Rn. 19; verneint bei sechs Monaten: VG Aachen, Beschl. v. 26.10.2015 – 4 L 815/15 –, juris Rn. 18; verneint bei drei Monaten: VGH München, Beschl. v. 21.09.2016 – 10 ZB 16.1296 –, juris Rn. 8).
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Eine unbillige Härte durch den Ausschluss der Fortgeltungswirkung ist ebenfalls gegeben. Denn dem Antragsteller entsteht durch das Versäumnis der Antragsfrist ein Nachteil, der von der Rechtsordnung so nicht gewollt ist und der sich als unverhältnismäßig darstellt. Das Unterbleiben der Anordnung der Fortgeltungswirkung seines Visums und die darauf beruhende Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führen für den Antragsteller zu unverhältnismäßigen Nachteilen. Denn eine Verweisung auf die Nachholung des Visumverfahrens ist für den Antragsteller unzumutbar. Der Antragsteller hat durch seinen substantiierten Vortrag und durch Vorlage der Studienbescheinigung seiner Universität und der Stellungnahme seines Universitätsmentors glaubhaft gemacht, dass er erfolgreich Humanmedizin studiert und bei ununterbrochenem Fortgang seines Studiums noch im August 2017 sein 1. Staatsexamen wird ablegen können. Glaubhaft ist auch der Vortrag zur Unvorhersehbarkeit der Dauer eines nachzuholenden Visumverfahrens. Nach den aktuellen Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes für die Palästinensergebiete (https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PalaestinensischeGebieteSicherheit.html, Stand 11.01.2017) ist davon auszugehen, dass beispielsweise Grenzübergänge zwischen dem Westjordanland und Israel ohne Vorankündigung gesperrt werden. Für den Antragsteller würde damit eine Einreise nach Israel unmöglich gemacht und die Ausreise nach Deutschland unvorhersehbar verzögert.
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Zudem hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Frist zumindest aus Nachlässigkeit und nicht vorsätzlich erfolgte. An die Annahme einer unbilligen Härte dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (siehe. BT-Drucks. 17/8682, S. 22; Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 81 AufenthG, Rn. 56). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller die Antragsfrist zum Ablauf der Geltungsdauer seines Visums bewusst hat verstreichen lassen (vgl. VG Aachen, Beschl. v. 24.05.2016 – 8 L 1025/15 –, juris Rn. 8; VG Berlin, Beschl. v. 30.09.2014 – 30 L 246.14 –, juris Rn. 19). Es kann daher dahinstehen, ob der Antragsteller eine Verhinderung der rechtzeitigen Antragstellung durch Krankheit durch Vorlage eines Attestes glaubhaft gemacht hat, das mehr als zehn Monate nach der geltend gemachten Erkrankung von einem Arzt in B-Stadt ausgestellt wurde.
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Es ist auch davon auszugehen, dass dem Antragsteller unter der Prämisse der fristgemäßen Antragstellung eine Aufenthaltserlaubnis hätte erteilt werden können. Der Aufenthalt des Antragstellers erfüllt die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke des Hochschulstudiums nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Auch die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG sind erfüllt. Der Lebensunterhalt des Antragstellers kann aufgrund der Verpflichtungserklärung des Vaters des Antragstellers als gesichert gelten. Der Antragsteller ist nach § 5 Abs. 2 AufenthG mit dem erforderlichen Visum eingereist.
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Es besteht kein Ausweisungsinteresse (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
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Es besteht kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG wegen eines illegalen Aufenthalts des Antragstellers. Denn der Antragsteller hat sich – wie oben dargelegt – aufgrund der anzuordnenden Fortgeltungswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG nicht ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten. Bei der Anordnung der Fortgeltungswirkung gilt der Aufenthaltstitel, dessen Fortgeltung fingiert wird, ab dem Ablauf der Geltung bis zur Entscheidung über die Neuerteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels als fortbestehend.
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Auch ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG aufgrund mehrmaliger Verstöße gegen das Melderecht ist nicht gegeben. Zwar hat der Antragsteller sich erst im August 2016 bei der zuständigen Meldebehörde mit seinem Wohnsitz angemeldet. Jedoch ist der vorherige unangemeldete Aufenthalt im Bundesgebiet als nicht nur vereinzelter oder nur geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG anzusehen. Der Tatbestand der unterlassenen Anmeldung nach § 17 Abs. 1 Bundesmeldegesetz (BMG) stellt nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 BMG (bis zum In-Kraft-Treten des Bundesmeldegesetzes am 01.11.2015 nach §§ 11 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 2 Landesmeldegesetz Schleswig-Holstein) eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine vereinzelte Ordnungswidrigkeit stellt aber kein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse dar, weil sie nicht ähnlich schwer wiegt wie eine Straftat, die zu einer Verurteilung von einem bis zwei Jahren Freiheitsstrafe geführt hat, § 54 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG (Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 54 AufenthG, Rn. 72). Auch liegt kein nicht nur vereinzelter Verstoß gegen Rechtsvorschriften vor. Denn es wurde bisher gegen den Antragsteller wegen eines oder mehrerer Verstöße gegen das Melderecht kein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, in dem ein Rechtsverstoß festgestellt wurde.
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Sofern nach dem Wortlaut der Vorschrift beim Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Fortgeltungswirkung von einem Ermessen der Behörde auszugehen ist (vgl. Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 81 AufenthG, Rn. 57; Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 81 AufenthG, Rn. 25), ist dieses im vorliegenden Fall auf Null reduziert. Denn es kommt wegen des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung der Fortgeltungswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG nur die Entscheidung zugunsten des Antragstellers in Betracht. Die Vorschrift wurde laut Gesetzesbegründung eingeführt, um einen Ausgleich für übermäßige, vom Gesetzgeber nicht intendierte Folgen zu bieten, die aus dem Ausschluss der Fortgeltungsfiktion auch in Fällen resultieren, in denen die verspätete Antragstellung aus bloßer Nachlässigkeit und nur mit einer kurzen Zeitüberschreitung erfolgt (BT-Drucks. 17/8682, S. 23). Da hier eine unbillige Härte durch die ausbleibende Fortgeltungswirkung bejaht werden kann, kommt lediglich die Entscheidung für die Anordnung der Fortgeltungswirkung in Betracht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 2, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am XX. August 1980 in Al Hoceima/Marokko geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 7. November 1987 zum Familiennachzug in das Bundesgebiet ein und erhielt am 27. Juni 1996 erstmalig eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die am 3. Juli 1997 unbefristet verlängert wurde und die ab dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt. Er besuchte in X. zunächst den Schulkindergarten der Grundschule, erwarb 1999 an der Gesamtschule den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und 2001 an der Abendrealschule die Fachoberschulreife. Anschließend begann er an der M.-Schule, Berufskolleg der Stadt E., eine Ausbildung zum Physikalisch-technischen Assistenten, die er 2004 abbrach. Zwischen August 2006 und April 2010 arbeitete er für jeweils maximal 7 Monate, aber mit Unterbrechungen von bis zu 16 Monaten als Helfer bei Zeitarbeits-, Automobil- und Logistikfirmen.
3Aufgrund eines Einleitungsvermerks des Landeskriminalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2007 leitete die Staatsanwaltschaft Zweibrücken das Ermittlungsverfahren 4126 Js 8066/07 unter anderem gegen den somalischen Staatsangehörigen I., geboren am 6. Februar 1982 in Mogadischu/ Somalia, und den libanesischen Staatsangehörigen T., geboren am 6. Februar 1974 in Beirut/ Libanon, wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der fortgesetzten Begehung des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst und Förderung des internationalen Jihad ein. In dessen Rahmen ordnete das Amtsgericht Zweibrücken die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) der Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse I.‘s und T.‘s sowie deren Observation an. Der Hauptbeschuldigte I. wurde am 20. Februar 2008 in anderer Sache vorläufig festgenommen. Das Landgericht Frankenthal verurteilte ihn wegen gemeinschaftlichen Totschlags zum Nachteil von drei georgischen Staatsangehörigen zu lebenslanger Freiheitsstrafe (Urteil vom 16. Februar 2009 ‑ 5220 Js 4635/08 ‑).
4Gegen T. erließ der Donnersbergkreis unter dem 29. April 2009 eine Ausweisungsverfügung wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht stellte zu seiner Überzeugung fest, T. sei zumindest als aktiver Unterstützer des Terrornetzwerks Al Qaida einzustufen. Er habe die so genannte „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida dadurch unterstützt, dass er seine Wohnung in Wiesbaden sowohl für deren Mitglieder als auch für angeworbene Selbstmordattentäter bis zu deren Ausreise in den Irak zum Zweck des gewaltsamen Jihad zur Verfügung gestellt habe. Auch habe er Spenden für die „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida gesammelt und seine Absicht bekundet, den gewaltsamen Jihad durch ein von ihm selbst verübtes Selbstmordattentat im Irak unterstützen zu wollen (VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 9. April 2010 ‑ 2 K 1050/09.NW ‑, OVG Koblenz, Beschluss vom 4. November 2010 ‑ 7 A 10982/10.OVG ‑).
5Aus den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus Polizeivermerken ergeben sich für die Zeit zwischen dem 14. Dezember 2007 und dem 20. April 2008 insgesamt 262 Gesprächs- und SMS-Verbindungen sowie Anwahlversuche zwischen dem Kläger und T.. Darin verabredeten sich beide in deutscher und arabischer Sprache u. a. für persönliche Treffen bei T., der damals in Kirchheimbolanden wohnte und in Mainz arbeitete. Der Kläger fuhr am 23./ 24. Dezember 2007, am 5./6. Januar 2008, am 2./3. Februar 2008 und am 16./ 17. Februar 2008 jeweils mit der Bahn von Wuppertal nach Mainz oder Alzey und ließ sich von T. am Bahnhof abholen. Mit Ausnahme des Treffens im Dezember 2007 reiste der Kläger dabei jeweils in Begleitung des K., geboren am 31. März 1982 in Dortmund, der sich damals „Youssef“ nannte und dessen Identität die Sicherheitsbehörden erst im Juni 2012 klären konnten. Insgesamt mindestens zweimal fuhr T. anlässlich dieser Aufenthalte mit dem Kläger (und zweimal auch mit K.) nach Ludwigshafen, um sich dort mit I. zu treffen. Wegen der Anzahl der Treffen und der Teilnehmer sowie wegen des Inhalts der Gespräche im Einzelnen nimmt der Senat auf die TKÜ-Protokolle und die polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerke vom 8. Februar, 13. und 17. März, 29. August 2008 sowie vom 12. Oktober 2011 Bezug.
6Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte K. wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Es stellte fest, dass er sich im Herbst 2009 unter dem Namen „Yusuf“ nach Pakistan in das Grenzgebiet zu Afghanistan habe einschleusen lassen, um sich am bewaffneten Kampf der Muslime in Afghanistan gegen die Truppen der USA und ihrer Verbündeten zu beteiligen. Er habe sich dort bewaffnet und den Deutschen Taliban Mujaheddin (DTM) angeschlossen. Seinen Ausreise- und Kampfentschluss habe er „im Laufe des Jahres 2008“ gefasst. Nach dem Abbruch seines Studiums in Frankfurt am Main 2003 sei er wieder zu seinen Eltern nach Lünen gezogen und habe begonnen, in verschiedenen Städten des Ruhrgebiets und in Wuppertal marokkanische Moscheen zu besuchen. Dadurch habe sich ein Freundeskreis entwickelt, der aus Moslems bestanden habe, die der Muslimbruderschaft und Tablighi Jamaat zuzurechnen gewesen seien (Urteil vom 24. März 2014 ‑ III‑5 StS 3/13 ‑).
7Der Kläger heiratete am 30. April 2009 vor dem Standesamt C. die am 18. März 1987 ebenfalls in C. geborene Arzthelferin D.. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Aus der Ehe ist die am 22. Mai 2015 in C. geborene Tochter N. hervorgegangen. Ebenfalls zum 30. April 2009 meldete sich der Kläger von X. nach C. um.
8Unter dem 16. Juni 2010 beantragte er dort seine Einbürgerung. Er unterschrieb eine einfache Loyalitätserklärung, in der es u. a. heißt, er verfolge oder unterstütze keine Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und er habe solche Bestrebungen auch nicht verfolgt oder unterstützt. Das Kundencenter C. der Kooperation Arbeit und Soziales S. teilte dem Beklagten unter dem 22. Juni 2010 mit, der Kläger habe keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Eine Erkenntnisabfrage des Beklagten im automatisierten OSiP-Verfahren ergab am 10. August 2010 unter anderem, dass beim LKA Nordrhein-Westfalen und beim Verfassungsschutz keine Erkenntnisse über den Kläger vorlägen.
9Der Beklagte bürgerte den Kläger am 8. September 2010 unter dauerhafter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit ein.
10Mit Fax vom 13. September 2010 informierte das Polizeipräsidium Köln die Ausländerbehörde des Beklagten über die Erkenntnisse aus der TKÜ gegen I. und T. Außerdem habe ein Sozialarbeiter des Berufskollegs M.-Schule im Jahre 2002 mitgeteilt, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Seine Ehefrau sei die Tochter eines Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“, der aufgrund von Personenverflechtung ideologisch der Muslimbruderschaft nahestehe. Das Polizeipräsidium X. teilte ergänzend mit, der Kläger habe vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. April 2009 eine Wohnung in der U. straße 172 in X. angemietet gehabt, welche er niemals bezogen habe. Diese letztgenannte Mitteilung ließ sich der Beklagte durch den Geschäftsführer der Vermieterin telefonisch bestätigen.
11Durch Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers rückwirkend auf den Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück (Nr. 1), forderte ihn zur unverzüglichen Rückgabe dieser Urkunde auf (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an (Nr. 3) und drohte ihm für den Fall der Nichterfüllung der Rückgabeaufforderung den unmittelbaren Zwang an (Nr. 4). Seine Einbürgerung sei rechtswidrig gewesen, weil sich aus den inzwischen vorliegenden Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, dass er sich bereit erklärt habe, sich für die Ausbildung zum heiligen Krieg in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Der Kläger habe sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 dreimal mit T. und einmal mit I. in Mainz und Ludwigshafen persönlich getroffen. Seine abgehörten Telefonate mit T. in dieser Zeit seien zunehmend konspirativ geworden. Auch das Herunterladen von radikal-islamistischen Seiten aus dem Internet sei unter diesen Umständen als Vorbereitungshandlung zu werten. Weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung seien die familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags, das Anmieten der nie bezogenen Wohnung und seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001. Der Kläger habe in seiner Loyalitätserklärung arglistig getäuscht, weil er darin seine Treffen mit I. und T. verschwiegen habe. Die Bedeutung dieser Treffen für seine Einbürgerung sei ihm auch bewusst gewesen, weil er in den Telefonaten mit T. selber angegeben habe, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen. Im Rahmen des Rücknahmeermessens stehe das Interesse des Klägers hinter dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes zurück. Wegen der Täuschung könne er kein schutzwürdiges Vertrauen geltend machen. Zudem besitze er die deutsche Staatsangehörigkeit erst seit kurzem und habe lediglich einen Personalausweis, aber noch keinen Pass beantragt. Er werde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil er seine marokkanische Staatsangehörigkeit behalten habe.
12Der Kläger hat am 13. Oktober 2010 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, das erste Treffen mit T. in Mainz habe ausschließlich familiären Charakter gehabt. T. sei der Cousin seiner damaligen Verlobten, Frau G., gewesen, die er Ende 2007 über eine Partnervermittlung im Internet kennen gelernt und in die er sich verliebt habe. Sie beide hätten heiraten wollen, Frau G. sei jedoch im Februar 2008 in Saudi-Arabien nach vorherigem Koma an einer Blutvergiftung gestorben. Er, der Kläger, habe den Cousin seiner Verlobten und dessen Familie kennen lernen und von ihm verschiedene Geschenke entgegen nehmen wollen (Tücher, Parfüm), welche seine Verlobte der Ehefrau T.‘s in Saudi-Arabien übergeben habe. Die beim zweiten Treffen am 5. Januar 2008 in Mainz übergebenen CD’s seien Lern-CD’s für Kinder gewesen, die für die Kinder des T. bestimmt gewesen seien. An seinem dritten Treffen mit T. am 3. Februar 2008 hätten auch „Youssef“, der ein entfernter Bekannter sei, und I. teilgenommen, der ihm als ein Freund von T. vorgestellt worden sei. Auch bei diesem Treffen seien lediglich persönliche und „sonstige allgemeine Dinge“ besprochen worden. Der Jihad oder die Anwerbung zur Ausbildung in einem sog. „Terrorcamp“ seien nicht Gesprächsgegenstand gewesen. Ob er 2002 die vom Beklagten genannte Internetseite besucht und dort Gedichte heruntergeladen habe, sei ihm nicht mehr erinnerlich. Sein Ordnerdienst bei der palästinensischen Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. in 2001 sei nur untergeordneter Art gewesen und habe nur „kurzzeitig“ gedauert. Aus der religiösen Betätigung seines Schwiegervaters lasse sich keine verfassungsfeindliche Einstellung bei ihm selbst ableiten. Die Wohnung U. straße 172 habe er angemietet, weil er auf der Suche nach einer festen Beziehung gewesen sei und mit seiner zukünftigen Ehefrau dann eine eigene Wohnung habe beziehen wollen. Es sei keine konspirative Wohnung gewesen, sondern er habe sie als Nebenwohnung offiziell gemeldet.
13Die Ausländerbehörde des Beklagten führte am 6. Oktober 2010 und am 22. Februar 2011 Sicherheitsgespräche mit dem Kläger durch. Wegen der Gesprächsinhalte nimmt der Senat auf die hierüber vom Beklagten gefertigten Niederschriften Bezug.
14Im Erörterungstermin vom 25. Mai 2011 hat das Verwaltungsgericht den Kläger informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten seiner Angaben nimmt der Senat auf das Terminprotokoll Bezug.
15Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
16den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 aufzuheben.
17Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er hat die Auffassung vertreten, die Angaben des Klägers seien nicht überzeugend, weil er anlässlich der Telefonate die Satzbestandteile „über die Sache reden“ und „nicht am Telefon“ verwendet habe.
20Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid aufgehoben. Die Erkenntnisse des Beklagten trügen im Ergebnis weder die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung noch diejenige ihres vorwerfbaren Erwirkens. Seine Einbürgerung sei weder wegen seiner Kontakte zu T. noch wegen seiner Heirat der Tochter des Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“ noch wegen des Herunterladens von Inhalten über den Jihad auf der Internetseite www.azzam.de noch wegen des Anmietens einer nicht bezogenen Wohnung rechtswidrig. Auch ein vorwerfbares Erwirken der Einbürgerung durch arglistige Täuschung sei nicht feststellbar. Hierfür komme allenfalls die abgegebene Loyalitätserklärung in Betracht. Es fehle bereits an einer Unterstützungshandlung, von der auf ein subjektives Erkennen und vorsätzliches Verschweigen einer solchen geschlossen werden könne.
21Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung legt der Beklagte ergänzend ein Protokoll über die von ihm durchgeführte Zeugenvernehmung des deutschen Staatsangehörigen P., geb. am 1. Oktober 1968 in Suleimania/Irak, am 23. Mai 2013 in der Justizvollzugsanstalt Diez vor, der bei zumindest einem der Treffen I.‘s mit dem Kläger anwesend war. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage nimmt der Senat auf das Protokoll Bezug. Ferner legt der Beklagte einen an ihn gerichteten Brief des Zeugen P., in dem er sich ergänzend zu den ihm gestellten Fragen äußert, sowie das Protokoll von dessen Zeugenvernehmung durch das LKA Nordrhein-Westfalen am 10. Juni 2013 vor.
22Der Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
24Der Kläger beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Er macht ergänzend geltend, aus den Darlegungen des Beklagten werde nicht einmal ansatzweise ersichtlich, welche konkrete Unterstützungshandlung für eine verfassungsfeindliche Bestrebung er begangen haben solle. Seine angebliche Bereitschaft, sich für den bewaffneten Kampf im Ausland anwerben zu lassen, habe der Beklagte ihm lediglich unterstellt, aber nicht nachgewiesen, dass diese subjektive Tatsache auch tatsächlich vorgelegen habe. Es lägen lediglich Anhaltspunkte dafür vor, dass T. und I. potentielle Jihad-Kämpfer anwerben wollten. Auch sei nicht auszuschließen, dass T. den zunächst nur persönlichen Kontakt zu ihm habe ausnutzen wollen, um ihn für den Jihad anzuwerben und T. sich damit habe brüsten wollen, unter staatlicher Überwachung zu stehen. Aus den Akten ergebe sich jedoch kein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass T. seine Anwerbung auch ihm gegenüber offenbart habe.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Eilverfahrens 19 B 277/15 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (6 Hefte), der Strafakten 4126 Js 8066/07 der Staatsanwaltschaft Zweibrücken (6 Ordner) und der Beiakten des genannten Eilverfahrens Bezug.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung des Beklagten ist statthaft, nachdem der Senat sie zugelassen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das gilt sowohl für die darin unter Nr. 1 verfügte Rücknahme der Einbürgerung (A.) als auch für die in Nr. 2 enthaltene Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde (B.) sowie schließlich für die darin unter Nr. 4 ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs (C.). Die unter Nr. 3 getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Maßnahmen zu Nrn. 1 und 2 war Gegenstand nicht des vorliegenden Rechtsstreits, sondern des Eilverfahrens 19 B 277/15.
30A. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung in Nr. 1 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 35 Abs. 1 StAG. Die Vorschrift ist am 12. Februar 2009 in Kraft getreten und verdrängt als spezielle staatsangehörigkeitsrechtliche Rücknahmeermächtigung für den hier vorliegenden Fall einer erschlichenen Einbürgerung die allgemeine Rücknahmeermächtigung in § 48 VwVfG NRW.
31BVerwG, Urteil vom 9. September 2014 ‑ 1 C 10.14 ‑, StAZ 2015, 212, juris, Rdn. 18; Urteil vom 11. November 2010 ‑ 5 C 12.10 ‑, StAZ 2011, 281, juris, Rdn. 13; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 3. Dezember 2012 ‑ 11 K 1038/12 ‑, juris, Rdn. 20.
32Nach § 35 Abs. 1 StAG kann u. a. eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind. Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung erfolgen (Abs. 3). Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig (I.). Der Kläger hat sie durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die für seine Einbürgerung wesentlich waren (II.). Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist eingehalten (III.) und sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt (IV.). Der Rücknahmebescheid ist auch formell rechtmäßig (V.).
33I. Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig, weil sie gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verstieß. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (1. Alternative) oder die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (2. Alternative) oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (3. Alternative), es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Im Fall des Klägers rechtfertigen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass er zumindest in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 Bestrebungen unterstützt hat, die im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (1.). Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung dieser Bestrebungen abgewandt hat (2.).
341. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen im vorliegenden Fall die Annahme, dass der Kläger in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/ oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt hat, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Hierin liegt ein Unterstützungsverdacht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Das Terrornetzwerk Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative dieser Vorschrift durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten (a). Der genannte Unterstützungsverdacht ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen P., aus den Gesprächsinhalten in den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus sonstigen aussagekräftigen Indizien (b). Der erwähnte Aufbau des konspirativen Vertrauensverhältnisses mit dem Ziel einer Rekrutierung als Kämpfer für den Jihad, dessen der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren (c).
35a) Das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Diese Alternative ist § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG nachgebildet und erfasst politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Dazu gehören nicht nur gewaltanwendende oder ‑vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Ihr Anwendungsbereich geht insofern über die nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG untersagte politische Betätigung eines Ausländers hinaus. Denn § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hat die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG enthaltene Beschränkung auf Bestrebungen „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ nicht übernommen.
36BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 ‑ 5 C 1.11 ‑, BVerwGE 142, 132, juris, Rdn. 17; VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 29; Berlit, in: Fritz/Vormeier (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht (GK-StAR), Stand: Aktualisierungslieferung Nr. 33, November 2015, IV-2 § 11 StAG, Rdn. 130 f.
37Nach diesen Maßstäben erfüllten das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna im Frühjahr 2008 die Voraussetzungen des Bestrebungsbegriffs im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.
38Für die Erfüllung der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Al Qaida im Frühjahr 2008 ist maßgeblich, dass dieses Terrornetzwerk damals wie heute das Ziel verfolgt, die islamische Welt von westlichen Einflüssen zu befreien und dort Gottesstaaten auf der Grundlage der Scharia zu errichten. Hierzu führt es einen „Heiligen Krieg“ (Jihad) gegen die den eigenen Glauben und die Gemeinschaft der Gläubigen bedrohenden „Feinde des Islam“, zu denen sie die gesamte westliche Welt und die als „Apostaten“ angesehenen pro-westlichen Regime in den muslimischen Staaten zählt. Dazu gehört in aller erster Linie der Staat Israel, den Bin Laden als „Besatzungsstaat“ bezeichnet hat. Den Jihad versteht Al Qaida als gewaltsamen Kampf, sich hieran zu beteiligen sieht sie als individuelle Pflicht eines jeden rechtgläubigen Muslim an. Für ein legitimes Mittel des Jihad hält sie insbesondere die Verunsicherung des „Feindes“ durch terroristische Anschläge, die auf die Tötung einer möglichst großen Zahl von Menschen abzielen. Auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Alternative sind auch dadurch gefährdet, dass sich Al Qaida bei der Rekrutierung von Märtyrern für eine terroristische Ausbildung in einem Ausbildungslager auch in Deutschland lebender Muslime bedient, sei es, dass diese selbst rekrutiert werden sollen, sei es, dass sie die Rekrutierung und Schleusung islamistischer Kämpfer aus arabischen Ländern von Deutschland aus organisieren. Sind diese Muslime zugleich deutsche Staatsangehörige, macht sich Al Qaida auch die damit verbundene Reisefreiheit bewusst zunutze. Das belegen die tatsächlichen Feststellungen deutscher Strafgerichte in den vom Verfassungsschutz dokumentierten Strafverurteilungen.
39Bundesministerium des Innern (BMI), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 226, Verfassungsschutzbericht 2008, S. 217 f.; vgl. auch VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 30.
40Die Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna war im Frühjahr 2008 und ist bis heute ebenfalls eine terroristische Organisation, die ihre politischen Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen und durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt.
41Bay. VGH, Urteil vom 2. September 2013 ‑ 10 B 10.1713 ‑, juris, Rdn. 59; VG München, Urteil vom 14. Januar 2015 ‑ M 25 K 13.3143 ‑, juris, Rdn. 22; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.1.
42b) Der Verdacht gegen den Kläger, in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder der Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt zu haben, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, ergibt sich aus den folgenden Indiztatsachen, die zur vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit des Senats im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO feststehen: Der Kläger hat sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 insgesamt viermal mit T. und mindestens zweimal auch mit I. im Raum Mainz/Ludwigshafen getroffen (aa). Beide waren zum damaligen Zeitpunkt als Anwerber für zumindest eine der genannten Terrororganisationen tätig (bb). Der Kläger ist in der Absicht zu diesen Treffen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen (cc).
43aa) Die Treffen des Klägers mit den beiden genannten Personen ergeben sich aus den TKÜ-Protokollen und polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerken sowie teilweise auch aus dem Geständnis des Klägers, der eingeräumt hat, sich an den genannten Tagen insgesamt viermal mit T. und am 3. Februar 2008 auch mit I. getroffen zu haben. Zumindest ein weiteres Treffen des Klägers und K.‘s auch mit I. in Ludwigshafen ergibt sich aus dem polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk vom 17. März 2008, in dem KHK’in B. ein Telefonat I.‘s mit T.n am 14. Februar 2008 und das darauf folgende Geschehen wie folgt wiedergegeben hat:
44„Mitten im Gespräch wechselt I. plötzlich das Thema und erwähnt, dass T. unbedingt mit „denen“ am Wochenende kommen müsse. Es sei wichtig, dass sie kommen, denn „es“ könne jetzt sofort gehen. Er müsse mit ihnen reden.Tatsächlich setzte sich anschließend T. mit H. telefonisch in Verbindung und vereinbarte kurzfristig ein Treffen für den 16.02.08, zu dem H. und „Youssef“ wiederum per Bahn anreisten. Das Treffen mit I. fand noch am 16.02.08 in Ludwigshafen statt.“
45Auch im polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk des KHK V. vom 13. März 2008 heißt es, T., eine weitere Person, der Kläger und „Youssef“ seien am 16. Februar 2008 gemeinsam nach Ludwigshafen gefahren, wo ein Treffen mit I. habe beobachtet werden können. Vor dem Hintergrund dieser polizeilichen Feststellungen bewertet der Senat die abweichende Darstellung des Klägers lediglich als ein schlichtes und pauschales Bestreiten, I. habe T. in seiner (des Klägers) Gegenwart „nur einmal (in Wiesbaden) getroffen“ und dabei „in Anwesenheit des Klägers über allgemeine und allgemeinpolitische Dinge gesprochen …, nicht aber über den internationalen gewaltsamen ‚heiligen Krieg‘ oder über die Anwerbung des Klägers hierzu“ (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Dem hierauf bezogenen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung des I. ist der Senat nicht gefolgt, weil der Kläger keine konkreten positiven Beweistatsachen in das Wissen des Zeugen gestellt hat.
46bb) Dass I. und T. für die beiden genannten Terrororganisationen Kämpfer angeworben und Spenden gesammelt haben, ergibt sich zur Überzeugung des Senats vor allem aus den Angaben des Zeugen P. gegenüber dem Beklagten und dem LKA Nordrhein-Westfalen. Der Zeuge hat am 10. Juni 2013 I. anhand des ihm vorgelegten Lichtbildes zweifelsfrei identifiziert („Das ist der I.“) und auf die Frage des LKA, ob er Kontakt zu einer Organisation gehabt habe, geantwortet: „Er hatte Kontakt zur Ansar al-Islam.“ Ebenso hat der Zeuge auch T. auf dem ihm vorgelegten Lichtbild als „den Libanesen“ identifiziert, der „zwei Frauen hat“ und den er gemeinsam mit I. und einem „Marokkaner“ namens „O.“ mit einem „langen Bart“ „ungefähr im Jahr 2008 oder 2007“ vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe, weil I. von ihm, dem Zeugen P., zwei Pässe habe kaufen wollen für „O.“ und „eine andere arabisch stämmige Person“, die beide in den Irak „in den Jihad“ gewollt hätten. Auch in dem Brief an den Beklagten schreibt der Zeuge, I. habe ihm über T. erzählt, „dass derjenige zu den Anhängern von Al Qaida gehöre und er in den Irak zum Jihad gehen wolle“. Inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend hat der Zeuge des Weiteren auch in seiner Vernehmung am 23. Mai 2013 auf die Frage des Beklagten geantwortet, ob er den Namen der Gruppe kenne, für die I. angeworben habe: „Das globale System nennt sich Al Qaida. Die Ansar al-Islam zum Beispiel ist ja auch eine Gruppe, welche für Al Qaida arbeitet.“
47Bestätigung finden diese Angaben des Zeugen P. in den polizeilich überwachten Gesprächen zwischen I. und T. sowie zwischen T. und einer unbekannt gebliebenen anderen Person. So hat I. dem T. am 11. Mai 2007 während eines überwachten Kontakts in einem Fahrzeug mitgeteilt, dass sie jetzt „eine große Aufgabe, ein großes Programm“ hätten, weil sie „Leute“ „nach Tschetschenien schicken“ sollten und „er“ dafür „5.000 Euro von mir erwartet“. In einem weiteren überwachten Gespräch am 25. Mai 2007 hat T. einem Gesprächspartner mitgeteilt, Personen, die „nicht von Al Qaida“ gewesen seien, hätten ihn mit einer mitgebrachten Kalaschnikow „zu Hause bei mir trainiert“, „habe Ausbildung gehabt“.
48Der Kläger hat die Indizwirkung dieser Tatsachen auch nicht etwa in Abrede gestellt, insbesondere nicht den Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen P. in Zweifel gezogen, soweit sich diese auf den Anwerbezweck des Verhaltens von I. und T. beziehen. Insoweit hat der Kläger vielmehr eingeräumt, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass T. „gemeinsam und gleichsam im Auftrag“ des I. Dritte als potentielle Jihad-Kämpfer habe anwerben wollen, und es sei auch „nicht auszuschließen“, „dass T. den zunächst persönlichen Kontakt zu dem Kläger ausnutzen wollte, um diesen für den Jihad anzuwerben.“
49cc) Der Kläger ist in der Absicht zu den Treffen im Raum Mainz/Ludwigshafen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Diese Überzeugung gewinnt der Senat aus einer Gesamtbewertung ebenfalls zunächst der bereits zitierten Angaben des Zeugen P. sowie aus den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T..
50Der Zeuge P. hat den Kläger in seinen beiden Vernehmungen durch den Beklagten und durch das LKA Nordrhein-Westfalen jeweils nach Lichtbildvorlage als den „Marokkaner“ namens „O.“ bezeichnet, „der aus X. kam“ und den er einmal gemeinsam mit I. und T. vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe und der „auch in den Jihad“ gewollt habe. Zudem hat der Zeuge den Kläger in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten als „der Andere von Bild Nummer 3“ bezeichnet, für den I. von ihm (dem Zeugen P.) einen irakischen Pass habe kaufen wollen, weil er „in den Irak zum Jihad“ habe gehen wollen.
51Diese Angaben des Zeugen führen schon für sich genommen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eindeutig auf die Person des Klägers, jedenfalls steht dies aber im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus den TKÜ-Protokollen zur vollen Überzeugung des Senats fest. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Zeuge P. ihn auf den vorgelegten Lichtbildern jeweils nicht sofort mit Sicherheit zu identifizieren vermochte („Ich bin mir nicht sicher. Ich habe einmal diese Person getroffen ...“; „Es kann sein, dass es diese Person war.“). Denn seine anfängliche Unsicherheit zur Person des Klägers jedenfalls in seiner Vernehmung durch den Beklagten hat der Zeuge selbst beseitigt, indem er in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten eine eindeutige Zuordnung zum Kläger als der „Person auf Bild Nummer 3“ vorgenommen hat.
52Bestätigung findet diese tatsächliche Würdigung in der Tatsache, dass es in den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T. unter anderem auch um eine Passbeschaffung für den Kläger ging. Er hat T. am 11. April 2008 angerufen und dabei von ihm den Rat erteilt bekommen, „sich einen deutschen Pass zu besorgen“, worauf er geantwortet hat, er habe „dies schon versucht, aber es ist schwierig“. Sodann hieß es, vieles sei natürlich leichter mit einem deutschen Pass, z. B. das visafreie Reisen. Wahrheitswidrig ist hiernach die spätere Zeugenaussage des Klägers in seiner Vernehmung durch den Generalbundesanwalt im Ermittlungsverfahren gegen K. am 2. September 2013 in Köln. Darin hat der Kläger nach einer Unterbrechung der Vernehmung zum Zweck der Beratung mit seinem Anwalt ausdrücklich erklärt: „Ich kann nur wiederholen, dass es niemals um Pässe ging. Ich habe bei ihm (P.) nie Pässe bestellt oder über Pässe gesprochen. Das Gleiche gilt in Bezug auf T. und I.“
53Auch die Einlassung des Klägers, die Treffen mit T. und I. hätten ausschließlich familiären Charakter gehabt, bewertet der Senat als unglaubhaft. Sie erklärt insbesondere nicht, weshalb der Kläger mehrere Fahrten nach Mainz gemeinsam mit K. unternommen hat, der nach seinen Angaben nur ein „entfernter Bekannter“ von ihm gewesen sein soll, dessen Nachname ihm unbekannt gewesen sei. Der Senat teilt in diesem Punkt die Bewertung des Generalbundesanwalts im Strafverfahren gegen K., die Darstellung des Klägers sei als Schutzbehauptung zu werten, weil keine plausiblen anderweitigen Gründe zu erkennen seien, aus denen der Kläger K. mehrfach zu zeit- und kostenaufwändigen Reisen jeweils mit Übernachtung mitgenommen haben sollte (Anklageschrift vom 19. September 2013 ‑ 2 BJs 19/12-4, 2 StE 5/13-4 ‑, S. 17 f. unter „III. Der Ausreiseversuch mit H. im Jahr 2008“). Diese Bewertung hat der Generalbundesanwalt zutreffend gestützt auf die ausweichende und verharmlosende Antwort des Klägers in seiner bereits erwähnten Zeugenvernehmung auf die Frage nach dem Grund der Begleitung durch „Youssef“: „Er ist einfach mitgefahren. Ich habe ihn mitgenommen. Einen besonderen Grund gab es nicht. Wir sind mit der Bahn gefahren. Die Fahrkarte hat er selbst bezahlt.“. Dem in diesem Zusammenhang gestellten Beweisantrag des Klägers auf Einholung einer Auskunft des Generalbundesanwalts ist der Senat nicht gefolgt (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Es kommt nicht auf die damit unter Beweis gestellten Tatsachen an, wie oft sich K. mutmaßlich mit I. getroffen hat und wann es mutmaßlich zu einer Anwerbung des K. für den internationalen Jihad oder die DTM gekommen ist.
54Unglaubhaft ist insbesondere die Behauptung des Klägers, zentrales Motiv für die Reisen sei seine Liebe zu G. gewesen, deren Familienangehörige er habe kennen lernen wollen. Auffällig ist nämlich, dass in den auszugsweise wiedergegebenen TKÜ-Protokollen der abgehörten Telefonate zwischen dem Kläger und T. zwar die Heiratsvermittlung und die Eltern G.‘s Erwähnung finden, nicht aber deren Blutvergiftung, deren Koma und deren Tod in Saudi-Arabien im Februar 2008. Im Widerspruch zu dieser nachträglichen Darstellung hat der Kläger dem T. noch im Telefonat vom 20. April 2008 auf dessen Frage, was er, der Kläger, mit der „Verlobten“ gemacht habe, geantwortet, es sei „alles in Ordnung“. Gegen den Wahrheitsgehalt der genannten Behauptung des Klägers spricht weiter seine Antwort auf die Frage in der Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe. Wäre tatsächlich seine Liebe zu der angeblich im Februar 2008 verstorbenen G. zentrales Motiv für die Treffen mit T. gewesen, so hätte auf diese Frage keine Antwort näher gelegen als diejenige, der Kontakt zu T. sei wegen des Todes seiner Geliebten abgebrochen. Stattdessen hat der Kläger aber geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte.
55Die genannte Behauptung des Klägers erklärt des Weiteren nicht sein aus den TKÜ-Protokollen ablesbares Bemühen um einen Reisepass. Insbesondere bleibt unerklärlich, weshalb T. ihm noch im bereits erwähnten Telefonat vom 11. April 2008, also etwa zwei Monate nach dem angeblichen Versterben der G. im Februar 2008, den Rat gegeben haben sollte, sich einen deutschen Pass zu besorgen. Auch erklärt die Einlassung des Klägers nicht, weshalb T. und er am Telefon wiederholt konspirative Formulierungen verwendet haben („über die Sache reden“, „nicht am Telefon“). Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Behauptung des Klägers, nicht er, sondern nur T. habe am Telefon konspirative Formulierungen verwendet. So hat der Kläger den T. am 1. Januar 2008 angerufen und ihm mitgeteilt, er wolle über eine „Sache“ reden, woraufhin T. entgegnete, er wolle darüber „nicht am Telefon“ sprechen. Auch dieser Hinweis T.‘s ist nicht plausibel, wenn es von Seiten des Klägers tatsächlich nur um das Besprechen unverfänglicher Familienangelegenheiten hätte gehen sollen. Im Gegenteil hat T. selbst im Telefonat zwischen beiden am 18. März 2008 ausdrücklich die plausible Erklärung für sein konspiratives Verhalten geliefert, indem er dem Kläger den Hinweis gab: „A sagt, dass sie abgehört werden, daher will A nicht so viel über Telefon reden.“
56Unglaubhaft und in sich widersprüchlich ist auch der Einwand des Klägers, Hintergrund der beabsichtigten Geheimhaltung am Telefon sei ausschließlich die dem T. drohende Abschiebung, aber „keine zwischen ihm und dem Kläger geplanten wie auch immer gearteten terroristischen Aktivitäten“ gewesen. Denn die Abschiebung drohte dem T., wie die spätere Ausweisungsverfügung des Donnersbergkreises vom 29. April 2009 belegt, ausschließlich wegen seiner Verbindungen zu terroristischen Organisationen.
57c) Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/ Ansar al-Sunna mit dem Ziel, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, deren der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren. Der Unterstützungsbegriff in dieser Bestimmung erfasst jede Handlung eines Ausländers, die für eine der in dieser Vorschrift genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist, die dieser Ausländer für ihn erkennbar und von seinem Willen getragen zum Vorteil dieser Bestrebungen vornimmt und die nach Art und Gewicht auf eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen schließen lässt.
58BVerwG, Urteile vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 19 f., vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 16 und vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 18 m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2010 ‑ 19 A 1491/05 ‑, NWVBl. 2011, 271, juris, Rdn. 47 m. w. N.; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 96.
59Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses durch den Kläger auf seinen Reisen zu T. und I. in den Raum Mainz/Ludwigshafen im Frühjahr 2008 erfüllt diese Merkmale einer Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Es war für die beiden genannten Terrororganisationen objektiv vorteilhaft, in ihm einen weiteren Kämpfer für die gemeinsame Sache im Vorfeld eines bewaffneten Einsatzes im Jihad gewonnen zu haben. Demgegenüber steht einer Qualifizierung seines Verhaltens als Unterstützungshandlung nicht entgegen, dass seine Ausreise letztlich gescheitert ist. Denn für die Annahme einer Unterstützungshandlung ist nicht erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war.
60BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 20.
61Die zwischen I. und T. sowie dem Kläger geführten persönlichen Gespräche, der hierfür erforderliche Reise- und Übernachtungsaufwand, die dabei im Wege der TKÜ protokollierten Gesprächsauszüge aus Telefonaten sowie weitere Indizien lassen auch auf eine nach Art und Gewicht dauernde Identifikation des Klägers mit den politischen Zielen der beiden genannten Terrororganisationen schließen. Insbesondere greift der Einwand des Klägers in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht durch, es sei allenfalls zu einem losen Kontakt zwischen ihm auf der einen Seite sowie I. und T. auf der anderen Seite gekommen, der die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis noch nicht überschritten habe und der als einfacher Kontakt „selbst zum schwärzesten aller Ritter“ nicht für die Annahme einer Unterstützungshandlung ausreiche. Dieser Einwand steht im Widerspruch zu den konspirativen Äußerungen auch des Klägers selbst gegenüber T., die sich aus den TKÜ-Protokollen ergeben. Danach war die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis zwischen beiden Personen jedenfalls am 1. Januar 2008 überschritten, als der Kläger T. anrief und ihn bat, mit ihm über „die Sache“ zu reden, und T. diese Bitte mit der Bemerkung „nicht am Telefon“ ablehnte.
62Eine dauerhafte Identifikation des Klägers mit gewaltbereiten islamistischen Bestrebungen lässt sich zudem seit seiner Jugendzeit aus mehreren weiteren Indizien rückschließen. Dazu gehört zunächst seine Äußerung im Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts, in der er „die ganze Muslimbruderschaft“ als „ganz harmlos“ bezeichnete, eine sunnitische islamistische Bewegung also, deren zentrale Organisation in Deutschland, die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) mit Hauptsitz in Köln, durch einen offenen Brief ihres Vorsitzenden Samir Falah vom 27. Juli 2013 mit folgenden Worten sinngemäß zum gewaltsamen Kampf im Nahen Osten aufrief: „Keiner wird junge Menschen davon abhalten können, Waffen in die Hand zu nehmen, um gegen diese Ungerechtigkeiten in den Kampf zu ziehen. Wir warnen daher vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten.“
63BMI, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 244.
64Weiteres Indiz hierfür ist die unbestritten gebliebene Mitteilung eines Sozialarbeiters am Berufskolleg M.-Schule in E. aus dem Jahre 2002, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Diese Mitteilung hat der Kläger lediglich dahin kommentiert, dass der genannte Vorfall zu lange her sei und er sich deshalb nicht mehr an ihn erinnern könne. Darin liegt keine inhaltliche Distanzierung von der in diesem Herunterladen zum Ausdruck kommenden radikalen islamistischen Geisteshaltung. Als weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung hat der Beklagte zutreffend seine familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags sowie seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001 angeführt.
65Mit der vorstehenden Würdigung stuft der Senat das aktive Herstellen eines konspirativen Vertrauensverhältnisses zum Zweck der Anwerbung für den Jihad unabhängig davon als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ein, von welcher Seite die Initiative hierfür ausgeht und von welcher Seite es betrieben wird. Sowohl der Anwerbende oder dessen Mittelsmann als auch derjenige, der sich als islamistischer Kämpfer anwerben lässt, unterstützen die hierauf gerichtete Bestrebung, sofern ihr Handeln die oben genannten Voraussetzungen des Unterstützungsbegriffs erfüllt.
66Zur „Missionierung“ vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2013 ‑ 19 E 8/12 ‑, juris, Rdn. 3; zum Anwerben von Kämpfern Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.
672. Der Kläger hatte im Zeitpunkt seiner Einbürgerung auch nicht glaubhaft gemacht, sich von der Unterstützung der bezeichneten Terrororganisationen abgewandt zu haben. Das Sich-Abwenden von verfassungswidrigen Bestrebungen ist ein innerer Vorgang. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt oder unterstützt zu haben.
68BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 47; OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 2016 ‑ 19 A 1214/11 ‑, juris, Rdn. 56.
69Grundvoraussetzung des Sich-Abwendens ist hiernach die Einsicht des Ausländers in die Verfassungswidrigkeit seines bisherigen Handelns. Bereits hieran fehlte es im Fall des Klägers sowohl im Zeitpunkt seiner Einbürgerung als auch in der Zeit danach.
70Insbesondere hat sich der Kläger nicht dadurch abgewandt, dass er den Kontakt zu T. in der Zeit nach der Festnahme I.‘s am 20. Februar 2008 von sich aus abgebrochen und angekündigte Trefftermine abgesagt hat. Auf die hierauf zielende Frage in der ausländerbehördlichen Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe, hat der Kläger nämlich lediglich ausweichend und nichtssagend geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte. Aus diesen Äußerungen des Klägers geht nicht hervor, was er mit „diesen Sachen“ meinte, mit denen er nichts mehr zu tun haben möchte. Erst recht lassen sie keine Einsicht des Klägers in die Verfassungswidrigkeit seiner Rekrutierungsbemühungen sowie eine innere Abkehr von der hierfür maßgeblichen radikal-islamistischen Einstellung erkennen. Sein Aussageverhalten in der genannten Sicherheitsbefragung ist vielmehr geprägt von Äußerungen, mit denen er seine Rolle bei den Rekrutierungsbemühungen T.‘s und I.‘s herunterzuspielen versuchte.
71II. Der Kläger hat seine hiernach rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die hierfür wesentlich waren. Mit dem Tatbestandsmerkmal der arglistigen Täuschung knüpft § 35 Abs. 1 StAG an den entsprechenden Begriff im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht an (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Der Adressat eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes begeht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine arglistige Täuschung in diesem Sinn, wenn er den maßgeblichen Bediensteten der Behörde in seiner Entscheidung beeinflusst, indem er bei diesem einen Irrtum über entscheidungserhebliche Tatsachen hervorruft, deren Unrichtigkeit der Adressat kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt.
72BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2007 ‑ 5 B 132.07 ‑, juris, Rdn. 4; Urteil vom 24. Oktober 1996 ‑ 2 C 23.96 ‑, BVerwGE 102, 178, juris, Rdn. 14; Urteil vom 18. September 1985 ‑ 2 C 30.84 ‑, DVBl. 1986, 148, juris, Rdn. 24; OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, juris, Rdn. 99.
73Nach diesem Maßstab hat der Kläger mit seiner Unterschrift unter seine Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 die objektiv unzutreffende Erklärung abgegeben, keine Bestrebungen unterstützt zu haben, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Nr. 2 Buchstabe c) seiner Loyalitätserklärung).
74Zur Überzeugung des Senats hatte der Kläger bei der Unterschrift unter diese Erklärung auch den erforderlichen Täuschungsvorsatz. Diesen Rückschluss zieht der Senat aus dem Umstand, dass er sich für die Stellung des Einbürgerungsantrags seinen Vollbart abrasiert hat, obwohl der Bart nach seinen telefonischen Angaben gegenüber T. „mein Leben“ ist und er dementsprechend auch heute wieder einen Vollbart trägt. Diese Äußerung lässt den Schluss zu, dass er das Tragen eines Vollbartes als ein unbedingt verpflichtendes Gebot seines streng sunnitisch-islamistischen Glaubens empfindet und er gerade diese radikale religiöse innere Einstellung gegenüber der Einbürgerungsbehörde des Beklagten verbergen wollte. Hinzu kommt, dass er sich über die Rechts- und Verfassungswidrigkeit ihres beiderseitigen Handelns spätestens seit den telefonischen Hinweisen T.‘s in den bereits erwähnten Telefonaten am 1. Januar und am 18. März 2008 im Klaren war, „dass sie abgehört werden“ und er deshalb über die „Sache“ nicht am Telefon reden wolle.
75Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger als Nichtjurist zwischen den verschiedenen, aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG in die unterzeichnete Formularerklärung übernommenen Alternativen verfassungswidriger Bestrebungen zu differenzieren vermochte, ob er wusste, für welche konkreten Gruppierung(en) T. und I. Jihad-Kämpfer rekrutierten und als welche Art verfassungsfeindlicher Bestrebung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG diese rechtlich einzuordnen war. Denn für die Arglist im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG genügt eine Parallelwertung in der Laiensphäre. Ausreichend ist also, dass er in der Lage war, von der behördlichen oder polizeilichen Telefonüberwachung zumindest der von T. genutzten Anschlüsse auf die Rechts- und Verfassungswidrigkeit auch seines eigenen Handelns zu schließen. Aufgrund seines schulischen und beruflichen Werdeganges und eines Rückschlusses aus seinem taktischen Aussageverhalten in den Sicherheitsbefragungen, in der Zeugenvernehmung im Strafverfahren gegen K. und im erstinstanzlichen Erörterungstermin ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger diese Fähigkeit am 16. Juni 2010 besaß.
76Die unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 ist tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Täuschung über den Ausschlussgrund in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unabhängig davon, ob man die entsprechende Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG materiell oder lediglich formell versteht.
77Für ein materielles Verständnis: BayVGH, Urteil vom 19. Januar 2012 ‑ 5 B 11.732 ‑, BayVBl. 2012, 565, juris, Rdn. 19, 22; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 7. März 2013 ‑ 1 S 617/13 ‑, und vom 20. Februar 2008 ‑ 13 S 1169/07 ‑, juris, Rdn. 27; VG Aachen, Urteil vom 19. November 2015 ‑ 5 K 480/14 ‑, juris, Rdn. 65 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. April 2015 ‑ 11 K 5984/14 ‑, InfAuslR 2015, 347, juris, Rdn. 42; Dollinger/Heusch, VBlBW 2006, 216 (218); anders VG Köln, Urteil vom 13. April 2011 ‑ 10 K 201/10 ‑, juris, Rdn. 41 ‑ 44; Berlit, a. a. O., § 10 StAG, Rdn. 134 ff.
78Denn gerade auch bei einem lediglich formellen Verständnis der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG abzugebenden Loyalitätserklärung bildet diese die Grundlage für die materielle Prüfung des Ausschlussgrundes in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch die Einbürgerungsbehörde.
79Die arglistig unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 war auch im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG „wesentlich“ und kausal („erwirkt“) für die Einbürgerungsentscheidung des Beklagten. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Loyalitätserklärung die Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG betrifft, während sich die Rechtswidrigkeit der am 8. September 2010 vollzogenen Einbürgerung des Klägers nach dem oben unter I. Ausgeführten aus einem Verstoß gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergibt. Denn dieser Ausschlussgrund steht mit den Erklärungserfordernissen in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG, wie bereits ausgeführt, in einem engen inhaltlichen Zusammenhang.
80III. Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist nach § 35 Abs. 3 StAG eingehalten. Er hat dem Kläger den Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 am selben Tag persönlich übergeben. Zu diesem Zeitpunkt lag die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 8. September 2010 erst etwa vier Wochen zurück.
81Dass dieser Zeitpunkt inzwischen mehr als fünf Jahre zurückliegt, ist unerheblich. Denn die Rücknahmefrist in § 35 Abs. 3 StAG konkretisiert den in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Begriff der „zeitnahen“ Rücknahme, der sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme, also bis zur Bekanntgabe des Rücknahmebescheides verstrichenen Zeitraum bezieht. Mit der Bekanntgabe des Rücknahmebescheides entfällt die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Eingebürgerten in den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit.
82BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 ‑ 2 BvR 669/04 ‑, BVerfGE 116, 24, juris, Rdn. 72, 76, 89; BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2008 ‑ 5 C 32.07 ‑, NVwZ 2008, 1249, juris, Rdn. 15; Urteil vom 14. Februar 2008 ‑ 5 C 4.07 ‑, BVerwGE 130, 209, juris, Rdn. 15.
83IV. Der Beklagte hat sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt. Er hat dem öffentlichen Interesse an der Rückgängigmachung der rechtswidrigen Einbürgerung des Klägers ohne Ermessensfehler den Vorrang vor dessen privatem Interesse am Erhalt seiner deutschen Staatsangehörigkeit gegeben. Am Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO und des § 40 VwVfG NRW kann der Senat insbesondere nicht beanstanden, dass der Beklagte das Klägerinteresse nur mit geringem Gewicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt hat. Denn der Kläger war im Zeitpunkt der Rücknahme erst seit knapp einem Monat im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. In diesem kurzen Zeitraum konnte er zudem sein ohnehin nicht schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestand noch nicht betätigen, insbesondere die angekündigte Türkeireise noch nicht antreten, weil ihm noch kein deutsches Ausweisdokument ausgestellt worden war. Er wurde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil der Beklagte ihn unter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit eingebürgert hatte (§ 35 Abs. 2 StAG). Die Rücknahme hatte und hat auch keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Auswirkungen auf Familienmitglieder des Klägers (§ 35 Abs. 5 StAG). Seine Ehefrau und seine Tochter sind und bleiben unabhängig von seiner Einbürgerung und deren Rücknahme deutsche Staatsangehörige. Entgegen seiner Auffassung liegt auch kein Ermessensfehler darin, dass der Beklagte im angefochtenen Rücknahmebescheid keine Ausführungen zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland gemacht hat. Denn hierbei handelt es sich um eine ausschließlich aufenthaltsrechtliche Frage.
84Des Weiteren ist der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung auch von einem im Wesentlichen zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Unwesentlich in diesem Sinn ist seine irrige Annahme im Rücknahmebescheid, der Kläger habe sich dreimal (statt tatsächlich mindestens viermal) mit T. persönlich getroffen. Hierbei handelt es sich allenfalls um einen Irrtum zugunsten des Klägers, von dem im Übrigen auch die im Ergebnis zutreffende tatsächliche Schlussfolgerung des Beklagten unberührt bleibt, aus den bekannt gewordenen Gesamtumständen dieser Treffen sei auf ein entsprechendes konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen zu schließen. Ebenfalls ohne Auswirkung auf die Ermessensentscheidung bleibt die irrige Annahme des Beklagten, der Kläger habe in den Telefonaten mit T. selber angegeben, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen, während dieser Hinweis in Wahrheit nicht vom Kläger, sondern von T. stammte. Auch diese irrige Sachverhaltsannahme des Beklagten lässt seine tatsächliche Schlussfolgerung auf ein konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen unberührt.
85V. Der Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 ist schließlich auch formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte fehlerfrei von einer vorherigen Anhörung des Klägers nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW abgesehen und sich hierfür auf die Ausnahmetatbestände in § 28 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwVfG NRW gestützt. Nach diesen Vorschriften kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint oder wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen. Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW hat der Beklagte hier zu Recht aus dem Untertauchen T.‘s Mitte September 2010 sowie aus der Äußerung des Klägers gegenüber seinem Bürgerbüro abgeleitet, am 7. oder 8. Oktober 2010 in die Türkei reisen zu wollen und hierfür dringend einen Personalausweis zu benötigen. Mit der Androhung unmittelbaren Zwangs zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde hat der Beklagte auch im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung getroffen.
86B. Auch die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde in Nr. 2 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist zulässig. Insbesondere ist diese Aufforderung nach wie vor wirksam, obwohl der Kläger sie bei der persönlichen Übergabe des Rücknahmebescheides am Morgen des 5. Oktober 2010 um 7.30 Uhr sofort erfüllt hat. Denn sie stellt weiterhin den Rechtsgrund für das Behaltendürfen dieser Urkunde durch den Beklagten dar.
87Die Klage ist auch insoweit unbegründet. Rechtsgrundlage für die Rückgabeaufforderung ist § 52 Satz 1 VwVfG NRW. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts auf eine zurückgenommene Einbürgerung sollte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers von der Einführung der Spezialregelung in § 35 StAG unberührt bleiben.
88Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 549/08 vom 8. August 2008, S. 8.
89Nach § 52 Satz 1 VwVfG NRW kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden zurückfordern, wenn dieser unanfechtbar zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Hier ist die Wirksamkeit der Einbürgerung des Klägers im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW „aus einem anderen Grund“ nicht mehr gegeben, nämlich weil der Beklagte in Nr. 3 des angefochtenen Bescheides die sofortige Vollziehung seiner Rücknahmeentscheidung in Nr. 1 angeordnet hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung ist ein solcher „anderer Grund“ im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW, der die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes trotz der gegen seine Rücknahme erhobenen Klage entfallen lässt.
90OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1990 ‑ 5 A 1692/89 ‑, NWVBl 1990, 386, juris, Rdn. 19 m. w. N.; VG Arnsberg, Urteil vom 7. September 2005 ‑ 1 K 4045/04 ‑, juris, Rdn. 41.
91C. Rechtsgrundlage für die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 4 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 62 VwVG NRW. Die bestimmte Frist, die Einbürgerungsurkunde „unverzüglich“ herauszugeben, war angemessen im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW. Maßgeblich für diese Bewertung sind die Umstände, aus denen der Senat oben unter A.V. bereits die Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW abgeleitet hat.
92Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
94Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.
(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.
(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.
(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.
(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist seit Dezember 1987 mit Fatma K. verheiratet. Seine Ehefrau wurde im Mai 1995 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
- 2
-
Nach einem erfolglosen, u.a. auf die Mitgliedschaft in der "Partiya Karkerên Kurdistan" (Arbeiterpartei Kurdistans, im Folgenden: PKK) gestützten Asylbegehren begab sich der Kläger nach Frankreich, wo er im Februar 1986 als politischer Flüchtling anerkannt, ihm der Aufenthalt gestattet und ein Reiseausweis ausgestellt wurde. Er war Mitglied des Vorstands des im Mai 1988 bei dem Amtsgericht Bonn - Vereinsregister - eingetragen Vereins "Union Patriotischer Intellektueller Kurdistans (YRWK)".
- 3
-
Im Oktober 1992 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein. Die Ausländerbehörde der Stadt Köln erteilte ihm erstmals im Dezember 1992 eine Aufenthaltserlaubnis, im November 1995 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und im Juni 2002 eine Aufenthaltsberechtigung.
- 4
-
Bereits im März 1989 hatte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet. Er wurde verdächtigt, unter dem Decknamen "N." Pässe zu fälschen, mit denen die PKK Angehörige ausstattete, denen die Aufgabe zukam, "Feinde" der Partei zu töten. Im August 1994 stellte der Generalbundesanwalt das Verfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein.
- 5
-
Mit in Rechtskraft erwachsenem Strafbefehl vom 24. Juni 1999 wurde gegen den Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen festgesetzt. Er wurde beschuldigt, seine Festnahme erschwert zu haben, als er im Zuge einer Demonstration aus Anlass der Festnahme des PKK-Führers Öcalan mit einer großen Gruppe weiterer Demonstranten das Kölner Parteibüro der SPD zu erstürmen versuchte.
- 6
-
Bereits am 22. Juli 1997 hatte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband beantragt. Die Beklagte hatte den unbeschränkt gestellten Antrag als auf die Einbürgerung nach § 9 RuStAG gerichtetes Begehren behandelt und mit Blick auf das seinerzeitige Nichtbestehen einer dreijährigen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen im Einvernehmen mit dem Kläger zunächst zurückgestellt. Auf ihre Anregung hin stellte dieser seinen Antrag am 20. Juni 2000 "von § 9 StAG auf § 85 AuslG" um. Mit Bescheid vom 19. Juni 2002 lehnte sie den Antrag auf Einbürgerung nach § 85 AuslG ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
- 7
-
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Einer Einbürgerung stehe § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen. Der Kläger habe die PKK und damit eine Bestrebung unterstützt, die sowohl gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sei als auch durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Er habe den Ausschlussgrund jeweils selbstständig tragend durch mehrere Unterstützungshandlungen zum Vorteil der PKK verwirklicht. Als Unterstützungshandlungen seien sowohl die Passfälschungen als auch die Teilnahme an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln zu werten. Beide Unterstützungshandlungen dürften ihm weiterhin entgegengehalten werden. Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG erfasse Handlungen nicht, die als Verfolgungs- oder Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren seien. Dessen ungeachtet erstrecke es sich nicht auf die Passfälschungen, da diese nicht durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet worden seien. Jedenfalls unterfielen beide Unterstützungshandlungen dem Ausnahmetatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, sich von der früheren Unterstützung der PKK abgewandt zu haben.
- 8
-
Zur Begründung seiner Revision führt der Kläger aus, das Berufungsurteil sei, soweit es die Passfälschungen betreffe, verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Jedenfalls beruhe es auf einer Verletzung des § 51 Abs. 1 BZRG, da das Verwertungsverbot der Anwendung des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegenstehe. Er habe im Übrigen glaubhaft gemacht, sich von der früheren Verfolgung und Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen abgewandt zu haben.
- 9
-
Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband hat.
- 11
-
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Anspruchseinbürgerung (1.). Diese ist gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) vom 22. Juli 1913 (RGBl S. 583), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258), ausgeschlossen (2.).
- 12
-
1. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht das Begehren des Klägers allein unter dem Gesichtspunkt der Anspruchseinbürgerung gewürdigt.
- 13
-
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der Antrag eines Ausländers auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband grundsätzlich sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren unter sämtlichen denkbaren Anspruchsgrundlagen zu prüfen ist. Der Antrag ist regelmäßig auf die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gerichtet unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage diese beruht. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Einbürgerungsbewerber von der Möglichkeit Gebrauch macht, seinen Antrag auf eine bestimmte Rechtsgrundlage zu beschränken. Eine solche Beschränkung setzt eine eindeutige Erklärung des Ausländers voraus, der ein entsprechender Wille unzweifelhaft zu entnehmen ist (Urteil vom 20. April 2004 - BVerwG 1 C 16.03 - BVerwGE 120, 305 <308> = Buchholz 402.240 § 102a AuslG Nr. 3 S. 4 f.; vgl. Nr. 8.1.1 Abs. 3 StAR-VwV sowie Nr. 8.1.1 Abs. 3 VAH-StAG). So verhält es sich hier.
- 14
-
Der Kläger hat seinen ursprünglichen Einbürgerungsantrag vom 22. Juli 1997 gegenüber der Beklagten am 20. Juni 2000 ausdrücklich "von § 9 Staatsangehörigkeitsgesetz nach § 85 Ausländergesetz" umgestellt. Er hat dadurch mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit zu erkennen gegeben, dass über seinen Einbürgerungsanspruch nur noch unter dem Gesichtspunkt der Anspruchseinbürgerung nach § 85 AuslG (jetzt: § 10 StAG) entschieden werden soll. Diese Beschränkung hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Der Senat ist berechtigt, den Inhalt des klägerischen Begehrens eigenständig zu ermitteln. Zwar handelt es sich dabei um eine dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrte Tatsachenfeststellung. Diese kann hier jedoch vom Revisionsgericht ausnahmsweise jedenfalls deshalb vorgenommen werden, weil das Oberverwaltungsgericht keine Auslegung des Antrags des Klägers vorgenommen hat (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2005 - BVerwG 7 C 8.05 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 36 Rn. 30).
- 15
-
2. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass einem Rechtsanspruch des Klägers auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt zu haben.
- 16
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In revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen entsprechende Bestrebungen verfolgen (a) und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die PKK unterstützt hat (b), ohne glaubhaft gemacht zu haben, sich von dieser Unterstützung zwischenzeitlich abgewandt zu haben (c).
- 17
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a) Der Begriff "Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind", im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 StAG ist § 4 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes in der Fassung vom 20. Dezember 1990 (BGBl I S. 2954) entlehnt. Danach sind solche Bestrebungen politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen (vgl. Berlit, in: GK-StAR § 11 StAG Rn. 119, 121 und 131 f.). Bestrebungen, die im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sind solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Es werden nicht nur gewaltanwendende oder vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen erfasst, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Bei einer exilpolitischen Betätigung muss die Eignung hinzutreten, die Beziehung der Bundesrepublik Deutschland zu einem ausländischen Staat zu belasten oder zu beeinträchtigen.
- 18
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Von diesem Maßstab ist das Berufungsgericht erkennbar ausgegangen. Seine von der Revision nicht angegriffene tatsächliche Würdigung, die PKK gefährde durch Spendengelderpressungen und Bestrafungsaktionen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und durch die Aufrechterhaltung militärischer Kampfeinheiten im kurdischen Siedlungsgebiet der Türkei und die Anwendung von Waffengewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
- 19
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b) Unterstützen ist jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Dies muss für den Ausländer erkennbar sein. Er muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen (stRspr, vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009 - BVerwG 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 320 Rn. 16).
- 20
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Der Ausschlussgrund der Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Das Verhalten, dessen der Ausländer verdächtig ist, muss für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG darstellen. Einzelne Unterstützungshandlungen hindern als tatsächliche Anhaltspunkte die Einbürgerung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zudem nur und erst dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen zu indizieren. Ob nach diesen Grundsätzen eine tatbestandsmäßige Unterstützung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen (Urteil vom 22. Februar 2007 - BVerwG 5 C 20.05 - BVerwGE 128, 140 Rn. 19 und Beschluss vom 27. Januar 2009 - BVerwG 5 B 51.08 - juris Rn. 5).
- 21
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Ausgehend von diesen von der Revision nicht angegriffenen Maßstäben hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG u.a. dadurch unterstützt hat, dass er in der Zeit von 1988 bis zum Februar 1994 unter dem Decknamen "N." Passfälschungen für die PKK durchgeführt hat. Seine Überzeugungsgewissheit hat es aus Indiztatsachen gewonnen. Als solche hat es die Bestätigung der Ehefrau des Klägers, dieser führe den Decknamen "N.", die Erwähnung des "N." als Ehemann der Fatma K. in einem Kassettenmitschnitt, die Aussage der als Kronzeugen vernommenen Person, "N." sei der Schwager des Hasan K., die im Keller der Ehewohnung beschlagnahmten Gegenstände, den Eintrag der Festnetz-Rufnummer der Ehefrau als Rufnummer des "N." in drei beschlagnahmten Telefonlisten sowie den Umstand gewürdigt, dass die Ehefrau des Klägers in der Lage war, nach dessen Festnahme im März 1994 binnen zwei Tagen eine Kaution in Höhe von 20 000 DM zu hinterlegen.
- 22
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An diese Tatsachenfeststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen ohne Erfolg bleiben (aa). Die Würdigung der Passfälschertätigkeit des Klägers als frühere Unterstützungshandlung verstößt weder gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (bb) noch gegen die Unschuldsvermutung (cc). Die Angriffe der Revision gegen die ebenfalls als Unterstützungshandlung gewürdigte Teilnahme des Klägers an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln gehen ins Leere (dd).
- 23
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aa) Die von der Revision erhobenen Rügen eines Verstoßes gegen den Untersuchungsgrundsatz (1), einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht (2) und eines Verstoßes gegen Denkgesetze (3) bleiben ohne Erfolg.
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(1) Es kann dahinstehen, ob die Rüge, das Berufungsgericht habe dadurch, dass es die Aussage der Ehefrau des Klägers allein auf der Grundlage eines behördlichen Vermerks gewürdigt hat, gegen den Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, den Darlegungserfordernissen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügt, da sie jedenfalls unbegründet ist.
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Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet es, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Aufklärungsmöglichkeiten bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu nutzen; dies schließt eine Bindung an die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ermittelten tatsächlichen Feststellungen grundsätzlich aus. Das Gericht muss daher alle Aufklärungsbemühungen unternehmen, auf die die Beteiligten - insbesondere durch begründete Beweisanträge - hinwirken oder die sich hiervon unabhängig aufdrängen (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10 - NVwZ-RR 2011, 986
). Dabei stellt die Aufklärungsrüge kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und vom 22. März 2006 - BVerwG 4 B 15.06 - juris Rn. 7).
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Sind - wie hier - keine förmlichen Beweisanträge gestellt, so bestimmt das Gericht den Umfang seiner Aufklärung nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es überschreitet die Grenzen dieses Ermessens, wenn es eine Ermittlung unterlässt, die sich nach den Umständen des Falles - auch nach dem Vorbringen der Beteiligten - von seinem Rechtsstandpunkt aus aufdrängen musste (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 a.a.O. und vom 2. November 2007 - BVerwG 3 B 58.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 70 m.w.N.). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung drängt sich auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag auf, wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen seine Entscheidung noch nicht sicher tragen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Einwände erhebt. Denn in einem solchen Fall ist das Gericht gehindert, seine Entscheidung unter Übergehung der Einwände auf das angegriffene Beweisergebnis zu stützen (vgl. Beschluss vom 14. September 2007 - BVerwG 4 B 37.07 - juris Rn. 3).
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Das Oberverwaltungsgericht war nicht deshalb zu weiterer Sachaufklärung verpflichtet, weil der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Mai 2010 auch die "vom Verwaltungsgericht unberücksichtigt gebliebenen Beweisanträge" wiederholt hat. Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz diese Beweisanregung als unsubstantiiert gewürdigt und hierzu ausgeführt hat, sie erschöpfe sich in einem schlichten Bestreiten der Indiztatsache des Geständnisses der Ehefrau des Klägers, ohne konkrete positive Tatsachen in das Wissen der Zeugin zu stellen, die diese Indiztatsache entkräften oder im Ergebnis eine andere tatsächliche Würdigung rechtfertigen könnten. Einzelheiten, die Rückschlüsse auf eine unrichtige Beurkundung der Aussage seiner Ehefrau zulassen, legt der Kläger nicht dar. Seine Beweisanregung verhält sich weder zu dem Ablauf der Vernehmung durch das Bundeskriminalamt noch zu der Reaktion seiner Ehefrau auf den seinerzeitigen Vorhalt, obwohl hierzu nicht zuletzt mit Blick auf die Gesamtheit der von dem Verwaltungsgericht gewürdigten Indizien Veranlassung bestanden hätte.
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(2) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe dadurch, dass es unterlassen habe, auf die mangelnde Substantiierung des die Vernehmung der Ehefrau des Klägers und des Hasan K. betreffenden Beweisantritts hinzuweisen, gegen seine Pflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO verstoßen.
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Diese Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen. Hiergegen verstößt das Gericht, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit welcher der unterlegene Beteiligte nach dem Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 6 C 49.68 - BVerwGE 36, 264 <266 f.>; Beschlüsse vom 29. Juli 2004 - BVerwG 9 B 23.04 - juris Rn. 2 m.w.N. und vom 4. Juli 2007 - BVerwG 7 B 18.07 - juris Rn. 5). So liegen die Dinge hier jedoch nicht.
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Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger anwaltlich vertreten und die Belehrungspflicht aus diesem Grund ohnehin ihrem Umfang nach eingeschränkt war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 170/85 - NVwZ 1992, 259 <260>; BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1965 - BVerwG 2 C 195.62 - BVerwGE 21, 217 <218> = Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 4), waren die Beweisanträge bereits im erstinstanzlichen Verfahren - wenngleich mit anderer Begründung - abgelehnt worden. Der Umstand, dass das Berufungsgericht die Revision wegen der Überprüfungsbedürftigkeit der Feststellung, der Kläger sei unter dem Decknamen "N." für die PKK tätig gewesen, zugelassen hat, konnte kein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, dass das Berufungsgericht den Anträgen stattgeben würde. Dies gilt umso mehr, als dem Umstand, dass das Berufungsgericht zur Berufungsverhandlung - wie aus der Terminsladung und der darin enthaltenen Bitte, sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu erklären, ersichtlich ist - keine Zeugen geladen hatte, zu entnehmen war, dass es eine Zeugenvernehmung nicht für erforderlich hielt. In dieser Situation wäre es Sache des Klägers gewesen, in prozessual geeigneter Weise auf die von ihm für geboten erachtete Beweiserhebung hinzuwirken (vgl. Beschluss vom 27. Januar 2006 - BVerwG 5 B 98.05 - juris Rn. 9). Dementsprechend durfte das Berufungsgericht in der konkreten Prozesssituation abwarten, welche Beweisanträge in welcher Form in der mündlichen Verhandlung tatsächlich gestellt werden würden. Es war nicht gehalten, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es die Beweisanregungen rechtlich bewertete. Dies gilt umso mehr, als sich deren tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, vgl. Beschluss vom 21. September 2011 - BVerwG 5 B 11.11 - juris Rn. 3 m.w.N.).
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(3) Ebenfalls erfolglos rügt die Revision einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Rüge einer fehlerhaften Sachverhaltswürdigung ist revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrens-, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und kann deshalb einen Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründen. Eine Ausnahme gilt unter anderem für die gegen Denk- oder Naturgesetze verstoßende Sachverhaltswürdigung (Beschluss vom 21. September 2011 a.a.O. juris Rn. 9). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht jedoch schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der vom Verfahrensbeteiligten favorisierte Schluss vielleicht sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Februar 1972 - BVerwG 8 B 3.72/8 C 7.72 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 und vom 21. September 1982 - BVerwG 2 B 12.82 - NJW 1983, 62 <63>).
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Die von der Revision gerügten Verstöße gegen Denkgesetze werden nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.
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Soweit sich die Rüge gegen die Würdigung des Berufungsgerichts richtet, die am 5. Juli 1989 im Keller der Ehewohnung beschlagnahmten Gegenstände deuteten auf die Identität des Klägers mit dem Decknamen "N." hin, beschränkt sie sich auf eine in die Form einer Verfahrensrüge gekleidete inhaltliche Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Sie setzt dieser eine eigene Würdigung entgegen, ohne jedoch Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrenssätze verstoßende Würdigung der Erkenntnismittel zu benennen. Insbesondere zeigt sie nicht auf, welche Denkgesetze das Berufungsgericht bei der Würdigung des Sachverhalts außer Acht gelassen haben sollte. Hierfür ist dem Beschwerdevorbringen auch im Übrigen nichts zu entnehmen.
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Ein Verstoß gegen Denkgesetze wird auch nicht hinsichtlich der Würdigung des Berufungsgerichts aufgezeigt, Indiz für eine enge Verbindung des Klägers mit der PKK sei auch der Umstand, dass seine Ehefrau nach seiner Festnahme im März 1994 innerhalb von zwei Tagen eine Kaution in Höhe von 20 000 DM hinterlegen konnte. Dass der Sachverhalt nur die von dem Kläger in den Raum gestellte Schlussfolgerung zulässt, jede andere hingegen aus denkgesetzlichen oder logischen Gründen schlechterdings unmöglich ist, lässt sich dem Revisionsvortrag nicht entnehmen.
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bb) Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz - BZRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl I S. 1229, 1985 I S. 195), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2011 (BGBl I S. 2714) steht der Berücksichtigung der Passfälschungen im Rahmen des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Ergebnis nicht entgegen. Allerdings ist das angefochtene Urteil mit § 51 Abs. 1 BZRG insoweit nicht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), als frühere Verfolgungs- oder Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG nach Auffassung des Berufungsgerichts bereits tatbestandlich nicht von dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG erfasst werden (1). Die Entscheidung beruht indes nicht auf diesem Rechtsverstoß. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit § 51 Abs. 1 BZRG selbstständig tragend ausgeführt, dass die Passfälschertätigkeit auch deshalb nicht von dem Verwertungsverbot erfasst werde, weil sie nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt habe (2).
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(1) Die Regelung über den Ausschluss der Einbürgerung in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hat keinen die Anwendbarkeit des Verwertungsverbotes des § 51 Abs. 1 BZRG ausschließenden Charakter. § 51 Abs. 1 BZRG bestimmt, dass die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder zu tilgen ist.
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Der Wortlaut der Norm lässt eine generelle Ausklammerung vergangener Verfolgungs- und Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG aus dem Anwendungsbereich des Verwertungsverbots nicht zu. Der zentrale Begriff des Rechtsverkehrs umfasst vielmehr sämtliche Bereiche des Rechtslebens unter Einschluss des Verwaltungs- und damit auch des Staatsangehörigkeitsrechts (vgl. zum Ausländerrecht Urteil vom 5. April 1984 - BVerwG 1 C 57.81 - BVerwGE 69, 137 <143> = Buchholz 402.24 § 15 AuslG Nr. 6 S. 12 f.; ferner Götz/Tolzmann - Bundeszentralregistergesetz, 4. Aufl. 2000, § 51 Rn. 21).
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Die Bestimmung kann nicht im Wege einer teleologischen Reduktion dahin eingeschränkt werden, dass die hier in Rede stehenden Handlungen nicht ihrem Anwendungsbereich unterfallen. Dies setzte voraus, dass eine solche Einschränkung nach den vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Regelungszielen geboten ist (vgl. Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 10.11 - juris Rn. 15, zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Dies ist hier nicht der Fall.
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Die weite Fassung des Verwertungsverbotes spiegelt dessen Zweck wider, den Einbürgerungsbewerber von einem Strafmakel zu befreien und dadurch seine Resozialisierung zu begünstigen. Ziel der von dem Gedanken der Rehabilitation geprägten Regelung war die Schaffung eines umfassenden Verwertungsverbotes, das von allen staatlichen Stellen Beachtung verlangt und von dem nur abschließend aufgezählte Ausnahmen zulässig sein sollen (Götz/Tolzmann a.a.O. § 51 Rn. 4). Soweit der Gesetzgeber einzelne Bereiche des Rechts ausnehmen wollte, hat er dies abschließend in § 51 Abs. 2 und § 52 BZRG geregelt. Gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG nur berücksichtigt werden, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder eine Ausnahme zwingend gebietet. Insbesondere an dieser Ausnahme muss sich auch eine Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG messen lassen.
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(2) § 51 Abs. 1 BZRG ist auf Taten, die nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt haben, weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.
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Einer unmittelbaren Anwendung des § 51 Abs. 1 BZRG steht entgegen, dass die Vorschrift tatbestandlich eine eingetragene Verurteilung voraussetzt. Nur strafgerichtliche Verurteilungen im Sinne des § 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 BZRG unterliegen gemäß § 45 Abs. 1 BZRG der Tilgung. Mit dem Verwertungsverbot soll der Verurteilte nach Tilgung bzw. Tilgungsreife von dem Makel der Verurteilung befreit und ihm die Resozialisierung erleichtert werden (BRDrucks 676/69 S. 24 und BTDrucks VI/1550 S. 21, jeweils zu § 49 BZRG a.F.). Daran fehlt es hinsichtlich der Passfälschertätigkeit.
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Einer entsprechenden Anwendung widerstreitet, dass insoweit zwar eine Regelungslücke besteht, diese aber nicht planwidrig ist. Die Anordnung eines Verwertungsverbotes für Taten, die nicht in das Register einzutragen und aus diesem zu tilgen sind, ginge über den gemäß § 3 Nr. 1, § 4 BZRG auf strafrechtliche Verurteilungen beschränkten Rahmen des Gesetzes hinaus. Obgleich dem Gesetzgeber die Problematik seit Jahrzehnten bekannt ist, hat er keine Veranlassung gesehen, den Gedanken der Rehabilitation auch für Taten, die nicht durch eine Verurteilung strafrechtlich geahndet werden, normativ zu verankern. Dessen ungeachtet sind auch die Sachverhalte nicht vergleichbar. Das Bekanntwerden eines Gesetzesverstoßes, der nicht durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet worden ist, ist nicht in gleicher Weise wie der aus einer Verurteilung herrührende Strafmakel geeignet, die soziale Stellung des Betroffenen zu gefährden (Urteile vom 3. Dezember 1973 - BVerwG 1 D 62.73 - BVerwGE 46, 205 <206 f.> und vom 26. März 1996 - BVerwG 1 C 12.95 - BVerwGE 101, 24 <30> = Buchholz 402.5 WaffG Nr. 76 S. 30; vgl. ferner BGH, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 2 StR 499/72 - BGHSt 25, 64 <65> und Beschluss vom 8. März 2005 - 4 StR 569/04 - NStZ 2005, 397 f.).
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cc) Das Berufungsgericht war auch nicht durch die Unschuldsvermutung gehindert, die Tätigkeit des Klägers als Passfälscher, hinsichtlich derer das Strafverfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, bei seiner Überzeugungsbildung zu berücksichtigen.
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Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat damit Verfassungsrang. Sie ist durch Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts im Range eines Bundesgesetzes und schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren vorausgegangen ist (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254/88 und 2 BvR 1343/88 - BVerfGE 82, 106 <114 f.>). Sie schützt hingegen nicht vor Rechtsfolgen, die - wie die Ablehnung der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband - keinen Strafcharakter haben, sondern an ordnungsrechtlichen Zielsetzungen orientiert sind.
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dd) Da das Berufungsgericht das Unterstützen von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ohne Verletzung revisiblen Rechts selbstständig tragend auf die Fälschung von Passpapieren gestützt hat, können die Angriffe gegen die ebenfalls als Unterstützungshandlung gewürdigte Teilnahme des Klägers an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln im Februar 1999 schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das angegriffene Urteil nicht auf einem etwaigen Rechtsverstoß im Zusammenhang mit diesen Erwägungen beruhen kann. Denn eine Rechtsverletzung ist im Falle einer kumulativen Mehrfachbegründung nur kausal im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO, wenn diese sämtliche Begründungsstränge erfasst oder wenn jeder der Begründungsstränge von einem individuellen Rechtsverstoß betroffen ist (Urteil vom 21. September 2000 - BVerwG 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 12 f. m.w.N.).
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c) Der Kläger hat auch nicht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung der in Rede stehenden Bestrebungen abgewandt hat. An das Sich-Abwenden im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG werden keine strengeren Beweisanforderungen als an den Ausschlussgrund selbst gestellt. Denn die Glaubhaftmachung bezeichnet ein herabgesetztes Beweismaß. Hinsichtlich der an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen sind Art, Gewicht, Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt des einbürgerungsschädlichen Verhaltens zu beachten. Die Anforderungen sind in der Regel umso höher, je stärker das Gewicht des einbürgerungsschädlichen Verhaltens ist und je näher dieses Verhalten zeitlich an die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag heranreicht. Es ist eine Gesamtschau der für und gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren vorzunehmen. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt nicht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von - wie hier - sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben. Er muss aber nicht seine in der Vergangenheit liegenden Handlungen bedauern, als falsch bzw. irrig verurteilen oder ihnen abschwören (vgl. Berlit a.a.O. Rn. 152 und 158; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 11 Rn. 17 ff. jeweils m.w.N.).
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Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung ersichtlich von diesen Grundsätzen leiten lassen. Auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen, gegen die die Revision keine Verfahrensrügen erhoben hat, ist seine rechtliche Würdigung, dass keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Abwendung des Klägers von der PKK vorliegen, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am XX. August 1980 in Al Hoceima/Marokko geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 7. November 1987 zum Familiennachzug in das Bundesgebiet ein und erhielt am 27. Juni 1996 erstmalig eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die am 3. Juli 1997 unbefristet verlängert wurde und die ab dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt. Er besuchte in X. zunächst den Schulkindergarten der Grundschule, erwarb 1999 an der Gesamtschule den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und 2001 an der Abendrealschule die Fachoberschulreife. Anschließend begann er an der M.-Schule, Berufskolleg der Stadt E., eine Ausbildung zum Physikalisch-technischen Assistenten, die er 2004 abbrach. Zwischen August 2006 und April 2010 arbeitete er für jeweils maximal 7 Monate, aber mit Unterbrechungen von bis zu 16 Monaten als Helfer bei Zeitarbeits-, Automobil- und Logistikfirmen.
3Aufgrund eines Einleitungsvermerks des Landeskriminalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2007 leitete die Staatsanwaltschaft Zweibrücken das Ermittlungsverfahren 4126 Js 8066/07 unter anderem gegen den somalischen Staatsangehörigen I., geboren am 6. Februar 1982 in Mogadischu/ Somalia, und den libanesischen Staatsangehörigen T., geboren am 6. Februar 1974 in Beirut/ Libanon, wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der fortgesetzten Begehung des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst und Förderung des internationalen Jihad ein. In dessen Rahmen ordnete das Amtsgericht Zweibrücken die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) der Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse I.‘s und T.‘s sowie deren Observation an. Der Hauptbeschuldigte I. wurde am 20. Februar 2008 in anderer Sache vorläufig festgenommen. Das Landgericht Frankenthal verurteilte ihn wegen gemeinschaftlichen Totschlags zum Nachteil von drei georgischen Staatsangehörigen zu lebenslanger Freiheitsstrafe (Urteil vom 16. Februar 2009 ‑ 5220 Js 4635/08 ‑).
4Gegen T. erließ der Donnersbergkreis unter dem 29. April 2009 eine Ausweisungsverfügung wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht stellte zu seiner Überzeugung fest, T. sei zumindest als aktiver Unterstützer des Terrornetzwerks Al Qaida einzustufen. Er habe die so genannte „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida dadurch unterstützt, dass er seine Wohnung in Wiesbaden sowohl für deren Mitglieder als auch für angeworbene Selbstmordattentäter bis zu deren Ausreise in den Irak zum Zweck des gewaltsamen Jihad zur Verfügung gestellt habe. Auch habe er Spenden für die „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida gesammelt und seine Absicht bekundet, den gewaltsamen Jihad durch ein von ihm selbst verübtes Selbstmordattentat im Irak unterstützen zu wollen (VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 9. April 2010 ‑ 2 K 1050/09.NW ‑, OVG Koblenz, Beschluss vom 4. November 2010 ‑ 7 A 10982/10.OVG ‑).
5Aus den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus Polizeivermerken ergeben sich für die Zeit zwischen dem 14. Dezember 2007 und dem 20. April 2008 insgesamt 262 Gesprächs- und SMS-Verbindungen sowie Anwahlversuche zwischen dem Kläger und T.. Darin verabredeten sich beide in deutscher und arabischer Sprache u. a. für persönliche Treffen bei T., der damals in Kirchheimbolanden wohnte und in Mainz arbeitete. Der Kläger fuhr am 23./ 24. Dezember 2007, am 5./6. Januar 2008, am 2./3. Februar 2008 und am 16./ 17. Februar 2008 jeweils mit der Bahn von Wuppertal nach Mainz oder Alzey und ließ sich von T. am Bahnhof abholen. Mit Ausnahme des Treffens im Dezember 2007 reiste der Kläger dabei jeweils in Begleitung des K., geboren am 31. März 1982 in Dortmund, der sich damals „Youssef“ nannte und dessen Identität die Sicherheitsbehörden erst im Juni 2012 klären konnten. Insgesamt mindestens zweimal fuhr T. anlässlich dieser Aufenthalte mit dem Kläger (und zweimal auch mit K.) nach Ludwigshafen, um sich dort mit I. zu treffen. Wegen der Anzahl der Treffen und der Teilnehmer sowie wegen des Inhalts der Gespräche im Einzelnen nimmt der Senat auf die TKÜ-Protokolle und die polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerke vom 8. Februar, 13. und 17. März, 29. August 2008 sowie vom 12. Oktober 2011 Bezug.
6Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte K. wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Es stellte fest, dass er sich im Herbst 2009 unter dem Namen „Yusuf“ nach Pakistan in das Grenzgebiet zu Afghanistan habe einschleusen lassen, um sich am bewaffneten Kampf der Muslime in Afghanistan gegen die Truppen der USA und ihrer Verbündeten zu beteiligen. Er habe sich dort bewaffnet und den Deutschen Taliban Mujaheddin (DTM) angeschlossen. Seinen Ausreise- und Kampfentschluss habe er „im Laufe des Jahres 2008“ gefasst. Nach dem Abbruch seines Studiums in Frankfurt am Main 2003 sei er wieder zu seinen Eltern nach Lünen gezogen und habe begonnen, in verschiedenen Städten des Ruhrgebiets und in Wuppertal marokkanische Moscheen zu besuchen. Dadurch habe sich ein Freundeskreis entwickelt, der aus Moslems bestanden habe, die der Muslimbruderschaft und Tablighi Jamaat zuzurechnen gewesen seien (Urteil vom 24. März 2014 ‑ III‑5 StS 3/13 ‑).
7Der Kläger heiratete am 30. April 2009 vor dem Standesamt C. die am 18. März 1987 ebenfalls in C. geborene Arzthelferin D.. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Aus der Ehe ist die am 22. Mai 2015 in C. geborene Tochter N. hervorgegangen. Ebenfalls zum 30. April 2009 meldete sich der Kläger von X. nach C. um.
8Unter dem 16. Juni 2010 beantragte er dort seine Einbürgerung. Er unterschrieb eine einfache Loyalitätserklärung, in der es u. a. heißt, er verfolge oder unterstütze keine Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und er habe solche Bestrebungen auch nicht verfolgt oder unterstützt. Das Kundencenter C. der Kooperation Arbeit und Soziales S. teilte dem Beklagten unter dem 22. Juni 2010 mit, der Kläger habe keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Eine Erkenntnisabfrage des Beklagten im automatisierten OSiP-Verfahren ergab am 10. August 2010 unter anderem, dass beim LKA Nordrhein-Westfalen und beim Verfassungsschutz keine Erkenntnisse über den Kläger vorlägen.
9Der Beklagte bürgerte den Kläger am 8. September 2010 unter dauerhafter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit ein.
10Mit Fax vom 13. September 2010 informierte das Polizeipräsidium Köln die Ausländerbehörde des Beklagten über die Erkenntnisse aus der TKÜ gegen I. und T. Außerdem habe ein Sozialarbeiter des Berufskollegs M.-Schule im Jahre 2002 mitgeteilt, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Seine Ehefrau sei die Tochter eines Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“, der aufgrund von Personenverflechtung ideologisch der Muslimbruderschaft nahestehe. Das Polizeipräsidium X. teilte ergänzend mit, der Kläger habe vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. April 2009 eine Wohnung in der U. straße 172 in X. angemietet gehabt, welche er niemals bezogen habe. Diese letztgenannte Mitteilung ließ sich der Beklagte durch den Geschäftsführer der Vermieterin telefonisch bestätigen.
11Durch Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers rückwirkend auf den Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück (Nr. 1), forderte ihn zur unverzüglichen Rückgabe dieser Urkunde auf (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an (Nr. 3) und drohte ihm für den Fall der Nichterfüllung der Rückgabeaufforderung den unmittelbaren Zwang an (Nr. 4). Seine Einbürgerung sei rechtswidrig gewesen, weil sich aus den inzwischen vorliegenden Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, dass er sich bereit erklärt habe, sich für die Ausbildung zum heiligen Krieg in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Der Kläger habe sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 dreimal mit T. und einmal mit I. in Mainz und Ludwigshafen persönlich getroffen. Seine abgehörten Telefonate mit T. in dieser Zeit seien zunehmend konspirativ geworden. Auch das Herunterladen von radikal-islamistischen Seiten aus dem Internet sei unter diesen Umständen als Vorbereitungshandlung zu werten. Weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung seien die familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags, das Anmieten der nie bezogenen Wohnung und seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001. Der Kläger habe in seiner Loyalitätserklärung arglistig getäuscht, weil er darin seine Treffen mit I. und T. verschwiegen habe. Die Bedeutung dieser Treffen für seine Einbürgerung sei ihm auch bewusst gewesen, weil er in den Telefonaten mit T. selber angegeben habe, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen. Im Rahmen des Rücknahmeermessens stehe das Interesse des Klägers hinter dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes zurück. Wegen der Täuschung könne er kein schutzwürdiges Vertrauen geltend machen. Zudem besitze er die deutsche Staatsangehörigkeit erst seit kurzem und habe lediglich einen Personalausweis, aber noch keinen Pass beantragt. Er werde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil er seine marokkanische Staatsangehörigkeit behalten habe.
12Der Kläger hat am 13. Oktober 2010 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, das erste Treffen mit T. in Mainz habe ausschließlich familiären Charakter gehabt. T. sei der Cousin seiner damaligen Verlobten, Frau G., gewesen, die er Ende 2007 über eine Partnervermittlung im Internet kennen gelernt und in die er sich verliebt habe. Sie beide hätten heiraten wollen, Frau G. sei jedoch im Februar 2008 in Saudi-Arabien nach vorherigem Koma an einer Blutvergiftung gestorben. Er, der Kläger, habe den Cousin seiner Verlobten und dessen Familie kennen lernen und von ihm verschiedene Geschenke entgegen nehmen wollen (Tücher, Parfüm), welche seine Verlobte der Ehefrau T.‘s in Saudi-Arabien übergeben habe. Die beim zweiten Treffen am 5. Januar 2008 in Mainz übergebenen CD’s seien Lern-CD’s für Kinder gewesen, die für die Kinder des T. bestimmt gewesen seien. An seinem dritten Treffen mit T. am 3. Februar 2008 hätten auch „Youssef“, der ein entfernter Bekannter sei, und I. teilgenommen, der ihm als ein Freund von T. vorgestellt worden sei. Auch bei diesem Treffen seien lediglich persönliche und „sonstige allgemeine Dinge“ besprochen worden. Der Jihad oder die Anwerbung zur Ausbildung in einem sog. „Terrorcamp“ seien nicht Gesprächsgegenstand gewesen. Ob er 2002 die vom Beklagten genannte Internetseite besucht und dort Gedichte heruntergeladen habe, sei ihm nicht mehr erinnerlich. Sein Ordnerdienst bei der palästinensischen Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. in 2001 sei nur untergeordneter Art gewesen und habe nur „kurzzeitig“ gedauert. Aus der religiösen Betätigung seines Schwiegervaters lasse sich keine verfassungsfeindliche Einstellung bei ihm selbst ableiten. Die Wohnung U. straße 172 habe er angemietet, weil er auf der Suche nach einer festen Beziehung gewesen sei und mit seiner zukünftigen Ehefrau dann eine eigene Wohnung habe beziehen wollen. Es sei keine konspirative Wohnung gewesen, sondern er habe sie als Nebenwohnung offiziell gemeldet.
13Die Ausländerbehörde des Beklagten führte am 6. Oktober 2010 und am 22. Februar 2011 Sicherheitsgespräche mit dem Kläger durch. Wegen der Gesprächsinhalte nimmt der Senat auf die hierüber vom Beklagten gefertigten Niederschriften Bezug.
14Im Erörterungstermin vom 25. Mai 2011 hat das Verwaltungsgericht den Kläger informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten seiner Angaben nimmt der Senat auf das Terminprotokoll Bezug.
15Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
16den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 aufzuheben.
17Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er hat die Auffassung vertreten, die Angaben des Klägers seien nicht überzeugend, weil er anlässlich der Telefonate die Satzbestandteile „über die Sache reden“ und „nicht am Telefon“ verwendet habe.
20Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid aufgehoben. Die Erkenntnisse des Beklagten trügen im Ergebnis weder die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung noch diejenige ihres vorwerfbaren Erwirkens. Seine Einbürgerung sei weder wegen seiner Kontakte zu T. noch wegen seiner Heirat der Tochter des Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“ noch wegen des Herunterladens von Inhalten über den Jihad auf der Internetseite www.azzam.de noch wegen des Anmietens einer nicht bezogenen Wohnung rechtswidrig. Auch ein vorwerfbares Erwirken der Einbürgerung durch arglistige Täuschung sei nicht feststellbar. Hierfür komme allenfalls die abgegebene Loyalitätserklärung in Betracht. Es fehle bereits an einer Unterstützungshandlung, von der auf ein subjektives Erkennen und vorsätzliches Verschweigen einer solchen geschlossen werden könne.
21Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung legt der Beklagte ergänzend ein Protokoll über die von ihm durchgeführte Zeugenvernehmung des deutschen Staatsangehörigen P., geb. am 1. Oktober 1968 in Suleimania/Irak, am 23. Mai 2013 in der Justizvollzugsanstalt Diez vor, der bei zumindest einem der Treffen I.‘s mit dem Kläger anwesend war. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage nimmt der Senat auf das Protokoll Bezug. Ferner legt der Beklagte einen an ihn gerichteten Brief des Zeugen P., in dem er sich ergänzend zu den ihm gestellten Fragen äußert, sowie das Protokoll von dessen Zeugenvernehmung durch das LKA Nordrhein-Westfalen am 10. Juni 2013 vor.
22Der Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
24Der Kläger beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Er macht ergänzend geltend, aus den Darlegungen des Beklagten werde nicht einmal ansatzweise ersichtlich, welche konkrete Unterstützungshandlung für eine verfassungsfeindliche Bestrebung er begangen haben solle. Seine angebliche Bereitschaft, sich für den bewaffneten Kampf im Ausland anwerben zu lassen, habe der Beklagte ihm lediglich unterstellt, aber nicht nachgewiesen, dass diese subjektive Tatsache auch tatsächlich vorgelegen habe. Es lägen lediglich Anhaltspunkte dafür vor, dass T. und I. potentielle Jihad-Kämpfer anwerben wollten. Auch sei nicht auszuschließen, dass T. den zunächst nur persönlichen Kontakt zu ihm habe ausnutzen wollen, um ihn für den Jihad anzuwerben und T. sich damit habe brüsten wollen, unter staatlicher Überwachung zu stehen. Aus den Akten ergebe sich jedoch kein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass T. seine Anwerbung auch ihm gegenüber offenbart habe.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Eilverfahrens 19 B 277/15 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (6 Hefte), der Strafakten 4126 Js 8066/07 der Staatsanwaltschaft Zweibrücken (6 Ordner) und der Beiakten des genannten Eilverfahrens Bezug.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung des Beklagten ist statthaft, nachdem der Senat sie zugelassen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das gilt sowohl für die darin unter Nr. 1 verfügte Rücknahme der Einbürgerung (A.) als auch für die in Nr. 2 enthaltene Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde (B.) sowie schließlich für die darin unter Nr. 4 ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs (C.). Die unter Nr. 3 getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Maßnahmen zu Nrn. 1 und 2 war Gegenstand nicht des vorliegenden Rechtsstreits, sondern des Eilverfahrens 19 B 277/15.
30A. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung in Nr. 1 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 35 Abs. 1 StAG. Die Vorschrift ist am 12. Februar 2009 in Kraft getreten und verdrängt als spezielle staatsangehörigkeitsrechtliche Rücknahmeermächtigung für den hier vorliegenden Fall einer erschlichenen Einbürgerung die allgemeine Rücknahmeermächtigung in § 48 VwVfG NRW.
31BVerwG, Urteil vom 9. September 2014 ‑ 1 C 10.14 ‑, StAZ 2015, 212, juris, Rdn. 18; Urteil vom 11. November 2010 ‑ 5 C 12.10 ‑, StAZ 2011, 281, juris, Rdn. 13; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 3. Dezember 2012 ‑ 11 K 1038/12 ‑, juris, Rdn. 20.
32Nach § 35 Abs. 1 StAG kann u. a. eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind. Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung erfolgen (Abs. 3). Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig (I.). Der Kläger hat sie durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die für seine Einbürgerung wesentlich waren (II.). Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist eingehalten (III.) und sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt (IV.). Der Rücknahmebescheid ist auch formell rechtmäßig (V.).
33I. Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig, weil sie gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verstieß. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (1. Alternative) oder die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (2. Alternative) oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (3. Alternative), es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Im Fall des Klägers rechtfertigen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass er zumindest in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 Bestrebungen unterstützt hat, die im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (1.). Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung dieser Bestrebungen abgewandt hat (2.).
341. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen im vorliegenden Fall die Annahme, dass der Kläger in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/ oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt hat, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Hierin liegt ein Unterstützungsverdacht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Das Terrornetzwerk Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative dieser Vorschrift durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten (a). Der genannte Unterstützungsverdacht ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen P., aus den Gesprächsinhalten in den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus sonstigen aussagekräftigen Indizien (b). Der erwähnte Aufbau des konspirativen Vertrauensverhältnisses mit dem Ziel einer Rekrutierung als Kämpfer für den Jihad, dessen der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren (c).
35a) Das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Diese Alternative ist § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG nachgebildet und erfasst politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Dazu gehören nicht nur gewaltanwendende oder ‑vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Ihr Anwendungsbereich geht insofern über die nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG untersagte politische Betätigung eines Ausländers hinaus. Denn § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hat die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG enthaltene Beschränkung auf Bestrebungen „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ nicht übernommen.
36BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 ‑ 5 C 1.11 ‑, BVerwGE 142, 132, juris, Rdn. 17; VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 29; Berlit, in: Fritz/Vormeier (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht (GK-StAR), Stand: Aktualisierungslieferung Nr. 33, November 2015, IV-2 § 11 StAG, Rdn. 130 f.
37Nach diesen Maßstäben erfüllten das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna im Frühjahr 2008 die Voraussetzungen des Bestrebungsbegriffs im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.
38Für die Erfüllung der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Al Qaida im Frühjahr 2008 ist maßgeblich, dass dieses Terrornetzwerk damals wie heute das Ziel verfolgt, die islamische Welt von westlichen Einflüssen zu befreien und dort Gottesstaaten auf der Grundlage der Scharia zu errichten. Hierzu führt es einen „Heiligen Krieg“ (Jihad) gegen die den eigenen Glauben und die Gemeinschaft der Gläubigen bedrohenden „Feinde des Islam“, zu denen sie die gesamte westliche Welt und die als „Apostaten“ angesehenen pro-westlichen Regime in den muslimischen Staaten zählt. Dazu gehört in aller erster Linie der Staat Israel, den Bin Laden als „Besatzungsstaat“ bezeichnet hat. Den Jihad versteht Al Qaida als gewaltsamen Kampf, sich hieran zu beteiligen sieht sie als individuelle Pflicht eines jeden rechtgläubigen Muslim an. Für ein legitimes Mittel des Jihad hält sie insbesondere die Verunsicherung des „Feindes“ durch terroristische Anschläge, die auf die Tötung einer möglichst großen Zahl von Menschen abzielen. Auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Alternative sind auch dadurch gefährdet, dass sich Al Qaida bei der Rekrutierung von Märtyrern für eine terroristische Ausbildung in einem Ausbildungslager auch in Deutschland lebender Muslime bedient, sei es, dass diese selbst rekrutiert werden sollen, sei es, dass sie die Rekrutierung und Schleusung islamistischer Kämpfer aus arabischen Ländern von Deutschland aus organisieren. Sind diese Muslime zugleich deutsche Staatsangehörige, macht sich Al Qaida auch die damit verbundene Reisefreiheit bewusst zunutze. Das belegen die tatsächlichen Feststellungen deutscher Strafgerichte in den vom Verfassungsschutz dokumentierten Strafverurteilungen.
39Bundesministerium des Innern (BMI), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 226, Verfassungsschutzbericht 2008, S. 217 f.; vgl. auch VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 30.
40Die Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna war im Frühjahr 2008 und ist bis heute ebenfalls eine terroristische Organisation, die ihre politischen Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen und durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt.
41Bay. VGH, Urteil vom 2. September 2013 ‑ 10 B 10.1713 ‑, juris, Rdn. 59; VG München, Urteil vom 14. Januar 2015 ‑ M 25 K 13.3143 ‑, juris, Rdn. 22; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.1.
42b) Der Verdacht gegen den Kläger, in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder der Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt zu haben, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, ergibt sich aus den folgenden Indiztatsachen, die zur vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit des Senats im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO feststehen: Der Kläger hat sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 insgesamt viermal mit T. und mindestens zweimal auch mit I. im Raum Mainz/Ludwigshafen getroffen (aa). Beide waren zum damaligen Zeitpunkt als Anwerber für zumindest eine der genannten Terrororganisationen tätig (bb). Der Kläger ist in der Absicht zu diesen Treffen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen (cc).
43aa) Die Treffen des Klägers mit den beiden genannten Personen ergeben sich aus den TKÜ-Protokollen und polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerken sowie teilweise auch aus dem Geständnis des Klägers, der eingeräumt hat, sich an den genannten Tagen insgesamt viermal mit T. und am 3. Februar 2008 auch mit I. getroffen zu haben. Zumindest ein weiteres Treffen des Klägers und K.‘s auch mit I. in Ludwigshafen ergibt sich aus dem polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk vom 17. März 2008, in dem KHK’in B. ein Telefonat I.‘s mit T.n am 14. Februar 2008 und das darauf folgende Geschehen wie folgt wiedergegeben hat:
44„Mitten im Gespräch wechselt I. plötzlich das Thema und erwähnt, dass T. unbedingt mit „denen“ am Wochenende kommen müsse. Es sei wichtig, dass sie kommen, denn „es“ könne jetzt sofort gehen. Er müsse mit ihnen reden.Tatsächlich setzte sich anschließend T. mit H. telefonisch in Verbindung und vereinbarte kurzfristig ein Treffen für den 16.02.08, zu dem H. und „Youssef“ wiederum per Bahn anreisten. Das Treffen mit I. fand noch am 16.02.08 in Ludwigshafen statt.“
45Auch im polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk des KHK V. vom 13. März 2008 heißt es, T., eine weitere Person, der Kläger und „Youssef“ seien am 16. Februar 2008 gemeinsam nach Ludwigshafen gefahren, wo ein Treffen mit I. habe beobachtet werden können. Vor dem Hintergrund dieser polizeilichen Feststellungen bewertet der Senat die abweichende Darstellung des Klägers lediglich als ein schlichtes und pauschales Bestreiten, I. habe T. in seiner (des Klägers) Gegenwart „nur einmal (in Wiesbaden) getroffen“ und dabei „in Anwesenheit des Klägers über allgemeine und allgemeinpolitische Dinge gesprochen …, nicht aber über den internationalen gewaltsamen ‚heiligen Krieg‘ oder über die Anwerbung des Klägers hierzu“ (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Dem hierauf bezogenen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung des I. ist der Senat nicht gefolgt, weil der Kläger keine konkreten positiven Beweistatsachen in das Wissen des Zeugen gestellt hat.
46bb) Dass I. und T. für die beiden genannten Terrororganisationen Kämpfer angeworben und Spenden gesammelt haben, ergibt sich zur Überzeugung des Senats vor allem aus den Angaben des Zeugen P. gegenüber dem Beklagten und dem LKA Nordrhein-Westfalen. Der Zeuge hat am 10. Juni 2013 I. anhand des ihm vorgelegten Lichtbildes zweifelsfrei identifiziert („Das ist der I.“) und auf die Frage des LKA, ob er Kontakt zu einer Organisation gehabt habe, geantwortet: „Er hatte Kontakt zur Ansar al-Islam.“ Ebenso hat der Zeuge auch T. auf dem ihm vorgelegten Lichtbild als „den Libanesen“ identifiziert, der „zwei Frauen hat“ und den er gemeinsam mit I. und einem „Marokkaner“ namens „O.“ mit einem „langen Bart“ „ungefähr im Jahr 2008 oder 2007“ vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe, weil I. von ihm, dem Zeugen P., zwei Pässe habe kaufen wollen für „O.“ und „eine andere arabisch stämmige Person“, die beide in den Irak „in den Jihad“ gewollt hätten. Auch in dem Brief an den Beklagten schreibt der Zeuge, I. habe ihm über T. erzählt, „dass derjenige zu den Anhängern von Al Qaida gehöre und er in den Irak zum Jihad gehen wolle“. Inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend hat der Zeuge des Weiteren auch in seiner Vernehmung am 23. Mai 2013 auf die Frage des Beklagten geantwortet, ob er den Namen der Gruppe kenne, für die I. angeworben habe: „Das globale System nennt sich Al Qaida. Die Ansar al-Islam zum Beispiel ist ja auch eine Gruppe, welche für Al Qaida arbeitet.“
47Bestätigung finden diese Angaben des Zeugen P. in den polizeilich überwachten Gesprächen zwischen I. und T. sowie zwischen T. und einer unbekannt gebliebenen anderen Person. So hat I. dem T. am 11. Mai 2007 während eines überwachten Kontakts in einem Fahrzeug mitgeteilt, dass sie jetzt „eine große Aufgabe, ein großes Programm“ hätten, weil sie „Leute“ „nach Tschetschenien schicken“ sollten und „er“ dafür „5.000 Euro von mir erwartet“. In einem weiteren überwachten Gespräch am 25. Mai 2007 hat T. einem Gesprächspartner mitgeteilt, Personen, die „nicht von Al Qaida“ gewesen seien, hätten ihn mit einer mitgebrachten Kalaschnikow „zu Hause bei mir trainiert“, „habe Ausbildung gehabt“.
48Der Kläger hat die Indizwirkung dieser Tatsachen auch nicht etwa in Abrede gestellt, insbesondere nicht den Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen P. in Zweifel gezogen, soweit sich diese auf den Anwerbezweck des Verhaltens von I. und T. beziehen. Insoweit hat der Kläger vielmehr eingeräumt, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass T. „gemeinsam und gleichsam im Auftrag“ des I. Dritte als potentielle Jihad-Kämpfer habe anwerben wollen, und es sei auch „nicht auszuschließen“, „dass T. den zunächst persönlichen Kontakt zu dem Kläger ausnutzen wollte, um diesen für den Jihad anzuwerben.“
49cc) Der Kläger ist in der Absicht zu den Treffen im Raum Mainz/Ludwigshafen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Diese Überzeugung gewinnt der Senat aus einer Gesamtbewertung ebenfalls zunächst der bereits zitierten Angaben des Zeugen P. sowie aus den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T..
50Der Zeuge P. hat den Kläger in seinen beiden Vernehmungen durch den Beklagten und durch das LKA Nordrhein-Westfalen jeweils nach Lichtbildvorlage als den „Marokkaner“ namens „O.“ bezeichnet, „der aus X. kam“ und den er einmal gemeinsam mit I. und T. vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe und der „auch in den Jihad“ gewollt habe. Zudem hat der Zeuge den Kläger in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten als „der Andere von Bild Nummer 3“ bezeichnet, für den I. von ihm (dem Zeugen P.) einen irakischen Pass habe kaufen wollen, weil er „in den Irak zum Jihad“ habe gehen wollen.
51Diese Angaben des Zeugen führen schon für sich genommen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eindeutig auf die Person des Klägers, jedenfalls steht dies aber im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus den TKÜ-Protokollen zur vollen Überzeugung des Senats fest. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Zeuge P. ihn auf den vorgelegten Lichtbildern jeweils nicht sofort mit Sicherheit zu identifizieren vermochte („Ich bin mir nicht sicher. Ich habe einmal diese Person getroffen ...“; „Es kann sein, dass es diese Person war.“). Denn seine anfängliche Unsicherheit zur Person des Klägers jedenfalls in seiner Vernehmung durch den Beklagten hat der Zeuge selbst beseitigt, indem er in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten eine eindeutige Zuordnung zum Kläger als der „Person auf Bild Nummer 3“ vorgenommen hat.
52Bestätigung findet diese tatsächliche Würdigung in der Tatsache, dass es in den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T. unter anderem auch um eine Passbeschaffung für den Kläger ging. Er hat T. am 11. April 2008 angerufen und dabei von ihm den Rat erteilt bekommen, „sich einen deutschen Pass zu besorgen“, worauf er geantwortet hat, er habe „dies schon versucht, aber es ist schwierig“. Sodann hieß es, vieles sei natürlich leichter mit einem deutschen Pass, z. B. das visafreie Reisen. Wahrheitswidrig ist hiernach die spätere Zeugenaussage des Klägers in seiner Vernehmung durch den Generalbundesanwalt im Ermittlungsverfahren gegen K. am 2. September 2013 in Köln. Darin hat der Kläger nach einer Unterbrechung der Vernehmung zum Zweck der Beratung mit seinem Anwalt ausdrücklich erklärt: „Ich kann nur wiederholen, dass es niemals um Pässe ging. Ich habe bei ihm (P.) nie Pässe bestellt oder über Pässe gesprochen. Das Gleiche gilt in Bezug auf T. und I.“
53Auch die Einlassung des Klägers, die Treffen mit T. und I. hätten ausschließlich familiären Charakter gehabt, bewertet der Senat als unglaubhaft. Sie erklärt insbesondere nicht, weshalb der Kläger mehrere Fahrten nach Mainz gemeinsam mit K. unternommen hat, der nach seinen Angaben nur ein „entfernter Bekannter“ von ihm gewesen sein soll, dessen Nachname ihm unbekannt gewesen sei. Der Senat teilt in diesem Punkt die Bewertung des Generalbundesanwalts im Strafverfahren gegen K., die Darstellung des Klägers sei als Schutzbehauptung zu werten, weil keine plausiblen anderweitigen Gründe zu erkennen seien, aus denen der Kläger K. mehrfach zu zeit- und kostenaufwändigen Reisen jeweils mit Übernachtung mitgenommen haben sollte (Anklageschrift vom 19. September 2013 ‑ 2 BJs 19/12-4, 2 StE 5/13-4 ‑, S. 17 f. unter „III. Der Ausreiseversuch mit H. im Jahr 2008“). Diese Bewertung hat der Generalbundesanwalt zutreffend gestützt auf die ausweichende und verharmlosende Antwort des Klägers in seiner bereits erwähnten Zeugenvernehmung auf die Frage nach dem Grund der Begleitung durch „Youssef“: „Er ist einfach mitgefahren. Ich habe ihn mitgenommen. Einen besonderen Grund gab es nicht. Wir sind mit der Bahn gefahren. Die Fahrkarte hat er selbst bezahlt.“. Dem in diesem Zusammenhang gestellten Beweisantrag des Klägers auf Einholung einer Auskunft des Generalbundesanwalts ist der Senat nicht gefolgt (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Es kommt nicht auf die damit unter Beweis gestellten Tatsachen an, wie oft sich K. mutmaßlich mit I. getroffen hat und wann es mutmaßlich zu einer Anwerbung des K. für den internationalen Jihad oder die DTM gekommen ist.
54Unglaubhaft ist insbesondere die Behauptung des Klägers, zentrales Motiv für die Reisen sei seine Liebe zu G. gewesen, deren Familienangehörige er habe kennen lernen wollen. Auffällig ist nämlich, dass in den auszugsweise wiedergegebenen TKÜ-Protokollen der abgehörten Telefonate zwischen dem Kläger und T. zwar die Heiratsvermittlung und die Eltern G.‘s Erwähnung finden, nicht aber deren Blutvergiftung, deren Koma und deren Tod in Saudi-Arabien im Februar 2008. Im Widerspruch zu dieser nachträglichen Darstellung hat der Kläger dem T. noch im Telefonat vom 20. April 2008 auf dessen Frage, was er, der Kläger, mit der „Verlobten“ gemacht habe, geantwortet, es sei „alles in Ordnung“. Gegen den Wahrheitsgehalt der genannten Behauptung des Klägers spricht weiter seine Antwort auf die Frage in der Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe. Wäre tatsächlich seine Liebe zu der angeblich im Februar 2008 verstorbenen G. zentrales Motiv für die Treffen mit T. gewesen, so hätte auf diese Frage keine Antwort näher gelegen als diejenige, der Kontakt zu T. sei wegen des Todes seiner Geliebten abgebrochen. Stattdessen hat der Kläger aber geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte.
55Die genannte Behauptung des Klägers erklärt des Weiteren nicht sein aus den TKÜ-Protokollen ablesbares Bemühen um einen Reisepass. Insbesondere bleibt unerklärlich, weshalb T. ihm noch im bereits erwähnten Telefonat vom 11. April 2008, also etwa zwei Monate nach dem angeblichen Versterben der G. im Februar 2008, den Rat gegeben haben sollte, sich einen deutschen Pass zu besorgen. Auch erklärt die Einlassung des Klägers nicht, weshalb T. und er am Telefon wiederholt konspirative Formulierungen verwendet haben („über die Sache reden“, „nicht am Telefon“). Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Behauptung des Klägers, nicht er, sondern nur T. habe am Telefon konspirative Formulierungen verwendet. So hat der Kläger den T. am 1. Januar 2008 angerufen und ihm mitgeteilt, er wolle über eine „Sache“ reden, woraufhin T. entgegnete, er wolle darüber „nicht am Telefon“ sprechen. Auch dieser Hinweis T.‘s ist nicht plausibel, wenn es von Seiten des Klägers tatsächlich nur um das Besprechen unverfänglicher Familienangelegenheiten hätte gehen sollen. Im Gegenteil hat T. selbst im Telefonat zwischen beiden am 18. März 2008 ausdrücklich die plausible Erklärung für sein konspiratives Verhalten geliefert, indem er dem Kläger den Hinweis gab: „A sagt, dass sie abgehört werden, daher will A nicht so viel über Telefon reden.“
56Unglaubhaft und in sich widersprüchlich ist auch der Einwand des Klägers, Hintergrund der beabsichtigten Geheimhaltung am Telefon sei ausschließlich die dem T. drohende Abschiebung, aber „keine zwischen ihm und dem Kläger geplanten wie auch immer gearteten terroristischen Aktivitäten“ gewesen. Denn die Abschiebung drohte dem T., wie die spätere Ausweisungsverfügung des Donnersbergkreises vom 29. April 2009 belegt, ausschließlich wegen seiner Verbindungen zu terroristischen Organisationen.
57c) Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/ Ansar al-Sunna mit dem Ziel, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, deren der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren. Der Unterstützungsbegriff in dieser Bestimmung erfasst jede Handlung eines Ausländers, die für eine der in dieser Vorschrift genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist, die dieser Ausländer für ihn erkennbar und von seinem Willen getragen zum Vorteil dieser Bestrebungen vornimmt und die nach Art und Gewicht auf eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen schließen lässt.
58BVerwG, Urteile vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 19 f., vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 16 und vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 18 m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2010 ‑ 19 A 1491/05 ‑, NWVBl. 2011, 271, juris, Rdn. 47 m. w. N.; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 96.
59Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses durch den Kläger auf seinen Reisen zu T. und I. in den Raum Mainz/Ludwigshafen im Frühjahr 2008 erfüllt diese Merkmale einer Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Es war für die beiden genannten Terrororganisationen objektiv vorteilhaft, in ihm einen weiteren Kämpfer für die gemeinsame Sache im Vorfeld eines bewaffneten Einsatzes im Jihad gewonnen zu haben. Demgegenüber steht einer Qualifizierung seines Verhaltens als Unterstützungshandlung nicht entgegen, dass seine Ausreise letztlich gescheitert ist. Denn für die Annahme einer Unterstützungshandlung ist nicht erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war.
60BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 20.
61Die zwischen I. und T. sowie dem Kläger geführten persönlichen Gespräche, der hierfür erforderliche Reise- und Übernachtungsaufwand, die dabei im Wege der TKÜ protokollierten Gesprächsauszüge aus Telefonaten sowie weitere Indizien lassen auch auf eine nach Art und Gewicht dauernde Identifikation des Klägers mit den politischen Zielen der beiden genannten Terrororganisationen schließen. Insbesondere greift der Einwand des Klägers in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht durch, es sei allenfalls zu einem losen Kontakt zwischen ihm auf der einen Seite sowie I. und T. auf der anderen Seite gekommen, der die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis noch nicht überschritten habe und der als einfacher Kontakt „selbst zum schwärzesten aller Ritter“ nicht für die Annahme einer Unterstützungshandlung ausreiche. Dieser Einwand steht im Widerspruch zu den konspirativen Äußerungen auch des Klägers selbst gegenüber T., die sich aus den TKÜ-Protokollen ergeben. Danach war die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis zwischen beiden Personen jedenfalls am 1. Januar 2008 überschritten, als der Kläger T. anrief und ihn bat, mit ihm über „die Sache“ zu reden, und T. diese Bitte mit der Bemerkung „nicht am Telefon“ ablehnte.
62Eine dauerhafte Identifikation des Klägers mit gewaltbereiten islamistischen Bestrebungen lässt sich zudem seit seiner Jugendzeit aus mehreren weiteren Indizien rückschließen. Dazu gehört zunächst seine Äußerung im Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts, in der er „die ganze Muslimbruderschaft“ als „ganz harmlos“ bezeichnete, eine sunnitische islamistische Bewegung also, deren zentrale Organisation in Deutschland, die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) mit Hauptsitz in Köln, durch einen offenen Brief ihres Vorsitzenden Samir Falah vom 27. Juli 2013 mit folgenden Worten sinngemäß zum gewaltsamen Kampf im Nahen Osten aufrief: „Keiner wird junge Menschen davon abhalten können, Waffen in die Hand zu nehmen, um gegen diese Ungerechtigkeiten in den Kampf zu ziehen. Wir warnen daher vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten.“
63BMI, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 244.
64Weiteres Indiz hierfür ist die unbestritten gebliebene Mitteilung eines Sozialarbeiters am Berufskolleg M.-Schule in E. aus dem Jahre 2002, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Diese Mitteilung hat der Kläger lediglich dahin kommentiert, dass der genannte Vorfall zu lange her sei und er sich deshalb nicht mehr an ihn erinnern könne. Darin liegt keine inhaltliche Distanzierung von der in diesem Herunterladen zum Ausdruck kommenden radikalen islamistischen Geisteshaltung. Als weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung hat der Beklagte zutreffend seine familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags sowie seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001 angeführt.
65Mit der vorstehenden Würdigung stuft der Senat das aktive Herstellen eines konspirativen Vertrauensverhältnisses zum Zweck der Anwerbung für den Jihad unabhängig davon als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ein, von welcher Seite die Initiative hierfür ausgeht und von welcher Seite es betrieben wird. Sowohl der Anwerbende oder dessen Mittelsmann als auch derjenige, der sich als islamistischer Kämpfer anwerben lässt, unterstützen die hierauf gerichtete Bestrebung, sofern ihr Handeln die oben genannten Voraussetzungen des Unterstützungsbegriffs erfüllt.
66Zur „Missionierung“ vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2013 ‑ 19 E 8/12 ‑, juris, Rdn. 3; zum Anwerben von Kämpfern Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.
672. Der Kläger hatte im Zeitpunkt seiner Einbürgerung auch nicht glaubhaft gemacht, sich von der Unterstützung der bezeichneten Terrororganisationen abgewandt zu haben. Das Sich-Abwenden von verfassungswidrigen Bestrebungen ist ein innerer Vorgang. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt oder unterstützt zu haben.
68BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 47; OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 2016 ‑ 19 A 1214/11 ‑, juris, Rdn. 56.
69Grundvoraussetzung des Sich-Abwendens ist hiernach die Einsicht des Ausländers in die Verfassungswidrigkeit seines bisherigen Handelns. Bereits hieran fehlte es im Fall des Klägers sowohl im Zeitpunkt seiner Einbürgerung als auch in der Zeit danach.
70Insbesondere hat sich der Kläger nicht dadurch abgewandt, dass er den Kontakt zu T. in der Zeit nach der Festnahme I.‘s am 20. Februar 2008 von sich aus abgebrochen und angekündigte Trefftermine abgesagt hat. Auf die hierauf zielende Frage in der ausländerbehördlichen Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe, hat der Kläger nämlich lediglich ausweichend und nichtssagend geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte. Aus diesen Äußerungen des Klägers geht nicht hervor, was er mit „diesen Sachen“ meinte, mit denen er nichts mehr zu tun haben möchte. Erst recht lassen sie keine Einsicht des Klägers in die Verfassungswidrigkeit seiner Rekrutierungsbemühungen sowie eine innere Abkehr von der hierfür maßgeblichen radikal-islamistischen Einstellung erkennen. Sein Aussageverhalten in der genannten Sicherheitsbefragung ist vielmehr geprägt von Äußerungen, mit denen er seine Rolle bei den Rekrutierungsbemühungen T.‘s und I.‘s herunterzuspielen versuchte.
71II. Der Kläger hat seine hiernach rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die hierfür wesentlich waren. Mit dem Tatbestandsmerkmal der arglistigen Täuschung knüpft § 35 Abs. 1 StAG an den entsprechenden Begriff im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht an (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Der Adressat eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes begeht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine arglistige Täuschung in diesem Sinn, wenn er den maßgeblichen Bediensteten der Behörde in seiner Entscheidung beeinflusst, indem er bei diesem einen Irrtum über entscheidungserhebliche Tatsachen hervorruft, deren Unrichtigkeit der Adressat kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt.
72BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2007 ‑ 5 B 132.07 ‑, juris, Rdn. 4; Urteil vom 24. Oktober 1996 ‑ 2 C 23.96 ‑, BVerwGE 102, 178, juris, Rdn. 14; Urteil vom 18. September 1985 ‑ 2 C 30.84 ‑, DVBl. 1986, 148, juris, Rdn. 24; OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, juris, Rdn. 99.
73Nach diesem Maßstab hat der Kläger mit seiner Unterschrift unter seine Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 die objektiv unzutreffende Erklärung abgegeben, keine Bestrebungen unterstützt zu haben, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Nr. 2 Buchstabe c) seiner Loyalitätserklärung).
74Zur Überzeugung des Senats hatte der Kläger bei der Unterschrift unter diese Erklärung auch den erforderlichen Täuschungsvorsatz. Diesen Rückschluss zieht der Senat aus dem Umstand, dass er sich für die Stellung des Einbürgerungsantrags seinen Vollbart abrasiert hat, obwohl der Bart nach seinen telefonischen Angaben gegenüber T. „mein Leben“ ist und er dementsprechend auch heute wieder einen Vollbart trägt. Diese Äußerung lässt den Schluss zu, dass er das Tragen eines Vollbartes als ein unbedingt verpflichtendes Gebot seines streng sunnitisch-islamistischen Glaubens empfindet und er gerade diese radikale religiöse innere Einstellung gegenüber der Einbürgerungsbehörde des Beklagten verbergen wollte. Hinzu kommt, dass er sich über die Rechts- und Verfassungswidrigkeit ihres beiderseitigen Handelns spätestens seit den telefonischen Hinweisen T.‘s in den bereits erwähnten Telefonaten am 1. Januar und am 18. März 2008 im Klaren war, „dass sie abgehört werden“ und er deshalb über die „Sache“ nicht am Telefon reden wolle.
75Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger als Nichtjurist zwischen den verschiedenen, aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG in die unterzeichnete Formularerklärung übernommenen Alternativen verfassungswidriger Bestrebungen zu differenzieren vermochte, ob er wusste, für welche konkreten Gruppierung(en) T. und I. Jihad-Kämpfer rekrutierten und als welche Art verfassungsfeindlicher Bestrebung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG diese rechtlich einzuordnen war. Denn für die Arglist im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG genügt eine Parallelwertung in der Laiensphäre. Ausreichend ist also, dass er in der Lage war, von der behördlichen oder polizeilichen Telefonüberwachung zumindest der von T. genutzten Anschlüsse auf die Rechts- und Verfassungswidrigkeit auch seines eigenen Handelns zu schließen. Aufgrund seines schulischen und beruflichen Werdeganges und eines Rückschlusses aus seinem taktischen Aussageverhalten in den Sicherheitsbefragungen, in der Zeugenvernehmung im Strafverfahren gegen K. und im erstinstanzlichen Erörterungstermin ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger diese Fähigkeit am 16. Juni 2010 besaß.
76Die unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 ist tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Täuschung über den Ausschlussgrund in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unabhängig davon, ob man die entsprechende Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG materiell oder lediglich formell versteht.
77Für ein materielles Verständnis: BayVGH, Urteil vom 19. Januar 2012 ‑ 5 B 11.732 ‑, BayVBl. 2012, 565, juris, Rdn. 19, 22; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 7. März 2013 ‑ 1 S 617/13 ‑, und vom 20. Februar 2008 ‑ 13 S 1169/07 ‑, juris, Rdn. 27; VG Aachen, Urteil vom 19. November 2015 ‑ 5 K 480/14 ‑, juris, Rdn. 65 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. April 2015 ‑ 11 K 5984/14 ‑, InfAuslR 2015, 347, juris, Rdn. 42; Dollinger/Heusch, VBlBW 2006, 216 (218); anders VG Köln, Urteil vom 13. April 2011 ‑ 10 K 201/10 ‑, juris, Rdn. 41 ‑ 44; Berlit, a. a. O., § 10 StAG, Rdn. 134 ff.
78Denn gerade auch bei einem lediglich formellen Verständnis der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG abzugebenden Loyalitätserklärung bildet diese die Grundlage für die materielle Prüfung des Ausschlussgrundes in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch die Einbürgerungsbehörde.
79Die arglistig unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 war auch im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG „wesentlich“ und kausal („erwirkt“) für die Einbürgerungsentscheidung des Beklagten. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Loyalitätserklärung die Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG betrifft, während sich die Rechtswidrigkeit der am 8. September 2010 vollzogenen Einbürgerung des Klägers nach dem oben unter I. Ausgeführten aus einem Verstoß gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergibt. Denn dieser Ausschlussgrund steht mit den Erklärungserfordernissen in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG, wie bereits ausgeführt, in einem engen inhaltlichen Zusammenhang.
80III. Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist nach § 35 Abs. 3 StAG eingehalten. Er hat dem Kläger den Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 am selben Tag persönlich übergeben. Zu diesem Zeitpunkt lag die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 8. September 2010 erst etwa vier Wochen zurück.
81Dass dieser Zeitpunkt inzwischen mehr als fünf Jahre zurückliegt, ist unerheblich. Denn die Rücknahmefrist in § 35 Abs. 3 StAG konkretisiert den in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Begriff der „zeitnahen“ Rücknahme, der sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme, also bis zur Bekanntgabe des Rücknahmebescheides verstrichenen Zeitraum bezieht. Mit der Bekanntgabe des Rücknahmebescheides entfällt die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Eingebürgerten in den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit.
82BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 ‑ 2 BvR 669/04 ‑, BVerfGE 116, 24, juris, Rdn. 72, 76, 89; BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2008 ‑ 5 C 32.07 ‑, NVwZ 2008, 1249, juris, Rdn. 15; Urteil vom 14. Februar 2008 ‑ 5 C 4.07 ‑, BVerwGE 130, 209, juris, Rdn. 15.
83IV. Der Beklagte hat sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt. Er hat dem öffentlichen Interesse an der Rückgängigmachung der rechtswidrigen Einbürgerung des Klägers ohne Ermessensfehler den Vorrang vor dessen privatem Interesse am Erhalt seiner deutschen Staatsangehörigkeit gegeben. Am Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO und des § 40 VwVfG NRW kann der Senat insbesondere nicht beanstanden, dass der Beklagte das Klägerinteresse nur mit geringem Gewicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt hat. Denn der Kläger war im Zeitpunkt der Rücknahme erst seit knapp einem Monat im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. In diesem kurzen Zeitraum konnte er zudem sein ohnehin nicht schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestand noch nicht betätigen, insbesondere die angekündigte Türkeireise noch nicht antreten, weil ihm noch kein deutsches Ausweisdokument ausgestellt worden war. Er wurde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil der Beklagte ihn unter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit eingebürgert hatte (§ 35 Abs. 2 StAG). Die Rücknahme hatte und hat auch keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Auswirkungen auf Familienmitglieder des Klägers (§ 35 Abs. 5 StAG). Seine Ehefrau und seine Tochter sind und bleiben unabhängig von seiner Einbürgerung und deren Rücknahme deutsche Staatsangehörige. Entgegen seiner Auffassung liegt auch kein Ermessensfehler darin, dass der Beklagte im angefochtenen Rücknahmebescheid keine Ausführungen zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland gemacht hat. Denn hierbei handelt es sich um eine ausschließlich aufenthaltsrechtliche Frage.
84Des Weiteren ist der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung auch von einem im Wesentlichen zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Unwesentlich in diesem Sinn ist seine irrige Annahme im Rücknahmebescheid, der Kläger habe sich dreimal (statt tatsächlich mindestens viermal) mit T. persönlich getroffen. Hierbei handelt es sich allenfalls um einen Irrtum zugunsten des Klägers, von dem im Übrigen auch die im Ergebnis zutreffende tatsächliche Schlussfolgerung des Beklagten unberührt bleibt, aus den bekannt gewordenen Gesamtumständen dieser Treffen sei auf ein entsprechendes konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen zu schließen. Ebenfalls ohne Auswirkung auf die Ermessensentscheidung bleibt die irrige Annahme des Beklagten, der Kläger habe in den Telefonaten mit T. selber angegeben, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen, während dieser Hinweis in Wahrheit nicht vom Kläger, sondern von T. stammte. Auch diese irrige Sachverhaltsannahme des Beklagten lässt seine tatsächliche Schlussfolgerung auf ein konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen unberührt.
85V. Der Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 ist schließlich auch formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte fehlerfrei von einer vorherigen Anhörung des Klägers nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW abgesehen und sich hierfür auf die Ausnahmetatbestände in § 28 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwVfG NRW gestützt. Nach diesen Vorschriften kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint oder wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen. Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW hat der Beklagte hier zu Recht aus dem Untertauchen T.‘s Mitte September 2010 sowie aus der Äußerung des Klägers gegenüber seinem Bürgerbüro abgeleitet, am 7. oder 8. Oktober 2010 in die Türkei reisen zu wollen und hierfür dringend einen Personalausweis zu benötigen. Mit der Androhung unmittelbaren Zwangs zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde hat der Beklagte auch im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung getroffen.
86B. Auch die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde in Nr. 2 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist zulässig. Insbesondere ist diese Aufforderung nach wie vor wirksam, obwohl der Kläger sie bei der persönlichen Übergabe des Rücknahmebescheides am Morgen des 5. Oktober 2010 um 7.30 Uhr sofort erfüllt hat. Denn sie stellt weiterhin den Rechtsgrund für das Behaltendürfen dieser Urkunde durch den Beklagten dar.
87Die Klage ist auch insoweit unbegründet. Rechtsgrundlage für die Rückgabeaufforderung ist § 52 Satz 1 VwVfG NRW. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts auf eine zurückgenommene Einbürgerung sollte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers von der Einführung der Spezialregelung in § 35 StAG unberührt bleiben.
88Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 549/08 vom 8. August 2008, S. 8.
89Nach § 52 Satz 1 VwVfG NRW kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden zurückfordern, wenn dieser unanfechtbar zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Hier ist die Wirksamkeit der Einbürgerung des Klägers im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW „aus einem anderen Grund“ nicht mehr gegeben, nämlich weil der Beklagte in Nr. 3 des angefochtenen Bescheides die sofortige Vollziehung seiner Rücknahmeentscheidung in Nr. 1 angeordnet hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung ist ein solcher „anderer Grund“ im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW, der die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes trotz der gegen seine Rücknahme erhobenen Klage entfallen lässt.
90OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1990 ‑ 5 A 1692/89 ‑, NWVBl 1990, 386, juris, Rdn. 19 m. w. N.; VG Arnsberg, Urteil vom 7. September 2005 ‑ 1 K 4045/04 ‑, juris, Rdn. 41.
91C. Rechtsgrundlage für die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 4 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 62 VwVG NRW. Die bestimmte Frist, die Einbürgerungsurkunde „unverzüglich“ herauszugeben, war angemessen im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW. Maßgeblich für diese Bewertung sind die Umstände, aus denen der Senat oben unter A.V. bereits die Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW abgeleitet hat.
92Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
94Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist seit Dezember 1987 mit Fatma K. verheiratet. Seine Ehefrau wurde im Mai 1995 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
- 2
-
Nach einem erfolglosen, u.a. auf die Mitgliedschaft in der "Partiya Karkerên Kurdistan" (Arbeiterpartei Kurdistans, im Folgenden: PKK) gestützten Asylbegehren begab sich der Kläger nach Frankreich, wo er im Februar 1986 als politischer Flüchtling anerkannt, ihm der Aufenthalt gestattet und ein Reiseausweis ausgestellt wurde. Er war Mitglied des Vorstands des im Mai 1988 bei dem Amtsgericht Bonn - Vereinsregister - eingetragen Vereins "Union Patriotischer Intellektueller Kurdistans (YRWK)".
- 3
-
Im Oktober 1992 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein. Die Ausländerbehörde der Stadt Köln erteilte ihm erstmals im Dezember 1992 eine Aufenthaltserlaubnis, im November 1995 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und im Juni 2002 eine Aufenthaltsberechtigung.
- 4
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Bereits im März 1989 hatte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet. Er wurde verdächtigt, unter dem Decknamen "N." Pässe zu fälschen, mit denen die PKK Angehörige ausstattete, denen die Aufgabe zukam, "Feinde" der Partei zu töten. Im August 1994 stellte der Generalbundesanwalt das Verfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein.
- 5
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Mit in Rechtskraft erwachsenem Strafbefehl vom 24. Juni 1999 wurde gegen den Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen festgesetzt. Er wurde beschuldigt, seine Festnahme erschwert zu haben, als er im Zuge einer Demonstration aus Anlass der Festnahme des PKK-Führers Öcalan mit einer großen Gruppe weiterer Demonstranten das Kölner Parteibüro der SPD zu erstürmen versuchte.
- 6
-
Bereits am 22. Juli 1997 hatte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband beantragt. Die Beklagte hatte den unbeschränkt gestellten Antrag als auf die Einbürgerung nach § 9 RuStAG gerichtetes Begehren behandelt und mit Blick auf das seinerzeitige Nichtbestehen einer dreijährigen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen im Einvernehmen mit dem Kläger zunächst zurückgestellt. Auf ihre Anregung hin stellte dieser seinen Antrag am 20. Juni 2000 "von § 9 StAG auf § 85 AuslG" um. Mit Bescheid vom 19. Juni 2002 lehnte sie den Antrag auf Einbürgerung nach § 85 AuslG ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
- 7
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Einer Einbürgerung stehe § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen. Der Kläger habe die PKK und damit eine Bestrebung unterstützt, die sowohl gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sei als auch durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Er habe den Ausschlussgrund jeweils selbstständig tragend durch mehrere Unterstützungshandlungen zum Vorteil der PKK verwirklicht. Als Unterstützungshandlungen seien sowohl die Passfälschungen als auch die Teilnahme an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln zu werten. Beide Unterstützungshandlungen dürften ihm weiterhin entgegengehalten werden. Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG erfasse Handlungen nicht, die als Verfolgungs- oder Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren seien. Dessen ungeachtet erstrecke es sich nicht auf die Passfälschungen, da diese nicht durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet worden seien. Jedenfalls unterfielen beide Unterstützungshandlungen dem Ausnahmetatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, sich von der früheren Unterstützung der PKK abgewandt zu haben.
- 8
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Zur Begründung seiner Revision führt der Kläger aus, das Berufungsurteil sei, soweit es die Passfälschungen betreffe, verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Jedenfalls beruhe es auf einer Verletzung des § 51 Abs. 1 BZRG, da das Verwertungsverbot der Anwendung des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegenstehe. Er habe im Übrigen glaubhaft gemacht, sich von der früheren Verfolgung und Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen abgewandt zu haben.
- 9
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Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
- 10
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband hat.
- 11
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Anspruchseinbürgerung (1.). Diese ist gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) vom 22. Juli 1913 (RGBl S. 583), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258), ausgeschlossen (2.).
- 12
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1. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht das Begehren des Klägers allein unter dem Gesichtspunkt der Anspruchseinbürgerung gewürdigt.
- 13
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der Antrag eines Ausländers auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband grundsätzlich sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren unter sämtlichen denkbaren Anspruchsgrundlagen zu prüfen ist. Der Antrag ist regelmäßig auf die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gerichtet unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage diese beruht. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Einbürgerungsbewerber von der Möglichkeit Gebrauch macht, seinen Antrag auf eine bestimmte Rechtsgrundlage zu beschränken. Eine solche Beschränkung setzt eine eindeutige Erklärung des Ausländers voraus, der ein entsprechender Wille unzweifelhaft zu entnehmen ist (Urteil vom 20. April 2004 - BVerwG 1 C 16.03 - BVerwGE 120, 305 <308> = Buchholz 402.240 § 102a AuslG Nr. 3 S. 4 f.; vgl. Nr. 8.1.1 Abs. 3 StAR-VwV sowie Nr. 8.1.1 Abs. 3 VAH-StAG). So verhält es sich hier.
- 14
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Der Kläger hat seinen ursprünglichen Einbürgerungsantrag vom 22. Juli 1997 gegenüber der Beklagten am 20. Juni 2000 ausdrücklich "von § 9 Staatsangehörigkeitsgesetz nach § 85 Ausländergesetz" umgestellt. Er hat dadurch mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit zu erkennen gegeben, dass über seinen Einbürgerungsanspruch nur noch unter dem Gesichtspunkt der Anspruchseinbürgerung nach § 85 AuslG (jetzt: § 10 StAG) entschieden werden soll. Diese Beschränkung hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Der Senat ist berechtigt, den Inhalt des klägerischen Begehrens eigenständig zu ermitteln. Zwar handelt es sich dabei um eine dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrte Tatsachenfeststellung. Diese kann hier jedoch vom Revisionsgericht ausnahmsweise jedenfalls deshalb vorgenommen werden, weil das Oberverwaltungsgericht keine Auslegung des Antrags des Klägers vorgenommen hat (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2005 - BVerwG 7 C 8.05 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 36 Rn. 30).
- 15
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2. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass einem Rechtsanspruch des Klägers auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt zu haben.
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In revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen entsprechende Bestrebungen verfolgen (a) und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die PKK unterstützt hat (b), ohne glaubhaft gemacht zu haben, sich von dieser Unterstützung zwischenzeitlich abgewandt zu haben (c).
- 17
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a) Der Begriff "Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind", im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 StAG ist § 4 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes in der Fassung vom 20. Dezember 1990 (BGBl I S. 2954) entlehnt. Danach sind solche Bestrebungen politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen (vgl. Berlit, in: GK-StAR § 11 StAG Rn. 119, 121 und 131 f.). Bestrebungen, die im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sind solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Es werden nicht nur gewaltanwendende oder vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen erfasst, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Bei einer exilpolitischen Betätigung muss die Eignung hinzutreten, die Beziehung der Bundesrepublik Deutschland zu einem ausländischen Staat zu belasten oder zu beeinträchtigen.
- 18
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Von diesem Maßstab ist das Berufungsgericht erkennbar ausgegangen. Seine von der Revision nicht angegriffene tatsächliche Würdigung, die PKK gefährde durch Spendengelderpressungen und Bestrafungsaktionen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und durch die Aufrechterhaltung militärischer Kampfeinheiten im kurdischen Siedlungsgebiet der Türkei und die Anwendung von Waffengewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
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b) Unterstützen ist jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Dies muss für den Ausländer erkennbar sein. Er muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen (stRspr, vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009 - BVerwG 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 320 Rn. 16).
- 20
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Der Ausschlussgrund der Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Das Verhalten, dessen der Ausländer verdächtig ist, muss für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG darstellen. Einzelne Unterstützungshandlungen hindern als tatsächliche Anhaltspunkte die Einbürgerung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zudem nur und erst dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen zu indizieren. Ob nach diesen Grundsätzen eine tatbestandsmäßige Unterstützung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen (Urteil vom 22. Februar 2007 - BVerwG 5 C 20.05 - BVerwGE 128, 140 Rn. 19 und Beschluss vom 27. Januar 2009 - BVerwG 5 B 51.08 - juris Rn. 5).
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Ausgehend von diesen von der Revision nicht angegriffenen Maßstäben hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG u.a. dadurch unterstützt hat, dass er in der Zeit von 1988 bis zum Februar 1994 unter dem Decknamen "N." Passfälschungen für die PKK durchgeführt hat. Seine Überzeugungsgewissheit hat es aus Indiztatsachen gewonnen. Als solche hat es die Bestätigung der Ehefrau des Klägers, dieser führe den Decknamen "N.", die Erwähnung des "N." als Ehemann der Fatma K. in einem Kassettenmitschnitt, die Aussage der als Kronzeugen vernommenen Person, "N." sei der Schwager des Hasan K., die im Keller der Ehewohnung beschlagnahmten Gegenstände, den Eintrag der Festnetz-Rufnummer der Ehefrau als Rufnummer des "N." in drei beschlagnahmten Telefonlisten sowie den Umstand gewürdigt, dass die Ehefrau des Klägers in der Lage war, nach dessen Festnahme im März 1994 binnen zwei Tagen eine Kaution in Höhe von 20 000 DM zu hinterlegen.
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An diese Tatsachenfeststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen ohne Erfolg bleiben (aa). Die Würdigung der Passfälschertätigkeit des Klägers als frühere Unterstützungshandlung verstößt weder gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (bb) noch gegen die Unschuldsvermutung (cc). Die Angriffe der Revision gegen die ebenfalls als Unterstützungshandlung gewürdigte Teilnahme des Klägers an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln gehen ins Leere (dd).
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aa) Die von der Revision erhobenen Rügen eines Verstoßes gegen den Untersuchungsgrundsatz (1), einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht (2) und eines Verstoßes gegen Denkgesetze (3) bleiben ohne Erfolg.
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(1) Es kann dahinstehen, ob die Rüge, das Berufungsgericht habe dadurch, dass es die Aussage der Ehefrau des Klägers allein auf der Grundlage eines behördlichen Vermerks gewürdigt hat, gegen den Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, den Darlegungserfordernissen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügt, da sie jedenfalls unbegründet ist.
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Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet es, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Aufklärungsmöglichkeiten bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu nutzen; dies schließt eine Bindung an die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ermittelten tatsächlichen Feststellungen grundsätzlich aus. Das Gericht muss daher alle Aufklärungsbemühungen unternehmen, auf die die Beteiligten - insbesondere durch begründete Beweisanträge - hinwirken oder die sich hiervon unabhängig aufdrängen (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10 - NVwZ-RR 2011, 986
). Dabei stellt die Aufklärungsrüge kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und vom 22. März 2006 - BVerwG 4 B 15.06 - juris Rn. 7).
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Sind - wie hier - keine förmlichen Beweisanträge gestellt, so bestimmt das Gericht den Umfang seiner Aufklärung nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es überschreitet die Grenzen dieses Ermessens, wenn es eine Ermittlung unterlässt, die sich nach den Umständen des Falles - auch nach dem Vorbringen der Beteiligten - von seinem Rechtsstandpunkt aus aufdrängen musste (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 a.a.O. und vom 2. November 2007 - BVerwG 3 B 58.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 70 m.w.N.). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung drängt sich auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag auf, wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen seine Entscheidung noch nicht sicher tragen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Einwände erhebt. Denn in einem solchen Fall ist das Gericht gehindert, seine Entscheidung unter Übergehung der Einwände auf das angegriffene Beweisergebnis zu stützen (vgl. Beschluss vom 14. September 2007 - BVerwG 4 B 37.07 - juris Rn. 3).
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Das Oberverwaltungsgericht war nicht deshalb zu weiterer Sachaufklärung verpflichtet, weil der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Mai 2010 auch die "vom Verwaltungsgericht unberücksichtigt gebliebenen Beweisanträge" wiederholt hat. Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz diese Beweisanregung als unsubstantiiert gewürdigt und hierzu ausgeführt hat, sie erschöpfe sich in einem schlichten Bestreiten der Indiztatsache des Geständnisses der Ehefrau des Klägers, ohne konkrete positive Tatsachen in das Wissen der Zeugin zu stellen, die diese Indiztatsache entkräften oder im Ergebnis eine andere tatsächliche Würdigung rechtfertigen könnten. Einzelheiten, die Rückschlüsse auf eine unrichtige Beurkundung der Aussage seiner Ehefrau zulassen, legt der Kläger nicht dar. Seine Beweisanregung verhält sich weder zu dem Ablauf der Vernehmung durch das Bundeskriminalamt noch zu der Reaktion seiner Ehefrau auf den seinerzeitigen Vorhalt, obwohl hierzu nicht zuletzt mit Blick auf die Gesamtheit der von dem Verwaltungsgericht gewürdigten Indizien Veranlassung bestanden hätte.
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(2) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe dadurch, dass es unterlassen habe, auf die mangelnde Substantiierung des die Vernehmung der Ehefrau des Klägers und des Hasan K. betreffenden Beweisantritts hinzuweisen, gegen seine Pflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO verstoßen.
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Diese Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen. Hiergegen verstößt das Gericht, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit welcher der unterlegene Beteiligte nach dem Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 6 C 49.68 - BVerwGE 36, 264 <266 f.>; Beschlüsse vom 29. Juli 2004 - BVerwG 9 B 23.04 - juris Rn. 2 m.w.N. und vom 4. Juli 2007 - BVerwG 7 B 18.07 - juris Rn. 5). So liegen die Dinge hier jedoch nicht.
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Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger anwaltlich vertreten und die Belehrungspflicht aus diesem Grund ohnehin ihrem Umfang nach eingeschränkt war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 170/85 - NVwZ 1992, 259 <260>; BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1965 - BVerwG 2 C 195.62 - BVerwGE 21, 217 <218> = Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 4), waren die Beweisanträge bereits im erstinstanzlichen Verfahren - wenngleich mit anderer Begründung - abgelehnt worden. Der Umstand, dass das Berufungsgericht die Revision wegen der Überprüfungsbedürftigkeit der Feststellung, der Kläger sei unter dem Decknamen "N." für die PKK tätig gewesen, zugelassen hat, konnte kein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, dass das Berufungsgericht den Anträgen stattgeben würde. Dies gilt umso mehr, als dem Umstand, dass das Berufungsgericht zur Berufungsverhandlung - wie aus der Terminsladung und der darin enthaltenen Bitte, sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu erklären, ersichtlich ist - keine Zeugen geladen hatte, zu entnehmen war, dass es eine Zeugenvernehmung nicht für erforderlich hielt. In dieser Situation wäre es Sache des Klägers gewesen, in prozessual geeigneter Weise auf die von ihm für geboten erachtete Beweiserhebung hinzuwirken (vgl. Beschluss vom 27. Januar 2006 - BVerwG 5 B 98.05 - juris Rn. 9). Dementsprechend durfte das Berufungsgericht in der konkreten Prozesssituation abwarten, welche Beweisanträge in welcher Form in der mündlichen Verhandlung tatsächlich gestellt werden würden. Es war nicht gehalten, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es die Beweisanregungen rechtlich bewertete. Dies gilt umso mehr, als sich deren tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, vgl. Beschluss vom 21. September 2011 - BVerwG 5 B 11.11 - juris Rn. 3 m.w.N.).
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(3) Ebenfalls erfolglos rügt die Revision einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Rüge einer fehlerhaften Sachverhaltswürdigung ist revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrens-, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und kann deshalb einen Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründen. Eine Ausnahme gilt unter anderem für die gegen Denk- oder Naturgesetze verstoßende Sachverhaltswürdigung (Beschluss vom 21. September 2011 a.a.O. juris Rn. 9). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht jedoch schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der vom Verfahrensbeteiligten favorisierte Schluss vielleicht sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Februar 1972 - BVerwG 8 B 3.72/8 C 7.72 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 und vom 21. September 1982 - BVerwG 2 B 12.82 - NJW 1983, 62 <63>).
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Die von der Revision gerügten Verstöße gegen Denkgesetze werden nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.
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Soweit sich die Rüge gegen die Würdigung des Berufungsgerichts richtet, die am 5. Juli 1989 im Keller der Ehewohnung beschlagnahmten Gegenstände deuteten auf die Identität des Klägers mit dem Decknamen "N." hin, beschränkt sie sich auf eine in die Form einer Verfahrensrüge gekleidete inhaltliche Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Sie setzt dieser eine eigene Würdigung entgegen, ohne jedoch Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrenssätze verstoßende Würdigung der Erkenntnismittel zu benennen. Insbesondere zeigt sie nicht auf, welche Denkgesetze das Berufungsgericht bei der Würdigung des Sachverhalts außer Acht gelassen haben sollte. Hierfür ist dem Beschwerdevorbringen auch im Übrigen nichts zu entnehmen.
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Ein Verstoß gegen Denkgesetze wird auch nicht hinsichtlich der Würdigung des Berufungsgerichts aufgezeigt, Indiz für eine enge Verbindung des Klägers mit der PKK sei auch der Umstand, dass seine Ehefrau nach seiner Festnahme im März 1994 innerhalb von zwei Tagen eine Kaution in Höhe von 20 000 DM hinterlegen konnte. Dass der Sachverhalt nur die von dem Kläger in den Raum gestellte Schlussfolgerung zulässt, jede andere hingegen aus denkgesetzlichen oder logischen Gründen schlechterdings unmöglich ist, lässt sich dem Revisionsvortrag nicht entnehmen.
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bb) Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz - BZRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl I S. 1229, 1985 I S. 195), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2011 (BGBl I S. 2714) steht der Berücksichtigung der Passfälschungen im Rahmen des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Ergebnis nicht entgegen. Allerdings ist das angefochtene Urteil mit § 51 Abs. 1 BZRG insoweit nicht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), als frühere Verfolgungs- oder Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG nach Auffassung des Berufungsgerichts bereits tatbestandlich nicht von dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG erfasst werden (1). Die Entscheidung beruht indes nicht auf diesem Rechtsverstoß. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit § 51 Abs. 1 BZRG selbstständig tragend ausgeführt, dass die Passfälschertätigkeit auch deshalb nicht von dem Verwertungsverbot erfasst werde, weil sie nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt habe (2).
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(1) Die Regelung über den Ausschluss der Einbürgerung in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hat keinen die Anwendbarkeit des Verwertungsverbotes des § 51 Abs. 1 BZRG ausschließenden Charakter. § 51 Abs. 1 BZRG bestimmt, dass die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder zu tilgen ist.
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Der Wortlaut der Norm lässt eine generelle Ausklammerung vergangener Verfolgungs- und Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG aus dem Anwendungsbereich des Verwertungsverbots nicht zu. Der zentrale Begriff des Rechtsverkehrs umfasst vielmehr sämtliche Bereiche des Rechtslebens unter Einschluss des Verwaltungs- und damit auch des Staatsangehörigkeitsrechts (vgl. zum Ausländerrecht Urteil vom 5. April 1984 - BVerwG 1 C 57.81 - BVerwGE 69, 137 <143> = Buchholz 402.24 § 15 AuslG Nr. 6 S. 12 f.; ferner Götz/Tolzmann - Bundeszentralregistergesetz, 4. Aufl. 2000, § 51 Rn. 21).
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Die Bestimmung kann nicht im Wege einer teleologischen Reduktion dahin eingeschränkt werden, dass die hier in Rede stehenden Handlungen nicht ihrem Anwendungsbereich unterfallen. Dies setzte voraus, dass eine solche Einschränkung nach den vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Regelungszielen geboten ist (vgl. Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 10.11 - juris Rn. 15, zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Dies ist hier nicht der Fall.
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Die weite Fassung des Verwertungsverbotes spiegelt dessen Zweck wider, den Einbürgerungsbewerber von einem Strafmakel zu befreien und dadurch seine Resozialisierung zu begünstigen. Ziel der von dem Gedanken der Rehabilitation geprägten Regelung war die Schaffung eines umfassenden Verwertungsverbotes, das von allen staatlichen Stellen Beachtung verlangt und von dem nur abschließend aufgezählte Ausnahmen zulässig sein sollen (Götz/Tolzmann a.a.O. § 51 Rn. 4). Soweit der Gesetzgeber einzelne Bereiche des Rechts ausnehmen wollte, hat er dies abschließend in § 51 Abs. 2 und § 52 BZRG geregelt. Gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG nur berücksichtigt werden, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder eine Ausnahme zwingend gebietet. Insbesondere an dieser Ausnahme muss sich auch eine Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG messen lassen.
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(2) § 51 Abs. 1 BZRG ist auf Taten, die nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt haben, weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.
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Einer unmittelbaren Anwendung des § 51 Abs. 1 BZRG steht entgegen, dass die Vorschrift tatbestandlich eine eingetragene Verurteilung voraussetzt. Nur strafgerichtliche Verurteilungen im Sinne des § 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 BZRG unterliegen gemäß § 45 Abs. 1 BZRG der Tilgung. Mit dem Verwertungsverbot soll der Verurteilte nach Tilgung bzw. Tilgungsreife von dem Makel der Verurteilung befreit und ihm die Resozialisierung erleichtert werden (BRDrucks 676/69 S. 24 und BTDrucks VI/1550 S. 21, jeweils zu § 49 BZRG a.F.). Daran fehlt es hinsichtlich der Passfälschertätigkeit.
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Einer entsprechenden Anwendung widerstreitet, dass insoweit zwar eine Regelungslücke besteht, diese aber nicht planwidrig ist. Die Anordnung eines Verwertungsverbotes für Taten, die nicht in das Register einzutragen und aus diesem zu tilgen sind, ginge über den gemäß § 3 Nr. 1, § 4 BZRG auf strafrechtliche Verurteilungen beschränkten Rahmen des Gesetzes hinaus. Obgleich dem Gesetzgeber die Problematik seit Jahrzehnten bekannt ist, hat er keine Veranlassung gesehen, den Gedanken der Rehabilitation auch für Taten, die nicht durch eine Verurteilung strafrechtlich geahndet werden, normativ zu verankern. Dessen ungeachtet sind auch die Sachverhalte nicht vergleichbar. Das Bekanntwerden eines Gesetzesverstoßes, der nicht durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet worden ist, ist nicht in gleicher Weise wie der aus einer Verurteilung herrührende Strafmakel geeignet, die soziale Stellung des Betroffenen zu gefährden (Urteile vom 3. Dezember 1973 - BVerwG 1 D 62.73 - BVerwGE 46, 205 <206 f.> und vom 26. März 1996 - BVerwG 1 C 12.95 - BVerwGE 101, 24 <30> = Buchholz 402.5 WaffG Nr. 76 S. 30; vgl. ferner BGH, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 2 StR 499/72 - BGHSt 25, 64 <65> und Beschluss vom 8. März 2005 - 4 StR 569/04 - NStZ 2005, 397 f.).
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cc) Das Berufungsgericht war auch nicht durch die Unschuldsvermutung gehindert, die Tätigkeit des Klägers als Passfälscher, hinsichtlich derer das Strafverfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, bei seiner Überzeugungsbildung zu berücksichtigen.
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Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat damit Verfassungsrang. Sie ist durch Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts im Range eines Bundesgesetzes und schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren vorausgegangen ist (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254/88 und 2 BvR 1343/88 - BVerfGE 82, 106 <114 f.>). Sie schützt hingegen nicht vor Rechtsfolgen, die - wie die Ablehnung der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband - keinen Strafcharakter haben, sondern an ordnungsrechtlichen Zielsetzungen orientiert sind.
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dd) Da das Berufungsgericht das Unterstützen von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ohne Verletzung revisiblen Rechts selbstständig tragend auf die Fälschung von Passpapieren gestützt hat, können die Angriffe gegen die ebenfalls als Unterstützungshandlung gewürdigte Teilnahme des Klägers an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln im Februar 1999 schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das angegriffene Urteil nicht auf einem etwaigen Rechtsverstoß im Zusammenhang mit diesen Erwägungen beruhen kann. Denn eine Rechtsverletzung ist im Falle einer kumulativen Mehrfachbegründung nur kausal im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO, wenn diese sämtliche Begründungsstränge erfasst oder wenn jeder der Begründungsstränge von einem individuellen Rechtsverstoß betroffen ist (Urteil vom 21. September 2000 - BVerwG 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 12 f. m.w.N.).
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c) Der Kläger hat auch nicht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung der in Rede stehenden Bestrebungen abgewandt hat. An das Sich-Abwenden im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG werden keine strengeren Beweisanforderungen als an den Ausschlussgrund selbst gestellt. Denn die Glaubhaftmachung bezeichnet ein herabgesetztes Beweismaß. Hinsichtlich der an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen sind Art, Gewicht, Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt des einbürgerungsschädlichen Verhaltens zu beachten. Die Anforderungen sind in der Regel umso höher, je stärker das Gewicht des einbürgerungsschädlichen Verhaltens ist und je näher dieses Verhalten zeitlich an die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag heranreicht. Es ist eine Gesamtschau der für und gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren vorzunehmen. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt nicht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von - wie hier - sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben. Er muss aber nicht seine in der Vergangenheit liegenden Handlungen bedauern, als falsch bzw. irrig verurteilen oder ihnen abschwören (vgl. Berlit a.a.O. Rn. 152 und 158; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 11 Rn. 17 ff. jeweils m.w.N.).
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Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung ersichtlich von diesen Grundsätzen leiten lassen. Auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen, gegen die die Revision keine Verfahrensrügen erhoben hat, ist seine rechtliche Würdigung, dass keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Abwendung des Klägers von der PKK vorliegen, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am XX. August 1980 in Al Hoceima/Marokko geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 7. November 1987 zum Familiennachzug in das Bundesgebiet ein und erhielt am 27. Juni 1996 erstmalig eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die am 3. Juli 1997 unbefristet verlängert wurde und die ab dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt. Er besuchte in X. zunächst den Schulkindergarten der Grundschule, erwarb 1999 an der Gesamtschule den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und 2001 an der Abendrealschule die Fachoberschulreife. Anschließend begann er an der M.-Schule, Berufskolleg der Stadt E., eine Ausbildung zum Physikalisch-technischen Assistenten, die er 2004 abbrach. Zwischen August 2006 und April 2010 arbeitete er für jeweils maximal 7 Monate, aber mit Unterbrechungen von bis zu 16 Monaten als Helfer bei Zeitarbeits-, Automobil- und Logistikfirmen.
3Aufgrund eines Einleitungsvermerks des Landeskriminalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2007 leitete die Staatsanwaltschaft Zweibrücken das Ermittlungsverfahren 4126 Js 8066/07 unter anderem gegen den somalischen Staatsangehörigen I., geboren am 6. Februar 1982 in Mogadischu/ Somalia, und den libanesischen Staatsangehörigen T., geboren am 6. Februar 1974 in Beirut/ Libanon, wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der fortgesetzten Begehung des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst und Förderung des internationalen Jihad ein. In dessen Rahmen ordnete das Amtsgericht Zweibrücken die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) der Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse I.‘s und T.‘s sowie deren Observation an. Der Hauptbeschuldigte I. wurde am 20. Februar 2008 in anderer Sache vorläufig festgenommen. Das Landgericht Frankenthal verurteilte ihn wegen gemeinschaftlichen Totschlags zum Nachteil von drei georgischen Staatsangehörigen zu lebenslanger Freiheitsstrafe (Urteil vom 16. Februar 2009 ‑ 5220 Js 4635/08 ‑).
4Gegen T. erließ der Donnersbergkreis unter dem 29. April 2009 eine Ausweisungsverfügung wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht stellte zu seiner Überzeugung fest, T. sei zumindest als aktiver Unterstützer des Terrornetzwerks Al Qaida einzustufen. Er habe die so genannte „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida dadurch unterstützt, dass er seine Wohnung in Wiesbaden sowohl für deren Mitglieder als auch für angeworbene Selbstmordattentäter bis zu deren Ausreise in den Irak zum Zweck des gewaltsamen Jihad zur Verfügung gestellt habe. Auch habe er Spenden für die „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida gesammelt und seine Absicht bekundet, den gewaltsamen Jihad durch ein von ihm selbst verübtes Selbstmordattentat im Irak unterstützen zu wollen (VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 9. April 2010 ‑ 2 K 1050/09.NW ‑, OVG Koblenz, Beschluss vom 4. November 2010 ‑ 7 A 10982/10.OVG ‑).
5Aus den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus Polizeivermerken ergeben sich für die Zeit zwischen dem 14. Dezember 2007 und dem 20. April 2008 insgesamt 262 Gesprächs- und SMS-Verbindungen sowie Anwahlversuche zwischen dem Kläger und T.. Darin verabredeten sich beide in deutscher und arabischer Sprache u. a. für persönliche Treffen bei T., der damals in Kirchheimbolanden wohnte und in Mainz arbeitete. Der Kläger fuhr am 23./ 24. Dezember 2007, am 5./6. Januar 2008, am 2./3. Februar 2008 und am 16./ 17. Februar 2008 jeweils mit der Bahn von Wuppertal nach Mainz oder Alzey und ließ sich von T. am Bahnhof abholen. Mit Ausnahme des Treffens im Dezember 2007 reiste der Kläger dabei jeweils in Begleitung des K., geboren am 31. März 1982 in Dortmund, der sich damals „Youssef“ nannte und dessen Identität die Sicherheitsbehörden erst im Juni 2012 klären konnten. Insgesamt mindestens zweimal fuhr T. anlässlich dieser Aufenthalte mit dem Kläger (und zweimal auch mit K.) nach Ludwigshafen, um sich dort mit I. zu treffen. Wegen der Anzahl der Treffen und der Teilnehmer sowie wegen des Inhalts der Gespräche im Einzelnen nimmt der Senat auf die TKÜ-Protokolle und die polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerke vom 8. Februar, 13. und 17. März, 29. August 2008 sowie vom 12. Oktober 2011 Bezug.
6Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte K. wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Es stellte fest, dass er sich im Herbst 2009 unter dem Namen „Yusuf“ nach Pakistan in das Grenzgebiet zu Afghanistan habe einschleusen lassen, um sich am bewaffneten Kampf der Muslime in Afghanistan gegen die Truppen der USA und ihrer Verbündeten zu beteiligen. Er habe sich dort bewaffnet und den Deutschen Taliban Mujaheddin (DTM) angeschlossen. Seinen Ausreise- und Kampfentschluss habe er „im Laufe des Jahres 2008“ gefasst. Nach dem Abbruch seines Studiums in Frankfurt am Main 2003 sei er wieder zu seinen Eltern nach Lünen gezogen und habe begonnen, in verschiedenen Städten des Ruhrgebiets und in Wuppertal marokkanische Moscheen zu besuchen. Dadurch habe sich ein Freundeskreis entwickelt, der aus Moslems bestanden habe, die der Muslimbruderschaft und Tablighi Jamaat zuzurechnen gewesen seien (Urteil vom 24. März 2014 ‑ III‑5 StS 3/13 ‑).
7Der Kläger heiratete am 30. April 2009 vor dem Standesamt C. die am 18. März 1987 ebenfalls in C. geborene Arzthelferin D.. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Aus der Ehe ist die am 22. Mai 2015 in C. geborene Tochter N. hervorgegangen. Ebenfalls zum 30. April 2009 meldete sich der Kläger von X. nach C. um.
8Unter dem 16. Juni 2010 beantragte er dort seine Einbürgerung. Er unterschrieb eine einfache Loyalitätserklärung, in der es u. a. heißt, er verfolge oder unterstütze keine Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und er habe solche Bestrebungen auch nicht verfolgt oder unterstützt. Das Kundencenter C. der Kooperation Arbeit und Soziales S. teilte dem Beklagten unter dem 22. Juni 2010 mit, der Kläger habe keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Eine Erkenntnisabfrage des Beklagten im automatisierten OSiP-Verfahren ergab am 10. August 2010 unter anderem, dass beim LKA Nordrhein-Westfalen und beim Verfassungsschutz keine Erkenntnisse über den Kläger vorlägen.
9Der Beklagte bürgerte den Kläger am 8. September 2010 unter dauerhafter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit ein.
10Mit Fax vom 13. September 2010 informierte das Polizeipräsidium Köln die Ausländerbehörde des Beklagten über die Erkenntnisse aus der TKÜ gegen I. und T. Außerdem habe ein Sozialarbeiter des Berufskollegs M.-Schule im Jahre 2002 mitgeteilt, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Seine Ehefrau sei die Tochter eines Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“, der aufgrund von Personenverflechtung ideologisch der Muslimbruderschaft nahestehe. Das Polizeipräsidium X. teilte ergänzend mit, der Kläger habe vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. April 2009 eine Wohnung in der U. straße 172 in X. angemietet gehabt, welche er niemals bezogen habe. Diese letztgenannte Mitteilung ließ sich der Beklagte durch den Geschäftsführer der Vermieterin telefonisch bestätigen.
11Durch Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers rückwirkend auf den Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück (Nr. 1), forderte ihn zur unverzüglichen Rückgabe dieser Urkunde auf (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an (Nr. 3) und drohte ihm für den Fall der Nichterfüllung der Rückgabeaufforderung den unmittelbaren Zwang an (Nr. 4). Seine Einbürgerung sei rechtswidrig gewesen, weil sich aus den inzwischen vorliegenden Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, dass er sich bereit erklärt habe, sich für die Ausbildung zum heiligen Krieg in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Der Kläger habe sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 dreimal mit T. und einmal mit I. in Mainz und Ludwigshafen persönlich getroffen. Seine abgehörten Telefonate mit T. in dieser Zeit seien zunehmend konspirativ geworden. Auch das Herunterladen von radikal-islamistischen Seiten aus dem Internet sei unter diesen Umständen als Vorbereitungshandlung zu werten. Weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung seien die familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags, das Anmieten der nie bezogenen Wohnung und seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001. Der Kläger habe in seiner Loyalitätserklärung arglistig getäuscht, weil er darin seine Treffen mit I. und T. verschwiegen habe. Die Bedeutung dieser Treffen für seine Einbürgerung sei ihm auch bewusst gewesen, weil er in den Telefonaten mit T. selber angegeben habe, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen. Im Rahmen des Rücknahmeermessens stehe das Interesse des Klägers hinter dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes zurück. Wegen der Täuschung könne er kein schutzwürdiges Vertrauen geltend machen. Zudem besitze er die deutsche Staatsangehörigkeit erst seit kurzem und habe lediglich einen Personalausweis, aber noch keinen Pass beantragt. Er werde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil er seine marokkanische Staatsangehörigkeit behalten habe.
12Der Kläger hat am 13. Oktober 2010 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, das erste Treffen mit T. in Mainz habe ausschließlich familiären Charakter gehabt. T. sei der Cousin seiner damaligen Verlobten, Frau G., gewesen, die er Ende 2007 über eine Partnervermittlung im Internet kennen gelernt und in die er sich verliebt habe. Sie beide hätten heiraten wollen, Frau G. sei jedoch im Februar 2008 in Saudi-Arabien nach vorherigem Koma an einer Blutvergiftung gestorben. Er, der Kläger, habe den Cousin seiner Verlobten und dessen Familie kennen lernen und von ihm verschiedene Geschenke entgegen nehmen wollen (Tücher, Parfüm), welche seine Verlobte der Ehefrau T.‘s in Saudi-Arabien übergeben habe. Die beim zweiten Treffen am 5. Januar 2008 in Mainz übergebenen CD’s seien Lern-CD’s für Kinder gewesen, die für die Kinder des T. bestimmt gewesen seien. An seinem dritten Treffen mit T. am 3. Februar 2008 hätten auch „Youssef“, der ein entfernter Bekannter sei, und I. teilgenommen, der ihm als ein Freund von T. vorgestellt worden sei. Auch bei diesem Treffen seien lediglich persönliche und „sonstige allgemeine Dinge“ besprochen worden. Der Jihad oder die Anwerbung zur Ausbildung in einem sog. „Terrorcamp“ seien nicht Gesprächsgegenstand gewesen. Ob er 2002 die vom Beklagten genannte Internetseite besucht und dort Gedichte heruntergeladen habe, sei ihm nicht mehr erinnerlich. Sein Ordnerdienst bei der palästinensischen Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. in 2001 sei nur untergeordneter Art gewesen und habe nur „kurzzeitig“ gedauert. Aus der religiösen Betätigung seines Schwiegervaters lasse sich keine verfassungsfeindliche Einstellung bei ihm selbst ableiten. Die Wohnung U. straße 172 habe er angemietet, weil er auf der Suche nach einer festen Beziehung gewesen sei und mit seiner zukünftigen Ehefrau dann eine eigene Wohnung habe beziehen wollen. Es sei keine konspirative Wohnung gewesen, sondern er habe sie als Nebenwohnung offiziell gemeldet.
13Die Ausländerbehörde des Beklagten führte am 6. Oktober 2010 und am 22. Februar 2011 Sicherheitsgespräche mit dem Kläger durch. Wegen der Gesprächsinhalte nimmt der Senat auf die hierüber vom Beklagten gefertigten Niederschriften Bezug.
14Im Erörterungstermin vom 25. Mai 2011 hat das Verwaltungsgericht den Kläger informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten seiner Angaben nimmt der Senat auf das Terminprotokoll Bezug.
15Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
16den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 aufzuheben.
17Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er hat die Auffassung vertreten, die Angaben des Klägers seien nicht überzeugend, weil er anlässlich der Telefonate die Satzbestandteile „über die Sache reden“ und „nicht am Telefon“ verwendet habe.
20Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid aufgehoben. Die Erkenntnisse des Beklagten trügen im Ergebnis weder die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung noch diejenige ihres vorwerfbaren Erwirkens. Seine Einbürgerung sei weder wegen seiner Kontakte zu T. noch wegen seiner Heirat der Tochter des Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“ noch wegen des Herunterladens von Inhalten über den Jihad auf der Internetseite www.azzam.de noch wegen des Anmietens einer nicht bezogenen Wohnung rechtswidrig. Auch ein vorwerfbares Erwirken der Einbürgerung durch arglistige Täuschung sei nicht feststellbar. Hierfür komme allenfalls die abgegebene Loyalitätserklärung in Betracht. Es fehle bereits an einer Unterstützungshandlung, von der auf ein subjektives Erkennen und vorsätzliches Verschweigen einer solchen geschlossen werden könne.
21Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung legt der Beklagte ergänzend ein Protokoll über die von ihm durchgeführte Zeugenvernehmung des deutschen Staatsangehörigen P., geb. am 1. Oktober 1968 in Suleimania/Irak, am 23. Mai 2013 in der Justizvollzugsanstalt Diez vor, der bei zumindest einem der Treffen I.‘s mit dem Kläger anwesend war. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage nimmt der Senat auf das Protokoll Bezug. Ferner legt der Beklagte einen an ihn gerichteten Brief des Zeugen P., in dem er sich ergänzend zu den ihm gestellten Fragen äußert, sowie das Protokoll von dessen Zeugenvernehmung durch das LKA Nordrhein-Westfalen am 10. Juni 2013 vor.
22Der Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
24Der Kläger beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Er macht ergänzend geltend, aus den Darlegungen des Beklagten werde nicht einmal ansatzweise ersichtlich, welche konkrete Unterstützungshandlung für eine verfassungsfeindliche Bestrebung er begangen haben solle. Seine angebliche Bereitschaft, sich für den bewaffneten Kampf im Ausland anwerben zu lassen, habe der Beklagte ihm lediglich unterstellt, aber nicht nachgewiesen, dass diese subjektive Tatsache auch tatsächlich vorgelegen habe. Es lägen lediglich Anhaltspunkte dafür vor, dass T. und I. potentielle Jihad-Kämpfer anwerben wollten. Auch sei nicht auszuschließen, dass T. den zunächst nur persönlichen Kontakt zu ihm habe ausnutzen wollen, um ihn für den Jihad anzuwerben und T. sich damit habe brüsten wollen, unter staatlicher Überwachung zu stehen. Aus den Akten ergebe sich jedoch kein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass T. seine Anwerbung auch ihm gegenüber offenbart habe.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Eilverfahrens 19 B 277/15 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (6 Hefte), der Strafakten 4126 Js 8066/07 der Staatsanwaltschaft Zweibrücken (6 Ordner) und der Beiakten des genannten Eilverfahrens Bezug.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung des Beklagten ist statthaft, nachdem der Senat sie zugelassen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das gilt sowohl für die darin unter Nr. 1 verfügte Rücknahme der Einbürgerung (A.) als auch für die in Nr. 2 enthaltene Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde (B.) sowie schließlich für die darin unter Nr. 4 ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs (C.). Die unter Nr. 3 getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Maßnahmen zu Nrn. 1 und 2 war Gegenstand nicht des vorliegenden Rechtsstreits, sondern des Eilverfahrens 19 B 277/15.
30A. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung in Nr. 1 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 35 Abs. 1 StAG. Die Vorschrift ist am 12. Februar 2009 in Kraft getreten und verdrängt als spezielle staatsangehörigkeitsrechtliche Rücknahmeermächtigung für den hier vorliegenden Fall einer erschlichenen Einbürgerung die allgemeine Rücknahmeermächtigung in § 48 VwVfG NRW.
31BVerwG, Urteil vom 9. September 2014 ‑ 1 C 10.14 ‑, StAZ 2015, 212, juris, Rdn. 18; Urteil vom 11. November 2010 ‑ 5 C 12.10 ‑, StAZ 2011, 281, juris, Rdn. 13; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 3. Dezember 2012 ‑ 11 K 1038/12 ‑, juris, Rdn. 20.
32Nach § 35 Abs. 1 StAG kann u. a. eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind. Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung erfolgen (Abs. 3). Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig (I.). Der Kläger hat sie durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die für seine Einbürgerung wesentlich waren (II.). Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist eingehalten (III.) und sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt (IV.). Der Rücknahmebescheid ist auch formell rechtmäßig (V.).
33I. Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig, weil sie gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verstieß. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (1. Alternative) oder die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (2. Alternative) oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (3. Alternative), es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Im Fall des Klägers rechtfertigen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass er zumindest in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 Bestrebungen unterstützt hat, die im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (1.). Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung dieser Bestrebungen abgewandt hat (2.).
341. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen im vorliegenden Fall die Annahme, dass der Kläger in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/ oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt hat, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Hierin liegt ein Unterstützungsverdacht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Das Terrornetzwerk Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative dieser Vorschrift durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten (a). Der genannte Unterstützungsverdacht ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen P., aus den Gesprächsinhalten in den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus sonstigen aussagekräftigen Indizien (b). Der erwähnte Aufbau des konspirativen Vertrauensverhältnisses mit dem Ziel einer Rekrutierung als Kämpfer für den Jihad, dessen der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren (c).
35a) Das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Diese Alternative ist § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG nachgebildet und erfasst politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Dazu gehören nicht nur gewaltanwendende oder ‑vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Ihr Anwendungsbereich geht insofern über die nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG untersagte politische Betätigung eines Ausländers hinaus. Denn § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hat die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG enthaltene Beschränkung auf Bestrebungen „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ nicht übernommen.
36BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 ‑ 5 C 1.11 ‑, BVerwGE 142, 132, juris, Rdn. 17; VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 29; Berlit, in: Fritz/Vormeier (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht (GK-StAR), Stand: Aktualisierungslieferung Nr. 33, November 2015, IV-2 § 11 StAG, Rdn. 130 f.
37Nach diesen Maßstäben erfüllten das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna im Frühjahr 2008 die Voraussetzungen des Bestrebungsbegriffs im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.
38Für die Erfüllung der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Al Qaida im Frühjahr 2008 ist maßgeblich, dass dieses Terrornetzwerk damals wie heute das Ziel verfolgt, die islamische Welt von westlichen Einflüssen zu befreien und dort Gottesstaaten auf der Grundlage der Scharia zu errichten. Hierzu führt es einen „Heiligen Krieg“ (Jihad) gegen die den eigenen Glauben und die Gemeinschaft der Gläubigen bedrohenden „Feinde des Islam“, zu denen sie die gesamte westliche Welt und die als „Apostaten“ angesehenen pro-westlichen Regime in den muslimischen Staaten zählt. Dazu gehört in aller erster Linie der Staat Israel, den Bin Laden als „Besatzungsstaat“ bezeichnet hat. Den Jihad versteht Al Qaida als gewaltsamen Kampf, sich hieran zu beteiligen sieht sie als individuelle Pflicht eines jeden rechtgläubigen Muslim an. Für ein legitimes Mittel des Jihad hält sie insbesondere die Verunsicherung des „Feindes“ durch terroristische Anschläge, die auf die Tötung einer möglichst großen Zahl von Menschen abzielen. Auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Alternative sind auch dadurch gefährdet, dass sich Al Qaida bei der Rekrutierung von Märtyrern für eine terroristische Ausbildung in einem Ausbildungslager auch in Deutschland lebender Muslime bedient, sei es, dass diese selbst rekrutiert werden sollen, sei es, dass sie die Rekrutierung und Schleusung islamistischer Kämpfer aus arabischen Ländern von Deutschland aus organisieren. Sind diese Muslime zugleich deutsche Staatsangehörige, macht sich Al Qaida auch die damit verbundene Reisefreiheit bewusst zunutze. Das belegen die tatsächlichen Feststellungen deutscher Strafgerichte in den vom Verfassungsschutz dokumentierten Strafverurteilungen.
39Bundesministerium des Innern (BMI), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 226, Verfassungsschutzbericht 2008, S. 217 f.; vgl. auch VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 30.
40Die Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna war im Frühjahr 2008 und ist bis heute ebenfalls eine terroristische Organisation, die ihre politischen Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen und durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt.
41Bay. VGH, Urteil vom 2. September 2013 ‑ 10 B 10.1713 ‑, juris, Rdn. 59; VG München, Urteil vom 14. Januar 2015 ‑ M 25 K 13.3143 ‑, juris, Rdn. 22; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.1.
42b) Der Verdacht gegen den Kläger, in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder der Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt zu haben, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, ergibt sich aus den folgenden Indiztatsachen, die zur vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit des Senats im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO feststehen: Der Kläger hat sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 insgesamt viermal mit T. und mindestens zweimal auch mit I. im Raum Mainz/Ludwigshafen getroffen (aa). Beide waren zum damaligen Zeitpunkt als Anwerber für zumindest eine der genannten Terrororganisationen tätig (bb). Der Kläger ist in der Absicht zu diesen Treffen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen (cc).
43aa) Die Treffen des Klägers mit den beiden genannten Personen ergeben sich aus den TKÜ-Protokollen und polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerken sowie teilweise auch aus dem Geständnis des Klägers, der eingeräumt hat, sich an den genannten Tagen insgesamt viermal mit T. und am 3. Februar 2008 auch mit I. getroffen zu haben. Zumindest ein weiteres Treffen des Klägers und K.‘s auch mit I. in Ludwigshafen ergibt sich aus dem polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk vom 17. März 2008, in dem KHK’in B. ein Telefonat I.‘s mit T.n am 14. Februar 2008 und das darauf folgende Geschehen wie folgt wiedergegeben hat:
44„Mitten im Gespräch wechselt I. plötzlich das Thema und erwähnt, dass T. unbedingt mit „denen“ am Wochenende kommen müsse. Es sei wichtig, dass sie kommen, denn „es“ könne jetzt sofort gehen. Er müsse mit ihnen reden.Tatsächlich setzte sich anschließend T. mit H. telefonisch in Verbindung und vereinbarte kurzfristig ein Treffen für den 16.02.08, zu dem H. und „Youssef“ wiederum per Bahn anreisten. Das Treffen mit I. fand noch am 16.02.08 in Ludwigshafen statt.“
45Auch im polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk des KHK V. vom 13. März 2008 heißt es, T., eine weitere Person, der Kläger und „Youssef“ seien am 16. Februar 2008 gemeinsam nach Ludwigshafen gefahren, wo ein Treffen mit I. habe beobachtet werden können. Vor dem Hintergrund dieser polizeilichen Feststellungen bewertet der Senat die abweichende Darstellung des Klägers lediglich als ein schlichtes und pauschales Bestreiten, I. habe T. in seiner (des Klägers) Gegenwart „nur einmal (in Wiesbaden) getroffen“ und dabei „in Anwesenheit des Klägers über allgemeine und allgemeinpolitische Dinge gesprochen …, nicht aber über den internationalen gewaltsamen ‚heiligen Krieg‘ oder über die Anwerbung des Klägers hierzu“ (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Dem hierauf bezogenen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung des I. ist der Senat nicht gefolgt, weil der Kläger keine konkreten positiven Beweistatsachen in das Wissen des Zeugen gestellt hat.
46bb) Dass I. und T. für die beiden genannten Terrororganisationen Kämpfer angeworben und Spenden gesammelt haben, ergibt sich zur Überzeugung des Senats vor allem aus den Angaben des Zeugen P. gegenüber dem Beklagten und dem LKA Nordrhein-Westfalen. Der Zeuge hat am 10. Juni 2013 I. anhand des ihm vorgelegten Lichtbildes zweifelsfrei identifiziert („Das ist der I.“) und auf die Frage des LKA, ob er Kontakt zu einer Organisation gehabt habe, geantwortet: „Er hatte Kontakt zur Ansar al-Islam.“ Ebenso hat der Zeuge auch T. auf dem ihm vorgelegten Lichtbild als „den Libanesen“ identifiziert, der „zwei Frauen hat“ und den er gemeinsam mit I. und einem „Marokkaner“ namens „O.“ mit einem „langen Bart“ „ungefähr im Jahr 2008 oder 2007“ vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe, weil I. von ihm, dem Zeugen P., zwei Pässe habe kaufen wollen für „O.“ und „eine andere arabisch stämmige Person“, die beide in den Irak „in den Jihad“ gewollt hätten. Auch in dem Brief an den Beklagten schreibt der Zeuge, I. habe ihm über T. erzählt, „dass derjenige zu den Anhängern von Al Qaida gehöre und er in den Irak zum Jihad gehen wolle“. Inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend hat der Zeuge des Weiteren auch in seiner Vernehmung am 23. Mai 2013 auf die Frage des Beklagten geantwortet, ob er den Namen der Gruppe kenne, für die I. angeworben habe: „Das globale System nennt sich Al Qaida. Die Ansar al-Islam zum Beispiel ist ja auch eine Gruppe, welche für Al Qaida arbeitet.“
47Bestätigung finden diese Angaben des Zeugen P. in den polizeilich überwachten Gesprächen zwischen I. und T. sowie zwischen T. und einer unbekannt gebliebenen anderen Person. So hat I. dem T. am 11. Mai 2007 während eines überwachten Kontakts in einem Fahrzeug mitgeteilt, dass sie jetzt „eine große Aufgabe, ein großes Programm“ hätten, weil sie „Leute“ „nach Tschetschenien schicken“ sollten und „er“ dafür „5.000 Euro von mir erwartet“. In einem weiteren überwachten Gespräch am 25. Mai 2007 hat T. einem Gesprächspartner mitgeteilt, Personen, die „nicht von Al Qaida“ gewesen seien, hätten ihn mit einer mitgebrachten Kalaschnikow „zu Hause bei mir trainiert“, „habe Ausbildung gehabt“.
48Der Kläger hat die Indizwirkung dieser Tatsachen auch nicht etwa in Abrede gestellt, insbesondere nicht den Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen P. in Zweifel gezogen, soweit sich diese auf den Anwerbezweck des Verhaltens von I. und T. beziehen. Insoweit hat der Kläger vielmehr eingeräumt, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass T. „gemeinsam und gleichsam im Auftrag“ des I. Dritte als potentielle Jihad-Kämpfer habe anwerben wollen, und es sei auch „nicht auszuschließen“, „dass T. den zunächst persönlichen Kontakt zu dem Kläger ausnutzen wollte, um diesen für den Jihad anzuwerben.“
49cc) Der Kläger ist in der Absicht zu den Treffen im Raum Mainz/Ludwigshafen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Diese Überzeugung gewinnt der Senat aus einer Gesamtbewertung ebenfalls zunächst der bereits zitierten Angaben des Zeugen P. sowie aus den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T..
50Der Zeuge P. hat den Kläger in seinen beiden Vernehmungen durch den Beklagten und durch das LKA Nordrhein-Westfalen jeweils nach Lichtbildvorlage als den „Marokkaner“ namens „O.“ bezeichnet, „der aus X. kam“ und den er einmal gemeinsam mit I. und T. vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe und der „auch in den Jihad“ gewollt habe. Zudem hat der Zeuge den Kläger in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten als „der Andere von Bild Nummer 3“ bezeichnet, für den I. von ihm (dem Zeugen P.) einen irakischen Pass habe kaufen wollen, weil er „in den Irak zum Jihad“ habe gehen wollen.
51Diese Angaben des Zeugen führen schon für sich genommen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eindeutig auf die Person des Klägers, jedenfalls steht dies aber im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus den TKÜ-Protokollen zur vollen Überzeugung des Senats fest. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Zeuge P. ihn auf den vorgelegten Lichtbildern jeweils nicht sofort mit Sicherheit zu identifizieren vermochte („Ich bin mir nicht sicher. Ich habe einmal diese Person getroffen ...“; „Es kann sein, dass es diese Person war.“). Denn seine anfängliche Unsicherheit zur Person des Klägers jedenfalls in seiner Vernehmung durch den Beklagten hat der Zeuge selbst beseitigt, indem er in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten eine eindeutige Zuordnung zum Kläger als der „Person auf Bild Nummer 3“ vorgenommen hat.
52Bestätigung findet diese tatsächliche Würdigung in der Tatsache, dass es in den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T. unter anderem auch um eine Passbeschaffung für den Kläger ging. Er hat T. am 11. April 2008 angerufen und dabei von ihm den Rat erteilt bekommen, „sich einen deutschen Pass zu besorgen“, worauf er geantwortet hat, er habe „dies schon versucht, aber es ist schwierig“. Sodann hieß es, vieles sei natürlich leichter mit einem deutschen Pass, z. B. das visafreie Reisen. Wahrheitswidrig ist hiernach die spätere Zeugenaussage des Klägers in seiner Vernehmung durch den Generalbundesanwalt im Ermittlungsverfahren gegen K. am 2. September 2013 in Köln. Darin hat der Kläger nach einer Unterbrechung der Vernehmung zum Zweck der Beratung mit seinem Anwalt ausdrücklich erklärt: „Ich kann nur wiederholen, dass es niemals um Pässe ging. Ich habe bei ihm (P.) nie Pässe bestellt oder über Pässe gesprochen. Das Gleiche gilt in Bezug auf T. und I.“
53Auch die Einlassung des Klägers, die Treffen mit T. und I. hätten ausschließlich familiären Charakter gehabt, bewertet der Senat als unglaubhaft. Sie erklärt insbesondere nicht, weshalb der Kläger mehrere Fahrten nach Mainz gemeinsam mit K. unternommen hat, der nach seinen Angaben nur ein „entfernter Bekannter“ von ihm gewesen sein soll, dessen Nachname ihm unbekannt gewesen sei. Der Senat teilt in diesem Punkt die Bewertung des Generalbundesanwalts im Strafverfahren gegen K., die Darstellung des Klägers sei als Schutzbehauptung zu werten, weil keine plausiblen anderweitigen Gründe zu erkennen seien, aus denen der Kläger K. mehrfach zu zeit- und kostenaufwändigen Reisen jeweils mit Übernachtung mitgenommen haben sollte (Anklageschrift vom 19. September 2013 ‑ 2 BJs 19/12-4, 2 StE 5/13-4 ‑, S. 17 f. unter „III. Der Ausreiseversuch mit H. im Jahr 2008“). Diese Bewertung hat der Generalbundesanwalt zutreffend gestützt auf die ausweichende und verharmlosende Antwort des Klägers in seiner bereits erwähnten Zeugenvernehmung auf die Frage nach dem Grund der Begleitung durch „Youssef“: „Er ist einfach mitgefahren. Ich habe ihn mitgenommen. Einen besonderen Grund gab es nicht. Wir sind mit der Bahn gefahren. Die Fahrkarte hat er selbst bezahlt.“. Dem in diesem Zusammenhang gestellten Beweisantrag des Klägers auf Einholung einer Auskunft des Generalbundesanwalts ist der Senat nicht gefolgt (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Es kommt nicht auf die damit unter Beweis gestellten Tatsachen an, wie oft sich K. mutmaßlich mit I. getroffen hat und wann es mutmaßlich zu einer Anwerbung des K. für den internationalen Jihad oder die DTM gekommen ist.
54Unglaubhaft ist insbesondere die Behauptung des Klägers, zentrales Motiv für die Reisen sei seine Liebe zu G. gewesen, deren Familienangehörige er habe kennen lernen wollen. Auffällig ist nämlich, dass in den auszugsweise wiedergegebenen TKÜ-Protokollen der abgehörten Telefonate zwischen dem Kläger und T. zwar die Heiratsvermittlung und die Eltern G.‘s Erwähnung finden, nicht aber deren Blutvergiftung, deren Koma und deren Tod in Saudi-Arabien im Februar 2008. Im Widerspruch zu dieser nachträglichen Darstellung hat der Kläger dem T. noch im Telefonat vom 20. April 2008 auf dessen Frage, was er, der Kläger, mit der „Verlobten“ gemacht habe, geantwortet, es sei „alles in Ordnung“. Gegen den Wahrheitsgehalt der genannten Behauptung des Klägers spricht weiter seine Antwort auf die Frage in der Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe. Wäre tatsächlich seine Liebe zu der angeblich im Februar 2008 verstorbenen G. zentrales Motiv für die Treffen mit T. gewesen, so hätte auf diese Frage keine Antwort näher gelegen als diejenige, der Kontakt zu T. sei wegen des Todes seiner Geliebten abgebrochen. Stattdessen hat der Kläger aber geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte.
55Die genannte Behauptung des Klägers erklärt des Weiteren nicht sein aus den TKÜ-Protokollen ablesbares Bemühen um einen Reisepass. Insbesondere bleibt unerklärlich, weshalb T. ihm noch im bereits erwähnten Telefonat vom 11. April 2008, also etwa zwei Monate nach dem angeblichen Versterben der G. im Februar 2008, den Rat gegeben haben sollte, sich einen deutschen Pass zu besorgen. Auch erklärt die Einlassung des Klägers nicht, weshalb T. und er am Telefon wiederholt konspirative Formulierungen verwendet haben („über die Sache reden“, „nicht am Telefon“). Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Behauptung des Klägers, nicht er, sondern nur T. habe am Telefon konspirative Formulierungen verwendet. So hat der Kläger den T. am 1. Januar 2008 angerufen und ihm mitgeteilt, er wolle über eine „Sache“ reden, woraufhin T. entgegnete, er wolle darüber „nicht am Telefon“ sprechen. Auch dieser Hinweis T.‘s ist nicht plausibel, wenn es von Seiten des Klägers tatsächlich nur um das Besprechen unverfänglicher Familienangelegenheiten hätte gehen sollen. Im Gegenteil hat T. selbst im Telefonat zwischen beiden am 18. März 2008 ausdrücklich die plausible Erklärung für sein konspiratives Verhalten geliefert, indem er dem Kläger den Hinweis gab: „A sagt, dass sie abgehört werden, daher will A nicht so viel über Telefon reden.“
56Unglaubhaft und in sich widersprüchlich ist auch der Einwand des Klägers, Hintergrund der beabsichtigten Geheimhaltung am Telefon sei ausschließlich die dem T. drohende Abschiebung, aber „keine zwischen ihm und dem Kläger geplanten wie auch immer gearteten terroristischen Aktivitäten“ gewesen. Denn die Abschiebung drohte dem T., wie die spätere Ausweisungsverfügung des Donnersbergkreises vom 29. April 2009 belegt, ausschließlich wegen seiner Verbindungen zu terroristischen Organisationen.
57c) Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/ Ansar al-Sunna mit dem Ziel, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, deren der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren. Der Unterstützungsbegriff in dieser Bestimmung erfasst jede Handlung eines Ausländers, die für eine der in dieser Vorschrift genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist, die dieser Ausländer für ihn erkennbar und von seinem Willen getragen zum Vorteil dieser Bestrebungen vornimmt und die nach Art und Gewicht auf eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen schließen lässt.
58BVerwG, Urteile vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 19 f., vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 16 und vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 18 m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2010 ‑ 19 A 1491/05 ‑, NWVBl. 2011, 271, juris, Rdn. 47 m. w. N.; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 96.
59Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses durch den Kläger auf seinen Reisen zu T. und I. in den Raum Mainz/Ludwigshafen im Frühjahr 2008 erfüllt diese Merkmale einer Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Es war für die beiden genannten Terrororganisationen objektiv vorteilhaft, in ihm einen weiteren Kämpfer für die gemeinsame Sache im Vorfeld eines bewaffneten Einsatzes im Jihad gewonnen zu haben. Demgegenüber steht einer Qualifizierung seines Verhaltens als Unterstützungshandlung nicht entgegen, dass seine Ausreise letztlich gescheitert ist. Denn für die Annahme einer Unterstützungshandlung ist nicht erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war.
60BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 20.
61Die zwischen I. und T. sowie dem Kläger geführten persönlichen Gespräche, der hierfür erforderliche Reise- und Übernachtungsaufwand, die dabei im Wege der TKÜ protokollierten Gesprächsauszüge aus Telefonaten sowie weitere Indizien lassen auch auf eine nach Art und Gewicht dauernde Identifikation des Klägers mit den politischen Zielen der beiden genannten Terrororganisationen schließen. Insbesondere greift der Einwand des Klägers in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht durch, es sei allenfalls zu einem losen Kontakt zwischen ihm auf der einen Seite sowie I. und T. auf der anderen Seite gekommen, der die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis noch nicht überschritten habe und der als einfacher Kontakt „selbst zum schwärzesten aller Ritter“ nicht für die Annahme einer Unterstützungshandlung ausreiche. Dieser Einwand steht im Widerspruch zu den konspirativen Äußerungen auch des Klägers selbst gegenüber T., die sich aus den TKÜ-Protokollen ergeben. Danach war die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis zwischen beiden Personen jedenfalls am 1. Januar 2008 überschritten, als der Kläger T. anrief und ihn bat, mit ihm über „die Sache“ zu reden, und T. diese Bitte mit der Bemerkung „nicht am Telefon“ ablehnte.
62Eine dauerhafte Identifikation des Klägers mit gewaltbereiten islamistischen Bestrebungen lässt sich zudem seit seiner Jugendzeit aus mehreren weiteren Indizien rückschließen. Dazu gehört zunächst seine Äußerung im Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts, in der er „die ganze Muslimbruderschaft“ als „ganz harmlos“ bezeichnete, eine sunnitische islamistische Bewegung also, deren zentrale Organisation in Deutschland, die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) mit Hauptsitz in Köln, durch einen offenen Brief ihres Vorsitzenden Samir Falah vom 27. Juli 2013 mit folgenden Worten sinngemäß zum gewaltsamen Kampf im Nahen Osten aufrief: „Keiner wird junge Menschen davon abhalten können, Waffen in die Hand zu nehmen, um gegen diese Ungerechtigkeiten in den Kampf zu ziehen. Wir warnen daher vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten.“
63BMI, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 244.
64Weiteres Indiz hierfür ist die unbestritten gebliebene Mitteilung eines Sozialarbeiters am Berufskolleg M.-Schule in E. aus dem Jahre 2002, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Diese Mitteilung hat der Kläger lediglich dahin kommentiert, dass der genannte Vorfall zu lange her sei und er sich deshalb nicht mehr an ihn erinnern könne. Darin liegt keine inhaltliche Distanzierung von der in diesem Herunterladen zum Ausdruck kommenden radikalen islamistischen Geisteshaltung. Als weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung hat der Beklagte zutreffend seine familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags sowie seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001 angeführt.
65Mit der vorstehenden Würdigung stuft der Senat das aktive Herstellen eines konspirativen Vertrauensverhältnisses zum Zweck der Anwerbung für den Jihad unabhängig davon als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ein, von welcher Seite die Initiative hierfür ausgeht und von welcher Seite es betrieben wird. Sowohl der Anwerbende oder dessen Mittelsmann als auch derjenige, der sich als islamistischer Kämpfer anwerben lässt, unterstützen die hierauf gerichtete Bestrebung, sofern ihr Handeln die oben genannten Voraussetzungen des Unterstützungsbegriffs erfüllt.
66Zur „Missionierung“ vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2013 ‑ 19 E 8/12 ‑, juris, Rdn. 3; zum Anwerben von Kämpfern Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.
672. Der Kläger hatte im Zeitpunkt seiner Einbürgerung auch nicht glaubhaft gemacht, sich von der Unterstützung der bezeichneten Terrororganisationen abgewandt zu haben. Das Sich-Abwenden von verfassungswidrigen Bestrebungen ist ein innerer Vorgang. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt oder unterstützt zu haben.
68BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 47; OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 2016 ‑ 19 A 1214/11 ‑, juris, Rdn. 56.
69Grundvoraussetzung des Sich-Abwendens ist hiernach die Einsicht des Ausländers in die Verfassungswidrigkeit seines bisherigen Handelns. Bereits hieran fehlte es im Fall des Klägers sowohl im Zeitpunkt seiner Einbürgerung als auch in der Zeit danach.
70Insbesondere hat sich der Kläger nicht dadurch abgewandt, dass er den Kontakt zu T. in der Zeit nach der Festnahme I.‘s am 20. Februar 2008 von sich aus abgebrochen und angekündigte Trefftermine abgesagt hat. Auf die hierauf zielende Frage in der ausländerbehördlichen Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe, hat der Kläger nämlich lediglich ausweichend und nichtssagend geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte. Aus diesen Äußerungen des Klägers geht nicht hervor, was er mit „diesen Sachen“ meinte, mit denen er nichts mehr zu tun haben möchte. Erst recht lassen sie keine Einsicht des Klägers in die Verfassungswidrigkeit seiner Rekrutierungsbemühungen sowie eine innere Abkehr von der hierfür maßgeblichen radikal-islamistischen Einstellung erkennen. Sein Aussageverhalten in der genannten Sicherheitsbefragung ist vielmehr geprägt von Äußerungen, mit denen er seine Rolle bei den Rekrutierungsbemühungen T.‘s und I.‘s herunterzuspielen versuchte.
71II. Der Kläger hat seine hiernach rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die hierfür wesentlich waren. Mit dem Tatbestandsmerkmal der arglistigen Täuschung knüpft § 35 Abs. 1 StAG an den entsprechenden Begriff im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht an (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Der Adressat eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes begeht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine arglistige Täuschung in diesem Sinn, wenn er den maßgeblichen Bediensteten der Behörde in seiner Entscheidung beeinflusst, indem er bei diesem einen Irrtum über entscheidungserhebliche Tatsachen hervorruft, deren Unrichtigkeit der Adressat kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt.
72BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2007 ‑ 5 B 132.07 ‑, juris, Rdn. 4; Urteil vom 24. Oktober 1996 ‑ 2 C 23.96 ‑, BVerwGE 102, 178, juris, Rdn. 14; Urteil vom 18. September 1985 ‑ 2 C 30.84 ‑, DVBl. 1986, 148, juris, Rdn. 24; OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, juris, Rdn. 99.
73Nach diesem Maßstab hat der Kläger mit seiner Unterschrift unter seine Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 die objektiv unzutreffende Erklärung abgegeben, keine Bestrebungen unterstützt zu haben, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Nr. 2 Buchstabe c) seiner Loyalitätserklärung).
74Zur Überzeugung des Senats hatte der Kläger bei der Unterschrift unter diese Erklärung auch den erforderlichen Täuschungsvorsatz. Diesen Rückschluss zieht der Senat aus dem Umstand, dass er sich für die Stellung des Einbürgerungsantrags seinen Vollbart abrasiert hat, obwohl der Bart nach seinen telefonischen Angaben gegenüber T. „mein Leben“ ist und er dementsprechend auch heute wieder einen Vollbart trägt. Diese Äußerung lässt den Schluss zu, dass er das Tragen eines Vollbartes als ein unbedingt verpflichtendes Gebot seines streng sunnitisch-islamistischen Glaubens empfindet und er gerade diese radikale religiöse innere Einstellung gegenüber der Einbürgerungsbehörde des Beklagten verbergen wollte. Hinzu kommt, dass er sich über die Rechts- und Verfassungswidrigkeit ihres beiderseitigen Handelns spätestens seit den telefonischen Hinweisen T.‘s in den bereits erwähnten Telefonaten am 1. Januar und am 18. März 2008 im Klaren war, „dass sie abgehört werden“ und er deshalb über die „Sache“ nicht am Telefon reden wolle.
75Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger als Nichtjurist zwischen den verschiedenen, aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG in die unterzeichnete Formularerklärung übernommenen Alternativen verfassungswidriger Bestrebungen zu differenzieren vermochte, ob er wusste, für welche konkreten Gruppierung(en) T. und I. Jihad-Kämpfer rekrutierten und als welche Art verfassungsfeindlicher Bestrebung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG diese rechtlich einzuordnen war. Denn für die Arglist im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG genügt eine Parallelwertung in der Laiensphäre. Ausreichend ist also, dass er in der Lage war, von der behördlichen oder polizeilichen Telefonüberwachung zumindest der von T. genutzten Anschlüsse auf die Rechts- und Verfassungswidrigkeit auch seines eigenen Handelns zu schließen. Aufgrund seines schulischen und beruflichen Werdeganges und eines Rückschlusses aus seinem taktischen Aussageverhalten in den Sicherheitsbefragungen, in der Zeugenvernehmung im Strafverfahren gegen K. und im erstinstanzlichen Erörterungstermin ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger diese Fähigkeit am 16. Juni 2010 besaß.
76Die unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 ist tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Täuschung über den Ausschlussgrund in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unabhängig davon, ob man die entsprechende Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG materiell oder lediglich formell versteht.
77Für ein materielles Verständnis: BayVGH, Urteil vom 19. Januar 2012 ‑ 5 B 11.732 ‑, BayVBl. 2012, 565, juris, Rdn. 19, 22; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 7. März 2013 ‑ 1 S 617/13 ‑, und vom 20. Februar 2008 ‑ 13 S 1169/07 ‑, juris, Rdn. 27; VG Aachen, Urteil vom 19. November 2015 ‑ 5 K 480/14 ‑, juris, Rdn. 65 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. April 2015 ‑ 11 K 5984/14 ‑, InfAuslR 2015, 347, juris, Rdn. 42; Dollinger/Heusch, VBlBW 2006, 216 (218); anders VG Köln, Urteil vom 13. April 2011 ‑ 10 K 201/10 ‑, juris, Rdn. 41 ‑ 44; Berlit, a. a. O., § 10 StAG, Rdn. 134 ff.
78Denn gerade auch bei einem lediglich formellen Verständnis der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG abzugebenden Loyalitätserklärung bildet diese die Grundlage für die materielle Prüfung des Ausschlussgrundes in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch die Einbürgerungsbehörde.
79Die arglistig unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 war auch im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG „wesentlich“ und kausal („erwirkt“) für die Einbürgerungsentscheidung des Beklagten. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Loyalitätserklärung die Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG betrifft, während sich die Rechtswidrigkeit der am 8. September 2010 vollzogenen Einbürgerung des Klägers nach dem oben unter I. Ausgeführten aus einem Verstoß gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergibt. Denn dieser Ausschlussgrund steht mit den Erklärungserfordernissen in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG, wie bereits ausgeführt, in einem engen inhaltlichen Zusammenhang.
80III. Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist nach § 35 Abs. 3 StAG eingehalten. Er hat dem Kläger den Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 am selben Tag persönlich übergeben. Zu diesem Zeitpunkt lag die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 8. September 2010 erst etwa vier Wochen zurück.
81Dass dieser Zeitpunkt inzwischen mehr als fünf Jahre zurückliegt, ist unerheblich. Denn die Rücknahmefrist in § 35 Abs. 3 StAG konkretisiert den in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Begriff der „zeitnahen“ Rücknahme, der sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme, also bis zur Bekanntgabe des Rücknahmebescheides verstrichenen Zeitraum bezieht. Mit der Bekanntgabe des Rücknahmebescheides entfällt die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Eingebürgerten in den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit.
82BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 ‑ 2 BvR 669/04 ‑, BVerfGE 116, 24, juris, Rdn. 72, 76, 89; BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2008 ‑ 5 C 32.07 ‑, NVwZ 2008, 1249, juris, Rdn. 15; Urteil vom 14. Februar 2008 ‑ 5 C 4.07 ‑, BVerwGE 130, 209, juris, Rdn. 15.
83IV. Der Beklagte hat sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt. Er hat dem öffentlichen Interesse an der Rückgängigmachung der rechtswidrigen Einbürgerung des Klägers ohne Ermessensfehler den Vorrang vor dessen privatem Interesse am Erhalt seiner deutschen Staatsangehörigkeit gegeben. Am Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO und des § 40 VwVfG NRW kann der Senat insbesondere nicht beanstanden, dass der Beklagte das Klägerinteresse nur mit geringem Gewicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt hat. Denn der Kläger war im Zeitpunkt der Rücknahme erst seit knapp einem Monat im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. In diesem kurzen Zeitraum konnte er zudem sein ohnehin nicht schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestand noch nicht betätigen, insbesondere die angekündigte Türkeireise noch nicht antreten, weil ihm noch kein deutsches Ausweisdokument ausgestellt worden war. Er wurde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil der Beklagte ihn unter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit eingebürgert hatte (§ 35 Abs. 2 StAG). Die Rücknahme hatte und hat auch keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Auswirkungen auf Familienmitglieder des Klägers (§ 35 Abs. 5 StAG). Seine Ehefrau und seine Tochter sind und bleiben unabhängig von seiner Einbürgerung und deren Rücknahme deutsche Staatsangehörige. Entgegen seiner Auffassung liegt auch kein Ermessensfehler darin, dass der Beklagte im angefochtenen Rücknahmebescheid keine Ausführungen zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland gemacht hat. Denn hierbei handelt es sich um eine ausschließlich aufenthaltsrechtliche Frage.
84Des Weiteren ist der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung auch von einem im Wesentlichen zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Unwesentlich in diesem Sinn ist seine irrige Annahme im Rücknahmebescheid, der Kläger habe sich dreimal (statt tatsächlich mindestens viermal) mit T. persönlich getroffen. Hierbei handelt es sich allenfalls um einen Irrtum zugunsten des Klägers, von dem im Übrigen auch die im Ergebnis zutreffende tatsächliche Schlussfolgerung des Beklagten unberührt bleibt, aus den bekannt gewordenen Gesamtumständen dieser Treffen sei auf ein entsprechendes konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen zu schließen. Ebenfalls ohne Auswirkung auf die Ermessensentscheidung bleibt die irrige Annahme des Beklagten, der Kläger habe in den Telefonaten mit T. selber angegeben, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen, während dieser Hinweis in Wahrheit nicht vom Kläger, sondern von T. stammte. Auch diese irrige Sachverhaltsannahme des Beklagten lässt seine tatsächliche Schlussfolgerung auf ein konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen unberührt.
85V. Der Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 ist schließlich auch formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte fehlerfrei von einer vorherigen Anhörung des Klägers nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW abgesehen und sich hierfür auf die Ausnahmetatbestände in § 28 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwVfG NRW gestützt. Nach diesen Vorschriften kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint oder wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen. Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW hat der Beklagte hier zu Recht aus dem Untertauchen T.‘s Mitte September 2010 sowie aus der Äußerung des Klägers gegenüber seinem Bürgerbüro abgeleitet, am 7. oder 8. Oktober 2010 in die Türkei reisen zu wollen und hierfür dringend einen Personalausweis zu benötigen. Mit der Androhung unmittelbaren Zwangs zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde hat der Beklagte auch im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung getroffen.
86B. Auch die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde in Nr. 2 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist zulässig. Insbesondere ist diese Aufforderung nach wie vor wirksam, obwohl der Kläger sie bei der persönlichen Übergabe des Rücknahmebescheides am Morgen des 5. Oktober 2010 um 7.30 Uhr sofort erfüllt hat. Denn sie stellt weiterhin den Rechtsgrund für das Behaltendürfen dieser Urkunde durch den Beklagten dar.
87Die Klage ist auch insoweit unbegründet. Rechtsgrundlage für die Rückgabeaufforderung ist § 52 Satz 1 VwVfG NRW. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts auf eine zurückgenommene Einbürgerung sollte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers von der Einführung der Spezialregelung in § 35 StAG unberührt bleiben.
88Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 549/08 vom 8. August 2008, S. 8.
89Nach § 52 Satz 1 VwVfG NRW kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden zurückfordern, wenn dieser unanfechtbar zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Hier ist die Wirksamkeit der Einbürgerung des Klägers im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW „aus einem anderen Grund“ nicht mehr gegeben, nämlich weil der Beklagte in Nr. 3 des angefochtenen Bescheides die sofortige Vollziehung seiner Rücknahmeentscheidung in Nr. 1 angeordnet hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung ist ein solcher „anderer Grund“ im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW, der die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes trotz der gegen seine Rücknahme erhobenen Klage entfallen lässt.
90OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1990 ‑ 5 A 1692/89 ‑, NWVBl 1990, 386, juris, Rdn. 19 m. w. N.; VG Arnsberg, Urteil vom 7. September 2005 ‑ 1 K 4045/04 ‑, juris, Rdn. 41.
91C. Rechtsgrundlage für die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 4 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 62 VwVG NRW. Die bestimmte Frist, die Einbürgerungsurkunde „unverzüglich“ herauszugeben, war angemessen im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW. Maßgeblich für diese Bewertung sind die Umstände, aus denen der Senat oben unter A.V. bereits die Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW abgeleitet hat.
92Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
94Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung
- 1.
des Vereinsvermögens, - 2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und - 3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
(2) Verbotsbehörde ist
- 1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken; - 2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.
(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.
(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist seit Dezember 1987 mit Fatma K. verheiratet. Seine Ehefrau wurde im Mai 1995 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
- 2
-
Nach einem erfolglosen, u.a. auf die Mitgliedschaft in der "Partiya Karkerên Kurdistan" (Arbeiterpartei Kurdistans, im Folgenden: PKK) gestützten Asylbegehren begab sich der Kläger nach Frankreich, wo er im Februar 1986 als politischer Flüchtling anerkannt, ihm der Aufenthalt gestattet und ein Reiseausweis ausgestellt wurde. Er war Mitglied des Vorstands des im Mai 1988 bei dem Amtsgericht Bonn - Vereinsregister - eingetragen Vereins "Union Patriotischer Intellektueller Kurdistans (YRWK)".
- 3
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Im Oktober 1992 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein. Die Ausländerbehörde der Stadt Köln erteilte ihm erstmals im Dezember 1992 eine Aufenthaltserlaubnis, im November 1995 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und im Juni 2002 eine Aufenthaltsberechtigung.
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Bereits im März 1989 hatte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet. Er wurde verdächtigt, unter dem Decknamen "N." Pässe zu fälschen, mit denen die PKK Angehörige ausstattete, denen die Aufgabe zukam, "Feinde" der Partei zu töten. Im August 1994 stellte der Generalbundesanwalt das Verfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein.
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Mit in Rechtskraft erwachsenem Strafbefehl vom 24. Juni 1999 wurde gegen den Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen festgesetzt. Er wurde beschuldigt, seine Festnahme erschwert zu haben, als er im Zuge einer Demonstration aus Anlass der Festnahme des PKK-Führers Öcalan mit einer großen Gruppe weiterer Demonstranten das Kölner Parteibüro der SPD zu erstürmen versuchte.
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Bereits am 22. Juli 1997 hatte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband beantragt. Die Beklagte hatte den unbeschränkt gestellten Antrag als auf die Einbürgerung nach § 9 RuStAG gerichtetes Begehren behandelt und mit Blick auf das seinerzeitige Nichtbestehen einer dreijährigen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen im Einvernehmen mit dem Kläger zunächst zurückgestellt. Auf ihre Anregung hin stellte dieser seinen Antrag am 20. Juni 2000 "von § 9 StAG auf § 85 AuslG" um. Mit Bescheid vom 19. Juni 2002 lehnte sie den Antrag auf Einbürgerung nach § 85 AuslG ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Einer Einbürgerung stehe § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen. Der Kläger habe die PKK und damit eine Bestrebung unterstützt, die sowohl gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sei als auch durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Er habe den Ausschlussgrund jeweils selbstständig tragend durch mehrere Unterstützungshandlungen zum Vorteil der PKK verwirklicht. Als Unterstützungshandlungen seien sowohl die Passfälschungen als auch die Teilnahme an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln zu werten. Beide Unterstützungshandlungen dürften ihm weiterhin entgegengehalten werden. Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG erfasse Handlungen nicht, die als Verfolgungs- oder Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren seien. Dessen ungeachtet erstrecke es sich nicht auf die Passfälschungen, da diese nicht durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet worden seien. Jedenfalls unterfielen beide Unterstützungshandlungen dem Ausnahmetatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, sich von der früheren Unterstützung der PKK abgewandt zu haben.
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Zur Begründung seiner Revision führt der Kläger aus, das Berufungsurteil sei, soweit es die Passfälschungen betreffe, verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Jedenfalls beruhe es auf einer Verletzung des § 51 Abs. 1 BZRG, da das Verwertungsverbot der Anwendung des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegenstehe. Er habe im Übrigen glaubhaft gemacht, sich von der früheren Verfolgung und Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen abgewandt zu haben.
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Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband hat.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Anspruchseinbürgerung (1.). Diese ist gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) vom 22. Juli 1913 (RGBl S. 583), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258), ausgeschlossen (2.).
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1. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht das Begehren des Klägers allein unter dem Gesichtspunkt der Anspruchseinbürgerung gewürdigt.
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der Antrag eines Ausländers auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband grundsätzlich sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren unter sämtlichen denkbaren Anspruchsgrundlagen zu prüfen ist. Der Antrag ist regelmäßig auf die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gerichtet unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage diese beruht. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Einbürgerungsbewerber von der Möglichkeit Gebrauch macht, seinen Antrag auf eine bestimmte Rechtsgrundlage zu beschränken. Eine solche Beschränkung setzt eine eindeutige Erklärung des Ausländers voraus, der ein entsprechender Wille unzweifelhaft zu entnehmen ist (Urteil vom 20. April 2004 - BVerwG 1 C 16.03 - BVerwGE 120, 305 <308> = Buchholz 402.240 § 102a AuslG Nr. 3 S. 4 f.; vgl. Nr. 8.1.1 Abs. 3 StAR-VwV sowie Nr. 8.1.1 Abs. 3 VAH-StAG). So verhält es sich hier.
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Der Kläger hat seinen ursprünglichen Einbürgerungsantrag vom 22. Juli 1997 gegenüber der Beklagten am 20. Juni 2000 ausdrücklich "von § 9 Staatsangehörigkeitsgesetz nach § 85 Ausländergesetz" umgestellt. Er hat dadurch mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit zu erkennen gegeben, dass über seinen Einbürgerungsanspruch nur noch unter dem Gesichtspunkt der Anspruchseinbürgerung nach § 85 AuslG (jetzt: § 10 StAG) entschieden werden soll. Diese Beschränkung hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Der Senat ist berechtigt, den Inhalt des klägerischen Begehrens eigenständig zu ermitteln. Zwar handelt es sich dabei um eine dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrte Tatsachenfeststellung. Diese kann hier jedoch vom Revisionsgericht ausnahmsweise jedenfalls deshalb vorgenommen werden, weil das Oberverwaltungsgericht keine Auslegung des Antrags des Klägers vorgenommen hat (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2005 - BVerwG 7 C 8.05 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 36 Rn. 30).
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2. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass einem Rechtsanspruch des Klägers auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt zu haben.
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In revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen entsprechende Bestrebungen verfolgen (a) und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die PKK unterstützt hat (b), ohne glaubhaft gemacht zu haben, sich von dieser Unterstützung zwischenzeitlich abgewandt zu haben (c).
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a) Der Begriff "Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind", im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 StAG ist § 4 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes in der Fassung vom 20. Dezember 1990 (BGBl I S. 2954) entlehnt. Danach sind solche Bestrebungen politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen (vgl. Berlit, in: GK-StAR § 11 StAG Rn. 119, 121 und 131 f.). Bestrebungen, die im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sind solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Es werden nicht nur gewaltanwendende oder vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen erfasst, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Bei einer exilpolitischen Betätigung muss die Eignung hinzutreten, die Beziehung der Bundesrepublik Deutschland zu einem ausländischen Staat zu belasten oder zu beeinträchtigen.
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Von diesem Maßstab ist das Berufungsgericht erkennbar ausgegangen. Seine von der Revision nicht angegriffene tatsächliche Würdigung, die PKK gefährde durch Spendengelderpressungen und Bestrafungsaktionen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und durch die Aufrechterhaltung militärischer Kampfeinheiten im kurdischen Siedlungsgebiet der Türkei und die Anwendung von Waffengewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
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b) Unterstützen ist jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Dies muss für den Ausländer erkennbar sein. Er muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen (stRspr, vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009 - BVerwG 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 320 Rn. 16).
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Der Ausschlussgrund der Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Das Verhalten, dessen der Ausländer verdächtig ist, muss für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG darstellen. Einzelne Unterstützungshandlungen hindern als tatsächliche Anhaltspunkte die Einbürgerung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zudem nur und erst dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen zu indizieren. Ob nach diesen Grundsätzen eine tatbestandsmäßige Unterstützung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen (Urteil vom 22. Februar 2007 - BVerwG 5 C 20.05 - BVerwGE 128, 140 Rn. 19 und Beschluss vom 27. Januar 2009 - BVerwG 5 B 51.08 - juris Rn. 5).
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Ausgehend von diesen von der Revision nicht angegriffenen Maßstäben hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG u.a. dadurch unterstützt hat, dass er in der Zeit von 1988 bis zum Februar 1994 unter dem Decknamen "N." Passfälschungen für die PKK durchgeführt hat. Seine Überzeugungsgewissheit hat es aus Indiztatsachen gewonnen. Als solche hat es die Bestätigung der Ehefrau des Klägers, dieser führe den Decknamen "N.", die Erwähnung des "N." als Ehemann der Fatma K. in einem Kassettenmitschnitt, die Aussage der als Kronzeugen vernommenen Person, "N." sei der Schwager des Hasan K., die im Keller der Ehewohnung beschlagnahmten Gegenstände, den Eintrag der Festnetz-Rufnummer der Ehefrau als Rufnummer des "N." in drei beschlagnahmten Telefonlisten sowie den Umstand gewürdigt, dass die Ehefrau des Klägers in der Lage war, nach dessen Festnahme im März 1994 binnen zwei Tagen eine Kaution in Höhe von 20 000 DM zu hinterlegen.
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An diese Tatsachenfeststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen ohne Erfolg bleiben (aa). Die Würdigung der Passfälschertätigkeit des Klägers als frühere Unterstützungshandlung verstößt weder gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (bb) noch gegen die Unschuldsvermutung (cc). Die Angriffe der Revision gegen die ebenfalls als Unterstützungshandlung gewürdigte Teilnahme des Klägers an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln gehen ins Leere (dd).
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aa) Die von der Revision erhobenen Rügen eines Verstoßes gegen den Untersuchungsgrundsatz (1), einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht (2) und eines Verstoßes gegen Denkgesetze (3) bleiben ohne Erfolg.
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(1) Es kann dahinstehen, ob die Rüge, das Berufungsgericht habe dadurch, dass es die Aussage der Ehefrau des Klägers allein auf der Grundlage eines behördlichen Vermerks gewürdigt hat, gegen den Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, den Darlegungserfordernissen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügt, da sie jedenfalls unbegründet ist.
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Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet es, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Aufklärungsmöglichkeiten bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu nutzen; dies schließt eine Bindung an die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ermittelten tatsächlichen Feststellungen grundsätzlich aus. Das Gericht muss daher alle Aufklärungsbemühungen unternehmen, auf die die Beteiligten - insbesondere durch begründete Beweisanträge - hinwirken oder die sich hiervon unabhängig aufdrängen (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10 - NVwZ-RR 2011, 986
). Dabei stellt die Aufklärungsrüge kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und vom 22. März 2006 - BVerwG 4 B 15.06 - juris Rn. 7).
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Sind - wie hier - keine förmlichen Beweisanträge gestellt, so bestimmt das Gericht den Umfang seiner Aufklärung nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es überschreitet die Grenzen dieses Ermessens, wenn es eine Ermittlung unterlässt, die sich nach den Umständen des Falles - auch nach dem Vorbringen der Beteiligten - von seinem Rechtsstandpunkt aus aufdrängen musste (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 a.a.O. und vom 2. November 2007 - BVerwG 3 B 58.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 70 m.w.N.). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung drängt sich auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag auf, wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen seine Entscheidung noch nicht sicher tragen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Einwände erhebt. Denn in einem solchen Fall ist das Gericht gehindert, seine Entscheidung unter Übergehung der Einwände auf das angegriffene Beweisergebnis zu stützen (vgl. Beschluss vom 14. September 2007 - BVerwG 4 B 37.07 - juris Rn. 3).
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Das Oberverwaltungsgericht war nicht deshalb zu weiterer Sachaufklärung verpflichtet, weil der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Mai 2010 auch die "vom Verwaltungsgericht unberücksichtigt gebliebenen Beweisanträge" wiederholt hat. Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz diese Beweisanregung als unsubstantiiert gewürdigt und hierzu ausgeführt hat, sie erschöpfe sich in einem schlichten Bestreiten der Indiztatsache des Geständnisses der Ehefrau des Klägers, ohne konkrete positive Tatsachen in das Wissen der Zeugin zu stellen, die diese Indiztatsache entkräften oder im Ergebnis eine andere tatsächliche Würdigung rechtfertigen könnten. Einzelheiten, die Rückschlüsse auf eine unrichtige Beurkundung der Aussage seiner Ehefrau zulassen, legt der Kläger nicht dar. Seine Beweisanregung verhält sich weder zu dem Ablauf der Vernehmung durch das Bundeskriminalamt noch zu der Reaktion seiner Ehefrau auf den seinerzeitigen Vorhalt, obwohl hierzu nicht zuletzt mit Blick auf die Gesamtheit der von dem Verwaltungsgericht gewürdigten Indizien Veranlassung bestanden hätte.
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(2) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe dadurch, dass es unterlassen habe, auf die mangelnde Substantiierung des die Vernehmung der Ehefrau des Klägers und des Hasan K. betreffenden Beweisantritts hinzuweisen, gegen seine Pflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO verstoßen.
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Diese Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen. Hiergegen verstößt das Gericht, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit welcher der unterlegene Beteiligte nach dem Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 6 C 49.68 - BVerwGE 36, 264 <266 f.>; Beschlüsse vom 29. Juli 2004 - BVerwG 9 B 23.04 - juris Rn. 2 m.w.N. und vom 4. Juli 2007 - BVerwG 7 B 18.07 - juris Rn. 5). So liegen die Dinge hier jedoch nicht.
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Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger anwaltlich vertreten und die Belehrungspflicht aus diesem Grund ohnehin ihrem Umfang nach eingeschränkt war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 170/85 - NVwZ 1992, 259 <260>; BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1965 - BVerwG 2 C 195.62 - BVerwGE 21, 217 <218> = Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 4), waren die Beweisanträge bereits im erstinstanzlichen Verfahren - wenngleich mit anderer Begründung - abgelehnt worden. Der Umstand, dass das Berufungsgericht die Revision wegen der Überprüfungsbedürftigkeit der Feststellung, der Kläger sei unter dem Decknamen "N." für die PKK tätig gewesen, zugelassen hat, konnte kein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, dass das Berufungsgericht den Anträgen stattgeben würde. Dies gilt umso mehr, als dem Umstand, dass das Berufungsgericht zur Berufungsverhandlung - wie aus der Terminsladung und der darin enthaltenen Bitte, sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu erklären, ersichtlich ist - keine Zeugen geladen hatte, zu entnehmen war, dass es eine Zeugenvernehmung nicht für erforderlich hielt. In dieser Situation wäre es Sache des Klägers gewesen, in prozessual geeigneter Weise auf die von ihm für geboten erachtete Beweiserhebung hinzuwirken (vgl. Beschluss vom 27. Januar 2006 - BVerwG 5 B 98.05 - juris Rn. 9). Dementsprechend durfte das Berufungsgericht in der konkreten Prozesssituation abwarten, welche Beweisanträge in welcher Form in der mündlichen Verhandlung tatsächlich gestellt werden würden. Es war nicht gehalten, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es die Beweisanregungen rechtlich bewertete. Dies gilt umso mehr, als sich deren tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, vgl. Beschluss vom 21. September 2011 - BVerwG 5 B 11.11 - juris Rn. 3 m.w.N.).
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(3) Ebenfalls erfolglos rügt die Revision einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Rüge einer fehlerhaften Sachverhaltswürdigung ist revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrens-, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und kann deshalb einen Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründen. Eine Ausnahme gilt unter anderem für die gegen Denk- oder Naturgesetze verstoßende Sachverhaltswürdigung (Beschluss vom 21. September 2011 a.a.O. juris Rn. 9). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht jedoch schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der vom Verfahrensbeteiligten favorisierte Schluss vielleicht sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Februar 1972 - BVerwG 8 B 3.72/8 C 7.72 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 und vom 21. September 1982 - BVerwG 2 B 12.82 - NJW 1983, 62 <63>).
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Die von der Revision gerügten Verstöße gegen Denkgesetze werden nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.
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Soweit sich die Rüge gegen die Würdigung des Berufungsgerichts richtet, die am 5. Juli 1989 im Keller der Ehewohnung beschlagnahmten Gegenstände deuteten auf die Identität des Klägers mit dem Decknamen "N." hin, beschränkt sie sich auf eine in die Form einer Verfahrensrüge gekleidete inhaltliche Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Sie setzt dieser eine eigene Würdigung entgegen, ohne jedoch Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrenssätze verstoßende Würdigung der Erkenntnismittel zu benennen. Insbesondere zeigt sie nicht auf, welche Denkgesetze das Berufungsgericht bei der Würdigung des Sachverhalts außer Acht gelassen haben sollte. Hierfür ist dem Beschwerdevorbringen auch im Übrigen nichts zu entnehmen.
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Ein Verstoß gegen Denkgesetze wird auch nicht hinsichtlich der Würdigung des Berufungsgerichts aufgezeigt, Indiz für eine enge Verbindung des Klägers mit der PKK sei auch der Umstand, dass seine Ehefrau nach seiner Festnahme im März 1994 innerhalb von zwei Tagen eine Kaution in Höhe von 20 000 DM hinterlegen konnte. Dass der Sachverhalt nur die von dem Kläger in den Raum gestellte Schlussfolgerung zulässt, jede andere hingegen aus denkgesetzlichen oder logischen Gründen schlechterdings unmöglich ist, lässt sich dem Revisionsvortrag nicht entnehmen.
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bb) Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz - BZRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl I S. 1229, 1985 I S. 195), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2011 (BGBl I S. 2714) steht der Berücksichtigung der Passfälschungen im Rahmen des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Ergebnis nicht entgegen. Allerdings ist das angefochtene Urteil mit § 51 Abs. 1 BZRG insoweit nicht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), als frühere Verfolgungs- oder Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG nach Auffassung des Berufungsgerichts bereits tatbestandlich nicht von dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG erfasst werden (1). Die Entscheidung beruht indes nicht auf diesem Rechtsverstoß. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit § 51 Abs. 1 BZRG selbstständig tragend ausgeführt, dass die Passfälschertätigkeit auch deshalb nicht von dem Verwertungsverbot erfasst werde, weil sie nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt habe (2).
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(1) Die Regelung über den Ausschluss der Einbürgerung in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hat keinen die Anwendbarkeit des Verwertungsverbotes des § 51 Abs. 1 BZRG ausschließenden Charakter. § 51 Abs. 1 BZRG bestimmt, dass die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder zu tilgen ist.
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Der Wortlaut der Norm lässt eine generelle Ausklammerung vergangener Verfolgungs- und Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG aus dem Anwendungsbereich des Verwertungsverbots nicht zu. Der zentrale Begriff des Rechtsverkehrs umfasst vielmehr sämtliche Bereiche des Rechtslebens unter Einschluss des Verwaltungs- und damit auch des Staatsangehörigkeitsrechts (vgl. zum Ausländerrecht Urteil vom 5. April 1984 - BVerwG 1 C 57.81 - BVerwGE 69, 137 <143> = Buchholz 402.24 § 15 AuslG Nr. 6 S. 12 f.; ferner Götz/Tolzmann - Bundeszentralregistergesetz, 4. Aufl. 2000, § 51 Rn. 21).
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Die Bestimmung kann nicht im Wege einer teleologischen Reduktion dahin eingeschränkt werden, dass die hier in Rede stehenden Handlungen nicht ihrem Anwendungsbereich unterfallen. Dies setzte voraus, dass eine solche Einschränkung nach den vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Regelungszielen geboten ist (vgl. Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 10.11 - juris Rn. 15, zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Dies ist hier nicht der Fall.
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Die weite Fassung des Verwertungsverbotes spiegelt dessen Zweck wider, den Einbürgerungsbewerber von einem Strafmakel zu befreien und dadurch seine Resozialisierung zu begünstigen. Ziel der von dem Gedanken der Rehabilitation geprägten Regelung war die Schaffung eines umfassenden Verwertungsverbotes, das von allen staatlichen Stellen Beachtung verlangt und von dem nur abschließend aufgezählte Ausnahmen zulässig sein sollen (Götz/Tolzmann a.a.O. § 51 Rn. 4). Soweit der Gesetzgeber einzelne Bereiche des Rechts ausnehmen wollte, hat er dies abschließend in § 51 Abs. 2 und § 52 BZRG geregelt. Gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG nur berücksichtigt werden, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder eine Ausnahme zwingend gebietet. Insbesondere an dieser Ausnahme muss sich auch eine Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG messen lassen.
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(2) § 51 Abs. 1 BZRG ist auf Taten, die nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt haben, weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.
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Einer unmittelbaren Anwendung des § 51 Abs. 1 BZRG steht entgegen, dass die Vorschrift tatbestandlich eine eingetragene Verurteilung voraussetzt. Nur strafgerichtliche Verurteilungen im Sinne des § 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 BZRG unterliegen gemäß § 45 Abs. 1 BZRG der Tilgung. Mit dem Verwertungsverbot soll der Verurteilte nach Tilgung bzw. Tilgungsreife von dem Makel der Verurteilung befreit und ihm die Resozialisierung erleichtert werden (BRDrucks 676/69 S. 24 und BTDrucks VI/1550 S. 21, jeweils zu § 49 BZRG a.F.). Daran fehlt es hinsichtlich der Passfälschertätigkeit.
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Einer entsprechenden Anwendung widerstreitet, dass insoweit zwar eine Regelungslücke besteht, diese aber nicht planwidrig ist. Die Anordnung eines Verwertungsverbotes für Taten, die nicht in das Register einzutragen und aus diesem zu tilgen sind, ginge über den gemäß § 3 Nr. 1, § 4 BZRG auf strafrechtliche Verurteilungen beschränkten Rahmen des Gesetzes hinaus. Obgleich dem Gesetzgeber die Problematik seit Jahrzehnten bekannt ist, hat er keine Veranlassung gesehen, den Gedanken der Rehabilitation auch für Taten, die nicht durch eine Verurteilung strafrechtlich geahndet werden, normativ zu verankern. Dessen ungeachtet sind auch die Sachverhalte nicht vergleichbar. Das Bekanntwerden eines Gesetzesverstoßes, der nicht durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet worden ist, ist nicht in gleicher Weise wie der aus einer Verurteilung herrührende Strafmakel geeignet, die soziale Stellung des Betroffenen zu gefährden (Urteile vom 3. Dezember 1973 - BVerwG 1 D 62.73 - BVerwGE 46, 205 <206 f.> und vom 26. März 1996 - BVerwG 1 C 12.95 - BVerwGE 101, 24 <30> = Buchholz 402.5 WaffG Nr. 76 S. 30; vgl. ferner BGH, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 2 StR 499/72 - BGHSt 25, 64 <65> und Beschluss vom 8. März 2005 - 4 StR 569/04 - NStZ 2005, 397 f.).
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cc) Das Berufungsgericht war auch nicht durch die Unschuldsvermutung gehindert, die Tätigkeit des Klägers als Passfälscher, hinsichtlich derer das Strafverfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, bei seiner Überzeugungsbildung zu berücksichtigen.
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Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat damit Verfassungsrang. Sie ist durch Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts im Range eines Bundesgesetzes und schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren vorausgegangen ist (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254/88 und 2 BvR 1343/88 - BVerfGE 82, 106 <114 f.>). Sie schützt hingegen nicht vor Rechtsfolgen, die - wie die Ablehnung der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband - keinen Strafcharakter haben, sondern an ordnungsrechtlichen Zielsetzungen orientiert sind.
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dd) Da das Berufungsgericht das Unterstützen von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ohne Verletzung revisiblen Rechts selbstständig tragend auf die Fälschung von Passpapieren gestützt hat, können die Angriffe gegen die ebenfalls als Unterstützungshandlung gewürdigte Teilnahme des Klägers an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln im Februar 1999 schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das angegriffene Urteil nicht auf einem etwaigen Rechtsverstoß im Zusammenhang mit diesen Erwägungen beruhen kann. Denn eine Rechtsverletzung ist im Falle einer kumulativen Mehrfachbegründung nur kausal im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO, wenn diese sämtliche Begründungsstränge erfasst oder wenn jeder der Begründungsstränge von einem individuellen Rechtsverstoß betroffen ist (Urteil vom 21. September 2000 - BVerwG 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 12 f. m.w.N.).
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c) Der Kläger hat auch nicht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung der in Rede stehenden Bestrebungen abgewandt hat. An das Sich-Abwenden im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG werden keine strengeren Beweisanforderungen als an den Ausschlussgrund selbst gestellt. Denn die Glaubhaftmachung bezeichnet ein herabgesetztes Beweismaß. Hinsichtlich der an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen sind Art, Gewicht, Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt des einbürgerungsschädlichen Verhaltens zu beachten. Die Anforderungen sind in der Regel umso höher, je stärker das Gewicht des einbürgerungsschädlichen Verhaltens ist und je näher dieses Verhalten zeitlich an die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag heranreicht. Es ist eine Gesamtschau der für und gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren vorzunehmen. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt nicht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von - wie hier - sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben. Er muss aber nicht seine in der Vergangenheit liegenden Handlungen bedauern, als falsch bzw. irrig verurteilen oder ihnen abschwören (vgl. Berlit a.a.O. Rn. 152 und 158; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 11 Rn. 17 ff. jeweils m.w.N.).
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Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung ersichtlich von diesen Grundsätzen leiten lassen. Auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen, gegen die die Revision keine Verfahrensrügen erhoben hat, ist seine rechtliche Würdigung, dass keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Abwendung des Klägers von der PKK vorliegen, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Tenor
Die Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 901/09 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
den Bescheid des Beklagten vom 9.9.2009 aufzuheben.
die Klage abzuweisen.
die Klage unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14.9.2010 abzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Gründe
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am XX. August 1980 in Al Hoceima/Marokko geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 7. November 1987 zum Familiennachzug in das Bundesgebiet ein und erhielt am 27. Juni 1996 erstmalig eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die am 3. Juli 1997 unbefristet verlängert wurde und die ab dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgalt. Er besuchte in X. zunächst den Schulkindergarten der Grundschule, erwarb 1999 an der Gesamtschule den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und 2001 an der Abendrealschule die Fachoberschulreife. Anschließend begann er an der M.-Schule, Berufskolleg der Stadt E., eine Ausbildung zum Physikalisch-technischen Assistenten, die er 2004 abbrach. Zwischen August 2006 und April 2010 arbeitete er für jeweils maximal 7 Monate, aber mit Unterbrechungen von bis zu 16 Monaten als Helfer bei Zeitarbeits-, Automobil- und Logistikfirmen.
3Aufgrund eines Einleitungsvermerks des Landeskriminalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2007 leitete die Staatsanwaltschaft Zweibrücken das Ermittlungsverfahren 4126 Js 8066/07 unter anderem gegen den somalischen Staatsangehörigen I., geboren am 6. Februar 1982 in Mogadischu/ Somalia, und den libanesischen Staatsangehörigen T., geboren am 6. Februar 1974 in Beirut/ Libanon, wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der fortgesetzten Begehung des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst und Förderung des internationalen Jihad ein. In dessen Rahmen ordnete das Amtsgericht Zweibrücken die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) der Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse I.‘s und T.‘s sowie deren Observation an. Der Hauptbeschuldigte I. wurde am 20. Februar 2008 in anderer Sache vorläufig festgenommen. Das Landgericht Frankenthal verurteilte ihn wegen gemeinschaftlichen Totschlags zum Nachteil von drei georgischen Staatsangehörigen zu lebenslanger Freiheitsstrafe (Urteil vom 16. Februar 2009 ‑ 5220 Js 4635/08 ‑).
4Gegen T. erließ der Donnersbergkreis unter dem 29. April 2009 eine Ausweisungsverfügung wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht stellte zu seiner Überzeugung fest, T. sei zumindest als aktiver Unterstützer des Terrornetzwerks Al Qaida einzustufen. Er habe die so genannte „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida dadurch unterstützt, dass er seine Wohnung in Wiesbaden sowohl für deren Mitglieder als auch für angeworbene Selbstmordattentäter bis zu deren Ausreise in den Irak zum Zweck des gewaltsamen Jihad zur Verfügung gestellt habe. Auch habe er Spenden für die „Mainzer Gruppe“ der Al Qaida gesammelt und seine Absicht bekundet, den gewaltsamen Jihad durch ein von ihm selbst verübtes Selbstmordattentat im Irak unterstützen zu wollen (VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 9. April 2010 ‑ 2 K 1050/09.NW ‑, OVG Koblenz, Beschluss vom 4. November 2010 ‑ 7 A 10982/10.OVG ‑).
5Aus den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus Polizeivermerken ergeben sich für die Zeit zwischen dem 14. Dezember 2007 und dem 20. April 2008 insgesamt 262 Gesprächs- und SMS-Verbindungen sowie Anwahlversuche zwischen dem Kläger und T.. Darin verabredeten sich beide in deutscher und arabischer Sprache u. a. für persönliche Treffen bei T., der damals in Kirchheimbolanden wohnte und in Mainz arbeitete. Der Kläger fuhr am 23./ 24. Dezember 2007, am 5./6. Januar 2008, am 2./3. Februar 2008 und am 16./ 17. Februar 2008 jeweils mit der Bahn von Wuppertal nach Mainz oder Alzey und ließ sich von T. am Bahnhof abholen. Mit Ausnahme des Treffens im Dezember 2007 reiste der Kläger dabei jeweils in Begleitung des K., geboren am 31. März 1982 in Dortmund, der sich damals „Youssef“ nannte und dessen Identität die Sicherheitsbehörden erst im Juni 2012 klären konnten. Insgesamt mindestens zweimal fuhr T. anlässlich dieser Aufenthalte mit dem Kläger (und zweimal auch mit K.) nach Ludwigshafen, um sich dort mit I. zu treffen. Wegen der Anzahl der Treffen und der Teilnehmer sowie wegen des Inhalts der Gespräche im Einzelnen nimmt der Senat auf die TKÜ-Protokolle und die polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerke vom 8. Februar, 13. und 17. März, 29. August 2008 sowie vom 12. Oktober 2011 Bezug.
6Das Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilte K. wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Es stellte fest, dass er sich im Herbst 2009 unter dem Namen „Yusuf“ nach Pakistan in das Grenzgebiet zu Afghanistan habe einschleusen lassen, um sich am bewaffneten Kampf der Muslime in Afghanistan gegen die Truppen der USA und ihrer Verbündeten zu beteiligen. Er habe sich dort bewaffnet und den Deutschen Taliban Mujaheddin (DTM) angeschlossen. Seinen Ausreise- und Kampfentschluss habe er „im Laufe des Jahres 2008“ gefasst. Nach dem Abbruch seines Studiums in Frankfurt am Main 2003 sei er wieder zu seinen Eltern nach Lünen gezogen und habe begonnen, in verschiedenen Städten des Ruhrgebiets und in Wuppertal marokkanische Moscheen zu besuchen. Dadurch habe sich ein Freundeskreis entwickelt, der aus Moslems bestanden habe, die der Muslimbruderschaft und Tablighi Jamaat zuzurechnen gewesen seien (Urteil vom 24. März 2014 ‑ III‑5 StS 3/13 ‑).
7Der Kläger heiratete am 30. April 2009 vor dem Standesamt C. die am 18. März 1987 ebenfalls in C. geborene Arzthelferin D.. Sie ist deutsche Staatsangehörige. Aus der Ehe ist die am 22. Mai 2015 in C. geborene Tochter N. hervorgegangen. Ebenfalls zum 30. April 2009 meldete sich der Kläger von X. nach C. um.
8Unter dem 16. Juni 2010 beantragte er dort seine Einbürgerung. Er unterschrieb eine einfache Loyalitätserklärung, in der es u. a. heißt, er verfolge oder unterstütze keine Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, und er habe solche Bestrebungen auch nicht verfolgt oder unterstützt. Das Kundencenter C. der Kooperation Arbeit und Soziales S. teilte dem Beklagten unter dem 22. Juni 2010 mit, der Kläger habe keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt. Eine Erkenntnisabfrage des Beklagten im automatisierten OSiP-Verfahren ergab am 10. August 2010 unter anderem, dass beim LKA Nordrhein-Westfalen und beim Verfassungsschutz keine Erkenntnisse über den Kläger vorlägen.
9Der Beklagte bürgerte den Kläger am 8. September 2010 unter dauerhafter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit ein.
10Mit Fax vom 13. September 2010 informierte das Polizeipräsidium Köln die Ausländerbehörde des Beklagten über die Erkenntnisse aus der TKÜ gegen I. und T. Außerdem habe ein Sozialarbeiter des Berufskollegs M.-Schule im Jahre 2002 mitgeteilt, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Seine Ehefrau sei die Tochter eines Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“, der aufgrund von Personenverflechtung ideologisch der Muslimbruderschaft nahestehe. Das Polizeipräsidium X. teilte ergänzend mit, der Kläger habe vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. April 2009 eine Wohnung in der U. straße 172 in X. angemietet gehabt, welche er niemals bezogen habe. Diese letztgenannte Mitteilung ließ sich der Beklagte durch den Geschäftsführer der Vermieterin telefonisch bestätigen.
11Durch Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers rückwirkend auf den Zeitpunkt der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde zurück (Nr. 1), forderte ihn zur unverzüglichen Rückgabe dieser Urkunde auf (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an (Nr. 3) und drohte ihm für den Fall der Nichterfüllung der Rückgabeaufforderung den unmittelbaren Zwang an (Nr. 4). Seine Einbürgerung sei rechtswidrig gewesen, weil sich aus den inzwischen vorliegenden Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, dass er sich bereit erklärt habe, sich für die Ausbildung zum heiligen Krieg in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Der Kläger habe sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 dreimal mit T. und einmal mit I. in Mainz und Ludwigshafen persönlich getroffen. Seine abgehörten Telefonate mit T. in dieser Zeit seien zunehmend konspirativ geworden. Auch das Herunterladen von radikal-islamistischen Seiten aus dem Internet sei unter diesen Umständen als Vorbereitungshandlung zu werten. Weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung seien die familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags, das Anmieten der nie bezogenen Wohnung und seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001. Der Kläger habe in seiner Loyalitätserklärung arglistig getäuscht, weil er darin seine Treffen mit I. und T. verschwiegen habe. Die Bedeutung dieser Treffen für seine Einbürgerung sei ihm auch bewusst gewesen, weil er in den Telefonaten mit T. selber angegeben habe, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen. Im Rahmen des Rücknahmeermessens stehe das Interesse des Klägers hinter dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes zurück. Wegen der Täuschung könne er kein schutzwürdiges Vertrauen geltend machen. Zudem besitze er die deutsche Staatsangehörigkeit erst seit kurzem und habe lediglich einen Personalausweis, aber noch keinen Pass beantragt. Er werde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil er seine marokkanische Staatsangehörigkeit behalten habe.
12Der Kläger hat am 13. Oktober 2010 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, das erste Treffen mit T. in Mainz habe ausschließlich familiären Charakter gehabt. T. sei der Cousin seiner damaligen Verlobten, Frau G., gewesen, die er Ende 2007 über eine Partnervermittlung im Internet kennen gelernt und in die er sich verliebt habe. Sie beide hätten heiraten wollen, Frau G. sei jedoch im Februar 2008 in Saudi-Arabien nach vorherigem Koma an einer Blutvergiftung gestorben. Er, der Kläger, habe den Cousin seiner Verlobten und dessen Familie kennen lernen und von ihm verschiedene Geschenke entgegen nehmen wollen (Tücher, Parfüm), welche seine Verlobte der Ehefrau T.‘s in Saudi-Arabien übergeben habe. Die beim zweiten Treffen am 5. Januar 2008 in Mainz übergebenen CD’s seien Lern-CD’s für Kinder gewesen, die für die Kinder des T. bestimmt gewesen seien. An seinem dritten Treffen mit T. am 3. Februar 2008 hätten auch „Youssef“, der ein entfernter Bekannter sei, und I. teilgenommen, der ihm als ein Freund von T. vorgestellt worden sei. Auch bei diesem Treffen seien lediglich persönliche und „sonstige allgemeine Dinge“ besprochen worden. Der Jihad oder die Anwerbung zur Ausbildung in einem sog. „Terrorcamp“ seien nicht Gesprächsgegenstand gewesen. Ob er 2002 die vom Beklagten genannte Internetseite besucht und dort Gedichte heruntergeladen habe, sei ihm nicht mehr erinnerlich. Sein Ordnerdienst bei der palästinensischen Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. in 2001 sei nur untergeordneter Art gewesen und habe nur „kurzzeitig“ gedauert. Aus der religiösen Betätigung seines Schwiegervaters lasse sich keine verfassungsfeindliche Einstellung bei ihm selbst ableiten. Die Wohnung U. straße 172 habe er angemietet, weil er auf der Suche nach einer festen Beziehung gewesen sei und mit seiner zukünftigen Ehefrau dann eine eigene Wohnung habe beziehen wollen. Es sei keine konspirative Wohnung gewesen, sondern er habe sie als Nebenwohnung offiziell gemeldet.
13Die Ausländerbehörde des Beklagten führte am 6. Oktober 2010 und am 22. Februar 2011 Sicherheitsgespräche mit dem Kläger durch. Wegen der Gesprächsinhalte nimmt der Senat auf die hierüber vom Beklagten gefertigten Niederschriften Bezug.
14Im Erörterungstermin vom 25. Mai 2011 hat das Verwaltungsgericht den Kläger informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten seiner Angaben nimmt der Senat auf das Terminprotokoll Bezug.
15Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
16den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 aufzuheben.
17Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er hat die Auffassung vertreten, die Angaben des Klägers seien nicht überzeugend, weil er anlässlich der Telefonate die Satzbestandteile „über die Sache reden“ und „nicht am Telefon“ verwendet habe.
20Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid aufgehoben. Die Erkenntnisse des Beklagten trügen im Ergebnis weder die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung noch diejenige ihres vorwerfbaren Erwirkens. Seine Einbürgerung sei weder wegen seiner Kontakte zu T. noch wegen seiner Heirat der Tochter des Vorstandsvorsitzenden des „Islamische Gemeinde C. e. V.“ noch wegen des Herunterladens von Inhalten über den Jihad auf der Internetseite www.azzam.de noch wegen des Anmietens einer nicht bezogenen Wohnung rechtswidrig. Auch ein vorwerfbares Erwirken der Einbürgerung durch arglistige Täuschung sei nicht feststellbar. Hierfür komme allenfalls die abgegebene Loyalitätserklärung in Betracht. Es fehle bereits an einer Unterstützungshandlung, von der auf ein subjektives Erkennen und vorsätzliches Verschweigen einer solchen geschlossen werden könne.
21Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung legt der Beklagte ergänzend ein Protokoll über die von ihm durchgeführte Zeugenvernehmung des deutschen Staatsangehörigen P., geb. am 1. Oktober 1968 in Suleimania/Irak, am 23. Mai 2013 in der Justizvollzugsanstalt Diez vor, der bei zumindest einem der Treffen I.‘s mit dem Kläger anwesend war. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage nimmt der Senat auf das Protokoll Bezug. Ferner legt der Beklagte einen an ihn gerichteten Brief des Zeugen P., in dem er sich ergänzend zu den ihm gestellten Fragen äußert, sowie das Protokoll von dessen Zeugenvernehmung durch das LKA Nordrhein-Westfalen am 10. Juni 2013 vor.
22Der Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
24Der Kläger beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Er macht ergänzend geltend, aus den Darlegungen des Beklagten werde nicht einmal ansatzweise ersichtlich, welche konkrete Unterstützungshandlung für eine verfassungsfeindliche Bestrebung er begangen haben solle. Seine angebliche Bereitschaft, sich für den bewaffneten Kampf im Ausland anwerben zu lassen, habe der Beklagte ihm lediglich unterstellt, aber nicht nachgewiesen, dass diese subjektive Tatsache auch tatsächlich vorgelegen habe. Es lägen lediglich Anhaltspunkte dafür vor, dass T. und I. potentielle Jihad-Kämpfer anwerben wollten. Auch sei nicht auszuschließen, dass T. den zunächst nur persönlichen Kontakt zu ihm habe ausnutzen wollen, um ihn für den Jihad anzuwerben und T. sich damit habe brüsten wollen, unter staatlicher Überwachung zu stehen. Aus den Akten ergebe sich jedoch kein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass T. seine Anwerbung auch ihm gegenüber offenbart habe.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen nimmt der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Eilverfahrens 19 B 277/15 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (6 Hefte), der Strafakten 4126 Js 8066/07 der Staatsanwaltschaft Zweibrücken (6 Ordner) und der Beiakten des genannten Eilverfahrens Bezug.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung des Beklagten ist statthaft, nachdem der Senat sie zugelassen hat. Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das gilt sowohl für die darin unter Nr. 1 verfügte Rücknahme der Einbürgerung (A.) als auch für die in Nr. 2 enthaltene Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde (B.) sowie schließlich für die darin unter Nr. 4 ausgesprochene Androhung unmittelbaren Zwangs (C.). Die unter Nr. 3 getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Maßnahmen zu Nrn. 1 und 2 war Gegenstand nicht des vorliegenden Rechtsstreits, sondern des Eilverfahrens 19 B 277/15.
30A. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Einbürgerung in Nr. 1 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 35 Abs. 1 StAG. Die Vorschrift ist am 12. Februar 2009 in Kraft getreten und verdrängt als spezielle staatsangehörigkeitsrechtliche Rücknahmeermächtigung für den hier vorliegenden Fall einer erschlichenen Einbürgerung die allgemeine Rücknahmeermächtigung in § 48 VwVfG NRW.
31BVerwG, Urteil vom 9. September 2014 ‑ 1 C 10.14 ‑, StAZ 2015, 212, juris, Rdn. 18; Urteil vom 11. November 2010 ‑ 5 C 12.10 ‑, StAZ 2011, 281, juris, Rdn. 13; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 3. Dezember 2012 ‑ 11 K 1038/12 ‑, juris, Rdn. 20.
32Nach § 35 Abs. 1 StAG kann u. a. eine rechtswidrige Einbürgerung nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden ist, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind. Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung erfolgen (Abs. 3). Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig (I.). Der Kläger hat sie durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die für seine Einbürgerung wesentlich waren (II.). Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist eingehalten (III.) und sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt (IV.). Der Rücknahmebescheid ist auch formell rechtmäßig (V.).
33I. Die am 8. September 2010 vollzogene Einbürgerung des Klägers war rechtswidrig, weil sie gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verstieß. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (1. Alternative) oder die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (2. Alternative) oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (3. Alternative), es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Im Fall des Klägers rechtfertigen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme, dass er zumindest in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 Bestrebungen unterstützt hat, die im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (1.). Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung dieser Bestrebungen abgewandt hat (2.).
341. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen im vorliegenden Fall die Annahme, dass der Kläger in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/ oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt hat, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Hierin liegt ein Unterstützungsverdacht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Das Terrornetzwerk Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative dieser Vorschrift durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten (a). Der genannte Unterstützungsverdacht ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen P., aus den Gesprächsinhalten in den TKÜ-Protokollen des LKA Rheinland-Pfalz sowie aus sonstigen aussagekräftigen Indizien (b). Der erwähnte Aufbau des konspirativen Vertrauensverhältnisses mit dem Ziel einer Rekrutierung als Kämpfer für den Jihad, dessen der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren (c).
35a) Das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna waren im Frühjahr 2008 Bestrebungen, welche im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Diese Alternative ist § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG nachgebildet und erfasst politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Dazu gehören nicht nur gewaltanwendende oder ‑vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Ihr Anwendungsbereich geht insofern über die nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG untersagte politische Betätigung eines Ausländers hinaus. Denn § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hat die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG enthaltene Beschränkung auf Bestrebungen „im Geltungsbereich dieses Gesetzes“ nicht übernommen.
36BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 ‑ 5 C 1.11 ‑, BVerwGE 142, 132, juris, Rdn. 17; VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 29; Berlit, in: Fritz/Vormeier (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht (GK-StAR), Stand: Aktualisierungslieferung Nr. 33, November 2015, IV-2 § 11 StAG, Rdn. 130 f.
37Nach diesen Maßstäben erfüllten das Terrornetzwerk Al Qaida und die Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna im Frühjahr 2008 die Voraussetzungen des Bestrebungsbegriffs im Sinne der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.
38Für die Erfüllung der 3. Alternative des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch Al Qaida im Frühjahr 2008 ist maßgeblich, dass dieses Terrornetzwerk damals wie heute das Ziel verfolgt, die islamische Welt von westlichen Einflüssen zu befreien und dort Gottesstaaten auf der Grundlage der Scharia zu errichten. Hierzu führt es einen „Heiligen Krieg“ (Jihad) gegen die den eigenen Glauben und die Gemeinschaft der Gläubigen bedrohenden „Feinde des Islam“, zu denen sie die gesamte westliche Welt und die als „Apostaten“ angesehenen pro-westlichen Regime in den muslimischen Staaten zählt. Dazu gehört in aller erster Linie der Staat Israel, den Bin Laden als „Besatzungsstaat“ bezeichnet hat. Den Jihad versteht Al Qaida als gewaltsamen Kampf, sich hieran zu beteiligen sieht sie als individuelle Pflicht eines jeden rechtgläubigen Muslim an. Für ein legitimes Mittel des Jihad hält sie insbesondere die Verunsicherung des „Feindes“ durch terroristische Anschläge, die auf die Tötung einer möglichst großen Zahl von Menschen abzielen. Auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Alternative sind auch dadurch gefährdet, dass sich Al Qaida bei der Rekrutierung von Märtyrern für eine terroristische Ausbildung in einem Ausbildungslager auch in Deutschland lebender Muslime bedient, sei es, dass diese selbst rekrutiert werden sollen, sei es, dass sie die Rekrutierung und Schleusung islamistischer Kämpfer aus arabischen Ländern von Deutschland aus organisieren. Sind diese Muslime zugleich deutsche Staatsangehörige, macht sich Al Qaida auch die damit verbundene Reisefreiheit bewusst zunutze. Das belegen die tatsächlichen Feststellungen deutscher Strafgerichte in den vom Verfassungsschutz dokumentierten Strafverurteilungen.
39Bundesministerium des Innern (BMI), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 226, Verfassungsschutzbericht 2008, S. 217 f.; vgl. auch VG Stuttgart, a. a. O., Rdn. 30.
40Die Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna war im Frühjahr 2008 und ist bis heute ebenfalls eine terroristische Organisation, die ihre politischen Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen und durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt.
41Bay. VGH, Urteil vom 2. September 2013 ‑ 10 B 10.1713 ‑, juris, Rdn. 59; VG München, Urteil vom 14. Januar 2015 ‑ M 25 K 13.3143 ‑, juris, Rdn. 22; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.1.
42b) Der Verdacht gegen den Kläger, in der Zeit zwischen Dezember 2007 und April 2008 ein konspiratives Vertrauensverhältnis zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder der Terrororganisation Ansar al-Islam/Ansar al-Sunna mit dem Ziel hergestellt zu haben, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, ergibt sich aus den folgenden Indiztatsachen, die zur vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit des Senats im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO feststehen: Der Kläger hat sich zwischen dem 23. Dezember 2007 und dem 16. Februar 2008 insgesamt viermal mit T. und mindestens zweimal auch mit I. im Raum Mainz/Ludwigshafen getroffen (aa). Beide waren zum damaligen Zeitpunkt als Anwerber für zumindest eine der genannten Terrororganisationen tätig (bb). Der Kläger ist in der Absicht zu diesen Treffen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen (cc).
43aa) Die Treffen des Klägers mit den beiden genannten Personen ergeben sich aus den TKÜ-Protokollen und polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerken sowie teilweise auch aus dem Geständnis des Klägers, der eingeräumt hat, sich an den genannten Tagen insgesamt viermal mit T. und am 3. Februar 2008 auch mit I. getroffen zu haben. Zumindest ein weiteres Treffen des Klägers und K.‘s auch mit I. in Ludwigshafen ergibt sich aus dem polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk vom 17. März 2008, in dem KHK’in B. ein Telefonat I.‘s mit T.n am 14. Februar 2008 und das darauf folgende Geschehen wie folgt wiedergegeben hat:
44„Mitten im Gespräch wechselt I. plötzlich das Thema und erwähnt, dass T. unbedingt mit „denen“ am Wochenende kommen müsse. Es sei wichtig, dass sie kommen, denn „es“ könne jetzt sofort gehen. Er müsse mit ihnen reden.Tatsächlich setzte sich anschließend T. mit H. telefonisch in Verbindung und vereinbarte kurzfristig ein Treffen für den 16.02.08, zu dem H. und „Youssef“ wiederum per Bahn anreisten. Das Treffen mit I. fand noch am 16.02.08 in Ludwigshafen statt.“
45Auch im polizeilichen Bewertungs- und Observationsvermerk des KHK V. vom 13. März 2008 heißt es, T., eine weitere Person, der Kläger und „Youssef“ seien am 16. Februar 2008 gemeinsam nach Ludwigshafen gefahren, wo ein Treffen mit I. habe beobachtet werden können. Vor dem Hintergrund dieser polizeilichen Feststellungen bewertet der Senat die abweichende Darstellung des Klägers lediglich als ein schlichtes und pauschales Bestreiten, I. habe T. in seiner (des Klägers) Gegenwart „nur einmal (in Wiesbaden) getroffen“ und dabei „in Anwesenheit des Klägers über allgemeine und allgemeinpolitische Dinge gesprochen …, nicht aber über den internationalen gewaltsamen ‚heiligen Krieg‘ oder über die Anwerbung des Klägers hierzu“ (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Dem hierauf bezogenen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung des I. ist der Senat nicht gefolgt, weil der Kläger keine konkreten positiven Beweistatsachen in das Wissen des Zeugen gestellt hat.
46bb) Dass I. und T. für die beiden genannten Terrororganisationen Kämpfer angeworben und Spenden gesammelt haben, ergibt sich zur Überzeugung des Senats vor allem aus den Angaben des Zeugen P. gegenüber dem Beklagten und dem LKA Nordrhein-Westfalen. Der Zeuge hat am 10. Juni 2013 I. anhand des ihm vorgelegten Lichtbildes zweifelsfrei identifiziert („Das ist der I.“) und auf die Frage des LKA, ob er Kontakt zu einer Organisation gehabt habe, geantwortet: „Er hatte Kontakt zur Ansar al-Islam.“ Ebenso hat der Zeuge auch T. auf dem ihm vorgelegten Lichtbild als „den Libanesen“ identifiziert, der „zwei Frauen hat“ und den er gemeinsam mit I. und einem „Marokkaner“ namens „O.“ mit einem „langen Bart“ „ungefähr im Jahr 2008 oder 2007“ vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe, weil I. von ihm, dem Zeugen P., zwei Pässe habe kaufen wollen für „O.“ und „eine andere arabisch stämmige Person“, die beide in den Irak „in den Jihad“ gewollt hätten. Auch in dem Brief an den Beklagten schreibt der Zeuge, I. habe ihm über T. erzählt, „dass derjenige zu den Anhängern von Al Qaida gehöre und er in den Irak zum Jihad gehen wolle“. Inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmend hat der Zeuge des Weiteren auch in seiner Vernehmung am 23. Mai 2013 auf die Frage des Beklagten geantwortet, ob er den Namen der Gruppe kenne, für die I. angeworben habe: „Das globale System nennt sich Al Qaida. Die Ansar al-Islam zum Beispiel ist ja auch eine Gruppe, welche für Al Qaida arbeitet.“
47Bestätigung finden diese Angaben des Zeugen P. in den polizeilich überwachten Gesprächen zwischen I. und T. sowie zwischen T. und einer unbekannt gebliebenen anderen Person. So hat I. dem T. am 11. Mai 2007 während eines überwachten Kontakts in einem Fahrzeug mitgeteilt, dass sie jetzt „eine große Aufgabe, ein großes Programm“ hätten, weil sie „Leute“ „nach Tschetschenien schicken“ sollten und „er“ dafür „5.000 Euro von mir erwartet“. In einem weiteren überwachten Gespräch am 25. Mai 2007 hat T. einem Gesprächspartner mitgeteilt, Personen, die „nicht von Al Qaida“ gewesen seien, hätten ihn mit einer mitgebrachten Kalaschnikow „zu Hause bei mir trainiert“, „habe Ausbildung gehabt“.
48Der Kläger hat die Indizwirkung dieser Tatsachen auch nicht etwa in Abrede gestellt, insbesondere nicht den Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen P. in Zweifel gezogen, soweit sich diese auf den Anwerbezweck des Verhaltens von I. und T. beziehen. Insoweit hat der Kläger vielmehr eingeräumt, es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass T. „gemeinsam und gleichsam im Auftrag“ des I. Dritte als potentielle Jihad-Kämpfer habe anwerben wollen, und es sei auch „nicht auszuschließen“, „dass T. den zunächst persönlichen Kontakt zu dem Kläger ausnutzen wollte, um diesen für den Jihad anzuwerben.“
49cc) Der Kläger ist in der Absicht zu den Treffen im Raum Mainz/Ludwigshafen gereist, sich von I. und T. für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen. Diese Überzeugung gewinnt der Senat aus einer Gesamtbewertung ebenfalls zunächst der bereits zitierten Angaben des Zeugen P. sowie aus den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T..
50Der Zeuge P. hat den Kläger in seinen beiden Vernehmungen durch den Beklagten und durch das LKA Nordrhein-Westfalen jeweils nach Lichtbildvorlage als den „Marokkaner“ namens „O.“ bezeichnet, „der aus X. kam“ und den er einmal gemeinsam mit I. und T. vor der kurdischen Moschee in Ludwigshafen getroffen habe und der „auch in den Jihad“ gewollt habe. Zudem hat der Zeuge den Kläger in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten als „der Andere von Bild Nummer 3“ bezeichnet, für den I. von ihm (dem Zeugen P.) einen irakischen Pass habe kaufen wollen, weil er „in den Irak zum Jihad“ habe gehen wollen.
51Diese Angaben des Zeugen führen schon für sich genommen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eindeutig auf die Person des Klägers, jedenfalls steht dies aber im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus den TKÜ-Protokollen zur vollen Überzeugung des Senats fest. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Zeuge P. ihn auf den vorgelegten Lichtbildern jeweils nicht sofort mit Sicherheit zu identifizieren vermochte („Ich bin mir nicht sicher. Ich habe einmal diese Person getroffen ...“; „Es kann sein, dass es diese Person war.“). Denn seine anfängliche Unsicherheit zur Person des Klägers jedenfalls in seiner Vernehmung durch den Beklagten hat der Zeuge selbst beseitigt, indem er in seinem ergänzenden Brief an den Beklagten eine eindeutige Zuordnung zum Kläger als der „Person auf Bild Nummer 3“ vorgenommen hat.
52Bestätigung findet diese tatsächliche Würdigung in der Tatsache, dass es in den protokollierten Gesprächen des Klägers mit T. unter anderem auch um eine Passbeschaffung für den Kläger ging. Er hat T. am 11. April 2008 angerufen und dabei von ihm den Rat erteilt bekommen, „sich einen deutschen Pass zu besorgen“, worauf er geantwortet hat, er habe „dies schon versucht, aber es ist schwierig“. Sodann hieß es, vieles sei natürlich leichter mit einem deutschen Pass, z. B. das visafreie Reisen. Wahrheitswidrig ist hiernach die spätere Zeugenaussage des Klägers in seiner Vernehmung durch den Generalbundesanwalt im Ermittlungsverfahren gegen K. am 2. September 2013 in Köln. Darin hat der Kläger nach einer Unterbrechung der Vernehmung zum Zweck der Beratung mit seinem Anwalt ausdrücklich erklärt: „Ich kann nur wiederholen, dass es niemals um Pässe ging. Ich habe bei ihm (P.) nie Pässe bestellt oder über Pässe gesprochen. Das Gleiche gilt in Bezug auf T. und I.“
53Auch die Einlassung des Klägers, die Treffen mit T. und I. hätten ausschließlich familiären Charakter gehabt, bewertet der Senat als unglaubhaft. Sie erklärt insbesondere nicht, weshalb der Kläger mehrere Fahrten nach Mainz gemeinsam mit K. unternommen hat, der nach seinen Angaben nur ein „entfernter Bekannter“ von ihm gewesen sein soll, dessen Nachname ihm unbekannt gewesen sei. Der Senat teilt in diesem Punkt die Bewertung des Generalbundesanwalts im Strafverfahren gegen K., die Darstellung des Klägers sei als Schutzbehauptung zu werten, weil keine plausiblen anderweitigen Gründe zu erkennen seien, aus denen der Kläger K. mehrfach zu zeit- und kostenaufwändigen Reisen jeweils mit Übernachtung mitgenommen haben sollte (Anklageschrift vom 19. September 2013 ‑ 2 BJs 19/12-4, 2 StE 5/13-4 ‑, S. 17 f. unter „III. Der Ausreiseversuch mit H. im Jahr 2008“). Diese Bewertung hat der Generalbundesanwalt zutreffend gestützt auf die ausweichende und verharmlosende Antwort des Klägers in seiner bereits erwähnten Zeugenvernehmung auf die Frage nach dem Grund der Begleitung durch „Youssef“: „Er ist einfach mitgefahren. Ich habe ihn mitgenommen. Einen besonderen Grund gab es nicht. Wir sind mit der Bahn gefahren. Die Fahrkarte hat er selbst bezahlt.“. Dem in diesem Zusammenhang gestellten Beweisantrag des Klägers auf Einholung einer Auskunft des Generalbundesanwalts ist der Senat nicht gefolgt (Schriftsatz vom 18. Juni 2013). Es kommt nicht auf die damit unter Beweis gestellten Tatsachen an, wie oft sich K. mutmaßlich mit I. getroffen hat und wann es mutmaßlich zu einer Anwerbung des K. für den internationalen Jihad oder die DTM gekommen ist.
54Unglaubhaft ist insbesondere die Behauptung des Klägers, zentrales Motiv für die Reisen sei seine Liebe zu G. gewesen, deren Familienangehörige er habe kennen lernen wollen. Auffällig ist nämlich, dass in den auszugsweise wiedergegebenen TKÜ-Protokollen der abgehörten Telefonate zwischen dem Kläger und T. zwar die Heiratsvermittlung und die Eltern G.‘s Erwähnung finden, nicht aber deren Blutvergiftung, deren Koma und deren Tod in Saudi-Arabien im Februar 2008. Im Widerspruch zu dieser nachträglichen Darstellung hat der Kläger dem T. noch im Telefonat vom 20. April 2008 auf dessen Frage, was er, der Kläger, mit der „Verlobten“ gemacht habe, geantwortet, es sei „alles in Ordnung“. Gegen den Wahrheitsgehalt der genannten Behauptung des Klägers spricht weiter seine Antwort auf die Frage in der Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe. Wäre tatsächlich seine Liebe zu der angeblich im Februar 2008 verstorbenen G. zentrales Motiv für die Treffen mit T. gewesen, so hätte auf diese Frage keine Antwort näher gelegen als diejenige, der Kontakt zu T. sei wegen des Todes seiner Geliebten abgebrochen. Stattdessen hat der Kläger aber geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte.
55Die genannte Behauptung des Klägers erklärt des Weiteren nicht sein aus den TKÜ-Protokollen ablesbares Bemühen um einen Reisepass. Insbesondere bleibt unerklärlich, weshalb T. ihm noch im bereits erwähnten Telefonat vom 11. April 2008, also etwa zwei Monate nach dem angeblichen Versterben der G. im Februar 2008, den Rat gegeben haben sollte, sich einen deutschen Pass zu besorgen. Auch erklärt die Einlassung des Klägers nicht, weshalb T. und er am Telefon wiederholt konspirative Formulierungen verwendet haben („über die Sache reden“, „nicht am Telefon“). Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Behauptung des Klägers, nicht er, sondern nur T. habe am Telefon konspirative Formulierungen verwendet. So hat der Kläger den T. am 1. Januar 2008 angerufen und ihm mitgeteilt, er wolle über eine „Sache“ reden, woraufhin T. entgegnete, er wolle darüber „nicht am Telefon“ sprechen. Auch dieser Hinweis T.‘s ist nicht plausibel, wenn es von Seiten des Klägers tatsächlich nur um das Besprechen unverfänglicher Familienangelegenheiten hätte gehen sollen. Im Gegenteil hat T. selbst im Telefonat zwischen beiden am 18. März 2008 ausdrücklich die plausible Erklärung für sein konspiratives Verhalten geliefert, indem er dem Kläger den Hinweis gab: „A sagt, dass sie abgehört werden, daher will A nicht so viel über Telefon reden.“
56Unglaubhaft und in sich widersprüchlich ist auch der Einwand des Klägers, Hintergrund der beabsichtigten Geheimhaltung am Telefon sei ausschließlich die dem T. drohende Abschiebung, aber „keine zwischen ihm und dem Kläger geplanten wie auch immer gearteten terroristischen Aktivitäten“ gewesen. Denn die Abschiebung drohte dem T., wie die spätere Ausweisungsverfügung des Donnersbergkreises vom 29. April 2009 belegt, ausschließlich wegen seiner Verbindungen zu terroristischen Organisationen.
57c) Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses zu Anwerbern des Terrornetzwerks Al Qaida und/oder die Terrororganisation Ansar al-Islam/ Ansar al-Sunna mit dem Ziel, sich für die Waffenausbildung als Kämpfer für den Jihad in einem Ausbildungslager im Ausland rekrutieren zu lassen, deren der Kläger hiernach verdächtig ist, ist als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren. Der Unterstützungsbegriff in dieser Bestimmung erfasst jede Handlung eines Ausländers, die für eine der in dieser Vorschrift genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist, die dieser Ausländer für ihn erkennbar und von seinem Willen getragen zum Vorteil dieser Bestrebungen vornimmt und die nach Art und Gewicht auf eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen schließen lässt.
58BVerwG, Urteile vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 19 f., vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 16 und vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 18 m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 14. Dezember 2010 ‑ 19 A 1491/05 ‑, NWVBl. 2011, 271, juris, Rdn. 47 m. w. N.; Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 96.
59Die Herstellung dieses konspirativen Vertrauensverhältnisses durch den Kläger auf seinen Reisen zu T. und I. in den Raum Mainz/Ludwigshafen im Frühjahr 2008 erfüllt diese Merkmale einer Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Es war für die beiden genannten Terrororganisationen objektiv vorteilhaft, in ihm einen weiteren Kämpfer für die gemeinsame Sache im Vorfeld eines bewaffneten Einsatzes im Jihad gewonnen zu haben. Demgegenüber steht einer Qualifizierung seines Verhaltens als Unterstützungshandlung nicht entgegen, dass seine Ausreise letztlich gescheitert ist. Denn für die Annahme einer Unterstützungshandlung ist nicht erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war.
60BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 20.
61Die zwischen I. und T. sowie dem Kläger geführten persönlichen Gespräche, der hierfür erforderliche Reise- und Übernachtungsaufwand, die dabei im Wege der TKÜ protokollierten Gesprächsauszüge aus Telefonaten sowie weitere Indizien lassen auch auf eine nach Art und Gewicht dauernde Identifikation des Klägers mit den politischen Zielen der beiden genannten Terrororganisationen schließen. Insbesondere greift der Einwand des Klägers in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht durch, es sei allenfalls zu einem losen Kontakt zwischen ihm auf der einen Seite sowie I. und T. auf der anderen Seite gekommen, der die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis noch nicht überschritten habe und der als einfacher Kontakt „selbst zum schwärzesten aller Ritter“ nicht für die Annahme einer Unterstützungshandlung ausreiche. Dieser Einwand steht im Widerspruch zu den konspirativen Äußerungen auch des Klägers selbst gegenüber T., die sich aus den TKÜ-Protokollen ergeben. Danach war die Schwelle zu einem konspirativen Vertrauensverhältnis zwischen beiden Personen jedenfalls am 1. Januar 2008 überschritten, als der Kläger T. anrief und ihn bat, mit ihm über „die Sache“ zu reden, und T. diese Bitte mit der Bemerkung „nicht am Telefon“ ablehnte.
62Eine dauerhafte Identifikation des Klägers mit gewaltbereiten islamistischen Bestrebungen lässt sich zudem seit seiner Jugendzeit aus mehreren weiteren Indizien rückschließen. Dazu gehört zunächst seine Äußerung im Erörterungstermin des Verwaltungsgerichts, in der er „die ganze Muslimbruderschaft“ als „ganz harmlos“ bezeichnete, eine sunnitische islamistische Bewegung also, deren zentrale Organisation in Deutschland, die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) mit Hauptsitz in Köln, durch einen offenen Brief ihres Vorsitzenden Samir Falah vom 27. Juli 2013 mit folgenden Worten sinngemäß zum gewaltsamen Kampf im Nahen Osten aufrief: „Keiner wird junge Menschen davon abhalten können, Waffen in die Hand zu nehmen, um gegen diese Ungerechtigkeiten in den Kampf zu ziehen. Wir warnen daher vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten.“
63BMI, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 244.
64Weiteres Indiz hierfür ist die unbestritten gebliebene Mitteilung eines Sozialarbeiters am Berufskolleg M.-Schule in E. aus dem Jahre 2002, der Kläger sei in der Einrichtung aufgefallen, weil er an einem PC mehrere Stunden damit verbracht habe, über die Homepage „www.azzam.de“ Inhalte und Seiten über den Jihad sowie Trauer- und Abschiedsgedichte herunterzuladen. Diese Mitteilung hat der Kläger lediglich dahin kommentiert, dass der genannte Vorfall zu lange her sei und er sich deshalb nicht mehr an ihn erinnern könne. Darin liegt keine inhaltliche Distanzierung von der in diesem Herunterladen zum Ausdruck kommenden radikalen islamistischen Geisteshaltung. Als weitere Indizien für seine radikal-islamistische Einstellung hat der Beklagte zutreffend seine familiäre Verbindung zum „Islamische Gemeinde C. e. V.“, das vorübergehende Abrasieren seines Bartes zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrags sowie seine Beteiligung als Ordner an der Solidaritätskundgebung des Islamischen Zentrums X. im Oktober 2001 angeführt.
65Mit der vorstehenden Würdigung stuft der Senat das aktive Herstellen eines konspirativen Vertrauensverhältnisses zum Zweck der Anwerbung für den Jihad unabhängig davon als Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ein, von welcher Seite die Initiative hierfür ausgeht und von welcher Seite es betrieben wird. Sowohl der Anwerbende oder dessen Mittelsmann als auch derjenige, der sich als islamistischer Kämpfer anwerben lässt, unterstützen die hierauf gerichtete Bestrebung, sofern ihr Handeln die oben genannten Voraussetzungen des Unterstützungsbegriffs erfüllt.
66Zur „Missionierung“ vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 15. Januar 2013 ‑ 19 E 8/12 ‑, juris, Rdn. 3; zum Anwerben von Kämpfern Berlit, a. a. O., § 11 StAG, Rdn. 131.
672. Der Kläger hatte im Zeitpunkt seiner Einbürgerung auch nicht glaubhaft gemacht, sich von der Unterstützung der bezeichneten Terrororganisationen abgewandt zu haben. Das Sich-Abwenden von verfassungswidrigen Bestrebungen ist ein innerer Vorgang. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt oder unterstützt zu haben.
68BVerwG, Urteil vom 20. März 2012, a. a. O., Rdn. 47; OVG NRW, Urteil vom 14. Januar 2016 ‑ 19 A 1214/11 ‑, juris, Rdn. 56.
69Grundvoraussetzung des Sich-Abwendens ist hiernach die Einsicht des Ausländers in die Verfassungswidrigkeit seines bisherigen Handelns. Bereits hieran fehlte es im Fall des Klägers sowohl im Zeitpunkt seiner Einbürgerung als auch in der Zeit danach.
70Insbesondere hat sich der Kläger nicht dadurch abgewandt, dass er den Kontakt zu T. in der Zeit nach der Festnahme I.‘s am 20. Februar 2008 von sich aus abgebrochen und angekündigte Trefftermine abgesagt hat. Auf die hierauf zielende Frage in der ausländerbehördlichen Sicherheitsbefragung vom 22. Februar 2011, weshalb kein Kontakt mehr zu T. bestehe, hat der Kläger nämlich lediglich ausweichend und nichtssagend geantwortet, er habe den Kontakt abgebrochen, weil er „nicht so wie er“ sei und weil er „mit diesen Sachen nichts zu tun haben“ möchte. Aus diesen Äußerungen des Klägers geht nicht hervor, was er mit „diesen Sachen“ meinte, mit denen er nichts mehr zu tun haben möchte. Erst recht lassen sie keine Einsicht des Klägers in die Verfassungswidrigkeit seiner Rekrutierungsbemühungen sowie eine innere Abkehr von der hierfür maßgeblichen radikal-islamistischen Einstellung erkennen. Sein Aussageverhalten in der genannten Sicherheitsbefragung ist vielmehr geprägt von Äußerungen, mit denen er seine Rolle bei den Rekrutierungsbemühungen T.‘s und I.‘s herunterzuspielen versuchte.
71II. Der Kläger hat seine hiernach rechtswidrige Einbürgerung durch arglistige Täuschung über Tatsachen erwirkt, die hierfür wesentlich waren. Mit dem Tatbestandsmerkmal der arglistigen Täuschung knüpft § 35 Abs. 1 StAG an den entsprechenden Begriff im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht an (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG NRW). Der Adressat eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes begeht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine arglistige Täuschung in diesem Sinn, wenn er den maßgeblichen Bediensteten der Behörde in seiner Entscheidung beeinflusst, indem er bei diesem einen Irrtum über entscheidungserhebliche Tatsachen hervorruft, deren Unrichtigkeit der Adressat kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt.
72BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2007 ‑ 5 B 132.07 ‑, juris, Rdn. 4; Urteil vom 24. Oktober 1996 ‑ 2 C 23.96 ‑, BVerwGE 102, 178, juris, Rdn. 14; Urteil vom 18. September 1985 ‑ 2 C 30.84 ‑, DVBl. 1986, 148, juris, Rdn. 24; OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2015 ‑ 19 A 254/13 ‑, juris, Rdn. 99.
73Nach diesem Maßstab hat der Kläger mit seiner Unterschrift unter seine Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 die objektiv unzutreffende Erklärung abgegeben, keine Bestrebungen unterstützt zu haben, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Nr. 2 Buchstabe c) seiner Loyalitätserklärung).
74Zur Überzeugung des Senats hatte der Kläger bei der Unterschrift unter diese Erklärung auch den erforderlichen Täuschungsvorsatz. Diesen Rückschluss zieht der Senat aus dem Umstand, dass er sich für die Stellung des Einbürgerungsantrags seinen Vollbart abrasiert hat, obwohl der Bart nach seinen telefonischen Angaben gegenüber T. „mein Leben“ ist und er dementsprechend auch heute wieder einen Vollbart trägt. Diese Äußerung lässt den Schluss zu, dass er das Tragen eines Vollbartes als ein unbedingt verpflichtendes Gebot seines streng sunnitisch-islamistischen Glaubens empfindet und er gerade diese radikale religiöse innere Einstellung gegenüber der Einbürgerungsbehörde des Beklagten verbergen wollte. Hinzu kommt, dass er sich über die Rechts- und Verfassungswidrigkeit ihres beiderseitigen Handelns spätestens seit den telefonischen Hinweisen T.‘s in den bereits erwähnten Telefonaten am 1. Januar und am 18. März 2008 im Klaren war, „dass sie abgehört werden“ und er deshalb über die „Sache“ nicht am Telefon reden wolle.
75Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger als Nichtjurist zwischen den verschiedenen, aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG in die unterzeichnete Formularerklärung übernommenen Alternativen verfassungswidriger Bestrebungen zu differenzieren vermochte, ob er wusste, für welche konkreten Gruppierung(en) T. und I. Jihad-Kämpfer rekrutierten und als welche Art verfassungsfeindlicher Bestrebung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben a) bis c) StAG diese rechtlich einzuordnen war. Denn für die Arglist im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG genügt eine Parallelwertung in der Laiensphäre. Ausreichend ist also, dass er in der Lage war, von der behördlichen oder polizeilichen Telefonüberwachung zumindest der von T. genutzten Anschlüsse auf die Rechts- und Verfassungswidrigkeit auch seines eigenen Handelns zu schließen. Aufgrund seines schulischen und beruflichen Werdeganges und eines Rückschlusses aus seinem taktischen Aussageverhalten in den Sicherheitsbefragungen, in der Zeugenvernehmung im Strafverfahren gegen K. und im erstinstanzlichen Erörterungstermin ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger diese Fähigkeit am 16. Juni 2010 besaß.
76Die unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 ist tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Täuschung über den Ausschlussgrund in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unabhängig davon, ob man die entsprechende Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG materiell oder lediglich formell versteht.
77Für ein materielles Verständnis: BayVGH, Urteil vom 19. Januar 2012 ‑ 5 B 11.732 ‑, BayVBl. 2012, 565, juris, Rdn. 19, 22; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 7. März 2013 ‑ 1 S 617/13 ‑, und vom 20. Februar 2008 ‑ 13 S 1169/07 ‑, juris, Rdn. 27; VG Aachen, Urteil vom 19. November 2015 ‑ 5 K 480/14 ‑, juris, Rdn. 65 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. April 2015 ‑ 11 K 5984/14 ‑, InfAuslR 2015, 347, juris, Rdn. 42; Dollinger/Heusch, VBlBW 2006, 216 (218); anders VG Köln, Urteil vom 13. April 2011 ‑ 10 K 201/10 ‑, juris, Rdn. 41 ‑ 44; Berlit, a. a. O., § 10 StAG, Rdn. 134 ff.
78Denn gerade auch bei einem lediglich formellen Verständnis der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG abzugebenden Loyalitätserklärung bildet diese die Grundlage für die materielle Prüfung des Ausschlussgrundes in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG durch die Einbürgerungsbehörde.
79Die arglistig unrichtig abgegebene Loyalitätserklärung vom 16. Juni 2010 war auch im Sinne des § 35 Abs. 1 StAG „wesentlich“ und kausal („erwirkt“) für die Einbürgerungsentscheidung des Beklagten. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Loyalitätserklärung die Einbürgerungsvoraussetzung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG betrifft, während sich die Rechtswidrigkeit der am 8. September 2010 vollzogenen Einbürgerung des Klägers nach dem oben unter I. Ausgeführten aus einem Verstoß gegen § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergibt. Denn dieser Ausschlussgrund steht mit den Erklärungserfordernissen in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG, wie bereits ausgeführt, in einem engen inhaltlichen Zusammenhang.
80III. Der Beklagte hat die fünfjährige Rücknahmefrist nach § 35 Abs. 3 StAG eingehalten. Er hat dem Kläger den Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 am selben Tag persönlich übergeben. Zu diesem Zeitpunkt lag die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 8. September 2010 erst etwa vier Wochen zurück.
81Dass dieser Zeitpunkt inzwischen mehr als fünf Jahre zurückliegt, ist unerheblich. Denn die Rücknahmefrist in § 35 Abs. 3 StAG konkretisiert den in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten Begriff der „zeitnahen“ Rücknahme, der sich auf den von der Einbürgerung bis zu ihrer Rücknahme, also bis zur Bekanntgabe des Rücknahmebescheides verstrichenen Zeitraum bezieht. Mit der Bekanntgabe des Rücknahmebescheides entfällt die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Eingebürgerten in den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit.
82BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 ‑ 2 BvR 669/04 ‑, BVerfGE 116, 24, juris, Rdn. 72, 76, 89; BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2008 ‑ 5 C 32.07 ‑, NVwZ 2008, 1249, juris, Rdn. 15; Urteil vom 14. Februar 2008 ‑ 5 C 4.07 ‑, BVerwGE 130, 209, juris, Rdn. 15.
83IV. Der Beklagte hat sein Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt. Er hat dem öffentlichen Interesse an der Rückgängigmachung der rechtswidrigen Einbürgerung des Klägers ohne Ermessensfehler den Vorrang vor dessen privatem Interesse am Erhalt seiner deutschen Staatsangehörigkeit gegeben. Am Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO und des § 40 VwVfG NRW kann der Senat insbesondere nicht beanstanden, dass der Beklagte das Klägerinteresse nur mit geringem Gewicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt hat. Denn der Kläger war im Zeitpunkt der Rücknahme erst seit knapp einem Monat im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. In diesem kurzen Zeitraum konnte er zudem sein ohnehin nicht schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestand noch nicht betätigen, insbesondere die angekündigte Türkeireise noch nicht antreten, weil ihm noch kein deutsches Ausweisdokument ausgestellt worden war. Er wurde auch durch die Rücknahme nicht staatenlos, weil der Beklagte ihn unter Hinnahme seiner marokkanischen Staatsangehörigkeit eingebürgert hatte (§ 35 Abs. 2 StAG). Die Rücknahme hatte und hat auch keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Auswirkungen auf Familienmitglieder des Klägers (§ 35 Abs. 5 StAG). Seine Ehefrau und seine Tochter sind und bleiben unabhängig von seiner Einbürgerung und deren Rücknahme deutsche Staatsangehörige. Entgegen seiner Auffassung liegt auch kein Ermessensfehler darin, dass der Beklagte im angefochtenen Rücknahmebescheid keine Ausführungen zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland gemacht hat. Denn hierbei handelt es sich um eine ausschließlich aufenthaltsrechtliche Frage.
84Des Weiteren ist der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung auch von einem im Wesentlichen zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Unwesentlich in diesem Sinn ist seine irrige Annahme im Rücknahmebescheid, der Kläger habe sich dreimal (statt tatsächlich mindestens viermal) mit T. persönlich getroffen. Hierbei handelt es sich allenfalls um einen Irrtum zugunsten des Klägers, von dem im Übrigen auch die im Ergebnis zutreffende tatsächliche Schlussfolgerung des Beklagten unberührt bleibt, aus den bekannt gewordenen Gesamtumständen dieser Treffen sei auf ein entsprechendes konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen zu schließen. Ebenfalls ohne Auswirkung auf die Ermessensentscheidung bleibt die irrige Annahme des Beklagten, der Kläger habe in den Telefonaten mit T. selber angegeben, „über die Sache“ nicht am Telefon sprechen zu wollen, während dieser Hinweis in Wahrheit nicht vom Kläger, sondern von T. stammte. Auch diese irrige Sachverhaltsannahme des Beklagten lässt seine tatsächliche Schlussfolgerung auf ein konspiratives Vertrauensverhältnis beider Personen unberührt.
85V. Der Rücknahmebescheid vom 5. Oktober 2010 ist schließlich auch formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte fehlerfrei von einer vorherigen Anhörung des Klägers nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW abgesehen und sich hierfür auf die Ausnahmetatbestände in § 28 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwVfG NRW gestützt. Nach diesen Vorschriften kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint oder wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen. Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW hat der Beklagte hier zu Recht aus dem Untertauchen T.‘s Mitte September 2010 sowie aus der Äußerung des Klägers gegenüber seinem Bürgerbüro abgeleitet, am 7. oder 8. Oktober 2010 in die Türkei reisen zu wollen und hierfür dringend einen Personalausweis zu benötigen. Mit der Androhung unmittelbaren Zwangs zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde hat der Beklagte auch im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung getroffen.
86B. Auch die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunde in Nr. 2 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist zulässig. Insbesondere ist diese Aufforderung nach wie vor wirksam, obwohl der Kläger sie bei der persönlichen Übergabe des Rücknahmebescheides am Morgen des 5. Oktober 2010 um 7.30 Uhr sofort erfüllt hat. Denn sie stellt weiterhin den Rechtsgrund für das Behaltendürfen dieser Urkunde durch den Beklagten dar.
87Die Klage ist auch insoweit unbegründet. Rechtsgrundlage für die Rückgabeaufforderung ist § 52 Satz 1 VwVfG NRW. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts auf eine zurückgenommene Einbürgerung sollte nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers von der Einführung der Spezialregelung in § 35 StAG unberührt bleiben.
88Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 549/08 vom 8. August 2008, S. 8.
89Nach § 52 Satz 1 VwVfG NRW kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden zurückfordern, wenn dieser unanfechtbar zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Hier ist die Wirksamkeit der Einbürgerung des Klägers im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW „aus einem anderen Grund“ nicht mehr gegeben, nämlich weil der Beklagte in Nr. 3 des angefochtenen Bescheides die sofortige Vollziehung seiner Rücknahmeentscheidung in Nr. 1 angeordnet hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung ist ein solcher „anderer Grund“ im Sinne des § 52 Satz 1 VwVfG NRW, der die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes trotz der gegen seine Rücknahme erhobenen Klage entfallen lässt.
90OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1990 ‑ 5 A 1692/89 ‑, NWVBl 1990, 386, juris, Rdn. 19 m. w. N.; VG Arnsberg, Urteil vom 7. September 2005 ‑ 1 K 4045/04 ‑, juris, Rdn. 41.
91C. Rechtsgrundlage für die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 4 des angefochtenen Rücknahmebescheides vom 5. Oktober 2010 ist § 62 VwVG NRW. Die bestimmte Frist, die Einbürgerungsurkunde „unverzüglich“ herauszugeben, war angemessen im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW. Maßgeblich für diese Bewertung sind die Umstände, aus denen der Senat oben unter A.V. bereits die Gefahr im Verzug im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW abgeleitet hat.
92Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
93Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
94Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Inländische Geldinstitute haben der Deutschen Bundesbank in der Frist des § 71 Absatz 8 zu melden:
- 1.
Zahlungen für die Veräußerung oder den Erwerb von Wertpapieren und Finanzderivaten, die das Geldinstitut für eigene oder fremde Rechnung an Ausländer verkauft oder von Ausländern kauft, sowie Zahlungen, die das Geldinstitut im Zusammenhang mit der Einlösung inländischer Wertpapiere an Ausländer leistet oder von diesen erhält; in den Meldungen müssen die Angaben gemäß Anlage Z10 „Wertpapiergeschäfte und Finanzderivate im Außenwirtschaftsverkehr“ enthalten sein; - 2.
Zins- und Dividendenzahlungen auf inländische Wertpapiere, die sie an Ausländer leisten oder von diesen erhalten; in den Meldungen müssen die Angaben gemäß Anlage Z11 „Zahlungen für Wertpapier-Erträge im Außenwirtschaftsverkehr“ enthalten sein; - 3.
ein- und ausgehende Zahlungen für Zinsen und zinsähnliche Erträge und Aufwendungen, ausgenommen Wertpapierzinsen, die sie für eigene Rechnung von Ausländern entgegennehmen oder an Ausländer leisten; in den Meldungen müssen die Angaben gemäß Anlage Z14 „Zinseinnahmen und zinsähnliche Erträge im Außenwirtschaftsverkehr (ohne Wertpapierzinsen)“ und Anlage Z15 „Zinsausgaben und zinsähnliche Aufwendungen im Außenwirtschaftsverkehr (ohne Wertpapierzinsen)“ enthalten sein; - 4.
im Zusammenhang mit dem Reiseverkehr - a)
ein- und ausgehende Zahlungen aus Kartenumsätzen; in den Meldungen müssen die Angaben gemäß Anlage Z12 „Zahlungseingänge/Zahlungsausgänge im Reiseverkehr: Karten-Umsätze“ enthalten sein, - b)
ein- und ausgehende Zahlungen aus dem An- und Verkauf von Sorten sowie Umsätze aus dem Verkauf oder aus der Versendung von Fremdwährungsreiseschecks; in den Meldungen müssen die Angaben gemäß Anlage Z13 „Zahlungseingänge/Zahlungsausgänge im Reiseverkehr: Sorten und Fremdwährungsreiseschecks“ enthalten sein.
(2) Geldinstitute im Sinne des Absatzes 1 sind
- 1.
Monetäre Finanzinstitute nach Artikel 1 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 25/2009 mit Ausnahme von Geldmarktfonds, - 2.
sonstige Kreditinstitute nach § 1 Absatz 1 des Kreditwesengesetzes, - 3.
Finanzdienstleistungsinstitute nach § 1 Absatz 1a des Kreditwesengesetzes und - 4.
Wertpapierinstitute nach § 2 Absatz 1 des Wertpapierinstitutsgesetzes.
(3) Absatz 1 Nummer 1 und 3 ist nicht anzuwenden auf Zahlungen, die den Betrag von 12 500 Euro oder den Gegenwert in anderer Währung nicht übersteigen.
(4) Bei Meldungen nach Absatz 1 Nummer 1 sind die Kennzahlen der Anlage LV „Leistungsverzeichnis der Deutschen Bundesbank für die Zahlungsbilanz“ und die Bezeichnungen der Wertpapiere, die internationale Wertpapierkennnummer sowie Nennbetrag oder Stückzahl anzugeben.
(5) Soweit Zahlungen nach Absatz 1 zu melden sind, ist § 67 nicht anzuwenden.
(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.
(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.
(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.
(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist
- 1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder - 2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.
(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.
(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.
(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.
(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist seit Dezember 1987 mit Fatma K. verheiratet. Seine Ehefrau wurde im Mai 1995 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
- 2
-
Nach einem erfolglosen, u.a. auf die Mitgliedschaft in der "Partiya Karkerên Kurdistan" (Arbeiterpartei Kurdistans, im Folgenden: PKK) gestützten Asylbegehren begab sich der Kläger nach Frankreich, wo er im Februar 1986 als politischer Flüchtling anerkannt, ihm der Aufenthalt gestattet und ein Reiseausweis ausgestellt wurde. Er war Mitglied des Vorstands des im Mai 1988 bei dem Amtsgericht Bonn - Vereinsregister - eingetragen Vereins "Union Patriotischer Intellektueller Kurdistans (YRWK)".
- 3
-
Im Oktober 1992 reiste er erneut in das Bundesgebiet ein. Die Ausländerbehörde der Stadt Köln erteilte ihm erstmals im Dezember 1992 eine Aufenthaltserlaubnis, im November 1995 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und im Juni 2002 eine Aufenthaltsberechtigung.
- 4
-
Bereits im März 1989 hatte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet. Er wurde verdächtigt, unter dem Decknamen "N." Pässe zu fälschen, mit denen die PKK Angehörige ausstattete, denen die Aufgabe zukam, "Feinde" der Partei zu töten. Im August 1994 stellte der Generalbundesanwalt das Verfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein.
- 5
-
Mit in Rechtskraft erwachsenem Strafbefehl vom 24. Juni 1999 wurde gegen den Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen festgesetzt. Er wurde beschuldigt, seine Festnahme erschwert zu haben, als er im Zuge einer Demonstration aus Anlass der Festnahme des PKK-Führers Öcalan mit einer großen Gruppe weiterer Demonstranten das Kölner Parteibüro der SPD zu erstürmen versuchte.
- 6
-
Bereits am 22. Juli 1997 hatte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband beantragt. Die Beklagte hatte den unbeschränkt gestellten Antrag als auf die Einbürgerung nach § 9 RuStAG gerichtetes Begehren behandelt und mit Blick auf das seinerzeitige Nichtbestehen einer dreijährigen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen im Einvernehmen mit dem Kläger zunächst zurückgestellt. Auf ihre Anregung hin stellte dieser seinen Antrag am 20. Juni 2000 "von § 9 StAG auf § 85 AuslG" um. Mit Bescheid vom 19. Juni 2002 lehnte sie den Antrag auf Einbürgerung nach § 85 AuslG ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
- 7
-
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Einer Einbürgerung stehe § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen. Der Kläger habe die PKK und damit eine Bestrebung unterstützt, die sowohl gegen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sei als auch durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Er habe den Ausschlussgrund jeweils selbstständig tragend durch mehrere Unterstützungshandlungen zum Vorteil der PKK verwirklicht. Als Unterstützungshandlungen seien sowohl die Passfälschungen als auch die Teilnahme an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln zu werten. Beide Unterstützungshandlungen dürften ihm weiterhin entgegengehalten werden. Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG erfasse Handlungen nicht, die als Verfolgungs- oder Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu qualifizieren seien. Dessen ungeachtet erstrecke es sich nicht auf die Passfälschungen, da diese nicht durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet worden seien. Jedenfalls unterfielen beide Unterstützungshandlungen dem Ausnahmetatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, sich von der früheren Unterstützung der PKK abgewandt zu haben.
- 8
-
Zur Begründung seiner Revision führt der Kläger aus, das Berufungsurteil sei, soweit es die Passfälschungen betreffe, verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Jedenfalls beruhe es auf einer Verletzung des § 51 Abs. 1 BZRG, da das Verwertungsverbot der Anwendung des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegenstehe. Er habe im Übrigen glaubhaft gemacht, sich von der früheren Verfolgung und Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen abgewandt zu haben.
- 9
-
Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband hat.
- 11
-
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Anspruchseinbürgerung (1.). Diese ist gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) vom 22. Juli 1913 (RGBl S. 583), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258), ausgeschlossen (2.).
- 12
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1. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Berufungsgericht das Begehren des Klägers allein unter dem Gesichtspunkt der Anspruchseinbürgerung gewürdigt.
- 13
-
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der Antrag eines Ausländers auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband grundsätzlich sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren unter sämtlichen denkbaren Anspruchsgrundlagen zu prüfen ist. Der Antrag ist regelmäßig auf die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gerichtet unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage diese beruht. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Einbürgerungsbewerber von der Möglichkeit Gebrauch macht, seinen Antrag auf eine bestimmte Rechtsgrundlage zu beschränken. Eine solche Beschränkung setzt eine eindeutige Erklärung des Ausländers voraus, der ein entsprechender Wille unzweifelhaft zu entnehmen ist (Urteil vom 20. April 2004 - BVerwG 1 C 16.03 - BVerwGE 120, 305 <308> = Buchholz 402.240 § 102a AuslG Nr. 3 S. 4 f.; vgl. Nr. 8.1.1 Abs. 3 StAR-VwV sowie Nr. 8.1.1 Abs. 3 VAH-StAG). So verhält es sich hier.
- 14
-
Der Kläger hat seinen ursprünglichen Einbürgerungsantrag vom 22. Juli 1997 gegenüber der Beklagten am 20. Juni 2000 ausdrücklich "von § 9 Staatsangehörigkeitsgesetz nach § 85 Ausländergesetz" umgestellt. Er hat dadurch mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit zu erkennen gegeben, dass über seinen Einbürgerungsanspruch nur noch unter dem Gesichtspunkt der Anspruchseinbürgerung nach § 85 AuslG (jetzt: § 10 StAG) entschieden werden soll. Diese Beschränkung hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Der Senat ist berechtigt, den Inhalt des klägerischen Begehrens eigenständig zu ermitteln. Zwar handelt es sich dabei um eine dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrte Tatsachenfeststellung. Diese kann hier jedoch vom Revisionsgericht ausnahmsweise jedenfalls deshalb vorgenommen werden, weil das Oberverwaltungsgericht keine Auslegung des Antrags des Klägers vorgenommen hat (vgl. Urteil vom 17. Oktober 2005 - BVerwG 7 C 8.05 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 36 Rn. 30).
- 15
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2. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass einem Rechtsanspruch des Klägers auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt zu haben.
- 16
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In revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen entsprechende Bestrebungen verfolgen (a) und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger die PKK unterstützt hat (b), ohne glaubhaft gemacht zu haben, sich von dieser Unterstützung zwischenzeitlich abgewandt zu haben (c).
- 17
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a) Der Begriff "Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind", im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 StAG ist § 4 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes in der Fassung vom 20. Dezember 1990 (BGBl I S. 2954) entlehnt. Danach sind solche Bestrebungen politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen (vgl. Berlit, in: GK-StAR § 11 StAG Rn. 119, 121 und 131 f.). Bestrebungen, die im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 3 StAG durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, sind solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, Gewalt als Mittel der Durchsetzung seiner politischen Belange einzusetzen. Es werden nicht nur gewaltanwendende oder vorbereitende Bestrebungen gegen Personen oder Sachen im Bundesgebiet oder außerhalb des Bundesgebietes gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen erfasst, sondern auch die Anwendung von Gewalt außerhalb des Bundesgebietes gegen Nichtdeutsche. Bei einer exilpolitischen Betätigung muss die Eignung hinzutreten, die Beziehung der Bundesrepublik Deutschland zu einem ausländischen Staat zu belasten oder zu beeinträchtigen.
- 18
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Von diesem Maßstab ist das Berufungsgericht erkennbar ausgegangen. Seine von der Revision nicht angegriffene tatsächliche Würdigung, die PKK gefährde durch Spendengelderpressungen und Bestrafungsaktionen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und durch die Aufrechterhaltung militärischer Kampfeinheiten im kurdischen Siedlungsgebiet der Türkei und die Anwendung von Waffengewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
- 19
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b) Unterstützen ist jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Dies muss für den Ausländer erkennbar sein. Er muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen (stRspr, vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009 - BVerwG 5 C 24.08 - BVerwGE 135, 320 Rn. 16).
- 20
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Der Ausschlussgrund der Unterstützung von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Das Verhalten, dessen der Ausländer verdächtig ist, muss für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG darstellen. Einzelne Unterstützungshandlungen hindern als tatsächliche Anhaltspunkte die Einbürgerung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zudem nur und erst dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen zu indizieren. Ob nach diesen Grundsätzen eine tatbestandsmäßige Unterstützung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen (Urteil vom 22. Februar 2007 - BVerwG 5 C 20.05 - BVerwGE 128, 140 Rn. 19 und Beschluss vom 27. Januar 2009 - BVerwG 5 B 51.08 - juris Rn. 5).
- 21
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Ausgehend von diesen von der Revision nicht angegriffenen Maßstäben hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Kläger Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 3 StAG u.a. dadurch unterstützt hat, dass er in der Zeit von 1988 bis zum Februar 1994 unter dem Decknamen "N." Passfälschungen für die PKK durchgeführt hat. Seine Überzeugungsgewissheit hat es aus Indiztatsachen gewonnen. Als solche hat es die Bestätigung der Ehefrau des Klägers, dieser führe den Decknamen "N.", die Erwähnung des "N." als Ehemann der Fatma K. in einem Kassettenmitschnitt, die Aussage der als Kronzeugen vernommenen Person, "N." sei der Schwager des Hasan K., die im Keller der Ehewohnung beschlagnahmten Gegenstände, den Eintrag der Festnetz-Rufnummer der Ehefrau als Rufnummer des "N." in drei beschlagnahmten Telefonlisten sowie den Umstand gewürdigt, dass die Ehefrau des Klägers in der Lage war, nach dessen Festnahme im März 1994 binnen zwei Tagen eine Kaution in Höhe von 20 000 DM zu hinterlegen.
- 22
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An diese Tatsachenfeststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen ohne Erfolg bleiben (aa). Die Würdigung der Passfälschertätigkeit des Klägers als frühere Unterstützungshandlung verstößt weder gegen das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (bb) noch gegen die Unschuldsvermutung (cc). Die Angriffe der Revision gegen die ebenfalls als Unterstützungshandlung gewürdigte Teilnahme des Klägers an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln gehen ins Leere (dd).
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aa) Die von der Revision erhobenen Rügen eines Verstoßes gegen den Untersuchungsgrundsatz (1), einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht (2) und eines Verstoßes gegen Denkgesetze (3) bleiben ohne Erfolg.
- 24
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(1) Es kann dahinstehen, ob die Rüge, das Berufungsgericht habe dadurch, dass es die Aussage der Ehefrau des Klägers allein auf der Grundlage eines behördlichen Vermerks gewürdigt hat, gegen den Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, den Darlegungserfordernissen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügt, da sie jedenfalls unbegründet ist.
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Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Der Untersuchungsgrundsatz verpflichtet es, alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Aufklärungsmöglichkeiten bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu nutzen; dies schließt eine Bindung an die im vorangegangenen Verwaltungsverfahren ermittelten tatsächlichen Feststellungen grundsätzlich aus. Das Gericht muss daher alle Aufklärungsbemühungen unternehmen, auf die die Beteiligten - insbesondere durch begründete Beweisanträge - hinwirken oder die sich hiervon unabhängig aufdrängen (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10 - NVwZ-RR 2011, 986
). Dabei stellt die Aufklärungsrüge kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und vom 22. März 2006 - BVerwG 4 B 15.06 - juris Rn. 7).
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Sind - wie hier - keine förmlichen Beweisanträge gestellt, so bestimmt das Gericht den Umfang seiner Aufklärung nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Es überschreitet die Grenzen dieses Ermessens, wenn es eine Ermittlung unterlässt, die sich nach den Umständen des Falles - auch nach dem Vorbringen der Beteiligten - von seinem Rechtsstandpunkt aus aufdrängen musste (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 a.a.O. und vom 2. November 2007 - BVerwG 3 B 58.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 70 m.w.N.). Eine weitere Sachverhaltsaufklärung drängt sich auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag auf, wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen seine Entscheidung noch nicht sicher tragen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Einwände erhebt. Denn in einem solchen Fall ist das Gericht gehindert, seine Entscheidung unter Übergehung der Einwände auf das angegriffene Beweisergebnis zu stützen (vgl. Beschluss vom 14. September 2007 - BVerwG 4 B 37.07 - juris Rn. 3).
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Das Oberverwaltungsgericht war nicht deshalb zu weiterer Sachaufklärung verpflichtet, weil der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Mai 2010 auch die "vom Verwaltungsgericht unberücksichtigt gebliebenen Beweisanträge" wiederholt hat. Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz diese Beweisanregung als unsubstantiiert gewürdigt und hierzu ausgeführt hat, sie erschöpfe sich in einem schlichten Bestreiten der Indiztatsache des Geständnisses der Ehefrau des Klägers, ohne konkrete positive Tatsachen in das Wissen der Zeugin zu stellen, die diese Indiztatsache entkräften oder im Ergebnis eine andere tatsächliche Würdigung rechtfertigen könnten. Einzelheiten, die Rückschlüsse auf eine unrichtige Beurkundung der Aussage seiner Ehefrau zulassen, legt der Kläger nicht dar. Seine Beweisanregung verhält sich weder zu dem Ablauf der Vernehmung durch das Bundeskriminalamt noch zu der Reaktion seiner Ehefrau auf den seinerzeitigen Vorhalt, obwohl hierzu nicht zuletzt mit Blick auf die Gesamtheit der von dem Verwaltungsgericht gewürdigten Indizien Veranlassung bestanden hätte.
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(2) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe dadurch, dass es unterlassen habe, auf die mangelnde Substantiierung des die Vernehmung der Ehefrau des Klägers und des Hasan K. betreffenden Beweisantritts hinzuweisen, gegen seine Pflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO verstoßen.
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Diese Hinweispflicht konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen. Hiergegen verstößt das Gericht, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit welcher der unterlegene Beteiligte nach dem Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 6 C 49.68 - BVerwGE 36, 264 <266 f.>; Beschlüsse vom 29. Juli 2004 - BVerwG 9 B 23.04 - juris Rn. 2 m.w.N. und vom 4. Juli 2007 - BVerwG 7 B 18.07 - juris Rn. 5). So liegen die Dinge hier jedoch nicht.
- 30
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Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger anwaltlich vertreten und die Belehrungspflicht aus diesem Grund ohnehin ihrem Umfang nach eingeschränkt war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 1991 - 2 BvR 170/85 - NVwZ 1992, 259 <260>; BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1965 - BVerwG 2 C 195.62 - BVerwGE 21, 217 <218> = Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 4), waren die Beweisanträge bereits im erstinstanzlichen Verfahren - wenngleich mit anderer Begründung - abgelehnt worden. Der Umstand, dass das Berufungsgericht die Revision wegen der Überprüfungsbedürftigkeit der Feststellung, der Kläger sei unter dem Decknamen "N." für die PKK tätig gewesen, zugelassen hat, konnte kein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, dass das Berufungsgericht den Anträgen stattgeben würde. Dies gilt umso mehr, als dem Umstand, dass das Berufungsgericht zur Berufungsverhandlung - wie aus der Terminsladung und der darin enthaltenen Bitte, sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu erklären, ersichtlich ist - keine Zeugen geladen hatte, zu entnehmen war, dass es eine Zeugenvernehmung nicht für erforderlich hielt. In dieser Situation wäre es Sache des Klägers gewesen, in prozessual geeigneter Weise auf die von ihm für geboten erachtete Beweiserhebung hinzuwirken (vgl. Beschluss vom 27. Januar 2006 - BVerwG 5 B 98.05 - juris Rn. 9). Dementsprechend durfte das Berufungsgericht in der konkreten Prozesssituation abwarten, welche Beweisanträge in welcher Form in der mündlichen Verhandlung tatsächlich gestellt werden würden. Es war nicht gehalten, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es die Beweisanregungen rechtlich bewertete. Dies gilt umso mehr, als sich deren tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, vgl. Beschluss vom 21. September 2011 - BVerwG 5 B 11.11 - juris Rn. 3 m.w.N.).
- 31
-
(3) Ebenfalls erfolglos rügt die Revision einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
- 32
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Die Rüge einer fehlerhaften Sachverhaltswürdigung ist revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrens-, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und kann deshalb einen Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründen. Eine Ausnahme gilt unter anderem für die gegen Denk- oder Naturgesetze verstoßende Sachverhaltswürdigung (Beschluss vom 21. September 2011 a.a.O. juris Rn. 9). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur vor, wenn ein Schluss aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann, nicht jedoch schon dann, wenn das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen, selbst wenn der vom Verfahrensbeteiligten favorisierte Schluss vielleicht sogar näher liegt als der vom Gericht gezogene (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Februar 1972 - BVerwG 8 B 3.72/8 C 7.72 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 und vom 21. September 1982 - BVerwG 2 B 12.82 - NJW 1983, 62 <63>).
- 33
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Die von der Revision gerügten Verstöße gegen Denkgesetze werden nicht in einer den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.
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Soweit sich die Rüge gegen die Würdigung des Berufungsgerichts richtet, die am 5. Juli 1989 im Keller der Ehewohnung beschlagnahmten Gegenstände deuteten auf die Identität des Klägers mit dem Decknamen "N." hin, beschränkt sie sich auf eine in die Form einer Verfahrensrüge gekleidete inhaltliche Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Sie setzt dieser eine eigene Würdigung entgegen, ohne jedoch Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrenssätze verstoßende Würdigung der Erkenntnismittel zu benennen. Insbesondere zeigt sie nicht auf, welche Denkgesetze das Berufungsgericht bei der Würdigung des Sachverhalts außer Acht gelassen haben sollte. Hierfür ist dem Beschwerdevorbringen auch im Übrigen nichts zu entnehmen.
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Ein Verstoß gegen Denkgesetze wird auch nicht hinsichtlich der Würdigung des Berufungsgerichts aufgezeigt, Indiz für eine enge Verbindung des Klägers mit der PKK sei auch der Umstand, dass seine Ehefrau nach seiner Festnahme im März 1994 innerhalb von zwei Tagen eine Kaution in Höhe von 20 000 DM hinterlegen konnte. Dass der Sachverhalt nur die von dem Kläger in den Raum gestellte Schlussfolgerung zulässt, jede andere hingegen aus denkgesetzlichen oder logischen Gründen schlechterdings unmöglich ist, lässt sich dem Revisionsvortrag nicht entnehmen.
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bb) Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz - BZRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl I S. 1229, 1985 I S. 195), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2011 (BGBl I S. 2714) steht der Berücksichtigung der Passfälschungen im Rahmen des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Ergebnis nicht entgegen. Allerdings ist das angefochtene Urteil mit § 51 Abs. 1 BZRG insoweit nicht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), als frühere Verfolgungs- oder Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG nach Auffassung des Berufungsgerichts bereits tatbestandlich nicht von dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG erfasst werden (1). Die Entscheidung beruht indes nicht auf diesem Rechtsverstoß. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit § 51 Abs. 1 BZRG selbstständig tragend ausgeführt, dass die Passfälschertätigkeit auch deshalb nicht von dem Verwertungsverbot erfasst werde, weil sie nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt habe (2).
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(1) Die Regelung über den Ausschluss der Einbürgerung in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hat keinen die Anwendbarkeit des Verwertungsverbotes des § 51 Abs. 1 BZRG ausschließenden Charakter. § 51 Abs. 1 BZRG bestimmt, dass die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder zu tilgen ist.
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Der Wortlaut der Norm lässt eine generelle Ausklammerung vergangener Verfolgungs- und Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG aus dem Anwendungsbereich des Verwertungsverbots nicht zu. Der zentrale Begriff des Rechtsverkehrs umfasst vielmehr sämtliche Bereiche des Rechtslebens unter Einschluss des Verwaltungs- und damit auch des Staatsangehörigkeitsrechts (vgl. zum Ausländerrecht Urteil vom 5. April 1984 - BVerwG 1 C 57.81 - BVerwGE 69, 137 <143> = Buchholz 402.24 § 15 AuslG Nr. 6 S. 12 f.; ferner Götz/Tolzmann - Bundeszentralregistergesetz, 4. Aufl. 2000, § 51 Rn. 21).
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Die Bestimmung kann nicht im Wege einer teleologischen Reduktion dahin eingeschränkt werden, dass die hier in Rede stehenden Handlungen nicht ihrem Anwendungsbereich unterfallen. Dies setzte voraus, dass eine solche Einschränkung nach den vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Regelungszielen geboten ist (vgl. Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 10.11 - juris Rn. 15, zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Dies ist hier nicht der Fall.
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Die weite Fassung des Verwertungsverbotes spiegelt dessen Zweck wider, den Einbürgerungsbewerber von einem Strafmakel zu befreien und dadurch seine Resozialisierung zu begünstigen. Ziel der von dem Gedanken der Rehabilitation geprägten Regelung war die Schaffung eines umfassenden Verwertungsverbotes, das von allen staatlichen Stellen Beachtung verlangt und von dem nur abschließend aufgezählte Ausnahmen zulässig sein sollen (Götz/Tolzmann a.a.O. § 51 Rn. 4). Soweit der Gesetzgeber einzelne Bereiche des Rechts ausnehmen wollte, hat er dies abschließend in § 51 Abs. 2 und § 52 BZRG geregelt. Gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG nur berücksichtigt werden, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder eine Ausnahme zwingend gebietet. Insbesondere an dieser Ausnahme muss sich auch eine Unterstützungshandlung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG messen lassen.
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(2) § 51 Abs. 1 BZRG ist auf Taten, die nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt haben, weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.
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Einer unmittelbaren Anwendung des § 51 Abs. 1 BZRG steht entgegen, dass die Vorschrift tatbestandlich eine eingetragene Verurteilung voraussetzt. Nur strafgerichtliche Verurteilungen im Sinne des § 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 BZRG unterliegen gemäß § 45 Abs. 1 BZRG der Tilgung. Mit dem Verwertungsverbot soll der Verurteilte nach Tilgung bzw. Tilgungsreife von dem Makel der Verurteilung befreit und ihm die Resozialisierung erleichtert werden (BRDrucks 676/69 S. 24 und BTDrucks VI/1550 S. 21, jeweils zu § 49 BZRG a.F.). Daran fehlt es hinsichtlich der Passfälschertätigkeit.
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Einer entsprechenden Anwendung widerstreitet, dass insoweit zwar eine Regelungslücke besteht, diese aber nicht planwidrig ist. Die Anordnung eines Verwertungsverbotes für Taten, die nicht in das Register einzutragen und aus diesem zu tilgen sind, ginge über den gemäß § 3 Nr. 1, § 4 BZRG auf strafrechtliche Verurteilungen beschränkten Rahmen des Gesetzes hinaus. Obgleich dem Gesetzgeber die Problematik seit Jahrzehnten bekannt ist, hat er keine Veranlassung gesehen, den Gedanken der Rehabilitation auch für Taten, die nicht durch eine Verurteilung strafrechtlich geahndet werden, normativ zu verankern. Dessen ungeachtet sind auch die Sachverhalte nicht vergleichbar. Das Bekanntwerden eines Gesetzesverstoßes, der nicht durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet worden ist, ist nicht in gleicher Weise wie der aus einer Verurteilung herrührende Strafmakel geeignet, die soziale Stellung des Betroffenen zu gefährden (Urteile vom 3. Dezember 1973 - BVerwG 1 D 62.73 - BVerwGE 46, 205 <206 f.> und vom 26. März 1996 - BVerwG 1 C 12.95 - BVerwGE 101, 24 <30> = Buchholz 402.5 WaffG Nr. 76 S. 30; vgl. ferner BGH, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 2 StR 499/72 - BGHSt 25, 64 <65> und Beschluss vom 8. März 2005 - 4 StR 569/04 - NStZ 2005, 397 f.).
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cc) Das Berufungsgericht war auch nicht durch die Unschuldsvermutung gehindert, die Tätigkeit des Klägers als Passfälscher, hinsichtlich derer das Strafverfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, bei seiner Überzeugungsbildung zu berücksichtigen.
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Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat damit Verfassungsrang. Sie ist durch Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts im Range eines Bundesgesetzes und schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren vorausgegangen ist (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254/88 und 2 BvR 1343/88 - BVerfGE 82, 106 <114 f.>). Sie schützt hingegen nicht vor Rechtsfolgen, die - wie die Ablehnung der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband - keinen Strafcharakter haben, sondern an ordnungsrechtlichen Zielsetzungen orientiert sind.
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dd) Da das Berufungsgericht das Unterstützen von Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ohne Verletzung revisiblen Rechts selbstständig tragend auf die Fälschung von Passpapieren gestützt hat, können die Angriffe gegen die ebenfalls als Unterstützungshandlung gewürdigte Teilnahme des Klägers an der versuchten Erstürmung der Parteizentrale der SPD in Köln im Februar 1999 schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das angegriffene Urteil nicht auf einem etwaigen Rechtsverstoß im Zusammenhang mit diesen Erwägungen beruhen kann. Denn eine Rechtsverletzung ist im Falle einer kumulativen Mehrfachbegründung nur kausal im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO, wenn diese sämtliche Begründungsstränge erfasst oder wenn jeder der Begründungsstränge von einem individuellen Rechtsverstoß betroffen ist (Urteil vom 21. September 2000 - BVerwG 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 12 f. m.w.N.).
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c) Der Kläger hat auch nicht im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG glaubhaft gemacht, dass er sich von der früheren Unterstützung der in Rede stehenden Bestrebungen abgewandt hat. An das Sich-Abwenden im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG werden keine strengeren Beweisanforderungen als an den Ausschlussgrund selbst gestellt. Denn die Glaubhaftmachung bezeichnet ein herabgesetztes Beweismaß. Hinsichtlich der an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen sind Art, Gewicht, Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt des einbürgerungsschädlichen Verhaltens zu beachten. Die Anforderungen sind in der Regel umso höher, je stärker das Gewicht des einbürgerungsschädlichen Verhaltens ist und je näher dieses Verhalten zeitlich an die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag heranreicht. Es ist eine Gesamtschau der für und gegen eine Abwendung sprechenden Faktoren vorzunehmen. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt nicht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von - wie hier - sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben. Er muss aber nicht seine in der Vergangenheit liegenden Handlungen bedauern, als falsch bzw. irrig verurteilen oder ihnen abschwören (vgl. Berlit a.a.O. Rn. 152 und 158; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 11 Rn. 17 ff. jeweils m.w.N.).
- 48
-
Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen seiner Überzeugungsbildung ersichtlich von diesen Grundsätzen leiten lassen. Auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen, gegen die die Revision keine Verfahrensrügen erhoben hat, ist seine rechtliche Würdigung, dass keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Abwendung des Klägers von der PKK vorliegen, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. November 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. November 2015 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
- 2
Die Antragsgegnerin hat zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in ihrer Verfügung vom 6. November 2015 entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend schriftlich begründet. Die im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmende vorläufige Interessenabwägung – zwischen dem persönlichen Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit und dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an der baldigen Wirkung der Rücknahme der Einbürgerung – fällt aber zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn nach einer – dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechenden – summarischen Prüfung (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 81; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 125, 152, 158) dürfte die genannte Verfügung, mit der nach § 35 Abs. 1 StAG die Einbürgerung des Antragstellers in den deutschen Staatsverband rückwirkend auf den 12. September 2014 zurückgenommen wurde, jedenfalls derzeit rechtswidrig sein. Zwar dürften die formellen (1.) und die materiellen (2.) Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Entscheidung ist aber ermessensfehlerhaft ergangen (3.). Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt daher das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin (4.).
- 3
1. Die formellen Voraussetzungen für die Rücknahme der Einbürgerung vom 12. September 2014 waren erfüllt. Insbesondere erfolgte die Rücknahme, die am 9. November 2015 im Wege der Zustellung des Bescheides bekanntgegeben wurde, innerhalb der Fünf-Jahresfrist nach § 35 Abs. 3 StAG. Der Antragsteller war auch – mit Schreiben vom 6. Juli 2015 – zur beabsichtigten Rücknahme angehört worden.
- 4
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 StAG dürften ebenfalls vorliegen: Die Einbürgerung dürfte rechtswidrig gewesen sein (a.) und der Antragsteller dürfte sie durch arglistige Täuschung erwirkt haben (b.).
- 5
a. Die nach § 10 StAG vorgenommene (Anspruchs-)Einbürgerung des Antragstellers dürfte nach summarischer Prüfung rechtswidrig i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG gewesen sein. Zwar dürfte es nicht an einer der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG fehlen (aa.). Der Einbürgerung dürfte aber das Einbürgerungsverbot des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben (bb.).
- 6
aa. Zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe am 12. September 2014 dürften sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG vorgelegen haben. Insbesondere dürfte es nicht an dem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG erforderlichen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Erklärung zu etwaigen verfassungsfeindlichen oder extremistischen Aktivitäten (sog. Loyalitätserklärung) fehlen. Hierbei dürfte es sich bloß um eine formelle Einbürgerungsvoraussetzung handeln (vgl. zum Folgenden Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht – GK-StAR, Stand: Oktober 2014, § 10 StAG Rn. 134 ff., insbesondere Rn. 135 m.w.N. auch zur Gegenansicht und Rn. 136, 141 ff. mit entstehungsgeschichtlichen Argumenten; siehe ferner VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 41 ff.). Wenn bereits im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG von der Einbürgerungsbehörde zu prüfen und zu entscheiden wäre, ob das abgegebene Bekenntnis bzw. die Loyalitätserklärung inhaltlich zutreffend ist, würde § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG keine eigenständige Bedeutung haben. Dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG – über die Anforderungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hinaus – eine verfassungsfreundliche Gesinnung als materielle Voraussetzung der Einbürgerung konstituiert, dürfte nicht nahe liegen. Jenseits innerer, nicht überprüfbarer mentaler Vorbehalte kann die Frage, ob ein Bekenntnis oder eine Loyalitätserklärung „wahrheitsgemäß“ ist, sinnvoll nur anhand tatsächlicher Anhaltspunkte geprüft und entschieden werden und zwar im Rahmen der Prüfung von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.
- 7
bb. Nach Aktenlage dürfte der Einbürgerung zum Zeitpunkt ihres Vollzuges am 12. September 2014 ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben. Gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung u.a. dann ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden. Die in dieser Vorschrift zum Einbürgerungsverbot zusammengefassten Voraussetzungen bezwecken, dass mit Blick auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG ein bloßes „Lippenbekenntnis“ nicht für die Einbürgerung ausreicht. Die Vorschrift bewirkt eine Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter weit in das Vorfeld konkreter Sicherheitsgefährdungen. Zweck der Bestimmung ist es, die Einbürgerung etwa von radikalen Islamisten auch dann verhindern zu können, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können, aber zumindest der begründete Verdacht besteht, dass Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützt werden, die für den deutschen Staat wesentlich sind (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 18 f. zur gleich lautenden Vorgängerregelung des bis zum 31.12.2004 geltenden § 86 Nr. 2 AuslG; BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 15).
- 8
Bei summarischer Prüfung dürften zumindest im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vorgebrachten Anknüpfungstatsachen und vor dem Hintergrund der herabgesetzten Anforderungen an ihren Nachweis tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen (1) unterstützt (2) hat.
- 9
(1) Bei den Bestrebungen, mit denen sich der Antragsteller beschäftigt haben soll, handelt es sich um verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) BVerfSchG solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Der Nachweis, dass eine Organisation derartige Ziele verfolgt, hat als geführt zu gelten, wenn und sobald sie vereinsrechtlich verboten worden ist (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 71). Dies ist mit Blick auf die jihadistisch-salafistische Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) der Fall. Mit Verfügung vom 12. September 2014 hat der Bundesminister des Innern die Betätigung des IS verboten (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015 – 1 K 14.1546, juris Rn. 36 zur terroristischen Betätigung des IS gemäß § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.). Der IS verfolgt zudem Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Derartige Bestrebungen liegen bereits dann vor, wenn eine Organisation zwar nicht im Bundesgebiet Gewalt anwendet, wohl aber im Herkunftsland – wie hier in Syrien und im Irak – gewaltförmig agiert. Zu den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik Deutschland gehört das Bestreben, Gewaltanwendung jedenfalls außerhalb von staatlich getragenen bewaffneten Interventionen nach Maßgabe der UN-Charta als Mittel der Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Interessen und Ziele umfassend zu bannen (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 30.9.2004 – 10 K 6189/03, juris Rn. 30). Aufgrund der Aufrufe des IS an seine Unterstützer, im westlichen Ausland Anschläge zu begehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 26 f., 32; siehe auch die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris, zu denen sich der IS bekannte), verfolgt der IS gleichzeitig Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.
- 10
Der jihadistische Salafismus stellt auch im Übrigen eine Bestrebung dar, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist (vgl. VG Aachen, Urt. v. 19.11.2015 – 5 K 480/14, juris Rn. 72; VG Minden, Urt. v. 27.10.2015 – 8 K 1220/15, juris Rn. 27 ff.). Der Salafismus verfolgt das Ziel, Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als „gottgewollte" Ordnung angesehen und propagiert wird, umzugestalten und befürwortet dabei die Anwendung von Gewalt (entgegen § 4 Abs. 2 lit. f] BVerfSchG: Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft). Für Salafisten ist Allah der einzige Souverän und die Scharia das von ihm offenbarte – und damit einzig legitime – Gesetz (entgegen § 4 Abs. 2 lit. b] BVerfSchG: Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht). Demokratie ist in ihren Augen eine falsche „Religion". Gesetze können der salafistischen Ideologie zufolge nur von Gott kommen (Prinzip der göttlichen Souveränität) und niemals vom Volk. Die Volkssouveränität als wesentliches Element der Demokratie westlicher Prägung (vgl. § 4 Abs. 2 lit. a] und lit. d] BVerfSchG) ist demnach unvereinbar mit dem religiös argumentierenden Salafismus. Die salafistische Ideologie widerspricht in wesentlichen Punkten (Gesellschaftsbild, politisches Ordnungssystem, Gleichberechtigung, individuelle Freiheit) den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. zum Vorstehenden Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 40 f.; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 137 f.). Auch weitere von dem Antragsteller vermeintlich bei Facebook mit einem „Like“ versehene Organisationen verfolgen derartige Bestrebungen: Bei der „al-Nusra-Front“ handelt es sich um einen Ableger der Terrororganisation al-Qaida (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 33 f.). Die in Nigeria äußerst brutal agierende Organisation „Boko Haram“ legte im März 2015 ihren Treueeid auf den selbsternannten IS-Kalifen Baghdadi ab (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 36). Die Hamburger „Dawa“(= Missionierung)-Gruppen werden ebenso wie die Gruppen „Lies! Hamburg“ und „Jesus im Islam“ aufgrund ihrer Nähe zur salafistischen Szene vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 43 ff.).
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(2) Aufgrund der summarischen Prüfung und Würdigung der in den vorliegenden Akten enthaltenen Feststellungen kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ungeachtet verschiedener Zweifel in tatsächlicher Hinsicht vieles dafür spricht, dass der Antragsteller bereits im Zeitraum vor der Einbürgerung derartige Bestrebungen unterstützt hat.
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Ausgehend vom obengenannten Zweck der Bestimmung, einer Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter, ist eine Unterstützung jede eigene Handlung, die für Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18; OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64; vgl. auch VGH München, Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01 1805, juris Rn. 32 zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dazu zählt jedes Tätigwerden auch eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64). Als Unterstützungshandlungen gelten etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805, juris Rn. 32; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 96.2). Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an, weil schon die Erhöhung des Gefährdungspotentials dieser Bestrebungen verhindert werden soll (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 5.12.2007 – 1 K 1851/06, juris Rn. 20). Die Handlung muss dem Betroffenen nicht subjektiv vorwerfbar sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.4.2008 – 5 N 19.06, juris Rn. 9; VGH Mannheim, Urt. v. 10.11.2005 – 12 S 1696/05, juris Rn. 26). Daher ist auch unerheblich, ob die maßgeblichen Handlungen strafrechtlich relevant sind (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 65). Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24.08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18).
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Das Vorliegen einer Unterstützungshandlung muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Verdacht (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 66 f.). Allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen nicht. Die Annahme darf nicht „aus der Luft" gegriffen bzw. willkürlich sein. Tatsächliche Anhaltspunkte, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen, sind konkrete auf den Einbürgerungsbewerber bezogene Umstände, die von der Einbürgerungsbehörde dargelegt und einer Beweisführung zugänglich gemacht werden müssen.
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Für die Rücknahme unbeachtlich sind dabei Aktivitäten, die der Eingebürgerte erst nach Vollzug der Einbürgerung aufnimmt. Sie indizieren ohne Hinzutreten weiterer, dann aber selbständig zu beurteilender Umstände wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Sinneswandels auch nicht, dass der Eingebürgerte weitere (nicht bekannte) Aktivitäten bereits vor der Einbürgerung entfaltet hat (vgl. GK-StAR, § 10 StAG Rn. 155). Ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Eingebürgerte erst (und nur) nach Vollzug der Einbürgerung verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat, ist die Einbürgerung rechtmäßig. Die Rücknahme gemäß § 35 StAG scheidet dann aus. Der Widerruf einer rechtmäßigen Einbürgerung ist vor dem Hintergrund von Art. 16 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Insoweit ist vorliegend zu unterscheiden zwischen Aktivitäten, die vor dem Zeitpunkt des Einbürgerungsvollzugs – hier dem 12. September 2014 – und solchen, die erst danach entfaltet wurden. Der weitestgehend pauschale Verweis der Antragsgegnerin auf die Klageerwiderung in dem parallel anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren 19 K 3103/15, in dem sich der Antragsteller u.a. gegen die Entziehung seines Passes wendet, ist deshalb nicht zielführend. Im Rahmen der §§ 7, 8 PassG kommt es anders als im Rahmen von § 35 StAG darauf an, ob im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung (bzw. im Klageverfahren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Betroffene die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Bei der Passentziehung handelt es sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. § 35 StAG ermöglicht hingegen die Rücknahme erschlichener oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkter Einbürgerungen und die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände (vgl. eingehend BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04, juris).
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Gemessen an diesen Maßstäben liegen Anknüpfungstatsachen für Unterstützungshandlungen im obigen Sinn vor. Hierzu im Einzelnen:
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(a) Der Umstand, dass der Antragsteller dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) seit Ende 2014 in Zusammenhang mit einer im Internet aktiven Dawah-Gruppe mit Bezug zum IS bekannt gewesen ist, wie es im Bescheid zur Passentziehung heißt, ist zwar kein relevanter Anknüpfungspunkt, denn nähere Angaben dazu, inwiefern der Antragsteller diese Gruppe unterstützt hat, liegen nicht vor.
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(b) Auch eine von der Antragsgegnerin behauptete Ausreisebereitschaft des Antragstellers nach Syrien – um sich dort dem IS anzuschließen – dürfte als Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Unterstützungshandlung nicht ausreichen. Die Ausreisebereitschaft wird von der Antragsgegnerin ausschließlich auf die Aussage einer Frau H gestützt, mit der der Antragsteller über verschiedene Kommunikationsplattformen im Internet Kontakt gehabt haben soll. Nach Angaben des LKA Baden-Württemberg sei Frau H selbst Sympathisantin des IS. Im Telefonbuch ihres Mobiltelefons wurde eine Nummer gefunden, die dem Antragsteller zuzuordnen ist. Frau H konnte in ihrer Zeugenbefragung teilweise zutreffende Angaben über den Antragsteller machen (Alter, Wohnort, Aussehen, Herkunft). Es erscheint danach durchaus plausibel, dass sie Kontakt zu dem Antragsteller hatte und er ihr gegenüber geäußert hat, nach Syrien reisen zu wollen, obwohl der IS „schlecht“ sei. Während sich in der Akte des LKA Baden-Württemberg von anderen Chats, die Frau H mit Sympathisanten des IS geführt haben soll, Screenshots finden, ist dies für den vermeintlichen Chat mit dem Antragsteller jedoch nicht der Fall. Es ist auch nicht klar, ob Frau H die Äußerung in einem WhatsApp-Chat, über ask.fm oder über ein anderes Portal oder einen anderen Kommunikationsweg getätigt hat. Aus der Akte des LKA Baden-Württemberg zur Befragung von Frau H am 19. Dezember 2014 ergibt sich zudem nicht, wann (vor oder nach Vollzug der Einbürgerung) das entsprechende Gespräch stattgefunden haben soll. In einem Gesprächsvermerk des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) heißt es, dass die Äußerung im Dezember 2014 und damit nach Vollzug der Einbürgerung erfolgte. Die in der Akte des LKA Baden-Württemberg dokumentierte Aussage dürfte für sich genommen – insbesondere auch wegen ihrer inhaltlichen Widersprüchlichkeit – daher nicht als Anhaltspunkt reichen. Der Sachverhalt wäre ggf. in einem Hauptsacheverfahren durch Vernehmung der Frau H als Zeugin aufzuklären.
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(c) Bei der Gewahrsamnahme des Antragstellers am 10. Oktober 2014 handelt es sich um einen Vorgang, der nach dem Vollzug der Einbürgerung stattfand und damit isoliert betrachtet nicht herangezogen werden kann. Im Übrigen bestehen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller im Oktober 2014 an den gewaltsamen Ausschreitungen zwischen kurdischen Volkszugehörigen und Angehörigen der islamistischen Szene in St. Georg beteiligt hat. Die Ausschreitungen fanden am 7. und 8. Oktober 2014 statt. Der Antragsteller wurde laut Polizeibericht am 10. Oktober 2014 vor der Moschee „M“ nach Beendigung des dortigen Freitagsgebetes „als Teil einer relevanten Personengruppe festgestellt“ und aufgrund einer bei ihm aufgefundenen Sturmhaube in Gewahrsam genommen, weil befürchtet wurde, dass er „bei weiteren Zusammenrottungen seine Identität durch das Tragen der Sturmhaube verschleiern will“. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der Antragsteller ein konkretes Verhalten beabsichtigt haben könnte, das den o.g. Bestrebungen förderlich gewesen wäre. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es am 10. Oktober 2014 überhaupt zu Ausschreitungen – wie am 7. und 8. Oktober 2014 – gekommen ist oder kommen sollte (vgl. auch Lageinformation aktuelle Entwicklung Kurden vs. IS, Gerichtsakte 19 K 3103/15, Bl. 108 ff.). Die Personenkontrollen am 10. Oktober 2014 hat die Polizei offenbar unter dem Eindruck der Geschehnisse vom 7. und 8. Oktober 2014 durchgeführt. Die bloße Anwesenheit des Antragstellers vor einer Moschee in einem Gebiet, in dem es Tage zuvor zu Ausschreitungen gekommen ist, dürfte für sich genommen keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für eine Unterstützungshandlung darstellen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass bei dem Antragsteller eine Sturmhaube gefunden wurde. Im Eilverfahren 19 E 3104/15 hatte der Antragsteller vorgetragen, dass es sich bei der angeblichen Sturmhaube um einen Gesichtsschutz handele, den er beim Kart fahren kurz vor der Gewahrsamnahme getragen habe. Auch der weitere Vortrag des Antragstellers, er habe den Imbiss seines Vaters besuchen wollen, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Dieser ist nur wenige hundert Meter von der Moschee entfernt. Eine Berücksichtigung der Gewahrsamnahme wäre nur im Rahmen einer Gesamtschau mit Blick auf die vom Antragsteller gegenüber den Polizisten getätigten Äußerungen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) möglich, soweit es um die Konversion des Antragstellers zum Islam geht (siehe dazu unten).
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(d) Tatsächliche Anhaltspunkte für Unterstützungshandlungen des Antragstellers für verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen dürften sich aber aus dessen Aktivitäten im Internet ergeben.
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Es spricht aufgrund der Stellungnahme des LfV vom 4. September 2015 vieles dafür, dass das Profil „A R“ dem Antragsteller zuzuordnen ist. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass jemand aus dem Bekannten- oder Freundeskreis des Antragstellers die Profile bei Facebook und ask.fm eingerichtet hatte. Das LfV hat aber herausgearbeitet, dass der Name „A R“ auch von einem Profil auf der Plattform ask.fm benutzt worden ist, bei dem ein Foto des Antragstellers als Profilbild sichtbar war. Laut eines Gesprächsvermerks des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) haben zudem der Vater und der Onkel des Antragstellers geäußert, dass die problematischen Inhalte auf der Facebook-Seite „nur aus Spaß im Rahmen seiner letzten Geburtstagsfeier hochgeladen worden“ seien, was als weiteres Indiz dafür herangezogen werden kann, dass das Profil tatsächlich dem Antragsteller zuzuordnen ist. Zudem wurden sämtliche Facebook-Profile gelöscht, nachdem der LfV den Vater und den Onkel des Antragstellers Ende Januar 2015 mit den problematischen Inhalten konfrontiert hatte. Gleichwohl besteht über die Zuordnung des Profils „A R“ nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand keine Gewissheit.
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Das Facebook-Profil „A R“ weist eine Vielzahl an Einträgen und Bildern sowie „Likes“ für solche Einträge und Bilder auf, die gewaltverherrlichend die Kämpfer des IS glorifizieren und den bewaffneten Jihad als Pflicht jedes gläubigen Muslims darstellen. Unter anderem wurde am 25. Oktober 2014 als Profilbild das Bild eines bewaffneten Jihadisten veröffentlicht, der vor einer schwarzen Flagge mit arabischen Schriftzeichen (womöglich der Flagge des IS) und Flammen steht. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich der Antragsteller selbst als eine Art „Glaubenskrieger“ ansieht. Am 23. Oktober 2014 wurde ein Bild eingestellt, das eine neue Form der Evolution suggeriert, die beim Kleinkind beginnt und in der Zuwendung zum Glauben mündet, zum „Glaubenskrieger“ führt und ihr Finale im Märtyrertum (symbolisiert durch einen grünen Vogel) findet. Es finden sich „Likes“ für Einträge von Personen, die nach Syrien gereist sind, um sich dort dem IS anzuschließen, z.B. für einen Eintrag von M B vom 20. Januar 2015, in dem dieser in Syrien gefallene „Märtyrer“ würdigt und „Likes“ für Bilder, mit denen Siege von „Glaubenskriegern“ in Syrien gefeiert werden. Es findet sich weiter ein „Like“ für den IS-Propaganda-Film „The Flames of War“, der massive Gewaltdarstellungen enthält. Weiter finden sich „Likes“ für die Organisationen „Lies! Hamburg“, „Hamburg Dawah Movement“, „Boko Haram“, „al-Nusra-Front“, „Jesus im Islam Hamburg“ sowie sonstige Inhalte mit Bezug zum Islam.
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Der Unterstützungsbegriff des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG dürfte derartige Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter als öffentliche Befürwortung von verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen umfassen. Diese Art von Sympathiewerbung, bei der der allgemeinen Verurteilung der Gräueltaten des IS das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegensetzt wird, dürfte sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirken. Durch das Veröffentlichen von entsprechenden Inhalten in sozialen Netzwerken nimmt das radikale Gedankengut an Verbreitung zu. Der Veröffentlichende betätigt sich damit als Teil der Propagandamaschinerie der verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen. Dies dürfte nicht nur für eigene Einträge, sondern auch für „Likes“ gelten. Einträge, die mit einem „Like“ versehen werden, sind danach auf der Facebook-Seite desjenigen sichtbar, der den Eintrag „geliked“ hat. Die Möglichkeit der jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, weitere Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen bzw. „Kämpfer“ anzuwerben, erhöht sich. Die potentielle Gefährlichkeit des jihadistischen Salafismus wird dadurch gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt, denn die Radikalisierung potentieller „Glaubenskrieger“ verläuft oftmals über das Internet. Hierzu heißt es im Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 34 f.:
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„2014 stand die salafistische Szene im Mittelpunkt der Beobachtung des Hamburger Verfassungsschutzes. Die Zahl der Salafisten, die den bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) befürworten stieg um mehr als das Dreifache von 70 auf 240 an. Zusammen mit den in Hamburg aktiven politischen Salafisten beträgt das salafistische Gesamtpotenzial mittlerweile rund 400 Personen (2013: 240). Der Anstieg insbesondere der jihadistisch orientierten Salafisten ist sowohl auf eine verbesserte Einblickstiefe des Verfassungsschutzes nach einer weiteren Schwerpunktsetzung seit Sommer 2014 als auch auf eine schnell zunehmende Radikalisierung speziell jüngerer Erwachsener zurückzuführen.
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Eine entscheidende Rolle bei der Radikalisierung kommt den Ereignissen in den Krisenregionen Syrien und Irak zu, medial transportiert über soziale Netzwerke. Insbesondere junge Menschen, die auf der Suche nach Vorbildern sind und die zum Beispiel in Familien ohne Vater aufwachsen, ohne Integration in ihr soziales Umfeld sind und Brüche in ihrer Biografie haben, möglicherweise auch Probleme in der Schule, bei der Ausbildung oder der Arbeitsstelle, lassen sich für die militärischen Erfolge des „Islamischen Staates“ (IS) begeistern und haben der jihadistischen Szene einen Zulauf verschafft.
(….)
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Diese rasante Steigerung ist auch auf die erfolgreichen Propagandastrategien der Salafisten zurückzuführen, mit denen sie in professioneller Weise für ihre Ziele werben. Vor allem über das Internet werden die salafistischen Ideologieinhalte in Form von Webseiten und Videosequenzen transportiert. Als weitere Aktionsformen werden im Rahmen der „Straßenmission“ unter anderem Infotische auf öffentlichen Plätzen und Vortragsveranstaltungen durchgeführt. Gerade für junge Menschen stellen diese Propagandastrategien die ersten Berührungspunkte zum Salafismus dar.“
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Nach Angaben des LfV soll der Antragsteller über das Profil „A R“ zudem schwerpunktmäßig mit Personen befreundet sein, die der jihadistisch-salafistischen Szene in Hamburg zugeordnet werden können. Persönliche Kontakte oder Freundschaften des Betroffenen mit Personen, die sicherheitsgefährdende Aktivitäten entfalten, können tatsächliche Anhaltspunkte i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bilden. Erforderlich ist aber, dass die Freundschaft gerade auf einer Übereinstimmung der politisch-gesellschaftlichen Anschauungen beruht und der Betroffene mit der Einstellung des Freundes/der Kontaktperson sympathisiert und diese gutheißt (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 17.6.2010 – 5 K 1466/09, juris Rn. 21). Ob dies hier der Fall ist, kann vom Gericht derzeit nicht abschließend bewertet werden, da sich weitergehende Erkenntnisse über die einzelnen Personen nicht in den Stellungnahmen des LfV befinden. Auffällig ist aber, dass es sich bei den Kontakten offenbar – zumindest teilweise – nicht nur um bloße Internetbekanntschaften handelt. Einige der Facebook-Freunde, die vom LfV der jihadistisch-salafistischen Szene zugerechnet werden, gehören auch nach Angaben der Familie des Antragstellers zu seinen besten Freunden (und wohnen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft).
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Diese Handlungen dürften auch gegen den Antragsteller verwendet werden können. Zwar sind nach Angaben des LfV die Facebook-Aktivitäten vor allem bei der Auswertung des Facebook-Profils (erst) am 26. Januar 2015 festgestellt worden. Viele der veröffentlichten Beiträge stammen aus der Zeit nach Vollzug der Einbürgerung am 12. September 2014. Auch soweit vor dem 12. September 2014 veröffentlichte Beiträge mit einem „Like“ versehen worden sind, ist nicht auszuschließen, dass dies erst zu einem späteren Zeitpunkt geschehen ist. In den meisten Fällen ist den vom LfV gefertigten Ausdrucken das Datum des „Like“ nicht zu entnehmen. Dasselbe gilt überwiegend für den Zeitpunkt der Aufnahme der Freundschaften zu vermeintlichen Mitgliedern der jihadistisch-salafistischen Szene. Unklarheiten in Bezug auf den Zeitpunkt einer Unterstützungshandlung dürften zu Lasten der Antragsgegnerin gehen.
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Folgende Inhalte stammen aber ohne Zweifel aus einem Zeitraum vor dem Vollzug der Einbürgerung:
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Zunächst finden sich diverse Inhalte, die Sympathien für den muslimischen Glauben zum Ausdruck bringen, wie z.B. die Veröffentlichung eines Profilfotos am 3. April 2014 mit der Inschrift „Ich bezeuge, dass niemand mit Recht angebetet wird außer Allah und dass Muhammad Sallallamu Alleihi wa Sallam der Gesandte Allahs ist“, eines Profilfotos am 11. Juni und 21. August 2013 mit der Inschrift „Ich bin ein Muslim, der Islam ist perfekt, ich bin es nicht. Wenn ich einen Fehler mache, so gib mir die Schuld, nicht dem Islam…“ und eines Profilfotos am 27. Juni 2013 mit der Inschrift „La ilaha illa Allah“. Diese Beiträge deuten als solche nicht auf Unterstützungshandlungen hin. Der Umstand, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert sein könnte, dürfte aber im Rahmen einer Gesamtschau als Indiz einzubeziehen sein (siehe dazu unten).
- 30
Mit einigen Facebook-Freunden ist „A R“ bereits seit 2013 befreundet. Inwieweit einzelne dieser Personen der jihadistisch-salafistischen Szene zugeordnet werden können, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher zu untersuchen. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen, dass im Freundesbereich des Profils Überschneidungen mit dem Klarnamenprofil des Antragstellers bestehen (teilweise ebenfalls seit 2013) und auch diese Personen laut LfV der jihadistisch-salafistischen Szene angehören sollen.
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Im Juni 2013 wurden die Facebook-Seiten „PierreVogel.de“ und „Al-Haqq News“ mit einem „Like“ versehen. Pierre Vogel ist ein deutscher salafistischer Prediger, der vom evangelischen Christentum zum sunnitischen Islam konvertiert ist (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2013, S. 225; Verfassungsschutzbericht Hamburg 2013, S. 31; s.a. Wikipedia-Eintrag „Pierre Vogel“, Abruf v. 19.2.2016). Er war Mitglied des inzwischen aufgelösten salafistischen Vereins „Einladung zum Paradies“ (kurz EZP), der vom Verfassungsschutz beobachtet wurde (vgl. Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 139). Bei „Al Haqq“ dürfte es sich um „Asa’ib Ahl al-Haqq“ handeln, eine paramilitärisch geführte, schiitische Extremistengruppe im Irak und Syrien (vgl. http://www.theguar-dian.com/world/2014/mar/12/iraq-battle-dead-valley-peace-syria; s.a. Wikipedia-Eintrag „Asa’ib Ahl al-Haqq“, Abruf jeweils v. 19.2.2016).
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Auf einem am 24. August 2014 eingestellten Profilbild, das mit „A R al Indi“ (der Zusatz „al Indi“ könnte auf die indischen Wurzeln der Familie des Antragstellers hindeuten) überschrieben ist, wird ein muskulöser Mann in schwarzer Kleidung, mit schwarzem Bart und dunkler Sonnenbrille dargestellt. Es soll sich wohl um eine Art „Glaubenskrieger“ handeln. Gewissermaßen hinter oder auf der linken Schulter des Mannes ist ein schwarzes Banner zu erkennen. Das schwarze Banner ist eine Flagge, die von vielen islamistischen Terrororganisationen wie al-Qaida sowie dem IS benutzt wird (vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/kobane-islamischer-staat-macht-angst-mit-schwarzer -flagge-a-995797.html.; s.a. Wikipedia-Eintrag „Schwarzes Banner“, Abruf jeweils v. 19.2.2016). Auf dem Gürtel des Mannes befinden sich zwei gekreuzte Säbel. Die Säbel gelten als ein Symbol des Islam und als Erkennungszeichen islamischer Kämpfer (vgl. Wikipedia-Eintrag „Scimitar“ – Synonym für Säbel –, Abruf v. 19.2.2016). Mit der Darstellung des portraitierten Mannes als nahezu übernatürlich stark wird suggeriert, dass man als „Glaubenskrieger“ so sei – womöglich gar zu neuer Stärke finde, wenn man für den IS kämpfe. Ein derartiges Bild kann andere junge Männer, die auf der Suche nach Orientierung im Leben sind, beeinflussen und sie dazu bringen, sich einer radikalen islamistischen Gruppierung wie dem IS anzuschließen (s.o. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014 zur von islamistischer Propaganda in sozialen Netzwerken im Internet ausgehenden Gefahr).
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Die ohne Zweifel vor dem Vollzug der Einbürgerung veröffentlichten Inhalte und „Likes“ dürften bereits für die Bejahung von relevanten Unterstützungshandlungen genügen. Die Anhaltspunkte gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG müssen nach Art und Gewicht geeignet sein, eine dauernde Identifikation des Betroffenen mit den verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen zu indizieren (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 98). Dieses Mindestmaß an Nachhaltigkeit dürfte mit Blick auf die vor dem 12. September 2014 veröffentlichten Inhalte und „Likes“ erfüllt sein. Zwischen den „Likes“ für „PierreVogel.de“ und „Al Haqq“ im Juni 2013 und der Veröffentlichung des Profilbildes im August 2014 ist mehr als ein Jahr vergangen. Letzteres Bild ist – wie dargelegt – eindeutig dahingehend zu interpretieren, dass sich der Veröffentlichende mit radikalen islamistischen Gruppierungen wie dem IS identifiziert.
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Selbst wenn man diese einzelnen Anhaltspunkte für sich genommen nicht ausreichen ließe, genügt es aber jedenfalls, dass die Gesamtschau aller vorhandenen Anhaltspunkte die Annahme der Unterstützung verfassungsfeindlicher und extremistischer Bestrebungen rechtfertigt (vgl. VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 32). Insoweit darf im Rahmen einer Gesamtschau auf die sonstigen Einträge, „Likes“ und Kontakte des Antragstellers bei Facebook wohl ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung zurückgegriffen werden. Mit dem Verbot der Heranziehung verfassungsfeindlicher und extremistischer Unterstützungshandlungen, die erst nach Vollzug der Einbürgerung vorgenommen werden, soll der Gefahr begegnet werden, dass eine Einbürgerung zurückgenommen wird, obwohl sich der Betroffene erst nach seiner Einbürgerung aufgrund eines Sinneswandels radikalisiert. Zeigt sich bei Betrachtung von Aktivitäten vor der Einbürgerung und danach hingegen – wie vorliegend – eine gewisse Konstanz, besteht diese Gefahr nicht. Die späteren Aktivitäten zeigen nur, dass der Antragsteller auch nach dem Vollzug seiner Einbürgerung in seinem radikalen Gedankengut verhaftet gewesen sein dürfte.
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Ähnlich zu beurteilen sind insoweit die Auszüge aus dem ask.fm-Profil von „A R“. Dass das Profil dem Antragsteller zuzuordnen ist, hat der LfV plausibel dargelegt, ohne dass der Nachweis zum gegenwärtigen Zeitpunkt als geführt gilt. Folgende Indizien sprechen aber dafür: Der Profilinhaber gibt an, dass er aus Indien komme (die Familie des Antragstellers hat nach eigenen Angaben indische Wurzeln) und „sehr nah dran“ an zwei benannten Personen wohne, die tatsächlich in der Nachbarschaft des Antragstellers wohnten. Zudem besuche er eine Moschee am Hauptbahnhof (tatsächlich wurde er am 10. Oktober 2014 vor einer Moschee in der Nähe des Hauptbahnhofes angetroffen, siehe oben). Auf dem Gruppenbild der ask.fm-Gruppe „I f D“, in der sich nach Angaben des LfV Profile jihadistischer Salafisten zusammengeschlossen hatten, findet sich ein Bild des Antragstellers mit dem Namenszug „A R“. Die Einträge auf dem Profil dürften teilweise von ca. Anfang September 2014 (vgl. Ausdruck vom 1.10.2014) stammen. Inhaltlich befassen sich die Einträge im Wesentlichen mit allgemeinen Fragen zum Islam und der Auslegung des Korans.
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(e) Weiter liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert ist. Damit wird das Argument des Antragstellers, er sei Hindu und unterstütze schon deswegen keine jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, entkräftet. Derartige Anhaltspunkte ergeben sich unabhängig von den vermeintlichen Internetaktivitäten des Antragstellers. Im Verfahren 19 E 3104/15 hatte der Schulleiter des von dem Antragsteller besuchten Gymnasiums eine E-Mail vorgelegt, in der der Antragsteller und ein Schulkollege darum bitten, an Freitagen den Unterricht früher verlassen zu dürfen, um am Gebet in einer Moschee teilnehmen zu dürfen. An der Aussagekraft der E-Mail bestehen aber Zweifel, da der Schulkollege später eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wonach es bei der Freistellung nur um ihn und nicht um den Antragsteller gegangen sei. Der Antragsteller sei gläubiger Hindu und nicht zum Islam konvertiert. Die Eltern des Antragstellers sind nach eigenen Angaben Hindus. Der Vater und der Onkel haben geäußert, von einer Konversion des Antragstellers nichts bemerkt zu haben. Auf der anderen Seite haben sie im Rahmen einer Befragung anlässlich der Konfrontation mit möglichen Plänen des Antragstellers, nach Syrien auszureisen, angegeben, der Reisepass des Antragstellers sei vorsorglich aufgrund „eines unguten Gefühls“ in einem Bankschließfach deponiert worden und bei dem Antragsteller könne nicht ausgeschlossen werden, dass er sich „den falschen Freunden“ angeschlossen habe. Der Sachverhalt bedürfte insoweit weiterer Aufklärung in einem Hauptsacheverfahren. Könnte dem Antragsteller nachgewiesen werden, dass er zum Islam konvertiert ist, würde dieser Umstand – auch in Verbindung mit den wohl anlässlich seiner Gewahrsamnahme vor der Moschee am 10. Oktober 2014 getätigten Aussagen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) – den Verdacht erhärten, dass die Einträge auf dem Facebook- und dem ask.fm-Profil tatsächlich von ihm stammen und der Unterstützung jihadistisch-salafistischer Bestrebungen dienen sollten.
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b. Soweit die Einbürgerung danach rechtswidrig ist, ist sie auch durch arglistige Täuschung i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG erwirkt worden. Als arglistige Täuschung wird bereits die wahrheitswidrige Beantwortung einer an den Einbürgerungsbewerber gestellten Frage angesehen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 41). In seiner Befragung zum Einbürgerungsantrag vom 14. April 2014 hat der Antragsteller sämtliche Fragen, die darauf abzielten festzustellen, ob er verfassungsfeindliche oder extremistische Bestrebungen unterstützt hat, mit „nein“ angekreuzt. Zugleich hat er eine entsprechende Loyalitätserklärung abgegeben. Wenn er die Unterstützungshandlungen erst nach Abgabe der Erklärung, aber noch vor Vollzug der Einbürgerung aufgenommen haben sollte, hätte er die Antragsgegnerin darüber aufklären müssen. Für die Begehungsform der arglistigen Täuschung in der Alternative des Verschweigens von Tatsachen reicht es, dass der Betreffende Tatsachen verschweigt und dabei weiß oder in Kauf nimmt, dass diese verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 3.12.2012 – 11 K 1038/12, Rn. 42 f.). Zudem hat der Antragsteller bei Entgegennahme der Einbürgerungsurkunde am 12. September 2014 die Erklärung unterschrieben, dass sich keine Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse ergeben hätten, die der Einbürgerung entgegenstehen könnten. In der Niederschrift über die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 12. September 2014 hat der Antragsteller u.a. die Erklärung unterschrieben, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekenne.
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Der Antragsteller dürfte seine Einbürgerung durch die Falschbeantwortung der Fragen bzw. das Verschweigen dieser Umstände auch arglistig erwirkt haben. Es dürfte für den Antragsteller aus Laiensicht völlig klar gewesen sein, dass seine Einbürgerung ausgeschlossen gewesen wäre, wenn der Antragsgegnerin die Umstände, aus denen sich der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergeben hätte, offenbar geworden wären.
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3. Obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme gemäß § 35 Abs. 1 StAG vorliegen dürften, dürfte der Bescheid aber jedenfalls derzeit ermessensfehlerhaft i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO sein und wäre zumindest von daher aufzuheben. § 35 Abs. 1 StAG stellt die Entscheidung der Behörde in ihr Ermessen, ohne dass eine bestimmte Entscheidung intendiert ist (a.). Ob die Antragsgegnerin dementgegen von einem intendierten Ermessen ausgegangen ist und bereits deswegen ein Ermessensfehler vorliegt, kann dahinstehen (b.). Denn jedenfalls hat sie ihr Ermessen auch im Übrigen nicht ordnungsgemäß ausgeübt (c.). Das Gericht war weder gehalten, der Antragsgegnerin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Möglichkeit einzuräumen, ihre Ermessenserwägungen zu ergänzen, noch dazu in der Lage, zu antizipieren, ob die Antragsgegnerin den Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren heilen wird (d.).
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a. Die Rücknahmeentscheidung ergeht gemäß § 35 Abs. 1 StAG nach freiem Ermessen. Die Ermessensausübung ist durch das Gesetz nicht dahin intendiert, dass von einem Erlass nur ausnahmsweise dann abgesehen werden darf, wenn besondere, berücksichtigungsfähige und gewichtige Gründe dies rechtfertigen. Für die Auffassung, dass etwa nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das StAG keine Grundlage (vgl. ausführlich OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 657 f.; VG Wiesbaden, Urt. v. 15.6.2015 – 6 K 168/15, NVwZ-RR 2015, 915, 916). Auch wenn dem Begünstigten „Vertrauensschutz“ aufgrund arglistiger Täuschung zu versagen sein sollte, würde dies nicht zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf „Null“ führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1978 – 3 C 18.77, BVerwGE 57, 1, 4 Rn. 133). Die Behörde hat im Rahmen ihrer Ermessensausübung die nach Lage der Dinge maßgeblichen privaten Belange und die öffentlichen Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 108 f.; s.a. Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 35 StAG Rn. 42 f.). Bei der Identifizierung der schutzwürdigen privaten Belange ist insbesondere die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in das Ermessen einzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.2008 – 5 C 4/07, NVwZ 2008, 685, 686; vgl. auch OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.; VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2007 – 13 S 2885/06, juris Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006 – 5 B 15.03, juris Rn. 27). Ein weiterer zu berücksichtigender Umstand ist die Integration des Betroffenen in die deutschen Lebensverhältnisse (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 9. 9. 2003 – 1 C 6/03, NVwZ 2004, 487, 489). Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig – und dies gilt in besonderem Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird – ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belang trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen (vgl. OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.). Genauso können die sich für den Betroffenen ergebenden Unsicherheiten bei der Fortsetzung des Aufenthalts im Bundesgebiet und die Folgen der möglichen Rückkehr in das Herkunftsland zu berücksichtigen sein.
- 41
b. Offen bleiben kann, ob Prämisse der Ermessensausübung der Antragsgegnerin die Annahme war, dass § 35 Abs. 1 StAG ein intendiertes Ermessen vorgibt und schon deswegen ein Ermessensfehler vorliegt. Darauf deuten einige Formulierungen in der Begründung des Bescheides hin. Die Antragsgegnerin formuliert auf S. 6 des Bescheides, die Maßnahme sei „Notwendigkeit dessen, dass eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, nicht Prämissen auf Missachtung ihrer selbst setzen darf (…)“. „Zu berücksichtigende schutzwürdige Interessen des Begünstigten, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten“, lägen nicht vor. Die Rücknahme bedeute „auch aus anderen Gründen keine außergewöhnliche Härte, die die Entscheidung zu Gunsten des Begünstigten beeinflussen könnte.“ Es entsteht der Eindruck, dass die Antragsgegnerin meint, die von ihr zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.
- 42
c. Jedenfalls hat es die Antragsgegnerin versäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden – den konkreten Einzelfall prägenden – persönlichen schutzwürdigen Belange des Antragstellers in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. Den besonderen Lebensumständen des Antragstellers wird die Begründung der Antragsgegnerin nicht gerecht. So dürfte ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen sein, dass die Antragsgegnerin die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers (über zehn Jahre, davor Aufenthaltsgestattung/Duldungen) in der Bundesrepublik Deutschland nicht berücksichtigt hat. Diesen Umstand erwähnt die Antragsgegnerin auf S. 7 der Begründung des Bescheides lediglich in dem Kontext, dass auch zwischenzeitlich die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 StAG nicht vorlägen. Ebenso wenig verhält sie sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass der Antragsteller, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland lebt (auch seine Eltern und sein Bruder leben hier), das Gymnasium besucht, voraussichtlich in diesem Jahr sein Abitur absolvieren wird und somit bedeutende Integrationsleistungen erbracht hat. Zudem lässt die Antragsgegnerin die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Antragsteller außer Betracht. Die Antragsgegnerin weist zwar daraufhin, dass mit der Rücknahme der Einbürgerung zugleich die früher erteilte Aufenthaltserlaubnis erlischt und nicht rückwirkend auflebt, stellt diesen Umstand aber nicht als einen Belang, der gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechen könnte, in die Abwägung ein. Vielmehr deutet sie mit der Äußerung an, dass – wie auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers befürchtet –, dem Antragsteller nach Vollzug der Rücknahme der Einbürgerung nicht ohne Weiteres erneut eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden würde. Dass dem Antragsteller deshalb unter Umständen eine Abschiebung in sein Herkunftsland Afghanistan, dessen Staatsangehörigkeit er weiter besitzt, drohen könnte, und welche Folgen damit für den Antragsteller, der mit den dortigen Lebensverhältnissen nicht vertraut ist, verbunden wären, lässt die Antragsgegnerin außen vor.
- 43
d. Das Gericht war nicht gehalten, der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren die Möglichkeit zu geben, gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen insoweit zu ergänzen und den Ermessensfehler zu heilen. Für eine Anwendung dieser Vorschrift dürfte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren kein Bedarf bestehen (vgl. VGH Wiesbaden, Beschl. v. 26.3.04 – 8 TG 721/04, juris Rn. 42; zweifelnd VG Chemnitz, Beschl. v. 29.1.1999 – 1 K 1996/96, NVwZ-RR 1998, 414). Für die Frage, ob ein der Behörde eingeräumtes Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist, ist nämlich nicht entscheidend auf den Erstbescheid, sondern maßgeblich auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung, also auf den hier noch nicht ergangenen Widerspruchsbescheid (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abzustellen. Soweit es im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache ankommt, sind indes die Chancen für die Heilung des Ermessensmangels zu berücksichtigen (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 114 Rn. 12e). Wie hier die Antragsgegnerin ihr Ermessen im Widerspruchsverfahren – auch vor dem Hintergrund womöglich zu leistender weiterer Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren – ausüben wird, kann das Gericht allerdings nicht antizipieren. Es ist jedenfalls nicht so, dass aufgrund besonderer Umstände des Falles ausgeschlossen ist, dass die Antragsgegnerin bei sachgemäßer Ausübung ihres Ermessens zu einem anderen Ergebnis als im Ausgangsbescheid kommen könnte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse und vor dem Hintergrund, dass die Unterstützungshandlungen des Antragstellers – mögen sie auch tatbestandsgemäß sein – im Vergleich zu anderen denkbaren Unterstützungshandlungen (z.B. aktive Mitarbeit in einer Organisation) weniger schwer wiegen.
- 44
4. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Verfügung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. An der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse, vielmehr steht das öffentliche Interesse einer Vollziehung entgegen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külp-mann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 967 m.w.N.; s.a. BVerwG, Beschl. v. 18.10.2005 – 6 VR 5/05, NVwZ 2006, 214, 215). Dass die Möglichkeit besteht, dass die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren ihr Ermessen ordnungsgemäß ausübt und damit den mit Blick auf die Verfügung vom 6. November 2015 bestehenden Ermessensfehler heilt, ändert hieran nichts (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 11). Es besteht auch keine Veranlassung für eine zeitliche Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 5 VwGO im Vorgriff auf einen möglichen rechtmäßigen Widerspruchsbescheid bis zu dessen Erlass (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 14). Die Antragsgegnerin kann nämlich, wenn durch den Erlass eines rechtmäßigen Widerspruchsbescheids erstmals ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts begründet wird, einen Antrag auf Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wegen veränderter Umstände nach § 80 Abs. 7 VwGO stellen.
II.
- 45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 42.1 Streitwertkatalog (abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, Anh § 164). In einem Hauptsachestreitverfahren wäre wegen der Bedeutung einer Einbürgerung der Streitwert in Höhe des doppelten Auffangstreitwertes festzusetzen. Dieser Betrag ist in Anbetracht der Vorläufigkeit dieses Verfahrens wiederum zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges).
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. November 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. November 2015 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
- 2
Die Antragsgegnerin hat zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in ihrer Verfügung vom 6. November 2015 entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend schriftlich begründet. Die im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmende vorläufige Interessenabwägung – zwischen dem persönlichen Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit und dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an der baldigen Wirkung der Rücknahme der Einbürgerung – fällt aber zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn nach einer – dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechenden – summarischen Prüfung (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 81; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 125, 152, 158) dürfte die genannte Verfügung, mit der nach § 35 Abs. 1 StAG die Einbürgerung des Antragstellers in den deutschen Staatsverband rückwirkend auf den 12. September 2014 zurückgenommen wurde, jedenfalls derzeit rechtswidrig sein. Zwar dürften die formellen (1.) und die materiellen (2.) Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Entscheidung ist aber ermessensfehlerhaft ergangen (3.). Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt daher das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin (4.).
- 3
1. Die formellen Voraussetzungen für die Rücknahme der Einbürgerung vom 12. September 2014 waren erfüllt. Insbesondere erfolgte die Rücknahme, die am 9. November 2015 im Wege der Zustellung des Bescheides bekanntgegeben wurde, innerhalb der Fünf-Jahresfrist nach § 35 Abs. 3 StAG. Der Antragsteller war auch – mit Schreiben vom 6. Juli 2015 – zur beabsichtigten Rücknahme angehört worden.
- 4
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 StAG dürften ebenfalls vorliegen: Die Einbürgerung dürfte rechtswidrig gewesen sein (a.) und der Antragsteller dürfte sie durch arglistige Täuschung erwirkt haben (b.).
- 5
a. Die nach § 10 StAG vorgenommene (Anspruchs-)Einbürgerung des Antragstellers dürfte nach summarischer Prüfung rechtswidrig i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG gewesen sein. Zwar dürfte es nicht an einer der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG fehlen (aa.). Der Einbürgerung dürfte aber das Einbürgerungsverbot des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben (bb.).
- 6
aa. Zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe am 12. September 2014 dürften sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG vorgelegen haben. Insbesondere dürfte es nicht an dem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG erforderlichen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Erklärung zu etwaigen verfassungsfeindlichen oder extremistischen Aktivitäten (sog. Loyalitätserklärung) fehlen. Hierbei dürfte es sich bloß um eine formelle Einbürgerungsvoraussetzung handeln (vgl. zum Folgenden Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht – GK-StAR, Stand: Oktober 2014, § 10 StAG Rn. 134 ff., insbesondere Rn. 135 m.w.N. auch zur Gegenansicht und Rn. 136, 141 ff. mit entstehungsgeschichtlichen Argumenten; siehe ferner VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 41 ff.). Wenn bereits im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG von der Einbürgerungsbehörde zu prüfen und zu entscheiden wäre, ob das abgegebene Bekenntnis bzw. die Loyalitätserklärung inhaltlich zutreffend ist, würde § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG keine eigenständige Bedeutung haben. Dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG – über die Anforderungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hinaus – eine verfassungsfreundliche Gesinnung als materielle Voraussetzung der Einbürgerung konstituiert, dürfte nicht nahe liegen. Jenseits innerer, nicht überprüfbarer mentaler Vorbehalte kann die Frage, ob ein Bekenntnis oder eine Loyalitätserklärung „wahrheitsgemäß“ ist, sinnvoll nur anhand tatsächlicher Anhaltspunkte geprüft und entschieden werden und zwar im Rahmen der Prüfung von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.
- 7
bb. Nach Aktenlage dürfte der Einbürgerung zum Zeitpunkt ihres Vollzuges am 12. September 2014 ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben. Gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung u.a. dann ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden. Die in dieser Vorschrift zum Einbürgerungsverbot zusammengefassten Voraussetzungen bezwecken, dass mit Blick auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG ein bloßes „Lippenbekenntnis“ nicht für die Einbürgerung ausreicht. Die Vorschrift bewirkt eine Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter weit in das Vorfeld konkreter Sicherheitsgefährdungen. Zweck der Bestimmung ist es, die Einbürgerung etwa von radikalen Islamisten auch dann verhindern zu können, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können, aber zumindest der begründete Verdacht besteht, dass Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützt werden, die für den deutschen Staat wesentlich sind (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 18 f. zur gleich lautenden Vorgängerregelung des bis zum 31.12.2004 geltenden § 86 Nr. 2 AuslG; BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 15).
- 8
Bei summarischer Prüfung dürften zumindest im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vorgebrachten Anknüpfungstatsachen und vor dem Hintergrund der herabgesetzten Anforderungen an ihren Nachweis tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen (1) unterstützt (2) hat.
- 9
(1) Bei den Bestrebungen, mit denen sich der Antragsteller beschäftigt haben soll, handelt es sich um verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) BVerfSchG solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Der Nachweis, dass eine Organisation derartige Ziele verfolgt, hat als geführt zu gelten, wenn und sobald sie vereinsrechtlich verboten worden ist (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 71). Dies ist mit Blick auf die jihadistisch-salafistische Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) der Fall. Mit Verfügung vom 12. September 2014 hat der Bundesminister des Innern die Betätigung des IS verboten (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015 – 1 K 14.1546, juris Rn. 36 zur terroristischen Betätigung des IS gemäß § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.). Der IS verfolgt zudem Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Derartige Bestrebungen liegen bereits dann vor, wenn eine Organisation zwar nicht im Bundesgebiet Gewalt anwendet, wohl aber im Herkunftsland – wie hier in Syrien und im Irak – gewaltförmig agiert. Zu den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik Deutschland gehört das Bestreben, Gewaltanwendung jedenfalls außerhalb von staatlich getragenen bewaffneten Interventionen nach Maßgabe der UN-Charta als Mittel der Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Interessen und Ziele umfassend zu bannen (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 30.9.2004 – 10 K 6189/03, juris Rn. 30). Aufgrund der Aufrufe des IS an seine Unterstützer, im westlichen Ausland Anschläge zu begehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 26 f., 32; siehe auch die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris, zu denen sich der IS bekannte), verfolgt der IS gleichzeitig Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.
- 10
Der jihadistische Salafismus stellt auch im Übrigen eine Bestrebung dar, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist (vgl. VG Aachen, Urt. v. 19.11.2015 – 5 K 480/14, juris Rn. 72; VG Minden, Urt. v. 27.10.2015 – 8 K 1220/15, juris Rn. 27 ff.). Der Salafismus verfolgt das Ziel, Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als „gottgewollte" Ordnung angesehen und propagiert wird, umzugestalten und befürwortet dabei die Anwendung von Gewalt (entgegen § 4 Abs. 2 lit. f] BVerfSchG: Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft). Für Salafisten ist Allah der einzige Souverän und die Scharia das von ihm offenbarte – und damit einzig legitime – Gesetz (entgegen § 4 Abs. 2 lit. b] BVerfSchG: Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht). Demokratie ist in ihren Augen eine falsche „Religion". Gesetze können der salafistischen Ideologie zufolge nur von Gott kommen (Prinzip der göttlichen Souveränität) und niemals vom Volk. Die Volkssouveränität als wesentliches Element der Demokratie westlicher Prägung (vgl. § 4 Abs. 2 lit. a] und lit. d] BVerfSchG) ist demnach unvereinbar mit dem religiös argumentierenden Salafismus. Die salafistische Ideologie widerspricht in wesentlichen Punkten (Gesellschaftsbild, politisches Ordnungssystem, Gleichberechtigung, individuelle Freiheit) den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. zum Vorstehenden Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 40 f.; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 137 f.). Auch weitere von dem Antragsteller vermeintlich bei Facebook mit einem „Like“ versehene Organisationen verfolgen derartige Bestrebungen: Bei der „al-Nusra-Front“ handelt es sich um einen Ableger der Terrororganisation al-Qaida (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 33 f.). Die in Nigeria äußerst brutal agierende Organisation „Boko Haram“ legte im März 2015 ihren Treueeid auf den selbsternannten IS-Kalifen Baghdadi ab (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 36). Die Hamburger „Dawa“(= Missionierung)-Gruppen werden ebenso wie die Gruppen „Lies! Hamburg“ und „Jesus im Islam“ aufgrund ihrer Nähe zur salafistischen Szene vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 43 ff.).
- 11
(2) Aufgrund der summarischen Prüfung und Würdigung der in den vorliegenden Akten enthaltenen Feststellungen kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ungeachtet verschiedener Zweifel in tatsächlicher Hinsicht vieles dafür spricht, dass der Antragsteller bereits im Zeitraum vor der Einbürgerung derartige Bestrebungen unterstützt hat.
- 12
Ausgehend vom obengenannten Zweck der Bestimmung, einer Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter, ist eine Unterstützung jede eigene Handlung, die für Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18; OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64; vgl. auch VGH München, Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01 1805, juris Rn. 32 zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dazu zählt jedes Tätigwerden auch eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64). Als Unterstützungshandlungen gelten etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805, juris Rn. 32; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 96.2). Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an, weil schon die Erhöhung des Gefährdungspotentials dieser Bestrebungen verhindert werden soll (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 5.12.2007 – 1 K 1851/06, juris Rn. 20). Die Handlung muss dem Betroffenen nicht subjektiv vorwerfbar sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.4.2008 – 5 N 19.06, juris Rn. 9; VGH Mannheim, Urt. v. 10.11.2005 – 12 S 1696/05, juris Rn. 26). Daher ist auch unerheblich, ob die maßgeblichen Handlungen strafrechtlich relevant sind (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 65). Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24.08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18).
- 13
Das Vorliegen einer Unterstützungshandlung muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Verdacht (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 66 f.). Allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen nicht. Die Annahme darf nicht „aus der Luft" gegriffen bzw. willkürlich sein. Tatsächliche Anhaltspunkte, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen, sind konkrete auf den Einbürgerungsbewerber bezogene Umstände, die von der Einbürgerungsbehörde dargelegt und einer Beweisführung zugänglich gemacht werden müssen.
- 14
Für die Rücknahme unbeachtlich sind dabei Aktivitäten, die der Eingebürgerte erst nach Vollzug der Einbürgerung aufnimmt. Sie indizieren ohne Hinzutreten weiterer, dann aber selbständig zu beurteilender Umstände wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Sinneswandels auch nicht, dass der Eingebürgerte weitere (nicht bekannte) Aktivitäten bereits vor der Einbürgerung entfaltet hat (vgl. GK-StAR, § 10 StAG Rn. 155). Ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Eingebürgerte erst (und nur) nach Vollzug der Einbürgerung verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat, ist die Einbürgerung rechtmäßig. Die Rücknahme gemäß § 35 StAG scheidet dann aus. Der Widerruf einer rechtmäßigen Einbürgerung ist vor dem Hintergrund von Art. 16 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Insoweit ist vorliegend zu unterscheiden zwischen Aktivitäten, die vor dem Zeitpunkt des Einbürgerungsvollzugs – hier dem 12. September 2014 – und solchen, die erst danach entfaltet wurden. Der weitestgehend pauschale Verweis der Antragsgegnerin auf die Klageerwiderung in dem parallel anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren 19 K 3103/15, in dem sich der Antragsteller u.a. gegen die Entziehung seines Passes wendet, ist deshalb nicht zielführend. Im Rahmen der §§ 7, 8 PassG kommt es anders als im Rahmen von § 35 StAG darauf an, ob im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung (bzw. im Klageverfahren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Betroffene die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Bei der Passentziehung handelt es sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. § 35 StAG ermöglicht hingegen die Rücknahme erschlichener oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkter Einbürgerungen und die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände (vgl. eingehend BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04, juris).
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Gemessen an diesen Maßstäben liegen Anknüpfungstatsachen für Unterstützungshandlungen im obigen Sinn vor. Hierzu im Einzelnen:
- 16
(a) Der Umstand, dass der Antragsteller dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) seit Ende 2014 in Zusammenhang mit einer im Internet aktiven Dawah-Gruppe mit Bezug zum IS bekannt gewesen ist, wie es im Bescheid zur Passentziehung heißt, ist zwar kein relevanter Anknüpfungspunkt, denn nähere Angaben dazu, inwiefern der Antragsteller diese Gruppe unterstützt hat, liegen nicht vor.
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(b) Auch eine von der Antragsgegnerin behauptete Ausreisebereitschaft des Antragstellers nach Syrien – um sich dort dem IS anzuschließen – dürfte als Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Unterstützungshandlung nicht ausreichen. Die Ausreisebereitschaft wird von der Antragsgegnerin ausschließlich auf die Aussage einer Frau H gestützt, mit der der Antragsteller über verschiedene Kommunikationsplattformen im Internet Kontakt gehabt haben soll. Nach Angaben des LKA Baden-Württemberg sei Frau H selbst Sympathisantin des IS. Im Telefonbuch ihres Mobiltelefons wurde eine Nummer gefunden, die dem Antragsteller zuzuordnen ist. Frau H konnte in ihrer Zeugenbefragung teilweise zutreffende Angaben über den Antragsteller machen (Alter, Wohnort, Aussehen, Herkunft). Es erscheint danach durchaus plausibel, dass sie Kontakt zu dem Antragsteller hatte und er ihr gegenüber geäußert hat, nach Syrien reisen zu wollen, obwohl der IS „schlecht“ sei. Während sich in der Akte des LKA Baden-Württemberg von anderen Chats, die Frau H mit Sympathisanten des IS geführt haben soll, Screenshots finden, ist dies für den vermeintlichen Chat mit dem Antragsteller jedoch nicht der Fall. Es ist auch nicht klar, ob Frau H die Äußerung in einem WhatsApp-Chat, über ask.fm oder über ein anderes Portal oder einen anderen Kommunikationsweg getätigt hat. Aus der Akte des LKA Baden-Württemberg zur Befragung von Frau H am 19. Dezember 2014 ergibt sich zudem nicht, wann (vor oder nach Vollzug der Einbürgerung) das entsprechende Gespräch stattgefunden haben soll. In einem Gesprächsvermerk des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) heißt es, dass die Äußerung im Dezember 2014 und damit nach Vollzug der Einbürgerung erfolgte. Die in der Akte des LKA Baden-Württemberg dokumentierte Aussage dürfte für sich genommen – insbesondere auch wegen ihrer inhaltlichen Widersprüchlichkeit – daher nicht als Anhaltspunkt reichen. Der Sachverhalt wäre ggf. in einem Hauptsacheverfahren durch Vernehmung der Frau H als Zeugin aufzuklären.
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(c) Bei der Gewahrsamnahme des Antragstellers am 10. Oktober 2014 handelt es sich um einen Vorgang, der nach dem Vollzug der Einbürgerung stattfand und damit isoliert betrachtet nicht herangezogen werden kann. Im Übrigen bestehen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller im Oktober 2014 an den gewaltsamen Ausschreitungen zwischen kurdischen Volkszugehörigen und Angehörigen der islamistischen Szene in St. Georg beteiligt hat. Die Ausschreitungen fanden am 7. und 8. Oktober 2014 statt. Der Antragsteller wurde laut Polizeibericht am 10. Oktober 2014 vor der Moschee „M“ nach Beendigung des dortigen Freitagsgebetes „als Teil einer relevanten Personengruppe festgestellt“ und aufgrund einer bei ihm aufgefundenen Sturmhaube in Gewahrsam genommen, weil befürchtet wurde, dass er „bei weiteren Zusammenrottungen seine Identität durch das Tragen der Sturmhaube verschleiern will“. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der Antragsteller ein konkretes Verhalten beabsichtigt haben könnte, das den o.g. Bestrebungen förderlich gewesen wäre. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es am 10. Oktober 2014 überhaupt zu Ausschreitungen – wie am 7. und 8. Oktober 2014 – gekommen ist oder kommen sollte (vgl. auch Lageinformation aktuelle Entwicklung Kurden vs. IS, Gerichtsakte 19 K 3103/15, Bl. 108 ff.). Die Personenkontrollen am 10. Oktober 2014 hat die Polizei offenbar unter dem Eindruck der Geschehnisse vom 7. und 8. Oktober 2014 durchgeführt. Die bloße Anwesenheit des Antragstellers vor einer Moschee in einem Gebiet, in dem es Tage zuvor zu Ausschreitungen gekommen ist, dürfte für sich genommen keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für eine Unterstützungshandlung darstellen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass bei dem Antragsteller eine Sturmhaube gefunden wurde. Im Eilverfahren 19 E 3104/15 hatte der Antragsteller vorgetragen, dass es sich bei der angeblichen Sturmhaube um einen Gesichtsschutz handele, den er beim Kart fahren kurz vor der Gewahrsamnahme getragen habe. Auch der weitere Vortrag des Antragstellers, er habe den Imbiss seines Vaters besuchen wollen, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Dieser ist nur wenige hundert Meter von der Moschee entfernt. Eine Berücksichtigung der Gewahrsamnahme wäre nur im Rahmen einer Gesamtschau mit Blick auf die vom Antragsteller gegenüber den Polizisten getätigten Äußerungen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) möglich, soweit es um die Konversion des Antragstellers zum Islam geht (siehe dazu unten).
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(d) Tatsächliche Anhaltspunkte für Unterstützungshandlungen des Antragstellers für verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen dürften sich aber aus dessen Aktivitäten im Internet ergeben.
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Es spricht aufgrund der Stellungnahme des LfV vom 4. September 2015 vieles dafür, dass das Profil „A R“ dem Antragsteller zuzuordnen ist. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass jemand aus dem Bekannten- oder Freundeskreis des Antragstellers die Profile bei Facebook und ask.fm eingerichtet hatte. Das LfV hat aber herausgearbeitet, dass der Name „A R“ auch von einem Profil auf der Plattform ask.fm benutzt worden ist, bei dem ein Foto des Antragstellers als Profilbild sichtbar war. Laut eines Gesprächsvermerks des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) haben zudem der Vater und der Onkel des Antragstellers geäußert, dass die problematischen Inhalte auf der Facebook-Seite „nur aus Spaß im Rahmen seiner letzten Geburtstagsfeier hochgeladen worden“ seien, was als weiteres Indiz dafür herangezogen werden kann, dass das Profil tatsächlich dem Antragsteller zuzuordnen ist. Zudem wurden sämtliche Facebook-Profile gelöscht, nachdem der LfV den Vater und den Onkel des Antragstellers Ende Januar 2015 mit den problematischen Inhalten konfrontiert hatte. Gleichwohl besteht über die Zuordnung des Profils „A R“ nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand keine Gewissheit.
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Das Facebook-Profil „A R“ weist eine Vielzahl an Einträgen und Bildern sowie „Likes“ für solche Einträge und Bilder auf, die gewaltverherrlichend die Kämpfer des IS glorifizieren und den bewaffneten Jihad als Pflicht jedes gläubigen Muslims darstellen. Unter anderem wurde am 25. Oktober 2014 als Profilbild das Bild eines bewaffneten Jihadisten veröffentlicht, der vor einer schwarzen Flagge mit arabischen Schriftzeichen (womöglich der Flagge des IS) und Flammen steht. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich der Antragsteller selbst als eine Art „Glaubenskrieger“ ansieht. Am 23. Oktober 2014 wurde ein Bild eingestellt, das eine neue Form der Evolution suggeriert, die beim Kleinkind beginnt und in der Zuwendung zum Glauben mündet, zum „Glaubenskrieger“ führt und ihr Finale im Märtyrertum (symbolisiert durch einen grünen Vogel) findet. Es finden sich „Likes“ für Einträge von Personen, die nach Syrien gereist sind, um sich dort dem IS anzuschließen, z.B. für einen Eintrag von M B vom 20. Januar 2015, in dem dieser in Syrien gefallene „Märtyrer“ würdigt und „Likes“ für Bilder, mit denen Siege von „Glaubenskriegern“ in Syrien gefeiert werden. Es findet sich weiter ein „Like“ für den IS-Propaganda-Film „The Flames of War“, der massive Gewaltdarstellungen enthält. Weiter finden sich „Likes“ für die Organisationen „Lies! Hamburg“, „Hamburg Dawah Movement“, „Boko Haram“, „al-Nusra-Front“, „Jesus im Islam Hamburg“ sowie sonstige Inhalte mit Bezug zum Islam.
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Der Unterstützungsbegriff des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG dürfte derartige Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter als öffentliche Befürwortung von verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen umfassen. Diese Art von Sympathiewerbung, bei der der allgemeinen Verurteilung der Gräueltaten des IS das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegensetzt wird, dürfte sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirken. Durch das Veröffentlichen von entsprechenden Inhalten in sozialen Netzwerken nimmt das radikale Gedankengut an Verbreitung zu. Der Veröffentlichende betätigt sich damit als Teil der Propagandamaschinerie der verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen. Dies dürfte nicht nur für eigene Einträge, sondern auch für „Likes“ gelten. Einträge, die mit einem „Like“ versehen werden, sind danach auf der Facebook-Seite desjenigen sichtbar, der den Eintrag „geliked“ hat. Die Möglichkeit der jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, weitere Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen bzw. „Kämpfer“ anzuwerben, erhöht sich. Die potentielle Gefährlichkeit des jihadistischen Salafismus wird dadurch gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt, denn die Radikalisierung potentieller „Glaubenskrieger“ verläuft oftmals über das Internet. Hierzu heißt es im Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 34 f.:
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„2014 stand die salafistische Szene im Mittelpunkt der Beobachtung des Hamburger Verfassungsschutzes. Die Zahl der Salafisten, die den bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) befürworten stieg um mehr als das Dreifache von 70 auf 240 an. Zusammen mit den in Hamburg aktiven politischen Salafisten beträgt das salafistische Gesamtpotenzial mittlerweile rund 400 Personen (2013: 240). Der Anstieg insbesondere der jihadistisch orientierten Salafisten ist sowohl auf eine verbesserte Einblickstiefe des Verfassungsschutzes nach einer weiteren Schwerpunktsetzung seit Sommer 2014 als auch auf eine schnell zunehmende Radikalisierung speziell jüngerer Erwachsener zurückzuführen.
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Eine entscheidende Rolle bei der Radikalisierung kommt den Ereignissen in den Krisenregionen Syrien und Irak zu, medial transportiert über soziale Netzwerke. Insbesondere junge Menschen, die auf der Suche nach Vorbildern sind und die zum Beispiel in Familien ohne Vater aufwachsen, ohne Integration in ihr soziales Umfeld sind und Brüche in ihrer Biografie haben, möglicherweise auch Probleme in der Schule, bei der Ausbildung oder der Arbeitsstelle, lassen sich für die militärischen Erfolge des „Islamischen Staates“ (IS) begeistern und haben der jihadistischen Szene einen Zulauf verschafft.
(….)
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Diese rasante Steigerung ist auch auf die erfolgreichen Propagandastrategien der Salafisten zurückzuführen, mit denen sie in professioneller Weise für ihre Ziele werben. Vor allem über das Internet werden die salafistischen Ideologieinhalte in Form von Webseiten und Videosequenzen transportiert. Als weitere Aktionsformen werden im Rahmen der „Straßenmission“ unter anderem Infotische auf öffentlichen Plätzen und Vortragsveranstaltungen durchgeführt. Gerade für junge Menschen stellen diese Propagandastrategien die ersten Berührungspunkte zum Salafismus dar.“
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Nach Angaben des LfV soll der Antragsteller über das Profil „A R“ zudem schwerpunktmäßig mit Personen befreundet sein, die der jihadistisch-salafistischen Szene in Hamburg zugeordnet werden können. Persönliche Kontakte oder Freundschaften des Betroffenen mit Personen, die sicherheitsgefährdende Aktivitäten entfalten, können tatsächliche Anhaltspunkte i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bilden. Erforderlich ist aber, dass die Freundschaft gerade auf einer Übereinstimmung der politisch-gesellschaftlichen Anschauungen beruht und der Betroffene mit der Einstellung des Freundes/der Kontaktperson sympathisiert und diese gutheißt (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 17.6.2010 – 5 K 1466/09, juris Rn. 21). Ob dies hier der Fall ist, kann vom Gericht derzeit nicht abschließend bewertet werden, da sich weitergehende Erkenntnisse über die einzelnen Personen nicht in den Stellungnahmen des LfV befinden. Auffällig ist aber, dass es sich bei den Kontakten offenbar – zumindest teilweise – nicht nur um bloße Internetbekanntschaften handelt. Einige der Facebook-Freunde, die vom LfV der jihadistisch-salafistischen Szene zugerechnet werden, gehören auch nach Angaben der Familie des Antragstellers zu seinen besten Freunden (und wohnen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft).
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Diese Handlungen dürften auch gegen den Antragsteller verwendet werden können. Zwar sind nach Angaben des LfV die Facebook-Aktivitäten vor allem bei der Auswertung des Facebook-Profils (erst) am 26. Januar 2015 festgestellt worden. Viele der veröffentlichten Beiträge stammen aus der Zeit nach Vollzug der Einbürgerung am 12. September 2014. Auch soweit vor dem 12. September 2014 veröffentlichte Beiträge mit einem „Like“ versehen worden sind, ist nicht auszuschließen, dass dies erst zu einem späteren Zeitpunkt geschehen ist. In den meisten Fällen ist den vom LfV gefertigten Ausdrucken das Datum des „Like“ nicht zu entnehmen. Dasselbe gilt überwiegend für den Zeitpunkt der Aufnahme der Freundschaften zu vermeintlichen Mitgliedern der jihadistisch-salafistischen Szene. Unklarheiten in Bezug auf den Zeitpunkt einer Unterstützungshandlung dürften zu Lasten der Antragsgegnerin gehen.
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Folgende Inhalte stammen aber ohne Zweifel aus einem Zeitraum vor dem Vollzug der Einbürgerung:
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Zunächst finden sich diverse Inhalte, die Sympathien für den muslimischen Glauben zum Ausdruck bringen, wie z.B. die Veröffentlichung eines Profilfotos am 3. April 2014 mit der Inschrift „Ich bezeuge, dass niemand mit Recht angebetet wird außer Allah und dass Muhammad Sallallamu Alleihi wa Sallam der Gesandte Allahs ist“, eines Profilfotos am 11. Juni und 21. August 2013 mit der Inschrift „Ich bin ein Muslim, der Islam ist perfekt, ich bin es nicht. Wenn ich einen Fehler mache, so gib mir die Schuld, nicht dem Islam…“ und eines Profilfotos am 27. Juni 2013 mit der Inschrift „La ilaha illa Allah“. Diese Beiträge deuten als solche nicht auf Unterstützungshandlungen hin. Der Umstand, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert sein könnte, dürfte aber im Rahmen einer Gesamtschau als Indiz einzubeziehen sein (siehe dazu unten).
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Mit einigen Facebook-Freunden ist „A R“ bereits seit 2013 befreundet. Inwieweit einzelne dieser Personen der jihadistisch-salafistischen Szene zugeordnet werden können, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher zu untersuchen. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen, dass im Freundesbereich des Profils Überschneidungen mit dem Klarnamenprofil des Antragstellers bestehen (teilweise ebenfalls seit 2013) und auch diese Personen laut LfV der jihadistisch-salafistischen Szene angehören sollen.
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Im Juni 2013 wurden die Facebook-Seiten „PierreVogel.de“ und „Al-Haqq News“ mit einem „Like“ versehen. Pierre Vogel ist ein deutscher salafistischer Prediger, der vom evangelischen Christentum zum sunnitischen Islam konvertiert ist (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2013, S. 225; Verfassungsschutzbericht Hamburg 2013, S. 31; s.a. Wikipedia-Eintrag „Pierre Vogel“, Abruf v. 19.2.2016). Er war Mitglied des inzwischen aufgelösten salafistischen Vereins „Einladung zum Paradies“ (kurz EZP), der vom Verfassungsschutz beobachtet wurde (vgl. Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 139). Bei „Al Haqq“ dürfte es sich um „Asa’ib Ahl al-Haqq“ handeln, eine paramilitärisch geführte, schiitische Extremistengruppe im Irak und Syrien (vgl. http://www.theguar-dian.com/world/2014/mar/12/iraq-battle-dead-valley-peace-syria; s.a. Wikipedia-Eintrag „Asa’ib Ahl al-Haqq“, Abruf jeweils v. 19.2.2016).
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Auf einem am 24. August 2014 eingestellten Profilbild, das mit „A R al Indi“ (der Zusatz „al Indi“ könnte auf die indischen Wurzeln der Familie des Antragstellers hindeuten) überschrieben ist, wird ein muskulöser Mann in schwarzer Kleidung, mit schwarzem Bart und dunkler Sonnenbrille dargestellt. Es soll sich wohl um eine Art „Glaubenskrieger“ handeln. Gewissermaßen hinter oder auf der linken Schulter des Mannes ist ein schwarzes Banner zu erkennen. Das schwarze Banner ist eine Flagge, die von vielen islamistischen Terrororganisationen wie al-Qaida sowie dem IS benutzt wird (vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/kobane-islamischer-staat-macht-angst-mit-schwarzer -flagge-a-995797.html.; s.a. Wikipedia-Eintrag „Schwarzes Banner“, Abruf jeweils v. 19.2.2016). Auf dem Gürtel des Mannes befinden sich zwei gekreuzte Säbel. Die Säbel gelten als ein Symbol des Islam und als Erkennungszeichen islamischer Kämpfer (vgl. Wikipedia-Eintrag „Scimitar“ – Synonym für Säbel –, Abruf v. 19.2.2016). Mit der Darstellung des portraitierten Mannes als nahezu übernatürlich stark wird suggeriert, dass man als „Glaubenskrieger“ so sei – womöglich gar zu neuer Stärke finde, wenn man für den IS kämpfe. Ein derartiges Bild kann andere junge Männer, die auf der Suche nach Orientierung im Leben sind, beeinflussen und sie dazu bringen, sich einer radikalen islamistischen Gruppierung wie dem IS anzuschließen (s.o. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014 zur von islamistischer Propaganda in sozialen Netzwerken im Internet ausgehenden Gefahr).
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Die ohne Zweifel vor dem Vollzug der Einbürgerung veröffentlichten Inhalte und „Likes“ dürften bereits für die Bejahung von relevanten Unterstützungshandlungen genügen. Die Anhaltspunkte gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG müssen nach Art und Gewicht geeignet sein, eine dauernde Identifikation des Betroffenen mit den verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen zu indizieren (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 98). Dieses Mindestmaß an Nachhaltigkeit dürfte mit Blick auf die vor dem 12. September 2014 veröffentlichten Inhalte und „Likes“ erfüllt sein. Zwischen den „Likes“ für „PierreVogel.de“ und „Al Haqq“ im Juni 2013 und der Veröffentlichung des Profilbildes im August 2014 ist mehr als ein Jahr vergangen. Letzteres Bild ist – wie dargelegt – eindeutig dahingehend zu interpretieren, dass sich der Veröffentlichende mit radikalen islamistischen Gruppierungen wie dem IS identifiziert.
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Selbst wenn man diese einzelnen Anhaltspunkte für sich genommen nicht ausreichen ließe, genügt es aber jedenfalls, dass die Gesamtschau aller vorhandenen Anhaltspunkte die Annahme der Unterstützung verfassungsfeindlicher und extremistischer Bestrebungen rechtfertigt (vgl. VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 32). Insoweit darf im Rahmen einer Gesamtschau auf die sonstigen Einträge, „Likes“ und Kontakte des Antragstellers bei Facebook wohl ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung zurückgegriffen werden. Mit dem Verbot der Heranziehung verfassungsfeindlicher und extremistischer Unterstützungshandlungen, die erst nach Vollzug der Einbürgerung vorgenommen werden, soll der Gefahr begegnet werden, dass eine Einbürgerung zurückgenommen wird, obwohl sich der Betroffene erst nach seiner Einbürgerung aufgrund eines Sinneswandels radikalisiert. Zeigt sich bei Betrachtung von Aktivitäten vor der Einbürgerung und danach hingegen – wie vorliegend – eine gewisse Konstanz, besteht diese Gefahr nicht. Die späteren Aktivitäten zeigen nur, dass der Antragsteller auch nach dem Vollzug seiner Einbürgerung in seinem radikalen Gedankengut verhaftet gewesen sein dürfte.
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Ähnlich zu beurteilen sind insoweit die Auszüge aus dem ask.fm-Profil von „A R“. Dass das Profil dem Antragsteller zuzuordnen ist, hat der LfV plausibel dargelegt, ohne dass der Nachweis zum gegenwärtigen Zeitpunkt als geführt gilt. Folgende Indizien sprechen aber dafür: Der Profilinhaber gibt an, dass er aus Indien komme (die Familie des Antragstellers hat nach eigenen Angaben indische Wurzeln) und „sehr nah dran“ an zwei benannten Personen wohne, die tatsächlich in der Nachbarschaft des Antragstellers wohnten. Zudem besuche er eine Moschee am Hauptbahnhof (tatsächlich wurde er am 10. Oktober 2014 vor einer Moschee in der Nähe des Hauptbahnhofes angetroffen, siehe oben). Auf dem Gruppenbild der ask.fm-Gruppe „I f D“, in der sich nach Angaben des LfV Profile jihadistischer Salafisten zusammengeschlossen hatten, findet sich ein Bild des Antragstellers mit dem Namenszug „A R“. Die Einträge auf dem Profil dürften teilweise von ca. Anfang September 2014 (vgl. Ausdruck vom 1.10.2014) stammen. Inhaltlich befassen sich die Einträge im Wesentlichen mit allgemeinen Fragen zum Islam und der Auslegung des Korans.
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(e) Weiter liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert ist. Damit wird das Argument des Antragstellers, er sei Hindu und unterstütze schon deswegen keine jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, entkräftet. Derartige Anhaltspunkte ergeben sich unabhängig von den vermeintlichen Internetaktivitäten des Antragstellers. Im Verfahren 19 E 3104/15 hatte der Schulleiter des von dem Antragsteller besuchten Gymnasiums eine E-Mail vorgelegt, in der der Antragsteller und ein Schulkollege darum bitten, an Freitagen den Unterricht früher verlassen zu dürfen, um am Gebet in einer Moschee teilnehmen zu dürfen. An der Aussagekraft der E-Mail bestehen aber Zweifel, da der Schulkollege später eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wonach es bei der Freistellung nur um ihn und nicht um den Antragsteller gegangen sei. Der Antragsteller sei gläubiger Hindu und nicht zum Islam konvertiert. Die Eltern des Antragstellers sind nach eigenen Angaben Hindus. Der Vater und der Onkel haben geäußert, von einer Konversion des Antragstellers nichts bemerkt zu haben. Auf der anderen Seite haben sie im Rahmen einer Befragung anlässlich der Konfrontation mit möglichen Plänen des Antragstellers, nach Syrien auszureisen, angegeben, der Reisepass des Antragstellers sei vorsorglich aufgrund „eines unguten Gefühls“ in einem Bankschließfach deponiert worden und bei dem Antragsteller könne nicht ausgeschlossen werden, dass er sich „den falschen Freunden“ angeschlossen habe. Der Sachverhalt bedürfte insoweit weiterer Aufklärung in einem Hauptsacheverfahren. Könnte dem Antragsteller nachgewiesen werden, dass er zum Islam konvertiert ist, würde dieser Umstand – auch in Verbindung mit den wohl anlässlich seiner Gewahrsamnahme vor der Moschee am 10. Oktober 2014 getätigten Aussagen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) – den Verdacht erhärten, dass die Einträge auf dem Facebook- und dem ask.fm-Profil tatsächlich von ihm stammen und der Unterstützung jihadistisch-salafistischer Bestrebungen dienen sollten.
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b. Soweit die Einbürgerung danach rechtswidrig ist, ist sie auch durch arglistige Täuschung i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG erwirkt worden. Als arglistige Täuschung wird bereits die wahrheitswidrige Beantwortung einer an den Einbürgerungsbewerber gestellten Frage angesehen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 41). In seiner Befragung zum Einbürgerungsantrag vom 14. April 2014 hat der Antragsteller sämtliche Fragen, die darauf abzielten festzustellen, ob er verfassungsfeindliche oder extremistische Bestrebungen unterstützt hat, mit „nein“ angekreuzt. Zugleich hat er eine entsprechende Loyalitätserklärung abgegeben. Wenn er die Unterstützungshandlungen erst nach Abgabe der Erklärung, aber noch vor Vollzug der Einbürgerung aufgenommen haben sollte, hätte er die Antragsgegnerin darüber aufklären müssen. Für die Begehungsform der arglistigen Täuschung in der Alternative des Verschweigens von Tatsachen reicht es, dass der Betreffende Tatsachen verschweigt und dabei weiß oder in Kauf nimmt, dass diese verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 3.12.2012 – 11 K 1038/12, Rn. 42 f.). Zudem hat der Antragsteller bei Entgegennahme der Einbürgerungsurkunde am 12. September 2014 die Erklärung unterschrieben, dass sich keine Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse ergeben hätten, die der Einbürgerung entgegenstehen könnten. In der Niederschrift über die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 12. September 2014 hat der Antragsteller u.a. die Erklärung unterschrieben, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekenne.
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Der Antragsteller dürfte seine Einbürgerung durch die Falschbeantwortung der Fragen bzw. das Verschweigen dieser Umstände auch arglistig erwirkt haben. Es dürfte für den Antragsteller aus Laiensicht völlig klar gewesen sein, dass seine Einbürgerung ausgeschlossen gewesen wäre, wenn der Antragsgegnerin die Umstände, aus denen sich der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergeben hätte, offenbar geworden wären.
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3. Obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme gemäß § 35 Abs. 1 StAG vorliegen dürften, dürfte der Bescheid aber jedenfalls derzeit ermessensfehlerhaft i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO sein und wäre zumindest von daher aufzuheben. § 35 Abs. 1 StAG stellt die Entscheidung der Behörde in ihr Ermessen, ohne dass eine bestimmte Entscheidung intendiert ist (a.). Ob die Antragsgegnerin dementgegen von einem intendierten Ermessen ausgegangen ist und bereits deswegen ein Ermessensfehler vorliegt, kann dahinstehen (b.). Denn jedenfalls hat sie ihr Ermessen auch im Übrigen nicht ordnungsgemäß ausgeübt (c.). Das Gericht war weder gehalten, der Antragsgegnerin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Möglichkeit einzuräumen, ihre Ermessenserwägungen zu ergänzen, noch dazu in der Lage, zu antizipieren, ob die Antragsgegnerin den Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren heilen wird (d.).
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a. Die Rücknahmeentscheidung ergeht gemäß § 35 Abs. 1 StAG nach freiem Ermessen. Die Ermessensausübung ist durch das Gesetz nicht dahin intendiert, dass von einem Erlass nur ausnahmsweise dann abgesehen werden darf, wenn besondere, berücksichtigungsfähige und gewichtige Gründe dies rechtfertigen. Für die Auffassung, dass etwa nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das StAG keine Grundlage (vgl. ausführlich OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 657 f.; VG Wiesbaden, Urt. v. 15.6.2015 – 6 K 168/15, NVwZ-RR 2015, 915, 916). Auch wenn dem Begünstigten „Vertrauensschutz“ aufgrund arglistiger Täuschung zu versagen sein sollte, würde dies nicht zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf „Null“ führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1978 – 3 C 18.77, BVerwGE 57, 1, 4 Rn. 133). Die Behörde hat im Rahmen ihrer Ermessensausübung die nach Lage der Dinge maßgeblichen privaten Belange und die öffentlichen Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 108 f.; s.a. Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 35 StAG Rn. 42 f.). Bei der Identifizierung der schutzwürdigen privaten Belange ist insbesondere die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in das Ermessen einzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.2008 – 5 C 4/07, NVwZ 2008, 685, 686; vgl. auch OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.; VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2007 – 13 S 2885/06, juris Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006 – 5 B 15.03, juris Rn. 27). Ein weiterer zu berücksichtigender Umstand ist die Integration des Betroffenen in die deutschen Lebensverhältnisse (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 9. 9. 2003 – 1 C 6/03, NVwZ 2004, 487, 489). Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig – und dies gilt in besonderem Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird – ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belang trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen (vgl. OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.). Genauso können die sich für den Betroffenen ergebenden Unsicherheiten bei der Fortsetzung des Aufenthalts im Bundesgebiet und die Folgen der möglichen Rückkehr in das Herkunftsland zu berücksichtigen sein.
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b. Offen bleiben kann, ob Prämisse der Ermessensausübung der Antragsgegnerin die Annahme war, dass § 35 Abs. 1 StAG ein intendiertes Ermessen vorgibt und schon deswegen ein Ermessensfehler vorliegt. Darauf deuten einige Formulierungen in der Begründung des Bescheides hin. Die Antragsgegnerin formuliert auf S. 6 des Bescheides, die Maßnahme sei „Notwendigkeit dessen, dass eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, nicht Prämissen auf Missachtung ihrer selbst setzen darf (…)“. „Zu berücksichtigende schutzwürdige Interessen des Begünstigten, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten“, lägen nicht vor. Die Rücknahme bedeute „auch aus anderen Gründen keine außergewöhnliche Härte, die die Entscheidung zu Gunsten des Begünstigten beeinflussen könnte.“ Es entsteht der Eindruck, dass die Antragsgegnerin meint, die von ihr zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.
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c. Jedenfalls hat es die Antragsgegnerin versäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden – den konkreten Einzelfall prägenden – persönlichen schutzwürdigen Belange des Antragstellers in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. Den besonderen Lebensumständen des Antragstellers wird die Begründung der Antragsgegnerin nicht gerecht. So dürfte ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen sein, dass die Antragsgegnerin die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers (über zehn Jahre, davor Aufenthaltsgestattung/Duldungen) in der Bundesrepublik Deutschland nicht berücksichtigt hat. Diesen Umstand erwähnt die Antragsgegnerin auf S. 7 der Begründung des Bescheides lediglich in dem Kontext, dass auch zwischenzeitlich die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 StAG nicht vorlägen. Ebenso wenig verhält sie sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass der Antragsteller, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland lebt (auch seine Eltern und sein Bruder leben hier), das Gymnasium besucht, voraussichtlich in diesem Jahr sein Abitur absolvieren wird und somit bedeutende Integrationsleistungen erbracht hat. Zudem lässt die Antragsgegnerin die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Antragsteller außer Betracht. Die Antragsgegnerin weist zwar daraufhin, dass mit der Rücknahme der Einbürgerung zugleich die früher erteilte Aufenthaltserlaubnis erlischt und nicht rückwirkend auflebt, stellt diesen Umstand aber nicht als einen Belang, der gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechen könnte, in die Abwägung ein. Vielmehr deutet sie mit der Äußerung an, dass – wie auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers befürchtet –, dem Antragsteller nach Vollzug der Rücknahme der Einbürgerung nicht ohne Weiteres erneut eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden würde. Dass dem Antragsteller deshalb unter Umständen eine Abschiebung in sein Herkunftsland Afghanistan, dessen Staatsangehörigkeit er weiter besitzt, drohen könnte, und welche Folgen damit für den Antragsteller, der mit den dortigen Lebensverhältnissen nicht vertraut ist, verbunden wären, lässt die Antragsgegnerin außen vor.
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d. Das Gericht war nicht gehalten, der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren die Möglichkeit zu geben, gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen insoweit zu ergänzen und den Ermessensfehler zu heilen. Für eine Anwendung dieser Vorschrift dürfte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren kein Bedarf bestehen (vgl. VGH Wiesbaden, Beschl. v. 26.3.04 – 8 TG 721/04, juris Rn. 42; zweifelnd VG Chemnitz, Beschl. v. 29.1.1999 – 1 K 1996/96, NVwZ-RR 1998, 414). Für die Frage, ob ein der Behörde eingeräumtes Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist, ist nämlich nicht entscheidend auf den Erstbescheid, sondern maßgeblich auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung, also auf den hier noch nicht ergangenen Widerspruchsbescheid (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abzustellen. Soweit es im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache ankommt, sind indes die Chancen für die Heilung des Ermessensmangels zu berücksichtigen (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 114 Rn. 12e). Wie hier die Antragsgegnerin ihr Ermessen im Widerspruchsverfahren – auch vor dem Hintergrund womöglich zu leistender weiterer Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren – ausüben wird, kann das Gericht allerdings nicht antizipieren. Es ist jedenfalls nicht so, dass aufgrund besonderer Umstände des Falles ausgeschlossen ist, dass die Antragsgegnerin bei sachgemäßer Ausübung ihres Ermessens zu einem anderen Ergebnis als im Ausgangsbescheid kommen könnte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse und vor dem Hintergrund, dass die Unterstützungshandlungen des Antragstellers – mögen sie auch tatbestandsgemäß sein – im Vergleich zu anderen denkbaren Unterstützungshandlungen (z.B. aktive Mitarbeit in einer Organisation) weniger schwer wiegen.
- 44
4. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Verfügung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. An der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse, vielmehr steht das öffentliche Interesse einer Vollziehung entgegen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külp-mann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 967 m.w.N.; s.a. BVerwG, Beschl. v. 18.10.2005 – 6 VR 5/05, NVwZ 2006, 214, 215). Dass die Möglichkeit besteht, dass die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren ihr Ermessen ordnungsgemäß ausübt und damit den mit Blick auf die Verfügung vom 6. November 2015 bestehenden Ermessensfehler heilt, ändert hieran nichts (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 11). Es besteht auch keine Veranlassung für eine zeitliche Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 5 VwGO im Vorgriff auf einen möglichen rechtmäßigen Widerspruchsbescheid bis zu dessen Erlass (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 14). Die Antragsgegnerin kann nämlich, wenn durch den Erlass eines rechtmäßigen Widerspruchsbescheids erstmals ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts begründet wird, einen Antrag auf Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wegen veränderter Umstände nach § 80 Abs. 7 VwGO stellen.
II.
- 45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 42.1 Streitwertkatalog (abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, Anh § 164). In einem Hauptsachestreitverfahren wäre wegen der Bedeutung einer Einbürgerung der Streitwert in Höhe des doppelten Auffangstreitwertes festzusetzen. Dieser Betrag ist in Anbetracht der Vorläufigkeit dieses Verfahrens wiederum zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges).
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. November 2015 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. November 2015 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
- 2
Die Antragsgegnerin hat zwar die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in ihrer Verfügung vom 6. November 2015 entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend schriftlich begründet. Die im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmende vorläufige Interessenabwägung – zwischen dem persönlichen Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit und dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an der baldigen Wirkung der Rücknahme der Einbürgerung – fällt aber zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn nach einer – dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechenden – summarischen Prüfung (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 81; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 125, 152, 158) dürfte die genannte Verfügung, mit der nach § 35 Abs. 1 StAG die Einbürgerung des Antragstellers in den deutschen Staatsverband rückwirkend auf den 12. September 2014 zurückgenommen wurde, jedenfalls derzeit rechtswidrig sein. Zwar dürften die formellen (1.) und die materiellen (2.) Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Entscheidung ist aber ermessensfehlerhaft ergangen (3.). Das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt daher das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin (4.).
- 3
1. Die formellen Voraussetzungen für die Rücknahme der Einbürgerung vom 12. September 2014 waren erfüllt. Insbesondere erfolgte die Rücknahme, die am 9. November 2015 im Wege der Zustellung des Bescheides bekanntgegeben wurde, innerhalb der Fünf-Jahresfrist nach § 35 Abs. 3 StAG. Der Antragsteller war auch – mit Schreiben vom 6. Juli 2015 – zur beabsichtigten Rücknahme angehört worden.
- 4
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 StAG dürften ebenfalls vorliegen: Die Einbürgerung dürfte rechtswidrig gewesen sein (a.) und der Antragsteller dürfte sie durch arglistige Täuschung erwirkt haben (b.).
- 5
a. Die nach § 10 StAG vorgenommene (Anspruchs-)Einbürgerung des Antragstellers dürfte nach summarischer Prüfung rechtswidrig i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG gewesen sein. Zwar dürfte es nicht an einer der Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG fehlen (aa.). Der Einbürgerung dürfte aber das Einbürgerungsverbot des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben (bb.).
- 6
aa. Zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe am 12. September 2014 dürften sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG vorgelegen haben. Insbesondere dürfte es nicht an dem gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG erforderlichen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Erklärung zu etwaigen verfassungsfeindlichen oder extremistischen Aktivitäten (sog. Loyalitätserklärung) fehlen. Hierbei dürfte es sich bloß um eine formelle Einbürgerungsvoraussetzung handeln (vgl. zum Folgenden Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht – GK-StAR, Stand: Oktober 2014, § 10 StAG Rn. 134 ff., insbesondere Rn. 135 m.w.N. auch zur Gegenansicht und Rn. 136, 141 ff. mit entstehungsgeschichtlichen Argumenten; siehe ferner VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 41 ff.). Wenn bereits im Rahmen von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG von der Einbürgerungsbehörde zu prüfen und zu entscheiden wäre, ob das abgegebene Bekenntnis bzw. die Loyalitätserklärung inhaltlich zutreffend ist, würde § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG keine eigenständige Bedeutung haben. Dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG – über die Anforderungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG hinaus – eine verfassungsfreundliche Gesinnung als materielle Voraussetzung der Einbürgerung konstituiert, dürfte nicht nahe liegen. Jenseits innerer, nicht überprüfbarer mentaler Vorbehalte kann die Frage, ob ein Bekenntnis oder eine Loyalitätserklärung „wahrheitsgemäß“ ist, sinnvoll nur anhand tatsächlicher Anhaltspunkte geprüft und entschieden werden und zwar im Rahmen der Prüfung von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.
- 7
bb. Nach Aktenlage dürfte der Einbürgerung zum Zeitpunkt ihres Vollzuges am 12. September 2014 ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegengestanden haben. Gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung u.a. dann ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden. Die in dieser Vorschrift zum Einbürgerungsverbot zusammengefassten Voraussetzungen bezwecken, dass mit Blick auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG ein bloßes „Lippenbekenntnis“ nicht für die Einbürgerung ausreicht. Die Vorschrift bewirkt eine Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter weit in das Vorfeld konkreter Sicherheitsgefährdungen. Zweck der Bestimmung ist es, die Einbürgerung etwa von radikalen Islamisten auch dann verhindern zu können, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können, aber zumindest der begründete Verdacht besteht, dass Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützt werden, die für den deutschen Staat wesentlich sind (vgl. BT-Drs. 14/533, S. 18 f. zur gleich lautenden Vorgängerregelung des bis zum 31.12.2004 geltenden § 86 Nr. 2 AuslG; BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 15).
- 8
Bei summarischer Prüfung dürften zumindest im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vorgebrachten Anknüpfungstatsachen und vor dem Hintergrund der herabgesetzten Anforderungen an ihren Nachweis tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen (1) unterstützt (2) hat.
- 9
(1) Bei den Bestrebungen, mit denen sich der Antragsteller beschäftigt haben soll, handelt es sich um verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) BVerfSchG solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist, einen der in § 4 Abs. 2 BVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Der Nachweis, dass eine Organisation derartige Ziele verfolgt, hat als geführt zu gelten, wenn und sobald sie vereinsrechtlich verboten worden ist (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 71). Dies ist mit Blick auf die jihadistisch-salafistische Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) der Fall. Mit Verfügung vom 12. September 2014 hat der Bundesminister des Innern die Betätigung des IS verboten (vgl. auch VG Augsburg, Urt. v. 21.4.2015 – 1 K 14.1546, juris Rn. 36 zur terroristischen Betätigung des IS gemäß § 54 Nr. 5 AufenthG a.F.). Der IS verfolgt zudem Bestrebungen, die durch die Anwendung von Gewalt auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Derartige Bestrebungen liegen bereits dann vor, wenn eine Organisation zwar nicht im Bundesgebiet Gewalt anwendet, wohl aber im Herkunftsland – wie hier in Syrien und im Irak – gewaltförmig agiert. Zu den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik Deutschland gehört das Bestreben, Gewaltanwendung jedenfalls außerhalb von staatlich getragenen bewaffneten Interventionen nach Maßgabe der UN-Charta als Mittel der Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Interessen und Ziele umfassend zu bannen (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 30.9.2004 – 10 K 6189/03, juris Rn. 30). Aufgrund der Aufrufe des IS an seine Unterstützer, im westlichen Ausland Anschläge zu begehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 26 f., 32; siehe auch die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris, zu denen sich der IS bekannte), verfolgt der IS gleichzeitig Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.
- 10
Der jihadistische Salafismus stellt auch im Übrigen eine Bestrebung dar, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist (vgl. VG Aachen, Urt. v. 19.11.2015 – 5 K 480/14, juris Rn. 72; VG Minden, Urt. v. 27.10.2015 – 8 K 1220/15, juris Rn. 27 ff.). Der Salafismus verfolgt das Ziel, Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als „gottgewollte" Ordnung angesehen und propagiert wird, umzugestalten und befürwortet dabei die Anwendung von Gewalt (entgegen § 4 Abs. 2 lit. f] BVerfSchG: Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft). Für Salafisten ist Allah der einzige Souverän und die Scharia das von ihm offenbarte – und damit einzig legitime – Gesetz (entgegen § 4 Abs. 2 lit. b] BVerfSchG: Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht). Demokratie ist in ihren Augen eine falsche „Religion". Gesetze können der salafistischen Ideologie zufolge nur von Gott kommen (Prinzip der göttlichen Souveränität) und niemals vom Volk. Die Volkssouveränität als wesentliches Element der Demokratie westlicher Prägung (vgl. § 4 Abs. 2 lit. a] und lit. d] BVerfSchG) ist demnach unvereinbar mit dem religiös argumentierenden Salafismus. Die salafistische Ideologie widerspricht in wesentlichen Punkten (Gesellschaftsbild, politisches Ordnungssystem, Gleichberechtigung, individuelle Freiheit) den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (vgl. zum Vorstehenden Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 40 f.; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 137 f.). Auch weitere von dem Antragsteller vermeintlich bei Facebook mit einem „Like“ versehene Organisationen verfolgen derartige Bestrebungen: Bei der „al-Nusra-Front“ handelt es sich um einen Ableger der Terrororganisation al-Qaida (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 33 f.). Die in Nigeria äußerst brutal agierende Organisation „Boko Haram“ legte im März 2015 ihren Treueeid auf den selbsternannten IS-Kalifen Baghdadi ab (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 36). Die Hamburger „Dawa“(= Missionierung)-Gruppen werden ebenso wie die Gruppen „Lies! Hamburg“ und „Jesus im Islam“ aufgrund ihrer Nähe zur salafistischen Szene vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet (vgl. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 43 ff.).
- 11
(2) Aufgrund der summarischen Prüfung und Würdigung der in den vorliegenden Akten enthaltenen Feststellungen kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ungeachtet verschiedener Zweifel in tatsächlicher Hinsicht vieles dafür spricht, dass der Antragsteller bereits im Zeitraum vor der Einbürgerung derartige Bestrebungen unterstützt hat.
- 12
Ausgehend vom obengenannten Zweck der Bestimmung, einer Vorverlagerung des Schutzes der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Schutzgüter, ist eine Unterstützung jede eigene Handlung, die für Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d.h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24/08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18; OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64; vgl. auch VGH München, Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01 1805, juris Rn. 32 zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F.). Dazu zählt jedes Tätigwerden auch eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 6.12.2005 – 3 Bf 172/04, juris Rn. 64). Als Unterstützungshandlungen gelten etwa die öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung von Bestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; Urt. v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805, juris Rn. 32; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 96.2). Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an, weil schon die Erhöhung des Gefährdungspotentials dieser Bestrebungen verhindert werden soll (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 5.12.2007 – 1 K 1851/06, juris Rn. 20). Die Handlung muss dem Betroffenen nicht subjektiv vorwerfbar sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.4.2008 – 5 N 19.06, juris Rn. 9; VGH Mannheim, Urt. v. 10.11.2005 – 12 S 1696/05, juris Rn. 26). Daher ist auch unerheblich, ob die maßgeblichen Handlungen strafrechtlich relevant sind (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 65). Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.2009 – 5 C 24.08, juris Rn. 16; Urt. v. 22.2.2007 – 5 C 20/05, juris Rn. 18).
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Das Vorliegen einer Unterstützungshandlung muss nicht mit dem üblichen Grad der Gewissheit festgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist vielmehr ein tatsachengestützter hinreichender Verdacht (vgl. VGH München, Urt. v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449, juris Rn. 48; GK-StAR, § 11 StAG Rn. 66 f.). Allgemeine Verdachtsmomente, die nicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestützt sind, genügen nicht. Die Annahme darf nicht „aus der Luft" gegriffen bzw. willkürlich sein. Tatsächliche Anhaltspunkte, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen, sind konkrete auf den Einbürgerungsbewerber bezogene Umstände, die von der Einbürgerungsbehörde dargelegt und einer Beweisführung zugänglich gemacht werden müssen.
- 14
Für die Rücknahme unbeachtlich sind dabei Aktivitäten, die der Eingebürgerte erst nach Vollzug der Einbürgerung aufnimmt. Sie indizieren ohne Hinzutreten weiterer, dann aber selbständig zu beurteilender Umstände wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit eines Sinneswandels auch nicht, dass der Eingebürgerte weitere (nicht bekannte) Aktivitäten bereits vor der Einbürgerung entfaltet hat (vgl. GK-StAR, § 10 StAG Rn. 155). Ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Eingebürgerte erst (und nur) nach Vollzug der Einbürgerung verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützt hat, ist die Einbürgerung rechtmäßig. Die Rücknahme gemäß § 35 StAG scheidet dann aus. Der Widerruf einer rechtmäßigen Einbürgerung ist vor dem Hintergrund von Art. 16 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Insoweit ist vorliegend zu unterscheiden zwischen Aktivitäten, die vor dem Zeitpunkt des Einbürgerungsvollzugs – hier dem 12. September 2014 – und solchen, die erst danach entfaltet wurden. Der weitestgehend pauschale Verweis der Antragsgegnerin auf die Klageerwiderung in dem parallel anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren 19 K 3103/15, in dem sich der Antragsteller u.a. gegen die Entziehung seines Passes wendet, ist deshalb nicht zielführend. Im Rahmen der §§ 7, 8 PassG kommt es anders als im Rahmen von § 35 StAG darauf an, ob im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung (bzw. im Klageverfahren im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Betroffene die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Bei der Passentziehung handelt es sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. § 35 StAG ermöglicht hingegen die Rücknahme erschlichener oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkter Einbürgerungen und die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände (vgl. eingehend BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04, juris).
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Gemessen an diesen Maßstäben liegen Anknüpfungstatsachen für Unterstützungshandlungen im obigen Sinn vor. Hierzu im Einzelnen:
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(a) Der Umstand, dass der Antragsteller dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) seit Ende 2014 in Zusammenhang mit einer im Internet aktiven Dawah-Gruppe mit Bezug zum IS bekannt gewesen ist, wie es im Bescheid zur Passentziehung heißt, ist zwar kein relevanter Anknüpfungspunkt, denn nähere Angaben dazu, inwiefern der Antragsteller diese Gruppe unterstützt hat, liegen nicht vor.
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(b) Auch eine von der Antragsgegnerin behauptete Ausreisebereitschaft des Antragstellers nach Syrien – um sich dort dem IS anzuschließen – dürfte als Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Unterstützungshandlung nicht ausreichen. Die Ausreisebereitschaft wird von der Antragsgegnerin ausschließlich auf die Aussage einer Frau H gestützt, mit der der Antragsteller über verschiedene Kommunikationsplattformen im Internet Kontakt gehabt haben soll. Nach Angaben des LKA Baden-Württemberg sei Frau H selbst Sympathisantin des IS. Im Telefonbuch ihres Mobiltelefons wurde eine Nummer gefunden, die dem Antragsteller zuzuordnen ist. Frau H konnte in ihrer Zeugenbefragung teilweise zutreffende Angaben über den Antragsteller machen (Alter, Wohnort, Aussehen, Herkunft). Es erscheint danach durchaus plausibel, dass sie Kontakt zu dem Antragsteller hatte und er ihr gegenüber geäußert hat, nach Syrien reisen zu wollen, obwohl der IS „schlecht“ sei. Während sich in der Akte des LKA Baden-Württemberg von anderen Chats, die Frau H mit Sympathisanten des IS geführt haben soll, Screenshots finden, ist dies für den vermeintlichen Chat mit dem Antragsteller jedoch nicht der Fall. Es ist auch nicht klar, ob Frau H die Äußerung in einem WhatsApp-Chat, über ask.fm oder über ein anderes Portal oder einen anderen Kommunikationsweg getätigt hat. Aus der Akte des LKA Baden-Württemberg zur Befragung von Frau H am 19. Dezember 2014 ergibt sich zudem nicht, wann (vor oder nach Vollzug der Einbürgerung) das entsprechende Gespräch stattgefunden haben soll. In einem Gesprächsvermerk des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) heißt es, dass die Äußerung im Dezember 2014 und damit nach Vollzug der Einbürgerung erfolgte. Die in der Akte des LKA Baden-Württemberg dokumentierte Aussage dürfte für sich genommen – insbesondere auch wegen ihrer inhaltlichen Widersprüchlichkeit – daher nicht als Anhaltspunkt reichen. Der Sachverhalt wäre ggf. in einem Hauptsacheverfahren durch Vernehmung der Frau H als Zeugin aufzuklären.
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(c) Bei der Gewahrsamnahme des Antragstellers am 10. Oktober 2014 handelt es sich um einen Vorgang, der nach dem Vollzug der Einbürgerung stattfand und damit isoliert betrachtet nicht herangezogen werden kann. Im Übrigen bestehen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller im Oktober 2014 an den gewaltsamen Ausschreitungen zwischen kurdischen Volkszugehörigen und Angehörigen der islamistischen Szene in St. Georg beteiligt hat. Die Ausschreitungen fanden am 7. und 8. Oktober 2014 statt. Der Antragsteller wurde laut Polizeibericht am 10. Oktober 2014 vor der Moschee „M“ nach Beendigung des dortigen Freitagsgebetes „als Teil einer relevanten Personengruppe festgestellt“ und aufgrund einer bei ihm aufgefundenen Sturmhaube in Gewahrsam genommen, weil befürchtet wurde, dass er „bei weiteren Zusammenrottungen seine Identität durch das Tragen der Sturmhaube verschleiern will“. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der Antragsteller ein konkretes Verhalten beabsichtigt haben könnte, das den o.g. Bestrebungen förderlich gewesen wäre. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es am 10. Oktober 2014 überhaupt zu Ausschreitungen – wie am 7. und 8. Oktober 2014 – gekommen ist oder kommen sollte (vgl. auch Lageinformation aktuelle Entwicklung Kurden vs. IS, Gerichtsakte 19 K 3103/15, Bl. 108 ff.). Die Personenkontrollen am 10. Oktober 2014 hat die Polizei offenbar unter dem Eindruck der Geschehnisse vom 7. und 8. Oktober 2014 durchgeführt. Die bloße Anwesenheit des Antragstellers vor einer Moschee in einem Gebiet, in dem es Tage zuvor zu Ausschreitungen gekommen ist, dürfte für sich genommen keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für eine Unterstützungshandlung darstellen. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass bei dem Antragsteller eine Sturmhaube gefunden wurde. Im Eilverfahren 19 E 3104/15 hatte der Antragsteller vorgetragen, dass es sich bei der angeblichen Sturmhaube um einen Gesichtsschutz handele, den er beim Kart fahren kurz vor der Gewahrsamnahme getragen habe. Auch der weitere Vortrag des Antragstellers, er habe den Imbiss seines Vaters besuchen wollen, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Dieser ist nur wenige hundert Meter von der Moschee entfernt. Eine Berücksichtigung der Gewahrsamnahme wäre nur im Rahmen einer Gesamtschau mit Blick auf die vom Antragsteller gegenüber den Polizisten getätigten Äußerungen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) möglich, soweit es um die Konversion des Antragstellers zum Islam geht (siehe dazu unten).
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(d) Tatsächliche Anhaltspunkte für Unterstützungshandlungen des Antragstellers für verfassungsfeindliche bzw. extremistische Bestrebungen dürften sich aber aus dessen Aktivitäten im Internet ergeben.
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Es spricht aufgrund der Stellungnahme des LfV vom 4. September 2015 vieles dafür, dass das Profil „A R“ dem Antragsteller zuzuordnen ist. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass jemand aus dem Bekannten- oder Freundeskreis des Antragstellers die Profile bei Facebook und ask.fm eingerichtet hatte. Das LfV hat aber herausgearbeitet, dass der Name „A R“ auch von einem Profil auf der Plattform ask.fm benutzt worden ist, bei dem ein Foto des Antragstellers als Profilbild sichtbar war. Laut eines Gesprächsvermerks des LfV (Beleg 5 zur Stellungnahme vom 4.9.2015) haben zudem der Vater und der Onkel des Antragstellers geäußert, dass die problematischen Inhalte auf der Facebook-Seite „nur aus Spaß im Rahmen seiner letzten Geburtstagsfeier hochgeladen worden“ seien, was als weiteres Indiz dafür herangezogen werden kann, dass das Profil tatsächlich dem Antragsteller zuzuordnen ist. Zudem wurden sämtliche Facebook-Profile gelöscht, nachdem der LfV den Vater und den Onkel des Antragstellers Ende Januar 2015 mit den problematischen Inhalten konfrontiert hatte. Gleichwohl besteht über die Zuordnung des Profils „A R“ nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand keine Gewissheit.
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Das Facebook-Profil „A R“ weist eine Vielzahl an Einträgen und Bildern sowie „Likes“ für solche Einträge und Bilder auf, die gewaltverherrlichend die Kämpfer des IS glorifizieren und den bewaffneten Jihad als Pflicht jedes gläubigen Muslims darstellen. Unter anderem wurde am 25. Oktober 2014 als Profilbild das Bild eines bewaffneten Jihadisten veröffentlicht, der vor einer schwarzen Flagge mit arabischen Schriftzeichen (womöglich der Flagge des IS) und Flammen steht. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich der Antragsteller selbst als eine Art „Glaubenskrieger“ ansieht. Am 23. Oktober 2014 wurde ein Bild eingestellt, das eine neue Form der Evolution suggeriert, die beim Kleinkind beginnt und in der Zuwendung zum Glauben mündet, zum „Glaubenskrieger“ führt und ihr Finale im Märtyrertum (symbolisiert durch einen grünen Vogel) findet. Es finden sich „Likes“ für Einträge von Personen, die nach Syrien gereist sind, um sich dort dem IS anzuschließen, z.B. für einen Eintrag von M B vom 20. Januar 2015, in dem dieser in Syrien gefallene „Märtyrer“ würdigt und „Likes“ für Bilder, mit denen Siege von „Glaubenskriegern“ in Syrien gefeiert werden. Es findet sich weiter ein „Like“ für den IS-Propaganda-Film „The Flames of War“, der massive Gewaltdarstellungen enthält. Weiter finden sich „Likes“ für die Organisationen „Lies! Hamburg“, „Hamburg Dawah Movement“, „Boko Haram“, „al-Nusra-Front“, „Jesus im Islam Hamburg“ sowie sonstige Inhalte mit Bezug zum Islam.
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Der Unterstützungsbegriff des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG dürfte derartige Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter als öffentliche Befürwortung von verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen umfassen. Diese Art von Sympathiewerbung, bei der der allgemeinen Verurteilung der Gräueltaten des IS das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegensetzt wird, dürfte sich positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS auswirken. Durch das Veröffentlichen von entsprechenden Inhalten in sozialen Netzwerken nimmt das radikale Gedankengut an Verbreitung zu. Der Veröffentlichende betätigt sich damit als Teil der Propagandamaschinerie der verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen. Dies dürfte nicht nur für eigene Einträge, sondern auch für „Likes“ gelten. Einträge, die mit einem „Like“ versehen werden, sind danach auf der Facebook-Seite desjenigen sichtbar, der den Eintrag „geliked“ hat. Die Möglichkeit der jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, weitere Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen bzw. „Kämpfer“ anzuwerben, erhöht sich. Die potentielle Gefährlichkeit des jihadistischen Salafismus wird dadurch gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt, denn die Radikalisierung potentieller „Glaubenskrieger“ verläuft oftmals über das Internet. Hierzu heißt es im Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014, S. 34 f.:
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„2014 stand die salafistische Szene im Mittelpunkt der Beobachtung des Hamburger Verfassungsschutzes. Die Zahl der Salafisten, die den bewaffneten Jihad (Heiliger Krieg) befürworten stieg um mehr als das Dreifache von 70 auf 240 an. Zusammen mit den in Hamburg aktiven politischen Salafisten beträgt das salafistische Gesamtpotenzial mittlerweile rund 400 Personen (2013: 240). Der Anstieg insbesondere der jihadistisch orientierten Salafisten ist sowohl auf eine verbesserte Einblickstiefe des Verfassungsschutzes nach einer weiteren Schwerpunktsetzung seit Sommer 2014 als auch auf eine schnell zunehmende Radikalisierung speziell jüngerer Erwachsener zurückzuführen.
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Eine entscheidende Rolle bei der Radikalisierung kommt den Ereignissen in den Krisenregionen Syrien und Irak zu, medial transportiert über soziale Netzwerke. Insbesondere junge Menschen, die auf der Suche nach Vorbildern sind und die zum Beispiel in Familien ohne Vater aufwachsen, ohne Integration in ihr soziales Umfeld sind und Brüche in ihrer Biografie haben, möglicherweise auch Probleme in der Schule, bei der Ausbildung oder der Arbeitsstelle, lassen sich für die militärischen Erfolge des „Islamischen Staates“ (IS) begeistern und haben der jihadistischen Szene einen Zulauf verschafft.
(….)
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Diese rasante Steigerung ist auch auf die erfolgreichen Propagandastrategien der Salafisten zurückzuführen, mit denen sie in professioneller Weise für ihre Ziele werben. Vor allem über das Internet werden die salafistischen Ideologieinhalte in Form von Webseiten und Videosequenzen transportiert. Als weitere Aktionsformen werden im Rahmen der „Straßenmission“ unter anderem Infotische auf öffentlichen Plätzen und Vortragsveranstaltungen durchgeführt. Gerade für junge Menschen stellen diese Propagandastrategien die ersten Berührungspunkte zum Salafismus dar.“
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Nach Angaben des LfV soll der Antragsteller über das Profil „A R“ zudem schwerpunktmäßig mit Personen befreundet sein, die der jihadistisch-salafistischen Szene in Hamburg zugeordnet werden können. Persönliche Kontakte oder Freundschaften des Betroffenen mit Personen, die sicherheitsgefährdende Aktivitäten entfalten, können tatsächliche Anhaltspunkte i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bilden. Erforderlich ist aber, dass die Freundschaft gerade auf einer Übereinstimmung der politisch-gesellschaftlichen Anschauungen beruht und der Betroffene mit der Einstellung des Freundes/der Kontaktperson sympathisiert und diese gutheißt (vgl. VG Darmstadt, Urt. v. 17.6.2010 – 5 K 1466/09, juris Rn. 21). Ob dies hier der Fall ist, kann vom Gericht derzeit nicht abschließend bewertet werden, da sich weitergehende Erkenntnisse über die einzelnen Personen nicht in den Stellungnahmen des LfV befinden. Auffällig ist aber, dass es sich bei den Kontakten offenbar – zumindest teilweise – nicht nur um bloße Internetbekanntschaften handelt. Einige der Facebook-Freunde, die vom LfV der jihadistisch-salafistischen Szene zugerechnet werden, gehören auch nach Angaben der Familie des Antragstellers zu seinen besten Freunden (und wohnen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft).
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Diese Handlungen dürften auch gegen den Antragsteller verwendet werden können. Zwar sind nach Angaben des LfV die Facebook-Aktivitäten vor allem bei der Auswertung des Facebook-Profils (erst) am 26. Januar 2015 festgestellt worden. Viele der veröffentlichten Beiträge stammen aus der Zeit nach Vollzug der Einbürgerung am 12. September 2014. Auch soweit vor dem 12. September 2014 veröffentlichte Beiträge mit einem „Like“ versehen worden sind, ist nicht auszuschließen, dass dies erst zu einem späteren Zeitpunkt geschehen ist. In den meisten Fällen ist den vom LfV gefertigten Ausdrucken das Datum des „Like“ nicht zu entnehmen. Dasselbe gilt überwiegend für den Zeitpunkt der Aufnahme der Freundschaften zu vermeintlichen Mitgliedern der jihadistisch-salafistischen Szene. Unklarheiten in Bezug auf den Zeitpunkt einer Unterstützungshandlung dürften zu Lasten der Antragsgegnerin gehen.
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Folgende Inhalte stammen aber ohne Zweifel aus einem Zeitraum vor dem Vollzug der Einbürgerung:
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Zunächst finden sich diverse Inhalte, die Sympathien für den muslimischen Glauben zum Ausdruck bringen, wie z.B. die Veröffentlichung eines Profilfotos am 3. April 2014 mit der Inschrift „Ich bezeuge, dass niemand mit Recht angebetet wird außer Allah und dass Muhammad Sallallamu Alleihi wa Sallam der Gesandte Allahs ist“, eines Profilfotos am 11. Juni und 21. August 2013 mit der Inschrift „Ich bin ein Muslim, der Islam ist perfekt, ich bin es nicht. Wenn ich einen Fehler mache, so gib mir die Schuld, nicht dem Islam…“ und eines Profilfotos am 27. Juni 2013 mit der Inschrift „La ilaha illa Allah“. Diese Beiträge deuten als solche nicht auf Unterstützungshandlungen hin. Der Umstand, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert sein könnte, dürfte aber im Rahmen einer Gesamtschau als Indiz einzubeziehen sein (siehe dazu unten).
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Mit einigen Facebook-Freunden ist „A R“ bereits seit 2013 befreundet. Inwieweit einzelne dieser Personen der jihadistisch-salafistischen Szene zugeordnet werden können, wäre in einem Hauptsacheverfahren näher zu untersuchen. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen, dass im Freundesbereich des Profils Überschneidungen mit dem Klarnamenprofil des Antragstellers bestehen (teilweise ebenfalls seit 2013) und auch diese Personen laut LfV der jihadistisch-salafistischen Szene angehören sollen.
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Im Juni 2013 wurden die Facebook-Seiten „PierreVogel.de“ und „Al-Haqq News“ mit einem „Like“ versehen. Pierre Vogel ist ein deutscher salafistischer Prediger, der vom evangelischen Christentum zum sunnitischen Islam konvertiert ist (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundes 2013, S. 225; Verfassungsschutzbericht Hamburg 2013, S. 31; s.a. Wikipedia-Eintrag „Pierre Vogel“, Abruf v. 19.2.2016). Er war Mitglied des inzwischen aufgelösten salafistischen Vereins „Einladung zum Paradies“ (kurz EZP), der vom Verfassungsschutz beobachtet wurde (vgl. Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2014, S. 139). Bei „Al Haqq“ dürfte es sich um „Asa’ib Ahl al-Haqq“ handeln, eine paramilitärisch geführte, schiitische Extremistengruppe im Irak und Syrien (vgl. http://www.theguar-dian.com/world/2014/mar/12/iraq-battle-dead-valley-peace-syria; s.a. Wikipedia-Eintrag „Asa’ib Ahl al-Haqq“, Abruf jeweils v. 19.2.2016).
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Auf einem am 24. August 2014 eingestellten Profilbild, das mit „A R al Indi“ (der Zusatz „al Indi“ könnte auf die indischen Wurzeln der Familie des Antragstellers hindeuten) überschrieben ist, wird ein muskulöser Mann in schwarzer Kleidung, mit schwarzem Bart und dunkler Sonnenbrille dargestellt. Es soll sich wohl um eine Art „Glaubenskrieger“ handeln. Gewissermaßen hinter oder auf der linken Schulter des Mannes ist ein schwarzes Banner zu erkennen. Das schwarze Banner ist eine Flagge, die von vielen islamistischen Terrororganisationen wie al-Qaida sowie dem IS benutzt wird (vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/kobane-islamischer-staat-macht-angst-mit-schwarzer -flagge-a-995797.html.; s.a. Wikipedia-Eintrag „Schwarzes Banner“, Abruf jeweils v. 19.2.2016). Auf dem Gürtel des Mannes befinden sich zwei gekreuzte Säbel. Die Säbel gelten als ein Symbol des Islam und als Erkennungszeichen islamischer Kämpfer (vgl. Wikipedia-Eintrag „Scimitar“ – Synonym für Säbel –, Abruf v. 19.2.2016). Mit der Darstellung des portraitierten Mannes als nahezu übernatürlich stark wird suggeriert, dass man als „Glaubenskrieger“ so sei – womöglich gar zu neuer Stärke finde, wenn man für den IS kämpfe. Ein derartiges Bild kann andere junge Männer, die auf der Suche nach Orientierung im Leben sind, beeinflussen und sie dazu bringen, sich einer radikalen islamistischen Gruppierung wie dem IS anzuschließen (s.o. Verfassungsschutzbericht Hamburg 2014 zur von islamistischer Propaganda in sozialen Netzwerken im Internet ausgehenden Gefahr).
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Die ohne Zweifel vor dem Vollzug der Einbürgerung veröffentlichten Inhalte und „Likes“ dürften bereits für die Bejahung von relevanten Unterstützungshandlungen genügen. Die Anhaltspunkte gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG müssen nach Art und Gewicht geeignet sein, eine dauernde Identifikation des Betroffenen mit den verfassungsfeindlichen oder extremistischen Bestrebungen zu indizieren (vgl. GK-StAR, § 11 StAG Rn. 98). Dieses Mindestmaß an Nachhaltigkeit dürfte mit Blick auf die vor dem 12. September 2014 veröffentlichten Inhalte und „Likes“ erfüllt sein. Zwischen den „Likes“ für „PierreVogel.de“ und „Al Haqq“ im Juni 2013 und der Veröffentlichung des Profilbildes im August 2014 ist mehr als ein Jahr vergangen. Letzteres Bild ist – wie dargelegt – eindeutig dahingehend zu interpretieren, dass sich der Veröffentlichende mit radikalen islamistischen Gruppierungen wie dem IS identifiziert.
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Selbst wenn man diese einzelnen Anhaltspunkte für sich genommen nicht ausreichen ließe, genügt es aber jedenfalls, dass die Gesamtschau aller vorhandenen Anhaltspunkte die Annahme der Unterstützung verfassungsfeindlicher und extremistischer Bestrebungen rechtfertigt (vgl. VG Köln, Urt. v. 13.4.2011 – 10 K 201/10, juris Rn. 32). Insoweit darf im Rahmen einer Gesamtschau auf die sonstigen Einträge, „Likes“ und Kontakte des Antragstellers bei Facebook wohl ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung zurückgegriffen werden. Mit dem Verbot der Heranziehung verfassungsfeindlicher und extremistischer Unterstützungshandlungen, die erst nach Vollzug der Einbürgerung vorgenommen werden, soll der Gefahr begegnet werden, dass eine Einbürgerung zurückgenommen wird, obwohl sich der Betroffene erst nach seiner Einbürgerung aufgrund eines Sinneswandels radikalisiert. Zeigt sich bei Betrachtung von Aktivitäten vor der Einbürgerung und danach hingegen – wie vorliegend – eine gewisse Konstanz, besteht diese Gefahr nicht. Die späteren Aktivitäten zeigen nur, dass der Antragsteller auch nach dem Vollzug seiner Einbürgerung in seinem radikalen Gedankengut verhaftet gewesen sein dürfte.
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Ähnlich zu beurteilen sind insoweit die Auszüge aus dem ask.fm-Profil von „A R“. Dass das Profil dem Antragsteller zuzuordnen ist, hat der LfV plausibel dargelegt, ohne dass der Nachweis zum gegenwärtigen Zeitpunkt als geführt gilt. Folgende Indizien sprechen aber dafür: Der Profilinhaber gibt an, dass er aus Indien komme (die Familie des Antragstellers hat nach eigenen Angaben indische Wurzeln) und „sehr nah dran“ an zwei benannten Personen wohne, die tatsächlich in der Nachbarschaft des Antragstellers wohnten. Zudem besuche er eine Moschee am Hauptbahnhof (tatsächlich wurde er am 10. Oktober 2014 vor einer Moschee in der Nähe des Hauptbahnhofes angetroffen, siehe oben). Auf dem Gruppenbild der ask.fm-Gruppe „I f D“, in der sich nach Angaben des LfV Profile jihadistischer Salafisten zusammengeschlossen hatten, findet sich ein Bild des Antragstellers mit dem Namenszug „A R“. Die Einträge auf dem Profil dürften teilweise von ca. Anfang September 2014 (vgl. Ausdruck vom 1.10.2014) stammen. Inhaltlich befassen sich die Einträge im Wesentlichen mit allgemeinen Fragen zum Islam und der Auslegung des Korans.
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(e) Weiter liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller zum Islam konvertiert ist. Damit wird das Argument des Antragstellers, er sei Hindu und unterstütze schon deswegen keine jihadistisch-salafistischen Bestrebungen, entkräftet. Derartige Anhaltspunkte ergeben sich unabhängig von den vermeintlichen Internetaktivitäten des Antragstellers. Im Verfahren 19 E 3104/15 hatte der Schulleiter des von dem Antragsteller besuchten Gymnasiums eine E-Mail vorgelegt, in der der Antragsteller und ein Schulkollege darum bitten, an Freitagen den Unterricht früher verlassen zu dürfen, um am Gebet in einer Moschee teilnehmen zu dürfen. An der Aussagekraft der E-Mail bestehen aber Zweifel, da der Schulkollege später eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, wonach es bei der Freistellung nur um ihn und nicht um den Antragsteller gegangen sei. Der Antragsteller sei gläubiger Hindu und nicht zum Islam konvertiert. Die Eltern des Antragstellers sind nach eigenen Angaben Hindus. Der Vater und der Onkel haben geäußert, von einer Konversion des Antragstellers nichts bemerkt zu haben. Auf der anderen Seite haben sie im Rahmen einer Befragung anlässlich der Konfrontation mit möglichen Plänen des Antragstellers, nach Syrien auszureisen, angegeben, der Reisepass des Antragstellers sei vorsorglich aufgrund „eines unguten Gefühls“ in einem Bankschließfach deponiert worden und bei dem Antragsteller könne nicht ausgeschlossen werden, dass er sich „den falschen Freunden“ angeschlossen habe. Der Sachverhalt bedürfte insoweit weiterer Aufklärung in einem Hauptsacheverfahren. Könnte dem Antragsteller nachgewiesen werden, dass er zum Islam konvertiert ist, würde dieser Umstand – auch in Verbindung mit den wohl anlässlich seiner Gewahrsamnahme vor der Moschee am 10. Oktober 2014 getätigten Aussagen (Erkundigung nach Uhrzeit und Himmelsrichtung zur Orientierung Richtung Mekka) – den Verdacht erhärten, dass die Einträge auf dem Facebook- und dem ask.fm-Profil tatsächlich von ihm stammen und der Unterstützung jihadistisch-salafistischer Bestrebungen dienen sollten.
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b. Soweit die Einbürgerung danach rechtswidrig ist, ist sie auch durch arglistige Täuschung i.S.v. § 35 Abs. 1 StAG erwirkt worden. Als arglistige Täuschung wird bereits die wahrheitswidrige Beantwortung einer an den Einbürgerungsbewerber gestellten Frage angesehen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 41). In seiner Befragung zum Einbürgerungsantrag vom 14. April 2014 hat der Antragsteller sämtliche Fragen, die darauf abzielten festzustellen, ob er verfassungsfeindliche oder extremistische Bestrebungen unterstützt hat, mit „nein“ angekreuzt. Zugleich hat er eine entsprechende Loyalitätserklärung abgegeben. Wenn er die Unterstützungshandlungen erst nach Abgabe der Erklärung, aber noch vor Vollzug der Einbürgerung aufgenommen haben sollte, hätte er die Antragsgegnerin darüber aufklären müssen. Für die Begehungsform der arglistigen Täuschung in der Alternative des Verschweigens von Tatsachen reicht es, dass der Betreffende Tatsachen verschweigt und dabei weiß oder in Kauf nimmt, dass diese verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Behörde erheblich sind oder sein können (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 3.12.2012 – 11 K 1038/12, Rn. 42 f.). Zudem hat der Antragsteller bei Entgegennahme der Einbürgerungsurkunde am 12. September 2014 die Erklärung unterschrieben, dass sich keine Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse ergeben hätten, die der Einbürgerung entgegenstehen könnten. In der Niederschrift über die Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 12. September 2014 hat der Antragsteller u.a. die Erklärung unterschrieben, dass er sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekenne.
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Der Antragsteller dürfte seine Einbürgerung durch die Falschbeantwortung der Fragen bzw. das Verschweigen dieser Umstände auch arglistig erwirkt haben. Es dürfte für den Antragsteller aus Laiensicht völlig klar gewesen sein, dass seine Einbürgerung ausgeschlossen gewesen wäre, wenn der Antragsgegnerin die Umstände, aus denen sich der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ergeben hätte, offenbar geworden wären.
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3. Obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme gemäß § 35 Abs. 1 StAG vorliegen dürften, dürfte der Bescheid aber jedenfalls derzeit ermessensfehlerhaft i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO sein und wäre zumindest von daher aufzuheben. § 35 Abs. 1 StAG stellt die Entscheidung der Behörde in ihr Ermessen, ohne dass eine bestimmte Entscheidung intendiert ist (a.). Ob die Antragsgegnerin dementgegen von einem intendierten Ermessen ausgegangen ist und bereits deswegen ein Ermessensfehler vorliegt, kann dahinstehen (b.). Denn jedenfalls hat sie ihr Ermessen auch im Übrigen nicht ordnungsgemäß ausgeübt (c.). Das Gericht war weder gehalten, der Antragsgegnerin im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Möglichkeit einzuräumen, ihre Ermessenserwägungen zu ergänzen, noch dazu in der Lage, zu antizipieren, ob die Antragsgegnerin den Ermessensfehler im Widerspruchsverfahren heilen wird (d.).
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a. Die Rücknahmeentscheidung ergeht gemäß § 35 Abs. 1 StAG nach freiem Ermessen. Die Ermessensausübung ist durch das Gesetz nicht dahin intendiert, dass von einem Erlass nur ausnahmsweise dann abgesehen werden darf, wenn besondere, berücksichtigungsfähige und gewichtige Gründe dies rechtfertigen. Für die Auffassung, dass etwa nur eine den Fällen des § 8 Abs. 2 StAG vergleichbare Härte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen kann, bietet das StAG keine Grundlage (vgl. ausführlich OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 657 f.; VG Wiesbaden, Urt. v. 15.6.2015 – 6 K 168/15, NVwZ-RR 2015, 915, 916). Auch wenn dem Begünstigten „Vertrauensschutz“ aufgrund arglistiger Täuschung zu versagen sein sollte, würde dies nicht zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf „Null“ führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1978 – 3 C 18.77, BVerwGE 57, 1, 4 Rn. 133). Die Behörde hat im Rahmen ihrer Ermessensausübung die nach Lage der Dinge maßgeblichen privaten Belange und die öffentlichen Belange gegeneinander abzuwägen (vgl. GK-StAR, § 35 StAG Rn. 108 f.; s.a. Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 35 StAG Rn. 42 f.). Bei der Identifizierung der schutzwürdigen privaten Belange ist insbesondere die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in das Ermessen einzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.2008 – 5 C 4/07, NVwZ 2008, 685, 686; vgl. auch OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.; VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2007 – 13 S 2885/06, juris Rn. 30; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.10.2006 – 5 B 15.03, juris Rn. 27). Ein weiterer zu berücksichtigender Umstand ist die Integration des Betroffenen in die deutschen Lebensverhältnisse (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 9. 9. 2003 – 1 C 6/03, NVwZ 2004, 487, 489). Insbesondere die Gesamtdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ist regelmäßig – und dies gilt in besonderem Maße, wenn sie von langjähriger Erwerbstätigkeit begleitet wird – ein aussagekräftiger Indikator für die Integration in das gesellschaftliche Umfeld, deren Förderung durch Einräumung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten ein Hauptanliegen der Einbürgerung ist. Die Berücksichtigung der Gesamtdauer des Aufenthalts als ein je nach zeitlichem Umfang und Begleitumständen mehr oder minder gewichtiger privater Belang trägt daher dazu bei, die privaten Belange und das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände einzelfallbezogen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu setzen (vgl. OVG Saarlouis, Urt. v. 24.2.2011 – 1 A 327/10, NVwZ-RR 2011, 654, 659 f.). Genauso können die sich für den Betroffenen ergebenden Unsicherheiten bei der Fortsetzung des Aufenthalts im Bundesgebiet und die Folgen der möglichen Rückkehr in das Herkunftsland zu berücksichtigen sein.
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b. Offen bleiben kann, ob Prämisse der Ermessensausübung der Antragsgegnerin die Annahme war, dass § 35 Abs. 1 StAG ein intendiertes Ermessen vorgibt und schon deswegen ein Ermessensfehler vorliegt. Darauf deuten einige Formulierungen in der Begründung des Bescheides hin. Die Antragsgegnerin formuliert auf S. 6 des Bescheides, die Maßnahme sei „Notwendigkeit dessen, dass eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, nicht Prämissen auf Missachtung ihrer selbst setzen darf (…)“. „Zu berücksichtigende schutzwürdige Interessen des Begünstigten, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten“, lägen nicht vor. Die Rücknahme bedeute „auch aus anderen Gründen keine außergewöhnliche Härte, die die Entscheidung zu Gunsten des Begünstigten beeinflussen könnte.“ Es entsteht der Eindruck, dass die Antragsgegnerin meint, die von ihr zu treffende Ermessensentscheidung müsse in der Regel zur Rücknahme der Einbürgerung führen und nur besondere Gründe könnten ausnahmsweise ein Absehen von einer Rücknahme rechtfertigen.
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c. Jedenfalls hat es die Antragsgegnerin versäumt, die gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechenden – den konkreten Einzelfall prägenden – persönlichen schutzwürdigen Belange des Antragstellers in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. Den besonderen Lebensumständen des Antragstellers wird die Begründung der Antragsgegnerin nicht gerecht. So dürfte ein durchgreifender Ermessensfehler bereits darin zu sehen sein, dass die Antragsgegnerin die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers (über zehn Jahre, davor Aufenthaltsgestattung/Duldungen) in der Bundesrepublik Deutschland nicht berücksichtigt hat. Diesen Umstand erwähnt die Antragsgegnerin auf S. 7 der Begründung des Bescheides lediglich in dem Kontext, dass auch zwischenzeitlich die Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 StAG nicht vorlägen. Ebenso wenig verhält sie sich zu der eventuellen Abwägungsrelevanz der Tatsache, dass der Antragsteller, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland lebt (auch seine Eltern und sein Bruder leben hier), das Gymnasium besucht, voraussichtlich in diesem Jahr sein Abitur absolvieren wird und somit bedeutende Integrationsleistungen erbracht hat. Zudem lässt die Antragsgegnerin die möglichen aufenthaltsrechtlichen Folgen einer Rücknahme der Einbürgerung für den Antragsteller außer Betracht. Die Antragsgegnerin weist zwar daraufhin, dass mit der Rücknahme der Einbürgerung zugleich die früher erteilte Aufenthaltserlaubnis erlischt und nicht rückwirkend auflebt, stellt diesen Umstand aber nicht als einen Belang, der gegen eine Rücknahme der Einbürgerung sprechen könnte, in die Abwägung ein. Vielmehr deutet sie mit der Äußerung an, dass – wie auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers befürchtet –, dem Antragsteller nach Vollzug der Rücknahme der Einbürgerung nicht ohne Weiteres erneut eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden würde. Dass dem Antragsteller deshalb unter Umständen eine Abschiebung in sein Herkunftsland Afghanistan, dessen Staatsangehörigkeit er weiter besitzt, drohen könnte, und welche Folgen damit für den Antragsteller, der mit den dortigen Lebensverhältnissen nicht vertraut ist, verbunden wären, lässt die Antragsgegnerin außen vor.
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d. Das Gericht war nicht gehalten, der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren die Möglichkeit zu geben, gemäß § 114 Satz 2 VwGO ihre Ermessenserwägungen insoweit zu ergänzen und den Ermessensfehler zu heilen. Für eine Anwendung dieser Vorschrift dürfte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren kein Bedarf bestehen (vgl. VGH Wiesbaden, Beschl. v. 26.3.04 – 8 TG 721/04, juris Rn. 42; zweifelnd VG Chemnitz, Beschl. v. 29.1.1999 – 1 K 1996/96, NVwZ-RR 1998, 414). Für die Frage, ob ein der Behörde eingeräumtes Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist, ist nämlich nicht entscheidend auf den Erstbescheid, sondern maßgeblich auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung, also auf den hier noch nicht ergangenen Widerspruchsbescheid (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abzustellen. Soweit es im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache ankommt, sind indes die Chancen für die Heilung des Ermessensmangels zu berücksichtigen (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 114 Rn. 12e). Wie hier die Antragsgegnerin ihr Ermessen im Widerspruchsverfahren – auch vor dem Hintergrund womöglich zu leistender weiterer Sachaufklärung im Verwaltungsverfahren – ausüben wird, kann das Gericht allerdings nicht antizipieren. Es ist jedenfalls nicht so, dass aufgrund besonderer Umstände des Falles ausgeschlossen ist, dass die Antragsgegnerin bei sachgemäßer Ausübung ihres Ermessens zu einem anderen Ergebnis als im Ausgangsbescheid kommen könnte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Integration des Antragstellers in die hiesigen Lebensverhältnisse und vor dem Hintergrund, dass die Unterstützungshandlungen des Antragstellers – mögen sie auch tatbestandsgemäß sein – im Vergleich zu anderen denkbaren Unterstützungshandlungen (z.B. aktive Mitarbeit in einer Organisation) weniger schwer wiegen.
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4. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Verfügung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. An der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein öffentliches Interesse, vielmehr steht das öffentliche Interesse einer Vollziehung entgegen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külp-mann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 967 m.w.N.; s.a. BVerwG, Beschl. v. 18.10.2005 – 6 VR 5/05, NVwZ 2006, 214, 215). Dass die Möglichkeit besteht, dass die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren ihr Ermessen ordnungsgemäß ausübt und damit den mit Blick auf die Verfügung vom 6. November 2015 bestehenden Ermessensfehler heilt, ändert hieran nichts (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 11). Es besteht auch keine Veranlassung für eine zeitliche Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 5 VwGO im Vorgriff auf einen möglichen rechtmäßigen Widerspruchsbescheid bis zu dessen Erlass (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 21.7.2009 – 1 B 89/09, juris Rn. 14). Die Antragsgegnerin kann nämlich, wenn durch den Erlass eines rechtmäßigen Widerspruchsbescheids erstmals ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts begründet wird, einen Antrag auf Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wegen veränderter Umstände nach § 80 Abs. 7 VwGO stellen.
II.
- 45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 42.1 Streitwertkatalog (abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, Anh § 164). In einem Hauptsachestreitverfahren wäre wegen der Bedeutung einer Einbürgerung der Streitwert in Höhe des doppelten Auffangstreitwertes festzusetzen. Dieser Betrag ist in Anbetracht der Vorläufigkeit dieses Verfahrens wiederum zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkataloges).
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.
(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.
(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.
(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.
(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
Ist ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder ist seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben, so kann die Behörde die auf Grund dieses Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern. Der Inhaber und, sofern er nicht der Besitzer ist, auch der Besitzer dieser Urkunden oder Sachen sind zu ihrer Herausgabe verpflichtet. Der Inhaber oder der Besitzer kann jedoch verlangen, dass ihm die Urkunden oder Sachen wieder ausgehändigt werden, nachdem sie von der Behörde als ungültig gekennzeichnet sind; dies gilt nicht bei Sachen, bei denen eine solche Kennzeichnung nicht oder nicht mit der erforderlichen Offensichtlichkeit oder Dauerhaftigkeit möglich ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.