Verwaltungsgericht München Urteil, 24. Feb. 2017 - M 21 K 15.30100
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
den Bundesamtsbescheid vom 3. Februar 2015 aufzuheben.
Gründe
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(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der 1993 geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste am 29. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15. Oktober 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt (persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens) am gleichen Tage gab er an, er habe sein Herkunftsland Somalia am 30. Dezember 2012 verlassen und sei über Äthiopien, Sudan und Libyen zunächst nach Italien gereist. Dort seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Asyl habe er nicht beantragt. Er sei schließlich mit dem Zug auf unbekannter Route nach Deutschland gelangt. Das Bundesamt führte eine Anfrage bei der Eurodac-Datenbank durch, die ergab, dass der Kläger am 25. Juni 2013 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte (Eurodac-Treffer der Kategorie 1). Daraufhin richtete das Bundesamt am 27. Oktober 2014 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden. Mit Schreiben vom 10. November 2014 lehnte das italienische Innenministerium das Übernahmeersuchen mit der Begründung ab, dem Kläger sei in Italien bereits internationaler Schutz in Form subsidiären Schutzes gewährt worden. Er verfüge über eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Das Asylverfahren sei damit in Italien abgeschlossen. Die Übernahme sei allerdings im Rahmen der polizeilichen Vereinbarung möglich.
3Mit Bescheid vom 12. November 2014 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe (Ziffer 1), und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).
4Am 1. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Den zeitgleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (13 L 2923/14.A) hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 23. Januar 2015 abgelehnt.
5Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen: Der angefochtene Bescheid genüge nicht den in der Entscheidung Tarakhel ./. Schweiz erfolgten Vorgaben des EGMR. Der Kläger sei in Italien der Obdachlosigkeit ausgesetzt gewesen. Er habe in Rom auf der Straße gelebt und betteln müssen. Eine Versorgung habe nicht stattgefunden, insbesondere keine Gesundheitsversorgung. Letztere benötige der Kläger, es sei eine Nierenoperation geplant. Der Kläger leide unter einer Stauungsniere bei Verdacht eines Nierensteins.
6Der Kläger hat beantragt,
7den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 aufzuheben.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Mit Urteil vom 9. September 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Bescheid sei rechtmäßig. Die Dublin III-VO gehe nicht der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG vor. Der dem Kläger in Italien gewährte subsidiäre Schutz sei als internationaler Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zu qualifizieren, bei dessen Vorliegen die Dublin III-VO keine Anwendung mehr finde. Die Voraussetzungen des § 26a AsylG lägen vor; Italien sei ein sicherer Drittstaat. Der Kläger könne sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse berufen. Ihm werde in Italien hinreichender Schutz gewährt. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen habe er nicht vorlegen können. Aus den übersandten älteren Bescheinigungen lasse sich kein Rückschluss auf seinen derzeitigen Gesundheitszustand ziehen. Zu einer aktuellen ärztlichen Behandlung habe er nichts Konkretes sagen können.
11Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Italien sei kein sicherer Drittstaat, da das Versorgungssystem systemische Schwachstellen aufweise, welche die Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung i.S. d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen könne. Der Kläger sei in Italien von Obdachlosigkeit und Mangelversorgung bedroht. Er bedürfe zudem medizinischer Fachversorgung.
12Der Kläger beantragt,
13das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 (13 K 8025/14.A) abzuändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 aufzuheben.
14Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
15Die Ausländerbehörde hatte den Kläger, nach Vorliegen der Rücknahmebereit-schaft der italienischen Behörden (Schreiben vom 29. Januar 2016) wegen des dort gewährten subsidiären Schutz und der erteilten Aufenthaltserlaubnis (gültig bis zum 10. Juni 2019), am 22. April 2016 nach Italien überstellt. Der Kläger war sodann am 3. Mai 2016 wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er macht geltend, der Bescheid sei durch die erfolgte Überstellung gegenstandslos geworden und aufzuheben. Am 16. Juni 2016 hat die Ausländerbehörde den Kläger erneut nach Italien überstellt. Hierzu trägt der Prozessbevollmächtigte vor, er habe am 31. August 2016 mit dem Kläger telefoniert. Dieser verfüge derzeit in Italien nicht über einen festen Wohnsitz. Eine Wohnsitznahme über das Sozial-amt sei bisher nicht möglich gewesen. Er lebe vom Betteln.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens (13 L 2923/14.A) sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts und der Ausländerbehörde Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung der Bekannt-machung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 5 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
20A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere statthaft.
21"Drittstaatenbescheide" nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG a.F. können ebenso wie Entscheidungen über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-Verordnungen („Dublin-Bescheide“) mit der isolierten Anfechtungsklage angefochten werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 22 ff. und vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, Rn. 18 f. m. w. N. zu den „Dublin-Bescheiden“, OVG Saarland, Beschluss vom 23. März 2016 ‑ 2 A 38/16 ‑, juris, Rn. 15 ff.; jeweils zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes; a. A. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 31 Rn. 62.
23Der Kläger hat auch - trotz seiner zwischenzeitlichen Überstellung nach Italien - ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Entgegen teilweise vertretener Auffassung -
24so u.a. VG München, Urteile vom 9. März 2016 ‑ M 12 K 15.30071 -, juris, Rn. 27, und vom 2. Juli 2012 - M 15 K 12.30110, juris, Rn. 15; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28. November 2012 ‑ 3 K 525/11.A -, juris, Rn. 21 ff.; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 9 -
25hat sich der Bescheid dadurch weder insgesamt noch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung erledigt.
26Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 35 ff.; Funke-Kaiser in: GK AsylVfG, Stand Mai 2015, § 34a Rn. 70, so im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 ‑, juris.
27Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG tritt dann ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
28Das ist hier nicht der Fall. Für die Abschiebungsanordnung folgt das bereits daraus, dass diese gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG unbeschränkt für alle Zukunft Grundlage künftiger Aufenthaltsbeendigungen im Falle eines Folgeantrags sein soll.
29Vgl. dazu auch Funke-Kaiser, a. a. O. § 34a Rn. 70.
30Außerdem bildet die Abschiebungsanordnung weiterhin die Rechtsgrundlage für die vollzogene Abschiebung. Die Aufhebung der Abschiebungsanordnung ist auch nicht sinnlos, denn im Falle einer rechtswidrigen Abschiebung kann diese einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auslösen.
31Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 219, 221.
32Hierfür spricht schließlich auch die in Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
33Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 44.
34Das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers in Italien nach der (nicht freiwillig erfolgten) Überstellung, lässt ebenfalls nicht auf ein nicht mehr bestehendes Interesse am Fortgang des Verfahrens schließen. Mit Blick darauf, dass der Kläger noch kurz vor seiner zweiten Überstellung nach Italien geäußert hat, er wolle keinesfalls nach Italien und werde im Falle einer Überstellung immer wieder nach Deutschland zurückkehren, ist vielmehr davon auszugehen, dass er weiterhin in Deutschland ein Asyl(folge)verfahren mit dem Ziel der Flüchtlingsanerkennung betreiben will.
35B. Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36I. Das Bundesamt hat zu Recht in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids mit der Feststellung, dass dem Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, eine inhaltliche Prüfung nicht vorgenommen und eine sachliche Entscheidung über den Asylantrag nicht getroffen.
371. Als Rechtsgrundlage dieser Entscheidung kommen nur §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 31 Abs. 1 Satz 5, Abs. 6 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
38a. Der Bescheid ist auf §§ 26a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 4 AsylG a. F. gestützt. Danach war festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Nach den im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden und nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG hier maßgeblichen §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG ist die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig möglich, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Diese Rechtsgrundlage ist hier nicht anwendbar. Dabei kann offen bleiben, ob dies aus Unionsrecht folgt. Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG (VRL-2005), deren Anwendbarkeit bei einer - hier vorliegenden - Antragstellung vor dem 20. Juli 2015, aus der Stichtagsregelung in Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU gefolgert wird,
39vgl. dazu BVerwG Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 B 41.15 -, juris, Rn. 11,
40bestimmt: Die Mitgliedstaaten können einen Antrag als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Daraus könnte folgen, dass im Falle „nur“ subsidiärer Schutzgewährung durch den Drittstaat ein Vorgehen nach § 26a AsylG unionsrechtswidrig wäre.
41Vgl. zum Vorgehen nach § 26a AsylG bei anderweitiger Flüchtlingsanerkennung OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris.
42Jedenfalls scheiden §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG als Rechtsgrundlage deshalb aus, weil hier ein Dublin-Verfahren vorliegt, bei dem die speziellere Norm des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG vorrangig anwendbar ist.
43b. Dass das Bundesamt den angefochtenen Bescheid nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG, sondern auf § 26a, § 31 Abs. 4 AsylVfG (entspricht §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung) gestützt hat, ist unerheblich. Jedenfalls kann der Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit a) AsylG aufrecht erhalten werden. Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an; vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, an Stelle des von der Verwaltung herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Spruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass dabei am Spruch des Bescheids nichts Wesentliches geändert wird.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 -, BVerwGE 80, 96 (98) = juris, Rn. 12 f., vom 12. April 1991 - 8 C 92.89 -, juris, Rn. 9, und vom 31. März 2010 - 8 C 12.09 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 24. August 2016 - 13 A 63/16.A -, juris; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 26.
45Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids festgestellt, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht. Im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG wird zwar keine derartige Feststellung getroffen, sondern der Asylantrag als unzulässig abgelehnt. Das führt aber nicht zu einer Wesensänderung des Bescheids. Es handelt sich nicht um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen. Bei der Ablehnung des Asylantrags des Klägers auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG besteht ebenso wie bei der Entscheidung nach § 26a AsylG i. V. m. § 31 Abs. 4 AsylG a. F. kein Ermessensspielraum. Beide Normen erfassen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sehen auf der Tatbestandsseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezug nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in beiden Fällen voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU (im Folgenden: GR-Charta) bzw. dem gleichlautenden Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ausgesetzt zu werden. Auch die weiteren Rechtsfolgen sind in beiden Fällen identisch. Sie ergeben sich jeweils aus § 34 a AsylG.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 62 ff., OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. Februar 2016 - 1 A 11081/14 -, juris, Rn. 23.
472. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger vor der Entscheidung des Bundesamtes ordnungsgemäß angehört worden.
483. Die inhaltliche Regelung in Ziffer 1 ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG (s.o.) liegen vor. Im Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG entscheidungserheblich ist, ist nach der Dublin III-VO ein anderer Mitgliedstaat und zwar Italien für die sachliche Prüfung des Asyl(folge)antrags des Klägers zuständig, der - weil er seinen Antrag nicht beschränkt hat - auch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
49a. Die Dublin III-VO ist im vorliegenden Fall anwendbar.
50aa. Das gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Nach Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (ab dem 1. Januar 2014) gestellt werden (Satz 1). Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO (Satz 2). Maßgeblich ist danach hier der in Deutschland - am 15. Oktober 2014 - gestellte Antrag, nicht etwa der 2013 in Italien bestandkräftig beschiedene (erste) Antrag des Klägers in einem Mitgliedstaat.
51Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, und vom 7. Juli 2016 - 13 A 2302/15.A, juris; a.A. Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Stand 1. Februar 2014, Art. 49 K 3, VG München, Urteil vom 17. März 2016 - M 22 K 15.30257 -, juris; VG Würzburg, Urteil vom 12. Mai 2016 - W 2 K 15.30105 -, juris, Rn. 27.
52Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO, in dem im Gegensatz zu anderen Vorschriften der Dublin III-VO (z.B. Art. 7 Abs. 2) auch nicht vom ersten Antrag die Rede ist. Die Zuständigkeitsfrage stellt sich ferner nur in Bezug auf einen aktuell zu bescheidenden Antrag. Ist über diesen ‑ wie hier in Italien ‑ bereits bestandskräftig entschieden, bedarf es insoweit keiner Zuständigkeitsbestimmung nach den Dublinregeln mehr.
53bb. Die Dublin III-VO ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar. Das Dublin-Verfahren ist nicht schon mit der - hier vorliegenden - Gewährung subsidiären Schutzes beendet worden.
54So aber u.a. VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 - 8 K 299/15.A -, juris, Rn. 51ff ; Schweizer Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Februar 2015 - Abteilung IV D-534/2015/plo -, offenlassend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 57/15 -, juris, Rn. 37.
55Zwar bestimmt die Dublin III-VO den zuständigen Mitgliedstaat für den Antrag auf internationalen Schutz, der nach Art. 2 lit. b Dublin III-VO i. V. m. Art. 2 lit. h der Richtlinie 2011/95/EU sowohl die Flüchtlingsanerkennung als auch die Gewährung subsidiären Schutzes umfasst. Daraus folgt aber nicht, dass nach der Gewährung subsidiären Schutzes für auf Flüchtlingsanerkennung gerichtete Asyl-(folge)anträge nicht mehr die Dublin III-VO anwendbar wäre. Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist es, einen Mitgliedstaat zu bestimmen, der (umfassend) für die auf internationalen Schutz gerichteten Anträge zuständig ist, um ein Asylshop-ping, d. h. die Bevorzugung von Ländern mit besonders günstigen Verhältnissen sowie die Stellung von Mehrfachanträgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verhindern. Das ergibt sich u.a. aus den Bestimmungen zum Gegenstand der Verordnung (Art. 1), den Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und deren Rangfolge (Kapitel III), den Pflichten des zuständigen Mitgliedstaates, diejenigen Personen zurückzunehmen, über deren (Erst)anträge noch nicht abschließend entschieden wurde oder deren Anträge abgelehnt wurden (Art. 18), sowie aus den als Ausnahme geregelten Voraussetzungen eines Zuständigkeitsübergangs (z.B. bei Fristversäumnis nach Art. 23 Abs. 3, Art. 29 Abs. 2 oder im Falle des Selbsteintritts nach Art. 17). Dem widerspricht es aber, wenn im Falle der sogenannten „Aufstocker“, also derjenigen Personen, die bereits subsidiären Schutz erhalten haben, aber nunmehr auch die Flüchtlingsanerkennung begehren, die Dublin III-VO nicht mehr anwendbar wäre. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasst nämlich nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus die Flüchtlingsanerkennung. Letztere ist dem subsidiären Schutz auch nicht etwa gleichwertig, sondern für die Betroffenen ggfs. mit weiteren Rechten verbunden, wie beispielsweise der Möglichkeit des Familiennachzugs. Die Verpflichtung, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO) erfasst diese Personengruppe schließlich auch, denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes ist gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden.
56So im Ergebnis auch Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land - Rechtliche Probleme, Asylmagazin 2015, 148, 150 f.; Bergmann, Das Dublin-Asylsystem, ZAR 2015, 81, 83.
57cc. Auch die Ablehnung der italienischen Behörden, den Kläger nach den Dublin-Regelungen zu übernehmen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Dublin-Verordnung ist geltendes europäisches Recht und steht nicht zur Disposition der daran gebundenen Mitgliedstaaten. Im Übrigen hat Italien nicht generell die Übernahme des Klägers abgelehnt, sondern zu erkennen gegeben, dass es den Kläger nach dem Rücknahmeabkommen übernehmen wird und ihn schlussendlich auch (zweimal) übernommen. Jedenfalls in dieser Fallgestaltung, in der der Übernahme zugestimmt wird, kann nicht entscheidend sein, auf welcher Rechtsgrundlage der aufnehmende Mitgliedstaat meint, verpflichtet zu sein.
58b. Aus den Vorschriften der Dublin III-VO ergibt sich die Zuständigkeit Italiens für den Antrag des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung.
59aa. Nach Art 13 Abs. 1 Dublin III-VO war zunächst Italien als Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig geworden, da der Kläger die italienische Grenze aus einem Drittstaat (Libyen) kommend im Jahr 2013 illegal überschritten hat. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenz-übertritts. Da Italien dem Kläger aber subsidiären Schutz gewährt und einen (bis zum 10. Juni 2019) gültigen Aufenthaltstitel ausgestellt hat, wurde eine weitere Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO begründet.
60bb. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland liegt nicht vor.
61(1) Ein solcher ergibt sich weder aus Art. 19 Dublin III-VO, noch ist ein Zuständigkeitswechsel wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erfolgt. Wegen der Ablehnung Italiens, den Kläger nach der Dublin III-VO zurückzunehmen, hat der Fristlauf schon nicht begonnen.
62(2) Auch ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO zuständig geworden. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat vorgenommen werden kann. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, insbesondere ist kein Fall des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gegeben. Nach dieser Vorschrift setzt der prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehen Kriterien fort, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
63(a) Diese Regelung geht zurück auf die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR zu systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen bei Verfahren nach der Dublin II-VO. Danach kann die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens beruhende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der EMRK steht, widerlegt werden. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die asylrechtlichen Richtlinien der EU – Richtlinie 2003/9/EG bzw. 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie), Richtlinie 2004/83/EG bzw. 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), Richtlinie 2005/85/EG bzw. 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) – genügen. Vielmehr müssen die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta – der Art. 3 EMRK entspricht – ausgesetzt zu werden.
64Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C- 411/10 und C-493/10 (N.S.) -, NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff., vom 14. November 2013 - C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 30 ff., und vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi ) -, NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 52; EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, ZAR 2011, 395, Rn. 216 ff., und vom 4. November 2014 ‑ 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 93 und102 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5 ff., vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5, und vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 3 ff.; vgl. zum Ganzen ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 65 ff.
65Wegen des in Deutschland geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss sich der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Systemische Mängel liegen danach vor, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 9.
67Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89 ff.
69Hingegen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung (hier: der Entscheidung) systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen, wobei zu beachten ist, dass persönliche Erlebnisse Betroffener durch neuere Entwicklungen in dem betreffenden Staat überholt sein können.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6; s. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 30.
71Diese zur Dublin II-VO entwickelten Grundsätze gelten auch für Verfahren nach der Dublin III-VO. Der in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO geregelte Maßstab, dass es „wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen“ ist eine Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung.
72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5; Bay. VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, AuAS 2015, 104 = juris, Rn. 28; Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 - 5 B 259/15.A -, juris, Rn. 27.
73Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Asylbewerbern ist maßgeblich auf Ausländer in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie der des Klägers abzustellen, d. h. eines allein stehenden jungen Mannes, der in Italien vor seiner Weiterreise nach Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt hat, das mit der Gewährung subsidiären Schutzes und einer italienischen Aufenthaltser-laubnis endete, und der nunmehr noch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
74(b) Hiervon ausgehend steht nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden Erkenntnismaterial zur Überzeugung des Senats fest, dass es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahrens und/ oder die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien systemische Schwach-stellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
75Vgl. ebenso für Italien – in unterschiedlichen Fallkonstellationen – EGMR, Urteil vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 36, vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 35, und vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, juris, Rn. 114 f.; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 35 ff., und vom 19. Mai 2016 - 13 A 516/14.A -, juris, vom 10. Juli 2015 ‑ 15 A 1048/14.A -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 47 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 43 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628 = juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 10 A 681/13.Z.A ‑, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -, juris.
76(aa) Bei der Würdigung der Erkenntnisse ist zunächst davon auszugehen, dass Italien - sowohl im Hinblick auf das dortige Rechtssystem als auch die Verwaltungspraxis - über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Asylverfahren verfügt.
77Vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 2. und 3.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 16 ff.; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 4; s. auch EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 37.
78Ob Art. 4 GR-Charta die vollständige Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien erfordert, kann offen bleiben. Das Asylverfahren in Italien ist inzwischen richtlinienkonform. Mit Wirkung vom 30. September 2015 wurden die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuazione della direttiva 2013/33/UE recante norme relative all’accoglienza die richiedenti protezione internazionale, noché della direttiva 2013/32/UE, recante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“).
79Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 9 und 12.
80Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das Asylsystem trotz ggf. einzelner Unzulänglichkeiten prinzipiell funktionsfähig ist. Es ist weder in Bezug auf die tatsächliche Dauer noch auf die Qualität menschenrechtswidrig. In etwa der Hälfte der Fälle ist in den letzten Jahren ein Schutzstatus gewährt worden (2013: 61 %, 2014: 59 %, 2015: 42 %).
81Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 44 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 133 ff.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 7; zur Schutzquote vgl. Eurostat, recognition rates, 2013, 2014, 2015, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
82Bisher ist regelmäßig vor allem gerügt worden, dass für die formelle Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione) eine Wohnsitzbestätigung erforderlich sei und in der mitunter langen Zeit bis zur verbalizzazione eine Unterbringung nicht gewährleistet sei. Es kann offen bleiben, ob insoweit systemische Schwach-stellen anzunehmen wären. Nach der aktuellen Rechtslage (Gesetzesdekret 142/2015) wird ein Wohnsitz nicht verlangt und beträgt die Frist zwischen Asyl-gesuch und formeller Registrierung drei, maximal zehn Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis länger dauert, ist die Unterbringung in der Regel gewährleistet.
83Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.
84Gesetzesdekret 142/2015 stellt klar, dass die Adresse der Unterbringungseinrichtung in der der Antragsteller wohnt, als Wohnsitz zu betrachten ist.
85Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 21.
86Da das Asyl(erst)verfahren des Klägers in Italien bereits abgeschlossen ist, kommt es auf diese Fragen schon nicht an, weil er bei den zuständigen Behörden erfasst ist.
87Italien ermöglicht – wie in Art. 40 Richtlinie 2013/32/EU vorgesehen – ein Folgeverfahren, wenn neue Umstände vorgebracht werden können.
88Vgl. SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 3, und vom 18. Mai 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 17, 47 f.
89Ein Folgeantrag (subsequent application) muss bei der Questura gestellt werden, die ihn an die zuständige Territorialkommission (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale, CTRPI) zur Prüfung weiterleitet. Im Übrigen gelten für das Folgeverfahren im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
90Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48.
91(bb) Dublin-Rückkehrer müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der Durchführung ihres Asylfolgeverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie wegen der Aufnahmebedingungen in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GR-Charta verletzt werden. Dabei ist auch bei Folgeantragstellern grundsätzlich auf die für Asylbewerber geltenden Umstände abzustellen.
92Vgl. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 ‑ 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 31 f.
93Verfolgt der Kläger das in Deutschland angebrachte Asylbegehren, d. h. seinen auch auf Flüchtlingsanerkennung gerichteten Antrag, in Italien weiter oder stellt er dort alternativ einen erneuten Antrag auf Flüchtlingsanerkennung, handelt es sich um einen (ersten) Folgeantrag, der zur Anwendbarkeit der Aufnahmerichtlinie führt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) – die nach den obigen Ausführungen in Italien auch umgesetzt worden ist – gilt diese für alle Personen, die internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen. Der 8. Erwägungs-grund stellt klar, dass die Aufnahmerichtlinie in allen Phasen und auf alle Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen, Anwendung findet. Ausnahmen vom Recht auf Verbleib nach Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU liegen hier nicht vor.
94Für das Asyl-Folgeverfahren gelten jedenfalls beim ersten Folgeantrag im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
95Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
96Dabei wird ohne weitere Differenzierung davon ausgegangen, dass nach der Stellung des Folgeantrags (CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48), d. h. während der „Abklärung“ (SFH, 18. Mai 2016, S. 2), die auch die Klärung der Zulässigkeit umfasst, eine Gleichbehandlung mit den Erstantragstellern erfolgt.
97Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ist für Asylbewerber in Italien nicht gegeben. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger während der Dauer des Asylfolgeverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise wird befriedigen können. Die zweifellos bestehenden Mängel der Aufnahmebedingungen sind nicht derart gravierend, dass bei jedem Rückkehrer die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 4 GR-Charta zu bejahen wäre.
98Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta angesehen werden,
99vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 28 f., vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 96 f., und vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250 f. und 263; zurückhaltender EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, Rn. 84 (nicht jeder geringste Verstoß genügt); OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 120 ff.; kritisch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407), sowie Hailbronner, AuslR, Stand März 2015, § 27a Rn. 22,
100hat Italien, wie bereits ausgeführt, in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis im erheblichen Ausmaß nicht beachtet werden.
101Das in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 g) Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt auch nicht systematisch unbeachtet, so dass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre.
102Vgl. für Griechenland EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, EuGRZ 2011, 243 = juris, Rn. 253, 263.
103Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen.
104Wer noch keinen Asylantrag gestellt hat, kann bei der Questura desjenigen Flughafens, an den er rücküberstellt wird, einen Asylantrag stellen (Verbalizzazione) und erhält etwa bei der Nichtregierungsorganisation (non-governmental organization, NGO) am Flughafen in Rom einen Unterbringungsplatz in einem CAS (Centro die accoglienza straordinaria)-Zentrum in der Umgebung von Rom. Wer vor der Weiterreise bereits ein Asylgesuch in Italien gestellt hatte, muss zur zuständigen Questura reisen, um das Asylverfahren weiterzuführen. Dazu erhält er an der Grenze, etwa auch bei seiner Ankunft am Flughafen in Rom, von NGOs ein Bahnticket zur Verfügung gestellt. Bei der zuständigen Präfektur wird die Unterkunft beantragt. Wer das Unterbringungszentrum ohne Meldung verlassen hat, verliert zwar grundsätzlich seinen Unterkunftsanspruch, kann aber einen neuen Platz beantragen.
105Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 4 ff.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.2 und 2.1., und vom 11. September 2013; zu letztgenanntem Gesichtspunkt s. auch CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 75.
106Für Folgeantragsteller gilt nichts anderes, insbesondere können sie ebenfalls in den Unterkunftszentren unterkommen.
107Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
108Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterbringungsplätze in CAS-, CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza)-, CDA (centro di accoglienza)-, CARA (Centro di accoglienza per richiedenti asilo; jetzt: „centri governativi di accoglienza“)- und SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“)-Einrichtungen, wovon der größte Anteil auf die temporären Aufnahmeeinrichtungen des CAS-Systems entfällt (76.683 Plätze).
109Dem standen 2015 rund 84.000 neue Asylanträge gegenüber, ca. 20.000 mehr als im Vorjahr.
110Vgl. die Eurostat-Statistik „Asylum and new asylum applicants – annual aggregated data –“, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
111Hinzu kommen noch die Personen, die sich bereits zuvor im Asylverfahren befanden, und die Dublin-Rückkehrer.
112Am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht.
113Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Italien, Wien, 22. März 2016.
114Unterstützt von EASO (European Asylum Support Office der EU) hat Italien die Unterkunftskapazitäten erheblich erhöht.
115Vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 1.
116Das SPRAR-System, ein kommunales Unterbringungssystem, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht, wird ständig ausgebaut und soll von 20.000 auf mindestens 35.000 Plätze aufgestockt werden.
117Vgl. AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4.
118Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet.
119Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
120Eine zuvor angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 20 bzw. 35 Tagen in CARA-/CDA-Zentren oder sechs Monaten in SPRAR-Einrichtungen, die im Übrigen oft wesentlich überschritten wurde,
121vgl. ASGI (Associazione Studi Giuridici sull’Immi-grazione), The Dublin System and Italy: A Wavering Balance, März 2015, S. 13 f., 23 f.; aida (Asylum Information Database): Country Report Italy, Januar 2015, S. 53; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 11. September 2013; UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2012, S. 12; borderline-europe e.V., Auskunft an VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 34 f. und 51,
122gibt es für Asylantragsteller nicht (mehr). Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthaltes ist im Gesetzesdekret 142/2015, das die entsprechenden Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umsetzt, nicht vorgesehen.
123Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
124Ergänzend zu den staatlichen Unterbringungseinrichtungen stellen verschiedene kirchliche oder kommunale Einrichtungen sowie lokale Hilfsorganisationen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Unterkünfte zur Verfügung.
125Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4, und an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 4.4; borderline-europe e.V., Auskunft an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 21.
126Insgesamt kann angesichts dieser Zahlen nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist und nicht in jedem Fall den Mindeststandards entspricht,
127vgl. zu den Bedingungen in den Einrichtungen CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 70 ff.; SFH, Auskunft an das VG Schwerin vom 23. April 2015, S. 4,
128im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist.
129Selbst wenn man aber unterstellt, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, ergäbe sich daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitendes Versagen des Staates. Die Menschenrechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten.
130Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 158.
131Nach den vorliegenden Erkenntnissen reagiert Italien jedenfalls inzwischen flexibel auf den Zustrom. Das System ist durch die kurze Auftragsdauer für die temporären CAS-Zentren (Ausschreibung alle sechs Monate) sehr flexibel in Bezug auf Schwankungen. Ferner waren jüngst unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) verschiedene Projekte ausgeschrieben, die auch die Unterbringung von Asylbewerbern umfassten.
132Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.
133Hiervon ausgehend ist die Erwartung, dass künftig wieder mehr Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer suchen und in Italien die Grenze zur EU überschreiten werden, nicht ausreichend, um derzeit systemische Schwachstellen anzunehmen. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn – was hier nicht der Fall ist – absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden.
134Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 41.
135Die aktuelle Presseberichterstattung veranlasst nicht zu einer anderen Bewertung. Hier wird zwar von Kapazitätsengpässen insbesondere wegen des jahreszeitbedingten starken Zustroms von Flüchtlingen über das Mittelmeer berichtet, aber auch von den Bemühungen Italiens, kurzfristige Lösungen zu finden sowie vom Erfolg derartiger Bemühungen.
136Vgl. u.a. Maxwill, Flüchtlingschaos in Sizilien, Der Spiegel, online-Ausgaben vom 20., 21., 23. und 24.Juni 2016, Starker Flüchtlingsandrang in Italien, Frankfurter Rundschau, online-Ausgabe vom 30. Mai 2016.
137Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung (vgl. Art. 19 Richtlinie 2013/33/EU) ist während des Asyl(folge)verfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet. Asylbewerber haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Die übrige Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen, teilweise auch über karitative Organisationen.
138Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5.
139Zudem ist es Asylbewerbern nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 bereits 60 Tage nach Stellung des Asylgesuchs erlaubt zu arbeiten.
140Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 81.
141Auch der EGMR hat für den Fall eines alleinstehenden (jungen) Mannes (Urteile vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) - und vom 30. Juni 2015 – 39350/13 (A.S. ./.Schweiz) -) keine Grundlage für die Annahme gesehen, ihm drohe im Fall der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Die Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 - 29217/12 (T. ./. Schweiz) -, mit der die Rückführung nach Italien von Garantien italienischer Behörden abhängig gemacht worden ist, beruhte auf der besonderen - hier nicht vorliegenden - Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, der spezifischen Schutzbedürftigkeit von Kindern und dem Gebot der Wahrung der Familieneinheit.
142(cc) Wenn der Kläger in Italien nicht als Dublin-Rückkehrer behandelt werden sollte, sondern, weil er dort bereits subsidiären Schutz und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hat, wie alle international Schutzberechtigten, läge eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GR-Charta ebenfalls nicht vor.
143Denn auch die Lebensverhältnisse international Schutzberechtigter in Italien in vergleichbarer Lage stellen sich nicht als unmenschlich oder erniedrigend dar.
144Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind in Italien Ausländer, die dort als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d. h., es wird grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen.
145Vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.4.1; SFH an OVG NRW, 7. April 2016, S. 4 ff.
146Dies ist nicht menschenrechtswidrig. Art. 4 GR-Charta verpflichtet - ebenso wie der gleichlautende Art. 3 EMRK - nicht, jedermann im Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch wird damit keine allgemeine Verpflichtung begründet, Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
147Vgl. zu Art. 3 EMRK: EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 ‑ 30696/09 (M.S.S.) -, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 2. April 2013 ‑ 27725/10 (Mohammed Hussein) -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, juris, Rn. 119.
148Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK bzw. von Art. 4 GR-Charta verboten wird, zu überschreiten.
149Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 2. September 2015 ‑ 9 A 399/14 ‑, juris Rn. 46 m. w. N.
150Dies entspricht im Übrigen auch den Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt werden. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte – anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats – regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können.
151Italien hat inzwischen die Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt.
152Vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati (CIR), Asylum Information Database (AIDA), Dezember 2015, S. 9.
153Es ist deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigte in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis Art. 35 dieser Qualifikationsrichtlinie genannten Rechte kommen.
154Die zurückkehrenden Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten sind zudem nicht gänzlich sich selbst überlassen.
155Kehren sie aus dem Ausland zurück, können sie sich etwa am Flughafen in Rom von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beraten lassen.
156Vgl. Auswärtiges Amt (AA) an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5; SFH, April 2016, S. 5; zurückhaltender noch SFH, Oktober 2013, 5.1.
157Dort erfahren sie auch, welche Questura für sie zuständig ist. Diese wird informiert und der Flüchtling bzw. Schutzberechtigte erhält ein Bahnticket, um dorthin zu gelangen.
158Vgl. SFH, April 2016, S. 5; AA, Februar 2016, S. 5.
159Für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ist die Behörde der Gemeinde zuständig, in der sie ihren Asylantrag gestellt haben.
160Vgl. SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 32, 35; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 3.
161Der Kläger verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund der Gewährung subsidiären Schutzes, die bis zum 10. Juni 2019 gültig ist.
162Die Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum war und ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Ein Teil kann auch nach der Anerkennung als Flüchtling in einer Einrichtung der SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugati) für begrenzte Zeit Aufnahme finden. Auch caritative Einrichtungen stellen Unterkünfte zur Verfügung.
163Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. August 2013, S. 3.
164In großen Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil hunderten von Bewohnern, ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterkommen.
165Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 33, 34 f.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.2.
166Inzwischen hat sich die Situation aber verbessert. Das Auswärtige Amt hat schon im August 2013 und gegenüber dem erkennenden Gericht unter dem 23. Februar 2016 mitgeteilt, im Ergebnis könne davon ausgegangen werden, dass für die anerkannten Asylsuchenden und Flüchtlinge (und damit auch für die subsidiär Schutzberechtigten) in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen.
167Vgl. AA, August 2013, S. 3; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5.
168In Italien gibt es kein allgemeines System der Sozialhilfe. Etwaige gemeindliche Unterstützungsleistungen sind an den offiziellen Wohnsitz in der Gemeinde geknüpft.
169Vgl. SFH, Mai 2011, S. 35.
170Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Ausländer und Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen.
171Vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Informationen Italien, Januar 2012, 4.6.
172Lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder NGOs unterhalten Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen.
173Vgl. AA an OVG Sachsen-Anhalt, 21. Januar 2013, 7.3.
174Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Schutzberechtigte, wenn sie ‑ wie viele Italiener auch ‑ arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen.
175Vgl. borderline europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012, Dezember 2012, 9.2, 10.4.; AA, 23. Februar 2016 an OVG NRW, S. 5, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam.
176Für eine legale, sozialversicherungspflichtige Arbeit ist ein fester Wohnsitz Voraussetzung.
177Vgl. borderline europe e. V., a. a. O.; SFH, August 2014, S. 5.
178Jedenfalls in Rom können Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Centro Astelli/Jesuitenflüchtlingsdienst und einigen anderen Einrichtungen anmelden.
179Vgl. SFH, August 2014, S. 5.
180Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, kommen häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter.
181Vgl. SFH, Mai 2011, S. 33; SFH, Oktober 2013, 5.3.
182Daraus kann allerdings nicht auf eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta geschlossen werden.
183Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung,
184vgl. SFH, 18. Mai 2016 an OVG NRW, S. 4; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 6, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam; vgl. Deutsche Botschaft Rom, Januar 2012, S. 25 ff.; AA an VG Freiburg, 11. Juli 2012, S. 2; AA an VG Gießen, 15. November 2012, S. 2; borderline, a. a. O., 9.2, 10.4.
185Zusammenfassend ist danach davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Italien staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten.
186(dd) Individuelle, in der Person des Klägers liegende besondere Gründe, die auf eine Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren eine Nierenerkrankung geltend gemacht. Dafür hat er zwei Bescheinigungen vorgelegt, zum einen für eine am 29. November 2014 durchgeführte Akutbehandlung wegen einer Nierenkolik, zum anderen eine Bescheinigung des weiterbehandelnden Arztes vom 4. Dezember 2014 mit der Diagnose linksseitige Stauungsniere bei Verdacht auf Ureterstein. In der mündlichen Verhandlung am 9. September 2015 gab er aber an, die Nierenmedikamente nicht mehr zu nehmen und lediglich ab und zu unter Schmerzen bzw. unter Erbrechen sowie unter Hämorrhoiden zu leiden. In der Folgezeit gibt es keine konkreten Angaben zu gesundheitlichen Problemen, weder den Ausführungen im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren noch dem von der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegten Verwaltungsvorgang lässt sich derartiges entnehmen. Hier wurde - ohne konkrete Angaben - lediglich ausgeführt, der Kläger bedürfe fachärztliche Betreuung. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen, aus denen sich ein gegenwärtig bestehender Behandlungsbedarf ergibt, wurden nicht vorgelegt. Mit Blick darauf hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt, dass und wegen welcher Beschwerden er weiterhin auf ärztliche Behandlung angewiesen ist. Soweit der Kläger ferner geltend macht, er sei obdachlos und lebe vom Betteln, hat er nicht ausreichend dargelegt, dass und in welcher Art und Weise er sich überhaupt ernsthaft um eine Unterkunft und um sonstige Versorgung bemüht hat.
187II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Rücknahmebereitschaft im positiven Sinne geklärt sein muss. Dem Bundesamt obliegt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen noch inlandsbezogene Vollzugshindernisse der Abschiebung entgegenstehen. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe.
188Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, und vom 3. März 2015 - 14 B 102/15.A -, juris.
189Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich. Das Bestehen von gegenwärtig noch behandlungsbedürftigen Erkrankungen hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt. Die Voraussetzungen für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Die Rückführung ist tatsächlich möglich. Zwar hat Italien die Überstellung nach der Dublin-VO abgelehnt, weil die dortigen Behörden der Auffassung waren, die Dublin-Verordnungen finde im vorliegenden Fall keine Anwendung (mehr). Italien hat aber seine Bereitschaft zur Übernahme nach dem Übernahmeabkommen erklärt und den Kläger auch (schon das zweite Mal) tatsächlich übernommen.
190C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
191Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
192Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.
(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.
(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.
(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.
(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der 1993 geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste am 29. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15. Oktober 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt (persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens) am gleichen Tage gab er an, er habe sein Herkunftsland Somalia am 30. Dezember 2012 verlassen und sei über Äthiopien, Sudan und Libyen zunächst nach Italien gereist. Dort seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Asyl habe er nicht beantragt. Er sei schließlich mit dem Zug auf unbekannter Route nach Deutschland gelangt. Das Bundesamt führte eine Anfrage bei der Eurodac-Datenbank durch, die ergab, dass der Kläger am 25. Juni 2013 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte (Eurodac-Treffer der Kategorie 1). Daraufhin richtete das Bundesamt am 27. Oktober 2014 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden. Mit Schreiben vom 10. November 2014 lehnte das italienische Innenministerium das Übernahmeersuchen mit der Begründung ab, dem Kläger sei in Italien bereits internationaler Schutz in Form subsidiären Schutzes gewährt worden. Er verfüge über eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Das Asylverfahren sei damit in Italien abgeschlossen. Die Übernahme sei allerdings im Rahmen der polizeilichen Vereinbarung möglich.
3Mit Bescheid vom 12. November 2014 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe (Ziffer 1), und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).
4Am 1. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Den zeitgleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (13 L 2923/14.A) hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 23. Januar 2015 abgelehnt.
5Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen: Der angefochtene Bescheid genüge nicht den in der Entscheidung Tarakhel ./. Schweiz erfolgten Vorgaben des EGMR. Der Kläger sei in Italien der Obdachlosigkeit ausgesetzt gewesen. Er habe in Rom auf der Straße gelebt und betteln müssen. Eine Versorgung habe nicht stattgefunden, insbesondere keine Gesundheitsversorgung. Letztere benötige der Kläger, es sei eine Nierenoperation geplant. Der Kläger leide unter einer Stauungsniere bei Verdacht eines Nierensteins.
6Der Kläger hat beantragt,
7den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 aufzuheben.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Mit Urteil vom 9. September 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Bescheid sei rechtmäßig. Die Dublin III-VO gehe nicht der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG vor. Der dem Kläger in Italien gewährte subsidiäre Schutz sei als internationaler Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zu qualifizieren, bei dessen Vorliegen die Dublin III-VO keine Anwendung mehr finde. Die Voraussetzungen des § 26a AsylG lägen vor; Italien sei ein sicherer Drittstaat. Der Kläger könne sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse berufen. Ihm werde in Italien hinreichender Schutz gewährt. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen habe er nicht vorlegen können. Aus den übersandten älteren Bescheinigungen lasse sich kein Rückschluss auf seinen derzeitigen Gesundheitszustand ziehen. Zu einer aktuellen ärztlichen Behandlung habe er nichts Konkretes sagen können.
11Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Italien sei kein sicherer Drittstaat, da das Versorgungssystem systemische Schwachstellen aufweise, welche die Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung i.S. d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen könne. Der Kläger sei in Italien von Obdachlosigkeit und Mangelversorgung bedroht. Er bedürfe zudem medizinischer Fachversorgung.
12Der Kläger beantragt,
13das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 (13 K 8025/14.A) abzuändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 aufzuheben.
14Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
15Die Ausländerbehörde hatte den Kläger, nach Vorliegen der Rücknahmebereit-schaft der italienischen Behörden (Schreiben vom 29. Januar 2016) wegen des dort gewährten subsidiären Schutz und der erteilten Aufenthaltserlaubnis (gültig bis zum 10. Juni 2019), am 22. April 2016 nach Italien überstellt. Der Kläger war sodann am 3. Mai 2016 wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er macht geltend, der Bescheid sei durch die erfolgte Überstellung gegenstandslos geworden und aufzuheben. Am 16. Juni 2016 hat die Ausländerbehörde den Kläger erneut nach Italien überstellt. Hierzu trägt der Prozessbevollmächtigte vor, er habe am 31. August 2016 mit dem Kläger telefoniert. Dieser verfüge derzeit in Italien nicht über einen festen Wohnsitz. Eine Wohnsitznahme über das Sozial-amt sei bisher nicht möglich gewesen. Er lebe vom Betteln.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens (13 L 2923/14.A) sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts und der Ausländerbehörde Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung der Bekannt-machung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 5 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
20A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere statthaft.
21"Drittstaatenbescheide" nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG a.F. können ebenso wie Entscheidungen über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-Verordnungen („Dublin-Bescheide“) mit der isolierten Anfechtungsklage angefochten werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 22 ff. und vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, Rn. 18 f. m. w. N. zu den „Dublin-Bescheiden“, OVG Saarland, Beschluss vom 23. März 2016 ‑ 2 A 38/16 ‑, juris, Rn. 15 ff.; jeweils zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes; a. A. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 31 Rn. 62.
23Der Kläger hat auch - trotz seiner zwischenzeitlichen Überstellung nach Italien - ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Entgegen teilweise vertretener Auffassung -
24so u.a. VG München, Urteile vom 9. März 2016 ‑ M 12 K 15.30071 -, juris, Rn. 27, und vom 2. Juli 2012 - M 15 K 12.30110, juris, Rn. 15; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28. November 2012 ‑ 3 K 525/11.A -, juris, Rn. 21 ff.; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 9 -
25hat sich der Bescheid dadurch weder insgesamt noch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung erledigt.
26Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 35 ff.; Funke-Kaiser in: GK AsylVfG, Stand Mai 2015, § 34a Rn. 70, so im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 ‑, juris.
27Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG tritt dann ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
28Das ist hier nicht der Fall. Für die Abschiebungsanordnung folgt das bereits daraus, dass diese gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG unbeschränkt für alle Zukunft Grundlage künftiger Aufenthaltsbeendigungen im Falle eines Folgeantrags sein soll.
29Vgl. dazu auch Funke-Kaiser, a. a. O. § 34a Rn. 70.
30Außerdem bildet die Abschiebungsanordnung weiterhin die Rechtsgrundlage für die vollzogene Abschiebung. Die Aufhebung der Abschiebungsanordnung ist auch nicht sinnlos, denn im Falle einer rechtswidrigen Abschiebung kann diese einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auslösen.
31Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 219, 221.
32Hierfür spricht schließlich auch die in Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
33Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 44.
34Das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers in Italien nach der (nicht freiwillig erfolgten) Überstellung, lässt ebenfalls nicht auf ein nicht mehr bestehendes Interesse am Fortgang des Verfahrens schließen. Mit Blick darauf, dass der Kläger noch kurz vor seiner zweiten Überstellung nach Italien geäußert hat, er wolle keinesfalls nach Italien und werde im Falle einer Überstellung immer wieder nach Deutschland zurückkehren, ist vielmehr davon auszugehen, dass er weiterhin in Deutschland ein Asyl(folge)verfahren mit dem Ziel der Flüchtlingsanerkennung betreiben will.
35B. Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36I. Das Bundesamt hat zu Recht in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids mit der Feststellung, dass dem Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, eine inhaltliche Prüfung nicht vorgenommen und eine sachliche Entscheidung über den Asylantrag nicht getroffen.
371. Als Rechtsgrundlage dieser Entscheidung kommen nur §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 31 Abs. 1 Satz 5, Abs. 6 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
38a. Der Bescheid ist auf §§ 26a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 4 AsylG a. F. gestützt. Danach war festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Nach den im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden und nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG hier maßgeblichen §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG ist die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig möglich, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Diese Rechtsgrundlage ist hier nicht anwendbar. Dabei kann offen bleiben, ob dies aus Unionsrecht folgt. Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG (VRL-2005), deren Anwendbarkeit bei einer - hier vorliegenden - Antragstellung vor dem 20. Juli 2015, aus der Stichtagsregelung in Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU gefolgert wird,
39vgl. dazu BVerwG Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 B 41.15 -, juris, Rn. 11,
40bestimmt: Die Mitgliedstaaten können einen Antrag als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Daraus könnte folgen, dass im Falle „nur“ subsidiärer Schutzgewährung durch den Drittstaat ein Vorgehen nach § 26a AsylG unionsrechtswidrig wäre.
41Vgl. zum Vorgehen nach § 26a AsylG bei anderweitiger Flüchtlingsanerkennung OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris.
42Jedenfalls scheiden §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG als Rechtsgrundlage deshalb aus, weil hier ein Dublin-Verfahren vorliegt, bei dem die speziellere Norm des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG vorrangig anwendbar ist.
43b. Dass das Bundesamt den angefochtenen Bescheid nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG, sondern auf § 26a, § 31 Abs. 4 AsylVfG (entspricht §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung) gestützt hat, ist unerheblich. Jedenfalls kann der Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit a) AsylG aufrecht erhalten werden. Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an; vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, an Stelle des von der Verwaltung herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Spruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass dabei am Spruch des Bescheids nichts Wesentliches geändert wird.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 -, BVerwGE 80, 96 (98) = juris, Rn. 12 f., vom 12. April 1991 - 8 C 92.89 -, juris, Rn. 9, und vom 31. März 2010 - 8 C 12.09 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 24. August 2016 - 13 A 63/16.A -, juris; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 26.
45Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids festgestellt, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht. Im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG wird zwar keine derartige Feststellung getroffen, sondern der Asylantrag als unzulässig abgelehnt. Das führt aber nicht zu einer Wesensänderung des Bescheids. Es handelt sich nicht um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen. Bei der Ablehnung des Asylantrags des Klägers auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG besteht ebenso wie bei der Entscheidung nach § 26a AsylG i. V. m. § 31 Abs. 4 AsylG a. F. kein Ermessensspielraum. Beide Normen erfassen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sehen auf der Tatbestandsseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezug nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in beiden Fällen voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU (im Folgenden: GR-Charta) bzw. dem gleichlautenden Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ausgesetzt zu werden. Auch die weiteren Rechtsfolgen sind in beiden Fällen identisch. Sie ergeben sich jeweils aus § 34 a AsylG.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 62 ff., OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. Februar 2016 - 1 A 11081/14 -, juris, Rn. 23.
472. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger vor der Entscheidung des Bundesamtes ordnungsgemäß angehört worden.
483. Die inhaltliche Regelung in Ziffer 1 ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG (s.o.) liegen vor. Im Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG entscheidungserheblich ist, ist nach der Dublin III-VO ein anderer Mitgliedstaat und zwar Italien für die sachliche Prüfung des Asyl(folge)antrags des Klägers zuständig, der - weil er seinen Antrag nicht beschränkt hat - auch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
49a. Die Dublin III-VO ist im vorliegenden Fall anwendbar.
50aa. Das gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Nach Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (ab dem 1. Januar 2014) gestellt werden (Satz 1). Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO (Satz 2). Maßgeblich ist danach hier der in Deutschland - am 15. Oktober 2014 - gestellte Antrag, nicht etwa der 2013 in Italien bestandkräftig beschiedene (erste) Antrag des Klägers in einem Mitgliedstaat.
51Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, und vom 7. Juli 2016 - 13 A 2302/15.A, juris; a.A. Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Stand 1. Februar 2014, Art. 49 K 3, VG München, Urteil vom 17. März 2016 - M 22 K 15.30257 -, juris; VG Würzburg, Urteil vom 12. Mai 2016 - W 2 K 15.30105 -, juris, Rn. 27.
52Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO, in dem im Gegensatz zu anderen Vorschriften der Dublin III-VO (z.B. Art. 7 Abs. 2) auch nicht vom ersten Antrag die Rede ist. Die Zuständigkeitsfrage stellt sich ferner nur in Bezug auf einen aktuell zu bescheidenden Antrag. Ist über diesen ‑ wie hier in Italien ‑ bereits bestandskräftig entschieden, bedarf es insoweit keiner Zuständigkeitsbestimmung nach den Dublinregeln mehr.
53bb. Die Dublin III-VO ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar. Das Dublin-Verfahren ist nicht schon mit der - hier vorliegenden - Gewährung subsidiären Schutzes beendet worden.
54So aber u.a. VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 - 8 K 299/15.A -, juris, Rn. 51ff ; Schweizer Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Februar 2015 - Abteilung IV D-534/2015/plo -, offenlassend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 57/15 -, juris, Rn. 37.
55Zwar bestimmt die Dublin III-VO den zuständigen Mitgliedstaat für den Antrag auf internationalen Schutz, der nach Art. 2 lit. b Dublin III-VO i. V. m. Art. 2 lit. h der Richtlinie 2011/95/EU sowohl die Flüchtlingsanerkennung als auch die Gewährung subsidiären Schutzes umfasst. Daraus folgt aber nicht, dass nach der Gewährung subsidiären Schutzes für auf Flüchtlingsanerkennung gerichtete Asyl-(folge)anträge nicht mehr die Dublin III-VO anwendbar wäre. Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist es, einen Mitgliedstaat zu bestimmen, der (umfassend) für die auf internationalen Schutz gerichteten Anträge zuständig ist, um ein Asylshop-ping, d. h. die Bevorzugung von Ländern mit besonders günstigen Verhältnissen sowie die Stellung von Mehrfachanträgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verhindern. Das ergibt sich u.a. aus den Bestimmungen zum Gegenstand der Verordnung (Art. 1), den Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und deren Rangfolge (Kapitel III), den Pflichten des zuständigen Mitgliedstaates, diejenigen Personen zurückzunehmen, über deren (Erst)anträge noch nicht abschließend entschieden wurde oder deren Anträge abgelehnt wurden (Art. 18), sowie aus den als Ausnahme geregelten Voraussetzungen eines Zuständigkeitsübergangs (z.B. bei Fristversäumnis nach Art. 23 Abs. 3, Art. 29 Abs. 2 oder im Falle des Selbsteintritts nach Art. 17). Dem widerspricht es aber, wenn im Falle der sogenannten „Aufstocker“, also derjenigen Personen, die bereits subsidiären Schutz erhalten haben, aber nunmehr auch die Flüchtlingsanerkennung begehren, die Dublin III-VO nicht mehr anwendbar wäre. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasst nämlich nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus die Flüchtlingsanerkennung. Letztere ist dem subsidiären Schutz auch nicht etwa gleichwertig, sondern für die Betroffenen ggfs. mit weiteren Rechten verbunden, wie beispielsweise der Möglichkeit des Familiennachzugs. Die Verpflichtung, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO) erfasst diese Personengruppe schließlich auch, denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes ist gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden.
56So im Ergebnis auch Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land - Rechtliche Probleme, Asylmagazin 2015, 148, 150 f.; Bergmann, Das Dublin-Asylsystem, ZAR 2015, 81, 83.
57cc. Auch die Ablehnung der italienischen Behörden, den Kläger nach den Dublin-Regelungen zu übernehmen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Dublin-Verordnung ist geltendes europäisches Recht und steht nicht zur Disposition der daran gebundenen Mitgliedstaaten. Im Übrigen hat Italien nicht generell die Übernahme des Klägers abgelehnt, sondern zu erkennen gegeben, dass es den Kläger nach dem Rücknahmeabkommen übernehmen wird und ihn schlussendlich auch (zweimal) übernommen. Jedenfalls in dieser Fallgestaltung, in der der Übernahme zugestimmt wird, kann nicht entscheidend sein, auf welcher Rechtsgrundlage der aufnehmende Mitgliedstaat meint, verpflichtet zu sein.
58b. Aus den Vorschriften der Dublin III-VO ergibt sich die Zuständigkeit Italiens für den Antrag des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung.
59aa. Nach Art 13 Abs. 1 Dublin III-VO war zunächst Italien als Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig geworden, da der Kläger die italienische Grenze aus einem Drittstaat (Libyen) kommend im Jahr 2013 illegal überschritten hat. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenz-übertritts. Da Italien dem Kläger aber subsidiären Schutz gewährt und einen (bis zum 10. Juni 2019) gültigen Aufenthaltstitel ausgestellt hat, wurde eine weitere Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO begründet.
60bb. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland liegt nicht vor.
61(1) Ein solcher ergibt sich weder aus Art. 19 Dublin III-VO, noch ist ein Zuständigkeitswechsel wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erfolgt. Wegen der Ablehnung Italiens, den Kläger nach der Dublin III-VO zurückzunehmen, hat der Fristlauf schon nicht begonnen.
62(2) Auch ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO zuständig geworden. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat vorgenommen werden kann. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, insbesondere ist kein Fall des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gegeben. Nach dieser Vorschrift setzt der prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehen Kriterien fort, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
63(a) Diese Regelung geht zurück auf die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR zu systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen bei Verfahren nach der Dublin II-VO. Danach kann die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens beruhende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der EMRK steht, widerlegt werden. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die asylrechtlichen Richtlinien der EU – Richtlinie 2003/9/EG bzw. 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie), Richtlinie 2004/83/EG bzw. 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), Richtlinie 2005/85/EG bzw. 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) – genügen. Vielmehr müssen die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta – der Art. 3 EMRK entspricht – ausgesetzt zu werden.
64Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C- 411/10 und C-493/10 (N.S.) -, NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff., vom 14. November 2013 - C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 30 ff., und vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi ) -, NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 52; EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, ZAR 2011, 395, Rn. 216 ff., und vom 4. November 2014 ‑ 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 93 und102 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5 ff., vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5, und vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 3 ff.; vgl. zum Ganzen ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 65 ff.
65Wegen des in Deutschland geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss sich der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Systemische Mängel liegen danach vor, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 9.
67Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89 ff.
69Hingegen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung (hier: der Entscheidung) systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen, wobei zu beachten ist, dass persönliche Erlebnisse Betroffener durch neuere Entwicklungen in dem betreffenden Staat überholt sein können.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6; s. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 30.
71Diese zur Dublin II-VO entwickelten Grundsätze gelten auch für Verfahren nach der Dublin III-VO. Der in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO geregelte Maßstab, dass es „wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen“ ist eine Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung.
72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5; Bay. VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, AuAS 2015, 104 = juris, Rn. 28; Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 - 5 B 259/15.A -, juris, Rn. 27.
73Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Asylbewerbern ist maßgeblich auf Ausländer in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie der des Klägers abzustellen, d. h. eines allein stehenden jungen Mannes, der in Italien vor seiner Weiterreise nach Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt hat, das mit der Gewährung subsidiären Schutzes und einer italienischen Aufenthaltser-laubnis endete, und der nunmehr noch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
74(b) Hiervon ausgehend steht nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden Erkenntnismaterial zur Überzeugung des Senats fest, dass es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahrens und/ oder die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien systemische Schwach-stellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
75Vgl. ebenso für Italien – in unterschiedlichen Fallkonstellationen – EGMR, Urteil vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 36, vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 35, und vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, juris, Rn. 114 f.; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 35 ff., und vom 19. Mai 2016 - 13 A 516/14.A -, juris, vom 10. Juli 2015 ‑ 15 A 1048/14.A -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 47 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 43 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628 = juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 10 A 681/13.Z.A ‑, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -, juris.
76(aa) Bei der Würdigung der Erkenntnisse ist zunächst davon auszugehen, dass Italien - sowohl im Hinblick auf das dortige Rechtssystem als auch die Verwaltungspraxis - über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Asylverfahren verfügt.
77Vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 2. und 3.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 16 ff.; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 4; s. auch EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 37.
78Ob Art. 4 GR-Charta die vollständige Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien erfordert, kann offen bleiben. Das Asylverfahren in Italien ist inzwischen richtlinienkonform. Mit Wirkung vom 30. September 2015 wurden die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuazione della direttiva 2013/33/UE recante norme relative all’accoglienza die richiedenti protezione internazionale, noché della direttiva 2013/32/UE, recante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“).
79Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 9 und 12.
80Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das Asylsystem trotz ggf. einzelner Unzulänglichkeiten prinzipiell funktionsfähig ist. Es ist weder in Bezug auf die tatsächliche Dauer noch auf die Qualität menschenrechtswidrig. In etwa der Hälfte der Fälle ist in den letzten Jahren ein Schutzstatus gewährt worden (2013: 61 %, 2014: 59 %, 2015: 42 %).
81Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 44 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 133 ff.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 7; zur Schutzquote vgl. Eurostat, recognition rates, 2013, 2014, 2015, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
82Bisher ist regelmäßig vor allem gerügt worden, dass für die formelle Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione) eine Wohnsitzbestätigung erforderlich sei und in der mitunter langen Zeit bis zur verbalizzazione eine Unterbringung nicht gewährleistet sei. Es kann offen bleiben, ob insoweit systemische Schwach-stellen anzunehmen wären. Nach der aktuellen Rechtslage (Gesetzesdekret 142/2015) wird ein Wohnsitz nicht verlangt und beträgt die Frist zwischen Asyl-gesuch und formeller Registrierung drei, maximal zehn Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis länger dauert, ist die Unterbringung in der Regel gewährleistet.
83Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.
84Gesetzesdekret 142/2015 stellt klar, dass die Adresse der Unterbringungseinrichtung in der der Antragsteller wohnt, als Wohnsitz zu betrachten ist.
85Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 21.
86Da das Asyl(erst)verfahren des Klägers in Italien bereits abgeschlossen ist, kommt es auf diese Fragen schon nicht an, weil er bei den zuständigen Behörden erfasst ist.
87Italien ermöglicht – wie in Art. 40 Richtlinie 2013/32/EU vorgesehen – ein Folgeverfahren, wenn neue Umstände vorgebracht werden können.
88Vgl. SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 3, und vom 18. Mai 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 17, 47 f.
89Ein Folgeantrag (subsequent application) muss bei der Questura gestellt werden, die ihn an die zuständige Territorialkommission (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale, CTRPI) zur Prüfung weiterleitet. Im Übrigen gelten für das Folgeverfahren im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
90Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48.
91(bb) Dublin-Rückkehrer müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der Durchführung ihres Asylfolgeverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie wegen der Aufnahmebedingungen in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GR-Charta verletzt werden. Dabei ist auch bei Folgeantragstellern grundsätzlich auf die für Asylbewerber geltenden Umstände abzustellen.
92Vgl. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 ‑ 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 31 f.
93Verfolgt der Kläger das in Deutschland angebrachte Asylbegehren, d. h. seinen auch auf Flüchtlingsanerkennung gerichteten Antrag, in Italien weiter oder stellt er dort alternativ einen erneuten Antrag auf Flüchtlingsanerkennung, handelt es sich um einen (ersten) Folgeantrag, der zur Anwendbarkeit der Aufnahmerichtlinie führt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) – die nach den obigen Ausführungen in Italien auch umgesetzt worden ist – gilt diese für alle Personen, die internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen. Der 8. Erwägungs-grund stellt klar, dass die Aufnahmerichtlinie in allen Phasen und auf alle Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen, Anwendung findet. Ausnahmen vom Recht auf Verbleib nach Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU liegen hier nicht vor.
94Für das Asyl-Folgeverfahren gelten jedenfalls beim ersten Folgeantrag im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
95Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
96Dabei wird ohne weitere Differenzierung davon ausgegangen, dass nach der Stellung des Folgeantrags (CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48), d. h. während der „Abklärung“ (SFH, 18. Mai 2016, S. 2), die auch die Klärung der Zulässigkeit umfasst, eine Gleichbehandlung mit den Erstantragstellern erfolgt.
97Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ist für Asylbewerber in Italien nicht gegeben. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger während der Dauer des Asylfolgeverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise wird befriedigen können. Die zweifellos bestehenden Mängel der Aufnahmebedingungen sind nicht derart gravierend, dass bei jedem Rückkehrer die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 4 GR-Charta zu bejahen wäre.
98Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta angesehen werden,
99vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 28 f., vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 96 f., und vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250 f. und 263; zurückhaltender EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, Rn. 84 (nicht jeder geringste Verstoß genügt); OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 120 ff.; kritisch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407), sowie Hailbronner, AuslR, Stand März 2015, § 27a Rn. 22,
100hat Italien, wie bereits ausgeführt, in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis im erheblichen Ausmaß nicht beachtet werden.
101Das in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 g) Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt auch nicht systematisch unbeachtet, so dass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre.
102Vgl. für Griechenland EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, EuGRZ 2011, 243 = juris, Rn. 253, 263.
103Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen.
104Wer noch keinen Asylantrag gestellt hat, kann bei der Questura desjenigen Flughafens, an den er rücküberstellt wird, einen Asylantrag stellen (Verbalizzazione) und erhält etwa bei der Nichtregierungsorganisation (non-governmental organization, NGO) am Flughafen in Rom einen Unterbringungsplatz in einem CAS (Centro die accoglienza straordinaria)-Zentrum in der Umgebung von Rom. Wer vor der Weiterreise bereits ein Asylgesuch in Italien gestellt hatte, muss zur zuständigen Questura reisen, um das Asylverfahren weiterzuführen. Dazu erhält er an der Grenze, etwa auch bei seiner Ankunft am Flughafen in Rom, von NGOs ein Bahnticket zur Verfügung gestellt. Bei der zuständigen Präfektur wird die Unterkunft beantragt. Wer das Unterbringungszentrum ohne Meldung verlassen hat, verliert zwar grundsätzlich seinen Unterkunftsanspruch, kann aber einen neuen Platz beantragen.
105Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 4 ff.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.2 und 2.1., und vom 11. September 2013; zu letztgenanntem Gesichtspunkt s. auch CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 75.
106Für Folgeantragsteller gilt nichts anderes, insbesondere können sie ebenfalls in den Unterkunftszentren unterkommen.
107Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
108Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterbringungsplätze in CAS-, CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza)-, CDA (centro di accoglienza)-, CARA (Centro di accoglienza per richiedenti asilo; jetzt: „centri governativi di accoglienza“)- und SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“)-Einrichtungen, wovon der größte Anteil auf die temporären Aufnahmeeinrichtungen des CAS-Systems entfällt (76.683 Plätze).
109Dem standen 2015 rund 84.000 neue Asylanträge gegenüber, ca. 20.000 mehr als im Vorjahr.
110Vgl. die Eurostat-Statistik „Asylum and new asylum applicants – annual aggregated data –“, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
111Hinzu kommen noch die Personen, die sich bereits zuvor im Asylverfahren befanden, und die Dublin-Rückkehrer.
112Am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht.
113Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Italien, Wien, 22. März 2016.
114Unterstützt von EASO (European Asylum Support Office der EU) hat Italien die Unterkunftskapazitäten erheblich erhöht.
115Vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 1.
116Das SPRAR-System, ein kommunales Unterbringungssystem, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht, wird ständig ausgebaut und soll von 20.000 auf mindestens 35.000 Plätze aufgestockt werden.
117Vgl. AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4.
118Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet.
119Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
120Eine zuvor angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 20 bzw. 35 Tagen in CARA-/CDA-Zentren oder sechs Monaten in SPRAR-Einrichtungen, die im Übrigen oft wesentlich überschritten wurde,
121vgl. ASGI (Associazione Studi Giuridici sull’Immi-grazione), The Dublin System and Italy: A Wavering Balance, März 2015, S. 13 f., 23 f.; aida (Asylum Information Database): Country Report Italy, Januar 2015, S. 53; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 11. September 2013; UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2012, S. 12; borderline-europe e.V., Auskunft an VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 34 f. und 51,
122gibt es für Asylantragsteller nicht (mehr). Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthaltes ist im Gesetzesdekret 142/2015, das die entsprechenden Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umsetzt, nicht vorgesehen.
123Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
124Ergänzend zu den staatlichen Unterbringungseinrichtungen stellen verschiedene kirchliche oder kommunale Einrichtungen sowie lokale Hilfsorganisationen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Unterkünfte zur Verfügung.
125Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4, und an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 4.4; borderline-europe e.V., Auskunft an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 21.
126Insgesamt kann angesichts dieser Zahlen nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist und nicht in jedem Fall den Mindeststandards entspricht,
127vgl. zu den Bedingungen in den Einrichtungen CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 70 ff.; SFH, Auskunft an das VG Schwerin vom 23. April 2015, S. 4,
128im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist.
129Selbst wenn man aber unterstellt, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, ergäbe sich daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitendes Versagen des Staates. Die Menschenrechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten.
130Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 158.
131Nach den vorliegenden Erkenntnissen reagiert Italien jedenfalls inzwischen flexibel auf den Zustrom. Das System ist durch die kurze Auftragsdauer für die temporären CAS-Zentren (Ausschreibung alle sechs Monate) sehr flexibel in Bezug auf Schwankungen. Ferner waren jüngst unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) verschiedene Projekte ausgeschrieben, die auch die Unterbringung von Asylbewerbern umfassten.
132Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.
133Hiervon ausgehend ist die Erwartung, dass künftig wieder mehr Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer suchen und in Italien die Grenze zur EU überschreiten werden, nicht ausreichend, um derzeit systemische Schwachstellen anzunehmen. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn – was hier nicht der Fall ist – absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden.
134Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 41.
135Die aktuelle Presseberichterstattung veranlasst nicht zu einer anderen Bewertung. Hier wird zwar von Kapazitätsengpässen insbesondere wegen des jahreszeitbedingten starken Zustroms von Flüchtlingen über das Mittelmeer berichtet, aber auch von den Bemühungen Italiens, kurzfristige Lösungen zu finden sowie vom Erfolg derartiger Bemühungen.
136Vgl. u.a. Maxwill, Flüchtlingschaos in Sizilien, Der Spiegel, online-Ausgaben vom 20., 21., 23. und 24.Juni 2016, Starker Flüchtlingsandrang in Italien, Frankfurter Rundschau, online-Ausgabe vom 30. Mai 2016.
137Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung (vgl. Art. 19 Richtlinie 2013/33/EU) ist während des Asyl(folge)verfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet. Asylbewerber haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Die übrige Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen, teilweise auch über karitative Organisationen.
138Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5.
139Zudem ist es Asylbewerbern nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 bereits 60 Tage nach Stellung des Asylgesuchs erlaubt zu arbeiten.
140Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 81.
141Auch der EGMR hat für den Fall eines alleinstehenden (jungen) Mannes (Urteile vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) - und vom 30. Juni 2015 – 39350/13 (A.S. ./.Schweiz) -) keine Grundlage für die Annahme gesehen, ihm drohe im Fall der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Die Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 - 29217/12 (T. ./. Schweiz) -, mit der die Rückführung nach Italien von Garantien italienischer Behörden abhängig gemacht worden ist, beruhte auf der besonderen - hier nicht vorliegenden - Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, der spezifischen Schutzbedürftigkeit von Kindern und dem Gebot der Wahrung der Familieneinheit.
142(cc) Wenn der Kläger in Italien nicht als Dublin-Rückkehrer behandelt werden sollte, sondern, weil er dort bereits subsidiären Schutz und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hat, wie alle international Schutzberechtigten, läge eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GR-Charta ebenfalls nicht vor.
143Denn auch die Lebensverhältnisse international Schutzberechtigter in Italien in vergleichbarer Lage stellen sich nicht als unmenschlich oder erniedrigend dar.
144Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind in Italien Ausländer, die dort als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d. h., es wird grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen.
145Vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.4.1; SFH an OVG NRW, 7. April 2016, S. 4 ff.
146Dies ist nicht menschenrechtswidrig. Art. 4 GR-Charta verpflichtet - ebenso wie der gleichlautende Art. 3 EMRK - nicht, jedermann im Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch wird damit keine allgemeine Verpflichtung begründet, Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
147Vgl. zu Art. 3 EMRK: EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 ‑ 30696/09 (M.S.S.) -, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 2. April 2013 ‑ 27725/10 (Mohammed Hussein) -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, juris, Rn. 119.
148Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK bzw. von Art. 4 GR-Charta verboten wird, zu überschreiten.
149Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 2. September 2015 ‑ 9 A 399/14 ‑, juris Rn. 46 m. w. N.
150Dies entspricht im Übrigen auch den Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt werden. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte – anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats – regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können.
151Italien hat inzwischen die Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt.
152Vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati (CIR), Asylum Information Database (AIDA), Dezember 2015, S. 9.
153Es ist deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigte in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis Art. 35 dieser Qualifikationsrichtlinie genannten Rechte kommen.
154Die zurückkehrenden Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten sind zudem nicht gänzlich sich selbst überlassen.
155Kehren sie aus dem Ausland zurück, können sie sich etwa am Flughafen in Rom von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beraten lassen.
156Vgl. Auswärtiges Amt (AA) an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5; SFH, April 2016, S. 5; zurückhaltender noch SFH, Oktober 2013, 5.1.
157Dort erfahren sie auch, welche Questura für sie zuständig ist. Diese wird informiert und der Flüchtling bzw. Schutzberechtigte erhält ein Bahnticket, um dorthin zu gelangen.
158Vgl. SFH, April 2016, S. 5; AA, Februar 2016, S. 5.
159Für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ist die Behörde der Gemeinde zuständig, in der sie ihren Asylantrag gestellt haben.
160Vgl. SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 32, 35; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 3.
161Der Kläger verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund der Gewährung subsidiären Schutzes, die bis zum 10. Juni 2019 gültig ist.
162Die Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum war und ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Ein Teil kann auch nach der Anerkennung als Flüchtling in einer Einrichtung der SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugati) für begrenzte Zeit Aufnahme finden. Auch caritative Einrichtungen stellen Unterkünfte zur Verfügung.
163Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. August 2013, S. 3.
164In großen Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil hunderten von Bewohnern, ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterkommen.
165Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 33, 34 f.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.2.
166Inzwischen hat sich die Situation aber verbessert. Das Auswärtige Amt hat schon im August 2013 und gegenüber dem erkennenden Gericht unter dem 23. Februar 2016 mitgeteilt, im Ergebnis könne davon ausgegangen werden, dass für die anerkannten Asylsuchenden und Flüchtlinge (und damit auch für die subsidiär Schutzberechtigten) in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen.
167Vgl. AA, August 2013, S. 3; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5.
168In Italien gibt es kein allgemeines System der Sozialhilfe. Etwaige gemeindliche Unterstützungsleistungen sind an den offiziellen Wohnsitz in der Gemeinde geknüpft.
169Vgl. SFH, Mai 2011, S. 35.
170Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Ausländer und Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen.
171Vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Informationen Italien, Januar 2012, 4.6.
172Lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder NGOs unterhalten Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen.
173Vgl. AA an OVG Sachsen-Anhalt, 21. Januar 2013, 7.3.
174Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Schutzberechtigte, wenn sie ‑ wie viele Italiener auch ‑ arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen.
175Vgl. borderline europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012, Dezember 2012, 9.2, 10.4.; AA, 23. Februar 2016 an OVG NRW, S. 5, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam.
176Für eine legale, sozialversicherungspflichtige Arbeit ist ein fester Wohnsitz Voraussetzung.
177Vgl. borderline europe e. V., a. a. O.; SFH, August 2014, S. 5.
178Jedenfalls in Rom können Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Centro Astelli/Jesuitenflüchtlingsdienst und einigen anderen Einrichtungen anmelden.
179Vgl. SFH, August 2014, S. 5.
180Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, kommen häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter.
181Vgl. SFH, Mai 2011, S. 33; SFH, Oktober 2013, 5.3.
182Daraus kann allerdings nicht auf eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta geschlossen werden.
183Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung,
184vgl. SFH, 18. Mai 2016 an OVG NRW, S. 4; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 6, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam; vgl. Deutsche Botschaft Rom, Januar 2012, S. 25 ff.; AA an VG Freiburg, 11. Juli 2012, S. 2; AA an VG Gießen, 15. November 2012, S. 2; borderline, a. a. O., 9.2, 10.4.
185Zusammenfassend ist danach davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Italien staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten.
186(dd) Individuelle, in der Person des Klägers liegende besondere Gründe, die auf eine Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren eine Nierenerkrankung geltend gemacht. Dafür hat er zwei Bescheinigungen vorgelegt, zum einen für eine am 29. November 2014 durchgeführte Akutbehandlung wegen einer Nierenkolik, zum anderen eine Bescheinigung des weiterbehandelnden Arztes vom 4. Dezember 2014 mit der Diagnose linksseitige Stauungsniere bei Verdacht auf Ureterstein. In der mündlichen Verhandlung am 9. September 2015 gab er aber an, die Nierenmedikamente nicht mehr zu nehmen und lediglich ab und zu unter Schmerzen bzw. unter Erbrechen sowie unter Hämorrhoiden zu leiden. In der Folgezeit gibt es keine konkreten Angaben zu gesundheitlichen Problemen, weder den Ausführungen im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren noch dem von der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegten Verwaltungsvorgang lässt sich derartiges entnehmen. Hier wurde - ohne konkrete Angaben - lediglich ausgeführt, der Kläger bedürfe fachärztliche Betreuung. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen, aus denen sich ein gegenwärtig bestehender Behandlungsbedarf ergibt, wurden nicht vorgelegt. Mit Blick darauf hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt, dass und wegen welcher Beschwerden er weiterhin auf ärztliche Behandlung angewiesen ist. Soweit der Kläger ferner geltend macht, er sei obdachlos und lebe vom Betteln, hat er nicht ausreichend dargelegt, dass und in welcher Art und Weise er sich überhaupt ernsthaft um eine Unterkunft und um sonstige Versorgung bemüht hat.
187II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Rücknahmebereitschaft im positiven Sinne geklärt sein muss. Dem Bundesamt obliegt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen noch inlandsbezogene Vollzugshindernisse der Abschiebung entgegenstehen. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe.
188Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, und vom 3. März 2015 - 14 B 102/15.A -, juris.
189Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich. Das Bestehen von gegenwärtig noch behandlungsbedürftigen Erkrankungen hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt. Die Voraussetzungen für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Die Rückführung ist tatsächlich möglich. Zwar hat Italien die Überstellung nach der Dublin-VO abgelehnt, weil die dortigen Behörden der Auffassung waren, die Dublin-Verordnungen finde im vorliegenden Fall keine Anwendung (mehr). Italien hat aber seine Bereitschaft zur Übernahme nach dem Übernahmeabkommen erklärt und den Kläger auch (schon das zweite Mal) tatsächlich übernommen.
190C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
191Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
192Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der 1993 geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste am 29. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15. Oktober 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt (persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens) am gleichen Tage gab er an, er habe sein Herkunftsland Somalia am 30. Dezember 2012 verlassen und sei über Äthiopien, Sudan und Libyen zunächst nach Italien gereist. Dort seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Asyl habe er nicht beantragt. Er sei schließlich mit dem Zug auf unbekannter Route nach Deutschland gelangt. Das Bundesamt führte eine Anfrage bei der Eurodac-Datenbank durch, die ergab, dass der Kläger am 25. Juni 2013 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte (Eurodac-Treffer der Kategorie 1). Daraufhin richtete das Bundesamt am 27. Oktober 2014 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden. Mit Schreiben vom 10. November 2014 lehnte das italienische Innenministerium das Übernahmeersuchen mit der Begründung ab, dem Kläger sei in Italien bereits internationaler Schutz in Form subsidiären Schutzes gewährt worden. Er verfüge über eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Das Asylverfahren sei damit in Italien abgeschlossen. Die Übernahme sei allerdings im Rahmen der polizeilichen Vereinbarung möglich.
3Mit Bescheid vom 12. November 2014 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe (Ziffer 1), und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).
4Am 1. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Den zeitgleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (13 L 2923/14.A) hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 23. Januar 2015 abgelehnt.
5Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen: Der angefochtene Bescheid genüge nicht den in der Entscheidung Tarakhel ./. Schweiz erfolgten Vorgaben des EGMR. Der Kläger sei in Italien der Obdachlosigkeit ausgesetzt gewesen. Er habe in Rom auf der Straße gelebt und betteln müssen. Eine Versorgung habe nicht stattgefunden, insbesondere keine Gesundheitsversorgung. Letztere benötige der Kläger, es sei eine Nierenoperation geplant. Der Kläger leide unter einer Stauungsniere bei Verdacht eines Nierensteins.
6Der Kläger hat beantragt,
7den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 aufzuheben.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Mit Urteil vom 9. September 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Bescheid sei rechtmäßig. Die Dublin III-VO gehe nicht der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG vor. Der dem Kläger in Italien gewährte subsidiäre Schutz sei als internationaler Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zu qualifizieren, bei dessen Vorliegen die Dublin III-VO keine Anwendung mehr finde. Die Voraussetzungen des § 26a AsylG lägen vor; Italien sei ein sicherer Drittstaat. Der Kläger könne sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse berufen. Ihm werde in Italien hinreichender Schutz gewährt. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen habe er nicht vorlegen können. Aus den übersandten älteren Bescheinigungen lasse sich kein Rückschluss auf seinen derzeitigen Gesundheitszustand ziehen. Zu einer aktuellen ärztlichen Behandlung habe er nichts Konkretes sagen können.
11Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Italien sei kein sicherer Drittstaat, da das Versorgungssystem systemische Schwachstellen aufweise, welche die Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung i.S. d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen könne. Der Kläger sei in Italien von Obdachlosigkeit und Mangelversorgung bedroht. Er bedürfe zudem medizinischer Fachversorgung.
12Der Kläger beantragt,
13das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 (13 K 8025/14.A) abzuändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 aufzuheben.
14Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
15Die Ausländerbehörde hatte den Kläger, nach Vorliegen der Rücknahmebereit-schaft der italienischen Behörden (Schreiben vom 29. Januar 2016) wegen des dort gewährten subsidiären Schutz und der erteilten Aufenthaltserlaubnis (gültig bis zum 10. Juni 2019), am 22. April 2016 nach Italien überstellt. Der Kläger war sodann am 3. Mai 2016 wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er macht geltend, der Bescheid sei durch die erfolgte Überstellung gegenstandslos geworden und aufzuheben. Am 16. Juni 2016 hat die Ausländerbehörde den Kläger erneut nach Italien überstellt. Hierzu trägt der Prozessbevollmächtigte vor, er habe am 31. August 2016 mit dem Kläger telefoniert. Dieser verfüge derzeit in Italien nicht über einen festen Wohnsitz. Eine Wohnsitznahme über das Sozial-amt sei bisher nicht möglich gewesen. Er lebe vom Betteln.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens (13 L 2923/14.A) sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts und der Ausländerbehörde Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung der Bekannt-machung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 5 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
20A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere statthaft.
21"Drittstaatenbescheide" nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG a.F. können ebenso wie Entscheidungen über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-Verordnungen („Dublin-Bescheide“) mit der isolierten Anfechtungsklage angefochten werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 22 ff. und vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, Rn. 18 f. m. w. N. zu den „Dublin-Bescheiden“, OVG Saarland, Beschluss vom 23. März 2016 ‑ 2 A 38/16 ‑, juris, Rn. 15 ff.; jeweils zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes; a. A. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 31 Rn. 62.
23Der Kläger hat auch - trotz seiner zwischenzeitlichen Überstellung nach Italien - ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Entgegen teilweise vertretener Auffassung -
24so u.a. VG München, Urteile vom 9. März 2016 ‑ M 12 K 15.30071 -, juris, Rn. 27, und vom 2. Juli 2012 - M 15 K 12.30110, juris, Rn. 15; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28. November 2012 ‑ 3 K 525/11.A -, juris, Rn. 21 ff.; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 9 -
25hat sich der Bescheid dadurch weder insgesamt noch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung erledigt.
26Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 35 ff.; Funke-Kaiser in: GK AsylVfG, Stand Mai 2015, § 34a Rn. 70, so im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 ‑, juris.
27Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG tritt dann ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
28Das ist hier nicht der Fall. Für die Abschiebungsanordnung folgt das bereits daraus, dass diese gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG unbeschränkt für alle Zukunft Grundlage künftiger Aufenthaltsbeendigungen im Falle eines Folgeantrags sein soll.
29Vgl. dazu auch Funke-Kaiser, a. a. O. § 34a Rn. 70.
30Außerdem bildet die Abschiebungsanordnung weiterhin die Rechtsgrundlage für die vollzogene Abschiebung. Die Aufhebung der Abschiebungsanordnung ist auch nicht sinnlos, denn im Falle einer rechtswidrigen Abschiebung kann diese einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auslösen.
31Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 219, 221.
32Hierfür spricht schließlich auch die in Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
33Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 44.
34Das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers in Italien nach der (nicht freiwillig erfolgten) Überstellung, lässt ebenfalls nicht auf ein nicht mehr bestehendes Interesse am Fortgang des Verfahrens schließen. Mit Blick darauf, dass der Kläger noch kurz vor seiner zweiten Überstellung nach Italien geäußert hat, er wolle keinesfalls nach Italien und werde im Falle einer Überstellung immer wieder nach Deutschland zurückkehren, ist vielmehr davon auszugehen, dass er weiterhin in Deutschland ein Asyl(folge)verfahren mit dem Ziel der Flüchtlingsanerkennung betreiben will.
35B. Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36I. Das Bundesamt hat zu Recht in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids mit der Feststellung, dass dem Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, eine inhaltliche Prüfung nicht vorgenommen und eine sachliche Entscheidung über den Asylantrag nicht getroffen.
371. Als Rechtsgrundlage dieser Entscheidung kommen nur §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 31 Abs. 1 Satz 5, Abs. 6 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
38a. Der Bescheid ist auf §§ 26a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 4 AsylG a. F. gestützt. Danach war festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Nach den im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden und nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG hier maßgeblichen §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG ist die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig möglich, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Diese Rechtsgrundlage ist hier nicht anwendbar. Dabei kann offen bleiben, ob dies aus Unionsrecht folgt. Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG (VRL-2005), deren Anwendbarkeit bei einer - hier vorliegenden - Antragstellung vor dem 20. Juli 2015, aus der Stichtagsregelung in Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU gefolgert wird,
39vgl. dazu BVerwG Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 B 41.15 -, juris, Rn. 11,
40bestimmt: Die Mitgliedstaaten können einen Antrag als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Daraus könnte folgen, dass im Falle „nur“ subsidiärer Schutzgewährung durch den Drittstaat ein Vorgehen nach § 26a AsylG unionsrechtswidrig wäre.
41Vgl. zum Vorgehen nach § 26a AsylG bei anderweitiger Flüchtlingsanerkennung OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris.
42Jedenfalls scheiden §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG als Rechtsgrundlage deshalb aus, weil hier ein Dublin-Verfahren vorliegt, bei dem die speziellere Norm des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG vorrangig anwendbar ist.
43b. Dass das Bundesamt den angefochtenen Bescheid nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG, sondern auf § 26a, § 31 Abs. 4 AsylVfG (entspricht §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung) gestützt hat, ist unerheblich. Jedenfalls kann der Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit a) AsylG aufrecht erhalten werden. Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an; vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, an Stelle des von der Verwaltung herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Spruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass dabei am Spruch des Bescheids nichts Wesentliches geändert wird.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 -, BVerwGE 80, 96 (98) = juris, Rn. 12 f., vom 12. April 1991 - 8 C 92.89 -, juris, Rn. 9, und vom 31. März 2010 - 8 C 12.09 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 24. August 2016 - 13 A 63/16.A -, juris; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 26.
45Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids festgestellt, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht. Im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG wird zwar keine derartige Feststellung getroffen, sondern der Asylantrag als unzulässig abgelehnt. Das führt aber nicht zu einer Wesensänderung des Bescheids. Es handelt sich nicht um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen. Bei der Ablehnung des Asylantrags des Klägers auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG besteht ebenso wie bei der Entscheidung nach § 26a AsylG i. V. m. § 31 Abs. 4 AsylG a. F. kein Ermessensspielraum. Beide Normen erfassen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sehen auf der Tatbestandsseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezug nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in beiden Fällen voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU (im Folgenden: GR-Charta) bzw. dem gleichlautenden Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ausgesetzt zu werden. Auch die weiteren Rechtsfolgen sind in beiden Fällen identisch. Sie ergeben sich jeweils aus § 34 a AsylG.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 62 ff., OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. Februar 2016 - 1 A 11081/14 -, juris, Rn. 23.
472. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger vor der Entscheidung des Bundesamtes ordnungsgemäß angehört worden.
483. Die inhaltliche Regelung in Ziffer 1 ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG (s.o.) liegen vor. Im Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG entscheidungserheblich ist, ist nach der Dublin III-VO ein anderer Mitgliedstaat und zwar Italien für die sachliche Prüfung des Asyl(folge)antrags des Klägers zuständig, der - weil er seinen Antrag nicht beschränkt hat - auch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
49a. Die Dublin III-VO ist im vorliegenden Fall anwendbar.
50aa. Das gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Nach Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (ab dem 1. Januar 2014) gestellt werden (Satz 1). Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO (Satz 2). Maßgeblich ist danach hier der in Deutschland - am 15. Oktober 2014 - gestellte Antrag, nicht etwa der 2013 in Italien bestandkräftig beschiedene (erste) Antrag des Klägers in einem Mitgliedstaat.
51Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, und vom 7. Juli 2016 - 13 A 2302/15.A, juris; a.A. Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Stand 1. Februar 2014, Art. 49 K 3, VG München, Urteil vom 17. März 2016 - M 22 K 15.30257 -, juris; VG Würzburg, Urteil vom 12. Mai 2016 - W 2 K 15.30105 -, juris, Rn. 27.
52Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO, in dem im Gegensatz zu anderen Vorschriften der Dublin III-VO (z.B. Art. 7 Abs. 2) auch nicht vom ersten Antrag die Rede ist. Die Zuständigkeitsfrage stellt sich ferner nur in Bezug auf einen aktuell zu bescheidenden Antrag. Ist über diesen ‑ wie hier in Italien ‑ bereits bestandskräftig entschieden, bedarf es insoweit keiner Zuständigkeitsbestimmung nach den Dublinregeln mehr.
53bb. Die Dublin III-VO ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar. Das Dublin-Verfahren ist nicht schon mit der - hier vorliegenden - Gewährung subsidiären Schutzes beendet worden.
54So aber u.a. VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 - 8 K 299/15.A -, juris, Rn. 51ff ; Schweizer Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Februar 2015 - Abteilung IV D-534/2015/plo -, offenlassend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 57/15 -, juris, Rn. 37.
55Zwar bestimmt die Dublin III-VO den zuständigen Mitgliedstaat für den Antrag auf internationalen Schutz, der nach Art. 2 lit. b Dublin III-VO i. V. m. Art. 2 lit. h der Richtlinie 2011/95/EU sowohl die Flüchtlingsanerkennung als auch die Gewährung subsidiären Schutzes umfasst. Daraus folgt aber nicht, dass nach der Gewährung subsidiären Schutzes für auf Flüchtlingsanerkennung gerichtete Asyl-(folge)anträge nicht mehr die Dublin III-VO anwendbar wäre. Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist es, einen Mitgliedstaat zu bestimmen, der (umfassend) für die auf internationalen Schutz gerichteten Anträge zuständig ist, um ein Asylshop-ping, d. h. die Bevorzugung von Ländern mit besonders günstigen Verhältnissen sowie die Stellung von Mehrfachanträgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verhindern. Das ergibt sich u.a. aus den Bestimmungen zum Gegenstand der Verordnung (Art. 1), den Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und deren Rangfolge (Kapitel III), den Pflichten des zuständigen Mitgliedstaates, diejenigen Personen zurückzunehmen, über deren (Erst)anträge noch nicht abschließend entschieden wurde oder deren Anträge abgelehnt wurden (Art. 18), sowie aus den als Ausnahme geregelten Voraussetzungen eines Zuständigkeitsübergangs (z.B. bei Fristversäumnis nach Art. 23 Abs. 3, Art. 29 Abs. 2 oder im Falle des Selbsteintritts nach Art. 17). Dem widerspricht es aber, wenn im Falle der sogenannten „Aufstocker“, also derjenigen Personen, die bereits subsidiären Schutz erhalten haben, aber nunmehr auch die Flüchtlingsanerkennung begehren, die Dublin III-VO nicht mehr anwendbar wäre. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasst nämlich nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus die Flüchtlingsanerkennung. Letztere ist dem subsidiären Schutz auch nicht etwa gleichwertig, sondern für die Betroffenen ggfs. mit weiteren Rechten verbunden, wie beispielsweise der Möglichkeit des Familiennachzugs. Die Verpflichtung, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO) erfasst diese Personengruppe schließlich auch, denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes ist gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden.
56So im Ergebnis auch Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land - Rechtliche Probleme, Asylmagazin 2015, 148, 150 f.; Bergmann, Das Dublin-Asylsystem, ZAR 2015, 81, 83.
57cc. Auch die Ablehnung der italienischen Behörden, den Kläger nach den Dublin-Regelungen zu übernehmen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Dublin-Verordnung ist geltendes europäisches Recht und steht nicht zur Disposition der daran gebundenen Mitgliedstaaten. Im Übrigen hat Italien nicht generell die Übernahme des Klägers abgelehnt, sondern zu erkennen gegeben, dass es den Kläger nach dem Rücknahmeabkommen übernehmen wird und ihn schlussendlich auch (zweimal) übernommen. Jedenfalls in dieser Fallgestaltung, in der der Übernahme zugestimmt wird, kann nicht entscheidend sein, auf welcher Rechtsgrundlage der aufnehmende Mitgliedstaat meint, verpflichtet zu sein.
58b. Aus den Vorschriften der Dublin III-VO ergibt sich die Zuständigkeit Italiens für den Antrag des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung.
59aa. Nach Art 13 Abs. 1 Dublin III-VO war zunächst Italien als Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig geworden, da der Kläger die italienische Grenze aus einem Drittstaat (Libyen) kommend im Jahr 2013 illegal überschritten hat. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenz-übertritts. Da Italien dem Kläger aber subsidiären Schutz gewährt und einen (bis zum 10. Juni 2019) gültigen Aufenthaltstitel ausgestellt hat, wurde eine weitere Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO begründet.
60bb. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland liegt nicht vor.
61(1) Ein solcher ergibt sich weder aus Art. 19 Dublin III-VO, noch ist ein Zuständigkeitswechsel wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erfolgt. Wegen der Ablehnung Italiens, den Kläger nach der Dublin III-VO zurückzunehmen, hat der Fristlauf schon nicht begonnen.
62(2) Auch ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO zuständig geworden. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat vorgenommen werden kann. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, insbesondere ist kein Fall des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gegeben. Nach dieser Vorschrift setzt der prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehen Kriterien fort, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
63(a) Diese Regelung geht zurück auf die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR zu systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen bei Verfahren nach der Dublin II-VO. Danach kann die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens beruhende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der EMRK steht, widerlegt werden. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die asylrechtlichen Richtlinien der EU – Richtlinie 2003/9/EG bzw. 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie), Richtlinie 2004/83/EG bzw. 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), Richtlinie 2005/85/EG bzw. 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) – genügen. Vielmehr müssen die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta – der Art. 3 EMRK entspricht – ausgesetzt zu werden.
64Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C- 411/10 und C-493/10 (N.S.) -, NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff., vom 14. November 2013 - C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 30 ff., und vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi ) -, NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 52; EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, ZAR 2011, 395, Rn. 216 ff., und vom 4. November 2014 ‑ 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 93 und102 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5 ff., vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5, und vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 3 ff.; vgl. zum Ganzen ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 65 ff.
65Wegen des in Deutschland geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss sich der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Systemische Mängel liegen danach vor, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 9.
67Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89 ff.
69Hingegen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung (hier: der Entscheidung) systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen, wobei zu beachten ist, dass persönliche Erlebnisse Betroffener durch neuere Entwicklungen in dem betreffenden Staat überholt sein können.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6; s. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 30.
71Diese zur Dublin II-VO entwickelten Grundsätze gelten auch für Verfahren nach der Dublin III-VO. Der in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO geregelte Maßstab, dass es „wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen“ ist eine Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung.
72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5; Bay. VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, AuAS 2015, 104 = juris, Rn. 28; Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 - 5 B 259/15.A -, juris, Rn. 27.
73Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Asylbewerbern ist maßgeblich auf Ausländer in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie der des Klägers abzustellen, d. h. eines allein stehenden jungen Mannes, der in Italien vor seiner Weiterreise nach Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt hat, das mit der Gewährung subsidiären Schutzes und einer italienischen Aufenthaltser-laubnis endete, und der nunmehr noch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
74(b) Hiervon ausgehend steht nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden Erkenntnismaterial zur Überzeugung des Senats fest, dass es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahrens und/ oder die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien systemische Schwach-stellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
75Vgl. ebenso für Italien – in unterschiedlichen Fallkonstellationen – EGMR, Urteil vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 36, vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 35, und vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, juris, Rn. 114 f.; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 35 ff., und vom 19. Mai 2016 - 13 A 516/14.A -, juris, vom 10. Juli 2015 ‑ 15 A 1048/14.A -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 47 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 43 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628 = juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 10 A 681/13.Z.A ‑, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -, juris.
76(aa) Bei der Würdigung der Erkenntnisse ist zunächst davon auszugehen, dass Italien - sowohl im Hinblick auf das dortige Rechtssystem als auch die Verwaltungspraxis - über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Asylverfahren verfügt.
77Vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 2. und 3.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 16 ff.; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 4; s. auch EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 37.
78Ob Art. 4 GR-Charta die vollständige Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien erfordert, kann offen bleiben. Das Asylverfahren in Italien ist inzwischen richtlinienkonform. Mit Wirkung vom 30. September 2015 wurden die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuazione della direttiva 2013/33/UE recante norme relative all’accoglienza die richiedenti protezione internazionale, noché della direttiva 2013/32/UE, recante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“).
79Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 9 und 12.
80Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das Asylsystem trotz ggf. einzelner Unzulänglichkeiten prinzipiell funktionsfähig ist. Es ist weder in Bezug auf die tatsächliche Dauer noch auf die Qualität menschenrechtswidrig. In etwa der Hälfte der Fälle ist in den letzten Jahren ein Schutzstatus gewährt worden (2013: 61 %, 2014: 59 %, 2015: 42 %).
81Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 44 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 133 ff.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 7; zur Schutzquote vgl. Eurostat, recognition rates, 2013, 2014, 2015, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
82Bisher ist regelmäßig vor allem gerügt worden, dass für die formelle Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione) eine Wohnsitzbestätigung erforderlich sei und in der mitunter langen Zeit bis zur verbalizzazione eine Unterbringung nicht gewährleistet sei. Es kann offen bleiben, ob insoweit systemische Schwach-stellen anzunehmen wären. Nach der aktuellen Rechtslage (Gesetzesdekret 142/2015) wird ein Wohnsitz nicht verlangt und beträgt die Frist zwischen Asyl-gesuch und formeller Registrierung drei, maximal zehn Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis länger dauert, ist die Unterbringung in der Regel gewährleistet.
83Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.
84Gesetzesdekret 142/2015 stellt klar, dass die Adresse der Unterbringungseinrichtung in der der Antragsteller wohnt, als Wohnsitz zu betrachten ist.
85Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 21.
86Da das Asyl(erst)verfahren des Klägers in Italien bereits abgeschlossen ist, kommt es auf diese Fragen schon nicht an, weil er bei den zuständigen Behörden erfasst ist.
87Italien ermöglicht – wie in Art. 40 Richtlinie 2013/32/EU vorgesehen – ein Folgeverfahren, wenn neue Umstände vorgebracht werden können.
88Vgl. SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 3, und vom 18. Mai 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 17, 47 f.
89Ein Folgeantrag (subsequent application) muss bei der Questura gestellt werden, die ihn an die zuständige Territorialkommission (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale, CTRPI) zur Prüfung weiterleitet. Im Übrigen gelten für das Folgeverfahren im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
90Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48.
91(bb) Dublin-Rückkehrer müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der Durchführung ihres Asylfolgeverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie wegen der Aufnahmebedingungen in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GR-Charta verletzt werden. Dabei ist auch bei Folgeantragstellern grundsätzlich auf die für Asylbewerber geltenden Umstände abzustellen.
92Vgl. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 ‑ 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 31 f.
93Verfolgt der Kläger das in Deutschland angebrachte Asylbegehren, d. h. seinen auch auf Flüchtlingsanerkennung gerichteten Antrag, in Italien weiter oder stellt er dort alternativ einen erneuten Antrag auf Flüchtlingsanerkennung, handelt es sich um einen (ersten) Folgeantrag, der zur Anwendbarkeit der Aufnahmerichtlinie führt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) – die nach den obigen Ausführungen in Italien auch umgesetzt worden ist – gilt diese für alle Personen, die internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen. Der 8. Erwägungs-grund stellt klar, dass die Aufnahmerichtlinie in allen Phasen und auf alle Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen, Anwendung findet. Ausnahmen vom Recht auf Verbleib nach Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU liegen hier nicht vor.
94Für das Asyl-Folgeverfahren gelten jedenfalls beim ersten Folgeantrag im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
95Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
96Dabei wird ohne weitere Differenzierung davon ausgegangen, dass nach der Stellung des Folgeantrags (CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48), d. h. während der „Abklärung“ (SFH, 18. Mai 2016, S. 2), die auch die Klärung der Zulässigkeit umfasst, eine Gleichbehandlung mit den Erstantragstellern erfolgt.
97Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ist für Asylbewerber in Italien nicht gegeben. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger während der Dauer des Asylfolgeverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise wird befriedigen können. Die zweifellos bestehenden Mängel der Aufnahmebedingungen sind nicht derart gravierend, dass bei jedem Rückkehrer die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 4 GR-Charta zu bejahen wäre.
98Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta angesehen werden,
99vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 28 f., vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 96 f., und vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250 f. und 263; zurückhaltender EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, Rn. 84 (nicht jeder geringste Verstoß genügt); OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 120 ff.; kritisch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407), sowie Hailbronner, AuslR, Stand März 2015, § 27a Rn. 22,
100hat Italien, wie bereits ausgeführt, in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis im erheblichen Ausmaß nicht beachtet werden.
101Das in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 g) Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt auch nicht systematisch unbeachtet, so dass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre.
102Vgl. für Griechenland EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, EuGRZ 2011, 243 = juris, Rn. 253, 263.
103Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen.
104Wer noch keinen Asylantrag gestellt hat, kann bei der Questura desjenigen Flughafens, an den er rücküberstellt wird, einen Asylantrag stellen (Verbalizzazione) und erhält etwa bei der Nichtregierungsorganisation (non-governmental organization, NGO) am Flughafen in Rom einen Unterbringungsplatz in einem CAS (Centro die accoglienza straordinaria)-Zentrum in der Umgebung von Rom. Wer vor der Weiterreise bereits ein Asylgesuch in Italien gestellt hatte, muss zur zuständigen Questura reisen, um das Asylverfahren weiterzuführen. Dazu erhält er an der Grenze, etwa auch bei seiner Ankunft am Flughafen in Rom, von NGOs ein Bahnticket zur Verfügung gestellt. Bei der zuständigen Präfektur wird die Unterkunft beantragt. Wer das Unterbringungszentrum ohne Meldung verlassen hat, verliert zwar grundsätzlich seinen Unterkunftsanspruch, kann aber einen neuen Platz beantragen.
105Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 4 ff.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.2 und 2.1., und vom 11. September 2013; zu letztgenanntem Gesichtspunkt s. auch CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 75.
106Für Folgeantragsteller gilt nichts anderes, insbesondere können sie ebenfalls in den Unterkunftszentren unterkommen.
107Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
108Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterbringungsplätze in CAS-, CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza)-, CDA (centro di accoglienza)-, CARA (Centro di accoglienza per richiedenti asilo; jetzt: „centri governativi di accoglienza“)- und SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“)-Einrichtungen, wovon der größte Anteil auf die temporären Aufnahmeeinrichtungen des CAS-Systems entfällt (76.683 Plätze).
109Dem standen 2015 rund 84.000 neue Asylanträge gegenüber, ca. 20.000 mehr als im Vorjahr.
110Vgl. die Eurostat-Statistik „Asylum and new asylum applicants – annual aggregated data –“, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
111Hinzu kommen noch die Personen, die sich bereits zuvor im Asylverfahren befanden, und die Dublin-Rückkehrer.
112Am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht.
113Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Italien, Wien, 22. März 2016.
114Unterstützt von EASO (European Asylum Support Office der EU) hat Italien die Unterkunftskapazitäten erheblich erhöht.
115Vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 1.
116Das SPRAR-System, ein kommunales Unterbringungssystem, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht, wird ständig ausgebaut und soll von 20.000 auf mindestens 35.000 Plätze aufgestockt werden.
117Vgl. AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4.
118Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet.
119Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
120Eine zuvor angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 20 bzw. 35 Tagen in CARA-/CDA-Zentren oder sechs Monaten in SPRAR-Einrichtungen, die im Übrigen oft wesentlich überschritten wurde,
121vgl. ASGI (Associazione Studi Giuridici sull’Immi-grazione), The Dublin System and Italy: A Wavering Balance, März 2015, S. 13 f., 23 f.; aida (Asylum Information Database): Country Report Italy, Januar 2015, S. 53; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 11. September 2013; UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2012, S. 12; borderline-europe e.V., Auskunft an VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 34 f. und 51,
122gibt es für Asylantragsteller nicht (mehr). Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthaltes ist im Gesetzesdekret 142/2015, das die entsprechenden Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umsetzt, nicht vorgesehen.
123Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
124Ergänzend zu den staatlichen Unterbringungseinrichtungen stellen verschiedene kirchliche oder kommunale Einrichtungen sowie lokale Hilfsorganisationen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Unterkünfte zur Verfügung.
125Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4, und an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 4.4; borderline-europe e.V., Auskunft an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 21.
126Insgesamt kann angesichts dieser Zahlen nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist und nicht in jedem Fall den Mindeststandards entspricht,
127vgl. zu den Bedingungen in den Einrichtungen CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 70 ff.; SFH, Auskunft an das VG Schwerin vom 23. April 2015, S. 4,
128im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist.
129Selbst wenn man aber unterstellt, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, ergäbe sich daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitendes Versagen des Staates. Die Menschenrechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten.
130Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 158.
131Nach den vorliegenden Erkenntnissen reagiert Italien jedenfalls inzwischen flexibel auf den Zustrom. Das System ist durch die kurze Auftragsdauer für die temporären CAS-Zentren (Ausschreibung alle sechs Monate) sehr flexibel in Bezug auf Schwankungen. Ferner waren jüngst unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) verschiedene Projekte ausgeschrieben, die auch die Unterbringung von Asylbewerbern umfassten.
132Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.
133Hiervon ausgehend ist die Erwartung, dass künftig wieder mehr Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer suchen und in Italien die Grenze zur EU überschreiten werden, nicht ausreichend, um derzeit systemische Schwachstellen anzunehmen. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn – was hier nicht der Fall ist – absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden.
134Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 41.
135Die aktuelle Presseberichterstattung veranlasst nicht zu einer anderen Bewertung. Hier wird zwar von Kapazitätsengpässen insbesondere wegen des jahreszeitbedingten starken Zustroms von Flüchtlingen über das Mittelmeer berichtet, aber auch von den Bemühungen Italiens, kurzfristige Lösungen zu finden sowie vom Erfolg derartiger Bemühungen.
136Vgl. u.a. Maxwill, Flüchtlingschaos in Sizilien, Der Spiegel, online-Ausgaben vom 20., 21., 23. und 24.Juni 2016, Starker Flüchtlingsandrang in Italien, Frankfurter Rundschau, online-Ausgabe vom 30. Mai 2016.
137Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung (vgl. Art. 19 Richtlinie 2013/33/EU) ist während des Asyl(folge)verfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet. Asylbewerber haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Die übrige Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen, teilweise auch über karitative Organisationen.
138Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5.
139Zudem ist es Asylbewerbern nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 bereits 60 Tage nach Stellung des Asylgesuchs erlaubt zu arbeiten.
140Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 81.
141Auch der EGMR hat für den Fall eines alleinstehenden (jungen) Mannes (Urteile vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) - und vom 30. Juni 2015 – 39350/13 (A.S. ./.Schweiz) -) keine Grundlage für die Annahme gesehen, ihm drohe im Fall der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Die Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 - 29217/12 (T. ./. Schweiz) -, mit der die Rückführung nach Italien von Garantien italienischer Behörden abhängig gemacht worden ist, beruhte auf der besonderen - hier nicht vorliegenden - Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, der spezifischen Schutzbedürftigkeit von Kindern und dem Gebot der Wahrung der Familieneinheit.
142(cc) Wenn der Kläger in Italien nicht als Dublin-Rückkehrer behandelt werden sollte, sondern, weil er dort bereits subsidiären Schutz und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hat, wie alle international Schutzberechtigten, läge eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GR-Charta ebenfalls nicht vor.
143Denn auch die Lebensverhältnisse international Schutzberechtigter in Italien in vergleichbarer Lage stellen sich nicht als unmenschlich oder erniedrigend dar.
144Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind in Italien Ausländer, die dort als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d. h., es wird grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen.
145Vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.4.1; SFH an OVG NRW, 7. April 2016, S. 4 ff.
146Dies ist nicht menschenrechtswidrig. Art. 4 GR-Charta verpflichtet - ebenso wie der gleichlautende Art. 3 EMRK - nicht, jedermann im Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch wird damit keine allgemeine Verpflichtung begründet, Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
147Vgl. zu Art. 3 EMRK: EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 ‑ 30696/09 (M.S.S.) -, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 2. April 2013 ‑ 27725/10 (Mohammed Hussein) -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, juris, Rn. 119.
148Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK bzw. von Art. 4 GR-Charta verboten wird, zu überschreiten.
149Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 2. September 2015 ‑ 9 A 399/14 ‑, juris Rn. 46 m. w. N.
150Dies entspricht im Übrigen auch den Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt werden. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte – anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats – regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können.
151Italien hat inzwischen die Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt.
152Vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati (CIR), Asylum Information Database (AIDA), Dezember 2015, S. 9.
153Es ist deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigte in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis Art. 35 dieser Qualifikationsrichtlinie genannten Rechte kommen.
154Die zurückkehrenden Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten sind zudem nicht gänzlich sich selbst überlassen.
155Kehren sie aus dem Ausland zurück, können sie sich etwa am Flughafen in Rom von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beraten lassen.
156Vgl. Auswärtiges Amt (AA) an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5; SFH, April 2016, S. 5; zurückhaltender noch SFH, Oktober 2013, 5.1.
157Dort erfahren sie auch, welche Questura für sie zuständig ist. Diese wird informiert und der Flüchtling bzw. Schutzberechtigte erhält ein Bahnticket, um dorthin zu gelangen.
158Vgl. SFH, April 2016, S. 5; AA, Februar 2016, S. 5.
159Für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ist die Behörde der Gemeinde zuständig, in der sie ihren Asylantrag gestellt haben.
160Vgl. SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 32, 35; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 3.
161Der Kläger verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund der Gewährung subsidiären Schutzes, die bis zum 10. Juni 2019 gültig ist.
162Die Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum war und ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Ein Teil kann auch nach der Anerkennung als Flüchtling in einer Einrichtung der SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugati) für begrenzte Zeit Aufnahme finden. Auch caritative Einrichtungen stellen Unterkünfte zur Verfügung.
163Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. August 2013, S. 3.
164In großen Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil hunderten von Bewohnern, ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterkommen.
165Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 33, 34 f.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.2.
166Inzwischen hat sich die Situation aber verbessert. Das Auswärtige Amt hat schon im August 2013 und gegenüber dem erkennenden Gericht unter dem 23. Februar 2016 mitgeteilt, im Ergebnis könne davon ausgegangen werden, dass für die anerkannten Asylsuchenden und Flüchtlinge (und damit auch für die subsidiär Schutzberechtigten) in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen.
167Vgl. AA, August 2013, S. 3; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5.
168In Italien gibt es kein allgemeines System der Sozialhilfe. Etwaige gemeindliche Unterstützungsleistungen sind an den offiziellen Wohnsitz in der Gemeinde geknüpft.
169Vgl. SFH, Mai 2011, S. 35.
170Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Ausländer und Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen.
171Vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Informationen Italien, Januar 2012, 4.6.
172Lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder NGOs unterhalten Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen.
173Vgl. AA an OVG Sachsen-Anhalt, 21. Januar 2013, 7.3.
174Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Schutzberechtigte, wenn sie ‑ wie viele Italiener auch ‑ arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen.
175Vgl. borderline europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012, Dezember 2012, 9.2, 10.4.; AA, 23. Februar 2016 an OVG NRW, S. 5, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam.
176Für eine legale, sozialversicherungspflichtige Arbeit ist ein fester Wohnsitz Voraussetzung.
177Vgl. borderline europe e. V., a. a. O.; SFH, August 2014, S. 5.
178Jedenfalls in Rom können Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Centro Astelli/Jesuitenflüchtlingsdienst und einigen anderen Einrichtungen anmelden.
179Vgl. SFH, August 2014, S. 5.
180Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, kommen häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter.
181Vgl. SFH, Mai 2011, S. 33; SFH, Oktober 2013, 5.3.
182Daraus kann allerdings nicht auf eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta geschlossen werden.
183Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung,
184vgl. SFH, 18. Mai 2016 an OVG NRW, S. 4; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 6, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam; vgl. Deutsche Botschaft Rom, Januar 2012, S. 25 ff.; AA an VG Freiburg, 11. Juli 2012, S. 2; AA an VG Gießen, 15. November 2012, S. 2; borderline, a. a. O., 9.2, 10.4.
185Zusammenfassend ist danach davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Italien staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten.
186(dd) Individuelle, in der Person des Klägers liegende besondere Gründe, die auf eine Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren eine Nierenerkrankung geltend gemacht. Dafür hat er zwei Bescheinigungen vorgelegt, zum einen für eine am 29. November 2014 durchgeführte Akutbehandlung wegen einer Nierenkolik, zum anderen eine Bescheinigung des weiterbehandelnden Arztes vom 4. Dezember 2014 mit der Diagnose linksseitige Stauungsniere bei Verdacht auf Ureterstein. In der mündlichen Verhandlung am 9. September 2015 gab er aber an, die Nierenmedikamente nicht mehr zu nehmen und lediglich ab und zu unter Schmerzen bzw. unter Erbrechen sowie unter Hämorrhoiden zu leiden. In der Folgezeit gibt es keine konkreten Angaben zu gesundheitlichen Problemen, weder den Ausführungen im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren noch dem von der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegten Verwaltungsvorgang lässt sich derartiges entnehmen. Hier wurde - ohne konkrete Angaben - lediglich ausgeführt, der Kläger bedürfe fachärztliche Betreuung. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen, aus denen sich ein gegenwärtig bestehender Behandlungsbedarf ergibt, wurden nicht vorgelegt. Mit Blick darauf hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt, dass und wegen welcher Beschwerden er weiterhin auf ärztliche Behandlung angewiesen ist. Soweit der Kläger ferner geltend macht, er sei obdachlos und lebe vom Betteln, hat er nicht ausreichend dargelegt, dass und in welcher Art und Weise er sich überhaupt ernsthaft um eine Unterkunft und um sonstige Versorgung bemüht hat.
187II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Rücknahmebereitschaft im positiven Sinne geklärt sein muss. Dem Bundesamt obliegt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen noch inlandsbezogene Vollzugshindernisse der Abschiebung entgegenstehen. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe.
188Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, und vom 3. März 2015 - 14 B 102/15.A -, juris.
189Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich. Das Bestehen von gegenwärtig noch behandlungsbedürftigen Erkrankungen hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt. Die Voraussetzungen für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Die Rückführung ist tatsächlich möglich. Zwar hat Italien die Überstellung nach der Dublin-VO abgelehnt, weil die dortigen Behörden der Auffassung waren, die Dublin-Verordnungen finde im vorliegenden Fall keine Anwendung (mehr). Italien hat aber seine Bereitschaft zur Übernahme nach dem Übernahmeabkommen erklärt und den Kläger auch (schon das zweite Mal) tatsächlich übernommen.
190C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
191Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
192Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der 1993 geborene Kläger ist somalischer Staatsangehöriger. Er reiste am 29. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 15. Oktober 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt (persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens) am gleichen Tage gab er an, er habe sein Herkunftsland Somalia am 30. Dezember 2012 verlassen und sei über Äthiopien, Sudan und Libyen zunächst nach Italien gereist. Dort seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Asyl habe er nicht beantragt. Er sei schließlich mit dem Zug auf unbekannter Route nach Deutschland gelangt. Das Bundesamt führte eine Anfrage bei der Eurodac-Datenbank durch, die ergab, dass der Kläger am 25. Juni 2013 in Italien einen Asylantrag gestellt hatte (Eurodac-Treffer der Kategorie 1). Daraufhin richtete das Bundesamt am 27. Oktober 2014 ein Übernahmeersuchen an die italienischen Behörden. Mit Schreiben vom 10. November 2014 lehnte das italienische Innenministerium das Übernahmeersuchen mit der Begründung ab, dem Kläger sei in Italien bereits internationaler Schutz in Form subsidiären Schutzes gewährt worden. Er verfüge über eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Das Asylverfahren sei damit in Italien abgeschlossen. Die Übernahme sei allerdings im Rahmen der polizeilichen Vereinbarung möglich.
3Mit Bescheid vom 12. November 2014 stellte das Bundesamt fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe (Ziffer 1), und ordnete seine Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).
4Am 1. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Den zeitgleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (13 L 2923/14.A) hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 23. Januar 2015 abgelehnt.
5Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen: Der angefochtene Bescheid genüge nicht den in der Entscheidung Tarakhel ./. Schweiz erfolgten Vorgaben des EGMR. Der Kläger sei in Italien der Obdachlosigkeit ausgesetzt gewesen. Er habe in Rom auf der Straße gelebt und betteln müssen. Eine Versorgung habe nicht stattgefunden, insbesondere keine Gesundheitsversorgung. Letztere benötige der Kläger, es sei eine Nierenoperation geplant. Der Kläger leide unter einer Stauungsniere bei Verdacht eines Nierensteins.
6Der Kläger hat beantragt,
7den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 aufzuheben.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Mit Urteil vom 9. September 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Bescheid sei rechtmäßig. Die Dublin III-VO gehe nicht der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG vor. Der dem Kläger in Italien gewährte subsidiäre Schutz sei als internationaler Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zu qualifizieren, bei dessen Vorliegen die Dublin III-VO keine Anwendung mehr finde. Die Voraussetzungen des § 26a AsylG lägen vor; Italien sei ein sicherer Drittstaat. Der Kläger könne sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse berufen. Ihm werde in Italien hinreichender Schutz gewährt. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen habe er nicht vorlegen können. Aus den übersandten älteren Bescheinigungen lasse sich kein Rückschluss auf seinen derzeitigen Gesundheitszustand ziehen. Zu einer aktuellen ärztlichen Behandlung habe er nichts Konkretes sagen können.
11Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt: Italien sei kein sicherer Drittstaat, da das Versorgungssystem systemische Schwachstellen aufweise, welche die Gefahr einer unmenschlichen und entwürdigenden Behandlung i.S. d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen könne. Der Kläger sei in Italien von Obdachlosigkeit und Mangelversorgung bedroht. Er bedürfe zudem medizinischer Fachversorgung.
12Der Kläger beantragt,
13das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2015 (13 K 8025/14.A) abzuändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 aufzuheben.
14Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
15Die Ausländerbehörde hatte den Kläger, nach Vorliegen der Rücknahmebereit-schaft der italienischen Behörden (Schreiben vom 29. Januar 2016) wegen des dort gewährten subsidiären Schutz und der erteilten Aufenthaltserlaubnis (gültig bis zum 10. Juni 2019), am 22. April 2016 nach Italien überstellt. Der Kläger war sodann am 3. Mai 2016 wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er macht geltend, der Bescheid sei durch die erfolgte Überstellung gegenstandslos geworden und aufzuheben. Am 16. Juni 2016 hat die Ausländerbehörde den Kläger erneut nach Italien überstellt. Hierzu trägt der Prozessbevollmächtigte vor, er habe am 31. August 2016 mit dem Kläger telefoniert. Dieser verfüge derzeit in Italien nicht über einen festen Wohnsitz. Eine Wohnsitznahme über das Sozial-amt sei bisher nicht möglich gewesen. Er lebe vom Betteln.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des Eilverfahrens (13 L 2923/14.A) sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts und der Ausländerbehörde Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12. November 2014 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens sind gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Asylgesetz in der Fassung der Bekannt-machung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939), sowie das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 5 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939).
20A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, insbesondere statthaft.
21"Drittstaatenbescheide" nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG a.F. können ebenso wie Entscheidungen über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin-Verordnungen („Dublin-Bescheide“) mit der isolierten Anfechtungsklage angefochten werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteile vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 22 ff. und vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, Rn. 18 f. m. w. N. zu den „Dublin-Bescheiden“, OVG Saarland, Beschluss vom 23. März 2016 ‑ 2 A 38/16 ‑, juris, Rn. 15 ff.; jeweils zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes; a. A. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 31 Rn. 62.
23Der Kläger hat auch - trotz seiner zwischenzeitlichen Überstellung nach Italien - ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Entgegen teilweise vertretener Auffassung -
24so u.a. VG München, Urteile vom 9. März 2016 ‑ M 12 K 15.30071 -, juris, Rn. 27, und vom 2. Juli 2012 - M 15 K 12.30110, juris, Rn. 15; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28. November 2012 ‑ 3 K 525/11.A -, juris, Rn. 21 ff.; Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 9 -
25hat sich der Bescheid dadurch weder insgesamt noch hinsichtlich der Abschiebungsanordnung erledigt.
26Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 35 ff.; Funke-Kaiser in: GK AsylVfG, Stand Mai 2015, § 34a Rn. 70, so im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 ‑, juris.
27Erledigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG tritt dann ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
28Das ist hier nicht der Fall. Für die Abschiebungsanordnung folgt das bereits daraus, dass diese gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG unbeschränkt für alle Zukunft Grundlage künftiger Aufenthaltsbeendigungen im Falle eines Folgeantrags sein soll.
29Vgl. dazu auch Funke-Kaiser, a. a. O. § 34a Rn. 70.
30Außerdem bildet die Abschiebungsanordnung weiterhin die Rechtsgrundlage für die vollzogene Abschiebung. Die Aufhebung der Abschiebungsanordnung ist auch nicht sinnlos, denn im Falle einer rechtswidrigen Abschiebung kann diese einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auslösen.
31Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 219, 221.
32Hierfür spricht schließlich auch die in Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
33Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2014 - 13 K 654/14.A -, juris, Rn. 44.
34Das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers in Italien nach der (nicht freiwillig erfolgten) Überstellung, lässt ebenfalls nicht auf ein nicht mehr bestehendes Interesse am Fortgang des Verfahrens schließen. Mit Blick darauf, dass der Kläger noch kurz vor seiner zweiten Überstellung nach Italien geäußert hat, er wolle keinesfalls nach Italien und werde im Falle einer Überstellung immer wieder nach Deutschland zurückkehren, ist vielmehr davon auszugehen, dass er weiterhin in Deutschland ein Asyl(folge)verfahren mit dem Ziel der Flüchtlingsanerkennung betreiben will.
35B. Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36I. Das Bundesamt hat zu Recht in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids mit der Feststellung, dass dem Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, eine inhaltliche Prüfung nicht vorgenommen und eine sachliche Entscheidung über den Asylantrag nicht getroffen.
371. Als Rechtsgrundlage dieser Entscheidung kommen nur §§ 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 31 Abs. 1 Satz 5, Abs. 6 AsylG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
38a. Der Bescheid ist auf §§ 26a Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 4 AsylG a. F. gestützt. Danach war festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Nach den im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden und nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG hier maßgeblichen §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG ist die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig möglich, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Diese Rechtsgrundlage ist hier nicht anwendbar. Dabei kann offen bleiben, ob dies aus Unionsrecht folgt. Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG (VRL-2005), deren Anwendbarkeit bei einer - hier vorliegenden - Antragstellung vor dem 20. Juli 2015, aus der Stichtagsregelung in Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU gefolgert wird,
39vgl. dazu BVerwG Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 B 41.15 -, juris, Rn. 11,
40bestimmt: Die Mitgliedstaaten können einen Antrag als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Daraus könnte folgen, dass im Falle „nur“ subsidiärer Schutzgewährung durch den Drittstaat ein Vorgehen nach § 26a AsylG unionsrechtswidrig wäre.
41Vgl. zum Vorgehen nach § 26a AsylG bei anderweitiger Flüchtlingsanerkennung OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris.
42Jedenfalls scheiden §§ 26a, 29 Abs. 1 Nr. 3, 31 Abs. 4 AsylG als Rechtsgrundlage deshalb aus, weil hier ein Dublin-Verfahren vorliegt, bei dem die speziellere Norm des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG vorrangig anwendbar ist.
43b. Dass das Bundesamt den angefochtenen Bescheid nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG, sondern auf § 26a, § 31 Abs. 4 AsylVfG (entspricht §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung) gestützt hat, ist unerheblich. Jedenfalls kann der Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit a) AsylG aufrecht erhalten werden. Im Rahmen der Überprüfung eines Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt es nicht (allein) auf das von der Verwaltung herangezogene Recht an; vielmehr ist die Kontrolle im Sinne schlichter Rechtsanwendung auf das Recht zu erstrecken, das geeignet ist, an Stelle des von der Verwaltung herangezogenen, sich etwa als nicht tragfähig erweisenden Rechts den Spruch des Bescheids zu rechtfertigen, vorausgesetzt, dass dabei am Spruch des Bescheids nichts Wesentliches geändert wird.
44Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 -, BVerwGE 80, 96 (98) = juris, Rn. 12 f., vom 12. April 1991 - 8 C 92.89 -, juris, Rn. 9, und vom 31. März 2010 - 8 C 12.09 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 24. August 2016 - 13 A 63/16.A -, juris; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 26.
45Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids festgestellt, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht. Im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG wird zwar keine derartige Feststellung getroffen, sondern der Asylantrag als unzulässig abgelehnt. Das führt aber nicht zu einer Wesensänderung des Bescheids. Es handelt sich nicht um einen anderen Streitgegenstand mit für den Kläger ungünstigeren Rechtsfolgen. Bei der Ablehnung des Asylantrags des Klägers auf Grundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG besteht ebenso wie bei der Entscheidung nach § 26a AsylG i. V. m. § 31 Abs. 4 AsylG a. F. kein Ermessensspielraum. Beide Normen erfassen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sehen auf der Tatbestandsseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezug nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in beiden Fällen voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU (im Folgenden: GR-Charta) bzw. dem gleichlautenden Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ausgesetzt zu werden. Auch die weiteren Rechtsfolgen sind in beiden Fällen identisch. Sie ergeben sich jeweils aus § 34 a AsylG.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 62 ff., OVG Rh.-Pf., Urteil vom 18. Februar 2016 - 1 A 11081/14 -, juris, Rn. 23.
472. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger vor der Entscheidung des Bundesamtes ordnungsgemäß angehört worden.
483. Die inhaltliche Regelung in Ziffer 1 ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG (s.o.) liegen vor. Im Zeitpunkt der Entscheidung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG entscheidungserheblich ist, ist nach der Dublin III-VO ein anderer Mitgliedstaat und zwar Italien für die sachliche Prüfung des Asyl(folge)antrags des Klägers zuständig, der - weil er seinen Antrag nicht beschränkt hat - auch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
49a. Die Dublin III-VO ist im vorliegenden Fall anwendbar.
50aa. Das gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Nach Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten (ab dem 1. Januar 2014) gestellt werden (Satz 1). Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO (Satz 2). Maßgeblich ist danach hier der in Deutschland - am 15. Oktober 2014 - gestellte Antrag, nicht etwa der 2013 in Italien bestandkräftig beschiedene (erste) Antrag des Klägers in einem Mitgliedstaat.
51Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2016 - 13 A 1859/14.A -, juris, und vom 7. Juli 2016 - 13 A 2302/15.A, juris; a.A. Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Stand 1. Februar 2014, Art. 49 K 3, VG München, Urteil vom 17. März 2016 - M 22 K 15.30257 -, juris; VG Würzburg, Urteil vom 12. Mai 2016 - W 2 K 15.30105 -, juris, Rn. 27.
52Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO, in dem im Gegensatz zu anderen Vorschriften der Dublin III-VO (z.B. Art. 7 Abs. 2) auch nicht vom ersten Antrag die Rede ist. Die Zuständigkeitsfrage stellt sich ferner nur in Bezug auf einen aktuell zu bescheidenden Antrag. Ist über diesen ‑ wie hier in Italien ‑ bereits bestandskräftig entschieden, bedarf es insoweit keiner Zuständigkeitsbestimmung nach den Dublinregeln mehr.
53bb. Die Dublin III-VO ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar. Das Dublin-Verfahren ist nicht schon mit der - hier vorliegenden - Gewährung subsidiären Schutzes beendet worden.
54So aber u.a. VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 - 8 K 299/15.A -, juris, Rn. 51ff ; Schweizer Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. Februar 2015 - Abteilung IV D-534/2015/plo -, offenlassend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 57/15 -, juris, Rn. 37.
55Zwar bestimmt die Dublin III-VO den zuständigen Mitgliedstaat für den Antrag auf internationalen Schutz, der nach Art. 2 lit. b Dublin III-VO i. V. m. Art. 2 lit. h der Richtlinie 2011/95/EU sowohl die Flüchtlingsanerkennung als auch die Gewährung subsidiären Schutzes umfasst. Daraus folgt aber nicht, dass nach der Gewährung subsidiären Schutzes für auf Flüchtlingsanerkennung gerichtete Asyl-(folge)anträge nicht mehr die Dublin III-VO anwendbar wäre. Sinn und Zweck der Dublin III-VO ist es, einen Mitgliedstaat zu bestimmen, der (umfassend) für die auf internationalen Schutz gerichteten Anträge zuständig ist, um ein Asylshop-ping, d. h. die Bevorzugung von Ländern mit besonders günstigen Verhältnissen sowie die Stellung von Mehrfachanträgen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu verhindern. Das ergibt sich u.a. aus den Bestimmungen zum Gegenstand der Verordnung (Art. 1), den Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und deren Rangfolge (Kapitel III), den Pflichten des zuständigen Mitgliedstaates, diejenigen Personen zurückzunehmen, über deren (Erst)anträge noch nicht abschließend entschieden wurde oder deren Anträge abgelehnt wurden (Art. 18), sowie aus den als Ausnahme geregelten Voraussetzungen eines Zuständigkeitsübergangs (z.B. bei Fristversäumnis nach Art. 23 Abs. 3, Art. 29 Abs. 2 oder im Falle des Selbsteintritts nach Art. 17). Dem widerspricht es aber, wenn im Falle der sogenannten „Aufstocker“, also derjenigen Personen, die bereits subsidiären Schutz erhalten haben, aber nunmehr auch die Flüchtlingsanerkennung begehren, die Dublin III-VO nicht mehr anwendbar wäre. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasst nämlich nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus die Flüchtlingsanerkennung. Letztere ist dem subsidiären Schutz auch nicht etwa gleichwertig, sondern für die Betroffenen ggfs. mit weiteren Rechten verbunden, wie beispielsweise der Möglichkeit des Familiennachzugs. Die Verpflichtung, einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO) erfasst diese Personengruppe schließlich auch, denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes ist gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden.
56So im Ergebnis auch Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land - Rechtliche Probleme, Asylmagazin 2015, 148, 150 f.; Bergmann, Das Dublin-Asylsystem, ZAR 2015, 81, 83.
57cc. Auch die Ablehnung der italienischen Behörden, den Kläger nach den Dublin-Regelungen zu übernehmen, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Dublin-Verordnung ist geltendes europäisches Recht und steht nicht zur Disposition der daran gebundenen Mitgliedstaaten. Im Übrigen hat Italien nicht generell die Übernahme des Klägers abgelehnt, sondern zu erkennen gegeben, dass es den Kläger nach dem Rücknahmeabkommen übernehmen wird und ihn schlussendlich auch (zweimal) übernommen. Jedenfalls in dieser Fallgestaltung, in der der Übernahme zugestimmt wird, kann nicht entscheidend sein, auf welcher Rechtsgrundlage der aufnehmende Mitgliedstaat meint, verpflichtet zu sein.
58b. Aus den Vorschriften der Dublin III-VO ergibt sich die Zuständigkeit Italiens für den Antrag des Klägers auf Flüchtlingsanerkennung.
59aa. Nach Art 13 Abs. 1 Dublin III-VO war zunächst Italien als Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig geworden, da der Kläger die italienische Grenze aus einem Drittstaat (Libyen) kommend im Jahr 2013 illegal überschritten hat. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO 12 Monate nach dem Tag des illegalen Grenz-übertritts. Da Italien dem Kläger aber subsidiären Schutz gewährt und einen (bis zum 10. Juni 2019) gültigen Aufenthaltstitel ausgestellt hat, wurde eine weitere Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO begründet.
60bb. Ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland liegt nicht vor.
61(1) Ein solcher ergibt sich weder aus Art. 19 Dublin III-VO, noch ist ein Zuständigkeitswechsel wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO erfolgt. Wegen der Ablehnung Italiens, den Kläger nach der Dublin III-VO zurückzunehmen, hat der Fristlauf schon nicht begonnen.
62(2) Auch ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO zuständig geworden. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat, wenn keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat vorgenommen werden kann. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt, insbesondere ist kein Fall des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gegeben. Nach dieser Vorschrift setzt der prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehen Kriterien fort, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
63(a) Diese Regelung geht zurück auf die Rechtsprechung des EuGH und des EGMR zu systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen bei Verfahren nach der Dublin II-VO. Danach kann die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens beruhende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der EMRK steht, widerlegt werden. Eine Widerlegung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die asylrechtlichen Richtlinien der EU – Richtlinie 2003/9/EG bzw. 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie), Richtlinie 2004/83/EG bzw. 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), Richtlinie 2005/85/EG bzw. 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) – genügen. Vielmehr müssen die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta – der Art. 3 EMRK entspricht – ausgesetzt zu werden.
64Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C- 411/10 und C-493/10 (N.S.) -, NVwZ 2012, 417 = juris, Rn. 78 ff., vom 14. November 2013 - C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 30 ff., und vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 (Abdullahi ) -, NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 52; EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, ZAR 2011, 395, Rn. 216 ff., und vom 4. November 2014 ‑ 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 93 und102 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5 ff., vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5, und vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 3 ff.; vgl. zum Ganzen ausführlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 65 ff.
65Wegen des in Deutschland geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss sich der Tatrichter die Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Systemische Mängel liegen danach vor, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
66Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 9.
67Zwar setzt dies nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - faktisch in weiten Teilen funktionslos wird.
68Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 89 ff.
69Hingegen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Derartige individuelle Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung (hier: der Entscheidung) systemische Mängel im Zielland der Abschiebung vorliegen, wobei zu beachten ist, dass persönliche Erlebnisse Betroffener durch neuere Entwicklungen in dem betreffenden Staat überholt sein können.
70Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2013 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6; s. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 30.
71Diese zur Dublin II-VO entwickelten Grundsätze gelten auch für Verfahren nach der Dublin III-VO. Der in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO geregelte Maßstab, dass es „wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta mit sich bringen“ ist eine Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung.
72Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 5; Bay. VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, AuAS 2015, 104 = juris, Rn. 28; Sächs. OVG, Beschluss vom 5. Oktober 2015 - 5 B 259/15.A -, juris, Rn. 27.
73Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Asylbewerbern ist maßgeblich auf Ausländer in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie der des Klägers abzustellen, d. h. eines allein stehenden jungen Mannes, der in Italien vor seiner Weiterreise nach Deutschland ein Asylverfahren durchgeführt hat, das mit der Gewährung subsidiären Schutzes und einer italienischen Aufenthaltser-laubnis endete, und der nunmehr noch die Flüchtlingsanerkennung begehrt.
74(b) Hiervon ausgehend steht nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegenden Erkenntnismaterial zur Überzeugung des Senats fest, dass es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahrens und/ oder die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien systemische Schwach-stellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
75Vgl. ebenso für Italien – in unterschiedlichen Fallkonstellationen – EGMR, Urteil vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 36, vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 35, und vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, juris, Rn. 114 f.; OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 35 ff., und vom 19. Mai 2016 - 13 A 516/14.A -, juris, vom 10. Juli 2015 ‑ 15 A 1048/14.A -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 47 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 43 ff.; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628 = juris; Hess. VGH, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 10 A 681/13.Z.A ‑, juris; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -, juris.
76(aa) Bei der Würdigung der Erkenntnisse ist zunächst davon auszugehen, dass Italien - sowohl im Hinblick auf das dortige Rechtssystem als auch die Verwaltungspraxis - über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Asylverfahren verfügt.
77Vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 2. und 3.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 16 ff.; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 4; s. auch EGMR, Urteil vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 37.
78Ob Art. 4 GR-Charta die vollständige Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien erfordert, kann offen bleiben. Das Asylverfahren in Italien ist inzwischen richtlinienkonform. Mit Wirkung vom 30. September 2015 wurden die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuazione della direttiva 2013/33/UE recante norme relative all’accoglienza die richiedenti protezione internazionale, noché della direttiva 2013/32/UE, recante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“).
79Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 9 und 12.
80Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das Asylsystem trotz ggf. einzelner Unzulänglichkeiten prinzipiell funktionsfähig ist. Es ist weder in Bezug auf die tatsächliche Dauer noch auf die Qualität menschenrechtswidrig. In etwa der Hälfte der Fälle ist in den letzten Jahren ein Schutzstatus gewährt worden (2013: 61 %, 2014: 59 %, 2015: 42 %).
81Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 44 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 133 ff.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 7; zur Schutzquote vgl. Eurostat, recognition rates, 2013, 2014, 2015, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
82Bisher ist regelmäßig vor allem gerügt worden, dass für die formelle Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione) eine Wohnsitzbestätigung erforderlich sei und in der mitunter langen Zeit bis zur verbalizzazione eine Unterbringung nicht gewährleistet sei. Es kann offen bleiben, ob insoweit systemische Schwach-stellen anzunehmen wären. Nach der aktuellen Rechtslage (Gesetzesdekret 142/2015) wird ein Wohnsitz nicht verlangt und beträgt die Frist zwischen Asyl-gesuch und formeller Registrierung drei, maximal zehn Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis länger dauert, ist die Unterbringung in der Regel gewährleistet.
83Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 2; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.1.
84Gesetzesdekret 142/2015 stellt klar, dass die Adresse der Unterbringungseinrichtung in der der Antragsteller wohnt, als Wohnsitz zu betrachten ist.
85Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 21.
86Da das Asyl(erst)verfahren des Klägers in Italien bereits abgeschlossen ist, kommt es auf diese Fragen schon nicht an, weil er bei den zuständigen Behörden erfasst ist.
87Italien ermöglicht – wie in Art. 40 Richtlinie 2013/32/EU vorgesehen – ein Folgeverfahren, wenn neue Umstände vorgebracht werden können.
88Vgl. SFH, Auskünfte an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 3, und vom 18. Mai 2016, S. 2; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 17, 47 f.
89Ein Folgeantrag (subsequent application) muss bei der Questura gestellt werden, die ihn an die zuständige Territorialkommission (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale, CTRPI) zur Prüfung weiterleitet. Im Übrigen gelten für das Folgeverfahren im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
90Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48.
91(bb) Dublin-Rückkehrer müssen nach der aktuellen Erkenntnislage auch während der Durchführung ihres Asylfolgeverfahrens in Italien nicht beachtlich wahrscheinlich damit rechnen, dass sie wegen der Aufnahmebedingungen in ihrem Grundrecht aus Art. 4 GR-Charta verletzt werden. Dabei ist auch bei Folgeantragstellern grundsätzlich auf die für Asylbewerber geltenden Umstände abzustellen.
92Vgl. auch EGMR, Urteil vom 13. Januar 2015 ‑ 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) -, juris, Rn. 31 f.
93Verfolgt der Kläger das in Deutschland angebrachte Asylbegehren, d. h. seinen auch auf Flüchtlingsanerkennung gerichteten Antrag, in Italien weiter oder stellt er dort alternativ einen erneuten Antrag auf Flüchtlingsanerkennung, handelt es sich um einen (ersten) Folgeantrag, der zur Anwendbarkeit der Aufnahmerichtlinie führt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) – die nach den obigen Ausführungen in Italien auch umgesetzt worden ist – gilt diese für alle Personen, die internationalen Schutz beantragen, solange sie als Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats bleiben dürfen. Der 8. Erwägungs-grund stellt klar, dass die Aufnahmerichtlinie in allen Phasen und auf alle Arten von Verfahren, die Anträge auf internationalen Schutz betreffen, Anwendung findet. Ausnahmen vom Recht auf Verbleib nach Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU liegen hier nicht vor.
94Für das Asyl-Folgeverfahren gelten jedenfalls beim ersten Folgeantrag im Grundsatz dieselben verfahrensrechtlichen Garantien wie für das Erstverfahren.
95Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
96Dabei wird ohne weitere Differenzierung davon ausgegangen, dass nach der Stellung des Folgeantrags (CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48), d. h. während der „Abklärung“ (SFH, 18. Mai 2016, S. 2), die auch die Klärung der Zulässigkeit umfasst, eine Gleichbehandlung mit den Erstantragstellern erfolgt.
97Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ist für Asylbewerber in Italien nicht gegeben. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger während der Dauer des Asylfolgeverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise wird befriedigen können. Die zweifellos bestehenden Mängel der Aufnahmebedingungen sind nicht derart gravierend, dass bei jedem Rückkehrer die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 4 GR-Charta zu bejahen wäre.
98Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta angesehen werden,
99vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 - 39350/13 (A.S. v. Schweiz) -, Rn. 28 f., vom 4. November 2014 - 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) -, Rn. 96 f., und vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243, Rn. 250 f. und 263; zurückhaltender EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, Rn. 84 (nicht jeder geringste Verstoß genügt); OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 120 ff.; kritisch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (407), sowie Hailbronner, AuslR, Stand März 2015, § 27a Rn. 22,
100hat Italien, wie bereits ausgeführt, in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis im erheblichen Ausmaß nicht beachtet werden.
101Das in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 g) Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt auch nicht systematisch unbeachtet, so dass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre.
102Vgl. für Griechenland EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 (M.S.S.) -, EuGRZ 2011, 243 = juris, Rn. 253, 263.
103Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen.
104Wer noch keinen Asylantrag gestellt hat, kann bei der Questura desjenigen Flughafens, an den er rücküberstellt wird, einen Asylantrag stellen (Verbalizzazione) und erhält etwa bei der Nichtregierungsorganisation (non-governmental organization, NGO) am Flughafen in Rom einen Unterbringungsplatz in einem CAS (Centro die accoglienza straordinaria)-Zentrum in der Umgebung von Rom. Wer vor der Weiterreise bereits ein Asylgesuch in Italien gestellt hatte, muss zur zuständigen Questura reisen, um das Asylverfahren weiterzuführen. Dazu erhält er an der Grenze, etwa auch bei seiner Ankunft am Flughafen in Rom, von NGOs ein Bahnticket zur Verfügung gestellt. Bei der zuständigen Präfektur wird die Unterkunft beantragt. Wer das Unterbringungszentrum ohne Meldung verlassen hat, verliert zwar grundsätzlich seinen Unterkunftsanspruch, kann aber einen neuen Platz beantragen.
105Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 4 ff.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 1.2 und 2.1., und vom 11. September 2013; zu letztgenanntem Gesichtspunkt s. auch CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 75.
106Für Folgeantragsteller gilt nichts anderes, insbesondere können sie ebenfalls in den Unterkunftszentren unterkommen.
107Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 48; SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 18. Mai 2016, S. 2.
108Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterbringungsplätze in CAS-, CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza)-, CDA (centro di accoglienza)-, CARA (Centro di accoglienza per richiedenti asilo; jetzt: „centri governativi di accoglienza“)- und SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati“)-Einrichtungen, wovon der größte Anteil auf die temporären Aufnahmeeinrichtungen des CAS-Systems entfällt (76.683 Plätze).
109Dem standen 2015 rund 84.000 neue Asylanträge gegenüber, ca. 20.000 mehr als im Vorjahr.
110Vgl. die Eurostat-Statistik „Asylum and new asylum applicants – annual aggregated data –“, abrufbar von http://ec.europa.eu/eurostat.
111Hinzu kommen noch die Personen, die sich bereits zuvor im Asylverfahren befanden, und die Dublin-Rückkehrer.
112Am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht.
113Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Italien, Wien, 22. März 2016.
114Unterstützt von EASO (European Asylum Support Office der EU) hat Italien die Unterkunftskapazitäten erheblich erhöht.
115Vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 1.
116Das SPRAR-System, ein kommunales Unterbringungssystem, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht, wird ständig ausgebaut und soll von 20.000 auf mindestens 35.000 Plätze aufgestockt werden.
117Vgl. AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4.
118Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet.
119Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
120Eine zuvor angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 20 bzw. 35 Tagen in CARA-/CDA-Zentren oder sechs Monaten in SPRAR-Einrichtungen, die im Übrigen oft wesentlich überschritten wurde,
121vgl. ASGI (Associazione Studi Giuridici sull’Immi-grazione), The Dublin System and Italy: A Wavering Balance, März 2015, S. 13 f., 23 f.; aida (Asylum Information Database): Country Report Italy, Januar 2015, S. 53; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 11. September 2013; UNHCR, Recommendations on important aspects of refugee protection in Italy, Juli 2012, S. 12; borderline-europe e.V., Auskunft an VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 34 f. und 51,
122gibt es für Asylantragsteller nicht (mehr). Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthaltes ist im Gesetzesdekret 142/2015, das die entsprechenden Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umsetzt, nicht vorgesehen.
123Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 74.
124Ergänzend zu den staatlichen Unterbringungseinrichtungen stellen verschiedene kirchliche oder kommunale Einrichtungen sowie lokale Hilfsorganisationen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Unterkünfte zur Verfügung.
125Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.; AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 2.4, und an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 4.4; borderline-europe e.V., Auskunft an das VG Braunschweig, Dezember 2012, S. 21.
126Insgesamt kann angesichts dieser Zahlen nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist und nicht in jedem Fall den Mindeststandards entspricht,
127vgl. zu den Bedingungen in den Einrichtungen CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 70 ff.; SFH, Auskunft an das VG Schwerin vom 23. April 2015, S. 4,
128im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist.
129Selbst wenn man aber unterstellt, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, ergäbe sich daraus nach Auffassung des Senats noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitendes Versagen des Staates. Die Menschenrechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten.
130Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 158.
131Nach den vorliegenden Erkenntnissen reagiert Italien jedenfalls inzwischen flexibel auf den Zustrom. Das System ist durch die kurze Auftragsdauer für die temporären CAS-Zentren (Ausschreibung alle sechs Monate) sehr flexibel in Bezug auf Schwankungen. Ferner waren jüngst unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) verschiedene Projekte ausgeschrieben, die auch die Unterbringung von Asylbewerbern umfassten.
132Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 7 f.
133Hiervon ausgehend ist die Erwartung, dass künftig wieder mehr Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer suchen und in Italien die Grenze zur EU überschreiten werden, nicht ausreichend, um derzeit systemische Schwachstellen anzunehmen. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn – was hier nicht der Fall ist – absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden.
134Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2015 - 14 A 2356/12.A -, juris, Rn. 41.
135Die aktuelle Presseberichterstattung veranlasst nicht zu einer anderen Bewertung. Hier wird zwar von Kapazitätsengpässen insbesondere wegen des jahreszeitbedingten starken Zustroms von Flüchtlingen über das Mittelmeer berichtet, aber auch von den Bemühungen Italiens, kurzfristige Lösungen zu finden sowie vom Erfolg derartiger Bemühungen.
136Vgl. u.a. Maxwill, Flüchtlingschaos in Sizilien, Der Spiegel, online-Ausgaben vom 20., 21., 23. und 24.Juni 2016, Starker Flüchtlingsandrang in Italien, Frankfurter Rundschau, online-Ausgabe vom 30. Mai 2016.
137Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung (vgl. Art. 19 Richtlinie 2013/33/EU) ist während des Asyl(folge)verfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet. Asylbewerber haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Die übrige Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen, teilweise auch über karitative Organisationen.
138Vgl. SFH, Auskunft an das OVG NRW vom 7. April 2016, S. 8 f.; AA, Auskünfte an das OVG NRW vom 23. Februar 2016, 3.1, an das VG Schwerin vom 25. März 2015, sowie an das OVG S.-A. vom 21. Januar 2013, 5. und 6.; CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 64, 82; EASO Special Support Plan to Italy, 11. März 2015, S. 5.
139Zudem ist es Asylbewerbern nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 bereits 60 Tage nach Stellung des Asylgesuchs erlaubt zu arbeiten.
140Vgl. CIR, aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 81.
141Auch der EGMR hat für den Fall eines alleinstehenden (jungen) Mannes (Urteile vom 13. Januar 2015 - 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) - und vom 30. Juni 2015 – 39350/13 (A.S. ./.Schweiz) -) keine Grundlage für die Annahme gesehen, ihm drohe im Fall der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Die Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014 - 29217/12 (T. ./. Schweiz) -, mit der die Rückführung nach Italien von Garantien italienischer Behörden abhängig gemacht worden ist, beruhte auf der besonderen - hier nicht vorliegenden - Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, der spezifischen Schutzbedürftigkeit von Kindern und dem Gebot der Wahrung der Familieneinheit.
142(cc) Wenn der Kläger in Italien nicht als Dublin-Rückkehrer behandelt werden sollte, sondern, weil er dort bereits subsidiären Schutz und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hat, wie alle international Schutzberechtigten, läge eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GR-Charta ebenfalls nicht vor.
143Denn auch die Lebensverhältnisse international Schutzberechtigter in Italien in vergleichbarer Lage stellen sich nicht als unmenschlich oder erniedrigend dar.
144Nach den vorliegenden Erkenntnissen sind in Italien Ausländer, die dort als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden sind, italienischen Staatsangehörigen gleichgestellt, d. h., es wird grundsätzlich von ihnen erwartet, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen.
145Vgl. Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.4.1; SFH an OVG NRW, 7. April 2016, S. 4 ff.
146Dies ist nicht menschenrechtswidrig. Art. 4 GR-Charta verpflichtet - ebenso wie der gleichlautende Art. 3 EMRK - nicht, jedermann im Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Auch wird damit keine allgemeine Verpflichtung begründet, Flüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
147Vgl. zu Art. 3 EMRK: EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 ‑ 30696/09 (M.S.S.) -, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m. w. N., und Beschluss vom 2. April 2013 ‑ 27725/10 (Mohammed Hussein) -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, juris, Rn. 119.
148Die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, reicht ebenfalls nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK bzw. von Art. 4 GR-Charta verboten wird, zu überschreiten.
149Vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 2. September 2015 ‑ 9 A 399/14 ‑, juris Rn. 46 m. w. N.
150Dies entspricht im Übrigen auch den Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie), die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass international Schutzberechtigte im Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt werden. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte – anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedstaats – regelmäßig weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen noch auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können.
151Italien hat inzwischen die Richtlinie 2011/95/EU in nationales Recht umgesetzt.
152Vgl. Consiglio Italiano per i Rifugiati (CIR), Asylum Information Database (AIDA), Dezember 2015, S. 9.
153Es ist deshalb davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigte in Italien in den Genuss der in den Art. 20 bis Art. 35 dieser Qualifikationsrichtlinie genannten Rechte kommen.
154Die zurückkehrenden Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten sind zudem nicht gänzlich sich selbst überlassen.
155Kehren sie aus dem Ausland zurück, können sie sich etwa am Flughafen in Rom von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) beraten lassen.
156Vgl. Auswärtiges Amt (AA) an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5; SFH, April 2016, S. 5; zurückhaltender noch SFH, Oktober 2013, 5.1.
157Dort erfahren sie auch, welche Questura für sie zuständig ist. Diese wird informiert und der Flüchtling bzw. Schutzberechtigte erhält ein Bahnticket, um dorthin zu gelangen.
158Vgl. SFH, April 2016, S. 5; AA, Februar 2016, S. 5.
159Für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ist die Behörde der Gemeinde zuständig, in der sie ihren Asylantrag gestellt haben.
160Vgl. SFH, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 32, 35; SFH, Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus, 4. August 2014, S. 3.
161Der Kläger verfügt über eine Aufenthaltsbewilligung aufgrund der Gewährung subsidiären Schutzes, die bis zum 10. Juni 2019 gültig ist.
162Die Versorgung von Flüchtlingen mit Wohnraum war und ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Ein Teil kann auch nach der Anerkennung als Flüchtling in einer Einrichtung der SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugati) für begrenzte Zeit Aufnahme finden. Auch caritative Einrichtungen stellen Unterkünfte zur Verfügung.
163Vgl. AA, Auskunft an OVG Sachsen-Anhalt, 21. August 2013, S. 3.
164In großen Städten konnten Flüchtlinge zwar vor Jahren teilweise nur in besetzten Häusern, mit zum Teil hunderten von Bewohnern, ohne ausreichende Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterkommen.
165Vgl. SFH/Juss-Buss, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 33, 34 f.; SFH, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, 5.2.
166Inzwischen hat sich die Situation aber verbessert. Das Auswärtige Amt hat schon im August 2013 und gegenüber dem erkennenden Gericht unter dem 23. Februar 2016 mitgeteilt, im Ergebnis könne davon ausgegangen werden, dass für die anerkannten Asylsuchenden und Flüchtlinge (und damit auch für die subsidiär Schutzberechtigten) in Italien landesweit ausreichend staatliche bzw. öffentliche oder caritative Unterkunftsmöglichkeiten (bei teilweiser lokaler Überbelegung) zur Verfügung stehen.
167Vgl. AA, August 2013, S. 3; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 5.
168In Italien gibt es kein allgemeines System der Sozialhilfe. Etwaige gemeindliche Unterstützungsleistungen sind an den offiziellen Wohnsitz in der Gemeinde geknüpft.
169Vgl. SFH, Mai 2011, S. 35.
170Es gibt aber öffentliche Fürsorgeleistungen für gemeldete Ausländer und Flüchtlinge, wenn sie bereit sind, an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, z. B. speziellen beruflichen Lehrgängen, teilzunehmen.
171Vgl. Deutsche Botschaft Rom, Sozialpolitische Informationen Italien, Januar 2012, 4.6.
172Lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder NGOs unterhalten Integrationsprogramme und arbeiten dabei teilweise zusammen.
173Vgl. AA an OVG Sachsen-Anhalt, 21. Januar 2013, 7.3.
174Soweit solche Leistungen nicht greifen oder ausreichen, können Schutzberechtigte, wenn sie ‑ wie viele Italiener auch ‑ arbeitslos sind, auf Spenden caritativer Organisationen zurückgreifen.
175Vgl. borderline europe e.V., Gutachten zum Beweisbeschluss des VG Braunschweig vom 28. September 2012, Dezember 2012, 9.2, 10.4.; AA, 23. Februar 2016 an OVG NRW, S. 5, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam.
176Für eine legale, sozialversicherungspflichtige Arbeit ist ein fester Wohnsitz Voraussetzung.
177Vgl. borderline europe e. V., a. a. O.; SFH, August 2014, S. 5.
178Jedenfalls in Rom können Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Centro Astelli/Jesuitenflüchtlingsdienst und einigen anderen Einrichtungen anmelden.
179Vgl. SFH, August 2014, S. 5.
180Der Arbeitsmarkt ist zwar schwierig. Viele Flüchtlinge, insbesondere junge Männer, die mit gleichaltrigen italienischen Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, kommen häufig nur als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft unter.
181Vgl. SFH, Mai 2011, S. 33; SFH, Oktober 2013, 5.3.
182Daraus kann allerdings nicht auf eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta geschlossen werden.
183Bei der Gesundheitsversorgung werden Flüchtlinge in Italien wie italienische Bürger behandelt. Der kostenlose Zugang zur Notfallversorgung steht ihnen immer zur Verfügung,
184vgl. SFH, 18. Mai 2016 an OVG NRW, S. 4; AA an OVG NRW, 23. Februar 2016, S. 6, und vom 26. Februar 2015 an VG Potsdam; vgl. Deutsche Botschaft Rom, Januar 2012, S. 25 ff.; AA an VG Freiburg, 11. Juli 2012, S. 2; AA an VG Gießen, 15. November 2012, S. 2; borderline, a. a. O., 9.2, 10.4.
185Zusammenfassend ist danach davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Italien staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, um jedenfalls ihre Grundbedürfnisse zu decken. Gelingt dies nicht sogleich bzw. vollständig, können sie die Hilfe caritativer Organisationen erhalten.
186(dd) Individuelle, in der Person des Klägers liegende besondere Gründe, die auf eine Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GR-Charta schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren eine Nierenerkrankung geltend gemacht. Dafür hat er zwei Bescheinigungen vorgelegt, zum einen für eine am 29. November 2014 durchgeführte Akutbehandlung wegen einer Nierenkolik, zum anderen eine Bescheinigung des weiterbehandelnden Arztes vom 4. Dezember 2014 mit der Diagnose linksseitige Stauungsniere bei Verdacht auf Ureterstein. In der mündlichen Verhandlung am 9. September 2015 gab er aber an, die Nierenmedikamente nicht mehr zu nehmen und lediglich ab und zu unter Schmerzen bzw. unter Erbrechen sowie unter Hämorrhoiden zu leiden. In der Folgezeit gibt es keine konkreten Angaben zu gesundheitlichen Problemen, weder den Ausführungen im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren noch dem von der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegten Verwaltungsvorgang lässt sich derartiges entnehmen. Hier wurde - ohne konkrete Angaben - lediglich ausgeführt, der Kläger bedürfe fachärztliche Betreuung. Aktuelle ärztliche Bescheinigungen, aus denen sich ein gegenwärtig bestehender Behandlungsbedarf ergibt, wurden nicht vorgelegt. Mit Blick darauf hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt, dass und wegen welcher Beschwerden er weiterhin auf ärztliche Behandlung angewiesen ist. Soweit der Kläger ferner geltend macht, er sei obdachlos und lebe vom Betteln, hat er nicht ausreichend dargelegt, dass und in welcher Art und Weise er sich überhaupt ernsthaft um eine Unterkunft und um sonstige Versorgung bemüht hat.
187II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das bedeutet, dass die Rücknahmebereitschaft im positiven Sinne geklärt sein muss. Dem Bundesamt obliegt die Prüfung, dass weder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen noch inlandsbezogene Vollzugshindernisse der Abschiebung entgegenstehen. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe.
188Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, juris, Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, und vom 3. März 2015 - 14 B 102/15.A -, juris.
189Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich. Das Bestehen von gegenwärtig noch behandlungsbedürftigen Erkrankungen hat der Kläger bereits nicht substanziiert dargelegt. Die Voraussetzungen für ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Die Rückführung ist tatsächlich möglich. Zwar hat Italien die Überstellung nach der Dublin-VO abgelehnt, weil die dortigen Behörden der Auffassung waren, die Dublin-Verordnungen finde im vorliegenden Fall keine Anwendung (mehr). Italien hat aber seine Bereitschaft zur Übernahme nach dem Übernahmeabkommen erklärt und den Kläger auch (schon das zweite Mal) tatsächlich übernommen.
190C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
191Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
192Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage endet mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Dies gilt auch, wenn die Vollziehung durch die Behörde ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung durch das Gericht wiederhergestellt oder angeordnet worden ist, es sei denn, die Behörde hat die Vollziehung bis zur Unanfechtbarkeit ausgesetzt.
(2) Das Rechtsmittelgericht kann auf Antrag anordnen, daß die aufschiebende Wirkung fortdauert.
(3) § 80 Abs. 5 bis 8 und die §§ 80a und 80c gelten entsprechend.
Tenor
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
-
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
-
I.
- 1
-
Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.
- 2
-
1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH
, Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).
- 3
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2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.
- 4
-
a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.
- 5
-
b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.
- 6
-
Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.
-
II.
- 7
-
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).
- 8
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1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH
, Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.
- 9
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2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).
- 10
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3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).
- 11
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a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).
- 12
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Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).
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b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).
- 14
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Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).
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c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.
- 16
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Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung
Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Tenor
-
Nach Erledigung in der Hauptsache wird das Verfahren eingestellt.
-
Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten (§ 34a Abs. 3 BVerfGG), nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die vor dem Verwaltungsgericht Minden angegriffenen Abschiebungsanordnungen nach Italien in den Bescheiden vom 26. September 2014 und 28. Oktober 2014 aufgehoben hat. Ausweislich einer Stellungnahme des Bundesamts vom 15. Juni 2015 können die verfassungs- und konventionsrechtlichen Anforderungen an die Überstellung von Familien mit Kleinstkindern (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 939/14 -, NVwZ 2014, S. 1511, - 2 BvR 732/14 und 2 BvR 1795/14 -, jeweils juris sowie - 2 BvR 991/14 -, BeckRS 2014, 56942 und EGMR
, Tarakhel v. Schweiz, Urteil vom 4. November 2014, Nr. 29217/12, NVwZ 2015, S. 127), wonach vor einer Überstellung eine konkrete und einzelfallbezogene Zusicherung der italienischen Behörden einzuholen ist, dass die Familie in Italien eine gesicherte Unterkunft für alle Familienmitglieder erhalten werde, im Falle der Beschwerdeführer derzeit nicht erfüllt werden, da seitens Italiens gegenwärtig keine entsprechend konkreten Zusicherungen erteilt werden.
-
Damit erledigt sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt M.
-
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf insgesamt 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
-
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Mai 2014 wird der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufgehoben, soweit dieser die Abschiebung der Kläger nach Bulgarien anordnet.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Kläger zu jeweils 1/10 und die Beklagte zu 1/2.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Kläger wenden sich gegen die Feststellung, dass ihnen aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht, sowie gegen die Anordnung ihrer Abschiebung nach Bulgarien.
- 2
Die Kläger, Eltern und drei minderjährige Kinder, sind eigenen Angaben zufolge Staatenlose palästinensischer Volkszugehörigkeit aus Syrien. Nachdem sie Syrien im Jahre 2012 verlassen hatten und über die Türkei nach Bulgarien gelangt waren, wurde ihnen dort mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt. Im November 2013 reisten die Kläger auf dem Landweg über Rumänien, Ungarn und Österreich weiter in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie am 29. November 2013 einen Asylantrag stellten.
- 3
Ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 22. Januar 2014 an die bulgarische Staatliche Flüchtlingsverwaltung gestelltes Wiederaufnahmegesuch lehnte diese mit Schreiben vom 10. Februar 2014 ab. Aufgrund des den Klägern in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes seien die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar. Zuständige bulgarische Behörde sei vielmehr die dortige Grenzpolizei.
- 4
Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 stellte das Bundesamt fest, dass den Klägern aufgrund ihrer Einreise aus Bulgarien als einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe, und ordnete deren Abschiebung nach Bulgarien an.
- 5
Am 4. April 2014 hat die bulgarische Grenzpolizei einer Übernahme der Kläger im Rahmen des deutsch-bulgarischen Rückübernahmeabkommens zugestimmt.
- 6
Das Verwaltungsgericht Trier hat die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Februar 2014 erhobene Klage mit Urteil vom 20. Mai 2014 – 1 K 483/14.TR – abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Feststellung, dass den Klägern kein Asylrecht zustehe, sei § 26a AsylVfG. Europarechtliche Bestimmungen stünden dessen Anwendung vorliegend nicht entgegen. Bulgarien sei, wenn auch die dortigen Lebensbedingungen schlechter und unsicherer seien als die in der Bundesrepublik, ein sicherer Drittstaat im Sinne der Vorschrift.
- 7
Gegen das am 26. Mai 2014 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25. Juni 2014 die Zulassung der Berufung beantragt. Die mit Beschluss des Senats vom 27. November 2014 – 1 A 10586/14.OVG –, der Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 3. Dezember 2014, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung haben die Kläger am 2. Januar 2015 begründet.
- 8
Sie machen geltend, dass auf den vorliegenden Fall noch die Dublin II-Verordnung zur Anwendung gelange. Da ihnen in Bulgarien lediglich subsidiärer Schutz gewährt worden sei, seien ihre Asylanträge im Sinne der Dublin II-Verordnung erfolglos geblieben, weshalb § 26a AsylVfG keine Anwendung finde. Zudem sei Bulgarien wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens auch kein sicherer Drittstaat im Sinne des § 26a AsylVfG. Überdies stehe einer Abschiebung nach dort entgegen, dass der Kläger 1) an einer psychovegetativen Störung leide und die minderjährigen Kläger 3) – 5) besonders schutzwürdig und in besonderem Maße auf den Zugang zu medizinischer Behandlung, Unterbringung und Bildung angewiesen seien.
- 9
Die Kläger beantragen,
- 10
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Mai 2014 den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufzuheben.
- 11
Die zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienene Beklagte hat schriftsätzlich den Antrag angekündigt,
- 12
die Berufung zurückzuweisen.
- 13
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid und das erstinstanzliche Urteil.
- 14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
- 15
Die Berufung, über die der Senat nach entsprechendem Hinweis in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden konnte, ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Abschiebungsanordnung abgewiesen hat (II.), im Übrigen ist sie unbegründet (I.).
- 16
I. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 getroffene Feststellung, dass den Klägern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, zu Recht abgewiesen.
- 17
1. Nach § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 Asylgesetz (AsylG; bis zum 23. Oktober 2015: Asylverfahrensgesetz – AsylVfG –) kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) – sog. sicherer Drittstaat – eingereist ist, nicht auf Artikel 16a Abs. 1 GG berufen; er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Wird der Asylantrag nur nach § 26a AsylG abgelehnt, so ist gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG lediglich festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. So ist es vorliegend zu Recht geschehen.
- 18
a. Einer Anwendung des § 26a AsylG steht nicht bereits § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG entgegen, wonach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG u. a. dann nicht gilt, wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit der Beklagten ist nämlich nicht begründet worden.
- 19
Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erfolgt vorliegend gemäß Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L 180 S. 31 – Dublin III-VO) vom Grundsatz her nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EG L 50 S. 1 – Dublin II-VO), da der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland noch vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist (vgl. dazu näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, juris, Rn. 27).
- 20
Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO ist zunächst Bulgarien als der Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden, dessen Grenze die Kläger aus einem Drittstaat – hier der Türkei – kommend im Jahr 2012 illegal überschritten haben. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts, jedoch hat Bulgarien den Klägern mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiären Schutz gewährt und damit seine weitere Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 9 Abs. 1 Dublin II-VO begründet.
- 21
Für einen späteren Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte ist nichts ersichtlich. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus der Dublin III-VO, welche nach ihrem Art. 49 Abs. 2 für das nach dem 1. Januar 2014 gestellte Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien jedenfalls im Hinblick auf das zu beachtende Verfahren maßgeblich ist (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014, a. a. O., m. w. N.). Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO legt zwar fest, dass in den Fällen eines vom ersuchten Mitgliedstaat akzeptierten Wiederaufnahmegesuchs die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung des Asylbewerbers an den ersuchten Staat nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Frist von sechs Monaten erfolgt. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Bulgarien. Die dortige Staatliche Flüchtlingsverwaltung hat eine Rückübernahme der Kläger nach den Regelungen der Dublin III-VO vielmehr mit Schreiben von 10. Februar 2014 unter Hinweis auf den in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutz ausdrücklich abgelehnt und auf eine Zuständigkeit der Grenzpolizei verwiesen.
- 22
b. Die angefochtene behördliche Feststellung ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil § 27a AsylG als speziellere Regelung einer Anwendung des § 26a AsylG entgegenstünde. Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
- 23
Vorliegend bedarf die Frage einer eventuellen Konkurrenz zwischen den beiden Vorschriften jedoch keiner vertieften Betrachtung. § 26a Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 / 1. Alt. GG erfasst tatbestandlich ebenso wie § 27a / 1. Alt. AsylG die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Während Art. 27a AsylG als unmittelbare Rechtsfolge der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates aufgrund von Rechtvorschriften der Europäischen Gemeinschaft eine Ablehnung des Asylantrages als unzulässig vorsieht, ist im Falle einer Ablehnung nach § 26a Abs. 1 i. V. m. § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat – hier: einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 / 1. Alt. GG) – kein Asylrecht zusteht. Beide Normen sehen mithin insoweit auf der Tatbestandseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezugs nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in dem einen wie auch in dem anderen Falle voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (vgl. dazu näher EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, und BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 32/14 –, beide in juris, sowie etwa BeckOK/Günther AsylG § 26a Rn. 9). Neben der insoweit gegebenen Identität in Tatbestand und Rechtsfolgen im Falle der – hier wie bereits unter 1. a. dargelegt vorliegenden – Einreise aus einem aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat sind auch die weiteren Rechtsfolgen der §§ 26a und 27a AsylG gemäß § 34a AsylG identisch. Nach alledem wären die Kläger auch im Falle einer die Anwendung des § 26a AsylG ausschließenden Spezialität des § 27a AsylG durch die hier nach § 26a AsylG getroffene Feststellung, dass ihnen kein Asylrecht zusteht, jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt.
- 24
c. Einer Anwendbarkeit des § 26a AsylG steht des Weiteren nicht der Umstand entgegen, dass den Klägern vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik bereits in Bulgarien mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt worden war.
- 25
Das Konzept sicherer Drittstaaten beruht auf dem Gedanken, dass in Deutschland keine Schutzwürdigkeit besitzt, wer in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können (BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938.93, juris Rn. 157 m. w. N.). Daraus wird vereinzelt gefolgert, die Drittstaatenregelung sei nur auf noch nicht schutzberechtigte Personen anwendbar (VG Aachen, Beschluss vom 11. März 2015 – 5 L 736/14.A –, juris, und Funke-Kaiser, Asylmagazin 2015, S. 148 ff.).
- 26
Nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 11. Mai 2015 – 14 A 926/15 –, VG Berlin, Urteil vom 20. November 2015 – 23 K 864/14.A –, VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 – 8 K 299/15.A –, VG Ansbach, Urteil vom 25. Juni 2015 – AN 3 K 14.30864 –, VG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juni 2015 – 13 K 1028/15.A –, VG München, Beschluss vom 22. Juli 2015 – M 12 S 15.30952 –, VG Magdeburg, Urteil vom 6. August 2015 – 3 A 120/15 MD –, alle in juris, sowie Bender/Bethke, Asylmagazin 2013, 358, und BeckOK AuslR/Günther, AsylG § 27a Rn. 9), der sich auch der Senat anschließt, steht die Gewährung von subsidiärem Schutz der Anwendbarkeit des § 26a AsylG jedoch nicht entgegen. Hierfür spricht zum einen, dass Fallgestaltungen der vorliegenden Art vom Wortlaut der Vorschrift ohne weiteres erfasst werden. Zum anderen verlangen auch nicht etwa Sinn und Zweck des § 26a AsylG, dessen Anwendungsbereich auf die Fälle zu beschränken, in denen der sichere Drittstaat noch keinen Schutz gewährt hat. Wenn nach dem Konzept der Drittstaatenregelung in Deutschland derjenige keine Schutzbedürftigkeit besitzt, der in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können, muss dies erst recht für den gelten, der dort sogar bereits Schutz gefunden hat.
- 27
Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden dürfen, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist (Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41.15 –, juris). Diese verhält sich nicht zur Ablehnung eines Asylantrages nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylG, sondern „zum Umfang der aus § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzuleitenden Unzulässigkeit eines materiellen Prüfverfahrens“. Die hierzu angestellten Erwägungen lassen sich nicht auf die Drittstaatenregelung übertragen, nach der der Antrag nicht als unzulässig abgelehnt, sondern nur festgestellt wird, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. § 26a AsylG, der erst nach der erstmaligen Regelung des Abschiebungsschutzes für die außerhalb des Bundesgebietes anerkannten Flüchtlinge (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Ausländergesetzes 1990) in Kraft getreten ist, stellt eine speziellere Regelung für eine Teilmenge der von § 60 Abs. 1 AufenthG erfassten Personengruppe dar, nämlich die der aus einem sicheren Drittstaat eingereisten Ausländer (vgl. zum Ganzen auch VG Berlin, Urteil vom 20. November 2015 – 23 K 864.14 A –, juris, m. w. N.).
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d. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des sonach vom Grundsatz her hier anwendbaren § 26a Abs. 1 AsylG sind erfüllt; die Kläger sind aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 GG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
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Dabei kann die in der jüngsten Rechtsprechung umstrittene Frage offen bleiben, ob es sich bei Bulgarien um einen sicheren Drittstaat in diesem Sinne handelt (so etwa VG Magdeburg, Gerichtsbescheid vom 23. November 2015 – 7 A 278/14 –, VG Schleswig, Urteil vom 29. Oktober 2015 – 12 A 286/15 – , VG Ansbach, Urteil vom 7. Oktober 2015 – AN 11 K 15.50067 –, VG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2015 – 13 K 2288/15.A –, alle in juris) oder aber die durch § 26a Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG begründete Vermutung, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten der EU sichergestellt ist, aufgrund systemischer Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen als widerlegt gelten muss (so etwa VG Köln, Urteil vom 26. November 2015 – 20 K 712/15.A –, VG Oldenburg, Urteil vom 4. November 2015 – 12 A 498/15 – und VG Münster, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 8 K 436/15.A –, sowie in Bezug auf bestimmte Personengruppen z. B. VG Meiningen, Urteil vom 7. Oktober 2015 – 5 K 20146/14 Me – VG Schleswig, Urteil vom 1. Oktober 2015 – 12 A 229/15 – und VG München, Urteil vom 12. August 2015 – M 16 K 14.50547 –, alle in juris).
- 30
Auch wenn es sich bei Bulgarien nicht um einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a Abs. 1 AsylG handeln sollte, wären die Kläger gleichwohl über einen solchen eingereist. Nach ihrem eigenen Vorbringen (vgl. dazu die Niederschriften über die persönlichen Gespräche am 22. November und am 2. Dezember 2013, Bl. 47 ff. und 127 ff. der Verwaltungsakte) sind sie nämlich von Bulgarien aus mit dem PKW über Rumänien, Ungarn und Österreich in das Bundesgebiet gelangt. Jedenfalls Österreich ist unstreitig ein sicherer Drittstaat nach § 26a Abs. 1 AsylG. Bereits dort hätten die Kläger die Möglichkeit gehabt, mit der Begründung, dass es sich bei Bulgarien nicht um einen sicheren Drittstaat handele, um Schutz nachzusuchen.
- 31
e. Der Beklagten ist es schließlich auch nicht wegen einer die Grundrechte der Kläger beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 34/14 –, juris) verwehrt, sich auf § 26a AsylG zu berufen.
- 32
Das Verwaltungsverfahren hat vorliegend von der Asylantragstellung am 29. November 2013 bis zum Zustellung des hier streitgegenständlichen Bescheides vom 27. Februar 2014 am 7. März 2014 nur wenig länger als 3 Monate gedauert und weist daher jedenfalls für sich genommen keine Überlänge auf.
- 33
Eine solche ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Dauer des gerichtlichen Verfahrens. Deren Einbeziehung zu Lasten der Beklagten erscheint jedenfalls dann nicht geboten, wenn der Asylbewerber – wie hier in Bezug auf Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 der Fall – eine rechtmäßige Verwaltungsentscheidung angreift. Denn in diesem Fall hat bei normativer Betrachtung nicht die Beklagte die Ursache für die lange Verfahrensdauer gesetzt, sondern der Schutzsuchende, der es selbst in der Hand hat, die Prüfung seines Antrages dadurch voranzutreiben, dass er sich freiwillig in den hierfür zuständigen Mitgliedstaat begibt. Zudem bestünde anderenfalls die Gefahr, dass derjenige, der sich gegen eine rechtmäßige Behördenentscheidung u. U. jahrelang gerichtlich zur Wehr setzt, aufgrund § 77 Abs. 1 AsylG im Endeffekt unbilligerweise besser gestellt wird als der, der die rechtmäßige Entscheidung akzeptiert und sich danach verhält.
- 34
II. Aufzuheben ist demgegenüber die in Ziffer 2 des Bescheides vom 27. Februar 2014 ausgesprochene Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien.
- 35
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
- 36
Nach dieser Vorschrift ist es allein Aufgabe des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, zu prüfen, ob „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, m. w. N.).
- 37
Zu den tatsächlichen Vollzugshindernissen, die einen Duldungsanspruch auslösen, gehört der Umstand, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Fehlende Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, ist ein solcher Umstand. Da die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht etwa nur zu unterlassen ist, wenn ein solcher Duldungsgrund vorliegt, sondern erst ergehen kann, wenn der Duldungsgrund ausgeschlossen ist („feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“), muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2015 – 14 B 502/15.A –, juris, m. w. N.).
- 38
Daran fehlt es hier in Bezug auf Bulgarien unabhängig davon, ob einer Abschiebung nach dort nicht bereits systemische Mängel des bulgarischen Asylwesens entgegenstünden (s. o.), bereits deshalb, weil die Durchführbarkeit auch im Hinblick auf die Übernahmebereitschaft des bulgarischen Staates ungeklärt ist.
- 39
Die bulgarische Staatliche Flüchtlingsverwaltung hat die auf der Grundlage der Dublin II-VO gestellten Übernahmeersuchen der Beklagten vom 22. Januar 2014 mit Schreiben vom 10. Februar 2014 abgelehnt, weil aufgrund des in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar seien, und auf die Zuständigkeit der bulgarischen Grenzpolizei verwiesen. Die bulgarische Grenzpolizei hat sodann auf entsprechenden Antrag des Bundespolizeipräsidiums mit Schreiben vom 4. April 2014 zwar einer Übernahme der Kläger im Rahmen des deutsch-bulgarischen Rückübernahmeabkommens zugestimmt. Im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die der Entscheidung des Senats zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht jedoch nicht (mehr) fest, dass diese Übernahme (noch) durchführbar ist.
- 40
Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 des deutsch-bulgarischen Abkommens über die Übernahme und Durchbeförderung von Personen (Rückübernahmeabkommen) vom 7. März 2006 (BGBl. II, S. 259) hat die Übernahme unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten, nachdem die ersuchte Vertragspartei der Übernahme zugestimmt hat, zu erfolgen. Diese Frist wird zwar gemäß Satz 2 der Vorschrift auf Antrag der ersuchenden Vertragspartei im Falle rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse für die Übergabe verlängert. Vorliegend ist jedoch die Dreimonatsfrist Anfang Juli 2014 abgelaufen, ohne dass die Beklagte auch nur einen Antrag auf deren Verlängerung gestellt, geschweige denn rechtliche oder tatsächliche Hindernisse für die Übergabe geltend gemacht hätte.
- 41
Danach erscheint im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedenfalls ungeklärt, ob eine Übernahmebereitschaft Bulgariens trotz alledem noch besteht.
- 42
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
- 43
IV. Gründe, aus denen gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Mai 2014 wird der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufgehoben, soweit dieser die Abschiebung der Kläger nach Bulgarien anordnet.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Kläger zu jeweils 1/10 und die Beklagte zu 1/2.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Kläger wenden sich gegen die Feststellung, dass ihnen aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht, sowie gegen die Anordnung ihrer Abschiebung nach Bulgarien.
- 2
Die Kläger, Eltern und drei minderjährige Kinder, sind eigenen Angaben zufolge Staatenlose palästinensischer Volkszugehörigkeit aus Syrien. Nachdem sie Syrien im Jahre 2012 verlassen hatten und über die Türkei nach Bulgarien gelangt waren, wurde ihnen dort mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt. Im November 2013 reisten die Kläger auf dem Landweg über Rumänien, Ungarn und Österreich weiter in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie am 29. November 2013 einen Asylantrag stellten.
- 3
Ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 22. Januar 2014 an die bulgarische Staatliche Flüchtlingsverwaltung gestelltes Wiederaufnahmegesuch lehnte diese mit Schreiben vom 10. Februar 2014 ab. Aufgrund des den Klägern in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes seien die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar. Zuständige bulgarische Behörde sei vielmehr die dortige Grenzpolizei.
- 4
Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 stellte das Bundesamt fest, dass den Klägern aufgrund ihrer Einreise aus Bulgarien als einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe, und ordnete deren Abschiebung nach Bulgarien an.
- 5
Am 4. April 2014 hat die bulgarische Grenzpolizei einer Übernahme der Kläger im Rahmen des deutsch-bulgarischen Rückübernahmeabkommens zugestimmt.
- 6
Das Verwaltungsgericht Trier hat die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Februar 2014 erhobene Klage mit Urteil vom 20. Mai 2014 – 1 K 483/14.TR – abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Feststellung, dass den Klägern kein Asylrecht zustehe, sei § 26a AsylVfG. Europarechtliche Bestimmungen stünden dessen Anwendung vorliegend nicht entgegen. Bulgarien sei, wenn auch die dortigen Lebensbedingungen schlechter und unsicherer seien als die in der Bundesrepublik, ein sicherer Drittstaat im Sinne der Vorschrift.
- 7
Gegen das am 26. Mai 2014 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25. Juni 2014 die Zulassung der Berufung beantragt. Die mit Beschluss des Senats vom 27. November 2014 – 1 A 10586/14.OVG –, der Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 3. Dezember 2014, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung haben die Kläger am 2. Januar 2015 begründet.
- 8
Sie machen geltend, dass auf den vorliegenden Fall noch die Dublin II-Verordnung zur Anwendung gelange. Da ihnen in Bulgarien lediglich subsidiärer Schutz gewährt worden sei, seien ihre Asylanträge im Sinne der Dublin II-Verordnung erfolglos geblieben, weshalb § 26a AsylVfG keine Anwendung finde. Zudem sei Bulgarien wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens auch kein sicherer Drittstaat im Sinne des § 26a AsylVfG. Überdies stehe einer Abschiebung nach dort entgegen, dass der Kläger 1) an einer psychovegetativen Störung leide und die minderjährigen Kläger 3) – 5) besonders schutzwürdig und in besonderem Maße auf den Zugang zu medizinischer Behandlung, Unterbringung und Bildung angewiesen seien.
- 9
Die Kläger beantragen,
- 10
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Mai 2014 den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufzuheben.
- 11
Die zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienene Beklagte hat schriftsätzlich den Antrag angekündigt,
- 12
die Berufung zurückzuweisen.
- 13
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid und das erstinstanzliche Urteil.
- 14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
- 15
Die Berufung, über die der Senat nach entsprechendem Hinweis in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden konnte, ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Abschiebungsanordnung abgewiesen hat (II.), im Übrigen ist sie unbegründet (I.).
- 16
I. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 getroffene Feststellung, dass den Klägern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, zu Recht abgewiesen.
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1. Nach § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 Asylgesetz (AsylG; bis zum 23. Oktober 2015: Asylverfahrensgesetz – AsylVfG –) kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) – sog. sicherer Drittstaat – eingereist ist, nicht auf Artikel 16a Abs. 1 GG berufen; er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Wird der Asylantrag nur nach § 26a AsylG abgelehnt, so ist gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG lediglich festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. So ist es vorliegend zu Recht geschehen.
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a. Einer Anwendung des § 26a AsylG steht nicht bereits § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG entgegen, wonach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG u. a. dann nicht gilt, wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit der Beklagten ist nämlich nicht begründet worden.
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Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erfolgt vorliegend gemäß Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L 180 S. 31 – Dublin III-VO) vom Grundsatz her nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EG L 50 S. 1 – Dublin II-VO), da der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland noch vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist (vgl. dazu näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, juris, Rn. 27).
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Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO ist zunächst Bulgarien als der Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden, dessen Grenze die Kläger aus einem Drittstaat – hier der Türkei – kommend im Jahr 2012 illegal überschritten haben. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts, jedoch hat Bulgarien den Klägern mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiären Schutz gewährt und damit seine weitere Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 9 Abs. 1 Dublin II-VO begründet.
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Für einen späteren Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte ist nichts ersichtlich. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus der Dublin III-VO, welche nach ihrem Art. 49 Abs. 2 für das nach dem 1. Januar 2014 gestellte Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien jedenfalls im Hinblick auf das zu beachtende Verfahren maßgeblich ist (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014, a. a. O., m. w. N.). Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO legt zwar fest, dass in den Fällen eines vom ersuchten Mitgliedstaat akzeptierten Wiederaufnahmegesuchs die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung des Asylbewerbers an den ersuchten Staat nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Frist von sechs Monaten erfolgt. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Bulgarien. Die dortige Staatliche Flüchtlingsverwaltung hat eine Rückübernahme der Kläger nach den Regelungen der Dublin III-VO vielmehr mit Schreiben von 10. Februar 2014 unter Hinweis auf den in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutz ausdrücklich abgelehnt und auf eine Zuständigkeit der Grenzpolizei verwiesen.
- 22
b. Die angefochtene behördliche Feststellung ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil § 27a AsylG als speziellere Regelung einer Anwendung des § 26a AsylG entgegenstünde. Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
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Vorliegend bedarf die Frage einer eventuellen Konkurrenz zwischen den beiden Vorschriften jedoch keiner vertieften Betrachtung. § 26a Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 / 1. Alt. GG erfasst tatbestandlich ebenso wie § 27a / 1. Alt. AsylG die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Während Art. 27a AsylG als unmittelbare Rechtsfolge der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates aufgrund von Rechtvorschriften der Europäischen Gemeinschaft eine Ablehnung des Asylantrages als unzulässig vorsieht, ist im Falle einer Ablehnung nach § 26a Abs. 1 i. V. m. § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat – hier: einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 / 1. Alt. GG) – kein Asylrecht zusteht. Beide Normen sehen mithin insoweit auf der Tatbestandseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezugs nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in dem einen wie auch in dem anderen Falle voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (vgl. dazu näher EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, und BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 32/14 –, beide in juris, sowie etwa BeckOK/Günther AsylG § 26a Rn. 9). Neben der insoweit gegebenen Identität in Tatbestand und Rechtsfolgen im Falle der – hier wie bereits unter 1. a. dargelegt vorliegenden – Einreise aus einem aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat sind auch die weiteren Rechtsfolgen der §§ 26a und 27a AsylG gemäß § 34a AsylG identisch. Nach alledem wären die Kläger auch im Falle einer die Anwendung des § 26a AsylG ausschließenden Spezialität des § 27a AsylG durch die hier nach § 26a AsylG getroffene Feststellung, dass ihnen kein Asylrecht zusteht, jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt.
- 24
c. Einer Anwendbarkeit des § 26a AsylG steht des Weiteren nicht der Umstand entgegen, dass den Klägern vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik bereits in Bulgarien mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt worden war.
- 25
Das Konzept sicherer Drittstaaten beruht auf dem Gedanken, dass in Deutschland keine Schutzwürdigkeit besitzt, wer in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können (BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938.93, juris Rn. 157 m. w. N.). Daraus wird vereinzelt gefolgert, die Drittstaatenregelung sei nur auf noch nicht schutzberechtigte Personen anwendbar (VG Aachen, Beschluss vom 11. März 2015 – 5 L 736/14.A –, juris, und Funke-Kaiser, Asylmagazin 2015, S. 148 ff.).
- 26
Nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 11. Mai 2015 – 14 A 926/15 –, VG Berlin, Urteil vom 20. November 2015 – 23 K 864/14.A –, VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 – 8 K 299/15.A –, VG Ansbach, Urteil vom 25. Juni 2015 – AN 3 K 14.30864 –, VG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juni 2015 – 13 K 1028/15.A –, VG München, Beschluss vom 22. Juli 2015 – M 12 S 15.30952 –, VG Magdeburg, Urteil vom 6. August 2015 – 3 A 120/15 MD –, alle in juris, sowie Bender/Bethke, Asylmagazin 2013, 358, und BeckOK AuslR/Günther, AsylG § 27a Rn. 9), der sich auch der Senat anschließt, steht die Gewährung von subsidiärem Schutz der Anwendbarkeit des § 26a AsylG jedoch nicht entgegen. Hierfür spricht zum einen, dass Fallgestaltungen der vorliegenden Art vom Wortlaut der Vorschrift ohne weiteres erfasst werden. Zum anderen verlangen auch nicht etwa Sinn und Zweck des § 26a AsylG, dessen Anwendungsbereich auf die Fälle zu beschränken, in denen der sichere Drittstaat noch keinen Schutz gewährt hat. Wenn nach dem Konzept der Drittstaatenregelung in Deutschland derjenige keine Schutzbedürftigkeit besitzt, der in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können, muss dies erst recht für den gelten, der dort sogar bereits Schutz gefunden hat.
- 27
Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden dürfen, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist (Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41.15 –, juris). Diese verhält sich nicht zur Ablehnung eines Asylantrages nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylG, sondern „zum Umfang der aus § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzuleitenden Unzulässigkeit eines materiellen Prüfverfahrens“. Die hierzu angestellten Erwägungen lassen sich nicht auf die Drittstaatenregelung übertragen, nach der der Antrag nicht als unzulässig abgelehnt, sondern nur festgestellt wird, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. § 26a AsylG, der erst nach der erstmaligen Regelung des Abschiebungsschutzes für die außerhalb des Bundesgebietes anerkannten Flüchtlinge (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Ausländergesetzes 1990) in Kraft getreten ist, stellt eine speziellere Regelung für eine Teilmenge der von § 60 Abs. 1 AufenthG erfassten Personengruppe dar, nämlich die der aus einem sicheren Drittstaat eingereisten Ausländer (vgl. zum Ganzen auch VG Berlin, Urteil vom 20. November 2015 – 23 K 864.14 A –, juris, m. w. N.).
- 28
d. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des sonach vom Grundsatz her hier anwendbaren § 26a Abs. 1 AsylG sind erfüllt; die Kläger sind aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 GG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
- 29
Dabei kann die in der jüngsten Rechtsprechung umstrittene Frage offen bleiben, ob es sich bei Bulgarien um einen sicheren Drittstaat in diesem Sinne handelt (so etwa VG Magdeburg, Gerichtsbescheid vom 23. November 2015 – 7 A 278/14 –, VG Schleswig, Urteil vom 29. Oktober 2015 – 12 A 286/15 – , VG Ansbach, Urteil vom 7. Oktober 2015 – AN 11 K 15.50067 –, VG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2015 – 13 K 2288/15.A –, alle in juris) oder aber die durch § 26a Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG begründete Vermutung, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten der EU sichergestellt ist, aufgrund systemischer Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen als widerlegt gelten muss (so etwa VG Köln, Urteil vom 26. November 2015 – 20 K 712/15.A –, VG Oldenburg, Urteil vom 4. November 2015 – 12 A 498/15 – und VG Münster, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 8 K 436/15.A –, sowie in Bezug auf bestimmte Personengruppen z. B. VG Meiningen, Urteil vom 7. Oktober 2015 – 5 K 20146/14 Me – VG Schleswig, Urteil vom 1. Oktober 2015 – 12 A 229/15 – und VG München, Urteil vom 12. August 2015 – M 16 K 14.50547 –, alle in juris).
- 30
Auch wenn es sich bei Bulgarien nicht um einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a Abs. 1 AsylG handeln sollte, wären die Kläger gleichwohl über einen solchen eingereist. Nach ihrem eigenen Vorbringen (vgl. dazu die Niederschriften über die persönlichen Gespräche am 22. November und am 2. Dezember 2013, Bl. 47 ff. und 127 ff. der Verwaltungsakte) sind sie nämlich von Bulgarien aus mit dem PKW über Rumänien, Ungarn und Österreich in das Bundesgebiet gelangt. Jedenfalls Österreich ist unstreitig ein sicherer Drittstaat nach § 26a Abs. 1 AsylG. Bereits dort hätten die Kläger die Möglichkeit gehabt, mit der Begründung, dass es sich bei Bulgarien nicht um einen sicheren Drittstaat handele, um Schutz nachzusuchen.
- 31
e. Der Beklagten ist es schließlich auch nicht wegen einer die Grundrechte der Kläger beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 34/14 –, juris) verwehrt, sich auf § 26a AsylG zu berufen.
- 32
Das Verwaltungsverfahren hat vorliegend von der Asylantragstellung am 29. November 2013 bis zum Zustellung des hier streitgegenständlichen Bescheides vom 27. Februar 2014 am 7. März 2014 nur wenig länger als 3 Monate gedauert und weist daher jedenfalls für sich genommen keine Überlänge auf.
- 33
Eine solche ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Dauer des gerichtlichen Verfahrens. Deren Einbeziehung zu Lasten der Beklagten erscheint jedenfalls dann nicht geboten, wenn der Asylbewerber – wie hier in Bezug auf Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 der Fall – eine rechtmäßige Verwaltungsentscheidung angreift. Denn in diesem Fall hat bei normativer Betrachtung nicht die Beklagte die Ursache für die lange Verfahrensdauer gesetzt, sondern der Schutzsuchende, der es selbst in der Hand hat, die Prüfung seines Antrages dadurch voranzutreiben, dass er sich freiwillig in den hierfür zuständigen Mitgliedstaat begibt. Zudem bestünde anderenfalls die Gefahr, dass derjenige, der sich gegen eine rechtmäßige Behördenentscheidung u. U. jahrelang gerichtlich zur Wehr setzt, aufgrund § 77 Abs. 1 AsylG im Endeffekt unbilligerweise besser gestellt wird als der, der die rechtmäßige Entscheidung akzeptiert und sich danach verhält.
- 34
II. Aufzuheben ist demgegenüber die in Ziffer 2 des Bescheides vom 27. Februar 2014 ausgesprochene Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien.
- 35
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
- 36
Nach dieser Vorschrift ist es allein Aufgabe des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, zu prüfen, ob „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, m. w. N.).
- 37
Zu den tatsächlichen Vollzugshindernissen, die einen Duldungsanspruch auslösen, gehört der Umstand, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Fehlende Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, ist ein solcher Umstand. Da die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht etwa nur zu unterlassen ist, wenn ein solcher Duldungsgrund vorliegt, sondern erst ergehen kann, wenn der Duldungsgrund ausgeschlossen ist („feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“), muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2015 – 14 B 502/15.A –, juris, m. w. N.).
- 38
Daran fehlt es hier in Bezug auf Bulgarien unabhängig davon, ob einer Abschiebung nach dort nicht bereits systemische Mängel des bulgarischen Asylwesens entgegenstünden (s. o.), bereits deshalb, weil die Durchführbarkeit auch im Hinblick auf die Übernahmebereitschaft des bulgarischen Staates ungeklärt ist.
- 39
Die bulgarische Staatliche Flüchtlingsverwaltung hat die auf der Grundlage der Dublin II-VO gestellten Übernahmeersuchen der Beklagten vom 22. Januar 2014 mit Schreiben vom 10. Februar 2014 abgelehnt, weil aufgrund des in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar seien, und auf die Zuständigkeit der bulgarischen Grenzpolizei verwiesen. Die bulgarische Grenzpolizei hat sodann auf entsprechenden Antrag des Bundespolizeipräsidiums mit Schreiben vom 4. April 2014 zwar einer Übernahme der Kläger im Rahmen des deutsch-bulgarischen Rückübernahmeabkommens zugestimmt. Im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die der Entscheidung des Senats zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht jedoch nicht (mehr) fest, dass diese Übernahme (noch) durchführbar ist.
- 40
Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 des deutsch-bulgarischen Abkommens über die Übernahme und Durchbeförderung von Personen (Rückübernahmeabkommen) vom 7. März 2006 (BGBl. II, S. 259) hat die Übernahme unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten, nachdem die ersuchte Vertragspartei der Übernahme zugestimmt hat, zu erfolgen. Diese Frist wird zwar gemäß Satz 2 der Vorschrift auf Antrag der ersuchenden Vertragspartei im Falle rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse für die Übergabe verlängert. Vorliegend ist jedoch die Dreimonatsfrist Anfang Juli 2014 abgelaufen, ohne dass die Beklagte auch nur einen Antrag auf deren Verlängerung gestellt, geschweige denn rechtliche oder tatsächliche Hindernisse für die Übergabe geltend gemacht hätte.
- 41
Danach erscheint im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedenfalls ungeklärt, ob eine Übernahmebereitschaft Bulgariens trotz alledem noch besteht.
- 42
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
- 43
IV. Gründe, aus denen gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Mai 2014 wird der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufgehoben, soweit dieser die Abschiebung der Kläger nach Bulgarien anordnet.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Kläger zu jeweils 1/10 und die Beklagte zu 1/2.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Kläger wenden sich gegen die Feststellung, dass ihnen aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht, sowie gegen die Anordnung ihrer Abschiebung nach Bulgarien.
- 2
Die Kläger, Eltern und drei minderjährige Kinder, sind eigenen Angaben zufolge Staatenlose palästinensischer Volkszugehörigkeit aus Syrien. Nachdem sie Syrien im Jahre 2012 verlassen hatten und über die Türkei nach Bulgarien gelangt waren, wurde ihnen dort mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt. Im November 2013 reisten die Kläger auf dem Landweg über Rumänien, Ungarn und Österreich weiter in die Bundesrepublik Deutschland, wo sie am 29. November 2013 einen Asylantrag stellten.
- 3
Ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 22. Januar 2014 an die bulgarische Staatliche Flüchtlingsverwaltung gestelltes Wiederaufnahmegesuch lehnte diese mit Schreiben vom 10. Februar 2014 ab. Aufgrund des den Klägern in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes seien die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar. Zuständige bulgarische Behörde sei vielmehr die dortige Grenzpolizei.
- 4
Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 stellte das Bundesamt fest, dass den Klägern aufgrund ihrer Einreise aus Bulgarien als einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zustehe, und ordnete deren Abschiebung nach Bulgarien an.
- 5
Am 4. April 2014 hat die bulgarische Grenzpolizei einer Übernahme der Kläger im Rahmen des deutsch-bulgarischen Rückübernahmeabkommens zugestimmt.
- 6
Das Verwaltungsgericht Trier hat die gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Februar 2014 erhobene Klage mit Urteil vom 20. Mai 2014 – 1 K 483/14.TR – abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Feststellung, dass den Klägern kein Asylrecht zustehe, sei § 26a AsylVfG. Europarechtliche Bestimmungen stünden dessen Anwendung vorliegend nicht entgegen. Bulgarien sei, wenn auch die dortigen Lebensbedingungen schlechter und unsicherer seien als die in der Bundesrepublik, ein sicherer Drittstaat im Sinne der Vorschrift.
- 7
Gegen das am 26. Mai 2014 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25. Juni 2014 die Zulassung der Berufung beantragt. Die mit Beschluss des Senats vom 27. November 2014 – 1 A 10586/14.OVG –, der Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 3. Dezember 2014, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung haben die Kläger am 2. Januar 2015 begründet.
- 8
Sie machen geltend, dass auf den vorliegenden Fall noch die Dublin II-Verordnung zur Anwendung gelange. Da ihnen in Bulgarien lediglich subsidiärer Schutz gewährt worden sei, seien ihre Asylanträge im Sinne der Dublin II-Verordnung erfolglos geblieben, weshalb § 26a AsylVfG keine Anwendung finde. Zudem sei Bulgarien wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens auch kein sicherer Drittstaat im Sinne des § 26a AsylVfG. Überdies stehe einer Abschiebung nach dort entgegen, dass der Kläger 1) an einer psychovegetativen Störung leide und die minderjährigen Kläger 3) – 5) besonders schutzwürdig und in besonderem Maße auf den Zugang zu medizinischer Behandlung, Unterbringung und Bildung angewiesen seien.
- 9
Die Kläger beantragen,
- 10
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Mai 2014 den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2014 aufzuheben.
- 11
Die zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienene Beklagte hat schriftsätzlich den Antrag angekündigt,
- 12
die Berufung zurückzuweisen.
- 13
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid und das erstinstanzliche Urteil.
- 14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
- 15
Die Berufung, über die der Senat nach entsprechendem Hinweis in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden konnte, ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Abschiebungsanordnung abgewiesen hat (II.), im Übrigen ist sie unbegründet (I.).
- 16
I. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 getroffene Feststellung, dass den Klägern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, zu Recht abgewiesen.
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1. Nach § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 Asylgesetz (AsylG; bis zum 23. Oktober 2015: Asylverfahrensgesetz – AsylVfG –) kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) – sog. sicherer Drittstaat – eingereist ist, nicht auf Artikel 16a Abs. 1 GG berufen; er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Wird der Asylantrag nur nach § 26a AsylG abgelehnt, so ist gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG lediglich festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. So ist es vorliegend zu Recht geschehen.
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a. Einer Anwendung des § 26a AsylG steht nicht bereits § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG entgegen, wonach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG u. a. dann nicht gilt, wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit der Beklagten ist nämlich nicht begründet worden.
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Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erfolgt vorliegend gemäß Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L 180 S. 31 – Dublin III-VO) vom Grundsatz her nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EG L 50 S. 1 – Dublin II-VO), da der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland noch vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist (vgl. dazu näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, juris, Rn. 27).
- 20
Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO ist zunächst Bulgarien als der Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden, dessen Grenze die Kläger aus einem Drittstaat – hier der Türkei – kommend im Jahr 2012 illegal überschritten haben. Die so begründete Zuständigkeit endete zwar gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts, jedoch hat Bulgarien den Klägern mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiären Schutz gewährt und damit seine weitere Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages gemäß Art. 9 Abs. 1 Dublin II-VO begründet.
- 21
Für einen späteren Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte ist nichts ersichtlich. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus der Dublin III-VO, welche nach ihrem Art. 49 Abs. 2 für das nach dem 1. Januar 2014 gestellte Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien jedenfalls im Hinblick auf das zu beachtende Verfahren maßgeblich ist (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014, a. a. O., m. w. N.). Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO legt zwar fest, dass in den Fällen eines vom ersuchten Mitgliedstaat akzeptierten Wiederaufnahmegesuchs die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung des Asylbewerbers an den ersuchten Staat nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Frist von sechs Monaten erfolgt. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einer Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Bulgarien. Die dortige Staatliche Flüchtlingsverwaltung hat eine Rückübernahme der Kläger nach den Regelungen der Dublin III-VO vielmehr mit Schreiben von 10. Februar 2014 unter Hinweis auf den in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutz ausdrücklich abgelehnt und auf eine Zuständigkeit der Grenzpolizei verwiesen.
- 22
b. Die angefochtene behördliche Feststellung ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil § 27a AsylG als speziellere Regelung einer Anwendung des § 26a AsylG entgegenstünde. Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
- 23
Vorliegend bedarf die Frage einer eventuellen Konkurrenz zwischen den beiden Vorschriften jedoch keiner vertieften Betrachtung. § 26a Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 / 1. Alt. GG erfasst tatbestandlich ebenso wie § 27a / 1. Alt. AsylG die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Während Art. 27a AsylG als unmittelbare Rechtsfolge der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates aufgrund von Rechtvorschriften der Europäischen Gemeinschaft eine Ablehnung des Asylantrages als unzulässig vorsieht, ist im Falle einer Ablehnung nach § 26a Abs. 1 i. V. m. § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat – hier: einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 / 1. Alt. GG) – kein Asylrecht zusteht. Beide Normen sehen mithin insoweit auf der Tatbestandseite einen konkreten Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat vor und auf der Rechtsfolgenseite, dass der Asylantrag wegen des jeweiligen Drittstaatenbezugs nicht inhaltlich geprüft werden soll. Dies setzt europarechtlich in dem einen wie auch in dem anderen Falle voraus, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat keine sog. systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gegeben sind, aufgrund derer der Asylbewerber Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (vgl. dazu näher EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, und BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 32/14 –, beide in juris, sowie etwa BeckOK/Günther AsylG § 26a Rn. 9). Neben der insoweit gegebenen Identität in Tatbestand und Rechtsfolgen im Falle der – hier wie bereits unter 1. a. dargelegt vorliegenden – Einreise aus einem aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat sind auch die weiteren Rechtsfolgen der §§ 26a und 27a AsylG gemäß § 34a AsylG identisch. Nach alledem wären die Kläger auch im Falle einer die Anwendung des § 26a AsylG ausschließenden Spezialität des § 27a AsylG durch die hier nach § 26a AsylG getroffene Feststellung, dass ihnen kein Asylrecht zusteht, jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt.
- 24
c. Einer Anwendbarkeit des § 26a AsylG steht des Weiteren nicht der Umstand entgegen, dass den Klägern vor ihrer Einreise in die Bundesrepublik bereits in Bulgarien mit Entscheidung vom 26. Februar 2013 subsidiärer Schutz gewährt worden war.
- 25
Das Konzept sicherer Drittstaaten beruht auf dem Gedanken, dass in Deutschland keine Schutzwürdigkeit besitzt, wer in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können (BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938.93, juris Rn. 157 m. w. N.). Daraus wird vereinzelt gefolgert, die Drittstaatenregelung sei nur auf noch nicht schutzberechtigte Personen anwendbar (VG Aachen, Beschluss vom 11. März 2015 – 5 L 736/14.A –, juris, und Funke-Kaiser, Asylmagazin 2015, S. 148 ff.).
- 26
Nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 11. Mai 2015 – 14 A 926/15 –, VG Berlin, Urteil vom 20. November 2015 – 23 K 864/14.A –, VG Aachen, Urteil vom 28. Oktober 2015 – 8 K 299/15.A –, VG Ansbach, Urteil vom 25. Juni 2015 – AN 3 K 14.30864 –, VG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juni 2015 – 13 K 1028/15.A –, VG München, Beschluss vom 22. Juli 2015 – M 12 S 15.30952 –, VG Magdeburg, Urteil vom 6. August 2015 – 3 A 120/15 MD –, alle in juris, sowie Bender/Bethke, Asylmagazin 2013, 358, und BeckOK AuslR/Günther, AsylG § 27a Rn. 9), der sich auch der Senat anschließt, steht die Gewährung von subsidiärem Schutz der Anwendbarkeit des § 26a AsylG jedoch nicht entgegen. Hierfür spricht zum einen, dass Fallgestaltungen der vorliegenden Art vom Wortlaut der Vorschrift ohne weiteres erfasst werden. Zum anderen verlangen auch nicht etwa Sinn und Zweck des § 26a AsylG, dessen Anwendungsbereich auf die Fälle zu beschränken, in denen der sichere Drittstaat noch keinen Schutz gewährt hat. Wenn nach dem Konzept der Drittstaatenregelung in Deutschland derjenige keine Schutzbedürftigkeit besitzt, der in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können, muss dies erst recht für den gelten, der dort sogar bereits Schutz gefunden hat.
- 27
Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden dürfen, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist (Beschluss vom 23. Oktober 2015 – 1 B 41.15 –, juris). Diese verhält sich nicht zur Ablehnung eines Asylantrages nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylG, sondern „zum Umfang der aus § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzuleitenden Unzulässigkeit eines materiellen Prüfverfahrens“. Die hierzu angestellten Erwägungen lassen sich nicht auf die Drittstaatenregelung übertragen, nach der der Antrag nicht als unzulässig abgelehnt, sondern nur festgestellt wird, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. § 26a AsylG, der erst nach der erstmaligen Regelung des Abschiebungsschutzes für die außerhalb des Bundesgebietes anerkannten Flüchtlinge (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Ausländergesetzes 1990) in Kraft getreten ist, stellt eine speziellere Regelung für eine Teilmenge der von § 60 Abs. 1 AufenthG erfassten Personengruppe dar, nämlich die der aus einem sicheren Drittstaat eingereisten Ausländer (vgl. zum Ganzen auch VG Berlin, Urteil vom 20. November 2015 – 23 K 864.14 A –, juris, m. w. N.).
- 28
d. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des sonach vom Grundsatz her hier anwendbaren § 26a Abs. 1 AsylG sind erfüllt; die Kläger sind aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 GG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
- 29
Dabei kann die in der jüngsten Rechtsprechung umstrittene Frage offen bleiben, ob es sich bei Bulgarien um einen sicheren Drittstaat in diesem Sinne handelt (so etwa VG Magdeburg, Gerichtsbescheid vom 23. November 2015 – 7 A 278/14 –, VG Schleswig, Urteil vom 29. Oktober 2015 – 12 A 286/15 – , VG Ansbach, Urteil vom 7. Oktober 2015 – AN 11 K 15.50067 –, VG Düsseldorf, Urteil vom 18. September 2015 – 13 K 2288/15.A –, alle in juris) oder aber die durch § 26a Abs. 1 AsylG i. V. m. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG begründete Vermutung, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union in den Mitgliedstaaten der EU sichergestellt ist, aufgrund systemischer Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen als widerlegt gelten muss (so etwa VG Köln, Urteil vom 26. November 2015 – 20 K 712/15.A –, VG Oldenburg, Urteil vom 4. November 2015 – 12 A 498/15 – und VG Münster, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 8 K 436/15.A –, sowie in Bezug auf bestimmte Personengruppen z. B. VG Meiningen, Urteil vom 7. Oktober 2015 – 5 K 20146/14 Me – VG Schleswig, Urteil vom 1. Oktober 2015 – 12 A 229/15 – und VG München, Urteil vom 12. August 2015 – M 16 K 14.50547 –, alle in juris).
- 30
Auch wenn es sich bei Bulgarien nicht um einen sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a Abs. 1 AsylG handeln sollte, wären die Kläger gleichwohl über einen solchen eingereist. Nach ihrem eigenen Vorbringen (vgl. dazu die Niederschriften über die persönlichen Gespräche am 22. November und am 2. Dezember 2013, Bl. 47 ff. und 127 ff. der Verwaltungsakte) sind sie nämlich von Bulgarien aus mit dem PKW über Rumänien, Ungarn und Österreich in das Bundesgebiet gelangt. Jedenfalls Österreich ist unstreitig ein sicherer Drittstaat nach § 26a Abs. 1 AsylG. Bereits dort hätten die Kläger die Möglichkeit gehabt, mit der Begründung, dass es sich bei Bulgarien nicht um einen sicheren Drittstaat handele, um Schutz nachzusuchen.
- 31
e. Der Beklagten ist es schließlich auch nicht wegen einer die Grundrechte der Kläger beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 34/14 –, juris) verwehrt, sich auf § 26a AsylG zu berufen.
- 32
Das Verwaltungsverfahren hat vorliegend von der Asylantragstellung am 29. November 2013 bis zum Zustellung des hier streitgegenständlichen Bescheides vom 27. Februar 2014 am 7. März 2014 nur wenig länger als 3 Monate gedauert und weist daher jedenfalls für sich genommen keine Überlänge auf.
- 33
Eine solche ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Dauer des gerichtlichen Verfahrens. Deren Einbeziehung zu Lasten der Beklagten erscheint jedenfalls dann nicht geboten, wenn der Asylbewerber – wie hier in Bezug auf Ziffer 1 des Bescheides vom 27. Februar 2014 der Fall – eine rechtmäßige Verwaltungsentscheidung angreift. Denn in diesem Fall hat bei normativer Betrachtung nicht die Beklagte die Ursache für die lange Verfahrensdauer gesetzt, sondern der Schutzsuchende, der es selbst in der Hand hat, die Prüfung seines Antrages dadurch voranzutreiben, dass er sich freiwillig in den hierfür zuständigen Mitgliedstaat begibt. Zudem bestünde anderenfalls die Gefahr, dass derjenige, der sich gegen eine rechtmäßige Behördenentscheidung u. U. jahrelang gerichtlich zur Wehr setzt, aufgrund § 77 Abs. 1 AsylG im Endeffekt unbilligerweise besser gestellt wird als der, der die rechtmäßige Entscheidung akzeptiert und sich danach verhält.
- 34
II. Aufzuheben ist demgegenüber die in Ziffer 2 des Bescheides vom 27. Februar 2014 ausgesprochene Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien.
- 35
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
- 36
Nach dieser Vorschrift ist es allein Aufgabe des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, zu prüfen, ob „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, m. w. N.).
- 37
Zu den tatsächlichen Vollzugshindernissen, die einen Duldungsanspruch auslösen, gehört der Umstand, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Fehlende Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, ist ein solcher Umstand. Da die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht etwa nur zu unterlassen ist, wenn ein solcher Duldungsgrund vorliegt, sondern erst ergehen kann, wenn der Duldungsgrund ausgeschlossen ist („feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“), muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2015 – 14 B 502/15.A –, juris, m. w. N.).
- 38
Daran fehlt es hier in Bezug auf Bulgarien unabhängig davon, ob einer Abschiebung nach dort nicht bereits systemische Mängel des bulgarischen Asylwesens entgegenstünden (s. o.), bereits deshalb, weil die Durchführbarkeit auch im Hinblick auf die Übernahmebereitschaft des bulgarischen Staates ungeklärt ist.
- 39
Die bulgarische Staatliche Flüchtlingsverwaltung hat die auf der Grundlage der Dublin II-VO gestellten Übernahmeersuchen der Beklagten vom 22. Januar 2014 mit Schreiben vom 10. Februar 2014 abgelehnt, weil aufgrund des in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar seien, und auf die Zuständigkeit der bulgarischen Grenzpolizei verwiesen. Die bulgarische Grenzpolizei hat sodann auf entsprechenden Antrag des Bundespolizeipräsidiums mit Schreiben vom 4. April 2014 zwar einer Übernahme der Kläger im Rahmen des deutsch-bulgarischen Rückübernahmeabkommens zugestimmt. Im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die der Entscheidung des Senats zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht jedoch nicht (mehr) fest, dass diese Übernahme (noch) durchführbar ist.
- 40
Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 des deutsch-bulgarischen Abkommens über die Übernahme und Durchbeförderung von Personen (Rückübernahmeabkommen) vom 7. März 2006 (BGBl. II, S. 259) hat die Übernahme unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten, nachdem die ersuchte Vertragspartei der Übernahme zugestimmt hat, zu erfolgen. Diese Frist wird zwar gemäß Satz 2 der Vorschrift auf Antrag der ersuchenden Vertragspartei im Falle rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse für die Übergabe verlängert. Vorliegend ist jedoch die Dreimonatsfrist Anfang Juli 2014 abgelaufen, ohne dass die Beklagte auch nur einen Antrag auf deren Verlängerung gestellt, geschweige denn rechtliche oder tatsächliche Hindernisse für die Übergabe geltend gemacht hätte.
- 41
Danach erscheint im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedenfalls ungeklärt, ob eine Übernahmebereitschaft Bulgariens trotz alledem noch besteht.
- 42
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylG; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
- 43
IV. Gründe, aus denen gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen wäre, liegen nicht vor.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
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er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Tenor
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.
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1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH
, Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).
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2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.
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a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.
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b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.
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Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).
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1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH
, Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.
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2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).
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3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).
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a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).
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Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).
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b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).
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Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).
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c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.
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Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung
Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, ist zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet ab Ausstellung des Ankunftsnachweises gemäß § 63a Absatz 1 gestattet (Aufenthaltsgestattung). Er hat keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten. In den Fällen, in denen kein Ankunftsnachweis ausgestellt wird, entsteht die Aufenthaltsgestattung mit der Stellung des Asylantrags.
(2) Mit der Stellung eines Asylantrags erlöschen eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels und ein Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer bis zu sechs Monaten sowie die in § 81 Abs. 3 und 4 des Aufenthaltsgesetzes bezeichneten Wirkungen eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. § 81 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt, wenn der Ausländer einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten besessen und dessen Verlängerung beantragt hat.
(3) Soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist, wird die Zeit eines Aufenthalts nach Absatz 1 nur angerechnet, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt ist oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
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Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.