Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 03. Juli 2018 - 1 K 849/17.MZ

ECLI:ECLI:DE:VGMAINZ:2018:0703.1K849.17.00
bei uns veröffentlicht am03.07.2018

Tenor

1. Der Bescheid vom 23. Mai 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 1. August 2017 des Beklagten werden aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 146,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten sowie Ziffer 2 des Tenors vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land die Erstattung von im Rahmen der Jugendhilfe für einen unbegleiteten minderjährigen Ausländer aufgewendeten Fahrtkosten.

2

Der ausländische Staatsangehörige ..., geboren am ... Januar 2003 im Irak, reiste am 26. Mai 2015 als unbegleiteter Minderjähriger in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er wurde vom 26. Mai 2015 bis zum 16. Juni 2015 in der Jugendhilfeeinrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (JHumF) in ... M. unter dem von ihm angegebenen Geburtsdatum als Minderjähriger in Obhut genommen. Die Alterseinschätzung, die das Geburtsdatum bestätigte, erfolgte am 27. Mai 2015.

3

Die Inobhutnahme wurde am 16. Juni 2015 beendet, da der Minderjährige mit der nun in Deutschland lebenden Mutter zusammengeführt und die elterliche Sorge wieder auf diese übertragen wurde. Die Mutter war zu dieser Zeit wohnhaft in der Erstaufnahmeeinrichtung N. (... N.). Der Minderjährige wurde am 16. Juni 2015 per Taxi dorthin gebracht. Mit ihm zusammen wurden noch seine Schwester ..., geboren am ... Juni 2001, und der Cousin ..., geboren am ... Juni 2000, befördert. Das Taxiunternehmen stellte für die Fahrt insgesamt Kosten in Höhe von 439,10 € in Rechnung.

4

Auf Antrag der Klägerin vom 3. Dezember 2015 bestimmte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 22. Januar 2016 (Zugang am 28. Januar 2016) das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung des Beklagten zum überörtlichen Kostenträger. Die Klägerin machte mit Schreiben vom 26. Februar 2016 ihren Kostenerstattungsanspruch beim Beklagten dem Grunde nach geltend (Zugang laut Empfangsbekenntnis bei dem Beklagten am 3. März 2016). Mit Schreiben vom 22. Juni 2016 hat die Klägerin ihre Kostenerstattungsforderung bei dem Beklagten in Höhe von insgesamt 4.453,86 € (darunter unter anderem die anteiligen Kosten für die Taxifahrt am 16. Juni 2015 nach N. in Höhe von 146,37 €) angemeldet. Mit Schreiben vom 15. September 2016 erkannte der Beklagte seine Kostenerstattungspflicht für den jungen Menschen für die Zeit vom 26. Mai 2015 bis einschließlich 15. Juni 2015 an. In der Folgezeit wurde der angemeldete Gesamtbetrag bis auf die Kosten der Taxifahrt nach N. vom 16. Juni 2015 von dem Beklagten beglichen.

5

Mit Schreiben vom 23. Mai 2017 (Eingang bei der Klägerin am 30. Mai 2017) teilte der Beklagte mit, dass die Kostenrechnung vom 22. Juni 2016 für den Zeitraum 26. Mai bis 15. Juni 2015 eingegangen und geprüft worden sei. Es ergäbe sich ein erstattungsfähiger Betrag von 4.307,49 €. Die auf den jungen Menschen entfallenden (anteiligen) Taxikosten vom 16. Juni 2015 in Höhe von 146,37 € könnten allerdings nicht übernommen werden, da sie nach dem Zeitraum des Kostenanerkenntnisses angefallen seien. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Hinweis auf die mögliche Erhebung eines Widerspruchs angefügt.

6

Mit Schreiben vom 1. Juni 2017 (Eingang bei dem Beklagten am 8. Juni 2017) begründete die Klägerin ihre Forderung erneut und legte Widerspruch ein. Die Kosten, die mit der Übergabe des Kindes am 16. Juni 2015 an die Personensorgeberechtigte entstanden seien, seien im Rahmen einer Schutzmaßnahme nach § 42 SGB VIII übernommen worden. Die Verpflichtung zu einer sicheren Unterbringung habe beim Stadtjugendamt der Klägerin gelegen.

7

Unter dem 1. August 2017 (Zugang bei der Klägerin am 7. August 2017) bestätigte der Beklagte den Eingang des Widerspruchs der Klägerin vom 1. Juni 2017. Unter Bezugnahme auf das Kostenanerkenntnis vom 15. September 2016 falle die Taxifahrt nicht mehr in den bewilligten Zeitraum. Weiterhin sei anzumerken, dass Taxikosten von dem Beklagten generell nicht übernommen würden, da probate Mittel des öffentlichen Verkehrs zur Verfügung stünden und auch genutzt werden könnten. Die Kosten seien in dieser Hinsicht gering und maßvoll zu halten. Das pauschale Argument einer sicheren Unterbringung rechtfertige keine Taxifahrt. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erhebung einer Klage bei dem Verwaltungsgericht Mainz angefügt.

8

Die Klägerin hat am 5. September 2017 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass für die hier gegenständlichen Fahrtkosten die Bagatellgrenze des § 109 Satz 2 SGB X nicht gelte. Diese seien daher in vollem Umfang zu erstatten. Der betroffene junge Mensch, der damals zwölf Jahre alt gewesen sei, sowie die übrigen jungen Menschen mit Fluchthintergrund hätten mit einem komplexen öffentlichen Nahverkehrssystem, wie dies in M. der Fall sei, kaum Berührungspunkte. Es sei von der Klägerin aufgrund der Vielzahl von einreisenden Minderjährigen nicht leistbar gewesen, die Betroffenen auf ihren Wegen zu betreuen. Durch die Inanspruchnahme von Taxiunternehmen habe sichergestellt werden können, dass die jungen Menschen sicher und zuverlässig vom einen zum anderen Ort gelangt seien.

9

Derzeit sei die Zugverbindung von M. nach N. mit mindestens zwei Umstiegen inklusive mehreren Minuten Fußweg zum Anschlussbus verbunden. Über die detaillierte Zugverbindung im Jahre 2015 könne zwar keine Aussage getroffen werden. Es sei allerdings davon auszugehen, dass die damalige Verbindung vergleichbar mit der heutigen gewesen sei. Die Entfernung zwischen M. und N. liege bei ungefähr 245 km über das Straßennetz und sei bundeslandübergreifend. Über das Schienennetz sei die Strecke weiter und werde hauptsächlich von Fernverkehrszügen bedient. Insofern könne nicht von Personennahverkehr gesprochen werden.

10

Die Klägerin beantragt,

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1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 146,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten;

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2. den Bescheid des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung, Landesjugendamt des Beklagten vom 23. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2017 aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Eine Klageerwiderung erfolgte nicht.

16

In der mündlichen Verhandlung in den Verfahren 1 K 841/17.MZ, 1 K 857/17.MZ und 1 K 1210/17.MZ haben die Beteiligten auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung im hiesigen Verfahren verzichtet.

17

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

18

Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.

19

Die Klage hat Erfolg, da sie hinsichtlich beider Klageanträge zulässig und begründet ist.

20

Hinsichtlich der von dem Beklagten erlassenen Bescheide (Klageantrag zu 2.), die eine Zahlung des streitgegenständlichen Betrages ablehnen, ist die Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Dies gilt auch, soweit es – wie hier – um die Aufhebung eines rein formellen Verwaltungsakts geht (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 4 R 71/06 R –, BeckRS 2006, 44566, Rn. 16; BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 1993 – 6 B 5/92 –, NVwZ-RR 1993, 251 [252]; siehe ferner BayVGH, Urteil vom 2. August 2016 – 22 B 16.619 –, BeckRS 2016, 50120, Rn. 35, 41 ff.; a. A. VG Wiesbaden, Urteil vom 5. März 2007 – 7 E 1536/06 –, NVwZ-RR 2007, 613: Feststellungsklage). Obwohl der Beklagte sich äußerlich der Form des Verwaltungsaktes bedient hat, wie sich unter anderem aus der Bezeichnung als „Widerspruchsbescheid“ und der jeweils angehängten Rechtsbehelfsbelehrung ergibt, waren die materiellen Voraussetzungen des § 31 SGB X nicht gegeben (sog. formeller Verwaltungsakt). Hier besteht „trotz des äußeren Scheins in Wahrheit kein Verwaltungsakt“ (BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 1993 – 6 B 5/92 –, NVwZ-RR 1993, 251 [252]; tendenziell anders noch BVerwG, Beschluss vom 9. November 1984 – 7 C 5/84 –, juris, LS 1: „anfechtbarer Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG“). Konsequenterweise spricht auch das Bundesverwaltungsgericht in dem vorgenannten Beschluss vom 18. Januar 1993 nur von der Aufhebung eines „offensichtlich rechtswidrigen Aktes“ (Hervorhebung d. d. Kammer).

21

Es fehlte hier bereits an dem Merkmal einer hoheitlichen Maßnahme, da sich Klägerin und Beklagter auf Gleichordnungsebene gegenüberstehen und kein dafür erforderliches Über-/Unterordnungsverhältnis besteht (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 1970 – 10 RV 483/68 –, juris, Rn. 19; BayLSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – L 8 SO 128/14 –, juris, Rn. 32). Eine hoheitliche Maßnahme und eine damit zusammenhängende Verwaltungsaktbefugnis kann zwischen Hoheitsträgern nur ausnahmsweise durch den Gesetzgeber begründet werden (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 1993 – 14a RKa 6/92 –, NJW-RR 1994, 788 [790] m.w.N.). Dies ist hier allerdings nicht anzunehmen, weil das Bestehen oder die Höhe eines Erstattungsanspruchs bereits kraft Gesetzes feststeht und – über die Bestimmung des zuständigen Kostenträgers gemäß § 89d Abs. 3 SGB VIII a. F. hinaus – keiner gesonderten Festsetzung durch Verwaltungsakt mehr bedarf (vgl. zu den §§ 102 ff. SGB X: Weber, in: BeckOK Sozialrecht, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2017, § 102 SGB X, Rn. 43).

22

Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage, insbesondere ein (ordnungsgemäßes) Vorverfahren sowie Einhaltung der Klagefrist, sind gegeben. Es kann daher an dieser Stelle dahinstehen, ob die §§ 68 ff. VwGO auch bei rein formellen Verwaltungsakten, einschließlich der dadurch eintretenden Bestandskraft, Anwendung finden können.

23

Die Klage ist im Übrigen als Leistungsklage zulässig, da der begehrten Erstattung – wie oben dargelegt – kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X vorausgehen muss (so ausdrücklich BayLSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – L 8 SO 128/14 –, juris, Rn. 32).

24

Die Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung liegen vor. Da die formellen (ablehnenden) Verwaltungsakte einen dem Zahlungsbegehren entgegenstehenden Rechtsschein erzeugen, stehen sie in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Leistungsantrag (vgl. dazu Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 113, Rn. 194), sodass auch hier § 113 Abs. 4 VwGO heranzuziehen ist.

25

Die Anfechtungsklage ist begründet, da dem Beklagten insgesamt bereits aufgrund des zwischen ihm und der Klägerin bestehenden Gleichordnungsverhältnisses – wie oben dargelegt – keine Verwaltungsaktbefugnis zukommt. Die eine Erstattung ablehnenden Bescheide sind schon deshalb (zumindest) rechtswidrig und aus Gründen der Rechtsklarheit auch im Tenor aufzuheben (vgl. für einen nicht ordnungsgemäß bekanntgegebenen Verwaltungsakt: OVG RP, Urteil vom 25. Juni 1986 – 8 A 92/85 –, NVwZ 1987, 899), da hier durch die in den Bescheiden des Beklagten enthaltene Ablehnung der Leistung ein der tatsächlichen Rechtslage entgegenstehender Rechtsschein begründet wird.

26

Die Klage ist hinsichtlich der allgemeinen Leistungsklage ebenfalls begründet, da die Klägerin einen Anspruch auf die mit ihrem Klageantrag zu 1. begehrte Leistung hat.

27

Die Klägerin hat einen Anspruch gemäß §§ 89d Abs. 1, Abs. 3 (a. F.), 89f Abs. 1 SGB VIII auf Erstattung der Kosten einer der streitgegenständlichen Taxifahrt als Teil der Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII. Gemäß § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgewendet hat, vom Land zu erstatten, wenn an einen jungen Menschen oder einen Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII innerhalb eines Monats nach der Einreise Jugendhilfe gewährt wird und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet. Gemäß § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII – in der bis 30. Juni 2017 geltenden Fassung (vgl. BGBl. I 2015, 1802) – wurde, sofern (wie hier) die Person im Ausland geboren ist, das erstattungspflichtige Land auf der Grundlage eines Belastungsvergleichs vom Bundesverwaltungsamt bestimmt.

28

Vorliegend findet § 89d Abs. 3 SGB VIII in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 Anwendung. Nach Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher (VerbaKJUVBG) vom 28. Oktober (BGBl. I 2015, 1802) wurde § 89d Abs. 3 SGB VIII aufgehoben, wobei Art. 5 Abs. 1 VerbaKJUVBG bestimmt, dass Art. 1 Nr. 9 VerbaKJUVBG zum 1. Juli 2017 in Kraft tritt. Weder die Vorschriften des VerbaKJUVBG noch des SGB VIII enthalten insoweit eine Übergangsreglung, etwa dergestalt, dass laufende Verwaltungsverfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen sind. Da der Gesetzgeber keine Übergangsregelung erlassen hat, sind in Ermangelung derartiger Vorschriften die Regeln des intertemporalen Rechts anzuwenden.

29

Danach wird der unmittelbar nur die Anwendbarkeit des neuen Rechts betreffende Grundsatz der Sofortwirkung und Nicht-Rückwirkung durch den Grundsatz „tempus regit actum“ ergänzt, nachdem die Beurteilung eines Sachverhalts sich grundsätzlich, insbesondere auch für in der Vergangenheit liegende oder eingetretene Tatsachen nach dem Recht richtet, das im entsprechenden Zeitpunkt in Geltung war (EuGH, Urteil vom 21. September 2017 – C-88/15 –, juris, Rn. 38; BFH, Urteil vom 8. November 2006 – X R 45/02 –, juris, Rn. 22; OVG RP, Urteil vom 11 März 1997 – 6 A 10700/96.OVG –, juris, Rn. 29 ff.). Außer Kraft getretene Rechtsnormen bleiben danach anwendbar auf Sachverhalte, die während ihrer Geltung verwirklicht worden sind. Demgemäß finden auf das vorliegende Verfahren die bisherigen Vorschriften des SGB VIII Anwendung.

30

Zudem stellt § 89d Abs. 3 SGB VIII ohnehin vornehmlich eine Vorschrift zur Bestimmung der Zuständigkeit dar (vgl. OVG RP, Beschluss vom 12. Januar 2018 – 7 A 11652/17 –, juris, Rn. 13), die – sobald sie durch das Bundesverwaltungsamt einmal wirksam erfolgt ist – nicht durch Außerkrafttreten der ihr zugrundeliegenden Norm berührt wird. Ein derartiger Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X (vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 27. August 1998 – 16 A 3477/97 –, juris, Rn. 14) erwächst insoweit jedenfalls in materielle Bestandskraft, die grundsätzlich auch nicht durch nachträgliche Gesetzesänderungen beseitigt wird.

31

Hinsichtlich des Umfangs des Anspruchs gilt die Bagatellgrenze des § 89f Abs. 2 SGB VIII von 1.000 € ausdrücklich im Rahmen von § 89d SGB VIII nicht. Der Umfang der Kostenerstattung ergibt sich demnach vornehmlich aus § 89f Abs. 1 SGB VIII. Unmittelbare ergänzende Anwendung finden darüber hinaus grundsätzlich die §§ 108 Abs. 1 und 109 sowie 111 bis 113 SGB X (vgl. Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 1), soweit das SGB VIII keine speziellere Regelung beinhaltet. Hier hat die Klägerin auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Kostenposition (Taxikosten vom 16. Juni 2015) die Ausschlussfrist des § 111 SGB X gewahrt, der über § 37 Abs. 1 SGB I auch im Rahmen des § 89d SGB VIII entsprechende Anwendung findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 5 C 14/09 –, NVwZ-RR 2011, 67, Rn. 13 f.).

32

Die konkrete Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 SGB VIII tritt dabei lediglichzusätzlich neben § 37 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 111 SGB X (vgl. BMFSJ, JAmt 2016, 302), ohne diese Regelung zu verdrängen. Dabei hat § 42d Abs. 4 SGB VIII eine andere Zielrichtung als § 111 SGB X. Insoweit bezweckt § 111 SGB X zum einen, dass der Erstattungspflichtige in kurzer Zeit nach der Leistungserbringung weiß, welche Ansprüche auf ihn zukommen und er ggf. entsprechende Rückstellungen machen kann, zum anderen dient sie der raschen Abwicklung des Erstattungsverfahrens (BSG, Urteil vom 28. November 1990 – 5 RJ 50/89 –, juris, Rn. 23).

33

Die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X beginnt grundsätzlich mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 5 C 9/15 –, NVwZ 2016, 947, Rn. 14 m.w.N.). Der Lauf der Frist beginnt allerdings – dem Wortlaut des § 111 Satz 2 SGB X nach – frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Im Fall der in Rede stehenden Gewährung von Jugendhilfe an einen im Ausland geborenen, unbegleitet eingereisten jungen Menschen wäre der Beginn der Ausschlussfrist bei einer entsprechenden Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der örtliche Träger von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erforderlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 5 C 9/15 –, NVwZ 2016, 947, Rn. 22). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage der Anwendbarkeit für Ansprüche nach § 89d SGB VIII bisher offengelassen (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 5 C 9/15 –, NVwZ 2016, 947, Rn. 21; eine Anwendung ablehnend: VG Augsburg, Urteil vom 27. Januar 2015 – Au 3 K 14.1617 –, juris, Rn. 29).

34

Es besteht jedenfalls im Rahmen von Ansprüchen gemäß § 89d Abs. 1, Abs. 3 SGB VIII a. F. eine mit § 111 Satz 2 SGB X vergleichbare Interessenlage, sodass der dort enthaltene Rechtsgedanke Anwendung finden kann (anders für § 89c SGB VIII: BayVGH, Urteil vom 21. Mai 2010 – 12 BV 09.1973 –, juris, Rn. 39; Urteil vom 3. Dezember 2009 – 12 BV 08.2147 –, BeckRS 2009, 43994, Rn. 20 ff.). Demnach ist – über die Entstehung des Anspruchs hinaus – die Kenntnis über die Bestimmung des Passivlegitimierten zu fordern. Denn erst dann kann der Erstattungsberechtigte auch ihm gegenüber rechtssichernde Maßnahmen ergreifen. Da sich der Passivlegitimierte im Rahmen des § 89d Abs. 3 SGB VIII a. F. nicht von dem Erstattungsberechtigten selbst, also allein durch Anwendung der gesetzlichen Vorschriften, bestimmen lässt, kann in diesem Zusammenhang nicht auf die bloße Entstehung des Anspruchs und damit nur auf § 111 Satz 1 SGB X abgestellt werden. Dies wäre nicht sachgerecht, weil der erstattungsberechtigte Träger dann unter Umständen keine Möglichkeit hätte, seinen Erstattungsanspruch fristgerecht geltend zu machen (vgl. BT-Drs. 14/4375, S. 60). Bei einer verspäteten oder unterbliebenen Bestimmung des Passivlegitimierten durch das Bundesverwaltungsamt wäre denkbar, dass der Anspruch untergegangen wäre, ohne dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger überhaupt rechtssichernd hätte tätig werden können. Etwas anderes mag allenfalls bei Erstattungsansprüchen gelten, bei denen sich der Anspruchsgegner bereits unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften herleiten lässt (siehe zu einer solchen Konstellation etwa BayVGH, Urteil vom 21. Mai 2010 – 12 BV 09.1973 –, juris, Rn. 39; Urteil vom 3. Dezember 2009 – 12 BV 08.2147 –, BeckRS 2009, 43994, Rn. 20 ff.).

35

Vor Ablauf der Ausschlussfrist muss der Erstattungsanspruch geltend gemacht worden sein (vgl. Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 111, Rn. 12). Ansonsten ist er untergegangen (Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 111, Rn. 16). Die Geltendmachung setzt ein unbedingtes Einfordern der Leistung voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2003 – 5 C 18/02 –, juris, Rn. 14). Dies kann auch konkludent geschehen (vgl. BVerwG, BVerwG, Urteil vom 4. März 1993 – 5 C 6/91 –, NVwZ-RR 1994, 28 [28]). Das Erstattungsbegehren muss sich auf den konkreten Erstattungsanspruch beziehen (Roller, a.a.O., Rn. 13). Der Erstattungspflichtige muss anhand der Erklärung erkennen können, ob er mit einer Erstattungspflicht zu rechnen hat (Roller, a.a.O., Rn. 13). Für die Wahrung der Ausschlussfrist ist die erkennbar auf Rechtssicherung gerichtete Mitteilung ausreichend, dass und für welchen Hilfeempfänger welche Leistungen gewährt wurden und dass und für welche Leistungen Erstattung begehrt wird; dazu müssen die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt werden (BVerwG, Urteil vom 10. April 2003 – 5 C 18/02 –, juris, Rn. 14; Roller, a.a.O., Rn. 13). Es ist insoweit nicht erforderlich, dass das die Grundlagen für den Kostenerstattungsanspruch nach Grund und Höhe in allen Einzelheiten ausgeführt oder gar „bewiesen“ werden oder die Kostenerstattungsforderung beziffert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2003 – 5 C 18/02 –, juris, Rn. 14; BSG, Urteil vom 22. August 2000 – B 2 U 24/99 R –, juris, Rn. 17).

36

Hier wurde die Inobhutnahme am 16. Juni 2015 beendet. Die Bestimmung des Beklagten als erstattungspflichtigem Träger ging der Klägerin am 28. Januar 2016 zu, sodass die Ausschlussfrist nach Maßgabe des § 111 Satz 2 SGB X eigentlich am 28. Januar 2017 geendet wäre. Eine Geltendmachung dem Grunde nach erfolgte zunächst mit Schreiben vom 26. Februar 2016 (Zugang bei dem Beklagten am 3. März 2016). Darin wurde aber die Dauer der Inobhutnahme und damit der Leistungszeitraum vom 26. Mai bis zum 15. Juni 2015 angegeben. Die Bezifferung des Anspruchs erfolgte dann mit Schreiben vom 22. Juni 2018 (Zugang bei dem Beklagten am 29. Juni 2016), die dann auch die Kosten für die Taxifahrt am 16. Juni 2015 ausdrücklich umfasste. Jedenfalls mit der Geltendmachung der Höhe nach hat die Klägerin konkludent zum Ausdruck gebracht, auch die Erstattung von Leistungen für den 16. Juni 2015 unbedingt einfordern zu wollen und damit den Leistungszeitraum insoweit zu erweitern. Der Anspruch ist auch rechtzeitig innerhalb der (zusätzlichen) Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, also vor dem 1. August 2016, geltend gemacht worden. Es besteht auch kein Ausschluss gemäß § 89d Abs. 4 SGB VIII. Die geltend gemachten Kosten sind am 16. Juni 2015 und damit vor dem 1. November 2015 entstanden (vgl. § 42d Abs. 4 und 5 SGB VIII).

37

Dem Anspruch der Klägerin steht im Übrigen auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen, da diese von dem Beklagten jedenfalls nicht wirksam erhoben worden ist. Von Amts wegen wird die Verjährung nicht beachtet (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 2 RU 30/89 –, juris, Rn. 12; Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 113, Rn. 12).

38

Die der Klägerin entstandenen Kosten sind gemäß § 89f SGB VIII nur erstattungsfähig, soweit die Aufgabenerfüllung selbst den Vorschriften des SGB VIII entspricht (sog. Grundsatz der Gesetzeskonformität; vgl. dazu etwa Loss, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 3). Ziel ist es, damit einerseits sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das SGB VIII gezogenen Grenzen überschreitet und andererseits den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 5 C 30/12 –, BeckRS 2013, 55000, Rn. 14 m.w.N.).

39

Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden (vgl. § 89f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII; sog. „Vor-Ort-Prinzip“; dazu auch etwa Kunkel/Pattar, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 89f, Rn. 22 ff.). Dazu zählen Dienstanweisungen, Richtlinien und Vereinbarungen mit Dritten (Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 8; Winkler, in: BeckOK SozR, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2017, § 89f SGB VIII, Rn. 8). Ermessensentscheidungen kann der erstattungspflichtige Träger der Jugendhilfe ausschließlich auf deren Rechtmäßigkeit, nicht hingegen auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüfen (Wiesner, a.a.O.; siehe auch Winkler, a.a.O.). Dabei ist die Entscheidung über die individuell erforderlichen Hilfemaßnahmen von dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger in eigener Verantwortung zu treffen und daher dessen Einschätzung für den erstattungspflichtigen Träger maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2004 – 5 C 63/03 –, juris, Rn. 17).

40

Hier hat die Klägerin den Minderjährigen gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut genommen. Dabei handelt es sich um eine Aufgabe der Jugendhilfe gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII. Demnach ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Dass diese Voraussetzungen grundsätzlich vorliegen, hat der Beklagte weder in Abrede gestellt noch ist Gegenteiliges anderweitig ersichtlich. Die Inobhutnahme endete mit Übergabe des Betroffenen an seine Mutter am 16. Juni 2015 (vgl. § 42 Abs. 4 Nr. 1 SGB VIII). Die Zusammenführung von Mutter und Kind war auch der Grund für die Taxifahrt nach N. (siehe dazu Mitteilung an das Familiengericht M.; Bl. 16 f. der Verwaltungsakte – VA – [blau]). Dort war die Mutter zu diesem Zeitpunkt in einer Asylunterkunft untergebracht.

41

Mit der „Übergabe“ des Kindes oder des Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten ist jedenfalls gemeint, dass die Berechtigten das Kind auf ihre Kosten abholen können (Kirchhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Auflage 2014, § 42 SGB VIII, Rn. 174). Grundsätzlich ist es damit Sache der Personensorge- oder Erziehungsberechtigten, ihre Kinder abzuholen und dafür die Kosten zu tragen (Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 42, Rn. 88; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 42, Rn. 44; Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 42, Rn. 49; Mann, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Auflage 2017, § 42, Rn. 33). Sind sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage dazu, dann sind die bei der Begleitung und Rückführung durch das Jugendamt anfallenden Aufwendungen Kosten der Inobhutnahme, da diese hier erst durch die Übergabe an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten beendet wurde (vgl. Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 42, Rn. 49; einschränkend Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 87, Rn. 3). Auf die (deklaratorische) Mitteilung der Klägerin an das Familiengericht vom 16. Juni 2015, dass die Inobhutnahme „aufgehoben“ werde, kommt es insoweit nicht an. Dabei handelt es sich nur um eine „Bestätigung“ (Bl. 17 d. VA [blau]), dass der junge Mensch zu seiner Mutter zurückgeführt wird und die Inobhutnahme wohl gerade damit enden sollte. Eine vorzeitige Aufhebung der Inobhutnahme gemäß §§ 45 oder 48 SGB X (vgl. dazu BremOVG, Beschluss vom 18. November 2015 – 2 B 221/15 –, NVwZ 2016, 1188, Rn. 18; VG Hannover, Beschluss vom 11. November 2016 – 3 B 5176/16 –, juris, Rn. 8; Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 42, Rn. 105) ist der Verwaltungsakte der Klägerin insoweit nicht zu entnehmen (vgl. insbesondere den Widerspruch der Klägerin vom 1. Juni 2017; Bl. 19 d. VA [rot]). Da der junge Mensch auch während der Fahrt zu seiner Mutter noch schutzbedürftig war, wäre eine vorzeitige Beendigung auch nicht geboten gewesen.

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Jedenfalls dann, wenn zwingende Gründe einer Abholung entgegenstehen (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 42, Rn. 88; Mann, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Auflage 2017, § 42, Rn. 33), kann das Jugendamt nach pflichtgemäßem Ermessen verpflichtet sein, das Kind oder den Jugendlichen zurückzuführen. Hinzukommt, dass hier der – zunächst bestehende – Grund für die Inobhutnahme, nämlich die unbegleitete Einreise in die Bundesrepublik Deutschland, offensichtlich (nachträglich) durch Zusammenführung von Mutter und Kind beseitigt werden konnte. In diesen Fällen hat das Jugendamt grundsätzlich darauf hinzuwirken, dass die Inobhutnahme durch Übergabe an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten beendet wird. Ist diesen eine Abholung faktisch nur unter nicht zumutbaren Umständen möglich, dann kann sich das Ermessen des Jugendamtes dahingehend verdichten, dass die Rückführung zwingend zu organisieren ist – einschließlich einer (zumindest vorübergehenden) Kostentragung durch das Jugendamt. Ob die Kosten dann letztlich von den Eltern erstattet werden müssen, ist an dieser Stelle unerheblich. Es kann hier nicht angenommen werden, dass die Mutter ihr Kind ohne weiteres hätte persönlich abholen können oder über die Mittel verfügte, um eine Abholung eigenständig zu organisieren. Jedenfalls bei derart zwingenden Gründen ist die Rückführung als Form der Übergabe zu werten und damit ein Teil der Aufgabenerfüllung des Jugendamtes nach Maßgabe des § 42 SGB VIII (Kunkel/Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 87, Rn. 3). Ansonsten ist sie eine freiwillige Leistung des Jugendamtes (Kunkel/Kepert, a.a.O.).

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Das Jugendamt der Klägerin war auch für die Rückführung als Teil der Inobhutnahme, die erst mit „Übergabe“ endete (vgl. § 42 Abs. 4 Nr. 1 SGB VIII), gemäß § 87 SGB VIII a. F. zuständig (§ 88a SGB VIII und § 87 Satz 2 SGB VIII n. F. traten erst am 1. November 2015 in Kraft). Da es sich hier bei der Rückführung um einen Teil der Inobhutnahme handelt, richtet sich die Zuständigkeit auch weiterhin nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes (a. A. wohl Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 42, Rn. 88: § 86 SGB VIII). Dies ist zum einen bereits deshalb anzunehmen, weil das Jugendamt, das für die Inobhutnahme zuständig ist, eine Rückführung praktisch einfacher organisieren kann. Zum anderen sind mit der Rückführung die Interessen des Kindes und des Jugendamtes, das es in Obhut genommen hat, wesentlich betroffen.

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Die Pflicht zur Rückführung und (vorläufigen) Kostenübernahme folgt gleichzeitig aus dem Recht der Eltern auf Umgang mit ihrem Kind (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) und das im Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) verankerte Recht des Kindes auf unbehinderten Umgang mit seinen Eltern (vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 2002 – 12 E 658/00 –, NJW 2003, 2257). Sind die Eltern – aus welchen Gründen auch immer – außer Stande, den Transport ihres Kindes für eine Zusammenführung zu gewährleisten, aktualisiert das Kind letztlich sein Recht auf Umgang mit seinen Eltern (hier: seiner Mutter). Dadurch bedingte Fahrtkosten könnten dann wohl auch – zumindest wenn sie eine Besuchsfahrt betreffen – dem notwendigen Lebensunterhalt des Kindes zuzurechnen sein (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 2002 – 12 E 658/00 –, NJW 2003, 2257), was hier allerdings offenbleiben kann. Hier beendete das Jugendamt die von ihm durchgeführte Inobhutnahme durch die Übergabe des Kindes an den Personensorge- bzw. Erziehungsberechtigten. Bis dahin trägt es die Fürsorgepflicht für das Kind, sodass es sich aufdrängt, dass dieses Jugendamt auch für die Organisation einer Rückführung zuständig sein muss. Etwas anderes mag in Fällen gelten, in denen die Bereitschaft und Fähigkeit der Personensorge- bzw. Erziehungsberechtigten zur Abholung des Kindes offensichtlich gegeben oder jedenfalls naheliegend ist.

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Hier sind die streitgegenständlichen Fahrtkosten auch – wie oben bereits dargelegt – als Aufwendungen zur Erfüllung einer aus der konkreten Inobhutnahme folgenden Verpflichtung des Jugendamts und damit als ein Teil derselben einzuordnen. Die damit finanzierte Transportleistung zur Familienzusammenführung kommt dem Inobhutgenommenen auch unmittelbar zugute (vgl. Eichenhofer, in: Eichenhofer/Wenner, SGB X, 2. Auflage 2017, § 109, Rn. 5). Es ist nicht nur (originäre) Aufgabe des Jugendamtes, die Inobhutnahme als (vorläufige) Maßnahme der Krisenintervention einzuleiten, sondern sie auch – als actus contrarius – sobald wie möglich zu beenden. Wird die Beendigung – wie hier – dadurch herbeigeführt, dass der Inobhutgenommene zu den Personensorge- bzw. Erziehungsberechtigten gebracht wird, sind die damit zusammenhängenden Transportkosten ein Teil der Maßnahme selbst. Anders mag die Sache möglicherweise etwa bei Fahrt- bzw. Reisekosten liegen, die lediglich aus Anlass einer sonstigen Aufgabenerfüllung als Annex anfallen, nicht aber die konkrete Aufgabenerfüllung selbst darstellen (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten 14. Juli 2010, J 9.240 CL, JAmt 2010, 369). Auf die in § 109 Satz 2 SGB X festgelegte Bagatellgrenze für „Auslagen“ kommt es in diesem Fall dementsprechend nicht an. Die hier durch Beauftragung eines Dritten (des Taxiunternehmens) entstandenen Kosten sind damit grundsätzlich erstattungsfähig (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 – 5 C 16/08 –, juris, Rn. 16 ff.; Kunkel/Pattar, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 89f, Rn. 3).

46

Überdies steht dem Anspruch der Klägerin der sich aus Treu und Glauben ergebende kostenerstattungsrechtliche Interessenswahrungsgrundsatz im konkreten Fall nicht entgegen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 5 C 30/12 –, BeckRS 2013, 55000, Rn. 16 ff.). Demnach muss der zur Kostenerstattung berechtigte Träger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 19; Urteil vom 29. Juni 2006 – 5 C 24/05 –, NVwZ-RR 2006, 702, Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 19; Urteil vom 26. Oktober 2006 – 5 C 7/05 –, NVwZ-RR 2007, 199, Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen (BVerwG, a.a.O., Rn. 19).

47

Die Geltendmachung etwaiger Ersatzansprüche gegenüber der Mutter, zum Beispiel nach Maßgabe der §§ 667, 670, 683 BGB (vgl. dazu Mann, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Auflage 2017, § 42, Rn. 33), erscheint jedenfalls hier von vornherein als aussichtslos, sodass dies von dem Beklagten auch nicht eingewendet werden könnte. Es konnte hier auch davon ausgegangen werden, dass sich ein unterhaltsrechtlicher Anspruch des Kindes gegenüber seiner Mutter auf Übernahme der Fahrtkosten nicht alsbald realisieren lassen wird (vgl. zu sog. „bereiten Mitteln“: BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1983 – 5 C 112/81 –, juris, Rn. 12 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 2002 – 12 E 658/00 –, NJW 2003, 2257).

48

Die Höhe der Kosten war in diesem Einzelfall nicht unverhältnismäßig und stellt keine unzumutbare Kostenbelastung für den Beklagten dar. Hierbei hat der örtliche Träger der Jugendhilfe einerseits nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu agieren, andererseits aber das Kindeswohl hinreichend sicherzustellen. Dabei kommt dem örtlichen Träger der Jugendhilfe jedenfalls im Rahmen der Überprüfung der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die jeweilige Maßnahme ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Die Entscheidung ist dann gerichtlich ebenso nur dahingehend zu kontrollieren, ob die so entstandenen Kosten bei objektiver Betrachtung sachgerecht und vertretbar sind. Bei den Fahrtkosten ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Beförderungsmöglichkeiten bestanden haben sowie die damit jeweils verbundene Fahrtzeit und die durch ihre Nutzung entstehenden Kosten und Gefahren für den Minderjährigen. Da die Kosten und die Möglichkeiten der der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für den 16. Juni 2015 nicht mehr ohne weiteres rekonstruierbar sein dürften, sind die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als Orientierung heranzuziehen, soweit – wie hier – davon ausgegangen werden kann, dass es insoweit keine wesentlichen Änderungen gegeben hat.

49

Die Preise für Zugfahrten im Fernverkehr in der zweiten Klasse vom M. Hauptbahnhof bis zum nächstgelegenen Bahnhof A. am Standort der Mutter liegen – laut der Preisauskunft der Deutschen Bahn (bahn.de) – bei 53,00 € bis 71,00 € (sog. Flexpreis). Die Dauer der Fahrten liegt zwischen 3:20 und 4:19 Stunden. Dabei ist keine Direktverbindung verfügbar. Entweder führt die Route über den S. Hauptbahnhof (1 Umstieg) oder über U. Hauptbahnhof mit anschließendem weiteren Umstieg in B. oder T. (2 Umstiege). Dabei nicht berücksichtigt ist der jeweils örtliche Nahverkehr.

50

Die Fahrt von der A.-Straße in M. (Haltestelle „B“) bis zum M. Hauptbahnhof dauert mit Nutzung von Bus (Linie ...) und U-Bahn (Linie ....) laut allgemein zugänglicher Auskunft (....) einschließlich etwaiger Fußwege ca. 28 Minuten. Dabei ist ein Umstieg an der Haltestelle „C“ bzw. „D“ von Bus zu U-Bahn notwendig. Die Kosten belaufen sich auf 1,40 € (Kindertarif).

51

Der Transfer vom Bahnhof A. bis zum Standort der Mutter (E.; Haltestelle „F.“) dauert laut Online-Auskunft des örtlichen Verkehrsverbundes .... einschließlich etwaiger Fußwege entweder 17 Minuten (Abfahrt 6:54 Uhr; Haltestelle „G.“) oder 39 Minuten (Abfahrt 16:38 Uhr; Haltestelle „H.“) mit einem Umstieg an der Haltestelle „I.“. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass es offenbar nur diese zwei Verbindungen pro Tag gibt. Bei lebensnaher Betrachtung dürfte ohnehin auch nur die zweite Verbindung am Nachmittag in Betracht kommen. Die Kosten für eine Einzelfahrt liegen bei 2,40€ (Kindertarif).

52

Insgesamt ergibt sich daraus eine Gesamtzeit für den Transport von mindestens 4:27 Stunden mit sechs Umstiegen, wobei nach allgemeiner Lebenserfahrung erhebliche Warte- und Umsteigezeiten hinzukommen. Dabei wären Gesamtkosten von mindestens 56,20 € bis 74,20 € entstanden.

53

Generell gilt zur Überzeugung der Kammer jedenfalls bei Kindern, also Personen unter 14 Jahren (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII), eine widerlegliche Vermutung dafür, dass eine Taxifahrt jedenfalls bei einer einfachen Wegstrecke mit insgesamt mehr als zwei Umstiegen als erstattungsfähig eingestuft werden kann. Bei Kindern ist in der Regel von einem im Vergleich zu Jugendlichen erhöhten Schutzbedarf auszugehen. Mit steigendem Alter verringert sich der Schutzbedarf und damit auch die Notwendigkeit und der Umfang der vom Jugendamt zu ergreifenden Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen. Da die Inobhutnahme erst mit der tatsächlichen Übergabe des Kindes an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten endet, gilt die Fürsorgepflicht des Jugendamtes im alters- und entwicklungsangemessenen Umfang bis zu diesem Zeitpunkt weiter. Bei Kindern ist besonders sicherzustellen, dass Ihnen eine erwachsene Begleitperson zur Seite gestellt wird, die dafür Sorge trägt, dass sie am Zielort ankommen. Dies gilt besonders bei Kindern, die unter Umständen noch Sprachschwierigkeiten aufweisen und daher auch etwaige Beschilderungen nicht richtig lesen können. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sind auch kurzfristige Verspätungen und Gleiswechsel bei Bahnreisen nicht unüblich. Gerade in diesen – nicht vorhersehbaren – Situationen ist in erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit und Orientierung gefragt, was von einem Kind in der Regel nicht erwartet werden kann.

54

Eine regelmäßig andere Betrachtung könnte insoweit bei Jugendlichen anzunehmen sein, also bei Personen, die 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Wann und ob bei ihnen Taxifahrten erstattungsfähig sind, kann an dieser Stelle offenbleiben. Letztlich ist die Entwicklung eines jeden Menschen unterschiedlich schnell, sodass die in § 7 SGB VIII festgelegten Altersgrenzen nur eine grobe (Regel-)Orientierung geben können, aber eine Einzelfallprüfung nicht obsolet machen. Insgesamt ist daher das Alter und Verhalten des jungen Menschen maßgeblich (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 42, Rn. 88).

55

Hier sind Anhaltspunkte, die ein Abweichen von der oben ausgeführten Regelvermutung rechtfertigen können, nicht von den Beteiligten dargetan worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der Inobhutgenommene war zum Zeitpunkt der Rückführung zu seiner Mutter zwölf Jahre alt. Es gab keine aktenkundigen Anzeichen dafür, dass eine Ankunft am Zielort bei der Mutter anderweitig mit zumutbarem Aufwand hätte sichergestellt werden können. Insbesondere das Bereitstellen einer Begleitperson hätte erhebliche Mehrkosten für ein Zugticket für diese produziert (für Hin- und Rückfahrt) sowie Personal gebunden, das vor Ort bei dem Jugendamt der Klägerin ebenso zwingend benötigt worden ist. Auch die mit im Taxi transportierten Personen (Schwester und Cousin des jungen Menschen) waren zum Reisezeitpunkt auch erst 14 und 15 Jahre alt geworden und kamen daher als taugliche Begleitpersonen nicht in Betracht. Die Ankunft am konkreten Zielort bei der Mutter ist hier auch deshalb von ganz besonderer Relevanz, da erst mit der tatsächlichen Übergabe die Inobhutnahme und damit auch die Fürsorgepflicht des Jugendamtes der Klägerin endete. Sonstige Ermessensfehler, wie etwa sachfremde Erwägungen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Hier handelt es sich zudem um eine Reise mit mindestens sechs Umstiegen und einer erheblichen Dauer, sodass auch schon deshalb eine Taxifahrt geboten erscheinen konnte. Insgesamt wiegt hier in diesem Einzelfall die Gewährleistung einer sicheren Ankunft des Kindes am Zielort höher als das finanzielle Interesse des Beklagten, sodass die Kosten für die Taxifahrt in diesem Einzelfall als erstattungsfähig eingestuft werden können.

56

Ein Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich für die Klägerin in entsprechender Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 12). Dahingehend schließt § 89f Abs. 2 Satz 2 SGB VIII zwar Verzugszinsen, aber keine Prozesszinsen aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 – 5 C 34/00 –, NVwZ 2001, 1057 [1058]).

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

58

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 VwGO. Dabei erstreckt sich bei rein formellen Verwaltungsakten die Rechtsfolge des § 167 Abs. 2 VwGO nicht auf die Leistungsklage (anders bei der Aufhebung von Verwaltungsakten im materiellen Sinne etwa: BFH, Urteil vom 16. Juli 1980 – VII R 24/77 –, BeckRS 1980, 22005403; HessVGH, Teilurteil vom 5. November 1986 – 1 UE 700/85 –, NVwZ 1987, 517).

Beschluss der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 19. Juni 2018

59

Der Streitwert wird auf 146,37 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 670 Ersatz von Aufwendungen


Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 683 Ersatz von Aufwendungen


Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht diese

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 667 Herausgabepflicht


Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 86 Örtliche Zuständigkeit für Leistungen an Kinder, Jugendliche und ihre Eltern


(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt ode

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhut

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 102 Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers


(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. (2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorle

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 2 Aufgaben der Jugendhilfe


(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien. (2) Leistungen der Jugendhilfe sind:1.Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und J

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 37 Vorbehalt abweichender Regelungen


Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapite

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 111 Ausschlussfrist


Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpun

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 19 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder


(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dies

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 7 Begriffsbestimmungen


(1) Im Sinne dieses Buches ist 1. Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen,2. Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist,3. junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt i

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89c Kostenerstattung bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung


(1) Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Kosten, die ein örtlicher Träger im R

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89f Umfang der Kostenerstattung


(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89d Kostenerstattung bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise


(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn 1. innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und2. sich die örtliche Zuständigke

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 108 Erstattung in Geld, Verzinsung


(1) Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten. (2) Ein Erstattungsanspruch der Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe ist von anderen Leistungsträgern 1. für die Dauer des Erstattun

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 87 Örtliche Zuständigkeit für vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen


Für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen (§ 42) ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält. Die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eine

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 109 Verwaltungskosten und Auslagen


Verwaltungskosten sind nicht zu erstatten. Auslagen sind auf Anforderung zu erstatten, wenn sie im Einzelfall 200 Euro übersteigen. Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den in Satz 2 genannten Betrag entsprec

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(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Verwaltungskosten sind nicht zu erstatten. Auslagen sind auf Anforderung zu erstatten, wenn sie im Einzelfall 200 Euro übersteigen. Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den in Satz 2 genannten Betrag entsprechend der jährlichen Steigerung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches anheben und dabei auf zehn Euro nach unten oder oben runden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

I.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. November 2015 wird einschließlich des ihm vorangegangenen Verfahrens aufgehoben.

II.

Die Streitsache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg zurückverwiesen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger und eine Frau A. S. schlossen am 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 mit dem Beklagten sowie dem Landkreis Regensburg eine Vereinbarung über Maßnahmen in Zusammenhang mit einer festgestellten Bodenkontamination. Diese Vereinbarung weist, soweit in vorliegendem Zusammenhang von Bedeutung, folgenden Wortlaut auf:

„I.

Vorbemerkungen:

Auf dem Grundstück Fl-Nr. 1559 (alt) Gemarkung N. ist durch Auffüllungen/Ablagerungen mit teerhaltigem Bodenmaterial eine Altlast i. S. d. Bundesbodenschutzgesetzes entstanden, die nach bundesbodenschutzrechtlichen Vorschriften zu sanieren ist.

Diese Sanierung wird vom Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Regensburg, vorgenommen.

Eigentümer der landwirtschaftlichen Flur Nr. 1559/2 der Gemarkung N. sind Herr J. und Frau A. S. zu gleichen Teilen. …

II. Vereinbarung

1. Der Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Regensburg, beseitigt entsprechend § 4 III BBodSchG die auf Fl. Nr. 1559 (alt) Gemarkung N., heute bestehend aus den Fl. Nr. 1559, 1559/2 und 1559/3, festgestellte Altlast.

Danach versetzt der Freistaat die maßnahmebetroffenen Flächen in einen dem ackerbaulichen Nutzungszustand vor Maßnahmebeginn gleichwertigen - hinsichtlich der Flächengröße annähernd gleichwertigen - Zustand und sorgt zudem nach guter fachlicher Praxis und in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde für eine gleichwertige Wiederanpflanzung der Böschung auf den Sanierungsflächen mit ortstypischen, tiefwurzelnden Pflanzen.

Ein Rechtsanspruch auf Wiederherstellung der exakt identischen Flächengrößen besteht nicht.

2. …

3. …

4. …

5. Nach Abschluss der Sanierung wird das Grundstück Flur Nr. 1559/2 Gemarkung N. aus dem Altlastenkataster herausgenommen. Der Abschluss der Sanierung der Altlast gemäß Ziffer II 1 und die auflagenfreie Herausnahme des Grundstücks Flur Nr. 1559/2 Gemarkung N. aus dem Altlastenkataster werden gegenüber Herrn J. und Frau A. S. durch Verwaltungsakt des Landratsamtes Regensburg bestätigt.

6. Herr J. und Frau A. S. leisten spätestens nach - kumulativ - Vorliegen einer Bestätigung des LRA über den Abschluss der Maßnahmen gemäß Ziffer II 1, Vorliegen der Bestätigung gemäß Ziffer II 5 und Vorliegen der Bestätigung einer Wiederanpflanzung der Böschung im Sinne der Ziffer II 1 durch die UNB, zur Abgeltung ihrer Pflichten aus § 25 BBodSchG gesamtschuldnerisch einen Wertausgleich in Höhe von Euro 7.500,00 an den Freistaat Bayern, Konto …

Dieser Wertausgleich wird spätestens 4 Wochen nach Erhalt der letzten der o. g. 3 Bestätigungen fällig.

…“

Am 4. September 2015 erließ das Landratsamt Regensburg gegenüber dem Kläger einen Bescheid, dessen verfügender Teil in der Nummer I. wie folgt lautet:

„Es wird festgestellt, dass für das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 der Gemarkung P. kein Altlastenverdacht mehr besteht. Das Grundstück wird aus dem Altlastenkataster entlassen.“

Als Rechtsgrundlage für diesen Ausspruch wurde in den Bescheidsgründen § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG genannt. Gemäß § 16 Abs. 1 i. V. m. § 11 BBodSchG, Art. 3 Abs. 2 BayBodSchG und der Nummer 4.1.5 Abs. 2 der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Bodenschutz- und Altlastenrechts in Bayern (BayBodSchVwV) vom 11. Juli 2000 (AllMBl S. 473) seien nach einer erfolgreichen Sanierung deren Abschluss und die Entlassung aus dem Altlastenverdacht durch Bescheid festzustellen. Eine erfolgreiche Sanierung liege gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG dann vor, wenn dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstünden. Eine Sanierung sei im vorliegenden Fall deshalb erforderlich gewesen, weil der in der Altablagerung enthaltene teerhaltige Altasphalt eine Grundwassergefährdung dargestellt habe. In den im Sanierungsplan festgelegten Sanierungsbereichen sei der größte Teil der Böden und Altasphaltmengen mit einem über 25 mg/kg liegenden PAK-Gehalt entfernt worden. Eine Untersuchung von Feststoffproben habe ergeben, dass nach der in den Monaten von November 2011 bis Juli 2012 durchgeführten Sanierung keine nennenswerten Belastungen mehr vorhanden seien. Anders verhalte es sich nur hinsichtlich der Randprobe RP 3, bei der der Hilfswert 1 von 5 mg/kg (vgl. die Tabelle 1 im Anhang 3 zum Merkblatt Nr. 3.8/1 des ehemaligen Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft vom 31.10.2001 - „Untersuchung und Bewertung von Altlasten, schädlichen Bodenveränderungen und Gewässerverunreinigungen - Wirkungspfad Boden-Gewässer“) überschritten sei, sowie der Randprobe RP 6, bei der eine Überschreitung des bei 25 mg/kg liegenden Hilfswerts 2 nach der gleichen Tabelle festgestellt worden sei. Das ursprüngliche Analyseergebnis der letztgenannten Randprobe, das eine PAK-Konzentration von 45 mg/kg gezeitigt habe, sei einer Nachuntersuchung unterzogen worden, bei der sich PAK-Belastungen von 18, 27 und 33 mg/kg ergeben hätten; der sich insoweit ergebende Durchschnittswert von 30 mg/kg liege geringfügig über dem Hilfswert 2. Mit Schreiben vom 10. September 2012 habe das Wasserwirtschaftsamt Regensburg mitgeteilt, das Sanierungsziel sei sowohl hinsichtlich des Wirkungspfads Boden-Grundwasser als auch hinsichtlich des Trinkwassers als erreicht anzusehen. Mit Schreiben vom 20. August 2012 und in einem Telefongespräch vom 10. September 2012 habe das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Amberg bestätigt, dass auch für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze keine Gefahr vorliege. Da nach Angabe des Gesundheitsamts der Wirkungspfad Boden-Mensch im vorliegenden Fall nicht betroffen sei, bestehe kein Altlastenverdacht mehr. Außerhalb der Sanierungsbereiche 5, 6 und 7 ließen sich zwar vereinzelte über dem Hilfswert 1 liegende PAK-Belastungen nicht ausschließen; nach dem Ergebnis der Vorerkundungen könnten sie jedoch allenfalls kleinräumig auftreten. Eine von gutachterlicher Seite vorgenommene Frachtberechnung habe ergeben, dass in dem nicht ausgehobenen Bereich verbliebene Schadstoffnester keine Gefährdung für das Grundwasser darstellten und sie toleriert werden könnten. Das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 gelte damit nicht nur hinsichtlich der Sanierungsbereiche, sondern in seiner Gesamtheit als saniert und altlastenfrei.

Zur Begründung der von ihm am 2. Oktober 2015 zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg gegen den Bescheid vom 4. September 2015 erhobenen Anfechtungsklage führte der Kläger im Wesentlichen aus, ein einzuholendes Sachverständigengutachten werde ergeben, dass auf dem Grundstück Fl.Nr. 1559/2 erhebliche schädliche Bodenveränderungen verblieben seien. Außerdem sei - was ebenfalls durch eine sachverständige Begutachtung nachgewiesen werden könne - im Rahmen der Wiederverfüllung, insbesondere bei der Aufbringung der obersten Bodenschicht, erneut mit teerhaltigem Asphalt belastetes Material auf dieses Grundstück verbracht worden. Namentlich in dem für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanzen relevanten Bereich der obersten 60 cm seien damit weiterhin schädliche Bodenveränderungen vorhanden; eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks sei damit nicht möglich. Die im August bzw. September 2012 erfolgte Beurteilung durch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sei nicht aussagekräftig, da die Maßnahme in jenem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht berichtigte das Landratsamt den Bescheid vom 4. September 2015 dahingehend, dass das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 in der Gemarkung N. liege.

Durch Urteil vom 30. November 2015 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig ab. Der streitgegenständliche Bescheid verletze den Kläger im Sinn von § 42 Abs. 2 VwGO nicht in subjektiven Rechten, da der Entlassung aus dem Altlastenkataster - wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof imBeschluss vom 28. September 2012 (22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177) ausgesprochen habe - keine konstitutive Wirkung dergestalt zukomme, dass damit das Nichtvorliegen einer Altlast oder eines Altlastenverdachts verbindlich festgestellt würde. Aus der im Jahr 2012 geschlossenen Vereinbarung ergebe sich nichts anderes. Zwar seien die Vertragschließenden, wie in der Nummer 4.1.5 BayBodSchVwV vorgegeben, wohl davon ausgegangen, dass die Entlassung aus dem Altlastenkataster durch Bescheid zu erfolgen habe; diese Auffassung lasse jedoch die vorerwähnte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unberücksichtigt. Ob das streitgegenständliche Grundstück vereinbarungsgemäß saniert sei, sei nicht Streitgegenstand.

Mit der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt der Kläger:

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. November 2015 wird aufgehoben.

2. Der Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 4. September 2015 wird aufgehoben.

Sollte der Verwaltungsgerichtshof erwägen, die Streitsache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, beantragt der Kläger,

die Aufhebung des Urteils vom 30. November 2015 und die Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht Regensburg.

Die Klage sei deshalb zulässig, weil der Kläger Adressat des streitgegenständlichen Bescheids sei, der sich für ihn als belastender Verwaltungsakt darstelle. Die belastende Wirkung ergebe sich aus der Verknüpfung des Bescheids mit dem Vertrag vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010. Der Bescheid sei geeignet, die Zahlungsverpflichtung nach der Nummer II.6 dieses Vertrags mit auszulösen. Da er nach dem Willen des Landratsamts die in der Nummer II.5 des Vertrages vorgesehene Feststellung - nämlich die Bestätigung des Abschlusses der Altlastensanierung und die auflagenfreie Herausnahme des Grundstücks Fl.Nr. 1559/2 aus dem Altlastenkataster - enthalte, würde mit dem Eintritt seiner Bestandskraft ferner bindend feststehen, dass der Freistaat Bayern bzw. der Landkreis Regensburg die vertraglichen Verpflichtungen nach der Nummer II.1 des Vertrages erfüllt hätten.

Ein wesentlicher Unterschied des vorliegenden Falles gegenüber der Sachverhaltsgestaltung, die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. September 2012 (22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177) zugrunde gelegen habe, bestehe u. a. darin, dass durch den in jener Gerichtsentscheidung zu beurteilenden Bescheid die Sanierungsverpflichtung nicht aufgehoben worden sei. Der hier inmitten stehende Bescheid ziele nach dem Willen des Landratsamts jedoch gerade darauf ab, den Freistaat Bayern und den Landkreis Regensburg aus der vertraglich übernommenen Sanierungspflicht zu entlassen.

Materiell rechtswidrig sei der Bescheid deshalb, weil das Landratsamt in einem Schreiben vom 15. November 2011 das festgelegte Sanierungsziel dahingehend umschrieben habe, dass alles Material, das einen höheren PAK-Gehalt als 5 mg/kg aufweise, entfernt werden solle. Dieses mit den Fachbehörden und den vorgesetzten Stellen abgestimmte Ziel sei jedoch nicht ausreichend umgesetzt worden. Am Nordrand des betroffenen Grundstücks seien auf einer Tiefe von 30 m keine Ablagerungen entfernt worden, obwohl sich dort Boden befinde, der die vorerwähnte Belastungsgrenze überschreite. Ebenso verhalte es sich im Südosten dieses Grundstücks. Überdies sei der aufgebrachte Boden erneut belastet. Dies habe die Untersuchung von Bodenproben ergeben, die auf dem unmittelbar angrenzenden Grundstück Fl.Nr. 1559 gewonnen worden seien; dort sei der gleiche Oberboden aufgebracht worden. Im Rahmen dieser Untersuchungen gezogene Mischproben hätten einen PAK-Gehalt von bis zu 436 mg/kg aufgewiesen. Der Kläger regt an, zum Nachweis der Richtigkeit dieser Behauptungen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch die Einvernahme eines namentlich benannten Mitarbeiters eines für ihn tätig gewordenen geowissenschaftlichen Büros als Zeugen zu erheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch in der hier vorliegenden Konstellation, dass zwischen einer Behörde und einem Grundstückseigentümer ein Vertrag geschlossen worden sei, der den Erlass eines den Wegfall des Altlastenverdachts feststellenden Bescheids vorsehe, komme der förmlichen Entlassung eines Grundstücks aus dem Altlastenkataster kein Regelungscharakter zu. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Regelung eines Einzelfalles mit Außenwirkung inmitten stehe, dürfe nicht darauf abgestellt werden, ob an die Entlassung aus dem Altlastenkataster weitere (vertragliche) Folgen geknüpft würden; denn die Rechtsnatur staatlicher Handlungen könne nicht durch vertragliche Vereinbarungen (fremd-)bestimmt werden. Vorliegend seien der Erlass eines Verwaltungsakts und die hieran geknüpfte Zahlungsverpflichtung vertraglich vereinbart worden sei. Es erscheine fragwürdig, wenn der Kläger das vertragsgemäße Vorgehen als solches als Belastung einstufe. Durch die Verneinung einer Klagebefugnis werde er nicht rechtsschutzlos gestellt. Vielmehr hätte er, sollte die Sanierung aus seiner Sicht noch nicht im vereinbarten Umfang abgeschlossen sein, vertragliche Ansprüche geltend machen müssen. Richtiges Mittel hierzu sei die Feststellungsklage, dass der Sanierungserfolg noch nicht eingetreten sei; infolge dessen sei „auch die Entlassung hinfällig“. Sein eigentliches Ziel, eine „bessere“ Sanierung des Grundstücks zu erlangen, könne der Kläger nicht dadurch erreichen, dass er sich gegen die Entlassung aus dem Altlastenkataster als solche wende.

Unabhängig hiervon sei die Klage jedenfalls unbegründet, da es an der nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Rechtsverletzung fehle. Denn weder der vorliegend geschlossene Vertrag noch das Gesetz selbst würden die Bejahung einer erfolgreichen Sanierung von der Beseitigung aller schädlichen Bodenveränderungen abhängig machen. Die Nummer II.1 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 nehme auf § 4 Abs. 3 BBodSchG Bezug, in dem u. a. der rechtliche Maßstab für Sanierungsziele festgelegt sei; der Begriff der Sanierung selbst sei in § 2 Abs. 7 BBodSchG gesetzlich definiert. Aus diesen Bestimmungen gehe deutlich hervor, dass das Bundes-Bodenschutzgesetz keine vollständige Freiheit von jeglichen Belastungen anstrebe, zumal dies in der Praxis nicht realisierbar wäre. Nach der Nummer II.1 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 sollten die betroffenen Flächen einer dem ackerbaulichen Nutzungszustand gleichwertigen Beschaffenheit zugeführt werden; Sanierungsziele dergestalt, dass bestimmte Belastungsgrenzwerte eingehalten werden müssten, würden darin nicht genannt. Auch aus dem Sanierungsplan ergebe sich nicht, dass auf der gesamten Fläche eine PAK-Belastung von 5 mg/kg nicht überschritten werden dürfe. Er sei vielmehr darauf ausgelegt gewesen, die Belastungsschwerpunkte durch einen Teilaushub zu beseitigen. Die durchgeführten Beprobungen hätten in Verbindung mit der umfangreichen Dokumentation der ergriffenen Maßnahmen ergeben, dass die Sanierung gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG als abgeschlossen zu bezeichnen seien. Die in der Berufungsbegründung erwähnte PAK-Belastung von bis zu 436 mg/kg habe man in einer Mischprobe festgestellt, bei der verschiedene Teerproben vermengt worden seien; dies entspreche nicht den Vorgaben für die Bewertung von Mischproben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vom Verwaltungsgericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Gründe

Über die zulässige Berufung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich beide Beteiligte hiermit einverstanden erklärt haben.

Dieses Rechtsmittel hat mit der Maßgabe Erfolg, dass in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von der durch § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffneten Möglichkeit der Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz Gebrauch gemacht wird.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Klagebefugnis des Klägers (§ 42 Abs. 2 VwGO) zu Unrecht verneint und dessen Anfechtungsklage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

1.1 Um Rechtsschutz gegen den Bescheid vom 4. September 2015 hat der Kläger in zutreffender Weise gemäß § 42 Abs. 1 VwGO durch Erhebung einer Anfechtungsklage nachgesucht. Die Feststellung, dass für ein bestimmtes Grundstück kein Altlastenverdacht mehr besteht (Nr. I Satz 1 des angefochtenen Bescheids), hat den Rechtscharakter einer feststellenden Regelung (Art. 35 BayVwVfG). Auf die Statthaftigkeit dieser Klageart bleibt es auch ohne Einfluss, dass der im Satz 2 der Nummer I dieses Bescheids enthaltene behördliche Ausspruch die in Art. 35 Satz 1 BayVwVfG vorgegebenen Begriffsmerkmale eines Verwaltungsakts in doppelter Hinsicht nicht erfüllt.

1.1.1 Es trifft zu, dass die Erklärung des Landratsamts, das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 werde aus dem Altlastenkataster entlassen, keine „Regelung“ im Sinn dieser Bestimmung (d. h. den Ausspruch eines Ge- oder Verbots bzw. die Feststellung, Begründung oder Aufhebung eines Rechts oder rechtserheblicher Eigenschaften einer Sache) beinhaltet und nicht darauf gerichtet ist, eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen hin zu erzeugen. Der Verwaltungsgerichtshof hält insofern an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.

Bei dem bayerischen Altlastenkataster (Art. 3 BayBodSchG) handelt es sich um eine ausschließlich behördeninterne Arbeitshilfe; den darin enthaltenen Eintragungen kommt keine verbindliche Außenwirkung zu (BayVGH, B. v. 28.9.2012 - 22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177 Rn. 14). Denn es dient dazu, einen Überblick über den Stand der Behandlung von Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen in Bayern zu vermitteln und die Kontrolle eines landesweit einheitlichen Vollzugs des Bodenschutz- und Altlastenrechts zu ermöglichen (so die Begründung des Entwurfs der Staatsregierung für ein Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zum Schutz des Bodens in Bayern, LTDrs. 14/31 S. 12); als „wichtiges Instrument für eine effiziente Umweltpolitik“ (LTDrs. 14/31 S. 12) ist es mithin dazu bestimmt, die Staatsregierung und die zuständigen Staatsministerien in die Lage zu versetzen, ihre verfassungsrechtlichen Leitungs- und Vollzugsaufgaben (Art. 43 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1, Art. 55 Nr. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern) erfüllen zu können.

Im Einklang mit dieser ausschließlich verwaltungsinternen Zweckbestimmung des bayerischen Altlastenkatasters steht es, dass Eintragungen in dieses Register gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BayBodSchG durch unmittelbaren Datentransfer von den nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 BayBodSchG zuständigen Kreisverwaltungsbehörden an das Bayerische Landesamt für Umwelt vorgenommen werden. Dieser Weg der Eintragung in das Altlastenkataster soll nach dem Willen des Gesetzgebers „ausschließlichen“ Charakter tragen (vgl. die Begründung zu § 1 Nr. 1 des Entwurfs der Staatsregierung für ein Gesetz zur Änderung des Bayerischen Bodenschutzgesetzes, LTDrs. 16/4442, durch das Art. 3 Abs. 1 BayBodSchG um den heutigen Satz 2 ergänzt wurde). Für Veränderungen einmal vorgenommener Eintragungen - insbesondere die Herausnahme eines Grundstücks aus dem Altlastenkataster - kann nichts anderes gelten.

Einen diesem „schlichten Verwaltungshandeln“ (so zu Recht Versteyl in Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl. 2005, § 11 Rn. 42 hinsichtlich der Art und Weise der Vornahme einer Löschung bzw. Berichtigung von Eintragungen im Altlastenkataster) vorgeschalteten Verwaltungsakt, durch den die Altlasteneigenschaft eines Grundstücks (positiv oder negativ) festgestellt wird, sehen weder das Bundes-Bodenschutzgesetz noch das Bayerische Bodenschutzgesetz vor; angesichts des abschließenden Charakters des im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelten Maßnahmenbündels (BVerwG, U. v. 26.4.2006 - 7 C 15.05 - BVerwGE 126, 1 Rn. 10) hätte dem Landesgesetzgeber für die Schaffung einer Norm, die zum Erlass solcher Verwaltungsakte ermächtigt, überdies die Gesetzgebungskompetenz gefehlt (BVerwG, U. v. 26.4.2006 a. a. O. Rn. 13). Auch die Nummer 4.1.5 BayBodSchVwV geht nur von einer durch Bescheid auszusprechenden „Entlassung aus dem Altlastenverdacht im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG“, nicht aber von der mittels eines Verwaltungsakts zu verfügenden Entlassung eines Grundstücks aus.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt bei alledem nicht, dass die Eintragung eines Grundstücks in das Altlastenkataster mit (u. U. erheblichen) Nachteilen für den Betroffenen einhergehen kann. Denn da die in diesem Register gespeicherten Informationen trotz seines nur behördeninternen Charakters gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG grundsätzlich jedermann zugänglich sind (eingehend dazu Versteyl in Versteyl/Sondermann, a. a. O. § 11 Rn. 35 - 37), kann die Aufnahme eines Grundstücks in dieses Verzeichnis negative Auswirkungen auf die Werthaltigkeit eines Grundstücks und seine Verkäuflichkeit zeitigen (so zu Recht Versteyl in Versteyl/Sondermann, a. a. O. § 11 Rn. 34). Hierbei handelt es sich indes nur um eine mittelbare (faktische) Folge der Eintragung; auf ihre Herbeiführung ist eine solche behördliche Maßnahme nicht im Sinn von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG „unmittelbar gerichtet“.

1.1.2 Dies steht im vorliegenden Fall der Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage aber nicht entgegen.

Wird eine behördliche Entscheidung, die die gesetzlichen Merkmale eines Verwaltungsakts nicht erfüllt, gleichwohl in die äußere Form eines Verwaltungsakts gekleidet, so ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer hiergegen erhobenen Anfechtungsklage vom Vorliegen eines Verwaltungsakts auszugehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 35 Rn. 52). Dies gilt selbst dann, wenn die Behörde von Rechts wegen nicht einmal dazu befugt war, überhaupt durch Verwaltungsakt zu handeln (BVerwG, B. v. 9.11.1984 - 7 C 5.84 - NVwZ 1985, 264).

Dass das Landratsamt im vorliegenden Fall die Handlungsform des Verwaltungsakts auch hinsichtlich des Satzes 2 der Nummer I des Bescheidstenors benutzt hat, ergibt sich in zweifelsfreier Deutlichkeit aus der Tatsache, dass diese behördliche Erklärung ebenfalls in ein Dokument aufgenommen wurde, das mit „Bescheid“ überschrieben ist, einen von den Bescheidsgründen deutlich abgesetzten Tenor aufweist und eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält (vgl. zur Aussagekraft dieser Umstände für die Ermittlung des objektiven Erklärungswerts des behördlichen Verhaltens U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 72; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 35 Rn. 54).

1.2 Durch beide in der Nummer I des Tenors des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen behördlichen Aussprüche kann der Kläger, wie dies für die Bejahung seiner Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendig, aber auch ausreichend ist, in eigenen Rechten verletzt werden.

Die Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung resultiert zum einen daraus, dass der Erlass eines Verwaltungsakts mit diesem Inhalt eine der Voraussetzungen darstellt, von deren Erfüllung nach der Nummer II.6 Abs. 1 und 2 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 das Fälligwerden des u. a. vom Kläger zu entrichtenden Wertausgleichsbetrages abhängt; der Existenz eines solchen Verwaltungsakts kommt insoweit „Tatbestandswirkung“ zu. Die Notwendigkeit, dem Kläger die Befugnis zur Anfechtung dieses Verwaltungsakts zuzuerkennen, folgt bereits aus dem Umstand, dass er andernfalls nach dem Ablauf der Klagefrist keine Möglichkeit mehr besäße, mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen, die materiellen Voraussetzungen für die Ausstellung einer derartigen Bescheinigung lägen nicht vor. Desgleichen könnte er bei einer Verneinung der Klagebefugnis in Zukunft nicht mehr mit dem Einwand gehört werden, der Beklagte habe das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 entgegen der in der Nummer I Satz 1 des Bescheidstenors getroffenen Feststellung nicht in einer Weise saniert, angesichts derer nicht einmal mehr ein Altlastenverdacht vorliege. Denn die Bestandskraft eines Verwaltungsakts bewirkt, dass die in ihm ausgesprochene Rechtsfolge von da an nicht nur zwischen dem Rechtsträger der Behörde, die diesen Verwaltungsakt erlassen hat, und den in Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bezeichneten Personen bindend feststeht; vielmehr haben auch alle anderen Träger öffentlicher Gewalt - auch die Gerichte - bei ihren Entscheidungen sowohl die Tatbestands- als auch die Feststellungswirkung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts der hier inmitten stehenden Art, soweit sie in inhaltlicher und personeller Hinsicht reicht, zu beachten (vgl. zur Bedeutung bestandskräftiger Verwaltungsakte als eines für die gerichtliche Sachverhalts- und Rechtsprüfung maßgeblichen Umstandes Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 1997, § 113 Rn. 20; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 16).

Angesichts der dem streitgegenständlichen Bescheid zukommenden Feststellungs- bzw. Tatbestandswirkung und der ihm innewohnenden Möglichkeit, in Bestandskraft zu erwachsen, ist er geeignet, die Fragen, ob der Beklagte die von ihm gegenüber dem Kläger eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen (bzw. einen Teil hiervon) ordnungsgemäß erfüllt hat, und ob der nach der Nummer II.6 Abs. 1 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 zu entrichtende Wertausgleich (nach Ausstellung der in dieser Klausel erwähnten weiteren Bestätigungen) fällig geworden ist, einer verbindlichen Entscheidung zuzuführen. In der dem Bescheid vom 4. September 2015 zukommenden Feststellungs- und Tatbestandswirkung liegt zugleich der ausschlaggebende Unterschied gegenüber der Fallgestaltung, die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. September 2012 (22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177) zugrunde lag; dort waren weder unmittelbare noch mittelbare Auswirkungen der seinerzeit streitgegenständlichen behördlichen Maßnahme auf subjektive Rechte der Klägerin jenes Verfahrens ersichtlich.

2. Es erscheint angemessen, dass die nach alledem gebotene Würdigung des sachlichen Begehrens des Klägers, also dessen tatsächliche und rechtliche Aufbereitung, durch das Verwaltungsgericht erfolgt. Hierfür spricht nicht nur die grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit des ersten und des zweiten Rechtszuges, wie sie ihren Niederschlag in den §§ 47 f. und den §§ 124 ff. VwGO gefunden hat. Diese hat insbesondere dann Bedeutung, wenn - wie hier - die Sachverhaltsaufklärung noch ganz am Anfang steht und nicht ohne einen gewissen Aufwand möglich ist (vgl. BayVGH, U. v. 6.6.2016 - 22 B 16.611 - Rn. 28). Gewicht kommt im vorliegenden Fall darüber hinaus vor allem dem Umstand zu, dass die insoweit zu leistende Auslegungs- und Aufklärungsarbeit eine hohe Affinität zu Fragen aufweist, die auch in dem vor dem Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen RO 8 K 16.640 seit kurzer Zeit anhängigen Klageverfahren des Sohnes des Klägers aufgeworfen sind. Ausweislich der Ausführungen im Schriftsatz der Klagebevollmächtigten vom 12. Juli 2016 hat diese Klage u. a. nämlich ebenfalls - bezogen auf das unmittelbar benachbarte Grundstück Fl.Nr. 1559 - die umstrittene Thematik einer bereits erfolgten Entfernung sämtlichen Straßenaufbruchs und der Aufbringung einer von Schadstoffen freien Humusschicht zum Gegenstand. Es wäre mit den Erfordernissen der Prozessökonomie und der Vermeidung einander widersprechender Gerichtsentscheidungen ersichtlich nicht vereinbar, wenn das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof diesen Fragen parallel zueinander nachgehen würden. Es entspricht deshalb pflichtgemäßer Ausübung des durch § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffneten Ermessens, vorliegend von der Möglichkeit der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht, wie sie der Kläger hilfsweise beantragt hat, Gebrauch zu machen (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Entscheidung auch auf einen bloßen diesbezüglichen Eventualantrag hin Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 7).

Maßgeblich für die hier vom Verwaltungsgerichtshof zu treffende Ermessensentscheidung ist auch, dass keine Möglichkeit besteht, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids aus formellen Gründen zu verneinen.

Die Notwendigkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den vom Kläger gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 4. September 2015 erhobenen Einwänden entfällt nicht im Hinblick darauf, dass sich der Kläger und der Beklagte im vorliegenden Fall als Parteien eines öffentlichrechtlichen Vertrages gegenüberstehen (vgl. zum öffentlichrechtlichen Charakter bodenschutzrechtlicher Sanierungsverträge Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 54 Rn. 157). Denn dies führt nicht dazu, dass der Beklagte schon aus diesem Grund keinen Verwaltungsakt mit dem inmitten stehenden Inhalt hätte erlassen dürfen. Es begegnet nämlich grundsätzlich keinen Bedenken, wenn ein Privatrechtssubjekt in einem öffentlichrechtlichen Vertrag der Behörde - wie hier geschehen - ausdrücklich die Befugnis einräumt, unter bestimmten Voraussetzungen in Bezug auf die vertragliche Beziehung einseitig hoheitlich (d. h. durch Verwaltungsakt) zu handeln (Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand März 2013, Art. 54 BayVwVfG Anm. VI; ähnlich Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 35 Rn. 13). Wenn nämlich Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sogar die Möglichkeit eröffnet, dass sich eine Privatperson in einem subordinationsrechtlichen öffentlichrechtlichen Vertrag der sofortigen Vollstreckung unterwirft, ohne dass angesichts der für einen solchen Vertrag nach Art. 57 BayVwVfG ausreichenden Schriftform die besonderen formellen Schutzvorkehrungen des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der Aufnahme einer solchen Erklärung in eine gerichtliche oder notarielle Urkunde erfüllt sein müssen, kann es nicht unzulässig sein, wenn die Behörde in einem öffentlichrechtlichen Vertrag zur Vornahme einseitiger vertragsbezogener Rechtshandlungen ermächtigt wird, die ihrer Bedeutung nach keinesfalls schwerer wiegen als die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung.

Es ist insofern nicht erforderlich, dass für jede der Hohen Hand in einem öffentlichrechtlichen Vertrag zuerkannte Befugnis eine gesetzliche Ermächtigung besteht (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 54 Rn. 44; Hettich in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 54 Rn. 73 - 77); im Rahmen solcher Rechtsbeziehungen unterliegt die öffentliche Gewalt grundsätzlich nur dem Prinzip des Vorrangs, nicht aber demjenigen des Vorbehalts des Gesetzes (Kopp/Ramsauer, ebenda). Mit zwingendem Gesetzesrecht aber ist es vereinbar, wenn der Behörde in einem öffentlichrechtlichen Vertrag die Befugnis eingeräumt wird, durch einseitigen Rechtsakt Feststellungen zu treffen, denen für die weitere Entwicklung der vertraglich und gesetzlich geregelten Beziehungen der Beteiligten zueinander Bedeutung zukommt. Dies ergibt sich aus dem hier entsprechend anwendbaren § 315 BGB, wonach die einseitige Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei gestattet werden kann (vgl. zur Zulässigkeit von Regelungen der letztgenannten Art auch in öffentlichrechtlichen Verträgen angesichts der in § 62 Satz 2 VwVfG erfolgten ergänzenden Bezugnahme u. a. auf § 315 BGB BVerwG, U. v. 15.12.1989 - 7 C 6.88 - BVerwGE 84, 236/243). Eine solche Klausel geht für den Vertragspartner der öffentlichen Hand mit keiner minder großen Beschwer einher als die der Behörde hier sinngemäß eingeräumte Befugnis zur Feststellung der erfolgten Erfüllung von Verpflichtungen, die ihrem Rechtsträger nach dem geschlossenen Vertrag obliegen.

Ob den Beteiligten an einem öffentlichrechtlichen Vertrag auch die Rechtsmacht zusteht, zu bestimmen, dass eine Handlung, die sich als bloßes Verwaltungsinternum darstellt (hier: die Entlassung eines Grundstücks aus dem Altlastenkataster), durch Verwaltungsakt vorgenommen (oder - falls die Auslegung des Bescheids vom 4.9.2015 dies ergeben sollte - durch Verwaltungsakt bekanntgemacht) wird oder welcher rechtlich mögliche Inhalt Satz 2 der Nr. I des Bescheidstenors sonst zu entnehmen sein könnte, muss dem weiteren Verfahrensgang vor dem Verwaltungsgericht vorbehalten bleiben.

3. Wie in § 130 Abs. 2 VwGO vorgesehen, war der kassatorische Ausspruch außer auf das erstinstanzliche Urteil auch auf das ihm vorausgegangene Verfahren zu erstrecken. Hierdurch wird im vorliegenden Fall zugleich klargestellt, dass die dem Kläger mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 gemäß § 87b Abs. 1 VwGO gesetzte Präklusionsfrist keine rechtlichen Wirkungen mehr entfaltet.

4. Ein Kostenausspruch ist bei einer Zurückverweisung nach § 130 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst (vgl. z. B. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 130 Rn. 12; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 19).

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. März 2014 wird aufgehoben.

II. Die Beigeladene zu 1) wird verurteilt, dem Kläger 143.379,09 Euro zu erstatten.

III. Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Leistungen der Beigeladenen zu 2) für die im Jahr 1936 geborene und am 20.03.2010 verstorbene Leistungsempfängerin.

Die Leistungsempfängerin S.-L. S. (im Folgenden Leistungsempfängerin) bewohnte bis zum 01.10.2007 eine Mietwohnung in A-Stadt und erhielt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beigeladenen zu 1). Ab dem 02.10.2007 befand sie sich in einer stationäre Pflegeeinrichtung in B-Stadt. Die Beigeladene zu 1) gewährte weiterhin die erforderlichen Leistungen nach dem SGB XII. Nach einem Aufenthalt im Klinikum M-Stadt zog die Leistungsempfängerin am 23.09.2008 in ein Zimmer einer Wohnung im T-Weg 16 in Bad R. (Gebiet des Beigeladenen zu 3)), da sie aufgrund der notwendigen invasiven Beatmung nicht mehr in der zuvor bewohnten Pflegeeinrichtung versorgt werden konnte. Pflegerisch versorgt wurde sie ab diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen zu 2). In der Wohnung wurden noch zwei weitere Personen von der Beigeladenen zu 2) versorgt.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin teilte am 25.09.2008 dem beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger mit, dass die Leistungsempfängerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes vom Klinikum in den T-Weg „verlegt“ wurde und dass die Versorgung dort über die Beigeladene zu 2) erfolge. Beigefügt war ein Antrag auf Pflegeleistungen gemäß SGB XI. Der Beklagte stellte mit Schreiben vom 26.09.2008 fest, dass eine eigene Zuständigkeit für die Unterbringungskosten in der Intensivpflegeeinrichtung H. nicht gegeben sei, da ein stationäres Angebot der außerklinischen Intensivpflege H. nicht bekannt sei. Es handele sich wohl um ein Angebot der ambulanten Hilfe zur Pflege. Daher sei der örtliche Sozialhilfeträger, wohl die Beigeladene zu 1), zuständig. Die Leistungsempfängerin wurde gebeten, den Antrag auf Sozialhilfe dorthin zu richten.

Ebenfalls am 26.09.2008 teilte der Beigeladene zu 3) der Leistungsempfängerin auf ihren Antrag vom 20.09.2008 hin mit, dass der Kläger örtlich und sachlich zuständig sei. Es wurde gebeten, den Antrag beim Kläger zu stellen. Ob auch eine Weiterleitung des Antrags erfolgte, ist heute nicht mehr ermittelbar. Der Beigeladene zu 3) hat evtl. angelegte Aktenteile vernichtet.

Am 01.10.2008 beantragte die Leistungsempfängerin beim Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit und Grundsicherung im Alter. Vorgelegt wurde ein Mietvertrag zwischen G. H. und der Leistungsempfängerin, nach dem die Leistungsempfängerin ein Zimmer in der Wohnung in der T-Straße in Höhe von 300.-Euro pro Monat anmietete. In dem Mietvertrag war vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Pflegedienstwahl sowie freie Wahl des Hausarztes und sonstiger Therapeuten habe.

Der Kläger lehnte mit Bescheid vom 20.10.2008 den Leistungsantrag gegenüber der Leistungsempfängerin ab. Da es sich um eine stationäre Einrichtung handele, sei nicht der Kläger, sondern der Beklagte zuständig für die Leistungserbringung. Sollte es sich um eine ambulant betreute Wohnform handeln, sei die Beigeladene zu 1) nach § 98 Abs. 5 SGB XII zuständig. Der Antrag der Leistungsempfängerin werde zuständigkeitshalber an den Beklagten weitergeleitet.

Hiergegen legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Es handle sich bei dem Angebot der Beigeladenen zu 2) zwar nicht um eine stationäre Einrichtung, jedoch sei gem. § 98 Abs. 5 SGB XII die Beigeladene zu 1) örtlich zuständig, da die Leistungsempfängerin vor Betreuung in einer stationären Einrichtung im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt habe. Ein Anspruch gegen den Kläger ergebe sich auch nicht aufgrund von § 43 SGB I, da der Kläger nicht der erstangegangene Träger gewesen sei. Auch § 14 SGB IX sei nicht anwendbar, da zwischen dem Beigeladenen zu 3) und dem Kläger kein Streit über die Zuständigkeit vorgelegen habe. Hiergegen erhob die Leistungsempfängerin am 30.09.2009 Klage und beantragte Widereinsetzung in den vorigen Stand, da der Widerspruchsbescheid nicht dem Prozessbevollmächtigten zugestellt worden sei. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 (S 52 SO 394/09) als unzulässig, da verfristet, abgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 26.09.2008 des Beklagten legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 08.10.2010 zurückgewiesen wurde. Die Leistungsbegrenzung zum 23.09.2008 sei rechtmäßig, da sich die Leistungsempfängerin nur bis zu diesem Tag in der stationären Einrichtung in B-Stadt aufgehalten habe. Die Ausführungen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für den folgenden Zeitraum seien lediglich Hinweise ohne Regelungscharakter, so dass ein Widerspruch hiergegen nicht statthaft sei. Im Übrigen handle es sich bei der Pflege durch die Beigeladene zu 2) um eine ambulante Maßnahme. Dieser Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig.

Am 24.10.2008 sandte der Beklagte dem Kläger die zugeleiteten Antragsunterlagen zurück mit der Bitte um eigene zuständige Bearbeitung.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin beantragte am 11.12.2008 beim Sozialgericht München (SG), den Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Leistungsempfängerin ab sofort Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Das SG verpflichtete den Kläger mit Beschluss vom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER), der Leistungsempfängerin vom 01.12.2008 bis zum 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Die Beschwerde hiergegen wurde vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 09.02.2009 (L 8 SO 10/09 B ER) zurückgewiesen. Der Kläger sei nach § 14 SGB IX als zweitangegangener Leistungsträger leistungspflichtig. Der Beigeladene zu 3) habe den Antrag der Betreuerin der Antragstellerin an den Kläger weitergeleitet.

Der Kläger zahlte daraufhin die begehrten Leistungen an die Leistungsempfängerin.

Am 06.04.2009 meldete der Kläger beim Beklagten und bei der Beigeladenen zu 1) einen Erstattungsanspruch an. Die Beigeladene zu 1) lehnte eine Kostenerstattung sowie eine Fallübernahme ab. Es handele sich um eine stationäre Betreuung. Auch der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab. Im Folgenden wiederholte der Kläger seine Erstattungsforderungen gegen den Beklagten und der Beigeladenen zu 1).

Am 31.08.2009 wurde die Leistungsempfängerin in den Senioren-Wohnpark L-Stadt verlegt, wo sie am 20.03.2010 verstarb. Ab dem Umzug nach L-Stadt gewährte der Beklagte Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII.

Am 19.03.2010 hat der Kläger Klage zum SG gegen den Beklagten auf Erstattung der angefallenen Aufwendungen für den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.08.2009 i. H. v. 152.546,71 € sowie von Nebenkosten i. H. v. 714 € erhoben.

Der Kläger sei zur Leistungserbringung nicht zuständig gewesen, daher werde Erstattung der gewährten Leistungen nach § 14 Abs. 4 SGB I, hilfsweise nach § 102 SGB X beantragt. Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX stehe dem Kläger bereits deshalb zu, da das LSG den Kläger zur Zahlung unter Anwendung von § 14 SGB IX verpflichtet habe. Die Leistungsempfängerin haben Leistungen in einer stationären Einrichtung erhalten. Der Einwand, dass eine Erstattung wegen fehlender Vereinbarungen nach § 75 SGB XII nicht möglich sei, greife nicht. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX verpflichte zur Erstattung nach den Regelungen für den zweitangegangenen Träger. Dem Kläger sei es jedoch nicht möglich, Vereinbarungen mit einem Einrichtungsträger abzuschließen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Es handele sich nicht um eine stationäre Einrichtung. Eine Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung werde nicht übernommen, ein unter einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln die zur zweckgemäßen Versorgung der zu betreuenden Personen geeignet wäre, sei nicht gegeben. Es lägen ein Mietvertrag und ein separater Pflegevertrag vor. Der Kläger sei im einstweiligen Rechtsschutz nicht gem. § 14 SGB IX verpflichtet worden sei, sondern gem. § 43 Abs. 1 SGB I.

Mit Beschluss vom 03.07.2013 ist die Landeshauptstadt München (als Beigeladene zu 1) zum Verfahren beigeladen worden, mit Beschluss vom 09.07.2013 die Leistungserbringerin (als Beigeladene zu 2).

Die Beigeladene zu 1) ist der Meinung, dass ein Kostenerstattungsanspruch jedenfalls verjährt sei. Die Beigeladene zu 1) sei erstmals mit Schreiben vom 03.11.2008 auf die problematische Zuständigkeitsfrage aufmerksam gemacht worden. Der Erstattungsanspruch sei am 06.04.2009 vorsorglich und am 01.09.2009 angemeldet worden. Kostenerstattungsansprüche würden nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Beigeladene zu 1) habe keine Entscheidung nach § 31 SGB X getroffen. Sofern Leistungen für das Jahr 2008 ausgereicht worden seien, seien diese mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt. Bei im Jahr 2009 ausgereichten Leistungen sei dies mit Ablauf des 31.12.2013 der Fall gewesen. Die Verjährung sei nicht durch den Beiladungsbeschluss des SG vom 03.07.2013 gehemmt worden, da eine Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in den abschließend aufgeführten Tatbeständen des § 113 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 204 BGB genannt werde. Eine Beiladung stelle weder eine Klage im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch eine Streitverkündung im Sinne des § 204 Nr. 6 BGB dar. Auch seien keine Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geführt worden. Hilfsweise werde mit der fehlenden Zuständigkeit des Beigeladenen argumentiert. Es handele sich um eine stationäre Einrichtung. Auch sei § 98 Abs. 5 SGB XII nicht anwendbar, da Hauptzielrichtung der Leistungen nicht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei.

Der Kläger erwidert hierauf, dass die Verjährung hier gehemmt worden sei, da zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) Verhandlungen geführt worden seien. Hierfür sei ein ernsthafter Meinungsaustausch über den Anspruch ausreichend. Im Übrigen würde die Berufung auf die Einrede der Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Der für den 16.12.2013 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung sei auf Antrag der Beigeladenen zu 1) verlegt worden. Die Beigeladene zu 1) habe eine außergerichtliche Einigung in Aussicht gestellt. Diese sei jedoch in keiner Weise auf den Kläger zugekommen. Es sei rechtsmissbräuchlich, eine Einigung in Aussicht zu stellen, dadurch eine Verlegung der Terminierung eines Gerichtsverfahrens zu erreichen und dann eine Verjährungseinrede zu erheben.

Das SG hat mit Urteil vom 25.03.2014 den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten. Die Klage sei zulässig und begründet. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches sei § 102 SGB X. Ein Fall des § 14 SGB IX liege nicht vor, da es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe handele. Soweit in der Erstattungsforderung Leistungen der Hilfe bei Krankheit enthalten seien, handele es sich bei diesen nicht um medizinische Rehabilitationsleistungen, welche der Eingliederungshilfe zuzuordnen wären. Beide Hilfearten seien vielmehr klar voneinander abzugrenzen. Der Kläger habe der Leistungsempfängerin aufgrund des Beschlusses des SG vom 02.01.2009 vorläufig Sozialleistungen in Form von Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Hilfe bei Krankheit und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayAGSG die Leistungsempfängerin sei im streitigen Zeitraum in einer stationären Einrichtung untergebracht gewesen. Es handele sich um eine Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB XII. Die Leistungsempfängerin sei von den Beschäftigten der Beigeladenen zu 2) umfassend betreut worden. Die Hilfeleistungen seien durch die Beigeladene zu 2) zentral organisiert worden. Daher sei die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner übernommen worden. Ungeachtet der formal-rechtlichen Trennung der Bereiche Vermietung und Pflege seien die erbrachten Leistungen faktisch als einheitliche Gesamtleistung anzusehen. Auch dass hier nur drei Personen betreut worden seien, spreche nicht gegen eine stationäre Einrichtung. Eine Untergrenze lasse sich hier nicht ziehen. Dass eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII nicht vorliege, dürfte dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, da sich die beteiligten Leistungsträger in Ungewissheit über die rechtliche Einordnung des Leistungserbringers befunden hätten und kein Zweifel an der sozialhilferechtlichen Geeignetheit und Notwendigkeit der erbrachten Leistungen bestanden habe.

Hiergegen hat der Beklagte am 06.06.2014 Berufung zum LSG eingelegt. Es sei nicht erkennbar, dass die Beigeladene zu 2) die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung ihrer Klienten übernehme. Auch sei ein Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln nicht gegeben. Der Mietvertrag und der Pflegevertrag seien nicht aneinander gekoppelt. Die Schlussfolgerung des SG, dass aufgrund der Zubereitung des Essens, der Erledigung der Einkäufe und der Begleitung bei Freizeitaktivitäten durch die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2) eine Gesamtverantwortung für den Tagesablauf bestanden hätte, sei nicht richtig. Vielmehr sei dies aufgrund von freiwilligen Entscheidungen der Bewohner von diesem Dienst in Anspruch genommen worden. Entgegen der Auffassung des SG würde eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten auch daran scheitern, dass die Leistungsempfängerin keinen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gegenüber dem Beklagten gehabt hätte. Denn eine solche hätte nur bestanden, wenn Verträge gemäß § 75 SGB XII vorgelegen hätten.

Der Senat hat mit Beschluss vom 07.12.2016 den Landkreis Berchtesgadener Land (als Beigeladenen zu 3) zum Verfahren beigeladen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Beigelade zu 1) zu verurteilen, Kosten in Höhe von 143.379,09 Euro zu erstatten.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und den Hilfsantrag des Klägers abzuweisen.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen, sowie der Verfahren S 46 SO 530/08 ER vor dem SG sowie L 8 SO 10/09 B ER vor dem LSG sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht nach § 151 SGG eingelegt; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen oder Behörden maßgeblichen Grenzwert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 10.000.- €.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Nicht der Beklagte, sondern die Beigeladene zu 1) ist dem Kläger zur Erstattung der gewährten Leistungen für die Leistungsempfängerin im Zeitraum 01.12.2008 bis 30.08.2009 verpflichtet. Die Beigeladene zu 1) kann auch gem. § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG als Leistungspflichtige verurteilt werden. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren am 14.03.2014 gestellt und in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren wiederholt. Ein Antrag auf Verurteilung eines Beigeladenen stellt keine Klageänderung i. S. d. § 99 SGG dar (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 99 Rn. 6 a).

I.

Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, da ein Verwaltungsakt zwischen den Leistungsträgern nicht zu ergehen hatte. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes besteht nur bei Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses zwischen Leistungsträger und Bürger. Im Verhältnis zwischen Leistungsträgern ist der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., Anhang § 54 RdNr. 4).

Das SG hat hier trotz eines bezifferten Klageantrags, gerichtet auf Erstattung von 152.546,71 Euro, ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG erlassen und den Beklagten verurteilt „dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 für die Leistungsempfängerin S.-L. S. angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten“. Da es sich bei der Klage auf Erstattung um eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG handelt, erledigt ein Grundurteil den Rechtstreit nicht abschließend. Es handelt sich vielmehr nur um ein Zwischenurteil nach § 202 SGG i. V. m. § 304 Abs. 1 ZPO, mit dem über den Grund des Anspruchs vorab entschieden wurde, die Höhe des Anspruchs jedoch ausgeklammert wurde. Dabei bleibt der Rechtstreit grundsätzlich bei dem erkennenden Gericht, hier dem SG, bis zur Durchführung des Nachverfahrens über die Höhe der Leistung anhängig, auch wenn das Zwischenurteil wie ein Endurteil rechtsmittelfähig ist (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 7 Rar 42/93 RdNr. 37; Keller a. a. O., § 130 RdNr. 4 e).

Da hier jedoch das Zwischenurteil des SG aufgehoben wird, kann im Berufungsverfahren die Beigeladene zu 1) entsprechend dem im Berufungsverfahren höhenmäßig modifizierten Klageantrag bzw. bei Wiederholung des erstinstanzlich gestellten Leistungsantrags durch Endurteil verurteilt werden, dem Kläger eine bezifferte Erstattungsforderung i. H. v. 143.379,09 Euro zu erstatten. Eines Nachverfahrens bedarf es nicht, da im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) ein Zwischenurteil nicht ergangen ist.

II.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 105 SGB X.

1. Dieser Anspruch ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 S. 1 und 2 dieser Vorschrift erbracht haben (Leistungserbringung aufgrund Zuständigkeit wegen unterlassener Weiterleitung), § 105 SGB X nicht anwendbar, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes.

Unabhängig von der Frage, ob hier § 14 SGB IX anwendbar ist (was zweifelhaft sein könnte, da keine Leistungen zur Teilhabe beantragt worden waren), war der Kläger jedenfalls nicht erstangegangener Leistungsträger, da die Leistungsempfängerin zunächst am 20.09.2008 einen Leistungsantrag beim Beigeladenen zu 3) gestellt hat. Somit wäre nach § 14 Abs. 2 SGB IX dieser bei fehlender Weiterleitung leistungspflichtig gegenüber der Leistungsberechtigten geworden, nicht jedoch der Kläger. Im Übrigen spräche gegen eine Anwendung von § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX, dass der Kläger durch Senatsbeschluss vom 09.02.2009 (L8 SO 10/09 B ER) aufgrund § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX entsprechend dem Beschluss des SGvom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER) verpflichtet worden war, ab dem 01.12.2008 Leistungen für die Leistungsempfängerin zu erbringen. Daher ist auch nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben ein Ausschluss nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX anzunehmen, da der Kläger mit der Leistungserbringung seiner Pflicht aus dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz nachgekommen ist.

2. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

III.

Für die vom Kläger erbrachten streitbefangenen Leistungen war die Beigeladene zu 1) sachlich und örtlich zuständig.

1. Die Beigeladene zu 1) war als örtlicher Träger der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 BayAGSG sachlich zuständig für die Leistungen, die durch die Beigeladene zu 2) erbracht wurden, die erbrachten Leistungen der Hilfe zur Gesundheit sowie die erbrachten Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Denn weder handelt es sich um stationäre Pflege (dazu unter a.) noch um besondere Betreuung in einer Wohngemeinschaft nach landesrechtlichen Sachvorschriften (dazu unter b.).

a. Die von der Leistungsempfängerin bezogenen Leistungen stellen keine Leistungen dar, die in einer stationären oder teilstationären Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 SGB XII gewährt wurden, dar, so dass eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Satz 2 BayAGSG, mithin nach Art. 81 Abs. 1 BayAGSG des Beklagten, nicht gegeben ist.

Bei der Wohngemeinschaft, in der der Leistungsempfängerinn Leistungen von der Beigeladenen zu 2) erbracht wurden, handelt es sich nicht um eine Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 1 SGB XII. Unter einer Einrichtung (unabhängig ob voll- oder teilstationär) ist ein unter einer besonderen organisatorischen Einheit zusammengefasster Bestand an Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten unter verantwortlicher Trägerschaft zu verstehen, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu dek-kenden Bedarf oder der Erziehung dient (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994,5 C 17/91, Urteil des BSG vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R m. w. N.). Eine verantwortliche Trägerschaft in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsempfängerinn übernimmt. Die Beigeladene zu 2) ist nach diesen Kriterien nicht als Leistungserbringerin in einer stationären Einrichtung anzusehen. Die von der Leistungsempfängerin bewohnte Wohnung stellt eine solche nicht dar.

Es besteht bereits keine organisatorische Einheit von Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten. Vielmehr hat die Leistungsempfängerin das Zimmer in der Wohnung mit einem Mietvertrag angemietet, dessen Vertragspartner nicht die Beigeladene zu 2) war, sondern ein Dritter. Auch wenn der Vermieter als Ehemann der Eigentümerin der Beigeladenen zu 2) familiär mit dieser verbunden war, so handelt es sich dennoch rechtlich gesehen um einen Dritten. Der Mietvertrag sah auch keine rechtliche oder tatsächliche Verknüpfung mit Pflegeleistungen oder einer sonstigen Leistungserbringung durch die Beigeladene zu 2) vor. Vielmehr war unter 5) des Mietvertrages vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Wahl in Bezug auf den Pflegedienst, den Hausarzt, Physiotherapeuten sowie weitere ärztliche Leistungserbringer habe. Dass tatsächlich von den Bewohnern der Wohnung kein anderer Pflegedienst in Anspruch genommen wurde, ändert nichts daran, dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten aufgrund des Mietvertrags und den Pflegeleistungen aufgrund des Pflegevertrags um zwei unabhängige vertragliche Regelungen handelt und daher keine organisatorische Einheit diesbezüglich gegeben war. Eine rechtliche oder sonstige Verpflichtung zu einer Beauftragung der Beigeladenen zu 2) bestand nicht. Vielmehr hätte die Möglichkeit bestanden, Pflege- oder sonstige Dienstleistungen von anderen Dienstleistern erbringen zu lassen.

Es ist unerheblich, wenn von der Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung bzw. im Internetauftritt ausgeführt wird, dass „alles“ für die Bewohner getan werde. Die Intensität der geleisteten Überwachungs- und Betreuungspflichten ist kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung i. S. v. 13 SGB XII. Maßgeblich sind die rechtlichen Gestaltungen, sofern sie nicht im Ausnahmefall unwirksam sind (§§ 32 SGB I, 134 BGB). Dafür bestehen entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) keine Anhaltspunkte.

Der Pflegevertrag regelt verbindlich, welche Art von Leistungen erbracht wurde. Danach wurden Leistungen durch einen Pflegedienst i. S. v. § 75 Abs. 1 S. 2 SGB XII erbracht, somit ambulante Leistungen. Aus dem vorgelegten Pflegeplan ergibt sich ebenfalls kein Indiz für eine stationäre Leistungserbringung. Auch die Abrechnungen erfolgten unter Annahme ambulanter Leistungen nach Leistungskomponenten. Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für eine stationäre Einrichtung bestanden nicht.

Auch wenn man bei einer 24- stündigen Pflege wie im vorliegenden Fall durchaus einen erheblichen Anteil an der Verantwortung für den Pflegebedürftigen innehat, so führt allein dies nicht zur Annahme einer stationären Einrichtung. Andernfalls müsste man auch bei Personen, die in der eigenen Wohnung von einem Pflegedienst rund um die Uhr gepflegt werden, einen solchen Schluss ziehen, was erkennbar unsinnig ist. Die Verantwortung des Pflegedienstes umfasste nur die pflegerischen Belange. Diese sind bei schwerstpflegebedürftigen Personen regelmäßig alle wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (§ 14 SGB XI). Dies führt je nach Umfang der Pflegebedürftigkeit zu einer Verantwortung für die tägliche Lebensführung, jedoch nicht zu einer Gesamtverantwortung im Sinne des § 13 SGB XII. Z. B. fehlt es an einer Verantwortung für die sächliche Ausstattung mit Möbeln oder weiteren allgemein nutzbaren Pflegeutensilien. Auch bezieht sich die Verantwortung des Pflegedienstes nicht auf die anderweitig angemieteten Räumlichkeiten.

Maßgeblich ist neben der Gesamtverantwortung das Vorliegen einer organisatorischen Einheit wie oben dargestellt. Geht gerade daran fehlt es aber aufgrund der unterschiedlichen Verträge.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Internetauftritt der Beigeladenen zu 2) durchaus den Eindruck erweckt hat, dass es sich bei der Wohngemeinschaft und den Leistungen der Beigeladenen zu 2) um eine einheitliche Versorgung handelt („extra konzipierte Wohngemeinschaften“). Andererseits wird auf der Internetseite der Beigeladenen zu 2) auch darauf hingewiesen, dass die individuelle Lebensführung der einzelnen Patienten im Vordergrund steht, und die Angehörigen auf Wunsch an die Pflege herangeführt werden. Diese Ausführungen sprechen eher gegen die Übernahme einer Gesamtverantwortung für die Pflegebedürftigen. Jedenfalls sind maßgeblich für die Einstufung eines Pflegeangebotes als ambulant oder stationär die vertraglichen Regelungen und nicht etwaige Aussagen auf einer Internetseite.

Auch eine teilstationäre Leistung lag nicht vor. Eine solche ist dann gegeben, wenn Leistungen an einem Teil des Tages in einer Einrichtung erbracht werden. Hier hat die Leistungsempfängerin jedoch ihre Wohngemeinschaft nicht regelmäßig für einen Teil des Tages verlassen. Das BSG hat Zweifel, ob es eine teilstationäre Form des betreuten Wohnens überhaupt geben kann (BSG, Urteil vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R, RdNr. 18 f.). Denn ein solches wäre nur denkbar, wenn sich die Hilfe in einer Einrichtung auf zeitlich klar abgrenzbare Abschnitte beschränken würde, was angesichts des Umstandes, dass eine Person an einem Ort auch dann wohnt, wenn sie sich zeitabschnittsweise an einem anderen Ort befindet, schwer vorstellbar erscheint.

Eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Nummer 2 BayAGSG ist daher nicht gegeben.

b. Auch eine sachliche Zuständigkeit des beklagten überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ist nicht gegeben.

Nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG gilt § 97 Abs. 4 SGB XII entsprechend, wenn Eingliederungshilfe an behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird. Gemäß § 97 Abs. 4 SGB XII umfasst die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74 SGB XII. Der Gesetzgeber hat damit, wenn bestimmte Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht werden, eine umfassende Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB XII für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe festgelegt.

Zwar war die Leistungsempfängerin unzweifelhaft behindert im Sinne von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG. Auch lebte sie in einer Wohngemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift. An die Leistungsempfängerin wurde jedoch keine Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung i. S. v. Art. 82 Abs. 2 Bay AGSG erbracht. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 53 Abs. 3 SGB XII ist besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege verfolgen im Ausgangspunkt unterschiedliche Zielrichtungen. Mit der Hilfe zur Pflege wird nicht vornehmlich auf die Besserung des gesundheitlichen Zustands, sondern vielmehr auf die Unterstützung bzw. Übernahme der erforderlichen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des Alltags abgestellt. Der behinderte Mensch soll nicht an den Grunderfordernissen des täglichen Lebens scheitern. Demgegenüber hat die Eingliederungshilfe zum Ziel, auf eine Integration des behinderten Menschen in die Gesellschaft und auf eine entsprechende berufliche Rehabilitation hinzuwirken. (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 61 SGB XII Rn. 16; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2015, L 2 SO 1431/13).

Danach wurden der Leistungsempfängerin von der Beigeladenen zu 2) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht. Zum einen wurden solche Leistungen weder beantragt, noch bewilligt oder erbracht. Beantragt waren nur Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Selbst unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes spricht nichts für eine Auslegung des Antrags auf Leistungen der Teilhabe. Ein spezifischer Teilhabebedarf der Leistungsempfängerin war nicht erkennbar. Die Bewilligung umfasste ebenfalls nur die beantragten Leistungen. Auch aus dem Pflegevertrag und dem vorgelegten Pflegeplan ist erkennbar, dass keine Eingliederungshilfe erbracht wurde. So ist im Pflegeplan unter dem alleine an Eingliederungshilfe zu denkenden Punkt Nr. 9 „Sich beschäftigen“ als Leistung festgelegt, dass die Leistungsempfängerin über den Tagesablauf informiert und mit einbezogen wird und die Leistungsempfängerin animiert werden solle, mitzumachen. Unter „Fähigkeiten“ ist die Leistungsempfängerin beschrieben als Person, die gerne fernsiehst, Zeitungen liest, sich gerne mit dem Pflegepersonal unterhält sowie strickt. Leistungen mit der Zielsetzung einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind damit nicht verbunden. Selbst wenn das Pflegepersonal ab und an mit der Leistungsempfängerin einen Ausflug unternommen haben sollte, führt dies nicht dazu, dass die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe angenommen werden könnte. Denn dies gehört zum normalen Leistungsspektrum im Rahmen der aktivierenden Pflege. Zielrichtung der gewährten Hilfe war die Unterstützung und Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens. Diese Pflege soll nach § 29 Abs. 4 SGB XI den Pflegebedürftigen aktivieren, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und soweit möglich, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen. Weiterhin sollen, um der Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Genau diese Pflegeziele wurden im Pflegeplan berücksichtig. Weitergehende Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe wurden nicht erbracht.

Es ist deshalb nicht relevant, ob für die Annahme von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ein bestimmter Umfang von Leistungen der Eingliederungshilfe vorherrschen muss (vgl. hierzu Urteil des LSG vom 21.02.2013, L 18 SO 85/10). Weiterhin ist hier nicht relevant, ob Art. 82 Abs. 2 BayAGSG neben der Gewährung von Eingliederungshilfe auch voraussetzt, dass die tatsächlich erbrachte Hilfe ihrer Art nach als Eingliederungshilfe zu qualifizieren wäre oder dass es sich um qualifizierte Eingliederungshilfe zum selbstbestimmten Wohnen handeln muss.

Es verbleibt daher bei der sachlichen Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers.

2. Die Beigeladene zu 1) ist auch örtlich für die der Erstattungsforderung zu Grunde liegende Leistungsgewährung zuständig gewesen gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist grundsätzlich für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsempfängerin tatsächlich aufhalten. Der Gesetzgeber hat hiervon jedoch Ausnahmen gemacht, um Orte zu schützen, die besondere Leistungsangebote vorhalten, weshalb mit einer vermehrten Leistungszuständigkeit und daher eine höheren finanziellen Belastung zu rechnen ist. Dies ist gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII ein Ort, an dem eine stationäre Einrichtung besteht. Die gleiche Zielrichtung hat die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII, wonach für Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre.

Die Leistungsempfängerin lebte ab dem 23.09.2009 in einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten, der gesetzlich nicht näher definiert wird, orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-TRS. 15/1514) zur ursprünglichen Normfassung an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Daraus hatte das BSG geschlossen, dass es sich bezüglich der Art der erforderlichen Betreuung nicht um eine solche pflegerische Art handeln dürfe, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein müsse (als Form einer Eingliederungsleistung, vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R, Rn. 15). Diese Meinung hat das BSG mit Urteil vom 30.06.2016, B 8 SO 6/15 R) modifiziert. Nun sieht es sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem 6. bis 8. Kapitel mit der Zielrichtung der Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich als gleichgestellt an. Auch die Gewährung von ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege können demnach einen Leistungsfall des betreuten Wohnens im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII darstellen, da auch damit die Sicherung der Selbstbestimmung im eigenen Wohn- und Lebensbereich einhergeht. Das BSG sieht es als systematisch ausgeschlossen an, die Norm nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden.

Dieser Auffassung, die durch den Wortlaut der Vorschrift eindeutig gestützt wird, schließt sich der erkennende Senat an (vgl. auch Urteil des Senats vom 22.11.2016, L 8 SO 221/14). Damit handelt es sich vorliegend bei den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII, die die Leistungsempfängerin ambulant als Betreuungsleistungen in einer Wohnmöglichkeit erhielt, um solche, die die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII zur Anwendung kommen lässt.

Die Leistungsempfängerin war vor Betreuung in der Wohngemeinschaft im T-Weg in einer stationären Einrichtung, zunächst in einer Pflegeeinrichtung im Landkreis M-Stadt (Kläger), im Anschluss daran in einem Krankenhaus untergebracht. Die Beigeladene zu 1) blieb für diese Aufenthalte in stationären Einrichtungen gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII örtlich zuständig. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wurde durch die Aufenthalte in den Einrichtungen nach § 109 SGB XII nicht begründet. Daher war die Beigeladene zu 1) vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnmöglichkeit zuletzt örtlich zuständiger Leistungsträger.

IV.

Die der Erstattungsforderung zugrunde liegende Leistungserbringung erfolgte rechtmäßig. Die Leistungsempfängerin hatte einen Anspruch auf die erbrachten Leistungen nach dem SGB XII. Auch war der Kläger aufgrund des Beschlusses des LSG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 8 SO 10/09 B ER zur Leistungserbringung verpflichtet. Diese Verpflichtung war vom SG ausgesprochen „bis 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens“. Diese beiden Endpunkte der Leistungsverpflichtung sind im Beschluss alternativ benannt. Der Beschluss kann daher nicht so ausgelegt werden, dass die Leistungserbringung längstens bis 28.02.2009 erfolgen sollte. Das Verwaltungsverfahren endete durch Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009. Der Kläger hat bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen erbracht bzw. Leistungen nach § 264 SGB V bis zum 31.08.2009. Da der Prozessbevollmächtigte gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.07.2009 am 30.09.2009 Klage erhoben hatte und Widereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde (S 52 SO 394/09), ist bis zum 31.08.2009 keine Bestandskraft eingetreten, so dass die Leistungsgewährung vollständig aufgrund des Beschlusses des LSG im Verfahren L 8 SO 10/09 B ER beruhte. Rechtskraft wurde vielmehr erlangt durch Gerichtsbescheid vom 31.01.2012. Im Übrigen hat sich die vorläufige Regelung auf die Verpflichtung zur Zuständigkeit an sich bezogen. Die Leistungserbringung selbst stand nicht unter dem Rechtsgrund der Vorläufigkeit sondern die Erstattung als unzuständiger Leistungsträger i. S. v. § 105 SGB X.

V.

Der Beigeladene zu 1) hat nicht selbst geleistet. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften, etwa § 43 SGB I die Leistungen vorläufig erbracht, sondern aufgrund der Verpflichtung durch gerichtlichen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Damit sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X erfüllt.

VI.

Der Anspruch auf Erstattung ist nicht gemäß § 113 SGB X verjährt.

Nach § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträger über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese Regelung ist problematisch bei Kostenerstattungsverfahren zwischen Trägern der Sozialhilfe, da ein erstattungspflichtiger Träger der Sozialhilfe regelmäßig in keiner Rechtsbeziehung zur Leistungsempfängerin Person steht, so dass es auch keine „Entscheidung über die Leistungspflicht“ geben kann (vgl. Gesetzentwurf zum Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 05.09.2003, BT-Drs. 15/1514). Der Senat sieht es als gerechtfertigt, in so einem Fall nicht davon auszugehen, dass eine Verjährungsfrist überhaupt nicht beginnen kann, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Erstattung abzustellen, wie auch von der Beigeladenen zu 1) vertreten. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Erstattung entsteht im Zeitpunkt der Leistungserbringung, somit im Jahr 2009 im Anschluss an den Beschluss des SG vom 02.01.2009. Die Verjährungsfrist begann somit am 01.01.2010 und endete mit Ablauf des Jahres 2013 am 31. Dezember.

Die Verjährung wurde jedoch gehemmt durch die Beiladung der Beigeladenen zu 1) mit Beschluss des SG vom 03.06.2013. Die Beiladung hemmt die Verjährung wie eine Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Denn die Stellung nach einer Streitverkündung und einer Beiladung ist vergleichbar, beide führen dazu, dass man damit rechnen muss, nach Beendigung des Prozesses in Anspruch genommen zu werden. Um die Durchsetzung eines solchen Anspruches nicht an einer inzwischen eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen, sieht § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB die Hemmung der Verjährung vor. Dass bei einer Beiladung anders als im Zivilprozess der Dritte durch das Gericht am Rechtsstreit beteiligt wird, ergibt sich aus dem Amtsprinzip des Sozialgerichtsverfahrens (BSG, Urteil vom 21. Februar 1990,12 RK 55/88; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juli 2009,1124 KR 157/09BER, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl., § 75 Rn. 17 a sowie § 94 Rn. 5). Die Hemmung der Verjährung bewirkt nach § 209 BGB, dass die Zeiten der Hemmung der Verjährung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werden. Somit war im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der Hemmung der Verjährung durch die rechtzeitige Beiladung der Beigeladenen zu 1) durch das SG der Anspruch auf Erstattung gegen diesen nicht verjährt.

V.

Die Höhe des ursprünglich geltend gemachten Erstattungsanspruchs war bzgl. der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII um die Erstattungsleistungen des Bundes nach § 46 a SGB XII zu kürzen. Der Kläger hat auf entsprechenden Hinweis des Senats die Erstattungsforderung um die mit Bescheiden des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 25.07.2008 und 05.08.2009 gewährte Bundeserstattung gekürzt.

VI.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beigeladene zu 1) auf Erstattung der im Zeitraum 01.12.2008 bis 31.08.2009 getätigten Leistungen in Form von Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat. Ein Anspruch gegen den Beklagten besteht entgegen der Entscheidung des SG nicht. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Beigeladene zu 1) zu einer Kostenerstattung von 143.379,09 Euro zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. März 2014 wird aufgehoben.

II. Die Beigeladene zu 1) wird verurteilt, dem Kläger 143.379,09 Euro zu erstatten.

III. Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Leistungen der Beigeladenen zu 2) für die im Jahr 1936 geborene und am 20.03.2010 verstorbene Leistungsempfängerin.

Die Leistungsempfängerin S.-L. S. (im Folgenden Leistungsempfängerin) bewohnte bis zum 01.10.2007 eine Mietwohnung in A-Stadt und erhielt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beigeladenen zu 1). Ab dem 02.10.2007 befand sie sich in einer stationäre Pflegeeinrichtung in B-Stadt. Die Beigeladene zu 1) gewährte weiterhin die erforderlichen Leistungen nach dem SGB XII. Nach einem Aufenthalt im Klinikum M-Stadt zog die Leistungsempfängerin am 23.09.2008 in ein Zimmer einer Wohnung im T-Weg 16 in Bad R. (Gebiet des Beigeladenen zu 3)), da sie aufgrund der notwendigen invasiven Beatmung nicht mehr in der zuvor bewohnten Pflegeeinrichtung versorgt werden konnte. Pflegerisch versorgt wurde sie ab diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen zu 2). In der Wohnung wurden noch zwei weitere Personen von der Beigeladenen zu 2) versorgt.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin teilte am 25.09.2008 dem beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger mit, dass die Leistungsempfängerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes vom Klinikum in den T-Weg „verlegt“ wurde und dass die Versorgung dort über die Beigeladene zu 2) erfolge. Beigefügt war ein Antrag auf Pflegeleistungen gemäß SGB XI. Der Beklagte stellte mit Schreiben vom 26.09.2008 fest, dass eine eigene Zuständigkeit für die Unterbringungskosten in der Intensivpflegeeinrichtung H. nicht gegeben sei, da ein stationäres Angebot der außerklinischen Intensivpflege H. nicht bekannt sei. Es handele sich wohl um ein Angebot der ambulanten Hilfe zur Pflege. Daher sei der örtliche Sozialhilfeträger, wohl die Beigeladene zu 1), zuständig. Die Leistungsempfängerin wurde gebeten, den Antrag auf Sozialhilfe dorthin zu richten.

Ebenfalls am 26.09.2008 teilte der Beigeladene zu 3) der Leistungsempfängerin auf ihren Antrag vom 20.09.2008 hin mit, dass der Kläger örtlich und sachlich zuständig sei. Es wurde gebeten, den Antrag beim Kläger zu stellen. Ob auch eine Weiterleitung des Antrags erfolgte, ist heute nicht mehr ermittelbar. Der Beigeladene zu 3) hat evtl. angelegte Aktenteile vernichtet.

Am 01.10.2008 beantragte die Leistungsempfängerin beim Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit und Grundsicherung im Alter. Vorgelegt wurde ein Mietvertrag zwischen G. H. und der Leistungsempfängerin, nach dem die Leistungsempfängerin ein Zimmer in der Wohnung in der T-Straße in Höhe von 300.-Euro pro Monat anmietete. In dem Mietvertrag war vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Pflegedienstwahl sowie freie Wahl des Hausarztes und sonstiger Therapeuten habe.

Der Kläger lehnte mit Bescheid vom 20.10.2008 den Leistungsantrag gegenüber der Leistungsempfängerin ab. Da es sich um eine stationäre Einrichtung handele, sei nicht der Kläger, sondern der Beklagte zuständig für die Leistungserbringung. Sollte es sich um eine ambulant betreute Wohnform handeln, sei die Beigeladene zu 1) nach § 98 Abs. 5 SGB XII zuständig. Der Antrag der Leistungsempfängerin werde zuständigkeitshalber an den Beklagten weitergeleitet.

Hiergegen legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Es handle sich bei dem Angebot der Beigeladenen zu 2) zwar nicht um eine stationäre Einrichtung, jedoch sei gem. § 98 Abs. 5 SGB XII die Beigeladene zu 1) örtlich zuständig, da die Leistungsempfängerin vor Betreuung in einer stationären Einrichtung im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt habe. Ein Anspruch gegen den Kläger ergebe sich auch nicht aufgrund von § 43 SGB I, da der Kläger nicht der erstangegangene Träger gewesen sei. Auch § 14 SGB IX sei nicht anwendbar, da zwischen dem Beigeladenen zu 3) und dem Kläger kein Streit über die Zuständigkeit vorgelegen habe. Hiergegen erhob die Leistungsempfängerin am 30.09.2009 Klage und beantragte Widereinsetzung in den vorigen Stand, da der Widerspruchsbescheid nicht dem Prozessbevollmächtigten zugestellt worden sei. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 (S 52 SO 394/09) als unzulässig, da verfristet, abgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 26.09.2008 des Beklagten legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 08.10.2010 zurückgewiesen wurde. Die Leistungsbegrenzung zum 23.09.2008 sei rechtmäßig, da sich die Leistungsempfängerin nur bis zu diesem Tag in der stationären Einrichtung in B-Stadt aufgehalten habe. Die Ausführungen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für den folgenden Zeitraum seien lediglich Hinweise ohne Regelungscharakter, so dass ein Widerspruch hiergegen nicht statthaft sei. Im Übrigen handle es sich bei der Pflege durch die Beigeladene zu 2) um eine ambulante Maßnahme. Dieser Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig.

Am 24.10.2008 sandte der Beklagte dem Kläger die zugeleiteten Antragsunterlagen zurück mit der Bitte um eigene zuständige Bearbeitung.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin beantragte am 11.12.2008 beim Sozialgericht München (SG), den Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Leistungsempfängerin ab sofort Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Das SG verpflichtete den Kläger mit Beschluss vom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER), der Leistungsempfängerin vom 01.12.2008 bis zum 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Die Beschwerde hiergegen wurde vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 09.02.2009 (L 8 SO 10/09 B ER) zurückgewiesen. Der Kläger sei nach § 14 SGB IX als zweitangegangener Leistungsträger leistungspflichtig. Der Beigeladene zu 3) habe den Antrag der Betreuerin der Antragstellerin an den Kläger weitergeleitet.

Der Kläger zahlte daraufhin die begehrten Leistungen an die Leistungsempfängerin.

Am 06.04.2009 meldete der Kläger beim Beklagten und bei der Beigeladenen zu 1) einen Erstattungsanspruch an. Die Beigeladene zu 1) lehnte eine Kostenerstattung sowie eine Fallübernahme ab. Es handele sich um eine stationäre Betreuung. Auch der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab. Im Folgenden wiederholte der Kläger seine Erstattungsforderungen gegen den Beklagten und der Beigeladenen zu 1).

Am 31.08.2009 wurde die Leistungsempfängerin in den Senioren-Wohnpark L-Stadt verlegt, wo sie am 20.03.2010 verstarb. Ab dem Umzug nach L-Stadt gewährte der Beklagte Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII.

Am 19.03.2010 hat der Kläger Klage zum SG gegen den Beklagten auf Erstattung der angefallenen Aufwendungen für den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.08.2009 i. H. v. 152.546,71 € sowie von Nebenkosten i. H. v. 714 € erhoben.

Der Kläger sei zur Leistungserbringung nicht zuständig gewesen, daher werde Erstattung der gewährten Leistungen nach § 14 Abs. 4 SGB I, hilfsweise nach § 102 SGB X beantragt. Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX stehe dem Kläger bereits deshalb zu, da das LSG den Kläger zur Zahlung unter Anwendung von § 14 SGB IX verpflichtet habe. Die Leistungsempfängerin haben Leistungen in einer stationären Einrichtung erhalten. Der Einwand, dass eine Erstattung wegen fehlender Vereinbarungen nach § 75 SGB XII nicht möglich sei, greife nicht. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX verpflichte zur Erstattung nach den Regelungen für den zweitangegangenen Träger. Dem Kläger sei es jedoch nicht möglich, Vereinbarungen mit einem Einrichtungsträger abzuschließen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Es handele sich nicht um eine stationäre Einrichtung. Eine Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung werde nicht übernommen, ein unter einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln die zur zweckgemäßen Versorgung der zu betreuenden Personen geeignet wäre, sei nicht gegeben. Es lägen ein Mietvertrag und ein separater Pflegevertrag vor. Der Kläger sei im einstweiligen Rechtsschutz nicht gem. § 14 SGB IX verpflichtet worden sei, sondern gem. § 43 Abs. 1 SGB I.

Mit Beschluss vom 03.07.2013 ist die Landeshauptstadt München (als Beigeladene zu 1) zum Verfahren beigeladen worden, mit Beschluss vom 09.07.2013 die Leistungserbringerin (als Beigeladene zu 2).

Die Beigeladene zu 1) ist der Meinung, dass ein Kostenerstattungsanspruch jedenfalls verjährt sei. Die Beigeladene zu 1) sei erstmals mit Schreiben vom 03.11.2008 auf die problematische Zuständigkeitsfrage aufmerksam gemacht worden. Der Erstattungsanspruch sei am 06.04.2009 vorsorglich und am 01.09.2009 angemeldet worden. Kostenerstattungsansprüche würden nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Beigeladene zu 1) habe keine Entscheidung nach § 31 SGB X getroffen. Sofern Leistungen für das Jahr 2008 ausgereicht worden seien, seien diese mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt. Bei im Jahr 2009 ausgereichten Leistungen sei dies mit Ablauf des 31.12.2013 der Fall gewesen. Die Verjährung sei nicht durch den Beiladungsbeschluss des SG vom 03.07.2013 gehemmt worden, da eine Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in den abschließend aufgeführten Tatbeständen des § 113 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 204 BGB genannt werde. Eine Beiladung stelle weder eine Klage im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch eine Streitverkündung im Sinne des § 204 Nr. 6 BGB dar. Auch seien keine Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geführt worden. Hilfsweise werde mit der fehlenden Zuständigkeit des Beigeladenen argumentiert. Es handele sich um eine stationäre Einrichtung. Auch sei § 98 Abs. 5 SGB XII nicht anwendbar, da Hauptzielrichtung der Leistungen nicht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei.

Der Kläger erwidert hierauf, dass die Verjährung hier gehemmt worden sei, da zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) Verhandlungen geführt worden seien. Hierfür sei ein ernsthafter Meinungsaustausch über den Anspruch ausreichend. Im Übrigen würde die Berufung auf die Einrede der Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Der für den 16.12.2013 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung sei auf Antrag der Beigeladenen zu 1) verlegt worden. Die Beigeladene zu 1) habe eine außergerichtliche Einigung in Aussicht gestellt. Diese sei jedoch in keiner Weise auf den Kläger zugekommen. Es sei rechtsmissbräuchlich, eine Einigung in Aussicht zu stellen, dadurch eine Verlegung der Terminierung eines Gerichtsverfahrens zu erreichen und dann eine Verjährungseinrede zu erheben.

Das SG hat mit Urteil vom 25.03.2014 den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten. Die Klage sei zulässig und begründet. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches sei § 102 SGB X. Ein Fall des § 14 SGB IX liege nicht vor, da es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe handele. Soweit in der Erstattungsforderung Leistungen der Hilfe bei Krankheit enthalten seien, handele es sich bei diesen nicht um medizinische Rehabilitationsleistungen, welche der Eingliederungshilfe zuzuordnen wären. Beide Hilfearten seien vielmehr klar voneinander abzugrenzen. Der Kläger habe der Leistungsempfängerin aufgrund des Beschlusses des SG vom 02.01.2009 vorläufig Sozialleistungen in Form von Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Hilfe bei Krankheit und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayAGSG die Leistungsempfängerin sei im streitigen Zeitraum in einer stationären Einrichtung untergebracht gewesen. Es handele sich um eine Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB XII. Die Leistungsempfängerin sei von den Beschäftigten der Beigeladenen zu 2) umfassend betreut worden. Die Hilfeleistungen seien durch die Beigeladene zu 2) zentral organisiert worden. Daher sei die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner übernommen worden. Ungeachtet der formal-rechtlichen Trennung der Bereiche Vermietung und Pflege seien die erbrachten Leistungen faktisch als einheitliche Gesamtleistung anzusehen. Auch dass hier nur drei Personen betreut worden seien, spreche nicht gegen eine stationäre Einrichtung. Eine Untergrenze lasse sich hier nicht ziehen. Dass eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII nicht vorliege, dürfte dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, da sich die beteiligten Leistungsträger in Ungewissheit über die rechtliche Einordnung des Leistungserbringers befunden hätten und kein Zweifel an der sozialhilferechtlichen Geeignetheit und Notwendigkeit der erbrachten Leistungen bestanden habe.

Hiergegen hat der Beklagte am 06.06.2014 Berufung zum LSG eingelegt. Es sei nicht erkennbar, dass die Beigeladene zu 2) die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung ihrer Klienten übernehme. Auch sei ein Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln nicht gegeben. Der Mietvertrag und der Pflegevertrag seien nicht aneinander gekoppelt. Die Schlussfolgerung des SG, dass aufgrund der Zubereitung des Essens, der Erledigung der Einkäufe und der Begleitung bei Freizeitaktivitäten durch die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2) eine Gesamtverantwortung für den Tagesablauf bestanden hätte, sei nicht richtig. Vielmehr sei dies aufgrund von freiwilligen Entscheidungen der Bewohner von diesem Dienst in Anspruch genommen worden. Entgegen der Auffassung des SG würde eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten auch daran scheitern, dass die Leistungsempfängerin keinen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gegenüber dem Beklagten gehabt hätte. Denn eine solche hätte nur bestanden, wenn Verträge gemäß § 75 SGB XII vorgelegen hätten.

Der Senat hat mit Beschluss vom 07.12.2016 den Landkreis Berchtesgadener Land (als Beigeladenen zu 3) zum Verfahren beigeladen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Beigelade zu 1) zu verurteilen, Kosten in Höhe von 143.379,09 Euro zu erstatten.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und den Hilfsantrag des Klägers abzuweisen.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen, sowie der Verfahren S 46 SO 530/08 ER vor dem SG sowie L 8 SO 10/09 B ER vor dem LSG sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht nach § 151 SGG eingelegt; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen oder Behörden maßgeblichen Grenzwert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 10.000.- €.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Nicht der Beklagte, sondern die Beigeladene zu 1) ist dem Kläger zur Erstattung der gewährten Leistungen für die Leistungsempfängerin im Zeitraum 01.12.2008 bis 30.08.2009 verpflichtet. Die Beigeladene zu 1) kann auch gem. § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG als Leistungspflichtige verurteilt werden. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren am 14.03.2014 gestellt und in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren wiederholt. Ein Antrag auf Verurteilung eines Beigeladenen stellt keine Klageänderung i. S. d. § 99 SGG dar (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 99 Rn. 6 a).

I.

Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, da ein Verwaltungsakt zwischen den Leistungsträgern nicht zu ergehen hatte. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes besteht nur bei Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses zwischen Leistungsträger und Bürger. Im Verhältnis zwischen Leistungsträgern ist der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., Anhang § 54 RdNr. 4).

Das SG hat hier trotz eines bezifferten Klageantrags, gerichtet auf Erstattung von 152.546,71 Euro, ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG erlassen und den Beklagten verurteilt „dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 für die Leistungsempfängerin S.-L. S. angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten“. Da es sich bei der Klage auf Erstattung um eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG handelt, erledigt ein Grundurteil den Rechtstreit nicht abschließend. Es handelt sich vielmehr nur um ein Zwischenurteil nach § 202 SGG i. V. m. § 304 Abs. 1 ZPO, mit dem über den Grund des Anspruchs vorab entschieden wurde, die Höhe des Anspruchs jedoch ausgeklammert wurde. Dabei bleibt der Rechtstreit grundsätzlich bei dem erkennenden Gericht, hier dem SG, bis zur Durchführung des Nachverfahrens über die Höhe der Leistung anhängig, auch wenn das Zwischenurteil wie ein Endurteil rechtsmittelfähig ist (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 7 Rar 42/93 RdNr. 37; Keller a. a. O., § 130 RdNr. 4 e).

Da hier jedoch das Zwischenurteil des SG aufgehoben wird, kann im Berufungsverfahren die Beigeladene zu 1) entsprechend dem im Berufungsverfahren höhenmäßig modifizierten Klageantrag bzw. bei Wiederholung des erstinstanzlich gestellten Leistungsantrags durch Endurteil verurteilt werden, dem Kläger eine bezifferte Erstattungsforderung i. H. v. 143.379,09 Euro zu erstatten. Eines Nachverfahrens bedarf es nicht, da im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) ein Zwischenurteil nicht ergangen ist.

II.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 105 SGB X.

1. Dieser Anspruch ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 S. 1 und 2 dieser Vorschrift erbracht haben (Leistungserbringung aufgrund Zuständigkeit wegen unterlassener Weiterleitung), § 105 SGB X nicht anwendbar, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes.

Unabhängig von der Frage, ob hier § 14 SGB IX anwendbar ist (was zweifelhaft sein könnte, da keine Leistungen zur Teilhabe beantragt worden waren), war der Kläger jedenfalls nicht erstangegangener Leistungsträger, da die Leistungsempfängerin zunächst am 20.09.2008 einen Leistungsantrag beim Beigeladenen zu 3) gestellt hat. Somit wäre nach § 14 Abs. 2 SGB IX dieser bei fehlender Weiterleitung leistungspflichtig gegenüber der Leistungsberechtigten geworden, nicht jedoch der Kläger. Im Übrigen spräche gegen eine Anwendung von § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX, dass der Kläger durch Senatsbeschluss vom 09.02.2009 (L8 SO 10/09 B ER) aufgrund § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX entsprechend dem Beschluss des SGvom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER) verpflichtet worden war, ab dem 01.12.2008 Leistungen für die Leistungsempfängerin zu erbringen. Daher ist auch nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben ein Ausschluss nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX anzunehmen, da der Kläger mit der Leistungserbringung seiner Pflicht aus dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz nachgekommen ist.

2. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

III.

Für die vom Kläger erbrachten streitbefangenen Leistungen war die Beigeladene zu 1) sachlich und örtlich zuständig.

1. Die Beigeladene zu 1) war als örtlicher Träger der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 BayAGSG sachlich zuständig für die Leistungen, die durch die Beigeladene zu 2) erbracht wurden, die erbrachten Leistungen der Hilfe zur Gesundheit sowie die erbrachten Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Denn weder handelt es sich um stationäre Pflege (dazu unter a.) noch um besondere Betreuung in einer Wohngemeinschaft nach landesrechtlichen Sachvorschriften (dazu unter b.).

a. Die von der Leistungsempfängerin bezogenen Leistungen stellen keine Leistungen dar, die in einer stationären oder teilstationären Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 SGB XII gewährt wurden, dar, so dass eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Satz 2 BayAGSG, mithin nach Art. 81 Abs. 1 BayAGSG des Beklagten, nicht gegeben ist.

Bei der Wohngemeinschaft, in der der Leistungsempfängerinn Leistungen von der Beigeladenen zu 2) erbracht wurden, handelt es sich nicht um eine Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 1 SGB XII. Unter einer Einrichtung (unabhängig ob voll- oder teilstationär) ist ein unter einer besonderen organisatorischen Einheit zusammengefasster Bestand an Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten unter verantwortlicher Trägerschaft zu verstehen, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu dek-kenden Bedarf oder der Erziehung dient (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994,5 C 17/91, Urteil des BSG vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R m. w. N.). Eine verantwortliche Trägerschaft in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsempfängerinn übernimmt. Die Beigeladene zu 2) ist nach diesen Kriterien nicht als Leistungserbringerin in einer stationären Einrichtung anzusehen. Die von der Leistungsempfängerin bewohnte Wohnung stellt eine solche nicht dar.

Es besteht bereits keine organisatorische Einheit von Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten. Vielmehr hat die Leistungsempfängerin das Zimmer in der Wohnung mit einem Mietvertrag angemietet, dessen Vertragspartner nicht die Beigeladene zu 2) war, sondern ein Dritter. Auch wenn der Vermieter als Ehemann der Eigentümerin der Beigeladenen zu 2) familiär mit dieser verbunden war, so handelt es sich dennoch rechtlich gesehen um einen Dritten. Der Mietvertrag sah auch keine rechtliche oder tatsächliche Verknüpfung mit Pflegeleistungen oder einer sonstigen Leistungserbringung durch die Beigeladene zu 2) vor. Vielmehr war unter 5) des Mietvertrages vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Wahl in Bezug auf den Pflegedienst, den Hausarzt, Physiotherapeuten sowie weitere ärztliche Leistungserbringer habe. Dass tatsächlich von den Bewohnern der Wohnung kein anderer Pflegedienst in Anspruch genommen wurde, ändert nichts daran, dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten aufgrund des Mietvertrags und den Pflegeleistungen aufgrund des Pflegevertrags um zwei unabhängige vertragliche Regelungen handelt und daher keine organisatorische Einheit diesbezüglich gegeben war. Eine rechtliche oder sonstige Verpflichtung zu einer Beauftragung der Beigeladenen zu 2) bestand nicht. Vielmehr hätte die Möglichkeit bestanden, Pflege- oder sonstige Dienstleistungen von anderen Dienstleistern erbringen zu lassen.

Es ist unerheblich, wenn von der Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung bzw. im Internetauftritt ausgeführt wird, dass „alles“ für die Bewohner getan werde. Die Intensität der geleisteten Überwachungs- und Betreuungspflichten ist kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung i. S. v. 13 SGB XII. Maßgeblich sind die rechtlichen Gestaltungen, sofern sie nicht im Ausnahmefall unwirksam sind (§§ 32 SGB I, 134 BGB). Dafür bestehen entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) keine Anhaltspunkte.

Der Pflegevertrag regelt verbindlich, welche Art von Leistungen erbracht wurde. Danach wurden Leistungen durch einen Pflegedienst i. S. v. § 75 Abs. 1 S. 2 SGB XII erbracht, somit ambulante Leistungen. Aus dem vorgelegten Pflegeplan ergibt sich ebenfalls kein Indiz für eine stationäre Leistungserbringung. Auch die Abrechnungen erfolgten unter Annahme ambulanter Leistungen nach Leistungskomponenten. Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für eine stationäre Einrichtung bestanden nicht.

Auch wenn man bei einer 24- stündigen Pflege wie im vorliegenden Fall durchaus einen erheblichen Anteil an der Verantwortung für den Pflegebedürftigen innehat, so führt allein dies nicht zur Annahme einer stationären Einrichtung. Andernfalls müsste man auch bei Personen, die in der eigenen Wohnung von einem Pflegedienst rund um die Uhr gepflegt werden, einen solchen Schluss ziehen, was erkennbar unsinnig ist. Die Verantwortung des Pflegedienstes umfasste nur die pflegerischen Belange. Diese sind bei schwerstpflegebedürftigen Personen regelmäßig alle wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (§ 14 SGB XI). Dies führt je nach Umfang der Pflegebedürftigkeit zu einer Verantwortung für die tägliche Lebensführung, jedoch nicht zu einer Gesamtverantwortung im Sinne des § 13 SGB XII. Z. B. fehlt es an einer Verantwortung für die sächliche Ausstattung mit Möbeln oder weiteren allgemein nutzbaren Pflegeutensilien. Auch bezieht sich die Verantwortung des Pflegedienstes nicht auf die anderweitig angemieteten Räumlichkeiten.

Maßgeblich ist neben der Gesamtverantwortung das Vorliegen einer organisatorischen Einheit wie oben dargestellt. Geht gerade daran fehlt es aber aufgrund der unterschiedlichen Verträge.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Internetauftritt der Beigeladenen zu 2) durchaus den Eindruck erweckt hat, dass es sich bei der Wohngemeinschaft und den Leistungen der Beigeladenen zu 2) um eine einheitliche Versorgung handelt („extra konzipierte Wohngemeinschaften“). Andererseits wird auf der Internetseite der Beigeladenen zu 2) auch darauf hingewiesen, dass die individuelle Lebensführung der einzelnen Patienten im Vordergrund steht, und die Angehörigen auf Wunsch an die Pflege herangeführt werden. Diese Ausführungen sprechen eher gegen die Übernahme einer Gesamtverantwortung für die Pflegebedürftigen. Jedenfalls sind maßgeblich für die Einstufung eines Pflegeangebotes als ambulant oder stationär die vertraglichen Regelungen und nicht etwaige Aussagen auf einer Internetseite.

Auch eine teilstationäre Leistung lag nicht vor. Eine solche ist dann gegeben, wenn Leistungen an einem Teil des Tages in einer Einrichtung erbracht werden. Hier hat die Leistungsempfängerin jedoch ihre Wohngemeinschaft nicht regelmäßig für einen Teil des Tages verlassen. Das BSG hat Zweifel, ob es eine teilstationäre Form des betreuten Wohnens überhaupt geben kann (BSG, Urteil vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R, RdNr. 18 f.). Denn ein solches wäre nur denkbar, wenn sich die Hilfe in einer Einrichtung auf zeitlich klar abgrenzbare Abschnitte beschränken würde, was angesichts des Umstandes, dass eine Person an einem Ort auch dann wohnt, wenn sie sich zeitabschnittsweise an einem anderen Ort befindet, schwer vorstellbar erscheint.

Eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Nummer 2 BayAGSG ist daher nicht gegeben.

b. Auch eine sachliche Zuständigkeit des beklagten überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ist nicht gegeben.

Nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG gilt § 97 Abs. 4 SGB XII entsprechend, wenn Eingliederungshilfe an behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird. Gemäß § 97 Abs. 4 SGB XII umfasst die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74 SGB XII. Der Gesetzgeber hat damit, wenn bestimmte Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht werden, eine umfassende Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB XII für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe festgelegt.

Zwar war die Leistungsempfängerin unzweifelhaft behindert im Sinne von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG. Auch lebte sie in einer Wohngemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift. An die Leistungsempfängerin wurde jedoch keine Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung i. S. v. Art. 82 Abs. 2 Bay AGSG erbracht. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 53 Abs. 3 SGB XII ist besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege verfolgen im Ausgangspunkt unterschiedliche Zielrichtungen. Mit der Hilfe zur Pflege wird nicht vornehmlich auf die Besserung des gesundheitlichen Zustands, sondern vielmehr auf die Unterstützung bzw. Übernahme der erforderlichen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des Alltags abgestellt. Der behinderte Mensch soll nicht an den Grunderfordernissen des täglichen Lebens scheitern. Demgegenüber hat die Eingliederungshilfe zum Ziel, auf eine Integration des behinderten Menschen in die Gesellschaft und auf eine entsprechende berufliche Rehabilitation hinzuwirken. (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 61 SGB XII Rn. 16; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2015, L 2 SO 1431/13).

Danach wurden der Leistungsempfängerin von der Beigeladenen zu 2) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht. Zum einen wurden solche Leistungen weder beantragt, noch bewilligt oder erbracht. Beantragt waren nur Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Selbst unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes spricht nichts für eine Auslegung des Antrags auf Leistungen der Teilhabe. Ein spezifischer Teilhabebedarf der Leistungsempfängerin war nicht erkennbar. Die Bewilligung umfasste ebenfalls nur die beantragten Leistungen. Auch aus dem Pflegevertrag und dem vorgelegten Pflegeplan ist erkennbar, dass keine Eingliederungshilfe erbracht wurde. So ist im Pflegeplan unter dem alleine an Eingliederungshilfe zu denkenden Punkt Nr. 9 „Sich beschäftigen“ als Leistung festgelegt, dass die Leistungsempfängerin über den Tagesablauf informiert und mit einbezogen wird und die Leistungsempfängerin animiert werden solle, mitzumachen. Unter „Fähigkeiten“ ist die Leistungsempfängerin beschrieben als Person, die gerne fernsiehst, Zeitungen liest, sich gerne mit dem Pflegepersonal unterhält sowie strickt. Leistungen mit der Zielsetzung einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind damit nicht verbunden. Selbst wenn das Pflegepersonal ab und an mit der Leistungsempfängerin einen Ausflug unternommen haben sollte, führt dies nicht dazu, dass die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe angenommen werden könnte. Denn dies gehört zum normalen Leistungsspektrum im Rahmen der aktivierenden Pflege. Zielrichtung der gewährten Hilfe war die Unterstützung und Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens. Diese Pflege soll nach § 29 Abs. 4 SGB XI den Pflegebedürftigen aktivieren, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und soweit möglich, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen. Weiterhin sollen, um der Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Genau diese Pflegeziele wurden im Pflegeplan berücksichtig. Weitergehende Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe wurden nicht erbracht.

Es ist deshalb nicht relevant, ob für die Annahme von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ein bestimmter Umfang von Leistungen der Eingliederungshilfe vorherrschen muss (vgl. hierzu Urteil des LSG vom 21.02.2013, L 18 SO 85/10). Weiterhin ist hier nicht relevant, ob Art. 82 Abs. 2 BayAGSG neben der Gewährung von Eingliederungshilfe auch voraussetzt, dass die tatsächlich erbrachte Hilfe ihrer Art nach als Eingliederungshilfe zu qualifizieren wäre oder dass es sich um qualifizierte Eingliederungshilfe zum selbstbestimmten Wohnen handeln muss.

Es verbleibt daher bei der sachlichen Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers.

2. Die Beigeladene zu 1) ist auch örtlich für die der Erstattungsforderung zu Grunde liegende Leistungsgewährung zuständig gewesen gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist grundsätzlich für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsempfängerin tatsächlich aufhalten. Der Gesetzgeber hat hiervon jedoch Ausnahmen gemacht, um Orte zu schützen, die besondere Leistungsangebote vorhalten, weshalb mit einer vermehrten Leistungszuständigkeit und daher eine höheren finanziellen Belastung zu rechnen ist. Dies ist gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII ein Ort, an dem eine stationäre Einrichtung besteht. Die gleiche Zielrichtung hat die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII, wonach für Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre.

Die Leistungsempfängerin lebte ab dem 23.09.2009 in einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten, der gesetzlich nicht näher definiert wird, orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-TRS. 15/1514) zur ursprünglichen Normfassung an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Daraus hatte das BSG geschlossen, dass es sich bezüglich der Art der erforderlichen Betreuung nicht um eine solche pflegerische Art handeln dürfe, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein müsse (als Form einer Eingliederungsleistung, vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R, Rn. 15). Diese Meinung hat das BSG mit Urteil vom 30.06.2016, B 8 SO 6/15 R) modifiziert. Nun sieht es sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem 6. bis 8. Kapitel mit der Zielrichtung der Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich als gleichgestellt an. Auch die Gewährung von ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege können demnach einen Leistungsfall des betreuten Wohnens im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII darstellen, da auch damit die Sicherung der Selbstbestimmung im eigenen Wohn- und Lebensbereich einhergeht. Das BSG sieht es als systematisch ausgeschlossen an, die Norm nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden.

Dieser Auffassung, die durch den Wortlaut der Vorschrift eindeutig gestützt wird, schließt sich der erkennende Senat an (vgl. auch Urteil des Senats vom 22.11.2016, L 8 SO 221/14). Damit handelt es sich vorliegend bei den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII, die die Leistungsempfängerin ambulant als Betreuungsleistungen in einer Wohnmöglichkeit erhielt, um solche, die die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII zur Anwendung kommen lässt.

Die Leistungsempfängerin war vor Betreuung in der Wohngemeinschaft im T-Weg in einer stationären Einrichtung, zunächst in einer Pflegeeinrichtung im Landkreis M-Stadt (Kläger), im Anschluss daran in einem Krankenhaus untergebracht. Die Beigeladene zu 1) blieb für diese Aufenthalte in stationären Einrichtungen gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII örtlich zuständig. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wurde durch die Aufenthalte in den Einrichtungen nach § 109 SGB XII nicht begründet. Daher war die Beigeladene zu 1) vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnmöglichkeit zuletzt örtlich zuständiger Leistungsträger.

IV.

Die der Erstattungsforderung zugrunde liegende Leistungserbringung erfolgte rechtmäßig. Die Leistungsempfängerin hatte einen Anspruch auf die erbrachten Leistungen nach dem SGB XII. Auch war der Kläger aufgrund des Beschlusses des LSG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 8 SO 10/09 B ER zur Leistungserbringung verpflichtet. Diese Verpflichtung war vom SG ausgesprochen „bis 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens“. Diese beiden Endpunkte der Leistungsverpflichtung sind im Beschluss alternativ benannt. Der Beschluss kann daher nicht so ausgelegt werden, dass die Leistungserbringung längstens bis 28.02.2009 erfolgen sollte. Das Verwaltungsverfahren endete durch Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009. Der Kläger hat bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen erbracht bzw. Leistungen nach § 264 SGB V bis zum 31.08.2009. Da der Prozessbevollmächtigte gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.07.2009 am 30.09.2009 Klage erhoben hatte und Widereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde (S 52 SO 394/09), ist bis zum 31.08.2009 keine Bestandskraft eingetreten, so dass die Leistungsgewährung vollständig aufgrund des Beschlusses des LSG im Verfahren L 8 SO 10/09 B ER beruhte. Rechtskraft wurde vielmehr erlangt durch Gerichtsbescheid vom 31.01.2012. Im Übrigen hat sich die vorläufige Regelung auf die Verpflichtung zur Zuständigkeit an sich bezogen. Die Leistungserbringung selbst stand nicht unter dem Rechtsgrund der Vorläufigkeit sondern die Erstattung als unzuständiger Leistungsträger i. S. v. § 105 SGB X.

V.

Der Beigeladene zu 1) hat nicht selbst geleistet. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften, etwa § 43 SGB I die Leistungen vorläufig erbracht, sondern aufgrund der Verpflichtung durch gerichtlichen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Damit sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X erfüllt.

VI.

Der Anspruch auf Erstattung ist nicht gemäß § 113 SGB X verjährt.

Nach § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträger über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese Regelung ist problematisch bei Kostenerstattungsverfahren zwischen Trägern der Sozialhilfe, da ein erstattungspflichtiger Träger der Sozialhilfe regelmäßig in keiner Rechtsbeziehung zur Leistungsempfängerin Person steht, so dass es auch keine „Entscheidung über die Leistungspflicht“ geben kann (vgl. Gesetzentwurf zum Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 05.09.2003, BT-Drs. 15/1514). Der Senat sieht es als gerechtfertigt, in so einem Fall nicht davon auszugehen, dass eine Verjährungsfrist überhaupt nicht beginnen kann, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Erstattung abzustellen, wie auch von der Beigeladenen zu 1) vertreten. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Erstattung entsteht im Zeitpunkt der Leistungserbringung, somit im Jahr 2009 im Anschluss an den Beschluss des SG vom 02.01.2009. Die Verjährungsfrist begann somit am 01.01.2010 und endete mit Ablauf des Jahres 2013 am 31. Dezember.

Die Verjährung wurde jedoch gehemmt durch die Beiladung der Beigeladenen zu 1) mit Beschluss des SG vom 03.06.2013. Die Beiladung hemmt die Verjährung wie eine Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Denn die Stellung nach einer Streitverkündung und einer Beiladung ist vergleichbar, beide führen dazu, dass man damit rechnen muss, nach Beendigung des Prozesses in Anspruch genommen zu werden. Um die Durchsetzung eines solchen Anspruches nicht an einer inzwischen eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen, sieht § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB die Hemmung der Verjährung vor. Dass bei einer Beiladung anders als im Zivilprozess der Dritte durch das Gericht am Rechtsstreit beteiligt wird, ergibt sich aus dem Amtsprinzip des Sozialgerichtsverfahrens (BSG, Urteil vom 21. Februar 1990,12 RK 55/88; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juli 2009,1124 KR 157/09BER, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl., § 75 Rn. 17 a sowie § 94 Rn. 5). Die Hemmung der Verjährung bewirkt nach § 209 BGB, dass die Zeiten der Hemmung der Verjährung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werden. Somit war im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der Hemmung der Verjährung durch die rechtzeitige Beiladung der Beigeladenen zu 1) durch das SG der Anspruch auf Erstattung gegen diesen nicht verjährt.

V.

Die Höhe des ursprünglich geltend gemachten Erstattungsanspruchs war bzgl. der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII um die Erstattungsleistungen des Bundes nach § 46 a SGB XII zu kürzen. Der Kläger hat auf entsprechenden Hinweis des Senats die Erstattungsforderung um die mit Bescheiden des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 25.07.2008 und 05.08.2009 gewährte Bundeserstattung gekürzt.

VI.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beigeladene zu 1) auf Erstattung der im Zeitraum 01.12.2008 bis 31.08.2009 getätigten Leistungen in Form von Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat. Ein Anspruch gegen den Beklagten besteht entgegen der Entscheidung des SG nicht. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Beigeladene zu 1) zu einer Kostenerstattung von 143.379,09 Euro zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.

(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.


Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. August 2017 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 923,32 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zulassungsantrag verspätet gestellt worden ist. Zufolge der vom Kammervorsitzenden unterschriebenen Abschlussverfügung vom 22. August 2017 sollte beiden Beteiligten je eine Ausfertigung des Urteils des Verwaltungsgerichts gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden (vgl. S. 72 GA). Ausweislich des Datumstempels, der Paraphe der tätig gewordenen Justizbeschäftigten und des handschriftlichen Vermerks "2 x EB" auf der Abschlussverfügung wurden die Urteilsausfertigungen nebst Empfangsbekenntnis-Vordrucken noch am 22. August 2017 zur Post gegeben. Zufolge einer ergänzenden Verfügung des Berichterstatters ebenfalls vom 22. August 2017 sollte eine Ausfertigung des Urteils beiden Beteiligten "vorab per Fax ... jeweils gegen EB" zugestellt werden (vgl. S. 76 GA). Ausweislich des Datumstempels, der Paraphe der Justizbeschäftigten und des handschriftlichen Vermerks "2 x EB" auf der ergänzenden Verfügung wurde diese noch am 22. August ausgeführt; dem Übertragungsprotokoll vom 22. August 2017 ist zu entnehmen, dass dem Beklagten 21 Seiten per Fax übermittelt wurden. Zufolge des (1-seitigen) Anschreibens wurden zusammen mit diesem jedoch nur eine beglaubigte Abschrift des (15-seitigen) Urteils und der (4-seitigen) Sitzungsniederschrift übermittelt. Angesichts dessen ist es zwar möglich, dass dem Beklagten per Fax auch ein Empfangsbekenntnis-Vordruck übermittelt wurde. Jedoch lässt sich die Behauptung des Beklagten, er habe den Empfangsbekenntnis-Vordruck erst am 28. August 2017 auf dem Postweg erhalten, aufgrund des Akteninhalts nicht widerlegen, sodass sein am 28. September 2017 eingegangener Berufungszulassungsantrag nicht als verspätet verworfen werden kann.

3

Jedoch ist der Zulassungsantrag des Beklagten zumindest unbegründet.

4

Gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn einer der in § 124 Abs. 2 VwGO abschließend genannten Gründe dargelegt ist und vorliegt. Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind zur Begründung des Zulassungsantrags die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Eine Darlegung in diesem Sinne erfordert neben der Bezeichnung mindestens eines Zulassungsgrundes substantiierte Ausführungen dazu, warum der geltend gemachte Zulassungsgrund oder die geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegen. Mithin ist zu verlangen, dass sich der Antragsteller mit der Begründung des angefochtenen Urteils auseinandersetzt, Tatsachen- und/oder Rechtsfragen aufbereitet und so die Begründung der angegriffenen Entscheidung substantiiert in Frage stellt (vgl. nur Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblatt, § 124a Rn. 91 [Stand: Oktober 2015] m.w.N.).

5

Zur Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die der Beklagte zunächst geltend gemacht hat, muss deshalb unter substantiierter Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Urteils dargelegt werden, dass und weshalb die Argumentation des Verwaltungsgerichts unzutreffend ist oder das gefundene Ergebnis gleichwohl nicht trägt. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Ausführungen im Zulassungsantragbegründungsvorbringen des Beklagten gehen vielmehr fast zur Gänze am Urteil des Verwaltungsgerichts vorbei und sind im Übrigen zumindest so nicht zutreffend und stellen mithin die Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Im Einzelnen:

6

Nach einer Sachverhaltsschilderung bis Mitte der dritten Seite des Schreibens des Beklagten vom 26. Oktober 2017 finden sich sodann folgende Ausführungen:

7

"Kosten der Vormundschaftstätigkeit sind nicht erstattungsfähig, da sie weder unmittelbare Aufwendungen für Jugendhilfemaßnahmen noch Annexleistungen i.S. des § 39 SGB VIII sind.

8

Die Vergütung von Vormündern, die durch die Amtsgerichte Familiengericht – bestellt werden, erfolgt nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz – VBVG –). § 7 regelt dabei die Vergütung von Vereinsvormündern. Es besteht somit eine eigengesetzliche Regelung für die Vergütung aus der Staatskasse (Justizbudget).

9

Die Erstattung der Kosten der Wahrnehmung der Vormundschaft durch einen Verein nach der Erstattungsregelung des § 89d Abs. 3 SGB VIII entspricht... damit nicht der Rechtslage."

10

Dies alles trifft so nicht zu.

11

Gemäß § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, vom Land zu erstatten, wenn innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder nach § 19 SGB VIII Leistungsberechtigten "Jugendhilfe gewährt wird" und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach einer Zuweisungsentscheidung richtet. Die Gewährung von Jugendhilfe in diesem Sinne umfasst das gesamte Spektrum der in § 2 SGB VIII genannten Aufgaben der Jugendhilfe, also sowohl Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII als auch andere Aufgaben im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB VIII (vgl. nur Streichsbier in jurisPK-SGB VIII, § 89d Rn. 6). Dazu zählen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 11 SGB VIII auch die Amtsvormundschaft und die Gegenvormundschaft des Jugendamtes. Kosten, die ein örtlicher Träger hierfür aufwendet, sind daher nach § 89d Abs. 1 SGB VIII erstattungsfähig, sofern auch die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Zu einer solchen Erstattung kommt es in der Praxis in aller Regel nur deshalb nicht, weil Verwaltungskosten nach § 109 Satz 1 SGB X nicht und Auslagen nach Satz 2 dieser Bestimmung nur dann erstattet werden, wenn sie im Einzelfall 200 € übersteigen.

12

Ferner erhalten gemäß § 1835a Abs. 5 und § 1836 Abs. 3 BGB weder ein Jugendamt noch ein rechtsfähiger Verein, das bzw. der vom Familiengericht zum Vormund bestellt wurde, eine Aufwandentschädigung oder eine Vergütung. Es besteht somit in diesen Fällen keine "eigengesetzliche Regelung für die Vergütung aus der Staatskasse (Justizbudget)". Der vom Beklagten erwähnte § 7 VBVG regelt unmittelbar nur "Vergütung und Aufwendungsersatz für Betreuungsvereine", falls ein Vereinsbetreuer, d.h. ein Mitarbeiter eines anerkannten Betreuungsvereins (vgl. § 1908f BGB), also eine natürliche Person, zum Betreuer im Sinne der §§ 1896 ff. BGB bestellt worden ist. Zwar ist diese Bestimmung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs analog auch auf Vormundschaftsvereine im Sinne von § 1791a BGB i.V.m. § 54 Abs. 1 SGB VIII anwendbar, wenn ein Vereinsvormund, d.h. ein Mitarbeiter eines solchen Vormundschaftsvereins, also eine natürliche Person, zum Vormund bestellt wurde (vgl. dessen Urteil vom 25. Mai 2011 – XII ZB 625/10 – NJW 2011, 2727 [2728 f. Rnrn. 26 bis 36]). Auf dies alles hat bereits das Verwaltungsgericht ebenso zutreffend hingewiesen wie auf den Umstand, dass im vorliegenden Fall vom Familiengericht der Vormundschaftsverein selbst und nicht ein Vereinsvormund zum Vormund bestellt worden ist, der Vormundschaftsverein also weder Vergütung noch Aufwendungsersatz "aus der Staatskasse" erhält.

13

Schließlich ist der vom Beklagten erwähnte § 89d Abs. 3 SGB VIII bereits seit dem 1. Juli 2017 aufgehoben, enthielt aber auch zuvor keine Erstattungsregelung, sondern eine Regelung zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Landes bei im Ausland geborenen Personen im Sinne von § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.

14

Das gesamte weitere Vorbringen des Beklagten zur Begründung seines Berufungszulassungsantrages sowohl in seinem Schreiben vom 26. Oktober 2017 als auch in dem erst nach Ablauf der Antragsbegründungsfrist am 30. Oktober 2017 verfassten und übermittelten Schreiben vom 15. November 2017 fußt auf der Annahme, "die von der Klägerin vorgenommene Übertragung der Aufgabe Amtsvormundschaft auf einen freien Träger der Jugendhilfe" sei "nach dem SGB VIII nicht statthaft", weil eine "Übertragung von Aufgaben der Jugendämter auf einen freien Träger der Jugendhilfe ... nur in den in § 76 Abs. 1 SGB VIII genannten Fällen zulässig" sei und auch "§ 54 SGB VIII... hierfür keine Grundlage" bilde, sodass "die Übertragung der Vormundschaft durch die Klägerin auf den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. ... somit ohne rechtliche Grundlage" erfolgt sei. Diese Prämisse ist aber unzutreffend: Weder ist die Klägerin im vorliegenden Fall zum Vormund bestellt worden noch hat sie eine Vormundschaft auf den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. übertragen. Hiervon ist auch nicht etwa das Verwaltungsgericht ausgegangen, es hat derartiges auch nicht etwa zu Unrecht als rechtmäßig angesehen. Im Einzelnen:

15

Wie sich aus dem Sachverhalt des Urteils des Verwaltungsgerichts eindeutig ergibt, hat im vorliegenden Fall das Familiengericht Würzburg mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 zwar zunächst das Jugendamt der Klägerin zum Vormund bestellt, durch Beschluss vom 14. November 2014 aber als Vormund entlassen und den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. zum neuen Vormund bestellt (UA S. 2 unten = juris Rn. 3). Mithin erfolgte keine Übertragung der Amtsvormundschaft der Klägerin durch diese auf den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht im Folgenden ausgegangen. Zwar hat es zur Begründung seiner Annahme, bei den Zahlungen der Klägerin an den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. handele es sich nicht um nach § 109 Satz 1 SGB X nicht erstattungsfähige Verwaltungskosten, auch auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2010 – 5 C 16.08 – NVwZ-RR 2010, 148 (149 ff. Rnrn. 16 bis 26) hingewiesen, wonach Zahlungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe an einen Träger der freien Jugendhilfe für die Erledigung von Sach- und Dienstleistungen, mit denen letzterer (nicht nur gemäß § 56 SGB VIII, sondern mit Blick auf § 4 Abs. 2 SGB VIII befugterweise auch sonst) beauftragt worden war, eindeutig abgrenzbare Kosten zur Deckung von außerhalb des Verwaltungsapparates des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe entstehender Personal- und Sachkosten und damit keine Verwaltungskosten im Sinne von § 109 Satz 1 SGB X darstellen (UA S. 7 und 8 oben = juris Rnrn. 22 bis 24). Das Verwaltungsgericht ist im Folgenden aber ausdrücklich davon ausgegangen, dass "die Bestellung des Vereins als Vormund ... im Einzelfall auf Grundlage von § 1791a Abs. 2... BGB ... durch Beschluss des Familiengerichts" erfolgt und dass das Sozialgesetzbuch Achtes Buch "hinsichtlich der Bestellung eines Vereins zum Vormund des Hilfeempfängers ... gerade keine eigenständige Aufgabenübertragung durch das Jugendamt selbst" vorsieht (UA S. 8 unten = juris Rn. 25; vgl. auch UA S. 12 Mitte = juris Rn. 32). Ferner hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich angemerkt, damit sei "die Übernahme der Vereinsvormundschaft ... unabhängig von einer Aufgabenübertragung im Sinne des § 76 SGB VIII zulässig" und es habe "einer Erwähnung in § 76 SGB VIII... damit schon aus systematischen Gründen nicht" bedurft (UA S. 8 unten = juris Rn. 25).

16

Vorsorglich merkt der Senat insoweit an, dass er nur die Entscheidungsgründe des Urteils selbst berücksichtigen kann und nicht etwa den zu diesem Urteil in juris veröffentlichten Leitsatz 2, der die Entscheidungsgründe unzutreffend widerspiegelt und auch mit der dort in Bezug genommenen Rn. 26 nicht zu vereinbaren ist. Darin und in den folgenden Randnummern meint das Verwaltungsgericht, dass die Bereitschaft eines für seine Tätigkeit als Vormund keine Aufwandsentschädigung oder Vergütung erhaltenden Vormundschaftsvereins, die gemäß § 1791a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB für seine Bestellung zum Vormund erforderliche Einwilligung zu erklären, durch eine in § 74 SGB VIII vorgesehene finanzielle Förderung der freien Jugendhilfe bewirkt werden könne, und geht davon aus, weil durch die mittels finanzieller Förderung bewirkte Einwilligung des Vormundschaftsvereins in seine Bestellung zum Vormund das Jugendamt von seiner Verpflichtung zur Übernahme einer Amtsvormundschaft freigestellt und der Vormundschaftsverein mithin im Sinne von § 77 Satz 1 SGB VIII "in Anspruch genommen" werde, sei diesbezüglich der Abschluss von Vereinbarungen in unmittelbarer, hilfsweise analoger Anwendung von § 77 SGB VIII rechtens. Von einer "Aufgabenübertragung", zumal "gemäß § 76 SGB VIII", ist in diesem Zusammenhang im Urteil des Verwaltungsgerichts – anders als im in juris veröffentlichten Leitsatz 2 – keine Rede.

17

Auf diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe könne durch eine finanzielle Förderung der freien Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII die Einwilligung eines Vormundschaftsvereins in dessen Bestellung zum Vormund bewirken und darüber mit dem Vormundschaftsverein eine Vereinbarung in unmittelbarer oder analoger Anwendung von § 77 SGB VIII über die Höhe der Kosten treffen, und auf die sich daran anschließende Frage, ob auch durch eine – in § 2 Abs. 2 und 3 SGB VIII nicht als Aufgabe der Jugendhilfe genannte – finanzielle Förderung der freien Jugendhilfe im Sinne von § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII "Jugendhilfe gewährt wird", geht das Vorbringen des Beklagten zur Begründung seines Zulassungsantrages mit keinem Wort ein. Damit sind insoweit Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht dargelegt.

18

Zugleich ist damit nicht dargelegt, dass die Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat, weil der Beklagte eine entscheidungserhebliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht einmal auch nur aufgeworfen hat.

19

Nach alledem kann aufgrund der eingangs erörterten, so nicht zutreffenden Ausführungen des Beklagten wie aufgrund seiner irrigen Annahme, die Klägerin habe eine Vormundschaft, mit der sie betraut gewesen sei, ohne dafür existierende Rechtsgrundlage auf einen Vormundschaftsverein übertragen bzw. das Verwaltungsgericht sei hiervon ausgegangen und habe eine solche Übertragung als rechtens angesehen, kann die Berufung des Beklagten nicht zugelassen werden.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren aus § 47 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

21

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Ein Erstattungsanspruch der Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe ist von anderen Leistungsträgern

1.
für die Dauer des Erstattungszeitraumes und
2.
für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung
auf Antrag mit vier vom Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages des Leistungsberechtigten beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrages nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. § 44 Abs. 3 des Ersten Buches findet Anwendung; § 16 des Ersten Buches gilt nicht.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches geht dessen Erstem Kapitel vor, soweit sich die Ermittlung des Sachverhaltes auf Sozialdaten erstreckt.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von Kosten, die er in der Zeit vom 23. November 1999 bis zum Ablauf des 21. Juni 2000 als Hilfe für junge Volljährige aufgewandt hat.

2

Die am 23. November 1981 in Äthiopien geborene Hilfeempfängerin reiste Anfang Februar 1997 als Minderjährige ohne Begleitung ihrer Eltern oder eines gesetzlichen Vertreters auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Wenige Tage nach ihrer Einreise sprach sie beim Jugendamt der Stadt F. vor, das sie in unmittelbarem Anschluss daran in Obhut nahm. Nach einem kurzen Aufenthalt in einer Erstversorgungseinrichtung der Arbeiterwohlfahrt wurde die Hilfeempfängerin ab Mitte April 1997 in der im Nachbarkreis des Klägers gelegenen Jugendhilfeeinrichtung Haus O. untergebracht, in der sie bis zum 21. Juni 2000 blieb.

3

Bereits am 21. Februar 1997 wurde der Beklagte durch das Bundesverwaltungsamt zum erstattungspflichtigen überörtlichen Träger nach § 89d Abs. 3 SGB VIII bestimmt.

4

Mit Bescheid des Regierungspräsidiums vom 31. Oktober 1997 wurde die Hilfeempfängerin im Rahmen ihres Asylverfahrens dem Gebiet des Klägers zugewiesen, der seit diesem Zeitpunkt als örtlich zuständiger Jugendhilfeträger für die Kosten ihrer Unterbringung in der Jugendhilfeeinrichtung Haus O. aufkam. Er zahlte die Unterbringungskosten zunächst im Rahmen der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII. Ab dem 20. Januar 1998 bis zum Eintritt der Volljährigkeit am 23. November 1999 gewährte er insoweit Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII, an die sich bis zum Ablauf des 21. Juni 2000 die Gewährung von Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII anschloss.

5

Der Kläger wandte sich mit mehreren Schreiben an den Beklagten und beantragte Erstattung der von ihm aufgewandten Kosten. Er ist der Auffassung, der Anspruch auf Erstattung der im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige gewährten Leistungen hätte nicht ausdrücklich bzw. gesondert innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des 21. Juni 2000 geltend gemacht werden müssen. Im Hinblick auf diesen Erstattungsanspruch werde die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X bereits durch den nach der Inobhutnahme der Hilfeempfängerin erstmals unter dem 22. Oktober 1997 gestellten Antrag auf Erstattung der Kosten gewahrt. Der spätere Wechsel der Leistungsart sowie der Rechtsgrundlage änderten daran nichts.

6

Der Beklagte lehnte die Erstattung ab, weil der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung der im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Leistungsende geltend gemacht habe. Er sei erst Ende Juni 2002 über ein im November 1999 geführtes Gespräch in Kenntnis gesetzt worden, nachdem die Selbstständigkeit der Hilfeempfängerin im Zeitpunkt der Volljährigkeit noch wenig ausgeprägt gewesen sei. Allein dieses Detail hätte die Schlussfolgerung zulassen können, dass (wahrscheinlich) über den Zeitpunkt der Volljährigkeit hinaus Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch erforderlich gewesen seien.

7

Mit Urteil vom 20. März 2006 hat das Verwaltungsgericht die am 29. April 2004 erhobene Klage auf Erstattung der im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten in Höhe von 21 749,75 € abgewiesen.

8

Mit Urteil vom 1. Juli 2008 hat der Verwaltungsgerichtshof die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hätte den auf die Hilfe für junge Volljährige bezogenen Kostenerstattungsanspruch gesondert innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend machen müssen. Mit dem Begriff der Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X sei nicht die Sozialleistungsart "Jugendhilfe" im abstrakten Sinne, sondern die erbrachte (oder vorgesehene) Jugendhilfe in ihrer konkreten Ausgestaltung gemeint, d.h. die Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII, die Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII oder die Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII. Der Jugendhilfe liege kein "ganzheitlicher" Leistungsbegriff zugrunde, vielmehr umfasse die Jugendhilfe gemäß § 2 Abs. 1 SGB VIII die einzelnen in § 2 Abs. 2 SGB VIII aufgeführten Leistungen und die in § 2 Abs. 3 SGB VIII aufgezählten anderen Aufgaben. Für ein gesondertes Geltendmachen des die Hilfe für junge Volljährige betreffenden Kostenerstattungsanspruchs spreche zudem, dass sich andernfalls die Anmeldung des Kostenerstattungsanspruchs bezüglich der Inobhutnahme und der anschließend gewährten Hilfe zur Erziehung auf eine Zeitspanne von bis zu (weiteren) neun Jahren (18. bis 27. Lebensjahr) erstrecke. Das sei mit der durch die Ausschlussfrist bezweckten baldigen Abwicklung der Erstattungen schwerlich zu vereinbaren. Nach diesen rechtlichen Vorgaben sei ein fristgerechtes Geltendmachen nicht gegeben. Die Erstattung der im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten sei erstmals mit Schreiben vom 6. November 2002 beantragt worden. Die vorangegangenen Schreiben des Klägers vom 22. Oktober 1997 sowie vom 26. März und 27. Juli 1998 bezögen sich nur auf die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung.

9

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 89d SGB VIII sowie des § 111 Satz 1 SGB X.

10

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist begründet. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass der Anspruch auf Erstattung nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII für die im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten ausgeschlossen ist, weil der Kläger ihn nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht hat, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

12

Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfüllt sind und dem Kläger damit gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der als Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Unterbringungskosten dem Grunde nach zustehen kann. Auch die Höhe der danach zu erstattenden Kosten ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Zu entscheiden ist allein, ob der Anspruch gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen ist. Dies ist nicht der Fall. Der Kostenerstattungsanspruch des § 89d SGB VIII unterfällt zwar der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X (1.), die hier gemäß § 111 Satz 2 SGB X in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs begann; im Übrigen gilt § 111 Satz 1 SGB X in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung (2.). Der Anspruch auf Erstattung der als Hilfe für junge Volljährige gewährten Leistungen wurde aber vom Kläger mit den Schreiben vom 26. März und 23. Juli 1998 fristwahrend geltend gemacht (3.)

13

1. Der Anwendung des § 111 SGB X auf den Erstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII steht die Rechtsprechung des Senats nicht entgegen. Demnach ist die Ausschlussfrist des § 111 SGB X auf die spezielle jugendhilferechtliche Situation einander gegenüberstehender Erstattungsansprüche örtlicher Jugendhilfeträger nicht anwendbar, was in besonderer Weise für eine Kollision mit einem Erstattungsanspruch nach § 89a SGB VIII gilt, dessen Ziel es ist, die Pflegestellenorte von den mit einem Zuständigkeitswechsel nach § 86 Abs. 6 SGB VIII verbundenen Kosten zu befreien (Urteil vom 30. September 2009 - BVerwG 5 C 18.08 - BVerwGE 135, 58 = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 9 jeweils Rn. 33). Diese Rechtsprechung ist mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Im vorliegenden Verfahren kollidieren weder zwei Erstattungsansprüche noch stehen sich zwei örtliche Träger der Jugendhilfe gegenüber, von denen einer nach § 89a SGB VIII Erstattung der von ihm aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewandten Kosten begehrt. Streitgegenstand ist vielmehr allein der dem örtlichen Träger der Jugendhilfe gegen den vom Bundesverwaltungsamt als erstattungspflichtig bestimmten überörtlichen Träger der Jugendhilfe nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zustehende Anspruch auf Kostenerstattung.

14

Die Anwendung des § 111 SGB X auf diesen Anspruch bestimmt sich nach § 37 Satz 1 SGB I. Danach gelten das Erste und Zehnte Buch für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Das Sozialgesetzbuch Achtes Buch enthält keine Vorschrift, welche die Ausschlussfrist des § 111 SGB X hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d SGB VIII ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt oder anordnet, dass das Geltendmachen dieses Anspruchs keiner zeitlichen Begrenzung unterliegt. Dem Kinder- und Jugendhilferecht ist auch kein Strukturprinzip (vgl. insoweit Urteil vom 29. September 1994 - BVerwG 5 C 41.92 - Buchholz 436.7 § 27a BVG Nr. 16 S. 3 = Buchholz 435.11 § 58 SGB I Nr. 3) zu entnehmen, das es rechtfertigt, den Erstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII aus dem Anwendungsbereich des § 111 SGB X herauszunehmen.

15

2. Gemäß § 120 Abs. 2 SGB X findet auf ein - wie hier - am 1. Juni 2000 noch nicht abschließend entschiedenes Kostenerstattungsverfahren zwar grundsätzlich die Vorschrift des § 111 SGB X in der vom 1. Januar 2001 an geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl I S. 130) insgesamt Anwendung. Insbesondere war der Anspruch auf Erstattung bei Inkrafttreten der Neuregelung der Ausschlussfrist nicht bereits nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Regelung des § 111 SGB X in der Fassung des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl I S. 1450) ausgeschlossen (vgl. insoweit Urteil vom 10. April 2003 - BVerwG 5 C 18.02 - Buchholz 435.12 § 111 SGB X Nr. 3 S. 2). Der Kläger hätte nämlich unter der Geltung dieser alten Gesetzesfassung seinen Erstattungsanspruch noch bis zum Ablauf des 21. Juni 2001 anzeigen können.

16

Eine Ausnahme von der nach § 120 Abs. 2 SGB X angeordneten Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung ist hier jedoch deshalb zu machen, weil eine sachliche Entscheidung des erstattungspflichtigen Beklagten gegenüber der Hilfeempfängerin nicht in Betracht kam und demzufolge die Regelung des § 111 Satz 2 SGB X ins Leere gehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3 Rn. 21 ff.). Denn zwischen dem Beklagten und der Hilfeempfängerin bestand keine unmittelbare Rechtsbeziehung. Die Hilfeempfängerin konnte den Beklagten nicht auf die Erbringung einer Sozialleistung in Anspruch nehmen. Ausschließlich der Kläger war als örtlich zuständiger Träger der Jugendhilfe gegenüber der Hilfeempfängerin zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII und Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII verpflichtet. Für die vorliegende Fallkonstellation ist daher § 111 Satz 2 SGB X in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung entsprechend anzuwenden. Danach beginnt die Ausschlussfrist im konkreten Fall frühestens in dem Zeitpunkt, in dem - bezogen auf die Leistung, deren Erstattung begehrt wird - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfüllt sind.

17

3. Für den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII ist die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X nach dem zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts zu bestimmen (3.1). In Anwendung dieses Begriffes sind die vom Kläger gewährte Hilfe zur Erziehung und die von ihm im unmittelbaren Anschluss daran geleistete Hilfe für junge Volljährige als einheitliche jugendhilferechtliche Leistung zu werten (3.2). Für das fristgerechte Geltendmachen dieser (Gesamt-)Leistung genügt es, dass der Kläger den Antrag auf Erstattung der Kosten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII während der laufenden Hilfe zur Erziehung (und damit lange vor der Zwölfmonatsfrist nach Ende der Leistung) gestellt hat (3.3). Dem Zweck der Ausschlussfrist wird damit hinreichend Rechnung getragen (3.4).

18

3.1 Das Sozialgesetzbuch Erstes Buch und Zehntes Buch als die für alle Sozialleistungsbereiche geltenden Bücher enthalten keine eigenständige Definition des Begriffs der Leistung, auf den im Rahmen der Ausschlussfrist zurückgegriffen werden könnte. § 111 Satz 1 SGB X nimmt vielmehr Bezug auf die Leistung und den Leistungsbegriff des jeweiligen Sozialleistungsbereichs, in dem der geltend zu machende Anspruch auf Kostenerstattung im Einzelfall seine Rechtsgrundlage findet. Der Wortlaut des § 111 SGB X steht einer bereichsspezifischen Auslegung ebenso wenig entgegen wie der Zweck der Ausschlussfrist. Denn eine mit Rücksicht auf die spezifische Zielsetzung des Rechts der jeweiligen Sozialleistung erfolgende Bestimmung der Leistung führt nicht dazu, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger nicht möglichst zeitnah zur Leistungserbringung die zu erwartende finanzielle Belastung erkennen und gegebenenfalls entsprechende Rückstellungen bilden kann.

19

Für das fristgerechte Geltendmachen des Anspruchs auf Erstattung der Kosten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist demzufolge der Begriff der Leistung im Sinne der Zuständigkeitsregelungen der §§ 86 ff. SGB VIII maßgeblich. Der Rückgriff auf den zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff im Rahmen des Erstattungsverhältnisses findet seine sachliche Rechtfertigung in der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht und der sie ergänzenden Kostenerstattung. In der Regel hat der für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer Aufgaben der Jugendhilfe nach §§ 86 ff. SGB VIII örtlich zuständige Träger der Jugendhilfe auch deren Kosten zu tragen. Insbesondere bei einer - wie hier in Rede stehenden - Leistungsgewährung in Einrichtungen kann dies aber zu einer unangemessenen finanziellen Belastung einzelner kommunaler Gebietskörperschaften führen. Entsprechendes gilt vor allem auch für die Fälle fortdauernder Vollzeitpflege sowie des vorläufigen Eintretens für den an sich (endgültig) örtlich zuständigen Träger der Jugendhilfe. Nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (z.B. §§ 89, 89a Abs. 1 Satz 1, § 89a Abs. 2, § 89a Abs. 3, § 89b Abs. 1, § 89b Abs. 3, § 89c Abs. 1 Satz 1, § 89c Abs. 3, § 89e Abs. 1 Satz 1 und § 89e Abs. 2 SGB VIII).

20

3.2 Nach Maßgabe des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs ist die (jugendhilferechtliche) Leistung anhand einer bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung der verschiedenen Maßnahmen und Hilfen zu bestimmen. Demzufolge bilden alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen eine einheitliche Leistung, zumal wenn sie im Einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) zeitliche Unterbrechung gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die Hilfegewährung im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen oder innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist (stRspr, grundlegend Urteil vom 29. Januar 2004 - BVerwG 5 C 9.03 - BVerwGE 120, 116 <119> = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 2; vgl. zuletzt Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 5 C 12.09 - juris Rn. 22; s.a. Urteil vom 14. November 2002 - BVerwG 5 C 56.01 - BVerwGE 117, 194 S. 197 ff. = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 1 = Buchholz 436.511 § 86a KJHG/SGB VIII Nr. 2).

21

Auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatrichterlichen Feststellungen stellen die vom Kläger ab dem 20. Januar 1998 gewährte Hilfe zur Erziehung und die ab dem 23. November 1999 bis zum Ablauf des 21. Juni 2000 gewährte Hilfe für junge Volljährige eine (einheitliche) Leistung im vorgenannten Sinne dar. In beiden Fällen wurde die Jugendhilfe durch die Unterbringung der Hilfeempfängerin in ein und derselben Jugendhilfeeinrichtung erbracht. Der Kläger ging bei seiner Entscheidung, diese konkrete Maßnahme über den Eintritt der Volljährigkeit bis zum Ende des Schuljahres 1999/2000 hinaus in Form der Hilfe für junge Volljährige weiterhin auf seine Kosten durchzuführen, erkennbar von einem qualitativ unveränderten jugendhilferechtlichen Bedarf aus und brachte dies in seinem Bewilligungsbescheid vom 15. November 1999 auch unmissverständlich zum Ausdruck. Denn er hielt es danach aufgrund der Persönlichkeit, insbesondere des verzögerten Entwicklungsstandes, und der individuellen Situation der Hilfeempfängerin für erforderlich, die der Hilfeempfängerin "gewährte Erziehungshilfe über das vollendete achtzehnte Lebensjahr hinaus gemäß § 41 SGB VIII fortzusetzen". Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.

22

3.3 An das Geltendmachen im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X dürfen keine überzogenen formalen oder inhaltlichen Anforderungen gestellt werden, zumal es sich bei den am Erstattungsverfahren Beteiligten um Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Behörden handelt, deren Vertreter Kenntnis von den jeweils in Betracht kommenden Leistungen besitzen. Bei dem Geltendmachen handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang beim Empfänger wirksam wird. Ein konkludentes Geltendmachen ist zulässig und ausreichend. Die inhaltlichen Anforderungen bestimmen sich nach dem Zweck des § 111 SGB X, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht. Aus diesem Grund erfordert das Geltendmachen ein unbedingtes Einfordern der Leistung. Ein bloß vorsorgliches Anmelden genügt nicht. Der Wille des Erstattungsberechtigten, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles der Erklärung deutlich erkennbar zugrunde liegen. Der in Anspruch genommene Leistungsträger muss bereits beim Zugang der Anmeldung des Erstattungsanspruchs ohne weitere Nachforschungen beurteilen können, ob die gegen ihn erhobene Forderung ausgeschlossen ist oder er mit einer Erstattungspflicht zu rechnen hat. Hierfür ist in der Regel ein Darlegen in allen Einzelheiten nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind und insbesondere der Zeitraum, für den die Leistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt werden. Geringere inhaltliche Anforderungen gelten, wenn der Erstattungsanspruch, was grundsätzlich zulässig ist, vor seiner Entstehung geltend gemacht wird. In einem derartigen Fall ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Angaben über Art und Umfang der künftigen Leistungen allgemein unter Verwendung der Kenntnisse gemacht werden, die im Zeitpunkt des Geltendmachens vorhanden sind (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BSG, Urteil vom 22. August 2000 - B 2 U 24/99 R - SozR 3-1300 § 111 Nr. 9 Rn. 17 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen sowie Urteil vom 4. März 1993 - BVerwG 5 C 6.91 - BVerwGE 92, 167 168 = Buchholz 435.12 § 111 SGB X Nr. 2). Für das fristgerechte Geltendmachen eines Kostenerstattungsanspruchs für eine unter Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu wertende Jugendhilfemaßnahme ist eine bedarfsorientierte Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen. Danach kommt es nicht darauf an, ob die Kosten für die Maßnahme von einem Dritten gegebenenfalls zeitabschnittsweise in Rechnung gestellt und beglichen werden. Vielmehr genügt zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Maßnahmen und Hilfen, die jugendhilferechtlich als eine Leistung zu werten sind, jede innerhalb dieser Frist erfolgende Geltendmachung des Anspruchs nach Beginn der (Gesamt-)Leistung. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 10. April 2003 - BVerwG 5 C 18.02 - (a.a.O. S. 3) eine andere Auffassung vertreten und für die Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs auf die im Einzelfall erfolgte monatsweise Abrechnung abgestellt hat, hält er daran nicht mehr fest.

23

Den dargelegten Anforderungen an das Geltendmachen hat der Kläger in Bezug auf die - sich aus der Hilfe zur Erziehung und der Hilfe für junge Volljährige zusammensetzende - (Gesamt-)Leistung innerhalb der mit Ablauf des 21. Juni 2001 endenden Ausschlussfrist erfüllt. Nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 37 Abs. 2 VwGO), der sich insoweit die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu Eigen gemacht hat, hat der Kläger den Anspruch auf Erstattung der Kosten nach § 89d SGB VIII bezüglich der ab dem 20. Januar 1998 gewährten Hilfe zur Erziehung mit Schreiben vom 26. März und 23. Juli 1998 geltend gemacht. Diese Anmeldung wirkt infolge der Annahme einer einheitlichen (Gesamt-)Leistung auch für die vom Kläger in Form der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten fristwahrend.

24

3.4 Der Zweck der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X wird dadurch weder beeinträchtigt noch in Frage gestellt. Bereits das Geltendmachen des Erstattungsanspruchs in Bezug auf die Hilfe zur Erziehung erfüllt im konkreten Fall die mit der zeitnahen Anmeldung verfolgte Informations- und Warnfunktion. Vor und nach Eintritt der Volljährigkeit wurde aufgrund eines qualitativ unveränderten Hilfebedarfs der Sache nach immer dieselbe Leistung erbracht, die lediglich infolge des Eintritts der Volljährigkeit im Verhältnis der Hilfeempfängerin zum erstattungsberechtigten Kläger einer anderen Rechtsgrundlage zuzuordnen war, ohne dass dies jedoch zu einem Austausch des erstattungsverpflichteten Leistungsträgers oder Wechsel der Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs führte. Mit Rücksicht auf diesen konkreten Verfahrensablauf war für den Beklagten außerdem stets hinreichend erkennbar, welche finanzielle Belastung auf ihn zukommen konnte, zumal auch für ihn an seiner Erstattungspflicht infolge der Bestimmung des Bundesverwaltungsamts vom 21. Februar 1997 von Anfang an kein Zweifel bestand.

25

4. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend (stRspr für den Bereich der Jugendhilfe z.B. Urteil vom 22. November 2001 - BVerwG 5 C 42.01 - BVerwGE 115, 251 256 = Buchholz 436.511 § 89e KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 5 m.w.N. = Buchholz 436.511 § 86a KJHG/SGB VIII Nr. 1).

(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen.

(2) In diesem Fall reduziert sich für das Land die Aufnahmequote

1.
bis zum 1. Dezember 2015 um zwei Drittel sowie
2.
bis zum 1. Januar 2016 um ein Drittel.

(3) Bis zum 31. Dezember 2016 kann die Ausschlussfrist nach § 42b Absatz 4 Nummer 4 um einen Monat verlängert werden, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens in Bezug auf einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nicht innerhalb dieser Frist erfolgen kann. In diesem Fall hat das Jugendamt nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen.

(4) Ab dem 1. August 2016 ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land verjährt in einem Jahr; im Übrigen gilt § 113 des Zehnten Buches entsprechend.

(5) Die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ist ausgeschlossen. Die Erstattung dieser Kosten richtet sich nach § 89d Absatz 1.

Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches geht dessen Erstem Kapitel vor, soweit sich die Ermittlung des Sachverhaltes auf Sozialdaten erstreckt.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen.

(2) In diesem Fall reduziert sich für das Land die Aufnahmequote

1.
bis zum 1. Dezember 2015 um zwei Drittel sowie
2.
bis zum 1. Januar 2016 um ein Drittel.

(3) Bis zum 31. Dezember 2016 kann die Ausschlussfrist nach § 42b Absatz 4 Nummer 4 um einen Monat verlängert werden, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens in Bezug auf einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nicht innerhalb dieser Frist erfolgen kann. In diesem Fall hat das Jugendamt nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen.

(4) Ab dem 1. August 2016 ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land verjährt in einem Jahr; im Übrigen gilt § 113 des Zehnten Buches entsprechend.

(5) Die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ist ausgeschlossen. Die Erstattung dieser Kosten richtet sich nach § 89d Absatz 1.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Teilbetrages, den er als überörtlicher Träger der Jugendhilfe an die beklagte Stadt im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlt hat.

2

Mit einem am 25. August 2011 eingegangenen Schreiben vom 23. August 2011 machte die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII gegenüber dem vom Bundesverwaltungsamt mit Schreiben vom 18. März 2010 zum erstattungspflichtigen Kostenträger bestimmten Kläger geltend. Der Anspruch betraf die Aufwendungen für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer. Die Beklagte hatte diesen nach ihren eigenen Angaben am 14. Januar 2010 in Obhut genommen und ihm im Anschluss an die am 2. März 2010 beendete Inobhutnahme ab dem 3. März 2010 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gewährt.

3

Der Kläger erkannte seine Kostenerstattungspflicht zunächst nur für die Zeit vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011, dem Ende der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung, an. Später gab er auch für den verbleibenden Zeitraum eine Kostenerstattungszusage ab und leistete den insoweit angeforderten Betrag. In der Folgezeit begehrte er die Rückerstattung des für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 45 038,42 €. Zur Begründung stützte er sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 -. Diese sei nicht - wie von ihm ursprünglich angenommen - dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit dem Ende der Gesamtleistung zu laufen beginne. Bei der Berechnung der Ausschlussfrist sei vielmehr auf die einzelnen Teilleistungszeiträume abzustellen. Somit könne eine Erstattung erst ab dem 25. August 2010 erfolgen. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung des geforderten Betrages.

4

Das Verwaltungsgericht hat der am 6. November 2014 erhobenen Klage auf Rückerstattung stattgegeben. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nach § 112 SGB X lägen vor. Der für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 nach § 89d SGB VIII gegebene Kostenerstattungsanspruch sei mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen. Nach dieser Vorschrift sei für den Ablauf des Leistungszeitraums bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet worden sei. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auch Jugendhilfeleistungen, die nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkt seien, abschnittsweise gewährt würden und für die Konkretisierung des Leistungs(teil)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - stehe dem nicht entgegen. Ihr ließen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig habe aufgegeben werden sollen. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X, Erstattungsansprüche zeitnah geltend zu machen, nicht vereinbar. Außerdem sei die der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze sei das Erstattungsbegehren für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Denn für diesen habe die Zwölf-Monats-Frist bereits am 24. August 2011 geendet.

5

Mit der Sprungrevision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 111 Satz 1 SGB X.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Sprungrevision der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es müsse zeitabschnittsweise geprüft werden, ob der Kostenerstattungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) - SBG X - geltend gemacht worden sei, so dass für den Fristbeginn der letzte Tag des jeweiligen Abrechnungszeitraums maßgebend sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X auf den letzten Tag, an dem die Leistung erbracht wurde, abzustellen ist, besteht lediglich ein Anspruch auf Rückerstattung der vom Kläger für die Inobhutnahme erstatteten Kosten in Höhe von 13 884,50 €.

8

Grundlage für den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch des Klägers ist § 112 SBG X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) - SGB VIII - erfüllt waren und der Beklagten damit gegen den Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zugestanden haben konnte, die sie für den unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer anlässlich seiner Inobhutnahme und der ihm gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung aufgewandt hatte. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Ebenso ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII grundsätzlich der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X unterliegt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 13 f. m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob der Anspruch nach dieser Bestimmung im konkreten Fall ausgeschlossen war, ist - entgegen der Ansicht des Klägers - nur in Bezug auf die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten zu bejahen (1.). Soweit der Kläger der Beklagten die Kosten für die vom 3. März bis zum 24. August 2010 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung erstattet hat, hat die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 23. August 2011 fristwahrend geltend gemacht (2.). Das ergibt den zuerkannten Rückerstattungsbetrag, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig und der in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist (vgl. insoweit stRspr im jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrecht, z.B. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 44 m.w.N.).

9

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückerstattung hat, soweit es um die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten geht. Denn deren Erstattung ist zu Unrecht erfolgt. Der Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war, soweit er sich auf die Inobhutnahme bezieht, gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Ob diese Frist gewahrt wird, ist für jede Leistung im Sinne der Vorschrift gesondert zu prüfen. Bezüglich der Geltendmachung des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt auch die Inobhutnahme ihrer Art nach eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X dar (a). Die fristgerechte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung zu beurteilen (b). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X als fehlerhaft (c).

10

a) Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X ist auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch insoweit anwendbar, als dieser - wie hier - die Kosten der Inobhutnahme zum Gegenstand hat. Die Inobhutnahme nach 42 SGB VIII ist als (eigenständige) Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X anzusehen.

11

Der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X ist kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 18). Bei den im Kinder- und Jugendhilferecht angesiedelten Erstattungsverhältnissen erfasst die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Hilfen, deren Kosten von einem Jugendhilfeträger infolge der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht zu zahlen sind, mit denen dieser aber nach den Regelungen über die Kostenerstattung nach §§ 89 ff. SGB VIII nicht endgültig belastet werden soll. Denn nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 19). Mithin unterfallen dem Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Aufgaben, für die im Zweiten Abschnitt des Siebten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch eine Zuständigkeitsbestimmung getroffen und eine Kostenerstattungsregelung (§§ 89 ff. SGB VIII) vorgesehen ist.

12

Gemessen daran ist die Inobhutnahme eine Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB XII, weil insoweit in § 87 SGB die örtliche Zuständigkeit geregelt ist und sich in § 89b SGB VIII eine ausdrücklich und in § 89d SGB VIII eine der Sache nach an die Inobhutnahme anknüpfende Kostenerstattungsregelung findet. Ihr etwaiger Eingriffscharakter steht ihrer Bewertung als Leistung im Kontext des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrechts und damit ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Die Inobhutnahme enthält in Form der mit ihr notwendig verbundenen Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung auch Leistungs- bzw. Zuwendungselemente (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2015 - 5 C 21.14 - juris Rn. 13 und 15 m.w.N.). Die dadurch verursachten Kosten sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Jugendhilferechts zunächst von dem nach § 87 SGB VIII örtlich zuständigen Jugendhilfeträger zu tragen, der aber gegebenenfalls durch den nach §§ 89b, 89d SGB VIII erstattungspflichtigen Leistungsträger von der Kostenbelastung freizustellen ist. Letzterer ist im Hinblick auf die Erstattung der durch eine Inobhutnahme anfallenden Kosten nicht weniger schutzwürdig als ein erstattungspflichtiger Leistungsträger bezüglich der Ansprüche, die auf die Kosten einer Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII gerichtet sind. Auch im Fall der Inobhutnahme ist dem berechtigten Interesse des erstattungspflichtigen Leistungsträgers Rechnung zu tragen, möglichst kurze Zeit nach der Gewährung der mit der Inobhutnahme verbundenen Leistungen zu erfahren, welche finanziellen Ansprüche auf ihn zukommen, so dass er gegebenenfalls für die zu erwartende Belastung entsprechende Mittel im Haushalt einstellen bzw. Rücklagen bilden kann.

13

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um eine selbständige Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB VIII und nicht etwa zusammen mit der nachfolgend gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung um einen Teil einer Gesamtleistung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X auch aus verschiedenen Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen, wenn und soweit die betreffenden Einzelleistungen unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu werten sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die gewährte Jugendhilfe im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen und dementsprechend innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu bewilligen ist (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 20 m.w.N.). Keine im Sinne des Jugendhilferechts einheitliche Leistung können - auch bei einem wie vorliegend an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII den sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe zugeordnete Inobhutnahme und die in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Leistungen bilden (vgl. so für die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bereits BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22 f.).

14

b) Bei der Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs ist von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen. Damit korrespondierend beginnt die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde. Der Senat hält an dieser im Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - (BVerwGE 137, 368 Rn. 22) vertretenen Auffassung fest (so auch: Kunkel/Pattar, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89f Rn. 30; Degener, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 111 SGB X Rn. 2b; Eschelbach/Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. April 2014, JAmt 2014, S. 199).

15

Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.

16

Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen.

17

Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine aus mehreren Einzelleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB X bestehende Gesamtleistung geht, sondern um eine Inobhutnahme. Da die Frage, wie der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X im Zusammenhang mit dem Beginn der Ausschlussfrist auszulegen ist, ebenfalls aus systematischen Gründen nur einheitlich beantwortet werden kann, ist auch bei dieser Fallgestaltung auf das Ende dieser Maßnahme abzustellen.

18

Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.

19

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat die Beklagte den Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, soweit er auf die Erstattung der im Zusammenhang mit der Inobhutnahme angefallenen Kosten gerichtet war, nicht fristgerecht geltend gemacht. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, endete die Inobhutnahme am 2. März 2010. Der diesbezügliche Erstattungsanspruch hätte also bis zum Ablauf des 2. März 2011 geltend gemacht werden müssen. Der entsprechende Antrag der Beklagten ging beim Kläger aber erst am 25. August 2011 ein.

20

c) Ein anderes Ergebnis ist hier auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X gerechtfertigt.

21

Nach dieser Vorschrift wird der Beginn der Ausschlussfrist auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben. Der Lauf der Frist beginnt danach frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Es kann hier dahinstehen, ob § 111 Satz 2 SGB X auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII jedenfalls entsprechend anwendbar ist (vgl. zur verneinten unmittelbaren Anwendung BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3). Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Analogieschluss ist eine Geltendmachung innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nicht feststellbar.

22

Im Fall der in Rede stehenden Gewährung von Jugendhilfe an einen im Ausland geborenen, unbegleitet eingereisten jungen Menschen wäre der Beginn der Ausschlussfrist bei einer entsprechenden Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der örtliche Träger von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erforderlich sind. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts datiert die von der Beklagten beim Bundesverwaltungsamt beantragte Bestimmung des zur Kostenerstattung verpflichteten Leistungsträgers im Sinne von § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vom 18. März 2010. Ausweislich des Stempelaufdrucks auf dem sich in den Verwaltungsvorgängen befindenden Schreiben des Bundesverwaltungsamtes ist dieses am 25. März 2010 bei der Beklagten eingegangen. Der Senat kann diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde legen, weil das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auch die Verwaltungsakten in Bezug genommen und damit die darin enthaltenen tatsächlichen Umstände im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO festgestellt hat. Mithin war die Zwölf-Monats-Frist bei Eingang des Antrags auf Kostenerstattung abgelaufen.

23

2. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Rückerstattung im Ergebnis zu Unrecht bejaht, soweit er die für die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung vom 3. März bis 24. August 2010 erstatteten Kosten zum Gegenstand hat. Diese Kosten wurden der Beklagten zu Recht erstattet. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht.

24

Die zur Deckung eines qualitativ unveränderten Bedarfs von der Beklagten im vorgenannten Zeitraum gewährte Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII ist - nach Maßgabe der dargelegten Rechtsgrundsätze - eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X.

25

Der sich auch auf diese Kosten beziehende Anspruch der Beklagten auf Erstattung gemäß § 89d SGB VIII wurde innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist beim Kläger eingereicht. Denn diese begann - in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes - erst mit Ablauf des 13. Juni 2011 zu laufen.

26

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Teilbetrages, den er als überörtlicher Träger der Jugendhilfe an die beklagte Stadt im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlt hat.

2

Mit einem am 25. August 2011 eingegangenen Schreiben vom 23. August 2011 machte die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII gegenüber dem vom Bundesverwaltungsamt mit Schreiben vom 18. März 2010 zum erstattungspflichtigen Kostenträger bestimmten Kläger geltend. Der Anspruch betraf die Aufwendungen für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer. Die Beklagte hatte diesen nach ihren eigenen Angaben am 14. Januar 2010 in Obhut genommen und ihm im Anschluss an die am 2. März 2010 beendete Inobhutnahme ab dem 3. März 2010 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gewährt.

3

Der Kläger erkannte seine Kostenerstattungspflicht zunächst nur für die Zeit vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011, dem Ende der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung, an. Später gab er auch für den verbleibenden Zeitraum eine Kostenerstattungszusage ab und leistete den insoweit angeforderten Betrag. In der Folgezeit begehrte er die Rückerstattung des für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 45 038,42 €. Zur Begründung stützte er sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 -. Diese sei nicht - wie von ihm ursprünglich angenommen - dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit dem Ende der Gesamtleistung zu laufen beginne. Bei der Berechnung der Ausschlussfrist sei vielmehr auf die einzelnen Teilleistungszeiträume abzustellen. Somit könne eine Erstattung erst ab dem 25. August 2010 erfolgen. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung des geforderten Betrages.

4

Das Verwaltungsgericht hat der am 6. November 2014 erhobenen Klage auf Rückerstattung stattgegeben. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nach § 112 SGB X lägen vor. Der für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 nach § 89d SGB VIII gegebene Kostenerstattungsanspruch sei mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen. Nach dieser Vorschrift sei für den Ablauf des Leistungszeitraums bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet worden sei. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auch Jugendhilfeleistungen, die nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkt seien, abschnittsweise gewährt würden und für die Konkretisierung des Leistungs(teil)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - stehe dem nicht entgegen. Ihr ließen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig habe aufgegeben werden sollen. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X, Erstattungsansprüche zeitnah geltend zu machen, nicht vereinbar. Außerdem sei die der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze sei das Erstattungsbegehren für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Denn für diesen habe die Zwölf-Monats-Frist bereits am 24. August 2011 geendet.

5

Mit der Sprungrevision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 111 Satz 1 SGB X.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Sprungrevision der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es müsse zeitabschnittsweise geprüft werden, ob der Kostenerstattungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) - SBG X - geltend gemacht worden sei, so dass für den Fristbeginn der letzte Tag des jeweiligen Abrechnungszeitraums maßgebend sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X auf den letzten Tag, an dem die Leistung erbracht wurde, abzustellen ist, besteht lediglich ein Anspruch auf Rückerstattung der vom Kläger für die Inobhutnahme erstatteten Kosten in Höhe von 13 884,50 €.

8

Grundlage für den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch des Klägers ist § 112 SBG X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) - SGB VIII - erfüllt waren und der Beklagten damit gegen den Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zugestanden haben konnte, die sie für den unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer anlässlich seiner Inobhutnahme und der ihm gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung aufgewandt hatte. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Ebenso ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII grundsätzlich der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X unterliegt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 13 f. m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob der Anspruch nach dieser Bestimmung im konkreten Fall ausgeschlossen war, ist - entgegen der Ansicht des Klägers - nur in Bezug auf die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten zu bejahen (1.). Soweit der Kläger der Beklagten die Kosten für die vom 3. März bis zum 24. August 2010 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung erstattet hat, hat die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 23. August 2011 fristwahrend geltend gemacht (2.). Das ergibt den zuerkannten Rückerstattungsbetrag, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig und der in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist (vgl. insoweit stRspr im jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrecht, z.B. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 44 m.w.N.).

9

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückerstattung hat, soweit es um die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten geht. Denn deren Erstattung ist zu Unrecht erfolgt. Der Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war, soweit er sich auf die Inobhutnahme bezieht, gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Ob diese Frist gewahrt wird, ist für jede Leistung im Sinne der Vorschrift gesondert zu prüfen. Bezüglich der Geltendmachung des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt auch die Inobhutnahme ihrer Art nach eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X dar (a). Die fristgerechte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung zu beurteilen (b). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X als fehlerhaft (c).

10

a) Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X ist auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch insoweit anwendbar, als dieser - wie hier - die Kosten der Inobhutnahme zum Gegenstand hat. Die Inobhutnahme nach 42 SGB VIII ist als (eigenständige) Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X anzusehen.

11

Der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X ist kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 18). Bei den im Kinder- und Jugendhilferecht angesiedelten Erstattungsverhältnissen erfasst die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Hilfen, deren Kosten von einem Jugendhilfeträger infolge der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht zu zahlen sind, mit denen dieser aber nach den Regelungen über die Kostenerstattung nach §§ 89 ff. SGB VIII nicht endgültig belastet werden soll. Denn nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 19). Mithin unterfallen dem Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Aufgaben, für die im Zweiten Abschnitt des Siebten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch eine Zuständigkeitsbestimmung getroffen und eine Kostenerstattungsregelung (§§ 89 ff. SGB VIII) vorgesehen ist.

12

Gemessen daran ist die Inobhutnahme eine Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB XII, weil insoweit in § 87 SGB die örtliche Zuständigkeit geregelt ist und sich in § 89b SGB VIII eine ausdrücklich und in § 89d SGB VIII eine der Sache nach an die Inobhutnahme anknüpfende Kostenerstattungsregelung findet. Ihr etwaiger Eingriffscharakter steht ihrer Bewertung als Leistung im Kontext des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrechts und damit ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Die Inobhutnahme enthält in Form der mit ihr notwendig verbundenen Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung auch Leistungs- bzw. Zuwendungselemente (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2015 - 5 C 21.14 - juris Rn. 13 und 15 m.w.N.). Die dadurch verursachten Kosten sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Jugendhilferechts zunächst von dem nach § 87 SGB VIII örtlich zuständigen Jugendhilfeträger zu tragen, der aber gegebenenfalls durch den nach §§ 89b, 89d SGB VIII erstattungspflichtigen Leistungsträger von der Kostenbelastung freizustellen ist. Letzterer ist im Hinblick auf die Erstattung der durch eine Inobhutnahme anfallenden Kosten nicht weniger schutzwürdig als ein erstattungspflichtiger Leistungsträger bezüglich der Ansprüche, die auf die Kosten einer Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII gerichtet sind. Auch im Fall der Inobhutnahme ist dem berechtigten Interesse des erstattungspflichtigen Leistungsträgers Rechnung zu tragen, möglichst kurze Zeit nach der Gewährung der mit der Inobhutnahme verbundenen Leistungen zu erfahren, welche finanziellen Ansprüche auf ihn zukommen, so dass er gegebenenfalls für die zu erwartende Belastung entsprechende Mittel im Haushalt einstellen bzw. Rücklagen bilden kann.

13

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um eine selbständige Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB VIII und nicht etwa zusammen mit der nachfolgend gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung um einen Teil einer Gesamtleistung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X auch aus verschiedenen Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen, wenn und soweit die betreffenden Einzelleistungen unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu werten sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die gewährte Jugendhilfe im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen und dementsprechend innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu bewilligen ist (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 20 m.w.N.). Keine im Sinne des Jugendhilferechts einheitliche Leistung können - auch bei einem wie vorliegend an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII den sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe zugeordnete Inobhutnahme und die in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Leistungen bilden (vgl. so für die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bereits BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22 f.).

14

b) Bei der Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs ist von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen. Damit korrespondierend beginnt die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde. Der Senat hält an dieser im Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - (BVerwGE 137, 368 Rn. 22) vertretenen Auffassung fest (so auch: Kunkel/Pattar, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89f Rn. 30; Degener, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 111 SGB X Rn. 2b; Eschelbach/Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. April 2014, JAmt 2014, S. 199).

15

Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.

16

Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen.

17

Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine aus mehreren Einzelleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB X bestehende Gesamtleistung geht, sondern um eine Inobhutnahme. Da die Frage, wie der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X im Zusammenhang mit dem Beginn der Ausschlussfrist auszulegen ist, ebenfalls aus systematischen Gründen nur einheitlich beantwortet werden kann, ist auch bei dieser Fallgestaltung auf das Ende dieser Maßnahme abzustellen.

18

Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.

19

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat die Beklagte den Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, soweit er auf die Erstattung der im Zusammenhang mit der Inobhutnahme angefallenen Kosten gerichtet war, nicht fristgerecht geltend gemacht. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, endete die Inobhutnahme am 2. März 2010. Der diesbezügliche Erstattungsanspruch hätte also bis zum Ablauf des 2. März 2011 geltend gemacht werden müssen. Der entsprechende Antrag der Beklagten ging beim Kläger aber erst am 25. August 2011 ein.

20

c) Ein anderes Ergebnis ist hier auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X gerechtfertigt.

21

Nach dieser Vorschrift wird der Beginn der Ausschlussfrist auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben. Der Lauf der Frist beginnt danach frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Es kann hier dahinstehen, ob § 111 Satz 2 SGB X auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII jedenfalls entsprechend anwendbar ist (vgl. zur verneinten unmittelbaren Anwendung BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3). Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Analogieschluss ist eine Geltendmachung innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nicht feststellbar.

22

Im Fall der in Rede stehenden Gewährung von Jugendhilfe an einen im Ausland geborenen, unbegleitet eingereisten jungen Menschen wäre der Beginn der Ausschlussfrist bei einer entsprechenden Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der örtliche Träger von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erforderlich sind. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts datiert die von der Beklagten beim Bundesverwaltungsamt beantragte Bestimmung des zur Kostenerstattung verpflichteten Leistungsträgers im Sinne von § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vom 18. März 2010. Ausweislich des Stempelaufdrucks auf dem sich in den Verwaltungsvorgängen befindenden Schreiben des Bundesverwaltungsamtes ist dieses am 25. März 2010 bei der Beklagten eingegangen. Der Senat kann diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde legen, weil das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auch die Verwaltungsakten in Bezug genommen und damit die darin enthaltenen tatsächlichen Umstände im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO festgestellt hat. Mithin war die Zwölf-Monats-Frist bei Eingang des Antrags auf Kostenerstattung abgelaufen.

23

2. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Rückerstattung im Ergebnis zu Unrecht bejaht, soweit er die für die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung vom 3. März bis 24. August 2010 erstatteten Kosten zum Gegenstand hat. Diese Kosten wurden der Beklagten zu Recht erstattet. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht.

24

Die zur Deckung eines qualitativ unveränderten Bedarfs von der Beklagten im vorgenannten Zeitraum gewährte Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII ist - nach Maßgabe der dargelegten Rechtsgrundsätze - eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X.

25

Der sich auch auf diese Kosten beziehende Anspruch der Beklagten auf Erstattung gemäß § 89d SGB VIII wurde innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist beim Kläger eingereicht. Denn diese begann - in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes - erst mit Ablauf des 13. Juni 2011 zu laufen.

26

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Teilbetrages, den er als überörtlicher Träger der Jugendhilfe an die beklagte Stadt im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlt hat.

2

Mit einem am 25. August 2011 eingegangenen Schreiben vom 23. August 2011 machte die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII gegenüber dem vom Bundesverwaltungsamt mit Schreiben vom 18. März 2010 zum erstattungspflichtigen Kostenträger bestimmten Kläger geltend. Der Anspruch betraf die Aufwendungen für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer. Die Beklagte hatte diesen nach ihren eigenen Angaben am 14. Januar 2010 in Obhut genommen und ihm im Anschluss an die am 2. März 2010 beendete Inobhutnahme ab dem 3. März 2010 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gewährt.

3

Der Kläger erkannte seine Kostenerstattungspflicht zunächst nur für die Zeit vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011, dem Ende der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung, an. Später gab er auch für den verbleibenden Zeitraum eine Kostenerstattungszusage ab und leistete den insoweit angeforderten Betrag. In der Folgezeit begehrte er die Rückerstattung des für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 45 038,42 €. Zur Begründung stützte er sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 -. Diese sei nicht - wie von ihm ursprünglich angenommen - dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit dem Ende der Gesamtleistung zu laufen beginne. Bei der Berechnung der Ausschlussfrist sei vielmehr auf die einzelnen Teilleistungszeiträume abzustellen. Somit könne eine Erstattung erst ab dem 25. August 2010 erfolgen. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung des geforderten Betrages.

4

Das Verwaltungsgericht hat der am 6. November 2014 erhobenen Klage auf Rückerstattung stattgegeben. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nach § 112 SGB X lägen vor. Der für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 nach § 89d SGB VIII gegebene Kostenerstattungsanspruch sei mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen. Nach dieser Vorschrift sei für den Ablauf des Leistungszeitraums bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet worden sei. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auch Jugendhilfeleistungen, die nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkt seien, abschnittsweise gewährt würden und für die Konkretisierung des Leistungs(teil)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - stehe dem nicht entgegen. Ihr ließen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig habe aufgegeben werden sollen. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X, Erstattungsansprüche zeitnah geltend zu machen, nicht vereinbar. Außerdem sei die der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze sei das Erstattungsbegehren für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Denn für diesen habe die Zwölf-Monats-Frist bereits am 24. August 2011 geendet.

5

Mit der Sprungrevision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 111 Satz 1 SGB X.

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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Sprungrevision der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es müsse zeitabschnittsweise geprüft werden, ob der Kostenerstattungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) - SBG X - geltend gemacht worden sei, so dass für den Fristbeginn der letzte Tag des jeweiligen Abrechnungszeitraums maßgebend sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X auf den letzten Tag, an dem die Leistung erbracht wurde, abzustellen ist, besteht lediglich ein Anspruch auf Rückerstattung der vom Kläger für die Inobhutnahme erstatteten Kosten in Höhe von 13 884,50 €.

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Grundlage für den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch des Klägers ist § 112 SBG X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) - SGB VIII - erfüllt waren und der Beklagten damit gegen den Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zugestanden haben konnte, die sie für den unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer anlässlich seiner Inobhutnahme und der ihm gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung aufgewandt hatte. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Ebenso ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII grundsätzlich der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X unterliegt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 13 f. m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob der Anspruch nach dieser Bestimmung im konkreten Fall ausgeschlossen war, ist - entgegen der Ansicht des Klägers - nur in Bezug auf die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten zu bejahen (1.). Soweit der Kläger der Beklagten die Kosten für die vom 3. März bis zum 24. August 2010 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung erstattet hat, hat die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 23. August 2011 fristwahrend geltend gemacht (2.). Das ergibt den zuerkannten Rückerstattungsbetrag, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig und der in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist (vgl. insoweit stRspr im jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrecht, z.B. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 44 m.w.N.).

9

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückerstattung hat, soweit es um die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten geht. Denn deren Erstattung ist zu Unrecht erfolgt. Der Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war, soweit er sich auf die Inobhutnahme bezieht, gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Ob diese Frist gewahrt wird, ist für jede Leistung im Sinne der Vorschrift gesondert zu prüfen. Bezüglich der Geltendmachung des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt auch die Inobhutnahme ihrer Art nach eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X dar (a). Die fristgerechte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung zu beurteilen (b). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X als fehlerhaft (c).

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a) Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X ist auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch insoweit anwendbar, als dieser - wie hier - die Kosten der Inobhutnahme zum Gegenstand hat. Die Inobhutnahme nach 42 SGB VIII ist als (eigenständige) Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X anzusehen.

11

Der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X ist kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 18). Bei den im Kinder- und Jugendhilferecht angesiedelten Erstattungsverhältnissen erfasst die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Hilfen, deren Kosten von einem Jugendhilfeträger infolge der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht zu zahlen sind, mit denen dieser aber nach den Regelungen über die Kostenerstattung nach §§ 89 ff. SGB VIII nicht endgültig belastet werden soll. Denn nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 19). Mithin unterfallen dem Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Aufgaben, für die im Zweiten Abschnitt des Siebten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch eine Zuständigkeitsbestimmung getroffen und eine Kostenerstattungsregelung (§§ 89 ff. SGB VIII) vorgesehen ist.

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Gemessen daran ist die Inobhutnahme eine Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB XII, weil insoweit in § 87 SGB die örtliche Zuständigkeit geregelt ist und sich in § 89b SGB VIII eine ausdrücklich und in § 89d SGB VIII eine der Sache nach an die Inobhutnahme anknüpfende Kostenerstattungsregelung findet. Ihr etwaiger Eingriffscharakter steht ihrer Bewertung als Leistung im Kontext des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrechts und damit ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Die Inobhutnahme enthält in Form der mit ihr notwendig verbundenen Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung auch Leistungs- bzw. Zuwendungselemente (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2015 - 5 C 21.14 - juris Rn. 13 und 15 m.w.N.). Die dadurch verursachten Kosten sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Jugendhilferechts zunächst von dem nach § 87 SGB VIII örtlich zuständigen Jugendhilfeträger zu tragen, der aber gegebenenfalls durch den nach §§ 89b, 89d SGB VIII erstattungspflichtigen Leistungsträger von der Kostenbelastung freizustellen ist. Letzterer ist im Hinblick auf die Erstattung der durch eine Inobhutnahme anfallenden Kosten nicht weniger schutzwürdig als ein erstattungspflichtiger Leistungsträger bezüglich der Ansprüche, die auf die Kosten einer Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII gerichtet sind. Auch im Fall der Inobhutnahme ist dem berechtigten Interesse des erstattungspflichtigen Leistungsträgers Rechnung zu tragen, möglichst kurze Zeit nach der Gewährung der mit der Inobhutnahme verbundenen Leistungen zu erfahren, welche finanziellen Ansprüche auf ihn zukommen, so dass er gegebenenfalls für die zu erwartende Belastung entsprechende Mittel im Haushalt einstellen bzw. Rücklagen bilden kann.

13

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um eine selbständige Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB VIII und nicht etwa zusammen mit der nachfolgend gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung um einen Teil einer Gesamtleistung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X auch aus verschiedenen Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen, wenn und soweit die betreffenden Einzelleistungen unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu werten sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die gewährte Jugendhilfe im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen und dementsprechend innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu bewilligen ist (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 20 m.w.N.). Keine im Sinne des Jugendhilferechts einheitliche Leistung können - auch bei einem wie vorliegend an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII den sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe zugeordnete Inobhutnahme und die in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Leistungen bilden (vgl. so für die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bereits BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22 f.).

14

b) Bei der Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs ist von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen. Damit korrespondierend beginnt die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde. Der Senat hält an dieser im Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - (BVerwGE 137, 368 Rn. 22) vertretenen Auffassung fest (so auch: Kunkel/Pattar, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89f Rn. 30; Degener, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 111 SGB X Rn. 2b; Eschelbach/Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. April 2014, JAmt 2014, S. 199).

15

Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.

16

Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen.

17

Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine aus mehreren Einzelleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB X bestehende Gesamtleistung geht, sondern um eine Inobhutnahme. Da die Frage, wie der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X im Zusammenhang mit dem Beginn der Ausschlussfrist auszulegen ist, ebenfalls aus systematischen Gründen nur einheitlich beantwortet werden kann, ist auch bei dieser Fallgestaltung auf das Ende dieser Maßnahme abzustellen.

18

Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.

19

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat die Beklagte den Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, soweit er auf die Erstattung der im Zusammenhang mit der Inobhutnahme angefallenen Kosten gerichtet war, nicht fristgerecht geltend gemacht. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, endete die Inobhutnahme am 2. März 2010. Der diesbezügliche Erstattungsanspruch hätte also bis zum Ablauf des 2. März 2011 geltend gemacht werden müssen. Der entsprechende Antrag der Beklagten ging beim Kläger aber erst am 25. August 2011 ein.

20

c) Ein anderes Ergebnis ist hier auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X gerechtfertigt.

21

Nach dieser Vorschrift wird der Beginn der Ausschlussfrist auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben. Der Lauf der Frist beginnt danach frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Es kann hier dahinstehen, ob § 111 Satz 2 SGB X auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII jedenfalls entsprechend anwendbar ist (vgl. zur verneinten unmittelbaren Anwendung BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3). Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Analogieschluss ist eine Geltendmachung innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nicht feststellbar.

22

Im Fall der in Rede stehenden Gewährung von Jugendhilfe an einen im Ausland geborenen, unbegleitet eingereisten jungen Menschen wäre der Beginn der Ausschlussfrist bei einer entsprechenden Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der örtliche Träger von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erforderlich sind. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts datiert die von der Beklagten beim Bundesverwaltungsamt beantragte Bestimmung des zur Kostenerstattung verpflichteten Leistungsträgers im Sinne von § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vom 18. März 2010. Ausweislich des Stempelaufdrucks auf dem sich in den Verwaltungsvorgängen befindenden Schreiben des Bundesverwaltungsamtes ist dieses am 25. März 2010 bei der Beklagten eingegangen. Der Senat kann diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde legen, weil das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auch die Verwaltungsakten in Bezug genommen und damit die darin enthaltenen tatsächlichen Umstände im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO festgestellt hat. Mithin war die Zwölf-Monats-Frist bei Eingang des Antrags auf Kostenerstattung abgelaufen.

23

2. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Rückerstattung im Ergebnis zu Unrecht bejaht, soweit er die für die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung vom 3. März bis 24. August 2010 erstatteten Kosten zum Gegenstand hat. Diese Kosten wurden der Beklagten zu Recht erstattet. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht.

24

Die zur Deckung eines qualitativ unveränderten Bedarfs von der Beklagten im vorgenannten Zeitraum gewährte Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII ist - nach Maßgabe der dargelegten Rechtsgrundsätze - eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X.

25

Der sich auch auf diese Kosten beziehende Anspruch der Beklagten auf Erstattung gemäß § 89d SGB VIII wurde innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist beim Kläger eingereicht. Denn diese begann - in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes - erst mit Ablauf des 13. Juni 2011 zu laufen.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, die vom Kläger für die Zeit vom 14. Januar bis 24. August 2010 geleistete Kostenerstattung i. H. v. Euro 45.038,42 zzgl. Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7. November 2014 zurückzuerstatten.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Euro 45.038,42, die er zu Unrecht im Rahmen einer jugendhilferechtlichen Kostenerstattung geleistet haben will.

1. Mit Schreiben vom 23. August 2011 - eingegangen am 25. August 2011 - wandte sich das Jugendamt der Beklagten an den Kläger als überörtlichen Träger der Jugendhilfe. Es wurde ein Kostenerstattungsanspruch bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise aus § 89d SGB VIII hinsichtlich... (geboren am 8.6.1993 in Algerien) geltend gemacht. Für den Genannten sei durch die Beklagte erstmals ab dem 14. Januar 2010 Jugendhilfe in Form einer In-Obhutnahme gewährt worden. Diese habe bis 2. März 2011 angedauert. Ab dem 3. März 2011 sei sodann auf Antrag des Amtsvormunds Hilfe zur Erziehung geleistet worden. Grundlage der örtlichen Zuständigkeit der Beklagten zum Zeitpunkt der erstmaligen Jugendhilfegewährung sei der tatsächliche Aufenthalt nach § 87 SGB VIII gewesen. Die nunmehrige örtliche Zuständigkeit des Klägers ergebe sich aus einer Bestimmungsverfügung des Bundesverwaltungsamts nach § 89d SGB VIII vom 18. März 2010, die - neben anderen Dokumenten - dem Schreiben beigefügt war.

Mit Schreiben vom 19. September 2011 erklärte sich daraufhin der Kläger grundsätzlich zur Kostenerstattung für Zeiträume ab dem 25. August 2010 bis längstens zum 21. Lebensjahr des jungen Menschen bereit. Eine Erstattung für die Zeit vom 14. Januar bis 24. August 2010 sei nicht möglich, da dieser Zeitraum außerhalb der Ausschlussfrist des § 111 SGB X liege.

Auf Anforderung der Beklagten vom 20. Dezember 2011 hin erstattete der Kläger dieser sodann für den Zeitraum vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011 (Ende der Jugendhilfemaßnahme) Gesamtaufwendungen i. H. v. Euro 25.928,82.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2013 nebst Kostenaufstellung machte die Beklagte darüber hinaus auch für den Zeitraum vom 14. Januar bis 24. August 2010 eine Kostenerstattung für Gesamtaufwendungen i. H. v. Euro 45.038,42 geltend. Entgegen der Auffassung des Klägers sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 19.8.2010 - Az. 5 C 14/09) die Ausschlussfrist des § 111 SGB X durch die Beklagte gewahrt worden. Die Zwölfmonatsfrist beginne erst mit Ende der jugendhilferechtlichen Gesamtmaßnahme. Es wurde daher um Anerkennung der Kostenerstattungspflicht auch für den Zeitraum vom 14. Januar bis 24. August 2010 gebeten.

Ausweislich eines internen Vermerks des Klägers vom 15. März 2013 schloss man sich dort nach Prüfung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Rechtsauffassung der Beklagten an.

Mit Schreiben vom 8. April 2013 teilte der Kläger der Beklagten daher mit, dass man aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr auch eine Kostenerstattungspflicht für den Zeitraum vom 14. Januar bis 24. August 2010 anerkenne. In der Folge wurde der seitens der Beklagten geltend gemachte Betrag i. H. v. Euro 45.038,42 durch den Kläger erstattet.

Mit Schreiben vom 12. März 2014 zog der Kläger seine Kostenerstattungszusage vom 8. April 2013 jedoch wieder zurück und forderte die Beklagte auf, den erstatteten Betrag zurückzuzahlen. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 19.8.2010 - Az. 5 C 14/09) zur Berechnung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X durch die Beteiligten unzutreffend derart ausgelegt worden sei, dass die Zwölfmonatsfrist erst mit Ende der jugendhilferechtlichen Gesamtmaßnahme anlaufe. Richtigerweise könne eine Erstattung im Lichte der neueren Rechtsprechung jedoch erst ab dem 25. August 2010 erfolgen, zwölf Monate rückwirkend ab Eingang des Erstattungsantrags der Beklagten am 25. August 2011.

Mit E-Mail vom 12. Mai 2014 teilte die Beklagte zunächst auf Nachfrage mit, dass die Angelegenheit derzeit geklärt werde. Es wurde um Geduld gebeten.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2014 bat der Kläger um Herbeiführung einer Entscheidung und Rückerstattung des gegenständlichen Betrags bis spätestens 31. August 2014. Ansonsten behalte man sich rechtliche Schritte vor.

2. Mit Schreiben vom 22. Juli 2014 lehnte die Beklagte schließlich das Rückzahlungsbegehren des Klägers ab. Man halte an der bereits im Jahr 2013 geäußerten Auslegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Berechnung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X fest. Ein Rückerstattungsanspruch des Klägers bestehe daher nicht.

Mit E-Mail vom 2. September 2014 teilte der Kläger mit, dass er an seinem Rückerstattungsbegehren festhalte. Zur Begründung wurde ergänzend auf einen beigefügten Fachaufsatz (Häußler, Aktuelle jugendhilferechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, DVBl 2013, 1001) verwiesen, der die klägerische Auslegung stütze. Sollte die Beklagte dem klägerischen Rückerstattungsbegehren nicht in angemessener Frist nachkommen, werde der Verwaltungsrechtsweg beschritten.

Eine Reaktion der Beklagten erfolgte nicht.

3. Mit seiner am 6. November 2014 erhobenen Klage beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 45.038,42 nebst Zinsen von 5 v. H. über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.

Der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung folge aus § 112 SGB X, da die an die Beklagte geleistete Kostenerstattung zu Unrecht erfolgt sei. Nach § 111 Satz 1 SGB X scheide eine Erstattung aus, soweit der Berechtigte den Anspruch nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tags, für den die Leistung erbracht wurde, geltend mache. Vorliegend könne daher eine Erstattung frühestens ab 25. August 2010 (zwölf Monate vor Zugang des Erstattungsantrags am 25.8.2011) erfolgen; für Zeiträume davor seien jegliche Erstattungsansprüche verfristet. Entgegen der Auffassung der Beklagten folge aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 19.8.2010 - Az. 5 C 14/09) nichts anderes. Ausweislich eines klarstellenden Fachaufsatzes eines Richters des fünften Senats des Bundesverwaltungsgerichts (Häußler, Aktuelle jugendhilferechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, DVBl 2013, 1001) sei es im Rahmen von § 111 SGB X ausreichend, dass ein Jugendhilfeträger binnen eines Jahres nach Anfang der Leistungsgewährung Kostenerstattung verlange. Dies entspreche auch der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (VG Augsburg, U. v. 3.4.2012 - Au 3 K 11.1669; VG Regensburg, U. v. 24.10.2013 - RO 7 K 13.218; VG Würzburg, U. v. 24.1.2013 - W 3 K 11.1060). Hingegen sei die seitens der Beklagten vertretene Auslegung, die eine Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs innerhalb von zwölf Monaten nach Beendigung der Hilfegewährung genügen lassen will, mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften nicht zu vereinbaren. Denn es sei nicht sachgerecht, bei ununterbrochener Leistungsgewährung während der gesamten Kinderzeit die verpflichteten Träger noch Jahre oder gar Jahrzehnte später mit Kostenerstattungsansprüchen zu konfrontieren.

4. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung des gegenständlichen Betrags. Die Voraussetzungen des § 112 SGB X seien nicht gegeben, da die Kostenerstattung durch den Kläger objektiv zu Recht erfolgt sei. Insbesondere habe die Beklagte richtigerweise die vorliegend allein streitige Ausschlussfrist aus § 111 Satz 1 SGB X gewahrt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 19.8.2010 - Az. 5 C 14/09) sei insoweit bei einem Anspruch auf Erstattung von Maßnahmen und Hilfen, die jugendhilferechtlich als eine (Gesamt-)Leistung zu werten seien, jede innerhalb der zwölfmonatigen Frist erfolgte Geltendmachung nach Beginn der (Gesamt-)Leistung ausreichend; die zwölfmonatige Frist laufe mit Beendigung der Hilfe an, eine zeitabschnittsweise Betrachtung erfolge nicht. Vorliegend habe die Jugendhilfemaßnahme am 13. Juni 2011 geendet; das Schreiben der Beklagten vom 23. August 2011 zur Geltendmachung der Kostenerstattung sei daher ohne weiteres fristgerecht gewesen. Die Rechtsauffassung der Beklagten werde von der Kommentarliteratur (Kunkel/Pattar, SGB VIII, § 89f Rn. 30; Eschelbach/Schindler in: Münder, FK-SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5) sowie von den kommunalen Spitzenverbänden in Baden-Württemberg geteilt. Das hiergegen seitens des Klägers angeführte Argument einer nicht sachgerechten zeitlich unbegrenzten Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen überzeuge nicht; denn nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. m. § 111 SGB XII analog verjähre der Kostenerstattungsanspruch innerhalb von vier Jahren, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem er entstanden ist.

5. Mit Schriftsätzen vom 22. Dezember 2014 bzw. 13. Januar 2015 haben die Beteiligten auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

6. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Gründe

Das Urteil kann aufgrund des Verzichts der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung ergehen.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 112 Abs. 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Erstattung von Euro 45.038,42.

Soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, sind gemäß § 112 SGB X die gezahlten Beträge zurückzuerstatten.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat an die Beklagte im Jahr 2013 zu Unrecht auch für den Zeitraum vom 14. Januar bis 24. August 2010 eine Kostenerstattung i. H. v. Euro 45.038,42 geleistet. Ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus § 89d des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII) bestand nicht.

Grund hierfür ist, dass der dem Grunde nach gegebene Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus § 89d SGB VIII mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen ist (vgl. allgemein zur Anwendung des § 111 Satz 1 SGB X auf § 89d SGB VIII: BVerwG, U. v. 19.8.2010 - Az. 5 C 14/09 - juris Rn. 12 f.).

a) Nach § 111 Satz 1 SGB X ist ein Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht.

Ein anderweitiger Beginn der Frist ergibt sich hier nicht aus § 111 Satz 2 SGB X. § 111 Satz 2 SGB X ist bei jugendhilferechtlichen Erstattungsansprüchen nicht anwendbar, ohne dass deshalb auch die Anwendbarkeit von § 111 Satz 1 SGB X entfallen würde (vgl. BayVGH, U. v. 21.5.2010 - 12 BV 09.1973 - juris Rn. 39).

Für den Ablauf des Leistungszeitraums ist bei wiederkehrenden Leistungen gemäß § 111 Satz 1 SGB X der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet wurde; die Ausschlussfrist beginnt deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. Bei laufend, z. B. monatlich, gewährten Leistungen ist nicht erforderlich, dass der Erstattungsanspruch laufend, z. B. monatlich, neu geltend gemacht wird. Es ist ausreichend, wenn das Erstattungsverlangen einheitlich auch für die Erstattung aller zukünftigen Leistungen gestellt wird, weil der Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann, bevor die Ausschlussfrist zu laufen begonnen hat. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkte Jugendhilfeleistungen abschnittsweise gewährt werden und für die Konkretisierung des Leistungs-(teil-)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen ist (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B. v. 7.1.2014 - 12 ZB 13.2512 - juris Rn. 3; VG Regensburg, U. v. 24.10.2013 - RO 7 K 13.218 - juris Rn. 16; Roller, in: von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 111 Rn. 6 m. w. N.).

Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze war zum Zeitpunkt des Eingangs des Erstattungsverlangens der Beklagten am 25. August 2011 die Zwölfmonatsfrist des § 111 Satz 1 SGB X bereits verstrichen. Denn hinsichtlich des streitgegenständlichen Leistungszeitraums vom 14. Januar bis 24. August 2010 endete die Frist aus § 111 Satz 1 SGB X zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, mithin bereits am 24. August 2011.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 (Az. 5 C 14/09 - BVerwGE 137, 368/374 ff.) nicht entnehmen, dass wegen des darin erfolgten Abstellens auf den Beginn der (Gesamt-)Leistung eine Abkehr vom Beginn der Ausschlussfrist nach Ablauf einzelner Teilzeiträume zu erfolgen hätte und diese stattdessen erst mit dem Ende der (Gesamt-)Leistung anlaufen würde. Diese Rechtsfrage ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt (BayVGH, B. v. 7.1.2014 - 12 ZB 13.2512 - juris).

Die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts trifft lediglich eine Aussage zum Begriff der Leistung i. S. v. § 111 Satz 1 SGB X und zu ihrem Beginn, nicht hingegen zu dem Zeitraum, für den die Leistung erbracht wird. Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lassen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass entgegen dem Wortlaut des § 111 Satz 1 SGB X, der mit der Formulierung „Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde“ eindeutig auf einen abgegrenzten Leistungszeitraum abstellt, die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig aufgegeben werden sollte. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X nicht vereinbar (siehe zum Ganzen: BayVGH, B. v. 7.1.2014 - 12 ZB 13.2512 - juris Rn. 4; VG Regensburg, U. v. 24.10.2013 - RO 7 K 13.218 - juris Rn. 17).

Die Regelung des § 111 Satz 1 SGB X will erreichen, dass Erstattungsansprüche zeitnah geltend gemacht werden müssen. Der Erstattungspflichtige soll bereits kurze Zeit nach der Leistungserbringung wissen, welche Ansprüche auf ihn zukommen und welche Rückstellungen er gegebenenfalls bilden muss (vgl. hierzu Roller, in: von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 111 Rn. 2 m. w. N.). Dieser Intention des Normgebers wäre nicht mehr Rechnung getragen, wenn sich beispielsweise bei einer Gesamtleistung von Hilfe zur Erziehung und anschließender Hilfe für junge Volljährige im Extremfall ein Leistungszeitraum von 27 Jahren ergeben könnte und die Ausschlussfrist von zwölf Monaten erst nach Ablauf dieses Zeitraums beginnen würde (siehe zum Ganzen: BayVGH, B. v. 7.1.2014 - 12 ZB 13.2512 - juris Rn. 5; VG Regensburg, U. v. 24.10.2013 - RO 7 K 13.218 - juris Rn. 17).

In dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Fall - im Gegensatz zum vorliegend zu entscheidenden - war die Anmeldung des Anspruchs bereits innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X erfolgt, es hatte sich lediglich die der Hilfegewährung zugrunde liegende Rechtsgrundlage verändert (vgl. hierzu näher BVerwG, U. v. 19. August 2010 - 5 C 14/09 - BVerwGE 137, 368/369). Demgegenüber sind vorliegend bereits Teilzeiträume verstrichen, ohne dass insoweit eine Anmeldung erfolgt wäre. Die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation ist demzufolge mit der hier gegebenen nicht zu vergleichen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B. v. 7.1.2014 - 12 ZB 13.2512 - juris Rn. 6; VG Regensburg, U. v. 24.10.2013 - RO 7 K 13.218 - juris Rn. 16).

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 (Az. 5 C 14/09 - BVerwGE 137, 368/374 ff.) betrifft nach alledem ausschließlich solche Fallgestaltungen, in denen die Hilfegewährung im Rahmen eines einheitlichen Hilfeprozesses auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt wurde und die Anmeldung des Anspruchs bereits innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X erfolgt war. Nur in dieser - hier nicht gegebenen - Konstellation genügt eine (einzige) innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X erfolgte Geltendmachung des Anspruchs nach Beginn der (Gesamt-)Leistung (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B. v. 7.1.2014 - 12 ZB 13.2512 - juris Rn. 7/10).

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Die Beklagte hat die Rückerstattungsforderung des Klägers unter sinngemäßer Anwendung von § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit einem Zinssatz i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen. Während Verzugszinsen für öffentlich-rechtliche Ansprüche nur bei einer entsprechenden ausdrücklichen gesetzlichen Regelung gewährt werden (vgl. BVerwG, U. v. 24.11.1977 - III C 72.76 - juris Rn. 21; U. v. 13.7.1979 - IV C 66.76 - juris Rn. 12), können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB für öffentlich-rechtliche Geldforderungen grundsätzlich verlangt werden, es sei denn, das geschriebene Fachrecht weist eine diesen allgemeinen Grundsatz derogierende Regelung auf (BVerwG, U. v. 22.2.2001 - 5 C 34/00 - juris Rn. 6). Eine solche ist vorliegend nicht ersichtlich. Auch wenn mit § 44 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch (SGB I) kein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass rückständige Geldleistungen grundsätzlich zu verzinsen sind (BSG, U. v. 18.12.1979 - 2 RU 3/79 - juris Rn. 12), und § 27 Abs. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) für Erstattungsansprüche im Bereich der Sozialversicherung eine besondere Verzinsungsregelung getroffen hat, so schließt dies nicht aus, § 291 BGB auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen als allgemeinen Grundsatz anzusehen, der gilt, sofern er nicht ausdrücklich abbedungen worden ist (vgl. BGH, U. v. 1.10.1981 - III ZR 13/80 - juris Rn. 26; Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 291 Rn. 2). Dies gilt für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche jedenfalls insoweit, als zwischen den Parteien, zwischen denen die öffentlich-rechtliche Geldforderung geltend gemacht wird, - wie vorliegend - ein einem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis angenähertes öffentlich-rechtliches Gleichordnungsverhältnis besteht (vgl. BGH U. v. 13.7.1989 - III ZR 64/88 - BGHZ 108, 268 - juris Rn. 14; Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 286 Rn. 11). Denn in diesem Fall ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und dem unbestritten § 291 BGB unterliegenden zivilrechtlichen Erstattungsanspruch nach §§ 812 ff. BGB kein wesensmäßiger Unterschied erkennbar, der eine Anwendung der Regelung des § 291 BGB auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ausschlösse (vgl. BVerwG, U. v. 9.11.1976 - III C 56.75 - BVerwGE 51, 287 - juris Rn. 11 ff. - siehe zum Ganzen: VG München, U. v. 30.4.2013 - M 18 K 12.4144 - juris Rn. 42).

Die vom Kläger mit Eingang der Klageschrift am 6. November 2014 erhobene Klage wurde gemäß § 90 Abs. 1 VwGO an diesem Tag rechtshängig. Die Verzinsungspflicht gemäß § 291 Satz 1 BGB hat damit gemäß § 187 Abs. 1 BGB am 7. November 2014, 0.00 Uhr, begonnen (Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 291 Rn. 6). Die Zinshöhe richtet sich gemäß § 291 Satz 2 nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Höhere Zinsen gemäß § 288 Abs. 2 BGB waren nicht beantragt (§ 88 VwGO - vgl. zum Ganzen: VG München, U. v. 30.4.2013 - M 18 K 12.4144 - juris Rn. 43).

3. Nach alledem war der Klage vollumfänglich stattzugeben.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86d aufgewendet hat, sind von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86a und 86b begründet wird.

(2) Hat der örtliche Träger die Kosten deshalb aufgewendet, weil der zuständige örtliche Träger pflichtwidrig gehandelt hat, so hat dieser zusätzlich einen Betrag in Höhe eines Drittels der Kosten, mindestens jedoch 50 Euro, zu erstatten.

(3) Ist ein kostenerstattungspflichtiger örtlicher Träger nicht vorhanden, so sind die Kosten vom überörtlichen Träger zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört, der nach Absatz 1 tätig geworden ist.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen.

(2) In diesem Fall reduziert sich für das Land die Aufnahmequote

1.
bis zum 1. Dezember 2015 um zwei Drittel sowie
2.
bis zum 1. Januar 2016 um ein Drittel.

(3) Bis zum 31. Dezember 2016 kann die Ausschlussfrist nach § 42b Absatz 4 Nummer 4 um einen Monat verlängert werden, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens in Bezug auf einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nicht innerhalb dieser Frist erfolgen kann. In diesem Fall hat das Jugendamt nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen.

(4) Ab dem 1. August 2016 ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land verjährt in einem Jahr; im Übrigen gilt § 113 des Zehnten Buches entsprechend.

(5) Die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ist ausgeschlossen. Die Erstattung dieser Kosten richtet sich nach § 89d Absatz 1.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen.

(2) In diesem Fall reduziert sich für das Land die Aufnahmequote

1.
bis zum 1. Dezember 2015 um zwei Drittel sowie
2.
bis zum 1. Januar 2016 um ein Drittel.

(3) Bis zum 31. Dezember 2016 kann die Ausschlussfrist nach § 42b Absatz 4 Nummer 4 um einen Monat verlängert werden, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens in Bezug auf einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nicht innerhalb dieser Frist erfolgen kann. In diesem Fall hat das Jugendamt nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen.

(4) Ab dem 1. August 2016 ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land verjährt in einem Jahr; im Übrigen gilt § 113 des Zehnten Buches entsprechend.

(5) Die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ist ausgeschlossen. Die Erstattung dieser Kosten richtet sich nach § 89d Absatz 1.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.

2

Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.

3

Die Kindesmutter war im Zeitraum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im Zeitraum vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im E.kreis, hiernach im Landkreis Ludwigsburg und im Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.

4

Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der E.kreis der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des Hilfefalles von dem E.kreis, der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der E.kreis den Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem E.kreis als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem Zweck der Eingliederungshilfe diene.

5

Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie mit der Verletzung des so genannten "Interessenwahrungsgrundsatzes". Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des Hilfefalles und Erstattung der geleisteten Jugendhilfeaufwendungen lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.

6

Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten Jugendhilfeleistungen in Rechnung. Nachdem dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem Hilfefall in dem Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 51 417,01 € zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Hilfefall in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 17 455,68 € zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden Zeitraum nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem Zeitraum vom 10. Juni 2009 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten Kosten in Höhe von 17 455,68 € beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der Interessenwahrungsgrundsatz. Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des Beklagten scheitere nicht daran, dass der erstangegangene E.kreis seine Zuständigkeit nach § 14 SGB IX festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, da er es obliegenheitswidrig unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. Überwiegendes spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig. Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.

7

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a SGB VIII begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf § 14 SGB IX gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen E.kreis zurück. In dieser Zuständigkeit sei er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den Hilfefall abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der Interessenwahrungsgrundsatz nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des Hilfefalles zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung, der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die Verantwortung für einen Hilfefall aus der Hand zu geben, verletze § 89f SGB VIII. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können, die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der Beklagte dazu verpflichtet worden sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden, die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46 € zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.

8

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 ) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 € hinaus vermittelt.

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Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfülle (1.), einer Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 € zu erstatten, indes entgegenstehe, dass dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des Beklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 € beanspruchen (3.).

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1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.

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Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 15 und 19) erbracht hat und der Beklagte ohne die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.

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Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 €, steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) zuwider (a). Ihm widerstreitet hingegen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (b).

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a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 5 C 24.05 - BVerwGE 126, 201 = Buchholz 436.511 § 89f SGB VIII Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2 S. 1 und vom 12. August 2004 - BVerwG 5 C 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.

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Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gesetzte Grenzen überschritten und hierdurch die Interessen des Beklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.

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b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden Betrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz zuwidergehandelt hat.

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aa) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.

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Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus § 242 BGB abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der Beachtung von Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - BVerwG 1 C 21.92 - BVerwGE 94, 294 <298> = Buchholz 451.64 BBankG Nr. 3 S. 1 ; Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 - juris Rn. 7). Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus § 242 BGB folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - BVerwG 1 C 34.72 - Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9).

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Im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.O. S. 4, vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 5 C 7.05 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint.

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Der kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen kann.

21

Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz, steht dies einem Erstattungsanspruch entgegen.

22

bb) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt.

23

Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Diese Leistungen gehen den Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <329> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2 und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).

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Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.O. S. 330 bzw. S. 4 und vom 2. März 2006 a.a.O.). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, widerstreitet der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den Interessenwahrungsgrundsatz nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.

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Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers wahrzunehmen und sein Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.

26

cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den Beigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen (<1>). Dem Beklagten war eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit Blick auf die Offenkundigkeit der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen versagt (<2>).

27

(1) Der Beigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die diesem im Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch steht nicht § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) - SGB IX - vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) entgegen (). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt (). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt ().

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(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird nicht durch § 14 SGB IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.

29

Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich fest.

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Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den E.kreis herangetragene Begehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit Blick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen wären. Denn die Regelungen des § 14 SGB IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers regelnde Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267 und vom 28. November 2007 - B 11a AL 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (OVG Münster, Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - JAmt 2011, 539 ).

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(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen () und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht () (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - SozR 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.).

32

(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger (<<1>>) als auch der Beigeladene (<<2>>) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.

33

(<1>) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.

34

(<2>) Der Beigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.

35

Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zählt neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der Leistungsgesetze eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SGB XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen und hier noch nicht anwendbaren § 54 Abs. 3 SGB XII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl I S. 2495) die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird. Bereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9).

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Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche und geistige Behinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen. In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen Behinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.

37

Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderungen war das Kind wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege hätte erwarten lassen, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderungen, die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Auf der Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft war ihm nur bei einer seinen Lebensvollzug umfassend begleitenden Betreuung möglich. Die zur Bewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und sozialen Beziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.

38

(bb) § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet einen Leistungsvorrang des Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.

39

Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - BVerwG 5 C 2.98 - BVerwGE 107, 269 <271> = Buchholz 436.7 § 25 BVG Nr. 5 S. 1; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - BSGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a RJ 1/86 - SozR 1300 § 104 Nr. 12 S. 30). Das ist hier der Fall.

40

Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen Behinderungen des Kindes ergebenden Bedarfs gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen eingegangen ist, ist der Beigeladene im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2010 - 4 LB 22/09 - JAmt 2010, 385 <387>).

41

Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen wäre, steht mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).

42

Der Gleichartigkeit der Leistungen widerstreitet schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders als im Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 SGB VIII, hier i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) bzw. der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. § 39 SGB VIII trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe widerstreitet nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu.

43

(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die Betreibung eines entsprechenden Klageverfahrens nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - (BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des Beigeladenen als vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.

44

Die Obliegenheit, im Sinne des Interessenwahrungsgrundsatzes vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen, wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des Beklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des Beigeladenen zur Erstattung der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand der Steuerungsverantwortung des Klägers berührt hätte.

45

(2) Der Beklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den Interessenwahrungsgrundsatz zu berufen. Es ist nicht offenkundig, dass es dem Beklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den Beigeladenen mit Aussicht auf Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

46

Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit widerstreitet, dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 SGB VIII auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren Jugendhilfeträgers aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - BVerwG 5 C 25.05 - BVerwGE 128, 301 = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls nicht offenkundig.

47

3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I S. 2670) und vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554), in Höhe von 2 967,46 € in Anspruch.

48

Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch sind und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

49

Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden Hilfefall steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene Mädchen, nicht.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien.

(2) Leistungen der Jugendhilfe sind:

1.
Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14),
2.
Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21),
3.
Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§§ 22 bis 25),
4.
Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40),
5.
Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40),
6.
Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (den §§ 41 und 41a).

(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe sind

1.
die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42),
2.
die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise (§ 42a),
3.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Pflegeerlaubnis (§§ 43, 44),
4.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen und die damit verbundenen Aufgaben (§§ 45 bis 47, 48a),
5.
die Tätigkeitsuntersagung (§§ 48, 48a),
6.
die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50),
7.
die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind (§ 51),
8.
die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52),
9.
die Beratung und Unterstützung von Müttern bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie von Pflegern und Vormündern (§§ 52a, 53a),
10.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Anerkennung als Vormundschaftsverein (§ 54),
11.
Beistandschaft, Pflegschaft und Vormundschaft des Jugendamts (§§ 55 bis 57),
12.
Beurkundung (§ 59),
13.
die Aufnahme von vollstreckbaren Urkunden (§ 60).

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen (§ 42) ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält. Die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen richtet sich nach § 88a Absatz 2.

(1) Für die vorläufige Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen (§ 42a) ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält, soweit Landesrecht nichts anderes regelt.

(2) Die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen (§ 42) richtet sich nach der Zuweisungsentscheidung gemäß § 42b Absatz 3 Satz 1 der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen zuständigen Stelle. Ist die Verteilung nach § 42b Absatz 4 ausgeschlossen, so bleibt die nach Absatz 1 begründete Zuständigkeit bestehen. Ein anderer Träger kann aus Gründen des Kindeswohls oder aus sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht die örtliche Zuständigkeit von dem zuständigen Träger übernehmen.

(3) Für Leistungen an unbegleitete ausländische Kinder oder Jugendliche ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält. Geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach Absatz 2 begründete Zuständigkeit bestehen, soweit Landesrecht nichts anderes regelt.

(4) Die örtliche Zuständigkeit für die Vormundschaft oder Pflegschaft, die für unbegleitete ausländische Kinder oder Jugendliche durch Bestellung des Familiengerichts eintritt, richtet sich während

1.
der vorläufigen Inobhutnahme (§ 42a) nach Absatz 1,
2.
der Inobhutnahme (§ 42) nach Absatz 2 und
3.
der Leistungsgewährung nach Absatz 3.

Für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen (§ 42) ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält. Die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen richtet sich nach § 88a Absatz 2.

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. An die Stelle der Eltern tritt die Mutter, wenn und solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist. Lebt nur ein Elternteil, so ist dessen gewöhnlicher Aufenthalt maßgebend.

(2) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des Satzes 1 den Eltern gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte. Hatte das Kind oder der Jugendliche im Fall des Satzes 2 während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung.

(3) Haben die Elternteile verschiedene gewöhnliche Aufenthalte und steht die Personensorge keinem Elternteil zu, so gilt Absatz 2 Satz 2 und 4 entsprechend.

(4) Haben die Eltern oder der nach den Absätzen 1 bis 3 maßgebliche Elternteil im Inland keinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar, oder sind sie verstorben, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen vor Beginn der Leistung. Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält.

(5) Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so wird der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Solange in diesen Fällen die Personensorge beiden Elternteilen gemeinsam oder keinem Elternteil zusteht, bleibt die bisherige Zuständigkeit bestehen. Absatz 4 gilt entsprechend.

(6) Lebt ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson und ist sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten, so ist oder wird abweichend von den Absätzen 1 bis 5 der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Er hat die Eltern und, falls den Eltern die Personensorge nicht oder nur teilweise zusteht, den Personensorgeberechtigten über den Wechsel der Zuständigkeit zu unterrichten. Endet der Aufenthalt bei der Pflegeperson, so endet die Zuständigkeit nach Satz 1.

(7) Für Leistungen an Kinder oder Jugendliche, die um Asyl nachsuchen oder einen Asylantrag gestellt haben, ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich die Person vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält; geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus, so bleibt die nach § 87 begründete Zuständigkeit bestehen. Unterliegt die Person einem Verteilungsverfahren, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde; bis zur Zuweisungsentscheidung gilt Satz 1 entsprechend. Die nach Satz 1 oder 2 begründete örtliche Zuständigkeit bleibt auch nach Abschluss des Asylverfahrens so lange bestehen, bis die für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebliche Person einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich eines anderen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründet. Eine Unterbrechung der Leistung von bis zu drei Monaten bleibt außer Betracht.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Verwaltungskosten sind nicht zu erstatten. Auslagen sind auf Anforderung zu erstatten, wenn sie im Einzelfall 200 Euro übersteigen. Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den in Satz 2 genannten Betrag entsprechend der jährlichen Steigerung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches anheben und dabei auf zehn Euro nach unten oder oben runden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.

2

Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.

3

Die Kindesmutter war im Zeitraum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im Zeitraum vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im E.kreis, hiernach im Landkreis Ludwigsburg und im Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.

4

Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der E.kreis der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des Hilfefalles von dem E.kreis, der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der E.kreis den Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem E.kreis als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem Zweck der Eingliederungshilfe diene.

5

Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie mit der Verletzung des so genannten "Interessenwahrungsgrundsatzes". Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des Hilfefalles und Erstattung der geleisteten Jugendhilfeaufwendungen lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.

6

Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten Jugendhilfeleistungen in Rechnung. Nachdem dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem Hilfefall in dem Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 51 417,01 € zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Hilfefall in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 17 455,68 € zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden Zeitraum nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem Zeitraum vom 10. Juni 2009 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten Kosten in Höhe von 17 455,68 € beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der Interessenwahrungsgrundsatz. Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des Beklagten scheitere nicht daran, dass der erstangegangene E.kreis seine Zuständigkeit nach § 14 SGB IX festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, da er es obliegenheitswidrig unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. Überwiegendes spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig. Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.

7

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a SGB VIII begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf § 14 SGB IX gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen E.kreis zurück. In dieser Zuständigkeit sei er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den Hilfefall abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der Interessenwahrungsgrundsatz nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des Hilfefalles zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung, der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die Verantwortung für einen Hilfefall aus der Hand zu geben, verletze § 89f SGB VIII. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können, die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der Beklagte dazu verpflichtet worden sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden, die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46 € zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.

8

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 ) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 € hinaus vermittelt.

10

Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfülle (1.), einer Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 € zu erstatten, indes entgegenstehe, dass dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des Beklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 € beanspruchen (3.).

11

1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.

12

Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 15 und 19) erbracht hat und der Beklagte ohne die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.

13

Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 €, steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) zuwider (a). Ihm widerstreitet hingegen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (b).

14

a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 5 C 24.05 - BVerwGE 126, 201 = Buchholz 436.511 § 89f SGB VIII Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2 S. 1 und vom 12. August 2004 - BVerwG 5 C 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.

15

Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gesetzte Grenzen überschritten und hierdurch die Interessen des Beklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.

16

b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden Betrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz zuwidergehandelt hat.

17

aa) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.

18

Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus § 242 BGB abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der Beachtung von Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - BVerwG 1 C 21.92 - BVerwGE 94, 294 <298> = Buchholz 451.64 BBankG Nr. 3 S. 1 ; Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 - juris Rn. 7). Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus § 242 BGB folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - BVerwG 1 C 34.72 - Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9).

19

Im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.O. S. 4, vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 5 C 7.05 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint.

20

Der kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen kann.

21

Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz, steht dies einem Erstattungsanspruch entgegen.

22

bb) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt.

23

Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Diese Leistungen gehen den Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <329> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2 und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).

24

Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.O. S. 330 bzw. S. 4 und vom 2. März 2006 a.a.O.). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, widerstreitet der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den Interessenwahrungsgrundsatz nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.

25

Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers wahrzunehmen und sein Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.

26

cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den Beigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen (<1>). Dem Beklagten war eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit Blick auf die Offenkundigkeit der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen versagt (<2>).

27

(1) Der Beigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die diesem im Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch steht nicht § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) - SGB IX - vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) entgegen (). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt (). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt ().

28

(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird nicht durch § 14 SGB IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.

29

Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich fest.

30

Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den E.kreis herangetragene Begehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit Blick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen wären. Denn die Regelungen des § 14 SGB IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers regelnde Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267 und vom 28. November 2007 - B 11a AL 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (OVG Münster, Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - JAmt 2011, 539 ).

31

(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen () und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht () (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - SozR 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.).

32

(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger (<<1>>) als auch der Beigeladene (<<2>>) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.

33

(<1>) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.

34

(<2>) Der Beigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.

35

Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zählt neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der Leistungsgesetze eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SGB XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen und hier noch nicht anwendbaren § 54 Abs. 3 SGB XII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl I S. 2495) die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird. Bereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9).

36

Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche und geistige Behinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen. In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen Behinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.

37

Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderungen war das Kind wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege hätte erwarten lassen, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderungen, die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Auf der Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft war ihm nur bei einer seinen Lebensvollzug umfassend begleitenden Betreuung möglich. Die zur Bewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und sozialen Beziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.

38

(bb) § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet einen Leistungsvorrang des Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.

39

Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - BVerwG 5 C 2.98 - BVerwGE 107, 269 <271> = Buchholz 436.7 § 25 BVG Nr. 5 S. 1; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - BSGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a RJ 1/86 - SozR 1300 § 104 Nr. 12 S. 30). Das ist hier der Fall.

40

Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen Behinderungen des Kindes ergebenden Bedarfs gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen eingegangen ist, ist der Beigeladene im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2010 - 4 LB 22/09 - JAmt 2010, 385 <387>).

41

Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen wäre, steht mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).

42

Der Gleichartigkeit der Leistungen widerstreitet schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders als im Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 SGB VIII, hier i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) bzw. der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. § 39 SGB VIII trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe widerstreitet nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu.

43

(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die Betreibung eines entsprechenden Klageverfahrens nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - (BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des Beigeladenen als vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.

44

Die Obliegenheit, im Sinne des Interessenwahrungsgrundsatzes vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen, wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des Beklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des Beigeladenen zur Erstattung der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand der Steuerungsverantwortung des Klägers berührt hätte.

45

(2) Der Beklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den Interessenwahrungsgrundsatz zu berufen. Es ist nicht offenkundig, dass es dem Beklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den Beigeladenen mit Aussicht auf Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

46

Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit widerstreitet, dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 SGB VIII auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren Jugendhilfeträgers aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - BVerwG 5 C 25.05 - BVerwGE 128, 301 = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls nicht offenkundig.

47

3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I S. 2670) und vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554), in Höhe von 2 967,46 € in Anspruch.

48

Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch sind und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

49

Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden Hilfefall steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene Mädchen, nicht.

Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.

(1) Im Sinne dieses Buches ist

1.
Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen,
2.
Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist,
3.
junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist,
4.
junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist,
5.
Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht,
6.
Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.

(2) Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Buches sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(3) Kind im Sinne des § 1 Absatz 2 ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.

(4) Werktage im Sinne der §§ 42a bis 42c sind die Wochentage Montag bis Freitag; ausgenommen sind gesetzliche Feiertage.

(5) Die Bestimmungen dieses Buches, die sich auf die Annahme als Kind beziehen, gelten nur für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.