Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 06. Nov. 2013 - 8 A 9/12

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2013:1106.8A9.12.0A
06.11.2013

Tatbestand

1

Der Kläger ist Oberbürgermeister der beklagten Stadt A-Stadt und wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung in Form der Kürzung der Dienstbezüge um ein Fünftel für die Dauer von zwölf Monaten aus seiner Zeit als Beigeordneter (Besoldungsgruppe B 4 BBesO) der Stadt A-Stadt. Dieses Amt bekleidete er seit dem 01.05.2008 bis zu seinem Amtsantritt als Oberbürgermeister am 01.12.2012.

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Mit der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 13.01.2012 werden dem Kläger 14 Pflichtverletzungen vorgeworfen, welche im Kern darauf zielen, dass der Kläger gegen dienstliche Anordnungen der Oberbürgermeisterin verstoßen habe und damit seiner Pflicht zur Weisungsgebundenheit und zu rechtstreuem Verhalten nicht nachgekommen sei. Insbesondere handele es sich dabei um Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Frau ... und der Nichtbeschäftigung von Frau R… als „persönliche Referentin“ des Klägers. Im Einzelnen heißt es dazu in der Disziplinarverfügung:

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(Punkt 1:) Er habe Frau E… als „persönliche Referentin“ vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages am 10.08.2009 tatsächlich beschäftigt, obwohl der Arbeitsvertrag erst am 12.08.2009 unterzeichnet worden sei. Die damalige „persönliche Referentin“ des Klägers als Beigeordneter, Frau ., habe im Juli 2009 den Mutterschutz angetreten und sei bis 30.08.2010 in Elternzeit verblieben. Frau ... habe gegen die Beklagte arbeitsgerichtliche Verfahren zur Feststellung eingeleitet, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der im Vertrag vereinbarten Befristung zum Ende der Elternzeit von Frau . geendet habe. Zur Begründung habe sie dort unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ausgeführt, dass sie bereits am 10.08.2009 auf Weisung des Klägers ihre Tätigkeit aufgenommen habe. Zwar seien die arbeitsgerichtlichen Klagen der Frau ... abgewiesen worden. Dies könne den Kläger nicht entlasten, so dass er gegen seine Pflicht aus § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) zu rechtstreuem Verhalten verstoßen habe.

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In diesem Zusammenhang wird unter Punkt 6. der Disziplinarverfügung weiter ausgeführt:

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Der Kläger habe dadurch gegen § 34 Satz 2 und 3 BeamtStG und § 47 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG verstoßen, dass er im Zuge der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Frau... und der Stadt A-Stadt, diese in die mündliche Verhandlung beim Arbeitsgericht begleitet und deren Klage gegen die Stadt A-Stadt unterstützt habe. Ausweislich des Sitzungsprotokolls des Arbeitsgerichts vom 17.08.2010 sei er als von Frau ... sistierter Zeuge anwesend gewesen ohne eine Aussagegenehmigung zu haben. Die …Zeitung habe davon mit Foto berichtet. Insoweit sei der Kläger einerseits als Beigeordneter der Stadt A-Stadt nach außen aufgetreten, habe andererseits jedoch Frau ... offensichtlich seine persönliche Unterstützung für das gegen den Dienstherrn gerichtete Klagebegehren gezeigt. Damit sei das Verhalten im besonderen Maße geeignet gewesen, das Vertrauen in die Verwaltung zu beeinträchtigen.

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Punkt 9 der Verfügung beinhaltet:

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Der Kläger habe gegen § 36 Abs. 2 sowie 34 BeamtStG verstoßen, indem er sich mit einem Schreiben vom 22.08.2010 an den Stadtratsvorsitzenden gewandt und verlangt habe, dass Frau ... als seine „persönliche Referentin“ beschäftigt werde und er mit Frau . nicht mehr zusammenarbeiten wolle. Hintergrund sei gewesen, dass am 17.08.2010 das Arbeitsgericht A-Stadt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Weiterbeschäftigung von Frau ... abgelehnt habe. Mit diesem Verhalten habe der Kläger seine Loyalitätspflichten gegenüber der Oberbürgermeisterin verletzt. Zudem sei dies als eine „Flucht in die Öffentlichkeit“ zu bewerten. Der Kläger könne sich nicht auf das allgemeine Petitionsrecht berufen. Beschwerden diesbezüglich hätte er der Oberbürgermeisterin vortragen müssen. Er hätte remonstrieren können.

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Schließlich heißt es unter Punkt 11:

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Der Kläger habe gegen seine Pflicht zur Weisungsgebundenheit und gegen seine Pflicht, Aussagen vollständig zu tätigen (§§ 34 und 35 Satz 2 BeamtStG), verstoßen, indem er die schriftlichen Anfragen der Oberbürgermeisterin vom 11.11.2010 und 16.11.2010 inhaltlich nicht beantwortet habe. Hintergrund waren die Beweisanträge der Frau ... im arbeitsgerichtlichen Verfahren, wonach bereits vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Dazu sollte sich der Kläger gegenüber der Oberbürgermeisterin erklären. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erwiderte unter dem 12.11.2010, dass der Kläger hierzu keine dienstliche Äußerung abgeben werde. Die Aufforderung sei „skurril“ und im Übrigen sei die Zeit zur Beantwortung zu knapp.

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Bezüglich der Nichtbeschäftigung von Frau . führt die Disziplinarverfügung aus:

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(Punkt 2:) Der Kläger habe gegen die dienstliche Weisung der Oberbürgermeisterin vom 01.09.2010 verstoßen, Frau . als seine Referentin zu beschäftigen, ihr entsprechende Aufgaben zu übertragen, das ursprüngliche Arbeitszimmer wieder zuzuweisen sowie sie in die Arbeitsabläufe des Dezernates einzubinden. Auf dem Weisungsschreiben habe der Kläger handschriftlich vermerkt: „Den Weisungen komme ich nicht nach.“ Weiter habe er Frau . in der Zeit vom 01.09. bis 14.12.2010 keinerlei Arbeitsaufgaben übertragen. Damit habe der Beamte seine Fürsorgepflicht gegenüber Frau . verletzt und „Mobbing“ betrieben. Die Nichtbeschäftigung ergebe sich aus den Aufzeichnungen von Frau . in ihrem „Mobbing-Tagebuch“. Danach habe Frau . den Kläger wiederholt darum gebeten und ihn aufgefordert, sie mit Arbeitsaufträgen zu beschäftigen. Dies habe der Kläger abgelehnt. Insgesamt 17 Beispiele dieser Art seien im Tagebuch vermerkt. Zudem habe der Kläger es abgelehnt, Aufgaben als Dienstvorgesetzter ihr gegenüber wahrzunehmen, wie die Abzeichnung und Bearbeitung von Urlaubsanträgen. So habe der Kläger vermerkt: „Nicht zuständig, weiter an Dezernat I“.

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Das Verhalten des Klägers Frau . gegenüber stelle eine schwere Verletzung seiner Fürsorgepflicht dar und könne nicht damit begründet werden, dass der Kläger kein Vertrauen mehr ihr gegenüber habe.

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Die weiteren Pflichtenverstöße, die dem angespannten dienstlichen und persönlichen Verhältnis zwischen dem Kläger und der früheren Oberbürgermeisterin geschuldet gewesen waren, hat das Gericht mit Beschluss vom 28.10.2013 nach § 53 Satz 1 i. V. m. § 59 Abs. 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ausgeklammert.

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Zur Begründung der Disziplinarmaßnahme führt der Bescheid aus: Die beiden schwersten Pflichtverletzungen seien der Versuch des Klägers, Frau ... eine Stelle zu verschaffen sowie damit korrespondierend die Weigerung der Weiterbeschäftigung von Frau .. Die weiteren festgestellten Pflichtenverstöße seien der Sache nach überwiegend Begleitumstände dieser Pflichtverletzungen und daher weniger schwer zu gewichten als der Kernvorwurf. Hätte die Klage von Frau ... Erfolg gehabt, müsste die Stadt A-Stadt monatlich Bruttobeträge in Höhe von 3.000,00 Euro zahlen. Eine freie Stelle sei im Stellenplan nicht ausgewiesen gewesen. Damit seien zudem grundlegende haushaltsrechtliche Vorschriften nicht beachtet worden. All dies sei dem Kläger als Kommentator der Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt (GO LSA) bekannt gewesen.

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Milderungsgründe seien nicht erkennbar. Bei den Pflichtenverstößen habe es sich insbesondere nicht um eine persönlichkeitsfremde, einmalige Augenblickstat gehandelt. Der Kläger habe vielmehr hartnäckig, beharrlich und planvoll gehandelt. Einsicht oder Reue habe er nicht gezeigt. Kompromissbereitschaft sei nicht erkennbar gewesen. Gesprächsangebote habe der Kläger abgelehnt.

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Dieses vom Beamten gezeigte Verhalten beeinträchtige nachhaltig das Vertrauen des Dienstherrn in die ordnungsgemäße Amtsführung und Pflichterfüllung des leitenden Beamten. Der Dienstherr müsse sich darauf verlassen, dass der leitende Beamte auch seinen Fürsorgepflichten gegenüber ihm unterstellten Mitarbeitern nachkomme. Der Kläger habe als Beigeordneter Vorbildfunktion. Ein rechtstreues Verhalten müsse von ihm erwartet werden.

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Zugunsten des Beklagten werde berücksichtigt, dass er es als früherer Hochschullehrer nicht gewohnt gewesen sei, in einer hierarchisch gegliederten Behörde tätig zu sein und sich dementsprechend unterzuordnen und mit anderen zusammen zu arbeiten, wie es in der Verwaltung zwingend erforderlich sei.

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Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens hinsichtlich der Vorkommnisse um Frau ... sowie Frau . sei das Vertrauen in die Amtsführung des Beklagten erschüttert, so dass gemäß § 8 DG LSA die Kürzung der Dienstbezüge auszusprechen sei. Hiermit solle dem Beamten die Chance gegeben werden, sich zu bewähren und zukünftig seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.

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Den dagegen eingelegten Widerspruch des Beamten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2012 mit einzelnen Ausführungen zu den disziplinarrechtlichen Vorwürfen als unbegründet zurück.

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Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarverfügung und weist darauf hin, dass sich die Disziplinarverfügung und die disziplinarrechtlichen Vorwürfe, welche sämtlichst aus seiner Tätigkeit als Beigeordneter stammten, aufgrund seines Amtsantritts als Oberbürgermeister erledigt hätten. Die disziplinarrechtlichen Vorwürfe seien alle auf den schwierigen Umgang mit der damaligen Oberbürgermeisterin zurückzuführen gewesen.

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In der Sache selbst wird vorgetragen, dass die Disziplinarverfügung bereits formell rechtswidrig sei. Die damals amtierende Oberbürgermeisterin sei dem Kläger gegenüber voreingenommen gewesen. Dies ergebe sich aus zahlreichen Vorkommnissen. So habe sie behauptet, bei dem Kläger bestünden „psychische Blockaden“ und er solle „professionelle Hilfe“ in Anspruch nehmen. Insgesamt sei festzustellen, dass die Oberbürgermeisterin ein massives Mobbing gegenüber dem Kläger betrieben habe.

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Dementsprechend sei bereits im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren die Besorgnis der Befangenheit gegenüber der Oberbürgermeisterin und ihrem Vertreter, dem Beigeordneten G ... sowie dem Ermittlungsführer B ... erklärt worden. Über den Befangenheitsantrag gegenüber der Oberbürgermeisterin sei nie entschieden worden, so dass ihr ständiger Vertreter, der Beigeordnete G ..., nicht hätte tätig werden dürfen. Denn er sei nicht der damalige Dienstvorgesetzte des Klägers gewesen. Darüber hinaus sei Herr G ... selbst befangen gewesen. So habe Herr G ... das „Ergebnis der Ermittlungen“ in dem Disziplinarverfahren erst dreieinhalb Monate später dem Kläger übermittelt.

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Die dem Ermittlungsführer gegenüber vorgetragenen Befangenheitsgründe würden auch in der Person des Herrn G ... bestehen. Der Ermittlungsführer übernehme unreflektiert die persönlichen Auffassungen und Aufzeichnungen der Oberbürgermeisterin sowie solche aus dem angeblichen „Mobbing-Tagebuch“ der Frau .. Die Fristverlängerung zur Begründung des Widerspruchs sei eben sowenig wie eine begehrte Akteneinsicht gewährt worden.

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Im Übrigen sei die Klage auch materiell-rechtlich begründet. Aufgrund der besonderen Vertrauensstellung einer persönlichen Referentin habe der Kläger rechtmäßig die Zusammenarbeit mit Frau . verweigern dürfen. Denn das Vertrauensverhältnis habe nicht mehr bestanden. So sei sie etwa am 01.09.2010 gegen 16.00 Uhr in seinem Zimmer mit barschem Ton und provokant erschienen und habe mehrfach Gespräche des Klägers unterbrochen. Es entspräche jahrelanger Verwaltungspraxis der Stadt A-Stadt, dass ein Beigeordneter seinen persönlichen Referenten selbst bestimmen könne.

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Dem Kläger könne nicht verwehrt werden, während seines Urlaubs Gerichtsgebäude zu betreten, auf einer Bank neben Frau ... zu sitzen und abgelichtet zu werden. Ein Verstoß gegen Loyalitätspflichten oder eine Vertrauensbeeinträchtigung sei darin nicht ersichtlich.

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Er habe in sachlicher Form den Vorsitzenden des Stadtrates gebeten, sich einem Missstand in der Verwaltung anzunehmen. Der Kläger habe auch auf Schreiben der Oberbürgermeisterin zum Arbeitsverhältnis hinsichtlich Frau ... geantwortet und mitgeteilt, weshalb er mit Frau . nicht mehr zusammenarbeiten könne.

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Der Kläger beantragt,

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die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 13.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2012 aufzuheben

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und

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die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Die Beklagte hat sich am Verfahren nicht beteiligt und keinen Antrag gestellt.

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Das Gericht hat in verfahrensleitenden Verfügungen auf die Beteiligten- und Prozessfähigkeit der Beklagten hingewiesen. Auch die Bemühungen des Gerichtes um Einschaltung des Landesverwaltungsamtes als obere Kommunalaufsicht mit dem Hinweis, das Verfahren an sich zu ziehen, waren erfolglos.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen disziplinarrechtlichen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Auch die Akten der arbeitsgerichtlichen Verfahren 1 Ga 27/10 und 1 Ca 2077/10 des Arbeitsgerichts A-Stadt lagen vor. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitbefangene Disziplinarverfügung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Disziplinarverfügung erweist sich auch als zweckmäßig (§ 59 Abs. 3 VwGO).

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I.) Der Disziplinarverfügung steht die im gerichtlichen Verfahren erfolgte Wahl und Berufung des Klägers in das Amt des Oberbürgermeisters der Beklagten nicht entgegen. Unabhängig davon, dass der Kläger einen entsprechenden prozessualen Erledigungsantrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt hat, trifft die von ihm vertretene Auffassung, dass sich die Disziplinarverfügung durch den Ämterwechsel „erledigt“ habe oder sonst wie keine rechtliche Wirkung mehr entfalte, nicht zu. Auch eine Verfahrenseinstellung bewirkt der Ämterwechsel nicht.

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1.) Die Erledigung eines Verwaltungsaktes i. S. d. § 43 Abs. 2 VwVfG wird im Allgemeinen angenommen, wenn der in Rede stehende Bescheid aufgrund des Verlustes der Regelungswirkung gegenstandslos wird, sich sein Regelungsinhalt nicht mehr vollziehen lässt oder aber die Vollziehung keinen Sinn mehr macht (vgl. zum Überblick: Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 43 Rz. 204 ff.). Die Regelungswirkung eines Verwaltungsaktes kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Entscheidend ist auf den Sinn der Regelung abzustellen. Bei einer Änderung der Sachlage, wie sie hier mit der Änderung des Amtes des Beamten vorliegt, kommt es darauf an, ob der Verwaltungsakt den Anspruch erhebt, weiterhin seine Regelungswirkungen zu entfalten (vgl. Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 Rz. 249 m. w. N.). Diesen allgemeinen Grundsätzen entsprechend, wird von einer Erledigung des Verwaltungsaktes ausgegangen, wenn dessen Regelungen vollständig erreicht sind und eine Zweckerreichung angenommen werden kann. Im Umkehrschluss gilt dies auch dann, wenn der Zweck des Verwaltungsaktes endgültig und in vollem Umfang entfällt (vgl. zu dieser Fallgruppe: Gerhardt in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, August 2012, § 113 Rz. 87 ff. m. w. Nachw.; insgesamt: Sächsisches OVG, B. v. 20.02.2013, 2 A 808/10; juris).

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Insoweit sind jedoch auch die besonderen disziplinarrechtlichen Bestimmungen und Bedürfnisse zu beachten. Während in den Disziplinargesetzen des Bundes und der Länder Regelungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens oder auch einer Disziplinarklage etwa aufgrund des Verlustes der Beamteneigenschaft oder aus anderen, in den jeweiligen Disziplinarverfahren zu wertenden Ursachen getroffen werden (vgl. § 32 DG LSA), fehlen derartige Regelungen für den Fall des Ämterwechsels, wie im vorliegenden Fall (vgl. insgesamt: VG Münster, U. v. 27.02.2009, 20 K 1556/07.O; juris). Beamte sind hinsichtlich der Unterwerfung unter das Disziplinarrecht in höchstpersönlichen Rechten betroffen, so dass sich die Verfolgung erledigt, wenn etwa der Beamte stirbt oder aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet. Dagegen erledigt sich das Verfahren nicht, wenn der Beamte gegen eine Disziplinarverfügung in Form der Geldbuße oder Gehaltskürzung klagt und während des Verfahrens stirbt. Denn diese Maßnahmen können auch die Erben des Beamten treffen, so dass das Verfahren durch Sachentscheidung zu beenden ist (vgl.: Hummel/Köhler/Mayer, BDG 4. Aufl. 2009, § 59 Rz. 7). Damit ist allein der Beamtenstatus im aktiven Dienst oder im Ruhestand notwendige Voraussetzung für die Disziplinarverfolgung (Persönlicher Geltungsbereich; § 1 DG LA). Umgekehrt können disziplinarrechtlich relevante Handlungen, welche der Beamte vor seiner Ernennung etwa im Angestellten- oder Arbeitsverhältnis begangen hat, nicht disziplinarrechtlich verfolgt werden (Hummel/Köhler/Mayer, BDG 4. Aufl. 2009, § 2 Rz. 2).

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Als Beigeordneter der Stadt A-Stadt wie auch als deren Oberbürgermeister war und ist der Kläger „hauptamtlicher Beamter auf Zeit“ und unterliegt den beamten- und disziplinarrechtlichen Regelungen (§ 6 BeamtStG; § 7 Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalt – LBG; §§ 57 Abs. 1 Satz 2, 65 Abs. 1 GO LSA; § 1 Abs. 1 DG LSA; vgl. zur Disziplinargewalt über Ehrenbeamte/Beamte auf Zeit: VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 18/10; Beschluss v. 26.08.2012, 8 B 13/13; OVG Rheinl.-Pfalz, Beschluss v. 04.03.2013, 3 A 10105/13 alle juris).

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Aufgrund des dem Disziplinarrecht immanenten Gedankens der Pflichtenmahnung bzw. der Lösungsfunktion in den Fällen des endgültigen Vertrauensverlustes, berührt ein Ämterwechsel oder der Dienstherrenwechsel das diesbezügliche disziplinarrechtliche Bedürfnis zur Ahnung des dienstpflichtwidrigen Verhaltens (vgl. § 47 BeamtStG) grundsätzlich nicht. Ähnlich unterliegt auch der Ruhestandsbeamte noch der Disziplinargewalt des (früheren) Dienstherrn, wobei nur schwerwiegende Pflichtverletzungen mit der Kürzung oder Aberkennung des Ruhegehalts geahndet werden können (vgl. § 47 Abs. 2 BeamtStG; § 2, § 5 Abs. 2, §§ 11 und 12 DG LSA). § 2 Abs. 2 DG LSA bestimmt ausdrücklich, dass für Beamte, die früher in einem anderen Dienstverhältnis als Beamte, Richter, Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit gestanden haben, das Disziplinargesetz auch hinsichtlich solcher Dienstvergehen gilt, die sie in dem früheren Dienstverhältnis begangen haben (Sachlicher Geltungsbereich). Der Dienstherrenwechsel ist daher unerheblich. Das Disziplinarrecht gilt insoweit auch für „beurlaubte“ oder „Insichbeurlaubte“ Beamte, wie solche bei den Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Deutschen Bundespost (BVerwG, Urteil v. 07.06.2000, 1 D 4.99; juris; Hummel/Köhler/Mayer, BDG 4. Aufl. 2009, § 2 Rz. 8).

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Neben diesen bereits formellen Gründen der weiterhin zulässigen Ahndung der aus einem Verhalten in einem früheren Amt resultierenden Pflichtverletzungen, ist vorliegend die Disziplinarwürdigkeit weiterhin gegeben. Denn das beanstandete klägerische Verhalten ist auch in seinem jetzigen höheren Amt von Bedeutung und kann geeignet sein, Rückschlüsse auf die nach § 13 DG LSA bei der Wertung des Verstoßes zu beachtende Persönlichkeit des Klägers zuzulassen. Demnach ist das dem Kläger vorgehaltene Fehlverhalten in allen – von ihm bekleideten – Ämtern von disziplinarrechtlicher Bedeutung (vgl. dazu als Ausprägung des Grundsatzes „nullum crimen sine lege“ [„kein Verbrechen ohne Gesetz“]: (Hummel/Köhler/Mayer, BDG 4. Aufl. 2009, § 2 Rz. 4). Das Disziplinarrecht hat nicht etwa seine Funktion verloren, wie es der Kläger meint.

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2.) Soweit der Kläger aus der Tatsache, dass seitens der Beklagten keine Prozesshandlungen und auch keine Prozessvertretung vorgenommen wurden, Rückschlüsse auf ein irgendwie geartetes „Nichtinteresse“ an der disziplinarrechtlichen (Weiter-)Verfolgung zieht oder von der „Funktionslosigkeit“ der Disziplinarverfügung ausgeht, folgt ihm das Gericht nicht. Denn dieses tatsächliche Verhalten der Beklagten ist offensichtlich dem besonderen Umstand geschuldet, dass der Kläger mit dem Amtsantritt als Oberbürgermeister in dem anhängigen gerichtlichen Verfahren zugleich gesetzlicher Vertreter der beklagten Stadt A-Stadt und Dienstvorgesetzter aller Vertretungsberechtigten wurde.

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Wie das Gericht ausführlich in der Verfügung vom 16.07.2013 dargelegt hat, berührt der Ämterwechsel des Klägers nicht die Frage der Beklagteneigenschaft, sondern allenfalls die Frage nach dem nunmehrigen Dienstvorgesetzten des Klägers. Die Bestimmung des Dienstvorgesetzten ist entscheidend bei der Ausübung der Disziplinarbefugnis (§§ 17 ff.; 33 ff. DG LSA), nicht bei der Frage nach dem richtigen Beklagten und wer für diesen im gerichtlichen Verfahren handelt. So wäre zwar bei einem neuerlichen Disziplinarverfahren der Stadtrat der Stadt A-Stadt als Dienstvorgesetzter des Oberbürgermeisters zuständig. Vorliegend richtet sich die Anfechtungsklage des Klägers nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 8 AGVwGO LSA zu Recht gegen die Stadt A-Stadt. § 59 DG LSA verweist bei der „Klage des Beamten“ zwar nicht ausdrücklich auch auf die §§ 78, 79 VwGO, sondern nur auf die Fristen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 59 DG LSA sind die Klagearten und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen über die Verweisung in § 3 DG LSA anwendbar. Wer dagegen intern die Vertretung für die Stadt A-Stadt wahrzunehmen hat, ist eine Frage der Prozessfähigkeit nach § 62 Abs. 3 VwGO. Danach handeln für Behörden ihre gesetzlichen Vertreter. Dies ist bei der Stadt A-Stadt das Organ „Oberbürgermeister“ (§ 57 Abs. 2 GO LSA). Da sich somit der Kläger als Oberbürgermeister nicht selbst vertreten kann, obliegt die Prozessvertretung dem ständigen Vertreter des Oberbürgermeisters. Dies war zur Amtszeit der Oberbürgermeisterin und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Beigeordnete G ... als der vom Stadtrat gewählte Bürgermeister (vgl. VV Nr. 02/2011 der Stadt A-Stadt). Soweit Herr G ... unter dem 28.10.2013 mitteilt, dass er aufgrund der nachvollziehbaren Interessenkollision, die er als „Befangenheit“ bezeichnet, den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen werde, ändert dies nichts an der rechtlich möglichen Vertretung des Organs „Oberbürgermeister“.

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Die Verwaltungsgerichtsordnung, die über § 3 DG LSA als Verfahrensrecht Anwendung findet, sieht ein (aktives) Betreiben des Klageverfahrens durch den Beklagten oder gerichtliche Sanktionsmöglichkeiten anders als gegenüber dem Kläger (vgl. § 87 b VwGO) nicht vor. Eine Nichteinlassung im Verfahren durch den Beklagten kann daher vom Gericht nur zum Nachteil des Beklagten gewertet werden, soweit die sowieso vom Gericht vorzunehmende Amtsermittlung (§ 86 VwGO) an ihre Grenzen stößt, die Aufklärung in der Sphäre des Beklagten liegt und somit prozessrelevante Tatsachen als eingestanden zu werten wären (vgl. zusammenfassend nur: Kopp/Schenke; VwGO, 17. Auflage 2011, § 86 Rz. 11 m. w. Nachw.). Um diese Problematik der Mitwirkungspflicht der Beteiligten geht es aber vorliegend ersichtlich nicht. Der Klagegegenstand bestimmt sich eindeutig aus der angefochtenen Disziplinarverfügung und der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist aufgeklärt bzw. aufklärbar. Mit der Ladung wurden die Beteiligten durch das Gericht darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO). Auf die Entsendung eines über die Sach- und Rechtslage ausreichend informierten Vertreters hat das Gericht verzichtet (§ 95 Abs. 3 VwGO). Ein „Minimum an öffentlichem Interesse“, wie es der Kläger ausdrückt, mag zwar als Ausdruck der Nachhaltigkeit der Verfolgung wünschenswert sein, ist dagegen rechtlich für die Fortgeltung der Disziplinarverfügung nicht erforderlich.

44

Eine irgendwie geartete Verwirkung oder Verzicht des disziplinarrechtlichen Verfolgungsanspruchs ist grundsätzlich ausgeschlossen (BVerwG, Beschluss v. 06.07.1984, 1 DB 21.84; juris). Sich daraus ergebene Besonderheiten des Einzelfalls, mögen bei den Milderungs- und Entlastungsgründen zu prüfen sein.

45

II.) Die Disziplinarverfügung ist formell rechtmäßig. Sie leidet nicht unter (schweren) Verfahrensfehlern, welche zur Aufhebung führen würden.

46

Ein (schwerer) Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens liegt vor, wenn gegen eine Verfahrensvorschrift verstoßen worden ist, deren Verletzung schwerwiegend und für den Ausgang des Verfahrens (noch) von Bedeutung ist. Ein schwerwiegender Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Rechte eines Verfahrensbeteiligten wesentlich beeinträchtigt worden sind oder wenn der Verfahrensverstoß den Zweck einer Formvorschrift wesentlich vereitelt, wenn eine vom Gesetzgeber als zwingend ausgestaltete Verfahrensvorschrift, d. h. nicht nur eine reine Ordnungsvorschrift, nicht beachtet wurde. Das Gericht darf eine solche zwingende Vorschrift nicht dadurch "leerlaufen" lassen, dass es ihre Nichtbeachtung als für das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens unerheblich einstuft (vgl. zusammenfassend: VG Magdeburg, Urteil v. 13.12.2012, 8 A 7/11 mit Verweis auf: BVerwG, Beschluss v. 31.01.2012, 2 WD 4.11; Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; Urteil v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Beschluss v. 18.11.2008, 2 B 63.08; alle juris).

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Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (BVerwG, Urteil v. 24.06.2010, 2 C 15.09; zuletzt: Beschluss v. 17.07.2013, 2 B 27/12; alle juris).

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Die Oberbürgermeisterin war als Dienstvorgesetzte (§ 63 Abs. 5 GO LSA) des Klägers als Beigeordneter (§ 65 GO LSA) zuständig für die Einleitung des Disziplinarverfahrens (§ 17 Abs. 1 DG LSA) und als oberste Dienstbehörde (§ 63 Abs. 5 GO LSA) zugleich für den Erlass der Disziplinarverfügung mit der Maßnahme der Gehaltskürzung (§ 33 Abs. 3 DG LSA) sowie den Erlass des Widerspruchsbescheides (§ 42 Abs. 1 Satz 1 DG LSA). Die besonderen Bestimmungen zur Benachrichtigung der Kommunalaufsichtsbehörde bei Kommunalbeamten sind eingehalten worden (§§ 76 ff. DG LSA).

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Ebenso führen die vom Kläger im disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahren vorgetragenen Befangenheitsgründe nicht zu wesentlichen und damit durchschlagenden Verfahrensfehlern. Mag der verfahrensrechtliche Umgang mit diesen Anträgen fehlerhaft gewesen sein (1.), so lagen die rechtliche Voraussetzungen für deren Begründetheit nicht vor (2.). Ein Einfluss auf die Entscheidung ist auszuschließen.

50

1.) Da sich die Oberbürgermeisterin auf den vom Kläger gegen sie gerichteten Befangenheitsantrag der Mitwirkung nach § 21 Abs. 1 Satz 2, letzte Alternative VwVfG i. V. m. § 1 VwVfG LSA (nachfolgend: VwVfG) enthalten hat, bedurfte es einer Entscheidung über ihre „Besorgnis der Befangenheit“ nicht mehr. Demnach oblag die weitere Bearbeitung und der Erlass der Disziplinarverfügung ihrem Stellvertreter, Herrn Beigeordneten G ..., den der Kläger sodann ebenso für befangen erklärte. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hat, „wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten.“ Diese Anordnung ist trotz Unterrichtung durch Herrn G ... nicht ergangen. Dabei ist bereits zweifelhaft, ob Herr G ... nunmehr als „Sachbearbeiter“ i. S. v. § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG oder als Organ „Oberbürgermeister“ und damit „Leiter der Behörde“ im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVfG handelte. Für letzteres spricht, dass die Disziplinarbefugnis über den Beigeordneten bei der Oberbürgermeisterin lag. Jedenfalls hat die Aufsichtsbehörde keine „Anordnung“ nach § 21 VwVfG erlassen, so dass sich Herr G... nicht der „Mitwirkung“ in dem Verfahren enthalten musste.

51

Herr G ... informierte unter dem 02.09.2011 das Landesverwaltungsamt und wies darauf hin, dass er nicht befangen sei und auch nicht beabsichtige, sich der Mitwirkung zu enthalten. Das Landesverwaltungsamt teilte mit, dass kein Anlass für eine Anordnung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVfG gesehen werde und im Übrigen die Oberbürgermeisterin als Leiterin der Behörde für die Feststellung der Besorgnis der Befangenheit zuständig sei. Soweit damit übersehen wurde, dass über die behauptete Voreingenommenheit der Oberbürgermeisterin aufgrund ihrer Enthaltung nicht entschieden wurde und es daher zunächst einer Entscheidung über ihre Mitwirkung durch die Aufsichtsbehörde (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVfG LSA) bedurft hätte, dürfte dies fehlerhaft sein. Zudem hat Herr G ... dann in dem streitbefangenen Disziplinarbescheid selbst seine Befangenheit geprüft und verneint, wozu er rechtlich nicht berufen war. Mag dies auch verfahrensfehlerhaft gewesen sein, hatte dies gleichwohl keinen Einfluss auf die Entscheidung. Denn weder lagen die vorgetragenen Befangenheitsgründe vor, noch belegt der – fehlerhafte – Umgang mit ihnen die Voreingenommenheit oder ein unfaires Verfahren gegenüber dem Kläger.

52

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in dem Urteil vom 21.02.2013 (OVG 81 D 2.10; juris) in einem ähnlichen Fall ausgeführt, dass selbst wenn von einem Misstrauen gegen die unparteiische Amtsführung gem. § 21 Abs. 1 VwVfG auszugehen sei, gleichwohl nicht von einem „schweren und offenkundigen Fehler“ ausgegangen werden könne, welcher gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG zur Nichtigkeit der Disziplinarverfügung führen würde. Schon die § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG zu entnehmende gesetzgeberische Wertung spreche dafür, dass dies nur ganz ausnahmsweise zur Nichtigkeit führe. Dies ist nur bei einer der Entscheidung innewohnenden offensichtlichen Parteilichkeit der Fall (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Komm., 7. Aufl. 2008, § 44 Rz. 179; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 13. Aufl 2012, § 44 Rz. 54). Das Oberverwaltungsgericht versucht anscheinend aus der gesetzgeberischen Wertung, dass in § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG nicht einmal die Mitwirkung kraft Gesetzes nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 - 6 VwVfG ausgeschlossener Personen die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge hat, zu schlussfolgern, das dann schon gar nicht „nur“ die Besorgnis der Befangenheit (§ 21 VwVfG) zur Nichtigkeit führen kann.

53

2.) Im Übrigen lagen die vorgetragenen Befangenheitsgründe nicht vor. Unter dem 29.08.2011 teilte der Kläger mit, dass Herr G ... als Beigeordneter aufgrund des gleichen Rangverhältnisses nicht unvoreingenommen in der Angelegenheit handeln könne. Des Weiteren sei Herr G ... befangen, weil dieser das „Ergebnis der Ermittlungen“ dreieinhalb Monate nach der Datierung dem Kläger übersandt habe. Die dem Ermittlungsführer gegenüber geltend gemachten Befangenheitsgründe würden auch gegenüber dem Beigeordneten G ... geltend gemacht. Insoweit wird in dem Schriftsatz vom 29.08.2011 ausgeführt, dass das „Mobbing-Tagebuch“ der Frau . nicht in Anführungsstriche gesetzt und somit völlig unreflektiert und unbegründet zugrunde gelegt werde. Zudem habe sich der Ermittlungsführer auf eine Stelle in der Stadtverwaltung der Beklagten beworben, wobei der Kläger gegen ihn votiert habe.

54

Nach der älteren herrschenden Rechtsprechung kann der mit den Ermittlungen beauftragte Beamte (Ermittlungsführer) bereits nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (vgl. BDiG, Beschluss v. 06.09.1983, VII BK 15/83; juris Kurztext). Auch soweit das Vorbringen des Klägers gegen den Ermittlungsführer und den die Disziplinarverfügung unterzeichnenden Beigeordneten G ... als Verstoß gegen ein „faires Disziplinarverfahren“ als Ausdruck des Rechtsstaatsgebotes gedeutet werden sollte, hilft dies nicht weiter.

55

§ 21 Abs. 1 DG LSA spricht davon, dass der Ermittlungsführer ein „geeigneter Bediensteter“ sein müsse. Der Ermittlungsführer B ... hatte die dienstliche Stellung eines Ressortleiters im Rechtsamt der Stadt A-Stadt im Amt eines Stadtverwaltungsoberrates und war damit statusrechtlich niedriger beschäftigt als der Kläger. Gleichwohl ist eine daraus resultierende generelle Ungeeignetheit des Ermittlungsführers nicht erkennbar. Soweit das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in dem Urteil vom 02.12.2010 (10 L 1/10; juris) aufgrund der statusrechtlichen Gleichrangigkeit des Ermittlungsführers mit der damaligen beschuldigten Beamtin die Ungeeignetheit bzw. dann auch wieder nur „Zweifel“ an der Geeignetheit konstruiert, folgt dem das Disziplinargericht in dieser Absolutheit nicht (ebenso: VG Meiningen, Urteil v. 26.03.2013, 6 D 60001/12 Me; juris). Zwar dürfte es üblicherweise zur Vermeidung des Anscheins eines persönlichen (Konkurrenz-)Interesses Voraussetzung für die Bestellung eines Ermittlungsführers sein, dass dieser ein höheres statusrechtliches Amt hat. Diese, aus Gründen der Chancengleichheit bei beamtenrechtlichen Beförderungen resultierende Sichtweise, ist vorliegend offensichtlich nicht geboten. Denn das Amt des Klägers als Beigeordneter wurde durch Wahl begründet, so dass eine statusrechtliche Konkurrenzsituation zwischen ihm und dem auf Lebenszeit ernannten Ermittlungsführer von vornherein ausscheidet.

56

Die Vorwürfe des Klägers gegen Herrn B ... wie gegen Herrn G ... resultieren vielmehr aus seiner (rechtlichen) Bewertung von deren Tätigkeit, belegen aber gleichsam nicht, unfaire Ermittlungen gegen den Kläger. Auch das Bundesverwaltungsgericht führt in dem Beschluss vom 18.11.2008 (2 B 63.08; juris) aus, dass auch und sogar Verstöße des Ermittlungsführers gegen Verfahrensvorschriften generell die Besorgnis bzw. das unfaire Verfahren nicht begründen können. Sind bereits keine Verfahrensfehler des Ermittlungsführers erkennbar, bleibt auch kein Platz für ein etwaiges unfaires Verfahren. Von einer „Schikane“ gegenüber dem Kläger kann bei objektiver Betrachtung nicht ausgegangen werden. Das Verfahren ist nicht etwa aus sachfremden Erwägungen eingeleitet oder betrieben worden. Von einem Mobbing gegenüber dem Kläger kann nicht gesprochen werden. Die Oberbürgermeisterin hat sich nach der Einleitung und dem Befangenheitsantrag des Klägers der Mitwirkung enthalten. Auch soweit man unterstellen mag, dass die zum Disziplinarverfahren geführten Vorkommnisse aufgrund der angespannten dienstlichen und persönlichen Verhältnisse gleichsam willkommenen Anlass für die Ermittlungen darstellten, vermag dies an der Tatsache des Vorliegens der Voraussetzungen nichts zu ändern. So ist nicht erkennbar, dass das Disziplinarverfahren etwa als Vorwand für eine Schädigung des Rufes des Klägers oder seiner Integrität gerade in Bezug auf die Wahl zum Oberbürgermeister inszeniert wurde (vgl. ausführlich zur Fairness im Disziplinarverfahren: VG Magdeburg, Urt. vom 13.12.2012, 8 A 7/11 MD, juris). Schließlich ist nicht nachvollziehbar, wieso die unreflektierte Verwertung der Tagebuchaufzeichnungen der Frau . Ausdruck der Voreingenommenheit sein soll.

57

Gleiches gilt für den Beigeordneten G ... und die Verweisung der Befangenheitsgründe auf ihn. Insgesamt leiden diese Ausführungen bereits darunter, dass sie als zu vage und damit unsubstantiiert zu bewerten sind. Ohne weitere Begründung mag sogar die Tatsache einer verspäteten Akteneinsicht oder der kurzen Fristbemessung nicht die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Das Gericht folgt nicht der Annahme des Klägers, dass aufgrund der nunmehr im Verwaltungsprozess hinsichtlich der Prozessvertretung der Beklagten von Herrn G ... erklärten „Befangenheit“ Rückschlüsse auf seine damalige, im Ermittlungsverfahren bestehende Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger zu ziehen seien. Denn das jetzige Verhalten ist ersichtlich den Besonderheiten des Verfahrens nach dem Amtsantritt des Klägers geschuldet (vgl. oben zu I.) und nicht mit den dienstlichen Verhältnissen zurzeit der disziplinarrechtlichen Vorwürfe vergleichbar. Wie ausführlich dargestellt, handelte Herr G ... als Bürgermeister und damit als zur Vertretung der Oberbürgermeisterin berufener Dienstvorgesetzter und nicht unter der Weisung der Oberbürgermeisterin. Die erst im Verwaltungsprozess aufgetretene Interessenkollision bestand seinerzeit nicht.

58

III.) Die Disziplinarverfügung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Überzeugung des Disziplinargerichts steht fest, dass der Kläger die ihm unter Nr. 1 und Nr. 2 in der Disziplinarverfügung zur Last gelegten Pflichtenverstöße und damit ein - innerdienstliches – Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) begangen hat. Dabei liegt der Schwerpunkt der Verfehlungen auf dem Vorwurf des Verstoßes gegen die allgemeine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG sowie die Weisungsgebundenheit nach § 35 Satz 2 BeamtStG innerhalb des Dienstes aufgrund seines Verhaltens gegenüber seiner früheren „persönlichen Referentin“ Frau. (1.). Dieses Verhalten steht in untrennbarem Zusammenhang mit seinem Wunsch und seinen Aktivitäten nach Weiterbeschäftigung von Frau ... (2.). Die weiter vom Gericht als gegeben angesehenen Pflichtenverstöße (Nr. 6, 9 und 11) bekräftigen das Vorgehen des Klägers bei der Begehung der Pflichtenverstöße. Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Gehaltskürzung (§ 8 DG LSA) ist verhältnismäßig, den Pflichtenverstößen angemessen und auch nach § 59 Abs. 3 DG LSA zweckmäßig (3.).

59

1.) Zur Überzeugung des Disziplinargerichtes steht fest und wird von dem Kläger auch nicht in Abrede gestellt, dass er Frau . nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit trotz Weisung der Oberbürgermeisterin nicht wieder beschäftigt hat. Dies belegt eindeutig der handschriftliche Vermerk des Klägers auf der ausdrücklichen Weisung der Oberbürgermeisterin auf ihrem Schreiben vom 01.09.2010:

60

„Ich verweise auf mein Schreiben vom 27.07.2009. Den Weisungen komme ich nicht nach.“

61

Zudem hatte er durch entsprechende Anweisungen in seinem Dezernat dafür gesorgt, dass Frau . ausgegrenzt wird und völlig unbeschäftigt bleibt. Er selbst teilte ihr keine Aufgaben zu und gliederte sie auch sonst nicht in den Arbeitsprozess ein. Er versuchte, Frau . vollständig aus dem Arbeitsprozess auszugrenzen, in dem er sich auch nicht mehr für Urlaubsanträge etc. zuständig erklärte und sie somit quasi als nicht existent ansah.

62

Neben der pflichtwidrigen Nichtbeachtung des Weisungsrechts der Oberbürgermeisterin (§ 65 Abs. 3 Satz 2 GO LSA) stellen derartige Verhaltensweisen einen Verstoß gegen die allgemeine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht dar. Dabei ist die Wohlverhaltenspflicht als Auffangtatbestand für alle Dienstpflichten anzusehen, die keine spezielle Regelung in den Beamtengesetzen gefunden haben. Letzten Endes gehen alle Dienstpflichten aus ihr hervor. Bei dem innerdienstlichen Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht ist entscheidend, ob ein Verhalten die Funktionsfähigkeit der Verwaltung unmittelbar, etwa in der Aufgabenerledigung oder der Wahrung der dienstlichen Interessen oder auch nur mittelbar, etwa durch einen Ansehensverlust, beeinträchtigt (vgl. nur: Hummel/Köhler/Mayer: BDG 4. Auflage 2009, S. 305). Dabei sind die denkbaren Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflicht im Einzelfall mannigfaltig (vgl.: VG Magdeburg, Urt. v. 08.05.2013, 8 A 24/12 MD, Urt. v. 23.01.2013, 8 A 21/12 MD, Urt. v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; Urt. v. 14.02.2012, 8 A 6/11 MD; Urt. v. 01.12.2011, 8 A 18/10 MD; Urt. v. 13.12.2012, 8 A 7/11 MD; alle juris).

63

Zur Überzeugung des Gerichts sind die Handlungen des Klägers unter dem Tatbestand des Mobbing zu fassen. Mobbing stellt generell einen Verstoß gegen die allgemeine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht dar, wodurch zugleich auch der Betriebsfrieden innerhalb der Verwaltung gestört wird.

64

Unter Mobbing wird ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Beschäftigten untereinander oder durch Vorgesetzte verstanden, das über gewöhnliche, von jedermann zu bewältigende berufliche Schwierigkeiten hinaus geht und eine mehr oder weniger schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes, der Ehre und/oder der Gesundheit des Betroffenen darstellen kann (vgl. zu diesem Mobbingbegriff im engeren Sinn nur: BVerwG, Urt. v. 11.06.2002, 2 WD 38.01; Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; BGH, Beschluss v. 01.08.2002, III ZR 277/01; alle juris).

65

Für die Nichtbeschäftigung von Frau . sind keinerlei Rechtfertigungsgründe (vgl. auch § 35 Satz 3 BeamtStG) ersichtlich. Allgemein spricht der Kläger nur davon, dass er kein Vertrauen in Frau . habe ohne dafür konkret vorliegende Tatsachen zu benennen. Soweit ein angeblich plötzliches und pöbelhaftes Hereintreten der Frau . in sein Dienstzimmer und Unterbrechung eines Gespräches als Grund benannt wird, vermag dies – auch bei Unterstellung der Richtigkeit – nicht die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses in diesem Sinne begründen. Denn dieser einmalige Vorfall trug sich anlässlich des Dienstantritts von Frau . am 01.09.2010 zu und kann daher nicht den angeblich bereits ein Jahr zuvor eingetretenen Vertrauensverlust begründen. Zudem stellt Frau . den Vorfall anders dar. Sie habe sich gegen 16.00 Uhr nur von dem Kläger in seinem Zimmer verabschieden wollen und habe das Gespräch freundlich unterbrochen.

66

Etwas anderes belegen auch nicht die Einlassungen des Klägers im Schriftsatz vom 05.11.2013 mit Bezug auf das Schreiben vom 27.07.2009. Nun wird davon gesprochen, dass Frau . dem Kläger gegenüber illoyal gewesen sei und persönliche und vertrauliche Angelegenheiten an die Oberbürgermeisterin herangetragen habe. Das Arbeitsverhältnis sei „völlig zerrüttet“ gewesen. Es mag sein, dass Frau . zuvor „persönliche Referentin“ der Oberbürgermeisterin gewesen war und sie sogar ein freundschaftliches Verhältnis zu ihr hatte oder hat. Derartige Beziehungen sind in einer öffentlichen Verwaltung wie auch in einem privaten Beschäftigungsverhältnis nicht ungewöhnlich und Ausdruck normaler persönlicher, menschlicher Kontakte und Umgangsformen. Problematisch werden derartige Beziehungen erst bei einem Hinzutreten weiterer Umstände, wie einem hierarchischen Über-Unterordnungsverhältnis oder einem sonstigen Abhängigkeitsverhältnis, woraus sich z. B. Befangenheitsprobleme oder eine Unfairness oder auch Mobbing ergeben können. Darum geht es aber vorliegend ersichtlich nicht. Denn Frau . war nicht in einer derartigen beruflichen Position, in der sie aufgrund einer persönlichen Beziehung zur Oberbürgermeisterin, dem Kläger hätte Schaden zufügen können. Weder war sie dem Kläger hierarchisch übergeordnet noch trägt der Kläger auch nur ansatzweise konkrete Tatsachen dazu vor, dass sie etwa der Verschwiegenheit und Vertraulichkeit unterfallende Umstände aus dem dienstlichen oder privaten Umfeld des Klägers der Oberbürgermeisterin oder anderen Personen kundgetan hätte. Der Vortrag erschöpft sich in unsubstantiierten Behauptungen und Bewertungen des Klägers. Dabei ist bereits festzuhalten, dass der Oberbürgermeisterin als Dienstvorgesetzte des Klägers sowieso keine dienstlichen Belange vorenthalten bleiben durften. Ein in der Person von Frau . liegendes außerdienstliches Verhalten, welches die Beendigung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit hätte rechtfertigen können, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Weder hat sie den Kläger etwa in irgendeiner Form belästigt oder „gestalkt“ noch sind über die Referentin irgendwelche Umstände bekannt, die an der Integrität ihrer Person Zweifel aufkommen ließen.

67

Sollte das dienstliche und persönliche Verhältnis zwischen einem Beigeordneten und seiner „persönlichen Referentin“ auch wünschenswert von einer guten und beiderseitigen harmonischen Atmosphäre geprägt sein, so überwiegt im dienstlichen Verhältnis allein die Notwendigkeit der effektiven Erledigung der Dienstgeschäfte. Anders als etwa bei einem privaten Arbeitgeber, muss der in dienstlicher Hinsicht Vorgesetzte in der Lage und willens sein, mit allen ihm dienstlich unterstellten Mitarbeitern zusammen zu arbeiten. Daran ändert auch nichts, soweit der Kläger vorträgt, es sei bei der Beklagten üblich gewesen, dass sich die Beigeordneten die „persönlichen Referenten“ aussuchen konnten. Denn dem steht bereits entgegen, dass er Frau . mit seinem Dienstantritt als Beigeordneter übernahm und mit ihr über ein Jahr lang bis zu ihrer Schwangerschaftsunterbrechung unbeanstandet zusammenarbeitete, so dass auch unter Berücksichtigung der Gründe aus dem Schreiben vom 27.07.2009 - wie ausgeführt - keine derart gravierenden Gründe vorlagen, die das Verhalten gegenüber Frau . rechtfertigen könnten.

68

2.) Vielmehr steht dieses unvermittelte Verhalten des Klägers gegenüber seiner bisherigen Referentin im unmittelbarem zeitlichen und tatsächlichen Zusammenhang mit dem unter Nr. 1 des Disziplinarbescheides vorgehaltenen Pflichtenverstoß, nämlich der vorvertraglichen Beschäftigung der Frau ... ab dem 10.08.2009 und dem Versuch ihrer unbefristeten Weiterbeschäftigung. Denn nur im Zusammenspiel mit der Arbeitsplatzbeschaffung gegenüber Frau ... machte es überhaupt Sinn, Frau . den Arbeitsplatz verlustig zu machen. Von daher bedingt der eine Pflichtenverstoß den anderen, macht aber gleichzeitig die besondere Vorwerfbarkeit dieses Verhaltens deutlich. Ohne Zweifel hat der Kläger versucht, Frau ... das Arbeitsverhältnis „seiner“ persönlichen Referentin mit entsprechender Vergütung dauerhaft zu verschaffen. Gelang dies zunächst als sogenannte Schwangerschaftsvertretung während der Abwesenheit der Frau . versuchte er auch danach Frau ... unbefristet weiter zu beschäftigen, obwohl ihm die näheren Umstände der Befristung jedenfalls hätten bewusst sein müssen. Denn im Stellenplan war nur eine Stelle für eine Referentin in der Entgeltgruppe 13 für das Dezernat III vorgesehen. Diese Stelle war jedoch mit Frau . dauerhaft besetzt. Eine weitere freie Stelle der Entgeltgruppe 13 war im gesamten Stellenplan der Stadtverwaltung nicht vorhanden. Für eine Änderung oder Aufstockung des Stellenplans war ausschließlich der Stadtrat mit anschließender Genehmigung der Kommunalaufsicht zuständig (§ 44 Abs. 3 Nr. 4 a; § 94 Abs. 2 GO LSA). Zudem hätte dies einen Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften bedeutet. Denn der Haushaltsplan der Beklagten sah keine externen Neueinstellungen vor und eine durch die Oberbürgermeisterin nach Erörterung in der Beigeordnetenkonferenz genehmigte Ausnahme lag unzweifelhaft nicht vor.

69

Aufgrund § 1 des zwischen der Beklagten und der Frau... geschlossenen Arbeitsvertrages sowie der in dem arbeitsgerichtlichen Prozess vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Frau ... steht fest, dass der tatsächliche Arbeitsbeginn von Frau ... am 10.08.2009 erfolgte. Unterzeichnet wurde der befristete Arbeitsvertrag jedoch am 11.08.2009 von der Beklagten und am 12.08.2009 von Frau .... Demnach beschäftigte der Kläger Frau ... bereits bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben war, woraus ein faktisches Arbeitsverhältnis hätte abgeleitet werden können. Dies hätte zur Folge, dass der eigentlich befristete Vertrag unbefristet gelten würde. Dementsprechend führte Frau ... vor dem Arbeitsgericht A-Stadt den Arbeitsgerichtsprozess. Auch zeigt das Verhalten des Klägers hinsichtlich der Unterstützung von Frau ... (Vorwurf Nr. 6), dass der Kläger dieses Ergebnis bewusst herbeiführen wollte und für richtig befand. Er wollte Frau ... als persönliche Referentin anstelle von Frau ..

70

Dieser unbedingte Wille ergibt sich auch aus weiteren Unterlagen, wie das Schreiben an den Vorsitzenden des Stadtrates (Pflichtenverstoß Nr. 9) bestätigt und im Übrigen vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt. Dass das Herantreten an den Stadtrat zur „Abhilfe eines Missstandes in der Verwaltung gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 GO LSA“ geschuldet gewesen sei, wie es der Kläger unter dem 05.11.2013 vorträgt, erschließt sich dem Gericht nicht. Die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte in der Verwaltung war nicht gefährdet und es bedurfte gerade keiner Entscheidung über die dauerhafte Einstellung einer Referentin des Klägers durch die Oberbürgermeisterin. Denn die Stelle war mit Frau . besetzt. Die Anfrage der Oberbürgermeisterin vom 11.11.2010/16.11.2010, ob er eine „Zusage an Frau ...“ zur unbefristeten Beschäftigung abgegeben habe (Vorwurf Nr. 11), hat er nicht bzw. nicht ausreichend beantwortet. Auch wenn diesbezüglich der allgemeine Rechtsgrundsatz besteht, dass sich niemand selbst belasten muss und die Selbstbelastungsfreiheit Vorrang vor der Pflicht des Beamten zur Unterstützung seiner Vorgesetzten hat (VG Magdeburg, Urteil v. 20.08.2013, 8 A 8/13; VG Wiesbaden, Urteil v. 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D mit Verweis auf BVerwG, B. v. 20.11.2012, 2 B 56.12; Hessischer VGH, B. v. 13.05.2013, 28 a 488/12.D; alle juris), vermag dies den Kläger im Gesamtvorwurf nicht zu entlasten. Denn die Beklagte hatte als Gegnerin im Arbeitsgerichtsprozess ein Interesse daran zu erfahren, ob der Kläger eine solche Erklärung abgegeben hatte, wie sie Frau ... eidesstattlich versicherte. Denn dies hätte eventuell als offizielle Erklärung der Stadt als Arbeitgeberin ausgelegt werden können mit der Folge des Unterliegens im Arbeitsprozess und der Gehaltszahlung von brutto 3.000 Euro monatlich an Frau .... Auch unter Vermeidung einer Selbstbezichtigung hätte der Kläger sachlich auf die Anfrage reagieren können und müssen. Stattdessen ließ er die Anfrage als „skurril“ bezeichnen, wich der Beantwortung aus und unterstützte damit erkennbar Frau ... und eben nicht pflichtgemäß die Beklagte als seinen Dienstsherrn. Dies verkennt der Kläger, wenn nunmehr im Schriftsatz vom 05.11.2013 vorgetragen wird, dass wegen des Obsiegens der Beklagten in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren, nicht ersichtlich sei, weswegen der Kläger disziplinarrechtlich verfolgt werde.

71

Damit hat sich der Kläger in nicht vertretbarer Art und Weise quasi wie ein privatrechtlicher Arbeitgeber aufgeführt und sich an die Stelle der Beklagten als Beschäftigungsbehörde gestellt. Dies ist nicht tragbar. Dem Kläger war bzw. muss bei gehöriger Gewissensanstrengung auch klar und erkennbar gewesen sein, dass ihm dieses Verhalten nicht zusteht.

72

Punkt 3.17 der „Allgemeinen Geschäftsanweisung der Stadt A-Stadt “ v. 08.08.2006 besagt eindeutig, das „Personalangelegenheiten alle Fragen [sind], die das Arbeitsverhältnis […] betreffen. Sie werden grundsätzlich vom Fachbereich Organisation und Personalservice bearbeitet. Ohne Zustimmung des Fachbereichs Organisation und Personalservice darf niemand, auch nicht ohne Entgelt beschäftigt werden.“ Der Kläger kann sich als Beigeordneter auch nur auf eine etwaige Vertretungsberechtigung in seinem Geschäftsbereich berufen (§ 65 Abs. 3 Satz 1 GO LSA). Dass sich der Kläger bereits vor der Einstellung und dem Arbeitsbeginn der Frau ... um deren dauerhafte Beschäftigung und die Umsetzung von Frau . bemühte, belegt das Schreiben des Beigeordneten G ... vom 31.07.2009 (Bl. 190 1 Ca 2077/10), worin dieser derartige Bemühungen ablehnte.

73

3.) Die disziplinarrechtlich bedeutsame Bewertung des Persönlichkeitsbildes des Klägers im Sinne von § 13 DG LSA belegt, dass die Pflichtverletzungen gerade kein aus einer einmaligen Augenblickstat oder einer Notsituation resultierendes persönlichkeitsfremdes Verhalten darstellen. Der Kläger handelte wissend- und willentlich, also vorsätzlich, was den Pflichtenvorwurf verstärkt. Einsicht oder Reue hat er nicht gezeigt. Milderungs- oder Entlastungsgründe, die das Dienstvergehen in einem milderen Licht erscheinen ließen, sind nicht vorgetragen und nicht erkennbar (vgl. dazu zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 17.10.2013, 8 A 6/13; juris gemeldet).

74

Den vom Gericht gesehenen und in den Verfügungen zum Ausdruck gebrachten Besonderheiten, die aus dem angespannten dienstlichen und persönlichen Verhältnis zur Oberbürgermeisterin resultieren und Gegenstand der weiteren vorgehaltenen Weisungsverstößen waren, hat das Disziplinargericht insbesondere mit der Beschränkung nach §§ 53, 59 Abs. 2 DG LSA Rechnung getragen; die im Übrigen festgestellten Dienstpflichtverletzungen sind dagegen wegen ihrer Art nicht geeignet, sich auf dieses angespannte Verhältnis zurückführen zu lassen. Ebenso stellt das von dem disziplinarwürdigen Verhalten des Klägers unabhängige Prozessverhalten der Beklagten keinen mildernd zu berücksichtigenden Umstand dar. Wie bereits unter I. ausgeführt, ist das festgestellte Dienstvergehen auch in Bezug auf das vom Kläger nunmehr bekleidete Amt des Oberbürgermeisters bedeutsam. Der Kläger war zudem hartnäckig, beharrlich und planvoll bestrebt über einen längeren Zeitraum hinweg, seine eigene „Personalpolitik“ zu bestreiten. Durch diese Verfehlungen zeigte er, dass er bei bestimmten Entscheidungen nicht bereit ist, sich in hierarchisch gegliederte Strukturen ein- und unterzuordnen. Vielmehr sah er unter Missachtung der Rechtsvorschriften und seiner dienstlichen Pflichten seine eigene dienstliche Stellung als unabhängig und frei von hierarchischen Strukturen an. Die Beachtung der allgemeinen beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und in Ausprägung dessen, der angemessene Umgang mit den ihm dienstlich unterstellten Mitarbeitern sowie die Befolgung dienstlicher Weisungen, ist gerade in dem jetzigen herausgehobenen Amt von besonderer Bedeutung.

75

Dementsprechend hält das Disziplinargericht die ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung auch hinsichtlich der Höhe des Kürzungsanteils und der Dauer insgesamt für verhältnismäßig, weil der Tat angemessen und als erzieherische Maßnahme auch erforderlich und schließlich zweckmäßig (§ 59 Abs. 3 DG LSA). Aufgrund der vom Kläger erlangten Besoldung nach der Besoldungsgruppe B ist die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Pauschalisierung der Höhe des Kürzungsanteils (Urteil v. 21.03.2001, 1 D 29.00; juris) nicht angebracht, sondern im Einzelfall festzulegen. Diese, in der Disziplinarverfügung umfassend vorgenommene Gesamtwürdigung, ist nicht zu beanstanden.

76

IV.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 44 Nichtigkeit des Verwaltungsaktes


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bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarverfügung, womit gegen den Kläger wegen eines Dienstvergehens die Kürzung seiner Dienstbezüge in Höhe von einem Zehntel für die Dauer von sechs Monaten verhängt wurde.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 21. Apr. 2010 - 8 A 18/10

bei uns veröffentlicht am 21.04.2010

Tenor Der ablehnende Bauvorbescheid der Beklagten vom 18.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2009 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, auch Ziffer 1 und 2 der Bauvoranfrage vom 23.02.2009 positiv zu bescheid
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 06. Nov. 2013 - 8 A 9/12.

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 14. Apr. 2014 - 8 A 8/14

bei uns veröffentlicht am 14.04.2014

Gründe 1 Der Antrag des Beklagten auf Verlängerung der mit Beschluss des erkennenden Disziplinargerichts vom 30.01.2014 (8 A 22/13 MD) nach § 60 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 DG LSA gesetzten Frist, bis zum 10.04.2014 das gegen den Kläger einge

Referenzen

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.

(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.

(3) Wird von den Beamtinnen oder Beamten die sofortige Ausführung der Anordnung verlangt, weil Gefahr im Verzug besteht und die Entscheidung der oder des höheren Vorgesetzten nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend. Die Anordnung ist durch die anordnende oder den anordnenden Vorgesetzten schriftlich zu bestätigen, wenn die Beamtin oder der Beamte dies unverzüglich nach Ausführung der Anordnung verlangt.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Für die Rechtsverhältnisse der Beamtinnen auf Zeit und Beamten auf Zeit gelten die Vorschriften für Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit entsprechend, soweit durch Landesrecht nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Der ablehnende Bauvorbescheid der Beklagten vom 18.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2009 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, auch Ziffer 1 und 2 der Bauvoranfrage vom 23.02.2009 positiv zu bescheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides zur planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Umbaus und einer geringfügigen Erweiterung ihres Einfamilienhauses in der ... 20 in ....

2

Sie sind Eigentümer des genannten Grundstückes im unbeplanten Innenbereich von Travemünde. Das Grundstück stellt das Eckgrundstück zur Straße ... dar. Nördlich der Straße ... schließt sich ein Golfplatzgelände mit Parkplatz an, südlich der Straße ... ist reine Wohnbebauung, ganz überwiegend in Form von freistehenden Einfamilienhäusern, vorhanden. Die meisten Gebäude in der ... (wie auch in der ... und im ...) sind offen in fünfziger/sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mehr oder weniger nach Maßgabe eines nicht übergeleiteten Durchführungsplanes (Nr. 56) genehmigt und errichtet worden. Dieser Plan sah eine bestimmte Gebäudestellung mit festgesetzter Dachneigung und Dachform vor. So sind die Gebäude ... 12-20 traufständig mit Satteldächern errichtet worden, die Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite (Nrn. 11-19) giebelständig mit Satteldächern. Im weiteren Verlauf der ... sind Walmdächer (gerade Hausnummern) bzw. einhüftige Dächer mit erhöhter Traufhöhe im rückwärtigen Bereich (ungerade Hausnummern) vorhanden. Im Bereich .../ ... ist eine einheitliche Dachform nicht mehr zu erkennen. Im insbesondere interessierenden Bereich beidseitig der ... (Nrn. 11-20) ist zumindest straßenseitig die ursprüngliche Gebäudeausrichtung und Dachform noch vorhanden.

3

Das Gebäude der Kläger selbst ist – abweichend vom Standort des Durchführungsplanes – etwa quadratisch mit kleineren Anbauten (etwas vorgezogenes Kinderzimmer im Erdgeschoss an der Süd-West-Ecke, Speisekammer im Erdgeschoss an der Nord-Ost-Ecke) errichtet worden. Es ist eingeschossig und mit einem zur ... hin traufständigen Satteldach versehen.

4

Mit Schreiben vom 23.02.2009 beantragten die Kläger über ihren Architekten die Erteilung eines positiven Bauvorbescheides in Bezug auf die planungsrechtliche Zulässigkeit zu folgenden Fragen:

5

1. Wird eine Erweiterung im EG (Windfang) sowie im DG (Baderweiterung mit Galerie) mit Giebelständigkeit zur Süd-West-Seite genehmigt?

6

2. Wird eine Erweiterung im DG (Ankleidekammer) mit geringer Giebelständigkeit zur Nord-Ost-Seite genehmigt?

7

3. Wird der Einbau einer Dachgaube im DG (Schlafzimmer zur Nord-Ost-Seite) genehmigt?

8

Nachdem das gemeindliche Einvernehmen zu den Fragen 1. und 2. versagt worden war, erging unter dem 18.05.2009 ein Bauvorbescheid des Inhalts, dass in Bezug auf die Frage 3. keine planungsrechtlichen Bedenken bestünden, die in den Ziffern 1. und 2. angesprochenen Umbauten jedoch aus planungsrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig seien. Zur Ablehnung in Bezug auf die Frage 1. führte die Beklagte zur Begründung aus, die angefragte Dachgeschoss-Erweiterung zur Süd-West-Seite (Straßenseite) füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da die Dachgeschosswohnfläche durch die Errichtung des straßenseitigen Giebels über die „glatte“ Satteldachfläche hinaus in Anspruch genommen werden solle, wofür es in dem geplanten Umfang und in der vorgesehenen Größe bei den Gebäuden der näheren Umgebung im Verlauf der ... keine Vorbilder gebe. Das Orts- und Straßenbild in der ... sei auf der Ostseite durch traufständig zur Straße stehende Ein- bzw. Zweifamilienwohnhäuser geprägt. In diese Traufständigkeit reihe sich ohne die beantragten baulichen Veränderungen auch das Wohnhaus der Kläger harmonisch ein. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite seien die Wohngebäude zur Straße giebelständig angeordnet. Auf diese Weise entstehe durch die jeweils in die gleiche Firstrichtung ausgerichteten Gebäude für den Betrachter ein harmonisches, ausgewogenes und auch beruhigend wirkendes Orts- und Straßenbild. Bei den Gebäuden in der näheren Umgebung im Verlauf der ... seien lediglich Dachgauben allein oder mit vorgelagerten Dachterrassen vorhanden. Durch die geplante straßenseitige Giebelerrichtung werde das harmonisch, durch traufständige Gebäude geprägte Straßenbild mehr als nur geringfügig beeinträchtigt, da der geplante Giebel mit einer Breite von ca. 7 m ca. 70 % der Gebäudelänge in Anspruch nehme und somit aus einem zur Straße traufständigen Gebäude ein giebelständiges Gebäude mache. Außerdem werde die vorhandene Traufhöhe des Hauptgebäudes erheblich, nämlich um ca. 1,60 m überschritten, was ebenfalls als rahmenüberschreitend einzustufen sei. Darüber hinaus werde auch das vorhandene Ortsbild beeinträchtigt. Das Ortsbild sei in diesem Grundstücksbereich durch eine eingeschossige Einzelhausbebauung mit zur Straße traufständiger Baukörperausrichtung geprägt, die eine straßenbegleitende Grundstruktur mit Ortsbild prägendem Charakter erkennen lasse. Die Errichtung eines straßenseitigen Giebels einschließlich einer Überhöhung der Traufe um ca. 1,60 m liege außerhalb dieser Struktur und störe geradezu den Ortsbild prägenden Charakter dieser Siedlung.

9

Auch eine Zulassung des geplanten Vorhabens nach § 34 Abs. 3 a BauGB komme nicht in Betracht, da eine städtebauliche Vertretbarkeit nicht gegeben sei.

10

Im Hinblick auf eine genehmigungsfähige Planung werde empfohlen, auf die straßenseitige Dachgeschosserweiterung mit Giebelerrichtung zu verzichten und den gewünschten Erweiterungsbedarf mittels Errichtung einer entsprechend auf die Proportion des Gebäudes abgestimmten Dachgaube zu realisieren. Hinsichtlich Ziffer 2. führte die Beklagte aus, der angefragte rückwärtig geplante Giebel ordne sich zwar hinsichtlich seiner Breite unter, er füge sich jedoch hinsichtlich seiner Traufhöhe, die mit ca. 2,60 m mehr als erheblich über die Traufhöhe des Hauptgebäudes hinausrage, nicht in die eigene Art der Umgebung ein.

11

Insoweit wurde empfohlen, die Traufhöhe des Hauptgebäudes nicht zu überschreiten.

12

Gegen den ablehnenden Bauvorbescheid legten die Kläger am 02.06.2009 Widerspruch ein und führten zur Begründung aus, die nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB sei unzutreffend bemessen worden. Insbesondere sei auch die, von der Straße ... her gesehen schon mit dem übernächsten Grundstück beginnende Bebauung im Bereich .../ ... in die Betrachtung mit einzubeziehen. Gerade in diesem Bereich sei eine homogene Giebel- bzw. Traufständigkeit nicht zu erkennen. Auch entlang der ... könne nicht von einer homogenen Dachgestaltung ausgegangen werden. So sei das Gebäude Nr. 6 nicht traufständig und die Gebäude mit den Nummern 5, 7 und 9 nicht giebelständig. Insgesamt füge sich das geplante Vorhaben in die eigene Art der näheren Umgebung ein. Bodenrechtliche Spannungen würden nicht erzeugt, ein Planungsbedürfnis entstehe nicht. Von einer Ortsbildbeeinträchtigung könne schon deswegen keine Rede sein, weil die nähere Umgebung insoweit keine besondere Wertigkeit aufweise. Hilfsweise sei zumindest eine Zulässigkeit des geplanten Vorhabens nach § 34 Abs. 3 a BauGB gegeben.

13

In einem internen Vermerk wies die Stadtplanungsabteilung der Beklagten am 06.08.2009 daraufhin, dass in der Widerspruchsbegründung als Haus „ ... 7“ angesprochene Gebäude habe seine tatsächliche Belegenheit und Adresse am .... Das Grundstück habe, wie dieser Irrtum belege, eine atypische Lage zwischen ... und der Straße ... und stelle insoweit einen Ausreißer dar. Die ... habe keine trennende Wirkung, so dass auch die dem klägerischen Grundstück gegenüberliegende Straßenseite mit einzubeziehen sei. Das Gebäude ... 6 sei ein Walmdachhaus, das mit der Längsseite traufständig an der Straße stehe. Erst jenseits der Einmündung der ..., also weiter entfernt vom Grundstück der Kläger, seien auch die Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite traufständig.

14

Den eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 zurück und führte zur Begründung aus, als nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB seien die Gebäude... 12-20 sowie auf der gegenüberliegenden Seite die Gebäudenummern 19-11 (Einmündung ...) her-anzuziehen. Durch die jeweils in gleicher Firstrichtung ausgerichteten Gebäude ergebe sich für den Betrachter ein harmonisches, ausgewogenes und beruhigend wirkendes Straßenbild. Die geplante Dachgeschosserweiterung zur Süd-West-Seite füge sich aufgrund der geplanten straßenseitigen Giebelerrichtung sowie durch die von der weitestgehend einheitlichen Traufhöhe abweichende Traufhöhe nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Straßenseitig sei der giebelständige Vorbau mit über 7 m deutlich breiter als die Hälfte des Hauptgebäudes mit einer Länge von ca. 10,70 m. Überdies werde auch das Ortsbild beeinträchtigt. Der Begriff des Ortsbildes im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB stelle auf einen größeren Maßstab ab als die für das Einfügensgebot maßgebliche nähere Umgebung. Unter Ortsbild sei die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles bei einer Betrachtung sowohl von innen als auch von außen her zu verstehen. Dieser städtebaulich zu verstehende Begriff schließe, ähnlich dem der Erhaltungssatzung, solche Gestaltungselemente mit ein, die die Gestaltung des jeweiligen Gebäudes beträfen, wie z. B. die Dachform und die Stellung der baulichen Anlagen auf dem Grundstück, soweit dies städtebaulich von Bedeutung sei. Zum Bezugsrahmen komme insoweit die ... in Verlängerung über die Einmündung ... hinaus bis zur Einmündung ... in Betracht. Sämtliche Bebauung lasse eine einheitliche, Ortsbild prägende Grundstruktur erkennen. Die Errichtung eines straßenseitigen Giebels einschließlich einer Überhöhung der Traufe um ca. 1,60 m liege außerhalb dieser Struktur und störe dadurch den Ortsbild prägenden Charakter der Siedlung.

15

Eine Zulassung nach § 34 Abs. 3 a BauGB komme nicht in Betracht, da das geplante Vorhaben städtebaulich nicht vertretbar sei.

16

Gegen den ablehnenden Bauvorbescheid idF des Widerspruchsbescheides haben die Kläger am 30.11.2009 Verpflichtungsklage erhoben. In der Klagebegründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und verweisen insbesondere erneut auf das Gebäude ... (richtig: ...) 7. Im Übrigen seien in der näheren Umgebung Gebäude mit wesentlich höheren Traufhöhen vorhanden. Das geplante Vorhaben verursache keinerlei bodenrechtliche Spannungen. Insbesondere bleibe auch die von der Beklagten angesprochen Traufständigkeit des klägerischen Gebäudes, da durch den geplanten Anbau im Südwesten die Hauptfirstrichtung nicht verändert werde.

17

Die Kläger beantragen,

18

die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des ablehnenden Bauvorbescheides vom 18.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2009 ihre Bauvoranfrage positiv zu bescheiden.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

22

Im Rahmen der vor Ort durchgeführten mündlichen Verhandlung am 21.04.2010 hat das Gericht die Örtlichkeiten der Umgebung des klägerischen Grundstücks in Augenschein genommen. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll und die gefertigten Fotografien Bezug genommen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

24

Die Klage ist zulässig und begründet.

25

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Sie haben einen Anspruch darauf, dass ihre Bauvoranfrage auch bezüglich der Ziffern 1. und 2. positiv beschieden wird. Das geplante Vorhaben fügt sich im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Eine Ortsbildbeeinträchtigung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB liegt nicht vor.

26

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Vorliegend ist allein streitig, ob sich das geplante Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung insoweit einfügt. Dies ist zur Überzeugung des erkennenden Gerichts der Fall.

27

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23.03.1994 – 4 C 18/92 -; Juris) kommt es bei Dachgeschossaus- und –umbauten für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht auf die Feinheiten der Berechnungsregeln der Baunutzungsverordnung an. Entscheidend ist allein, ob sich das Gebäude als solches in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 34 BauGB insgesamt eine planersetzende Vorschrift ist. Er regelt die Bebaubarkeit der innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegenden Grundstücke, wenn ein Bebauungsplan für das Grundstück nicht vorhanden ist. Existiert ein Bebauungsplan, so bestimmt er, was planungsrechtlich zulässig ist. Ein Planersatz kann aber nicht mehr regeln als der Plan selbst. Im Gegenteil ist für das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anerkannt, dass der sich aus der vorhandenen Bebauung ergebende Maßstab notwendig grob und ungenau ist und regelmäßig hinter planerischen Festsetzungen zurückbleibt. Erst recht ist es mit dem Vorrang des Bebauungsplanes vor der Regelung des § 34 BauGB unvereinbar, wenn die Gemeinde durch Untätigkeit weitergehende Einschränkungen der Bauvorhaben bewirken könnte als durch die Aufstellung eines Bebauungsplans (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 – 4 C 14/98 -; Juris).

28

Was nun die von der Beklagten allein bemängelte Änderung der Dachform angeht, unterfällt dies nicht der bundesrechtlich städtebaulichen Regelungsbefugnis und unterliegt damit auch nicht dem bundesrechtlichen Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB.

29

Was bundesrechtlich aus städtebaulichen Gründen in einem Bebauungsplan regelbar ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 BauGB, vorliegend interessierend aus den dortigen Ziffern 1 (Art und Maß der baulichen Nutzung) und 2 (die Bauweise, die überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen ). Soweit in Ziffer 2 die Stellung der baulichen Anlage angesprochen wird, ist dies eine Bestimmung über die Ausrichtung der Längsachse eines Gebäudes (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 9, Rd. 41).

30

Ist wie vorliegend bei einem nahezu quadratischen Grundriss eine Bestimmung der Längsachse aus dem Verhältnis der Seiten zueinander nicht möglich und zudem ein Satteldach vorhanden, ist die Längsachse mit der Firstrichtung identisch. An dieser Grundausrichtung des Gebäudes der Kläger ändert sich jedoch nichts dadurch, dass im Dachbereich giebelständige Um- und Anbauten erfolgen sollen, da die neuen Quergiebel sowohl einzeln (mit ca. 5,20 m und ca. 3,80 m) als auch zusammen hinter der Hauptfirstlänge (von ca. 10,70 m) zurückbleiben und sich auch sonst, da sie die Höhe des Hauptfirstes nicht erreichen, dem Hauptfirst unterordnen.

31

Eine weitergehende Befugnis zur Festsetzung von Dachformen und anderen Einzelheiten der Dachgestaltung (z. B. Traufhöhe) ist aus § 1 Abs. 9 BauGB nicht abzuleiten (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 9, Rd. 258). Derartige Regelungen sind vielmehr landesrechtlich gestalterischer Natur (vgl. § 84 LBO). Dass derartige Vorschriften über § 9 Abs. 4 BauGB, § 84 Abs. 3 LBO als Festsetzung in einen Bebauungsplan aufgenommen werden können, ändert nichts daran, dass sie keine bundesrechtlich städtebaulichen Gründe für einen Bebauungsplan sind und deshalb (erst recht) auch nicht dem bundesrechtlichen Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB unterfallen.

32

Soweit die Beklagte somit darauf abstellt, dass in der näheren Umgebung eine Dachform bzw. eine Dachgestaltung, wie sie die Kläger planen, nicht vorhanden sei, ist dies kein Argument, dass bei einer Prüfung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigen wäre. Insoweit bedarf es deshalb auch keiner genauen Festlegung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB, insbesondere kann insoweit offenbleiben, ob das Gebäude... 7 (postalisch korrekt wohl: ... 7) mit in die Betrachtung einzubeziehen ist.

33

Was das eigentliche Maß der baulichen Nutzung im Sinne eines Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB angeht, ergeben sich – offenbar auch nach Auffassung der Beklagten – keine Bedenken. Sowohl den „Empfehlungen“ in den angefochtenen Bescheiden als auch den Äußerungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, dass gegen die Umbauten als solche und die damit verbundene Vergrößerung der Wohnfläche keinerlei Bedenken im Sinne eines Einfügens bestehen, sondern sich diese allein auf die Form der Dachgestaltung beziehen.

34

Auch eine Ortsbildbeeinträchtigung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB liegt nicht vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Auswirkungen des klägerischen Vorhabens schon den Grad einer „Beeinträchtigung“ nicht erreichen. Beim Beeinträchtigen des Ortsbildes kommt es nicht – wie beim Einfügensgebot – auf (fehlende) Übereinstimmung in den einzelnen Merkmalen der Bebauung an, sondern darauf, ob ein Gesamtbild, dass durch unterschiedliche Elemente geprägt sein kann, gestört wird. Dies ist nach dem ästhetischen Empfinden eines für Fragen der Ortsbildgestaltung aufgeschlossenen Betrachters zu beurteilen, das nicht verletzt sein darf. Zu beachten ist, dass nicht jedes Ortsbild schützenswert ist, nur weil es durch eine gewisse Einheitlichkeit oder Gleichartigkeit der Bebauung oder einzelner Elemente der Bebauung geprägt ist. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums muss für Einschränkungen seines Gebrauchs (hier: der Baufreiheit) hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange auf ihrer Seite haben. Sie darf nicht darauf hinauslaufen, dass im ungeplanten Innenbereich das Vorhandene in jeder Beziehung das Maß des Zulässigen bestimmt, nur weil es schon vorhanden ist. Das Ortsbild muss, um schützenswert zu sein und die Bau(gestaltungs)freiheit des Eigentümers einschränken zu können, eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit haben. Dies ist nicht das Ortsbild, wie es überall anzutreffen sein könnte. Es muss einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit haben, die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 – 4 C 14/98 -; Juris).

35

Ein derartiges schützenswertes Ortsbild ist vorliegend – wiederum gleichgültig inwieweit der Rahmen der zu berücksichtigenden Umgebung zu ziehen ist – nicht ansatzweise vorhanden ist. Selbst die Vertreter der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sich die Umgebung des klägerischen Grundstückes als typische Wohnsiedlung wie viele andere auch darstellt. Irgendwelche Besonderheiten sind insoweit nicht benannt worden und waren auch nicht erkennbar. Es handelt sich vielmehr um eine typische Wohnsiedlung, deren Gebäude aufgrund ihres Alters von ca. 50 Jahren offenbar in den letzten Jahren bzw. in der näheren Zukunft ständigen Umbauten, Renovierungen und Änderungen unterlegen haben bzw. unterliegen werden, ohne dass dadurch ein besonderer Charakter verloren ginge.

36

Hinzu kommt, dass ein – schützenswertes – Ortsbild im Rahmen von § 34 BauGB wiederum nur in dem Umfang vor Beeinträchtigungen geschützt wird, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes durch Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB und den ergänzenden Vorschriften der Baunutzungsverordnung möglich wäre. Bundesrechtlich nicht festsetzbare Dachformen (siehe oben) sind damit keine das Ortsbild im Sinne von § 34 BauGB prägenden Elemente. Nach § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB ist zwar bei der Aufstellung der Bauleitpläne auch die Gestaltung des Ortsbildes zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass grundsätzlich auch die Gestaltung des Ortsbildes bauplanerische Relevanz besitzt. § 1 Abs. 6 BauGB enthält jedoch keine Zulässigkeitsvoraussetzungen für Vorhaben im unbeplanten Innenbereich. Aus ihm ergibt sich nur, dass im Falle der Planung auch die Gestaltung des Ortsbildes beachtet werden muss. In welcher Weise dies rechtlich möglich ist, wird dagegen in § 9 Abs. 1 BauGB geregelt. Soweit sich – wie oben ausgeführt – gemäß § 9 Abs. 1 BauGB Dachformen in einem Bebauungsplan nicht festsetzen lassen, sind diese Dachformen damit auch kein Belang im Sinne eines Ortsbildes, dessen Sicherung das Bauplanungsrecht mit § 1 Abs. 6 Nr. 5 normativ vorgibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.05.2000 – 4 C 14/98 -; Juris).

37

Nach alledem erweist sich das geplante Vorhaben der Kläger auch bezüglich der Ziffern 1. und 2. ihrer Bauvoranfrage als im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB zulässig, so dass der vorliegenden Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben war.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Ortsbürgermeister der Ortschaft K… und wendet sich gegen die ihm gegenüber vom Antragsgegner mit Bescheid vom 05.06.2013 Ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA).

2

Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass der Antragsteller gegen seine beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und seine Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen und damit ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe, welches voraussichtlich zur Entfernung aus dem Dienst führen werde. Der Antragsteller habe auf seiner Internetseite www.hans-pueschel.de in zahlreichen Artikeln gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen. Dazu führt die Verfügung aus:

3

a)      Sie haben bei mehreren Gelegenheiten, so unter anderem in einer Antwort auf eine Lesermeinung am 30.10.2012 geäußert:

„Wenn der § 130 gegen Lügen und Volksverhetzung gerichtet ist,

4

warum werden dann nicht endlich die Großlügner mit den „4 Millionen
in Auschwitz Vergasten“ vor Gericht gestellt? Das ist doch, was
Größe und Umfang betrifft, die allergrößte Lüge, die mir in meinem
bisherigen Leben erst jahrzehntelang um die Ohren gehauen und nun stillschweigend mit Erwähnung in der Kleingartenzeitung Hinterkleckersdorf beerdigt worden ist.“

5

Ferner schrieben Sie am 16.03.2012 in einem von Ihnen unter dem Titel „Holocaustleugnung ist Menschenrecht“ eingeleiteten Diskussionsforum unter anderem.

6

„...Zu den Todesmärschen: Warum blieben dann laut Wikipedia 7000 Insassen von Auschwitz zurück. Haben die sich’s also doch aussuchen können. Waren übrigens Frauen und Kinder dabei. Sehen sogar gut genährt aus - zumindest auf dem Foto. Muss also doch mindestens Ausnahmen von der Rampen-Sortiererei gegeben haben. ...“

7

Am 14.11.2012 schrieben Sie dann unter dem auf Ihrer o. g. Internetseite angelegten Themen-Link „Politik“ zum Thema „Auschwitz, Majdanek - wann platzt die nächste Lüge?“ unter Bezugnahme auf die in nationalsozialistischen Konzentrationslagern verübten Ermordungen dort Inhaftierter:

8

„...Für mich steht fest: Die seit der Kindheit gelernten deutschen Verbrechen sind Lügen!...“

9

Am 07.12.2012 schrieben Sie in einem von Ihnen verfassten Gedicht mit dem Titel „Deutscher Mythos“ unter anderem:

10

„...Der Mythos ist zum Gruseln gut nicht für’s reale Leben....

11

Der Holocaust taugt nicht als Ziel der Seel’ bei klarem Lichte.

12

Wir hab’n der besseren Mythen viel aus tausend Jahr’n Geschichte.
Uns dort zu gründen, bringt uns Heil und Zukunft dem deutschen Volke!

13

Die böse Mär auf’s Altenteil, fort mit der düstren Wolke!“

14

Wegen der drei letztgenannten Äußerungen hat die Staatsanwaltschaft C-Stadt am 26.01.2013 Anklage wegen Volksverhetzung gegen Sie erhoben.

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b)      Bereits im Jahr 2010 hatten Sie in der MZ einen Leserbrief veröffentlicht, in dem Sie die undemokratische und verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD in Frage stellten. Konkret äußerten Sie:

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„NPD und DVU - wie undemokratisch sind sie? Wenn ich die 20 Jahre meiner Tätigkeit als Bürgermeister und Kommunalpolitiker rekapituliere, dann muss ich feststellen, dass unsere Demokratie wohl mehr Bürokratie geworden ist, nur noch ein formaler Ablauf.

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Ich denke, wenn die (nur noch formale) Demokratie die existenziellen Probleme der Menschen und des Landes nicht löst, dann müssen es ja diejenigen versuchen, die eine vielleicht etwas andere Demokratie bzw. Volksherrschaft installieren wollen.“

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Am 27.11.2012 schrieben Sie unter dem auf seiner o. g. Internetseite angelegten Themen-Link „Politik“ zum Thema „B… und die NPD“.

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„...Ich habe mich zeitlebens als Deutscher gefühlt, also national gedacht, und demokratisch gehandelt. Kann es denn da einer Alternative geben zu den Nationaldemokraten?...“

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c)      Abgesehen davon erklärten Sie am 11.11.2012 unter dem auf Ihrer o. g. Internetseite angelegten Themen-Link „Politik“ zum Thema „Rathenau, Battke und die Rache der Sieger“ unter anderem, die Rathenau-Mörder Kern und Fischer haben „...nicht den Juden Rathenau umgebracht sondern den in ihren Augen Vaterlandsverräter Rathenau...“ und „...Nur die Mörder um Stauffenberg passen in unsre Sieger-Sicht auf das Deutsche Reich und wurden zu Helden im Gegensatz zu Fischer, Fern und von Salomon....“

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Auch haben Sie nach eigener Aussage an den Gedenkfeiern für die Rathenau-Mörder Fischer und Kern auf Burg Saaleck teilgenommen „denn für die letzten Gedenkfeiern kann ich verbürgen, dass Fischer und Kern immer mit ihrem Einsatz durch Attentat und Sterben für Deutschland und nicht der eventuelle unterschwellige Antisemitismus im Vordergrund standen.

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2) im November 2011 antworteten Sie auf die Anfrage des NPD-Landesvorsitzenden  Herr H..., ob das Bürgerhaus von K… für die am 11. März 2011 geplante Wahlkampfabschlussveranstaltung der NPD genutzt werden könne per E-Mail unter anderem:

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„Jo mai, döes oan Ding!

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Dafür würde es sich wohl lohnen, noch eine Weile Ortsbürgermeister zu bleiben,  Herr H... . Den wollte ich aus bekannten Gründen nur zum Übergang ausüben.

...

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Es wird in den nächsten Tagen abgeklärt, wie der Übergang und weitere Verfahrensablauf in 2011 wird. Wenn es gelingt, die Betreuung/Belegung der Dorfgemeinschaftshäuser bei den Ortsbürgermeistern zu belassen, die dann also die Nutzungsverträge unterschreiben, wäre es also durchaus denkbar, die Veranstaltung durchzuführen. ich würde noch übers erste Quartal weiter amtieren, wobei offen bleibt, inwieweit dann der Bürgermeister mit seiner Verwaltung sich quer legen, hineinagieren könnte/wollte.

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Es müsste also ein Ausweichquartier im Hintergrund sein bzw. offiziell ein anderer Ort avisiert und erst am letzten Tag umgeschwenkt werden, so dass dann keine Verwaltung mehr großartig reagieren kann - siehe Polizei … ...bzw. Vertrag ist dann Vertrag.

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Mfg hansPüschel“

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3) Zur Landtagwahl 2011 traten Sie als Direktkandidat der NPD im Wahlkreis …an. Darüber verdeutlichte sich ihre Nähe zur NPD durch Referententätigkeit bei zahlreichen Veranstaltungen der NPD bzw. ihrer nahestehenden Organisationen. So traten Sie beispielsweise im Januar 2011 bei der Kommunalpolitischen Vereinigung der NPD als Referent auf. Im Juni 2011 traten Sie als Gastredner einer Veranstaltung der NPD-nahen Stiftung „Bildungswerk für Heimat und nationale Identität“ auf.“

29

Die Prognoseentscheidung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA ergebe, dass das Disziplinarverfahren voraussichtlich mit der Entfernung des Antragstellers aus dem Dienst ende.

30

Die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmordes an europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager verharmlose und verherrliche den Nationalsozialismus und sei unvereinbar mit der Pflicht des Beamten, aktiv für die geltende Verfassungsordnung einzutreten. Der Antragsteller verbreite die sog. „Ausschwitz-Lüge“, was ein schwerwiegendes Dienstvergehen darstelle.

31

Daneben stelle der Antragsteller die undemokratische und verfassungsfeindliche Ausrichtung der NPD sowie das Vorhandensein einer tatsächlichen Demokratie in Deutschland in Frage. Gleichzeitig zeige er die Errichtung einer „anderen Demokratie“ bzw. „Volksherrschaft“ unter Führung nationaldemokratischer Kräfte als erstrebenswertes Ziel auf. Diese von dem Antragsteller demonstrierte und durch Äußerungen kundgetane Haltung widerspreche dem von einem Beamten verlangten Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und dem Willen, für deren Erhalt einzutreten. Ähnlich seien die Äußerungen des Antragstellers zur Motivation der Ermordung Walter Rathenaus und der vom Antragsteller gezogene Vergleich zu den Attentätern um Graf Schenk von Stauffenberg zu sehen. Auch insoweit würden zentrale Themen rechtsradikaler Ideologie aufgegriffen und verbreitet, was im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehe. Der Antragsteller leugne einen antisemitischen Bezug bei der Ermordung Walter Rathenaus im Jahre 1922 und bestreite zudem ein Mordmotiv der Täter.

32

In der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung sei zwar keine Regelvermutung zur Ahndung derartiger Dienstpflichtverletzungen erkennbar. Denn die Handlungsbreite, die in der Verletzung der politischen Treuepflicht im Dienst denkbar seien, sei zu groß, als dass eine einheitliche Maßnahme erkennbar sei. Trotzdem seien die dargelegten Äußerungen sämtlich als schwerwiegende Dienstvergehen nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG anzusehen. Auch wenn im Fall einer einzelnen derartigen Äußerung nicht zwingend mit einer unmittelbaren Entfernung aus dem Dienst zu rechnen wäre, vermag vorliegend die Vielzahl und Häufigkeit der Dienstpflichtverletzungen eine solche Entscheidung im Ergebnis des Disziplinarverfahrens gleichwohl erwarten lassen. Die E-Mail an den NPD-Landesvorsitzenden lasse das Ansinnen erkennen, das Amt des Ortsbürgermeisters missbräuchlich zu nutzen, denn es entstehe der Eindruck, dass der Antragsteller das Amt nur noch bekleide um Zugriff auf Einrichtungen wie das Bürgerhaus der Ortschaft zu haben und um diese für die Zwecke verfassungsfeindlicher Organisationen zur Verfügung zu stellen. Zwar bestreite der Antragsteller die Urheberschaft der E-Mail. Dies sei jedoch als Schutzbehauptung zu werten.

33

Zudem werde die vorläufige Dienstenthebung auf § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA gestützt. Durch ein Verbleiben des Antragstellers im Dienst werde der Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigt. Denn die Funktion des Ortsbürgermeisters beschränke sich im Wesentlichen auf die Repräsentation der Ortschaft. Die dienstliche Funktion bestehe daher in der Achtung, Wertschätzung und dem Respekt, die seiner Person sowohl von seinem Dienstherrn als auch von der Öffentlichkeit entgegengebracht werde. Diese Achtung und damit das Ansehen der Person seien beeinträchtigt, wenn der Beamte ein Verhalten zeige, das Zweifel an seiner Integrität begründe. Dies sei vorliegend gegeben. Zudem seien die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb zu befürchten, weil aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte mit einer Fortsetzung der Begehung des Dienstvergehens zu rechnen sei. Der Antragsteller habe sich auch durch die Anklageerhebung wegen Volksverhetzung nicht daran hindern lassen, seine Äußerungen weiter zu vertreten.

34

Die schwerwiegende und unmittelbare Gefährdung des Gemeinwohls rechtfertige die vorläufige Dienstenthebung. Sie widerspreche nicht der dienstrechtlichen Fürsorgepflicht gegenüber dem Antragsteller und sei verhältnismäßig. Dies gelte auch unter der Berücksichtigung, dass der Antragsteller sein Beamtenverhältnis auf einem Wahlmandat begründet. Diese demokratische Legitimation dürfe nicht ohne Weiteres übergangen werden. Jedoch stehe dem der hohe Rang der Verfassungstreuepflicht gegenüber. Ein Ortsbürgermeister, der dies nicht realisiere, gebe ein negatives Beispiel mangelnder Rechtstreue und erschüttere damit das Vertrauen der Bürger in eine rechtsstaatliche Verwaltung. Schließlich stelle das Verhalten des Antragstellers einen Verstoß gegen die Pflicht zu Achtung und Wohlverhalten dar.

35

Der Antragsteller hält die Verfügung mangels Zuständigkeit des Antragsgegners bereits für formell rechtswidrig, sieht das Vertrauensverhältnis zu ihm nicht als zerstört an und beantragt,

36

die vorläufige Dienstenthebung aufzuheben.

37

Der Antragsgegner beantragt,

38

den Antrag abzulehnen

39

und verteidigt die vorläufige Dienstenthebung.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

II.

41

Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 DG LSA ist unbegründet.

42

Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die auf § 38 Abs. 1 Satz 1 sowie Satz 2 DG LSA gestützte vorläufige Dienstenthebung nicht aufzuheben ist. Ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen nicht. Sie lässt sich jedenfalls auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA stützen, so dass sich ein Eingehen auf die Voraussetzungen nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA erübrigt (vgl. zu dieser Prüfungsfolge: VG Ansbach, Beschluss v. 04.04.2008, AN 13b DS 08.00224; juris).

43

1.) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die vorläufige Dienstenthebung nicht bereits formell rechtswidrig. Eines Verfahrens nach § 144 Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt (GO LSA) bedarf es nicht. Denn vorliegend bedient sich der Antragsgegner des Disziplinarrechts. Als Ortsbürgermeister ist der Antragsteller Ehrenbeamter und unterliegt den beamten- und disziplinarrechtlichen Regelungen und damit auch der Disziplinargewalt des Dienstherrn (§ 5 BeamtStG; § 6 Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalt – LBG; § 57, § 88 Abs. 1 Satz 3 GO LSA; § 1 Abs. 1 DG LSA; Zur Disziplinargewalt über Ehrenbeamte: VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 18/10; OVG Rheinl.-Pfalz, Beschluss v. 04.03.2013, 3 A 10105/13 beide juris).

44

Die Suspendierungsverfügung wurde nach Einleitung des Disziplinarverfahrens und der Bekanntgabe der disziplinarrechtlichen Vorwürfe dem Antragsteller gegenüber vom Antragsgegner als in diesem speziellen Fall zuständigen Dienstvorgesetzten und obersten Dienstbehörde nach den §§ 76 Abs. 4 und 5 Nr. 8 i. V. m 34 Abs. 2 und 38 Abs. 1 DG LSA erlassen. Der Bürgermeister von … ist nach § 63 Abs. 5 GO LSA Vorgesetzter, Dienstvorgesetzter, höherer Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde des Antragstellers in seiner Funktion als Ortsbürgermeister von …. Nachdem der Bürgermeister mitteilte, dass er und seine Verwaltung mit der Durchführung eines derartigen Disziplinarverfahrens gegen dem Antragsteller überfordert sei, nahm der Landrat des  B... die Disziplinarverfolgung gegen den Antragsteller gem. § 17 Abs. 1 i. V. m. § 76 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative DG LSA auf. Der Bürgermeister erklärte sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden und verzichtete auf die Einlegung eines Rechtsbehelfes (§ 76 Abs. 6 DG LSA). Nachdem der Antragsteller von seinem Äußerungsrecht Gebrauch machte, erließ der Landrat des  B... unter dem 08.05.2013 die in dem bei Gericht anhängigen Parallelverfahren 8 B 11/13 streitgegenständliche Verfügung zur vorläufigen Dienstenthebung. Nachdem die Fehlerhaftigkeit dieser Verfügung aufgrund fehlender Zuständigkeit erkannt wurde, erließ der Antragsgegner die hier streitbefangene Verfügung vom 05.06.2013 zur vorläufigen Dienstenthebung und ersetzte die Verfügung des B… vom 08.05.2013. Dabei ist die rechtliche Problematik der „Ersetzung“ der Verfügung des  B... in diesem gerichtlichen Verfahren nicht streitgegenständlich zu führen. Denn diese Überprüfung wird in dem gerichtlichen Verfahren 8 B 11/13 vorgenommen. Dort hat der Landrat des  B... nunmehr die Verfügung aufgehoben.

45

2.) Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Der Antragsgegner stützt sich erkennbar mit selbständigen Begründungen auf beide Voraussetzungen.

46

Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme (OVG LSA, B. v. 07.05.2010, 10 M 2/10; juris). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.

47

Die auf § 38 Abs. 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu: Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; zuletzt: Beschl. v. 15.07.2013, 8 B 10/13; OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13; alle juris).

48

a.) Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden.

49

Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120; Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des – noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

50

Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere – Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige – evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 15.07.2013, 8 B 10/13, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

51

b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach der Schwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

52

Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der - späteren - Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

53

Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. nur: VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

54

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

55

3.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen folgt die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen, sich aus der Begründung der Suspendierung und dem Aktenmaterial ergebenden Sach- und Rechtsstand der von dem Antragsgegner angestellten Prognoseentscheidung, dass mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Antragsteller ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches aufgrund des damit einhergehenden Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu seiner Entfernung aus dem Dienst führen wird.

56

a.) Der Antragsgegner begründet die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich damit, dass der Antragsteller durch seine Äußerungen und sein Verhalten gegen die ihm obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten nach §§ 33 Abs. 1 Satz 3 (Verfassungstreue) und 34 Satz 3 (Wohlverhaltenspflicht) BeamtStG verstoßen habe.

57

Für die disziplinarrechtliche Beurteilung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob das vorgeworfene Verhalten Straftatbestände (§§ 130, 189 StGB) erfüllt. Ein Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 BeamtStG liegt bereits vor, wenn ein Beamter schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt. Eine Dienstpflichtverletzung kann daher bereits dann gegeben sein, wenn der strafrechtliche Unrechtsgehalt nicht erfüllt wird. Denn das Disziplinarecht ist auf Pflichtenmahnung aufgrund der Besonderheiten des Status als Beamter angelegt (vgl.: VG Magdeburg, Urteil v. 29.03.2012, 8 A 9/09; juris).

58

Die dem Antragsteller vorgehaltenen Handlungen und insbesondere die schriftlichen Äußerungen, die zudem auf seiner Homepage im Internet öffentlich verbreitet wurden, sind geeignet, seine beamtenrechtliche Pflichten zur Verfassungstreue und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes zu verletzen. Dabei handelt es sich auch um innerdienstliche Pflichtverletzungen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG), was den Vorwurf verschärft. Denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG. U. v. 12.03.1986, 1 D 103.84; Bayr. VGH, U. v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; VG Berlin, B. v. 05.04.2007, 80 Dn 53.06; alles juris).

59

b.) Für den Tatbestand der Ansehensschädigung ist es ausreichend, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist, so dass eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht erforderlich ist (BVerwG, U. v. 08.05.2011, 1 D 20.00; BVerfG, B. v. 05.12.2008, 1 BvR 1318/07; LAG Rheinland-Pfalz, U. v. 16.12.2010, 10 Sa 308/10; VG Magdeburg, Urteil v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; alle juris).

60

c.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 22.05.1975, 2 BvL 13/73; juris) setzt die - für jede Art von Beamtenverhältnis geltende - Verfassungstreue bei Beamten mehr als nur eine formal-korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle sowie innerlich distanzierte Haltung gegenüber den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes voraus. Vielmehr ist der Beamte zur Aktivität verpflichtet, wie sich aus den Worten „bekennen“ und „eintreten“ ergebe. Das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, stellt dagegen keine Verletzung der politischen Treuepflicht dar. Der Tatbestand ist erst erfüllt, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerwG, Beschluss v. 17.05.2001, 1 DB 15/01; VG Münster, Urteil v. 19.02.2013, 13 J 1160/12.O; beide juris). Die daraus resultierende Pflicht umfasst auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Dabei darf sich der Beamte nicht passiv verhalten, da dies als stillschweigende Billigung des verfassungsfeindlichen Verhaltens gewertet werden könnte.

61

Ein Beamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtenden Beamtenschaft insoweit gehalten, zu vermeiden, dass er durch sein Verhalten in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise den Anschein setzt, sich mit dem Nationalsozialismus selbst oder Kräften zu identifizieren oder auch nur mit ihnen zu sympathisieren, die der Nationalsozialismus durch geschichtlichen Revisionismus verharmlosen und verherrlichen. Denn im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Bestrebungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung dar. Diese Annahme ist ohne Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Unschuldsvermutung dann möglich, wenn das „den bösen Schein“ begründende Verhalten geeignet ist, die Akzeptanz oder Legitimation staatlichen Handelns zu beeinträchtigen (vgl. VG Berlin, B. v. 25.10.2006, 7 A 79.06 zum Fall der Verbreitung einer rechtsradikalen Musik-CD; juris). Pflichtwidrig handelt zwar also auch der, der kein Gegner der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber diesen Anschein hervorruft (BVerwG, B. v. 17.05.2001, 1 DB 15.01; VG Berlin, B. v. 05.04.2007, 80 Dn 43.06; beide juris).

62

Die Leugnung des nationalsozialistischen Massenmordes an europäischen Juden in Gaskammern deutscher Konzentrationslager sowie die Behauptung die diesbezüglichen deutschen Verbrechen seien Lügen, verharmlost und verherrlicht den Nationalsozialismus und ist unvereinbar mit der Pflicht eines Beamten, aktiv für die geltende Verfassungsordnung einzutreten. Hierzu hat bereits der Disziplinargerichtshof Niedersachsen im Urteil vom 23.07.1984 (NdA A12 6.82; zitiert bei Bay. Verwaltungsgerichtshof, U. v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; juris) ausgeführt:

63

„Die freiheitliche demokratische Grundordnung steht im scharfen Gegensatz zum Unrechtssystem des Nationalsozialismus. Die nähere Ausformung unserer Demokratie ist weitgehend geprägt durch die Erfahrungen mit dem vorangegangenen totalitären System. Der Einbau wirksamer rechtlicher Sicherungen dagegen, dass solche politischen Richtungen jemals wieder Einfluss auf den Staat gewinnen, beherrscht das Denken des Verfassungsgebers. Wer die vorangegangene Gewaltherrschaft zu rechtfertigen oder zu entschuldigen versucht, der untergräbt zugleich die Grundlagen unserer demokratischen Staatsordnung. Er bereitet damit den „Nährboden“ für eine Widerbelebung von totalitären Anschauungen, an der rechtsextremistischen Kreisen gelegen ist. Der von Hitler angeordnete systematische Massenmord an den Juden ist eines der zentralen Themen der Rechtsradikalen, da er das nationalsozialistische Regime am schwersten belastet. Kann die systematische Judenvernichtung als unwahr hingestellt oder die Bewertung als noch „in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung“ befindlich dargestellt werden, so ist die Bahn frei für Bestrebungen, den Nationalsozialismus zu rehabilitieren und als Alternative zur demokratischen Staatsform anzupreisen“.

64

Diese Ausführungen verdeutlichen auch aus heutiger Sicht den disziplinarrechtlichen Unrechtsgehalt derartiger NS-Propaganda.

65

d.) Für Dienstpflichtverletzungen der vorliegenden Art gibt es keine disziplinare Regelrechtsprechung, welche die Annahme der Entfernung aus dem Dienst prognostiziert. Denn die Handlungsbreite, in der Verletzungen der Pflicht zur Verfassungstreue und/oder eine Ansehensschädigung denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf Achtung und Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden könnten. Zu betrachten sind daher stets die besonderen Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung der Disziplinargerichte (VG Berlin, B. v. 05.04.2007, 80 Dn 43/06; juris).

66

So hat das Verwaltungsgericht Magdeburg bezüglich eines beamtenrechtlichen Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte wegen der Äußerung eines Justizvollzugsbeamten: „Die kann man nicht mehr behandeln, die kann man nur noch vergasen“, eine Ansehensschädigung des Justizvollzugsdienstes und des gesamten Berufsbeamtentums angenommen (B. v. 16.11.2009, 5 B 279/09 MD, bestätigt durch OVG LSA, B. v. 22.12.2009, 1 M 87/09; beide juris). In seinem Urteil vom 01.12.2011 (8 A 18/10 MD; juris) stellt die Disziplinarkammer fest, dass auch ein Nichteinschreiten eines ehrenamtlichen Bürgermeisters gegen eine in seinem Beisein vorgenommene Handlung des Straftatbestandes der Volksverhetzung (Sommersonnenwendfeier, Bücherverbrennung) eine beamtenrechtliche Pflichtenverletzung hinsichtlich des Wohlverhaltens darstellen kann und wegen der Besonderheiten im Einzelfall keine Entfernung ausgesprochen. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat in einem Urteil vom 15.04.2010 (10 L 4/09; n. v.) hinsichtlich eines Polizeivollzugsbeamten, welcher zu einem Angelausflug unter der Überschrift „Operation Weserübung“ (Tarnname für den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Norwegen), eingeladen hat die vom erkennenden Disziplinargericht (Urteil v. 10.11.2009, 8 A 11/09 MD; n. v.) festgestellte Ansehensschädigung bestätigt, die ausgesprochene Degradierung aber in eine Gehaltskürzung abgemildert. Zuletzt hat das Disziplinargericht entschieden, dass die Äußerung eines Polizeibeamten „halte die Hand wie beim bösen Adolf“ bei der erkennungsdienstlichen Behandlung wegen der damit bezweckten Assoziation zum Hitlergruß eine Ansehensschädigung des Berufs der Polizeibeamten darstellt und der Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht mit einer Geldbuße belegt werden darf (VG Magdeburg, Urteil v. 23.01.2013, 8 A 21/12; juris).

67

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Fall eines Lehrers (U. v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; juris), nachdem er bereits wegen Verharmlosung des Nationalsozialismus disziplinarrechtlich mit einer Degradierung belastet war aufgrund der Vorbelastung und dem Wiederholungsfall und nach Feststellung völliger Uneinsichtigkeit die Entfernung aus dem Dienst verhängt. Hinsichtlich der Berufsgruppe der Polizeibeamten sind vorwiegend disziplinarrechtliche Entscheidungen mit dem Disziplinarmaß der Zurückstufung bzw. Degradierung unter Berücksichtigung des Vorliegens von Entlastungs- und Milderungsgründen zu finden (vgl. Bay. VGH, U. v. 11.07.2007, 16 a D 06.2094 mit Bestätigung des VG München, U. v. 26.06.2006, M 19 D 06.1360; beide juris).

68

Das Bundesverwaltungsgericht hob die vorläufige Dienstenthebung eines BGS-Beamten (Beschluss vom 17.05.2001, 1 DB 15/01; juris) auf, weil eine Entfernung aus dem Dienst allein wegen des Verstoßes gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht nicht in Betracht kommt.

69

Der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat in dem Beschluss vom 18.11.2003 (2 WDB 2.03; juris) die vorläufige Dienstenthebung wegen des Einbringens zahlreichen NS-Propagandamaterials in dienstliche Einrichtungen und Unterkünfte aufrechterhalten.

70

Das Verwaltungsgericht Münster beschäftigte sich jüngst im Urteil vom 19.02.2013 (13 K 1160/12.0; juris) mit der beamtenrechtlichen Verfassungstreuepflicht und der Wohlverhaltenspflicht bei der Teilnahme an der „Rechten Szene“ zuzuordnenden Veranstaltungen und verweist auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit des Beamten, was bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen ist.

71

Auch das VG Berlin sah in dem Beschluss vom 05.04.2007 (80 D n 43/06; juris) aufgrund des Vorliegens von Entlastungs- und Milderungsgründen bei einem Polizeibeamten trotz des disziplinarrechtlichen Pflichtenverstoßes Milderungsgründe, die den Ausspruch der Höchstmaßnahme nicht erwarten ließen, so dass die vorläufige Dienstenthebung aufgehoben wurde.

72

e.) Unter Berücksichtigung dieser in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung zu findenden Fallgestaltungen und der hier im Einzelfall erforderlichen Abwägung sieht das Disziplinargericht die nach § 61 Abs. 2 DG LSA zur Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung führenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht. Denn die vom Antragsgegner getroffene Prognose der späteren - im Übrigen vom Disziplinargericht auszusprechenden - Dienstentfernung begegnet keinen ernstlichen Zweifeln und hält der gerichtlichen Überprüfung stand. Die Verfügung zur vorläufigen Dienstenthebung erscheint nicht als verfrüht und wird von den bisherigen disziplinarrechtlichen Ermittlungen und sonstigen tatsächlichen Erkenntnissen getragen. Zwar müssen gerade schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen die den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme rechtfertigen, einen sorgfältigen Ermittlungs- und Begründungsaufwand genügen, zumal diese schließlich am Ende der Ermittlungen zur Disziplinarklage führen sollen. Das Disziplinargericht weist aber darauf hin, dass in dem jetzigen Stadium der vorläufigen Dienstenthebung das Dienstvergehen gerade noch nicht bewiesen sein muss (vgl. oben II. 2. a.)

73

So reichen die dem Antragsteller vorgehaltenen Äußerungen bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus, um mit der hinreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit die Prognose anzunehmen, dass bei Weiterermittlung im disziplinarrechtlichen Verfahren und unter Verwendung aller diesbezüglichen Aufklärungsmöglichkeiten sowie unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung herausgestellten besonderen Bedeutung der Entlastungs- und Milderungsgründe tatsächlich die Entfernung aus dem Dienst ansteht. Ohne jeden Zweifel haben sich die Überzeugungen des Antragstellers in nachdrücklich vertretenen ablehnenden Einstellungen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung manifestiert. Dabei sind jedenfalls derzeit keine gewichtigen Milderungs- und Entlastungsgründe erkennbar, die eine andere Prognose zu rechtfertigen vermögen. Zudem hat sich der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren über die Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Verfügung hinaus nicht geäußert, so dass seine Motivation nur aus seinen behördlichen Stellungnahmen und seiner Artikulation in seinem Blog selbst abgeleitet werden kann.

74

Ausweislich seines auf seiner inzwischen gesperrten Homepage veröffentlichten „Programms“ und seiner Stellungnahmen im Disziplinarverfahren sieht er sich zwar (nur) als „Aufklärer“ der von ihm zahlreich gesehenen politischen und gesellschaftlichen „Missstände“ in Deutschland und zieht Parallelen zu üblichen und undemokratischen Handlungen in der Ukraine, Russland oder China. Zugleich glorifiziert er die NPD, kandidierte für diese und trat aus der SPD, zu deren Gründungsmittgliedern er in Sachsen-Anhalt zählte, aus. Dabei bedient er sich dem Gedankengut nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehender rechtspopulistischer Parteien und Bestrebungen, obwohl er sich selbst als Demokrat bezeichnet und insbesondere demokratische Strukturen anmahnt. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellung der genauen Anzahl der in Auschwitz von den Nationalsozialisten in den Gaskammern umgebrachter Juden. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Antragsteller die Vernichtung der Juden als Tatsache in Frage stellen will, sondern deren genaue Anzahl, um daraus den Beleg für die seiner Auffassung nach bestehende „Verlogenheit des Systems“ zu ziehen. Verheerend bei dieser Art der Publikation ist, dass etwaige historische Fehlinterpretationen – nämlich die genaue Anzahl der von den Nationalsozialisten vernichteten Menschen – und nicht das historisch belegte Vernichtungsprogramm herausgehoben werden. Dies ist geeignet, die Tatsache als solche – hier die systematische Vernichtung der Juden – in Frage zu stellen (Revisionismus). Der Antragsteller hingegen stellt in diesem Zusammenhang die Behauptung auf: „Für mich steht fest: Die seit der Kindheit gelernten deutschen Verbrechen sind Lügen!“ Gleiches gilt für seine Interpretationsversuche hinsichtlich der Hintergründe der Ermordung Walter Rathenaus oder dem Gedenken an Graf von Stauffenberg. Nahezu jedes politisch, historisch oder gesellschaftlich relevante Thema und jede daraus resultierende Person wird von dem Antragsteller unter seinem rechtspopulistischen Blickwinkel ausgiebig behandelt und bizarr verzehrt dargestellt. Diese Äußerungen sind auch nicht mehr als von der Meinungsfreiheit gedeckt anzusehen. Denn insoweit trifft den Beamten ebenso eine Zurückhaltungs- und Mäßigungspflicht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 04.03.2013, 3 A 10105/13; VG Münster, Urteil v. 19.02.2013, 13 K 1160/12.O; VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; alle juris).

75

Aufgrund solcher Äußerungen setzt der Antragsteller in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise zumindest und zweifellos den Anschein, sich mit dem Nationalsozialismus selbst oder Kräften zu identifizieren oder auch nur mit ihnen zu sympathisieren, die den Nationalsozialismus durch geschichtlichen Revisionismus verharmlosen und verherrlichen. Dabei handelt es sich bei den dem Antragsteller vorgehaltenen Äußerungen auch nicht nur um einmalige oder hinsichtlich der Zeitspanne kurzfristige Ausrutscher oder aus dem Zusammenhang gerissene Zitate. Denn schon das Studium der dem Disziplinargericht vorliegenden Inhalte des vom Antragsteller betriebenen Blogs auf seiner Homepage belegen über die von der Suspendierungsverfügung als Belege herausgegriffenen Äußerungen des Antragstellers hinaus, die durchgehende, über einen längeren Zeitraum erfolgte und ausnahmslose Artikulierung des Antragstellers in dem Sinne, nicht für die in § 33 Abs. 1 Satz 3 (freiheitlich-demokratische Grundordnung) und § 34 Satz 3 BeamtStG (Ansehen und Wohlverhalten) beschriebenen Dienstpflichten einstehen zu wollen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller ausweislich seiner Stellungnahme im Ermittlungsverfahren angezeigt hat, keine Zurückhaltung üben zu wollen. Gemäß der Vorgehensweise rechtspopulistischer Bestrebungen äußert sich der Antragsteller bei jeder sich bietenden Gelegenheit unter Verwendung aller möglichen Medien, um so sein Gedankengut zu verbreiten. Der gesamte Blog und nahezu jede Äußerung innerhalb des Chats kann hierzu als Beleg herangezogen werden. Auszugsweise sei über die Ausführungen in dem Suspendierungsbescheid nur ergänzend genannt (18.10.2012):

76

„Die NeoNazis sind doch die Einzigen in Deutschland, die dieses land und seine Kultur am Leben erhalten wollen – Sie scheindeutscher Falschmünzer! Seit Jahrzehnten und entgegen dem erbitterten Widerstand Ihres Mainstreams. Und darum kann und muss jeder aufrechte und vernünftige Deutsche sie unterstützen. DAS ist wirklich alternativlos!“.

77

Aufgrund derartiger Handlungen und Äußerungen wird der Antragsteller fortgesetzt nicht dem Vertrauen als aktiver Verteidiger der verfassungsgemäßen Ordnung gerecht, welches ihm von seinem Dienstherrn aber auch und gerade von der Allgemeinheit zur Ausübung seines Amtes entgegen gebracht wurde. Dies gilt auch unter Beachtung der Tatsache, dass der Antragsteller in das Amt des Ortsbürgermeisters gewählt wurde. Denn als Repräsentant seines Ortes und Vertreter staatlicher Ordnung verletzt er vehement und stetig seine politische Treuepflicht und begeht zudem eine Schädigung des Ansehens des Amtes des Ortsbürgermeisters. In diesen Fällen kommt disziplinarrechtlich die Lösung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht.

78

d.) Hingegen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Prognoseentscheidung nicht auf eine angeblich vom Antragsteller verfasste E-Mail an den NPD-Landesvorsitzenden … gestützt werden, wonach der Antragsteller unter Ausnutzung seines Amtes als Ortsbürgermeister die zur Verfügungstellung eines Veranstaltungsraumes in seinem Ort bzw. der Gemeinde in Aussicht gestellt habe. Denn das Verfassen dieser E-Mail wird vom Antragsteller bestritten und als Fälschung bezeichnet. Dem ist im Ermittlungsverfahren weiter nachzugehen und kann nicht als bloße Schutzbehauptung abgetan werden. Denn bei der in dem Disziplinarvorgang enthaltenen E-Mail handelt es sich nicht um die Original Nachricht, sondern ausweislich der Kennung um eine auf der Homepage der „Tageszeitung“ publizierten Veröffentlichung. Auch ist nicht ersichtlich, wie der Antragsgegner in den Besitz der E-Mail gelangt ist.

79

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Das Gericht kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Für den Fall des Ausbleibens kann es Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen androhen. Bei schuldhaftem Ausbleiben setzt das Gericht durch Beschluß das angedrohte Ordnungsgeld fest. Androhung und Festsetzung des Ordnungsgelds können wiederholt werden.

(2) Ist Beteiligter eine juristische Person oder eine Vereinigung, so ist das Ordnungsgeld dem nach Gesetz oder Satzung Vertretungsberechtigten anzudrohen und gegen ihn festzusetzen.

(3) Das Gericht kann einer beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Behörde aufgeben, zur mündlichen Verhandlung einen Beamten oder Angestellten zu entsenden, der mit einem schriftlichen Nachweis über die Vertretungsbefugnis versehen und über die Sach- und Rechtslage ausreichend unterrichtet ist.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarverfügung, womit gegen den Kläger wegen eines Dienstvergehens die Kürzung seiner Dienstbezüge in Höhe von einem Zehntel für die Dauer von sechs Monaten verhängt wurde.

2

Der Kläger ist Volljurist und seit dem 01.09.2008 Kanzler der … Universität in C-Stadt (BesGr. B 2 BBesO). Nach § 71 Abs. 3 Hochschulgesetz Sachsen-Anhalt (HSG LSA) wird der Kanzler für die Dauer von acht Jahren zum Beamten auf Zeit ernannt. Die während des Disziplinarverfahrens vom Dienstherrn betriebene beamtenrechtliche Abordnung und Versetzung des Klägers wurde letztendlich gerichtlich aufgehoben (vgl. VG Magdeburg, Urteil v. 13.12.2011, 5 A 56/11 MD und 5 B 26/11 MD, Beschluss des OVG LSA vom 24.04.2012, 1 L 31/12, juris).

3

Mit der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 16.03.2011 des Kultusministeriums wird dem Kläger vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er am 13.03., 08.05., 27.10. und 02./03.12.2009 Dienstfahrzeuge der Universität zu privaten Zwecken genutzt habe. Dadurch habe er gegen seine Pflichten aus §§ 34, 35 Satz 2 Beamtenstatutsgesetz (BeamtStG) und § 42 Satz 2 der Landeshaushaltsordnung (LHO) i. V. m. den einschlägigen Richtlinien über die Haltung und Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen (Kraftfahrzeugrichtlinien-KfzR) und den dazu ergangenen universitären Festlegungen (Fuhrparkordnung, Rundschreiben) verstoßen. Den Pflichtenverstoß habe er vorsätzlich begangen. Denn als Volljurist und in seiner Funktion als Kanzler und Beauftragter für den Haushalt der Universität sei ihm hinlänglich bekannt, dass Dienstkraftfahrzeuge grundsätzlich nur zur Durchführung dienstlicher Zwecke genutzt werden dürften.

4

Weiter wird dem Kläger vorgehalten, Mitarbeiterinnen gemobbt, verbal und sexuell belästigt zu haben. Dadurch habe er gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG vorsätzlich und schuldhaft verstoßen. Er habe sich der Zeugin D. über einen längeren Zeitraum hinweg körperlich genähert, sie verbal belästigt und unmittelbar deren Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz betrieben, als sie dem vom Kläger bei einem gemeinsamen Mittagessen am 02.03.2010 geäußerten Wunsch nach „mehr persönlicher Nähe“ nicht entsprochen habe. Auch die Zeugin E. habe bestätigt, dass der Kläger sich ihr ähnlich genähert und sie belästigt habe. Die Grenze zur Pflichtwidrigkeit sei überschritten, wenn ein Beamter gegenüber weiblichen Bediensteten trotz deren eindeutig ablehnender Haltung aus sexuellen Gründen zudringlich werde. Der Kläger habe bewusst während des Dienstes körperlichen Kontakt zu den genannten Zeuginnen gesucht und sie wiederholt umarmt sowie bewusst durch Bemerkungen sexuellen Inhalts belästigt. Gegenüber der Zeugin D. habe der Kläger geschlechtsbezogene Äußerungen und Anspielungen in Bezug auf deren Kleidung getätigt. Dieses Verhalten sei von den Zeuginnen für den Kläger eindeutig erkennbar ausdrücklich verbal und durch Körpersprache abgelehnt und von ihnen als verletzend empfunden worden. Insbesondere die Zeugin D. habe psychisch gelitten. Ein Beamter, der innerhalb des Dienstes Mitarbeiterinnen sexuell belästige, beeinträchtige erheblich sein Ansehen und das der Beamtenschaft, störe erheblich den Dienstfrieden und verletze in schwerwiegender Weise die Würde und Ehre der Betroffenen.

5

Den gegen die Disziplinarverfügung eingelegten Widerspruch wies das vormals zuständige Kultusministerium mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2011 mit den Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.

6

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarverfügung. Das Disziplinarverfahren sei bereits verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden. Neben der gegen den Kläger betriebenen beamtenrechtlichen Abordnung und Versetzung sei das Disziplinarverfahren Teil der Mobbing-Kampagne gegen den Kläger, so dass ein objektives, faires und vor allem gesetzeskonformes Disziplinarverfahren nicht geführt worden sei.

7

Dem Kläger sei keine vollständige Akteneinsicht durch den Ermittlungsführer gewährt worden. Der am 09.06.2010 zur Akteneinsicht übersandte Disziplinarvorgang sei unvollständig gewesen. Es habe dort die gesamte Korrespondenz zwischen dem AL 4 des Beklagten, Dr. … und dem Bevollmächtigten des Klägers im Zeitraum vom 01.04.2010 bis etwa zum 18.05.2010 und insbesondere das Protokoll über die Besprechung am 15.04.2010 gefehlt. Aufgrund fehlender nachvollziehbarer Unterlagen sei nicht feststellbar, auf welcher Tatsachengrundlage das Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei. Es sei insbesondere nicht erkennbar, welche Informationen für die Einleitungsverfügung vom 26.05.2010 ursächlich gewesen seien. Aufgrund des Vermerkes des späteren Ermittlungsführers von etwa Mitte April 2010, wonach „die Gewissheit“ für Dienstvergehen, begründe sich die Befangenheit des Ermittlungsführers, so dass dieser als ungeeignet anzusehen sei und gar nicht zum Ermittlungsführer hätte bestellt werden dürfen. Zudem habe der Ermittlungsführer weitere Verfahrensfehler begangen. In den Zeugenladungen seien das Beweisthema nicht angegeben worden. Dem Kläger und seinem Bevollmächtigten seien die Teilnahme an der Zeugenvernehmung nicht gestattet worden. Das Anwesenheits- und Fragerecht nach § 24 Abs. 4 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) könne nicht gegen ein nachträgliches Anhörungsrecht nach § 30 DG LSA ausgehebelt werden. Beide Rechte hätten unterschiedliche Zielsetzungen. Dem Wunsch des Bevollmächtigten nicht zu entsprechen, die Zeugenvernehmungen an einem Tag wegen der Anreise aus A-Stadt vorzunehmen, sei eine bewusste Schikane. Die Zeugin D. und der Zeuge Z. seien zum sog. IKAM-Projekt befragt worden, obwohl dies nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens gewesen sei. Schließlich würden die Protokolle über die vom Ermittlungsführer vernommenen Zeugenaussagen nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 28 DG LSA genügen. Es fehle an den zwingend in § 168 a Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Angaben, so dass die stereotypische Angabe „Auf Frage“ nicht genüge.

8

Diese auf der Befangenheit des Ermittlungsführers beruhenden Verfahrensfehler führten zur Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung. Auch der Widerspruchsbescheid habe diese Verfahrensfehler nicht geheilt. Zudem habe der Staatssekretär im Kultusministerium als Widerspruchsbehörde seinen eigenen Ausgangsbescheid überprüft.

9

Die fehlerhaften Beweiserhebungen könnten auch nicht im Gerichtsverfahren geheilt werden. Denn das Recht auf Beweisteilhabe nach § 24 Abs. 4 DG LSA gehe inhaltlich weit über den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren hinaus. Die zwingend notwendig gewesene Teilnahme des Klägers an den Zeugenvernehmungen im behördlichen Verfahren könnten im Gerichtsverfahren nicht nachgeholt werden.

10

Hinsichtlich der vorgehaltenen Nutzung der Dienstkraftfahrzeuge zu privaten Zwecken sei festzustellen, dass dies in zahllosen Fällen auch bei anderen Mitgliedern der Universität genau so gewesen sei und der Dienstherr nur bei dem Kläger die Kostenerstattung und eine disziplinarrechtliche Ahndung vornehme. Die vorgeworfenen Fahrten ließen die seinerzeit bei dem Kläger bestandenen persönlichen und beruflichen Umstände außer Betracht. Der als Kanzler viel beschäftigte Kläger sei aus wirtschaftlichen und persönlichen Gründen gezwungen gewesen, in A-Stadt und C-Stadt neue Wohnungen zu finden. Insoweit habe er sich in seinen Mittagspausen zu einem Wohnungsbesichtigungstermin fahren lassen, um seine Dienstgeschäfte nicht unnötig lange unterbrechen zu müssen. Er sei auch auf das Angebot zurückgekommen, ein Schlafsofa von A-Stadt nach C-Stadt transportieren zu lassen. Die Nutzung des Dienstfahrzeuges zu einem Termin als ehrenamtlicher Richter des Landesozialgerichts A-Stadt-B. sei rechtmäßig gewesen. Denn der Kläger habe die Fahrt zugleich für ein Personalvorstellungsgespräch mit einer ehemaligen Kollegin der Filmhochschule Babelsberg genutzt. Die Filmhochschule liege nur wenige hundert Meter vom Gerichtsgebäude entfernt. Die Nutzung der Bahn sei nicht möglich gewesen, da am selben Abend ein Termin der Staatskanzlei stattgefunden habe.

11

Die Vorwürfe des Mobbing und der sexuellen Belästigung der Zeuginnen D. und E. beruhten auf Unterstellungen und den bereits gerügten formellen Fehlern. In der Disziplinarverfügung sei nicht hinreichend herausgearbeitet, welches konkrete Verhalten des Klägers zu der in § 3 Abs. 4 AGG definierten sexuellen Belästigung geführt hätten. Der Kläger bestreite mit Nachdruck jedwedes Mobbing und jedwede sexuelle Belästigung der Zeuginnen D. und E., welche nach immerhin eineinhalbjähriger Zusammenarbeit erfolgt sein sollten. Hingegen hätten dienstliche Spannungen ohne jedweden sexuellen Bezug vorgelegen.

12

Neben dem Zeitfaktor und der unbeanstandeten eineinhalbjährigen Zusammenarbeit und der plötzlichen Erhebung der Vorwürfe während der unfallbedingten Dienstunfähigkeit des Klägers, sei festzustellen, dass die Verhaltensweisen des Klägers bei Besprechungen und bei einer Fortbildungsveranstaltung in Gegenwart von Dritten vorgenommen seien. Diese Dritten seien jedoch nicht erwähnt oder vernommen worden.

13

Die Zeugin D. sei unglaubwürdig und wolle dem Kläger schaden. Dies werde auch dadurch ersichtlich, dass sie in der Zeugenvernehmung, obwohl nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens, zu dem sog. IKAM-Projekt ausgesagt habe.

14

Der Kläger beantragt,

15

die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2011 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen

18

und verteidigt als nach dem 19.04.2011 zuständige Behörde die Disziplinarverfügung und die darin vorgehaltenen Pflichtenverstöße.

19

Die vom Kläger bemängelten Verfahrensfehler seien nicht gegeben. Die Akteneinsicht sei vollständig gewährt worden. Die Korrespondenz mit dem AL 4, Dr...., sei kein Bestandteil der Disziplinarakte gewesen. Zudem habe der Kläger diese Korrespondenz selbst geführt. Eine Voreingenommenheit des Ermittlungsführers sei nicht ersichtlich. Der Vermerk des Ermittlungsführers über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sei der damaligen summarischen Prüfung geschuldet gewesen. Der Ermittlungsführer habe den Klägervertreter mit Schreiben vom 26.07.2010 die Protokolle über die Vernehmungen der Zeugen übersandt. Ein eventueller Verstoß gegen die Beweisteilhabe sei somit nach den Grundsätzen der Rechtsprechung jedenfalls geheilt. Denn der Kläger habe somit Gelegenheit gehabt, dazu Stellung zu nehmen und ergänzende Beweisanträge zu stellen, wovon er jedoch keinen Gebrauch gemacht habe. Nach § 24 Satz 2 DG LSA könne der Beamte von der Teilnahme an der Beweiserhebung ausgeschlossen werden, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Ermittlungen oder zum Schutz der Rechte Dritter erforderlich sei. Diese Gefahr habe vorliegend bestanden. Denn Gegenstand der Zeuginnenvernehmungen sei insbesondere das Verhalten des Klägers als Vorgesetzter ihnen gegenüber gewesen. Dies habe der Ermittlungsführer nachvollziehbar begründet und dem Klagevertreter mitgeteilt. Aus der tatsächlichen Vornahme der Zeugenvernehmungen an mehreren Tagen könne keine Schikane dem Kläger oder seinem Vertreter gegenüber gesehen werden. Von der Zeugenvernehmung P. sei der Kläger nicht ausgeschlossen worden. Richtig seien die Vorgänge zum sog. IKAM-Projekt nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens. Wenn jedoch einzelne Zeugen von sich aus darauf zu sprechen kämen um das Verhalten des Klägers in bestimmten Situationen zu illustrieren oder Persönlichkeitsaspekte zu verdeutlichen, sei dies als Teil der Zeugenaussage zu protokollieren. Schließlich sei die Protokollierung der Zeugenaussagen gem. § 28 DG LSA i. V. m. § 168 a StPO nicht zu beanstanden. Die Angabe in Protokollen „Auf Frage“ sei allgemein üblich und auch nicht zu beanstanden.

20

Der Kläger erwidert: Der Ausschluss des Klägers von der Zeugenvernehmung der Zeuginnen D. und E. mit der Begründung diese zu schützen, sei nicht nachvollziehbar. Denn diese hätten durchaus nach Alter und Persönlichkeit und ihrer beruflichen Stellung die Situation verkraften können. Sogar Opfern von Kapitalverbrechern werde zugemutet, in der gerichtlichen Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten auszusagen. Die Zeugin D. werde als „ausgesprochen belastbar und außerordentlich fähige Mitarbeiterin“ sowie als „selbstbewusste Kollegin“ beschrieben. Eine Zeugin mit einem derartigen Persönlichkeitsbild werde mit Sicherheit „nicht psychischen Auswirkungen“ bei einer Zeugenvernehmung in Anwesenheit des Klägers ausgesetzt sein.

21

Eine Heilung der fehlerhaften Beweisaufnahme durch Übersendung der Vernehmungsprotokolle sei so der Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Der rechtswidrige Ausschluss des Beamten von seinem Anwesenheits- und Fragerecht bei der Zeugenvernehmung im Verwaltungsverfahren sei nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.12.2005 (2 A 4/04) allenfalls heilbar im Klageverfahren durch Teilnahme des Beamten an der Beweisaufnahme des Gerichtes (so auch BVerwG, U. v. 27.01.2011, 2 A 5/09 ).

22

Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeuginnen D. und E. in der mündlichen Verhandlung über das dem Kläger vorgeworfenen Verhalten ihnen gegenüber und durch Vernehmung des Zeugen G. über die Umstände der Nutzung dienstlicher Personenkraftwagen Beweis erhoben. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie den der Verfahren 5 B 26/11, 5 A 56/11 und 1 L 31/12 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitbefangene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

25

1.) Die Disziplinarverfügung ist nicht bereits aufgrund der vom Kläger gerügten Verfahrensfehler aufzuheben. Denn diese liegen nicht vor bzw. sind geheilt oder sind als reine Ordnungsvorschriften unerheblich. Es liegt kein Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens vor.

26

Ein schwerer Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens liegt vor, wenn gegen eine Verfahrensvorschrift verstoßen worden ist, deren Verletzung schwerwiegend und für den Ausgang des Verfahrens (noch) von Bedeutung ist. Ein schwerwiegender Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Rechte eines Verfahrensbeteiligten wesentlich beeinträchtigt worden sind oder wenn der Verfahrensverstoß den Zweck einer Formvorschrift wesentlich vereitelt; wenn eine vom Gesetzgeber als zwingend ausgestaltete Verfahrensvorschrift, d. h. nicht nur eine reine Ordnungsvorschrift, nicht beachtet wurde. Das Gericht darf eine solche zwingende Vorschrift nicht dadurch "leerlaufen" lassen, dass es ihre Nichtbeachtung als für das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens unerheblich einstuft. Vielmehr ist es Aufgabe des Gerichts, die Nachholung einer unterbliebenen Verfahrenshandlung, soweit es das Verfahrensrecht zulässt, herbeizuführen (vgl. BVerwG, Beschluss v. 31.01.2012, 2 WD 4.11; Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; Urteil v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Beschluss v. 18.11.2008, 2 B 63.08; alle juris).

27

Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (BVerwG, Urteil v. 24.06.2010, 2 C 15.09; juris).

28

a.) Soweit der Kläger rügt, dass in der Disziplinarakte nicht die gesamte Korrespondenz zwischen dem AL 4 und dem Bevollmächtigten des Klägers vorhanden sei, führt dies nicht zu einer Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht nach § 20 Abs. 4 DG LSA. Die Disziplinarakte ist nicht etwa unvollständig. Denn diese Korrespondenz wurde vom Kläger selbst geführt, so dass bereits nicht ersichtlich ist, weshalb Rechte des Klägers verletzt sein sollten. Soweit der Kläger anscheinend darauf anspielt, dass diese Korrespondenz, die auf Vermeidung eines Disziplinarverfahrens und einer gütlichen Beilegung gerichtet war, deswegen nicht in den Disziplinarvorgang aufgenommen worden sei, um sich von einer Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht abhalten zu lassen, ist dies nicht hinreichend nachvollziehbar. Damit ist jedenfalls kein Recht auf Akteneinsicht verletzt. Es geht in diesem Zusammenhang auch nicht darum, dass Geheimakten geführt oder die Einsicht darin verweigert wurde (vgl. zu einem ähnlichen Fall: BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris).

29

b.) Das behördliche Disziplinarverfahren ist formgerecht eingeleitet worden. Entscheidend und gerichtlich nachprüfbar hinsichtlich des behördlichen Disziplinarverfahrens ist nur, ob die Einleitung disziplinarrechtlicher Ermittlungen im Sinne des Disziplinargesetzes angezeigt war und vermerkt wurde. Dies ist durch die Verfügung vom 19.05.2010 und der Mitteilung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens an den Kläger unter dem 26.05.2010 rechtsfehlerfrei geschehen.

30

Zuständig für die Einleitung ist gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 DG der Dienstvorgesetzte des Beamten. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 DG LSA ist die Einleitung aktenkundig zu machen. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 DG LSA ist der Beamte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten. Da auch keine gesetzlichen Formerfordernisse für den Aktenvermerk bestehen, ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der zuständige Dienstvorgesetzte in der Disziplinarakte vermerkt, wenn er die Entscheidung über die Einleitung getroffen hat. Aus den Vermerken müssen sich die inhaltlich unmissverständliche Entscheidung und die Verantwortlichkeit des Dienstvorgesetzten hierfür ergeben. Dieser muss sich den Einleitungsvermerk jedenfalls zu Eigen gemacht haben (BVerwG, Beschluss v. 18.11.2008, 2 B 63.08; juris). Dies hat Staatssekretär … durch Abzeichnung mit Rotstift und ausweislich des Vermerkes des Ermittlungsführers … vom 21.05.2010 unzweifelhaft getan (Beiakte A, Bl. 65).

31

Die Vorschrift setzt am Legalitätsprinzip an (BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Danach muss der Verdacht eines Dienstvergehens hinreichend konkret sein und bloße Vermutungen sind nicht ausreichend. Dadurch soll die Sachaufklärung sichergestellt werden. Ermittlungen nach § 17 DG LSA dürfen nur eingeleitet werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Das schließt Ermittlungen aus, durch die erst festgestellt werden soll, ob solche Tatsachen vorliegen. Es genügen also nicht bloße Vermutungen, Gerüchte oder ähnliches (zweifelhaft: anonyme Anzeige). Hinreichende Tatsachen können sich ergeben aus Hinweisen von Verwaltungsangehörigen, Aktenvorgängen, aber auch aus schriftlichen oder mündlichen Mitteilungen von Verwaltungsfremden. Die dem Dienstvorgesetzten bekannt gewordenen Tatsachen müssen den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, d. h., dass eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegen würde, wenn sich die verdächtigten Tatsachen als wahr erweisen würden. Der Verdacht bezieht sich zunächst also nur auf das Vorliegen einschlägiger Tatsachen, über die Rechtsfrage, ob die verdächtigte Tat auch den Tatbestand eines Dienstvergehens erfüllt, muss Gewissheit bestehen (vgl. Thüringer OVG, Urteil v. 06.11.2008, 8 DO 584/07; juris; zusammenfassend: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Auflage 2009, § 17, Rz. 5).

32

Richtig verweist der Kläger auf einen undatierten Vermerk des späteren Ermittlungsführers … (Bl. 18, Beiakte A). Daraus ist ersichtlich, dass ein Anfangsverdacht im Sinne des § 17 DG LSA vorgelegen hat. Auch wenn dort nicht explizit genannt ist, aus welchen „bislang vom MK übermittelten Unterlagen i. V. m. der Erörterung vom 25.03.2010“ sich der Verdacht eines Dienstvergehens ergibt, so ist in dem Vermerk doch hinreichend zum Ausdruck gebracht, was dem Kläger zur Last gelegt wird; nämlich die Nutzung des Dienstkraftfahrzeuges und die sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen. Aufgrund der aus den Akten und dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten ersichtlichen zeitlichen Geschehnisse im März 2010, ergeben sich die Tatsachen, die den Verdacht des Dienstvergehens rechtfertigten. Im Anschluss an das Mittagessen zwischen dem Kläger und seiner Mitarbeiterin, der Zeugin D., am 02.03.2010 betrieb der Kläger jedenfalls deren arbeitsplatzmäßige Umsetzung mit der Begründung ihrer Schlechtleistung. Darauf fand am 04.03.2010 ein als Moderation bezeichnetes Gespräch zwischen dem Kläger, der Zeugin D., Herrn …. und Frau … statt. Schließlich nahmen die Dezernenten die unter Teilnahme des Klägers und den Zeuginnen stattgefundene Dezernententagung am 11./12.03.2010 zum Anlass in einem gemeinsamen Brief an den Rektor die Zusammenarbeit mit dem Kläger zu problematisieren, ja aufzukündigen. Nachdem sich Rektor … in einer „Mail“ an den Kläger vom 12.03.2010 „entsetzt“ über die Vorkommnisse zeigte, eröffnete er dem Kläger während des Gesprächs am 15.03.2010 die mögliche Einleitung eines Disziplinarverfahrens aufgrund der Vorkommnisse. Schließlich fand am 18.03.2010 ein Gespräch mit der Konflikt- und Mobbingbeauftragten der Universität statt. Demnach zeigten sich „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ hinsichtlich des Verdachtes eines Dienstvergehens, die dem Kläger auch bekannt waren.

33

Die Voraussetzungen der Nichteinleitung eines Disziplinarverfahrens aufgrund Verjährung oder eines Maßnahmeverbotes (§§ 14, 15 DG LSA) lagen ebenso nicht vor (§ 17 Abs. 2 DG LSA).

34

c.) Weder aus § 168 a StPO noch aus sonstigen Verfahrensvorschriften ergibt sich, dass die „Frage“ im Protokoll aufzunehmen ist.

35

d.) Zutreffend ist der klägerische Vorwurf, dass der Ermittlungsführer in den ihm übermittelten Ladungen zu den Zeugenvernehmungen zwar die Namen der Zeugen aber nicht das Beweisthema angegeben hat. Nach § 24 Abs. 4 DG LSA ist dem Beamten Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie an der Einnahme des Augenscheins teilzunehmen und hierbei sachdienliche Fragen zu stellen (Rechte auf Beweisteilhabe). Der Beamte kann das ihm ausdrücklich eingeräumte Fragerecht aber nur dann sachdienlich wahrnehmen, wenn er sich auf die Vernehmung vorbereiten kann. Dies setzt voraus, dass er rechtzeitig erfährt, worum es in der Beweisaufnahme voraussichtlich geht. Hierfür müssen ihm rechtzeitig vor einer Zeugenvernehmung die Namen der Zeugen und die Beweisthemen genannt werden. Dies fordert auch der Anspruch des Beamten auf ein faires Disziplinarverfahren (BVerwG, U. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; B. v. 18.11.2008, 2 B 63.08; beide juris).

36

Es mag dahinstehen, ob dieser mögliche Verfahrensfehler tatsächlich besteht. Denn dem Kläger war durch die Einleitungsverfügung hinlänglich bekannt, welche Disziplinarvorwürfe ihm gemacht werden und welche Personen diesbezügliche zeugenschaftliche Aussagen machen können, sodass die Angabe des Beweisthemas überflüssig erscheinen mag.

37

Den Ausschluss des Beamten von der Anwesenheit während der Zeugenvernehmung aus wichtigen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Ermittlungen oder zum Schutz der Rechte Dritter, sieht § 24 Abs. 4 Satz 2 DG LSA ausdrücklich vor.

38

Die Ausschlussgründe sind aktenkundig zu machen (§ 24 Abs. 4 Satz 3 DG LSA). Dies ist mit Verweis auf die persönliche Betroffenheit der Zeuginnen D. und E. geschehen. Entscheidend ist, dass dem Bevollmächtigten des Klägers nicht die Teilnahme verweigert wurde und die Ermessensentscheidung des Ermittlungsführers über den Ausschluss des Klägers nachvollziehbar ist.

39

Abgesehen davon - und dies ist entscheidend - hatte der Ermittlungsführer den - etwaigen - Verstoß gegen das Recht auf Beweisteilhabe unter Angabe des Beweisthemas im behördlichen Disziplinarverfahren geheilt. Denn er hat dem Bevollmächtigten des Klägers die Vernehmungsniederschriften übersandt. Dadurch erhielt der Kläger die Gelegenheit zu den Aussagen der Zeuginnen Stellung zu nehmen und ergänzende Beweisanträge zu stellen. Dann hätte der Ermittlungsführer wohl möglich Zeugen erneut vernehmen müssen (vgl. BVerwG, U. v. 15.12.2005, 2 A 4.04 und B. v. 18.11.2008, 2 B 63.08; beide juris). Der Kläger hat diese Möglichkeit jedoch nicht wahrgenommen. Dementsprechend ist der Kläger – zu diesem Zeitpunkt – im Verfahren gerade nicht nur auf die letztendliche Schlussanhörung nach Abschluss der Ermittlungen (§ 30 DG LSA) angewiesen.

40

e.) Die Terminsverlegung der Beweisaufnahme ist im Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt selbst nicht geregelt. Über § 3 DG LSA gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz und die Verwaltungsgerichtsordnung bzw. die Strafprozessordnung. Nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Die Rechtsprechung sieht nur solche Gründe als erheblich an, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Wobei die Gründe glaubhaft zu machen sind. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nur dann vor, wenn einem Beteiligten trotz zumutbaren eigenen Bemühens die Möglichkeit zur Äußerung verweigert oder abgeschnitten wird. Deshalb begründet allein die Unmöglichkeit an einem Termin teilzunehmen, nicht einen Anspruch auf Aufhebung oder Verlegung. Vielmehr muss sich ein Prozessbevollmächtigter im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten bemühen, einen solchen Hinderungsgrund selbst in zumutbarere Weise zu beseitigen (vgl. statt vieler nur: Bay.VGH, Beschluss v. 15.01.2009, 7 ZB 06.3284; m. w. Nachw.; juris).

41

All dies ist hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Vernehmungen der Zeuginnen D. und E. nicht erkennbar. Der Klägerbevollmächtigte beantragte nur die Verlegung des Termins zur Vernehmung des Zeugen Prof. … wegen eines Termins am Verwaltungsgericht A-Stadt. Der Klägerbevollmächtigte führte aus, dass es sich „hart an der Grenze zur Schikane [bewegt], wenn Sie in Kenntnis des Wohnorts meines Mandanten und meines Kanzleisitzes in A-Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Vernehmung der drei geladenen Zeugen terminieren und damit entweder eine dreimalige Anreise oder zwei Übernachtungen in C-Stadt mit entsprechendem Zeit- und Kostenaufwand verursachen wollen.“ Ähnlich formulierte er unter dem 08.06.2010 die Anhörungen an einem Tag durchzuführen. Einen generellen, unbedingten und eindeutigen Verlegungsantrag kann dem nicht entnommen werden. Dem Verlegungsantrag zur Vernehmung des Zeugen … am 28.07.2010 vom 20.07.2010 (Fax) beantwortete der Ermittlungsführer mit Fax vom 26.07.2010 dahingehend: „Sofern Sie nach Vorstehenden [Protokollübersendung] daran festhalten wollen, der Zeugenanhörung … beizuwohnen, sehe ich Ihrem Hinweis entgegen, damit kurzfristig ein anderer Termin ins Auge gefasst werden kann.“ Der Klägerbevollmächtigt erwiderte mit Fax vom 28.07.2010:„[…] habe ich […] um die Verlegung des Termins […] gebeten, um daran teilnehmen zu können, anderenfalls hätte es bei dem Vernehmungstermin am 28.07.2010 verbleiben können. Ein neuer Termin in meiner Anwesenheit setzt allerdings voraus, dass das Anwesenheits- und Fragerecht meines Mandanten gewahrt wird [….]“. Professor … wurde dann am 28.07.2010 vernommen.

42

Der Verlegungsantrag zur Vernehmung des Zeugen … wurde demnach wohl nicht beschieden. Unterstellt, dies hätte „aus wichtigem Grund“ geschehen müssen, liegt gleichfalls keine Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Denn ähnlich wie in der Rechtsprechung zu gerichtlichen Verlegungsterminen vertreten, muss dies auch im behördlichen Verfahren gelten. Wird danach ein Antrag auf (gerichtliche) Terminsverlegung nicht beschieden, hat sich der Kläger rechtzeitig durch Rückfrage über die Entscheidung seines Antrages zu informieren. Solange ihm eine Terminsaufhebung nicht mitgeteilt worden ist, muss er davon ausgehen, dass die mündliche Verhandlung stattfindet (BFH, Beschluss v. 20.09.2010, V B 105/09; juris).

43

Letztendlich ist auch hier bedeutsam, dass das Protokoll übersandt wurde, was zur, vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen, nachträglichen Heilung führt.

44

f.) Schließlich und letztendlich hat das Disziplinargericht etwaige Fehler bei der behördlichen Beweisaufnahme durch die eigene gerichtliche Beweisaufnahme geheilt (vgl. zu dieser Möglichkeit ausführlich m. w. Nachw.: VG Magdeburg, Urteil v. 04.11.2009, 8 A 19/08;]; im Ergebnis wohl auch: OVG LSA, Urteil v. 02.12.2010, 10 L 1/10;, beide juris).

45

g.) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Staatssekretär … im Ausgangs- und im Widerspruchsverfahren entschieden hat.

46

Die ausgesprochene Gehaltskürzung nach § 8 DG LSA kann aufgrund § 33 Abs. 3 Nr. 1 DG LSA die oberste Dienstbehörde bis zum Höchstmaß festsetzen. Dienstvorgesetzter des Hochschulkanzlers war bis zum Ressortwechsel im Mai 2011der Kultusminister, danach der Beklagte (§ 110 Abs. 2 HSG LSA in der bis zum 26.07.2010 geltenden Fassung; danach § 46 Abs. 10 HSG LSA). In dem Disziplinarbescheid vom 16.03.2011 handelte der Kultus-Staatssekretär. Daran ist nichts zu erinnern. Denn insoweit ist für die Ausübung der Disziplinarbefugnis entscheidend, dass das Disziplinargesetz in § 33 Abs. 3 Nr. 1 von der „obersten Dienstbehörde“ und nicht wie an anderen Stellen (z. B. §§ 33 Abs. 2; 34 Abs. 2 Satz 1, Alt. 2; 17 Abs. 1 DG LSA) von dem „Dienstvorgesetzten“ spricht. Wer innerhalb der Behörde im Einzelfall zuständig ist, ergibt sich aus dem Disziplinargesetz nicht, so dass auf allgemeine Rechtgrundsätze zurückzugreifen ist (VG Düsseldorf, Beschluss v. 08.03.2006, 38 K 3451/05.BDG; juris). Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses der Landesregierung über die Gemeinsame Geschäftsordnung der Ministerien – Allgemeiner Teil – (GGO LSA) v. 15.03.2005 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Geschäftsordnung der Landesregierung (GOLReg) und dem Beschluss der Landesregierung über die gegenseitige Vertretung der Minister ist der Staatssekretär der ständige Vertreter des Ministers. Entscheidend ist demnach, dass der Disziplinarbescheid von der Leitungsebene des Ministeriums erlassen wurde (vgl. OVG NRW, Beschluss v. 22.08.2007, 21d A 1624/06.BDG, wonach sogar Mitarbeiter des Personalreferats zeichnungsbefugt seien). Auch bei Unterzeichnung durch den Staatssekretär ergeht die Entscheidung durch den Minister (BVerwG, Beschluss v. 29.01.2008, 1 WB 4.07; Beschluss v. 15.08.1972, 1 DB 10.72; beide juris). Hier kommt hinzu, dass das Verfahren stets auf der Leitungsebene geführt wurde und die Ministerin ausweislich der von ihr mit Grünstift zahlreich vorgenommen Änderungen in die Entscheidung involviert war (Beiakte A).

47

Dass der Staatssekretär sodann auch über den Widerspruch entscheidet ist systemkonform. Denn nach § 42 Abs. 1 Satz 1 DG LSA entscheidet über das nach § 41 DG LSA grundsätzlich vorgesehene Vorverfahren die oberste Dienstbehörde, also der Staatssekretär auch über den Ausgangsbescheid. Dies ist gesetzeskonform und auch in anderen Fällen wie z. B. der gemeindlichen Selbstverwaltung systemimmanent.

48

h.) Das Studium der Unterlagen legt die Vermutung nahe, dass der Umgang mit den Verlegungsanträgen einem Missverständnis zugrunde lag. Wie aus den oben wiedergegebenen Textpassagen ersichtlich ist, ging der Ermittlungsführer – fehlerhaft – davon aus, dass der Bevollmächtigte sowieso wegen des Ausschlusses des Klägers nicht kommen wollte. Bei der Vernehmung … war der Kläger aber nicht ausgeschlossen und schließlich ist der Bevollmächtigte zu keiner Zeugenvernehmung erschienen.

49

Die diesbezügliche - fehlerhafte - Vorgehensweise des Ermittlungsführers leitet vielmehr zu der Frage über – und das meint der Kläger auch im Kern – ob kein faires Disziplinarverfahren geführt wurde bzw. der Ermittlungsführer befangen war.

50

a. a.) § 21 Abs. 1 DG LSA spricht davon, dass der Ermittlungsführer ein „geeigneter Bediensteter“ sein müsse.

51

Der Ermittlungsführer … steht im Rang eines Ministerialrates im Hause des Kultusministeriums Sachsen-Anhalt. Die generelle Ungeeignetheit des Ermittlungsführers ist nicht erkennbar. Soweit das OVG LSA in dem Urteil vom 02.12.2010 (10 L 1/10; juris) aufgrund der statusrechtlichen Gleichrangigkeit des Ermittlungsführers mit der damaligen beschuldigten Beamtin die Ungeeignetheit bzw. dann auch wieder nur „Zweifel“ an der Geeignetheit konstruiert, folgt dem das Disziplinargericht in dieser Bestimmtheit nicht. Üblicherweise sei es zur Vermeidung des Anscheins eines persönlichen (Konkurrenz-)Interesses – Voraussetzung für die Bestellung eines Ermittlungsführers, dass dieser ein höheres statusrechtliches Amt habe. Diese aus Gründen der Chancengleichheit bei Beförderungen resultierende Sichtweise, ist vorliegend offensichtlich nicht notwendig.

52

Die Vorwürfe des Klägers gegen den Ermittlungsführer resultieren aus seiner (rechtlichen) Bewertung der Tätigkeit des Ermittlungsführers, belegen aber gleichsam nicht, die unfairen Ermittlungen gegen den Kläger. Auch das Bundesverwaltungsgericht führt in dem Beschluss vom 18.11.2008 (2 B 63.08; juris) aus, dass der Ermittlungsführer in dem dortigen Fall nicht wegen Besorgnis der Befangenheit von seiner Tätigkeit entbunden werden musste. Denn der Verstoß des Ermittlungsführers gegen die Beweiserhebungsvorschriften – alternativ hier: Verlegungsvorschriften – konnte diese Besorgnis nicht begründen. Lagen dem damals auch andere rechtliche Normen zugrunde, wonach die Auffassung der Nichtmitteilung des Beweisthemas vertretbar gewesen sei, ist der Sachverhalt vergleichbar. Entscheidend für die Nichtannahme der Besorgnis der Befangenheit ist, dass die vom Ermittlungsführer gemachten „Fehler“ nicht als willkürlich begangen oder im Sinne einer Voreingenommenheit oder eines unfairen Verfahrens gegenüber dem Kläger anzusehen sind (vgl. ähnlich: BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Auch von einer „Schikane“ kann bei objektiver Betrachtung nicht ausgegangen werden.

53

Demnach durfte die unter dem 23.08.2010 vom Kläger gestellte und mit den oben genannten Verfahrensfehlern begründete „Dienstaufsichtsbeschwerde und die Ablehnungsgründe gegen den Ermittlungsführer“, wenn auch ohne weitere Begründung, zurückgewiesen werden (Bl. 251, Beiakte A).

54

b. b.) Das Gericht hat auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass das Disziplinarverfahren gegen den Kläger aus sachfremden Erwägungen, also als Mobbing gegen den Kläger geführt wurde. Zwar hatte die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts C-Stadt im Urteil vom 13.12.2011 (5 A 56/11) in dem beamtenrechtlichen Verfahren des Klägers ausgeführt, dass sich die Bemühungen des MK vorrangig auf die Herauslösung des Klägers aus der Universität konzentrierten, ohne dass ein Bemühen um eine Aufklärung und Beilegung des Konfliktes durch das MK zu erkennen gewesen wäre. Dies widerspreche den Grundsätzen eines fairen Verfahrens. Der Kläger habe an der Fortdauer der Spannungen nicht vorwerfbar mitgewirkt. Er habe sich vielmehr immer gesprächs- und aufklärungsbereit gezeigt. Die Universität habe ein Mediationsverfahren abgelehnt. In dem Beschluss zur Nichtzulassung der Berufung vom 24.04.2012 (1 L 31/12; juris) teilt das OVG LSA die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die „Verschuldensfrage“ durch die Universität nicht aufgeklärt worden sei. So mag es auch und sogar sein, dass sich der Kläger bei den Dezernenten wegen der Aufdeckung von „Fehlern“ unbeliebt gemacht hat.

55

Gleichwohl belegt dieses etwaige unfaire beamtenrechtliche Verfahren nicht gleichsam das unfaire Disziplinarverfahren. Denn – wie bereits oben ausgeführt – war die Einleitung des Disziplinarverfahrens geboten. Dass die zum Disziplinarverfahren geführten Vorkommnisse gleichsam willkommener Anlass für die beamtenrechtlichen Maßnahmen gegen den Kläger waren, berührt das Disziplinarverfahren nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass das Disziplinarverfahren als Vorwand für die beamtenrechtlichen Verfahren benutzt wurde oder wird. Denn dann wäre davon auszugehen, dass Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst erhoben worden wäre, wobei der Ausspruch der Höchstmaßnahme wegen der Vorwürfe nicht gänzlich von der Hand zu weisen wäre.

56

Mag der Vorhalt des Klägers sogar zutreffend sein, dass die Zeuginnen D. und E. zur Niederschrift ihrer Beobachtungen durch Dritte aufgefordert worden seien, ist dieses Vorgehen allein den Ermittlungen geschuldet und macht das Disziplinarverfahren nicht zu einem einseitig unfair geführten Verfahren. Der Kläger übersieht auch hier die oben dargestellten tatsächlichen hinreichenden Anhaltspunkte für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach § 17 DG LSA. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeuginnen etwa unter Druck gesetzt oder zu einem bestimmten Aussageverhalten aufgefordert wurden. Darüber hinaus ist nicht das Aussageverhalten der Zeuginnen im behördlichen, sondern im gerichtlichen Verfahren maßgeblich und die Würdigung obliegt dem Gericht (BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Aus diesem Grunde muss die Kammer den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten (Beweis-)Antrag zur Vernehmung der Herren … und … zu der Frage, ob Dritte das Verhalten der Zeuginnen initiiert bzw. gefordert hätten, nicht nachgehen.

57

2.) Die Disziplinarverfügung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Überzeugung des Disziplinargerichts steht fest, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Pflichtenverstöße und damit ein - innerdienstliches - Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) begangen hat. Dabei liegt der Schwerpunkt der Verfehlungen auf dem Vorwurf des Verstoßes gegen die allgemeine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG innerhalb des Dienstes aufgrund seines Verhaltens gegenüber den Zeuginnen D. und E. (a.). Der Vorwurf, Dienstfahrzeuge pflichtwidrig zu privaten Zwecken genutzt zu haben, ist wegen der Umstände des Einzelfalls und der daraus resultierenden Milderungsgründe nahezu unbedeutend (b.). Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Gehaltskürzung (§ 8 DG LSA) ist verhältnismäßig, den Pflichtenverstößen angemessen und auch nach § 59 Abs. 3 DG LSA zweckmäßig (c.).

58

a.) Hinsichtlich des Disziplinarvorwurfs der Übergriffe gegenüber den Zeuginnen D. und E. geht das Disziplinargericht von Folgendem aus:

59

a. a.) Sexuelle Belästigung ist kein Straftatbestand. In besonderen Fällen kann die einschlägige Handlung gleichzeitig als Beleidigung (mit sexuellem Hintergrund) gem. § 185 StGB strafbar sein. Ob sich der Belästigte subjektiv beleidigt fühlt oder nicht, ist dabei nicht entscheidend. Da § 185 StGB kein Auffangtatbestand ist, fallen sexualbezogene Handlungen nur dann unter diese Vorschrift, wenn besondere Umstände einen selbstständigen beleidigenden Charakter erkennen lassen.

60

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist eine Benachteiligung im Sinne des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG). In § 3 Abs. 4 AGG wird sie definiert als

61

„ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“.

62

Nach §§ 7 Abs. 3 und 24 Nr. 1 AGG gilt das Verbot der sexuellen Belästigung nach § 3 Abs. 4 AGG auch im öffentlichen Dienstrecht und wird damit eine Beamtenpflicht.

63

Es mag dahinstehen, ob das Verhalten des Klägers gegenüber den Zeuginnen den Tatbestand der sexuellen Belästigung nach § 3 Abs. 4 AGG erfüllt. Denn dem Disziplinargericht drängt sich aufgrund der nach § 13 DG LSA notwendigen Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Klägers der Eindruck auf, dass das von ihm im Umgang mit den unmittelbaren Mitarbeiterinnen gezeigte Verhalten, seiner Persönlichkeit entspricht ohne das er dadurch die weiblichen Bediensteten verletzend sexuell belästigen wollte bzw. ihm die diesbezügliche objektive Bewertung überhaupt bewusst war. Denn der Kläger führte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und überzeugend aus, dass für ihn in seinem unmittelbaren beruflichen Umfeld, eine Vertrautheit und damit eine gewisse menschliche Wärme unverzichtbar erschienen. Danach mögen gewisse Verhaltensweisen von ihm, wie der Wunsch mit „Lieber Herr A.“ angesprochen zu werden, die Mitarbeiterinnen zu duzen, über die Wochenend- und Freizeitaktivitäten „seiner“ engsten Mitarbeiterinnen informiert zu werden oder das überschwängliche in den Arm nehmen, seinem einseitigen Bedürfnis nach mehr Vertrautheit im dienstlichen Umgang geschuldet gewesen sein. So hieß es im behördlichen Verfahren auch, dass der Kläger durch Rückfragen bei den Damen stets um Anerkennung bemüht gewesen sei und diese sich in eine „Mutterrolle“ gedrängt fühlten.

64

b. b.) Auf die Subsumtion des Verhaltens des Klägers unter den Tatbestand der sexuellen Belästigung kommt es indes auch nicht an. Denn unabhängig davon, ist im Einzelfall jede ungebührliche, gegen die allgemeinen Regeln des Anstands und der guten Sitten im gesellschaftlichen, menschlichen Umgang untereinander verstoßende Handlung im Dienstbetrieb geeignet, einen Verstoß gegen die allgemeine innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG darzustellen (so auch: BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Eine disziplinarrechtlich relevante, die Achtung und Wahrung des Berufsbeamtentums schädigende Handlung liegt insbesondere dann vor, wenn die Übergriffe durch einen Vorgesetzten gegenüber ihm dienstlich unterstellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen begangen wird.

65

Die vom Disziplinargericht in der mündlichen Verhandlung durch die Vernehmung der Zeuginnen D. und E. durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger gegenüber den Zeuginnen gegen seine allgemeine innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verstoßen hat.

66

Zur Überzeugung des Gerichts haben die Zeuginnen wahrheitsgemäß ausgesagt. Die Zeuginnen sind glaubwürdig und ihre Aussagen sind glaubhaft. Die den Zeuginnen vom Kläger unterstellte Tendenz zur Mehrbelastung sieht das Gericht nicht. Für die Kammer ist nicht erkennbar, dass die Zeuginnen den Kläger durch eine bewusste Falschaussage belasten oder schädigen wollten. Zudem ist keine Motivation der Zeuginnen für eine derartige Belastungstendenz ersichtlich. Die Zeuginnen neigten bei ihren Schilderungen nicht zu verbalen Übertreibungen, besonderen sprachlichen Ausschmückungen oder Verschärfungen hinsichtlich der Art, Intensität oder Dauer der vorgeworfenen Handlungen. Vielmehr sind die Aussagen detailreich, lassen deutlich den Bezug zu einem eigenen Erleben erkennen und decken sich mit ihren bereits im behördlichen Verfahren gemachten Angaben. Zudem sind die Aussagen der Zeuginnen im Kernbereich übereinstimmend, ohne dass Gründe für eine Absprache ersichtlich sind.

67

Die Zeugin D. gab an, dass der Kläger anlässlich eines Essens zum Ausdruck brachte, dass er über die dienstliche Zusammenarbeit hinaus von ihr mehr Nähe erwartet. Der Kläger suchte beispielsweise in Dienstberatungen insistierenden Blickkontakt und schaute auf ihre Beine. Schließlich ist es auch zu körperlichen Berührungen gekommen. Der Kläger strich ihr über die Haare bzw. wuschelte diese mit der Bemerkung, „bitte noch einmal angucken.“ Am Schreibtisch sitzend strich der Kläger ihr zwei bis dreimal über den Rücken, wobei sie durch ihre Haltung (Hohlkreuz) versuchte auszuweichen. Ein anderes Mal trat der Kläger von hinten so nahe an die Zeugin heran, dass sich ihre Wangen berührten. Auch das völlig unpassende mehrfache Zuwerfen von sog. Kussmunden empfand die Zeugin als unangenehm.

68

Die sich durch musternde Blicke und dem Zuwerfen von Kussmunden ausdrückende Zuneigung des Klägers gegenüber Frau D. wurde von der Zeugin E. bestätigt. Darüber hinaus sagte die Zeugin E. aus, dass der Kläger auch ihr gegenüber körperliche Annäherungen vornahm. Es ist oft vorgekommen – auf Nachfrage durch das Gericht – fast alltäglich, dass der Kläger der Zeugin E. über den Rücken strich. Mit der Zeit nahm die Intensität dieser Berührungen zu. Bei einem Diktat hat die Zeugin den Mund bzw. den Atem des Klägers stark in der Nähe ihres Kopfes gespürt.

69

Für die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeuginnen spricht auch, dass sie nicht generell alle körperlichen Kontakte ablehnten, sondern diese bei bestimmten Anlässen, wie Geburtstagen durchaus vorkamen und als angemessen angesehen wurden. Auch wurde der Kontakt mit dem Kläger von den Zeuginnen nicht generell als unangenehm bezeichnet. Eher waren ab dem letzten Quartal des Jahres 2009 Steigerungen in der Suche nach den zudringlichen Körperkontakten zu verzeichnen.

70

Ein Beamter, der innerhalb des Dienstes Mitarbeiterinnen (körperlich) belästigt, beeinträchtigt erheblich sein Ansehen und das der Beamtenschaft, stört den Dienstfrieden und verletzt in schwerwiegender Weise die Würde und Ehre der Betroffenen. Vor allem weibliche Bedienstete müssen im Dienst vor jedweden Belästigungen seitens ihrer Vorgesetzten und Kollegen sicher sein (BVerwG, B. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; juris).

71

b.) Hinsichtlich des zur Last gelegten Pflichtenverstoßes der unzulässigen Nutzung der Dienstkraftfahrzeuge der Universität zu privaten Zwecken ist soviel festzustellen, dass dieser Tatbestand vorliegt und vom Kläger wohl auch eingeräumt wird. Das Problem dabei ist vielmehr, wieweit dem Kläger hier ein Verschulden vorzuwerfen ist. Denn er verteidigt sich damit, dass es in der …-Universität üblich sei, dass auch andere Bedienstete die Dienstkraftfahrzeuge zu privaten Zwecken genutzt hätten und nur er im Rahmen der gegen ihn geführten Mobbing-Kampagne disziplinarrechtlich herangezogen werde.

72

Nach der gerichtlichen Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen G. und der Auswertung der vom Gericht angeforderten Stellungnahme der Universität sowie unter Zugrundelegung der bezeichneten rechtlichen Gegebenheiten, ist das Disziplinargericht davon überzeugt, dass die Bereitstellung der Dienstfahrzeuge durch die Universität nicht an den zugrunde gelegten Vorschriften orientiert war.

73

Nach Nr. 7.1 der Richtlinien über die Haltung und Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen (Kraftfahrzeugrichtlinien – KfzR; - RdErl. des MF v. 08.11.2002 – 22.02500-1) und den Regelungen der Universität dürfen Dienstkraftfahrzeug grundsätzlich nur für dienstliche Zwecke, namentlich für Einsatzfahrten, Arbeitseinsätzen sowie Dienstreisen und Dienstgängen im Sinne von § 2 des Bundesreisekostengesetzes benutzt werden. Die hier einschlägige Regelung der Universität vom 06.09.2000 besagt nichts zu einer Genehmigung, sondern enthält nur den grundsätzlichen Hinweis auf die Benutzung für dienstliche Zwecke. Die Fuhrparkordnung der Universität vom 03.06.2005 regelt unter Nr. 5.2, dass Fahrzeuganforderungen entsprechend Vordruck nach entsprechender Genehmigung als Fahrauftrag gelten. Nach Nr. 7.2 der Richtlinie ist die Zustimmung des Dienststellenleiters bzw. nach Nr. 1.1 der Regelungen der Universität vom 28.01.2010 ab dem 01.02.2010 {hier also nicht einschlägig} des „Genehmigenden“ erforderlich. Nach Nr. 3.1 der Richtlinie der Universität ab 01.02.2010 bedarf die Benutzung eines Dienstfahrzeuges eins schriftlichen Fahrantrages. Die Genehmigung von Fahranträgen obliegt dem Leiter der Fahrbereitschaft, der den Einsatz der Dienstkraftfahrzeuge koordiniert.

74

Den in den Akten befindlichen und im Übrigen von Frau E. unterschriebenen Fahraufträgen zu den vorgeworfenen Terminen ist allesamt zu entnehmen, dass diese bei „gehöriger Prüfung“ den privaten Charakter der Fahrt ohne Probleme erkennen lassen (13.03.2009; Termin zur Wohnungsbesichtigung; 08.05.2009; Abholung und Transport in A-Stadt; 27.10.2009; Transport …straße; 02./03.12.2009; Termin beim Landessozialgericht A-Stadt-B.). Somit hat der Kläger nicht etwa eine Dienstfahrt vorgegeben, sondern wahrheitsgemäß den - privaten - Zweck der Fahrt angegeben. Diese hätten dann unter Zugrundelegung der rechtlichen Gegebenheiten nicht „genehmigt“ werden dürften. Denn wenn - wie hier - der Dienstherr ein „Genehmigungs-, Prüf- oder Überwachungsverfahren“ unter Verwendung „amtlicher“ AntragsVordrucke vorschreibt oder auch nur vorhält, muss er sich selbst auch an diese Gepflogenheiten halten und die ordnungsgemäße Prüfung des Antrages vornehmen. Daran hat es die Universität fehlen lassen. Der Zeuge G. führte aus, dass er als Leiter der Fahrbereitschaft stets aufgrund eines bloßen unterschriebenen Fahrantrages ein Fahrzeug zur Verfügung stellte. Seine „Genehmigungsprüfung“ beschränkte sich demnach lediglich auf das Vorhandensein eines Fahrzeuges. Demnach hat das Gericht keine Zweifel daran, dass der Vorhalt des Klägers zutreffend ist, dass auch andere Bedienstete der Universität vergleichsweise privat veranlasste Fahrten unternahmen. Soweit die Universität in diesem Zusammenhang dem Gericht gegenüber ausführt, dass derartige Fahrten nicht bekannt seien, ist dies wenig nachvollziehbar.

75

Trifft die Universität somit ein erhebliches Mitverschulden, ist der Kläger gleichwohl nicht vom Verstoß gegen seine beamtenrechtliche Pflicht zur Uneigennützigkeit (§ 34 Satz 2 BeamtStG) unter der Befolgung der einschlägigen Vorschriften vollständig freizusprechen. Denn insoweit ist zutreffend, dass der Kläger als Volljurist und Kanzler der Universität und somit als Verwaltungschef und Beauftragter für den universitären Haushalt um die Problematik der Fahrten wusste. Zudem hat er selbst an der Neuregelung im Jahre 2010 mitgewirkt. Auch wird ihm bewusst gewesen sein, dass der von ihm als Kanzler über Frau E. in Auftrag gegebene Fahrauftrag durch Herrn G. oder einer sonstigen - ihm dienstlich unterstellten - Person nicht abgelehnt werden wird.

76

c.) Bei der disziplinarrechtlichen Bewertung der Pflichtenverstöße geht das Gericht davon aus, dass der Schwerpunkt des (einheitlichen) Dienstvergehens auf dem Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht im Dienst beruht.

77

Bei körperlicher Belästigung am Arbeitsplatz ist eine Regeleinstufung nicht angezeigt. Die Variationsbreite derartiger Zudringlichkeiten im Dienst ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf Achtung und Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden könnten. Stets sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend. In schweren Fällen innerdienstlicher (sexueller) Belästigung weiblicher oder männlicher Mitarbeiter, insbesondere wenn der Beamte unter Ausnutzung seiner Vorgesetzteneigenschaft versagt und dadurch nicht nur seine Integrität in der Dienststelle weitgehend eingebüßt, sondern auch sein Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn schwer erschüttert ist, kann sich grundsätzlich die Frage seiner weiteren Tragbarkeit im öffentlichen Dienst stellen, während in minderschweren Fällen eine mildere Disziplinarmaßnahme verhängt werden kann (BVerwG, U. v. 29.07.2010, 2 A 4.09; Bayr. VGH, U. v. 13.07.2011, 16 a D 10.565; beide juris). Erhebliches Gewicht kommt derartigen Verfehlungen durch die Häufigkeit, Anzahl der betroffenen Kolleginnen und deren Dauer zu. Zudem wird der Betriebsfrieden massiv gestört.

78

Unter Zugrundelegung dessen, spricht gegen den Kläger, dass er als Vorgesetzter gegenüber den Zeuginnen die körperlichen und verbalen Übergriffe über einen längeren Zeitraum unternahm. Gleichwohl muss die eingangs vom Gericht erwähnte Persönlichkeitsstruktur des Klägers berücksichtigt werden, die die Handlungen in einem milderen Licht erscheinen lassen bzw. als weniger sexuell motiviert erklären, wobei das Gericht keinen Zweifel daran lässt, dass der Kläger schuldhaft handelte. Der Kläger hat permanent und über einen längeren Zeitraum die körperliche Integrität seiner beiden engsten Mitarbeiterinnen, der Zeuginnen D. und E., missachtet und sie damit am Arbeitsplatz gegen ihren erkennbaren Willen belästigt. Damit hat er die Grenzen des moralischen und sittlichen Anstandes am Arbeitsplatz überschritten. Schließlich hat er die Zurückweisung „nach mehr Nähe“ durch die Zeugin D. anlässlich des Gespräches beim Italiener auch dazu genutzt, ihre dienstliche Versetzung aus plötzlichen Gründen der Schlechtleistung zu betreiben.

79

Aufgrund der bei dem Pflichtenverstoß hinsichtlich der privaten Benutzung der Dienstfahrzeuge bestehende Entlastungsmöglichkeit, hält das Gericht die vom Beklagten aufgrund seiner Disziplinarbefugnis ausgesprochene Disziplinarmaßnahme insgesamt für verhältnismäßig, weil der Tat angemessen und als erzieherischen Maßnahme auch erforderlich und schließlich zweckmäßig (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

80

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Gründe

1

Die auf Verfahrensfehler und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.

2

1. Der Beklagte stand bis zu seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand im Jahr 2005 als Polizeikommissar im Dienst des Klägers. Die im Jahr 2007 erhobene Disziplinarklage war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auf eine nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Klageschrift gestützt, sodass der Klägerin durch Beschluss nach § 54 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW eine Frist zur Einreichung einer inhaltlich hinreichend bestimmten Klageschrift gesetzt wurde. Die neugefasste Klageschrift verwies hinsichtlich der näheren Umstände der dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtenverstöße, insbesondere der Tatzeitpunkte auf eine in der Disziplinarakte enthaltene Aufstellung, die dem Bevollmächtigten des Beklagten vorab übermittelt worden war.

3

Das Verwaltungsgericht erkannte dem Beklagten das Ruhegehalt ab, die hiergegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Die Maßnahme sei geboten, weil der Beklagte in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 21. Dezember 2004 einer unerlaubten Nebentätigkeit nachgegangen sei, die nach Art und Umfang als Zweitberuf eingestuft werden müsse. Dieses Dienstvergehen wiege besonders schwer, weil der Beklagte seine gewerblichen Tätigkeiten auch während der Zeiten krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit ausgeübt habe.

4

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

5

Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass die Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Klärungsbedarf besteht, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Frage von Bundesverfassungs- oder Bundesverwaltungsgericht weder beantwortet worden ist noch auf der Grundlage ihrer Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4).

6

a) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht geklärt und bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass auch im Falle einer überlangen Dauer des Disziplinarverfahrens nicht von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden kann, wenn der Ruhestandsbeamte die Dienstpflichtverletzungen im aktiven Dienst begangen hat und deshalb die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten wäre, wenn er sich noch im Dienst befände (§ 13 Abs. 3 Satz 2 BDG). Auch aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK folgt nicht, dass dem Betroffenen wegen einer unangemessen langen Verfahrensdauer eine Rechtsstellung eingeräumt werden muss, die im Widerspruch zu dem entscheidungserheblichen innerstaatlichen materiellen Recht steht. Vielmehr kann die unangemessene Verfahrensdauer für den Ausgang eines zu lange dauernden Rechtsstreits nur dann berücksichtigt werden, wenn das innerstaatliche Recht dies vorsieht oder zulässt. In den Fällen, in denen ein Beamter durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 LDG NRW), sieht das Disziplinarrecht aber zwingend die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts vor (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 44 ff. und BVerwG 2 C 62.11 - Rn. 59 ff. ). Darüber hinausgehenden oder neuen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

7

b) Der Kläger hat auch im Hinblick auf die Maßnahmebemessung keinen weiteren Klärungsbedarf aufgezeigt. Welche generellen Anforderungen an die Bemessung der Disziplinarmaßnahme durch die Tatsachengerichte im Hinblick auf Beamte zu stellen sind, die während der Zeit einer Dienstunfähigkeit Nebentätigkeiten ohne Genehmigung ausgeübt haben, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. Für die Ahndung ungenehmigter Nebentätigkeiten steht wegen der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmenkatalog zur Verfügung. Es kommt auf Dauer, Häufigkeit und Umfang der Nebentätigkeiten an. Weiterhin muss berücksichtigt werden, ob der Ausübung der Nebentätigkeiten gesetzliche Versagungsgründe entgegenstehen, d.h. die Betätigungen auch materiell rechtswidrig sind und ob sich das Verhalten des Beamten nachteilig auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ausgewirkt hat. Erschwerend wirkt sich aus, wenn ein Beamter ungenehmigte Nebentätigkeiten in Zeiten der Krankschreibung wahrnimmt (Urteile vom 11. Dezember 1990 - BVerwG 1 D 63.89 - BVerwGE 86, 370 <378>, vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338> und vom 11. Januar 2007 - BVerwG 1 D 16.05 - juris Rn. 59).

8

Darüber hinaus ist geklärt, dass der Beamte, der während der Krankschreibung Nebentätigkeiten ausübt, gegen die Pflicht zum vollen beruflichen Einsatz verstößt, wenn die Nebentätigkeit nach Art und Umfang generell geeignet ist, die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zumindest zu verzögern. Eines konkreten medizinischen Nachweises bedarf es nicht (stRspr; Urteile vom 12. Februar 1992 - BVerwG 1 D 2.91 -, vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338> und vom 14. November 2001 - BVerwG 1 D 60.00 - jeweils m.w.N.). Ob derartiges angenommen werden kann, ist nach den jeweiligen Einzelfallumständen zu beantworten und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

9

Ein Verstoß gegen das Schuldprinzip liegt hierin nicht. Anknüpfungspunkt sind vielmehr schuldhafte Verhaltensweisen des Beklagten, nämlich die Fortführung (und Intensivierung) der ungenehmigten Nebentätigkeiten während des Zeitraums der Krankschreibung. Auf einen individuellen Nachweis wird lediglich hinsichtlich der konkreten Beeinträchtigung des Gesundungsprozesses verzichtet. Dies findet Grund und Rechtfertigung darin, dass der Beamte durch die ungeschmälerte Alimentierung während der Dienstunfähigkeit in die Lage versetzt werden soll, seine Genesung bestmöglich zu fördern. Ist die Arbeitskraft wiederhergestellt, hat er sie seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen. Die Ausübung einer gewerblichen Nebentätigkeit während des Zeitraums einer Krankschreibung kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Nebentätigkeit der Erholung nicht schaden kann. Ist sie dagegen geeignet, den Gesundungsprozess zu behindern oder zu verlangsamen, hat sie - ebenso wie die Dienstausübung - zu unterbleiben. Eine Privilegierung privater Nebentätigkeiten dergestalt, dass sie von einer Krankschreibung nicht umfasst würden, ist nicht veranlasst.

10

Aus dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2003 - 2 BvR 1413/01 - (NVwZ 2003, 1504) folgt entgegen der Auffassung des Beklagten nichts anderes. Dass das dort angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen auf die Verfassungsbeschwerde aufgehoben wurde, beruhte vielmehr darauf, dass eine Ausübung der Nebentätigkeit während krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit von der Tatsacheninstanz nicht festgestellt worden war. Beanstandet worden ist damit nicht der grundsätzliche Rechtssatz, dass es eines konkreten Nachweises der Beeinträchtigung des Gesundungsprozesses nicht bedürfe. Fehlerhaft war nur die Annahme des Gerichts, dass von einem hierzu erforderlichen Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht ausgegangen werden könne. Die insoweit vom Oberverwaltungsgericht ergänzend getroffenen Tatsachenfeststellungen konnten wegen der Beschränkung des Rechtsmittelverfahrens auf das Disziplinarmaß nicht berücksichtigt werden.

11

Soweit der Beklagte die fallbezogene disziplinarrechtliche Würdigung auf der Grundlage der dargestellten Rechtsprechung in Zweifel zieht, ist dies nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, gravierende Pflichtenverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (Urteile vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - juris Rn. 40 § 70 bbg nr. 12 nicht abgedruckt>, vom 7. Februar 2008 - BVerwG 1 D 4.07 - juris Rn. 28 , vom 19. Juni 2008 - BVerwG 1 D 2.07 - juris Rn. 76 ; Beschluss vom 23. Januar 2013 - BVerwG 2 B 63.12 - juris Rn. 13 und Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 43). Eine "Mobbing-Situation" kann nicht berücksichtigt werden, weil das Oberverwaltungsgericht insoweit keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Daran ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

12

3. Die Beschwerde hat auch keinen Verfahrensmangel aufgezeigt, auf dem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruhen könnte (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

13

Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme beruht zwar nicht auf einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Klageschrift. Dieser Fehler zieht auch einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nach sich, weil das Oberverwaltungsgericht die sich aus § 54 Abs. 3 Satz 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung eines solchen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken (Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3 zur entsprechenden Regelung in § 55 BDG). Die Fehlerhaftigkeit der Klageschrift erweist sich angesichts der vorliegenden Einzelfallumstände aber nicht als wesentlicher Mangel im Sinne des § 54 LDG NRW.

14

a) Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW muss die Klageschrift die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem Umstand Rechnung, dass sie Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsklage als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind. Aus der Klageschrift muss bei verständiger Lektüre deshalb eindeutig hervorgehen, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden (Urteil vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 A 3.05 - Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 27 f. und Beschluss vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 2 B 59.11 - juris Rn. 5 m.w.N.).

15

Diesen Anforderungen entspricht auch die neugefasste Klageschrift nicht. Dem Beklagten wird darin vorgeworfen, im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 21. Dezember 2004 dadurch eine unerlaubte Nebentätigkeit ausgeübt zu haben, dass er Waren bei der Fa. M. bestellt, abgeholt und anschließend wieder veräußert hat. An 284 Tagen sei er dabei krankgeschrieben gewesen, in diesen habe er insgesamt 794 Positionen mit einem Warenwert von über 500.000 € abgewickelt. Damit war zwar der Tatzeitraum eingegrenzt und die Gesamtzahl und das Umsatzvolumen der getätigten Bestellungen angegeben (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 69.10 - juris Rn. 7). Die Klageschrift enthält aber den Zeitpunkt der dem Beklagten zur Last gelegten einzelnen Handlungen nicht. Ihr kann deshalb auch nicht entnommen werden, welche konkreten Sachverhalte vom Dienstherrn zur Begründung der von ihm angenommenen Dienstvergehen herangezogen worden waren. Diese Bezeichnung der Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, ist aber das "Kernstück" der Disziplinarklagebegründung (Weiß, in: GKÖD, Band II, Stand: Mai 2013, M § 52 Rn. 86).

16

Die Klageschrift durfte hierzu nicht auf die in der Disziplinarakte befindliche Einzelaufstellung verweisen (Urteil vom 25. Januar 2007 a.a.O. Rn. 29). Durch eine derartige Verweisung auf die Behördenakten kann die Klageschrift nicht mehr die ihr durch § 52 LDG NRW zugedachte Eingrenzungs- und Informationsfunktion erfüllen. Die Klageschrift ist nicht mehr aus sich heraus verständlich, sodass der Beklagte sich nicht auf sie beschränken kann, um den genauen Gegenstand der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und sein hiergegen mögliches Prozessverhalten bestimmen zu können.

17

Zwar kann in einem Disziplinarverfahren, in dem einem Beamten - wie hier - eine Vielzahl gleichförmiger Taten zur Last gelegt werden, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, hinsichtlich der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten auf eine tabellarische Aufstellung verwiesen werden (vgl. zur entsprechenden Erleichterung im Strafverfahren BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 260/09 - NStZ 2011, 420 Rn. 19). Diese Aufstellung muss indes Teil der Klageschrift sein, weil nur so der Sachverhalt, aus dem das Dienstvergehen hergeleitet wird, in dieser hinreichend bestimmt dargestellt ist (Urteile vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - juris Rn. 14 § 70 bbg nr. 12> und vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 A 3.05 - a.a.O. Rn. 27; Beschlüsse vom 13. März 2006 - BVerwG 1 D 3.06 - Buchholz 235 § 67 BDO Nr. 1 Rn. 13, vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - juris Rn. 22 § 17 bdg nr. 1>, vom 21. April 2010 - BVerwG 2 B 101.09 - juris Rn. 6, vom 28. März 2011 - BVerwG 2 B 59.10 - juris Rn. 5, vom 26. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 6 sowie vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 2 B 59.11 - juris Rn. 5).

18

b) Der in dem unzulässigen Verweis auf die Disziplinarakte liegende Mangel der Klageschrift ist unter den hier gegeben Umständen jedoch ausnahmsweise als unwesentlich einzustufen und hinderte deshalb den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme nicht.

19

Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich im Sinne des § 54 LDG NRW, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann. Hingegen kommt es für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels weder darauf an, ob er behebbar ist noch darauf, ob und ggf. wie intensiv schutzwürdige - insbesondere grundrechtsbewehrte - Rechtspositionen Betroffener durch den Mangel berührt worden sind. Maßgeblich ist wegen der Funktion des Disziplinarverfahrensrechts, bei der Prüfung und ggf. Ahndung von Dienstvergehen gesetzmäßige Ergebnisse zu erzielen, vielmehr die Ergebnisrelevanz. Nur solche Mängel sind wesentlich und bedürfen einer Korrektur oder führen zur Einstellung des Verfahrens nach § 54 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW, bei denen nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, dass sie sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben können. Wann ein Mangel in diesem Sinne wesentlich ist, ist eine Frage des Einzelfalles (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6, jeweils Rn. 19 zur gleichlautenden Vorschrift des § 55 BDG; Beschluss vom 28. März 2013 - BVerwG 2 B 113.12 - juris Rn. 9 zu § 52 HmbDG). Eine inhaltlich nicht ausreichend bestimmte Klageschrift weist grundsätzlich einen wesentlichen Mangel auf, weil sie die sachgerechte Verteidigung des Beamten gegen die disziplinaren Vorwürfe erschwert (Urteil vom 25. Januar 2007 a.a.O. Rn. 26 f.).

20

Vorliegend ist dem Beklagten indes eine Kopie der in der Disziplinarakte enthaltenen Einzelaufstellung vorab übermittelt worden, auf der jeweils bestimmten Tagen zugeordnet die Zahl der bestellten Artikel, der Warenwert, die Abholung sowie das Vorliegen einer Krankschreibung vermerkt war. Aus der Zusammenschau von auf diese Einzelaufstellung Bezug nehmender Klageschrift und der dem Beklagten zur Verfügung gestellten Einzelaufstellung konnte kein Zweifel daran bestehen, welche Sachverhalte vom Dienstherrn zur Begründung des angenommenen Dienstvergehens herangezogen worden sind. Der Beklagte ist nicht durch vage und unbestimmte Vorwürfe belastet worden, sondern wusste genau, welche Handlungen ihm zur Last gelegt wurden. Auch hinsichtlich der näheren Umstände der Einzeltaten und ihres exakten Zeitpunktes ist durch die Bezugnahme auf die dem Beklagten vorab übersandte Einzelaufstellung eine präzise Eingrenzung erfolgt. Der Beklagte war damit auch in die Lage versetzt, sich sachgerecht zu verteidigen. Er war noch vor Zustellung der Klageschrift über die konkretisierten Einzelvorwürfe unterrichtet und hatte Gelegenheit, sein Prozessverhalten hierauf einzustellen. Warum und wie sich der Mangel auf das Ergebnis der Disziplinarklage hätte auswirken können, ist weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es kann daher mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich der Verstoß gegen § 52 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW auf das Disziplinarklageverfahren ausgewirkt hat.

21

Soweit die Beschwerde nunmehr vorträgt, die übermittelte Kopie sei schlecht leserlich gewesen, hätte es dem Beklagten oblegen, hierauf zeitnah hinzuweisen. Im Übrigen sind in der Berufungserwiderung derartige Einwände nicht geltend gemacht und nur inhaltliche Einwendungen gegen die - offenbar auch für den Beklagten lesbaren - Anlagen vorgetragen worden.

22

Hinsichtlich der Rüge, durch die Verwendung von Kreuzen und Sternchen sei die Spalte Krankmeldung nicht verständlich gewesen, ist der Beschwerde zuzugeben, dass die unmittelbare Verständlichkeit der Tabelle durch die Schwarz-Weiß-Kopie Einbußen erfahren hat. Die in roter Farbe vorgenommene Durchstreichung des Kreuzes in der Spalte "krank nein" mag dem Beklagten so im ersten Moment als Sternchen erschienen sein. Schon die zusätzliche Markierung im Feld "krank ja" ließ jedoch keinen anderen Schluss zu, als dass es sich bei dem "Sternchen" um eine Streichung des ursprünglichen Kreuzes gehandelt hat. Dies gilt in Anbetracht des jeweils angebrachten Berichtigungsvermerks sowie der entsprechend geänderten Beträge im Erkrankungszeitraum erst recht. Die Aufstellung über die Krankheitszeiten ließ damit auch in Schwarz-Weiß-Kopie keine Zweifel an ihrem Aussagegehalt. Welche andere Interpretationsmöglichkeit bestanden hätte, legt auch die Beschwerde nicht dar.

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, so hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält.

(2) Für Mitglieder eines Ausschusses (§ 88) gilt § 20 Abs. 4 entsprechend.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;
3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;
4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;
5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;
6.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt;
2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat;
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war;
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) In einem Verwaltungsverfahren darf für eine Behörde nicht tätig werden,

1.
wer selbst Beteiligter ist;
2.
wer Angehöriger eines Beteiligten ist;
3.
wer einen Beteiligten kraft Gesetzes oder Vollmacht allgemein oder in diesem Verwaltungsverfahren vertritt;
4.
wer Angehöriger einer Person ist, die einen Beteiligten in diesem Verfahren vertritt;
5.
wer bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist oder bei ihm als Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs tätig ist; dies gilt nicht für den, dessen Anstellungskörperschaft Beteiligte ist;
6.
wer außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft in der Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist.
Dem Beteiligten steht gleich, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. Dies gilt nicht, wenn der Vor- oder Nachteil nur darauf beruht, dass jemand einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört, deren gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt werden.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Wahlen zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit und für die Abberufung von ehrenamtlich Tätigen.

(3) Wer nach Absatz 1 ausgeschlossen ist, darf bei Gefahr im Verzug unaufschiebbare Maßnahmen treffen.

(4) Hält sich ein Mitglied eines Ausschusses (§ 88) für ausgeschlossen oder bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 gegeben sind, ist dies dem Vorsitzenden des Ausschusses mitzuteilen. Der Ausschuss entscheidet über den Ausschluss. Der Betroffene darf an dieser Entscheidung nicht mitwirken. Das ausgeschlossene Mitglied darf bei der weiteren Beratung und Beschlussfassung nicht zugegen sein.

(5) Angehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 und 4 sind:

1.
der Verlobte,
2.
der Ehegatte,
2a.
der Lebenspartner,
3.
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,
4.
Geschwister,
5.
Kinder der Geschwister,
6.
Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten,
6a.
Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner,
7.
Geschwister der Eltern,
8.
Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).
Angehörige sind die in Satz 1 aufgeführten Personen auch dann, wenn
1.
in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die die Beziehung begründende Ehe nicht mehr besteht;
1a.
in den Fällen der Nummern 2a, 3 und 6a die die Beziehung begründende Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
2.
in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist;
3.
im Falle der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.

(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, so hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält.

(2) Für Mitglieder eines Ausschusses (§ 88) gilt § 20 Abs. 4 entsprechend.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 277/01
vom
1. August 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 839 A, Fg; BRRG § 35 Abs. 1 Satz 2, § 36 Abs. 3;
BayBG Art. 62 Abs. 1 Satz 2, Art. 64 Abs. 1 Satz 3
Für Schäden, die dadurch entstehen, daß ein Polizeibeamter im Rahmen
der gemeinsamen Dienstausübung durch seinen Vorgesetzten
(Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayBG) systematisch und fortgesetzt schikaniert
und beleidigt wird (Mobbing), haftet der Dienstherr des Schädigers
nach Amtshaftungsgrundsätzen.
BGH, Beschluß vom 1. August 2002 - III ZR 277/01 - OLG München
LG München I
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. August 2002 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Streck, Schlick, Dr. Kapsa und
Galke
beschlossen:-
Die Revision des Klägers und seines Streithelfers gegen das Urteil
des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom
20. September 2001 - 1 U 2443/01 - wird nicht angenommen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens - mit Ausnahme der durch
den Streithelfer des Klägers verursachten Kosten, die dieser
selbst zu tragen hat - trägt der Kläger.
Streitwert: 112.330,41 DM (= 57.433,63 ?)

Gründe


Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO a.F.). Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).

I.


Der Kläger verlangt von dem Beklagten aus übergegangenem und abgetretenem Recht Zahlung von Schmerzensgeld und Erstattung von Beerdigungskosten.
Die Tochter des Klägers war Polizeibeamtin. Sie verrichtete vom 1. bis zum 13. Dezember 1998 und vom 1. bis zum 23. Januar 1999 ihren Dienst in der A-Schicht der Polizeiinspektion .... in M. , deren Dienstgruppenleiter der Beklagte war.
Die Tochter des Klägers befand sich Ende Januar 1999 für einige Tage wegen des Verdachts eines psycho-vegetativen Erschöpfungssyndroms in stationärer Behandlung. Am 14. Februar 1999 beging sie Selbstmord. In einem Abschiedsbrief hatte sie geäuûert, sie habe keine Lust mehr, sich von der ASchicht quälen zu lassen.
Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe seine Tochter fortlaufend schikaniert, ihre dienstlichen Leistungen herabgewürdigt und sie in obszöner Weise ständig beleidigt. Der vom Beklagten ausgeübte Psychoterror sei Ausdruck seiner Grundhaltung gewesen, Frauen seien untergeordnete Personen; er habe seinen geradezu triebhaften Zwang, Frauen zu erniedrigen und zu demütigen, aus rein persönlichen Motiven im Dienst ausgelebt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen der Kläger und sein Streithelfer, der Freistaat Bayern, das Zahlungsbegehren weiter.

II.



Die Vorinstanzen haben ihre klageabweisenden Entscheidungen damit begründet, daû sich die auf der Grundlage des Klägervorbringens in Frage kommenden Schadensersatzansprüche nach §§ 839 Abs. 1, 844 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG gegen das Land als Dienstherrn und nicht gegen den Beklagten persönlich richteten. Dem ist zuzustimmen.
1. a) § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, daû der Amtsträger in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes handelt. Dies bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äuûerer und innerer Zusammenhang besteht, daû die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muû. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden , sondern auf seine Funktion, d.h. auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (vgl. nur Senatsurteile BGHZ 147, 169, 171; 118, 304, 305 m.w.N.).

b) Nach § 2 Abs. 1 BRRG, Art. 2 BayBG steht der Beamte zu seinem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, bei dem der umfassenden Dienstleistungs- und Treuepflicht des Beamten (§ 36 BRRG, Art. 64 Abs. 1 BayBG) die ebenso umfassende Fürsorge- und Treuepflicht des Dienstherrn gegenübersteht (§ 48 BRRG, Art. 86 BayBG). Im Verhältnis zum Vorgesetzten (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayBG) obliegen dem Beamten Beratungs-, Unterstützungs- und Gehorsamspflichten (§ 37 BRRG, Art. 64 Abs. 2 BayBG). Umgekehrt bestimmen die in § 35 Abs. 1 Satz 2, § 36 Satz 3
BRRG sowie in Art. 62 Abs. 1 Satz 2, Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG enthaltenen Pflichten in besonderem Maûe das Verhalten des Vorgesetzten zu seinen Untergebenen. Im Umgang mit ihnen ist er zu einem korrekten, achtungs- und vertrauenswürdigen Auftreten verpflichtet, wobei er sich insbesondere eines angemessenen Umgangstons zu befleiûigen hat (vgl. Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl., Einl. C Rn. 54 a ff; Zängl, in: Weiû/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Art. 64 [Stand: November 2001] Anm. 14 a).

c) Angesichts dieses beamtenrechtlichen (öffentlich-rechtlichen) Normengefüges wird ein Vorgesetzter, der - wie hier - im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung einen Untergebenen respektlos behandelt, regelmäûig hoheitlich tätig. Dies hat zur Folge, daû für etwaige daraus entstehende Gesundheitsschäden des Untergebenen nach Amtshaftungsgrundsätzen grundsätzlich nicht der vorgesetzte Beamte persönlich, sondern dessen Dienstherr haftet. Davon geht im rechtlichen Ansatz auch die Revision aus.
2. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt der Umstand, daû jedenfalls bezüglich der fortgesetzten anstöûigen Beleidigungen ein konkreter dienstlicher Anlaû nicht immer erkennbar ist, diese Äuûerungen vielmehr in nachvollziehbarer Weise nur als Ausdruck einer frauenfeindlichen Grundhaltung des Beklagten zu erklären sind, keine andere Beurteilung der Rechtslage.

a) Nach ständiger Rechtsprechung darf bei der Frage, ob ein Amtsträger in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes oder nur bei Gelegenheit der Amtsausübung gehandelt hat, der Begriff der Ausübung nicht zu eng ausgelegt werden (so schon RGZ 104, 286, 289). Auch ein Miûbrauch des Amtes zu eigennützigen, schikanösen oder gar strafbaren Zwecken, eine Pflichtwid-
rigkeit aus eigensüchtigen oder rein persönlichen Gründen schlieût den für das Handeln in Ausübung des Amtes maûgeblichen inneren Zusammenhang zwischen Amtsausübung und schädigendem Verhalten nicht von vornherein aus (vgl. Senatsurteil vom 30. April 1953 - III ZR 204/52 - LM BGB § 139 [Fg] Nr. 5). Insbesondere ist ein Tätigwerden in Ausübung des übertragenen öffentlichen Amtes selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Beamte gerade das tut, was er verhindern sollte (wenn etwa Wachtpersonal, das Plünderungen vermeiden soll, sich selbst daran beteiligt, RGZ 104, 304; wenn ein Polizeibeamter , der die miûbräuchliche Verwendung von Dienstfahrzeugen verhindern soll, selbst einen Dienstwagen zu einer Schwarzfahrt benutzt, Senatsurteile BGHZ 124, 15, 18; 1, 388, 392 ff).

b) Darüber hinaus ist zu beachten, daû nach der Rechtsprechung des Senats der gesamte Tätigkeitsbereich, der sich auf die Erfüllung einer bestimmten hoheitlichen Aufgabe bezieht, als Einheit beurteilt werden muû und es nicht angeht, die einheitliche Aufgabe in Einzelakte - teils hoheitlicher, teils bürgerlichrechtlicher Art - aufzuspalten und einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen (Senatsurteile BGHZ 42, 176, 179 f zur Frage, ob die Teilnahme eines Amtsträgers am allgemeinen Verkehr als Dienst- oder Privatfahrt einzuordnen ist; BGHZ 16, 111, 112 f zur Paketbeförderung durch die damals noch öffentlich-rechtlich organisierte Post).
3. Nach diesen Maûstäben steht vorliegend nur die Haftung des Landes als Dienstherr der zu Tode gekommenen Polizeibeamtin in Frage.

a) Diese hatte mit dem Beklagten nur im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung Kontakt. Die vorgetragenen Herabwürdigungen ihrer dienstli-
chen Leistungen durch den Beklagten, die Verweigerung von Hilfestellung, die - diskriminierende - Praxis, der Beamtin, im Unterschied zu allen anderen (männlichen) Kollegen der A-Schicht, Dienstanweisungen nicht mehr mündlich, sondern durch Notizzettel zu erteilen, sowie das Ansinnen, eine falsche Ordnungswidrigkeiten -Anzeige aufzunehmen, haben eindeutig einen dienstlichen Bezug. Die notwendige innere Beziehung der schädigenden Handlung zur Dienstausübung ist insoweit, und zwar ohne Rücksicht auf die Absichten und Beweggründe des Beklagten, fraglos gegeben.

b) Bezüglich der fortgesetzten Beleidigungen hat das Berufungsgericht im Anschluû an die bereits zitierte Rechtsprechung zutreffend angenommen, daû eine isolierte Betrachtungsweise dahin, daû bei solchen Vorfällen, in denen ein konkreter Bezug zu dienstlichen Vorgängen nicht erkennbar ist, der Vorgesetzte nach allgemeinem Deliktsrecht persönlich haften soll, nicht möglich ist. Aus den von der Revision des Klägers angeführten Entscheidungen ergibt sich nichts anderes.
Dem Senatsurteil BGHZ 11, 181 lag der Fall zugrunde, daû ein Truppenangehöriger einen Offizier "aus Wut und Rache" plötzlich durch einen mittels einer Maschinenpistole abgegebenen Feuerstoû getötet hatte. Hier hat der Senat einen inneren Zusammenhang zwischen Tat und Dienst verneint, obgleich die persönlichen Beweggründe zur Tat durch Vorkommnisse im Dienst veranlaût worden sein sollten. Mit einer derartigen Konstellation, der eine spontane, selbst in Kriegszeiten kaum nachvollziehbare Überreaktion zugrunde liegt, die strafrechtlich möglicherweise als Mord zu ahnden ist (vgl. auch RGZ 104, 286, 290), ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Er zeichnet sich vielmehr auf der Grundlage des Klägervorbringens dadurch aus, daû ein Vor-
gesetzter seine hervorgehobene Amtsstellung in einer im Einzelfall mehr oder weniger auf einen konkreten dienstlichen Anlaû bezogenen Art und Weise dazu miûbraucht, einen Untergebenen systematisch und fortgesetzt zu beleidigen , zu schikanieren und zu diskriminieren (Mobbing). Diese Verhaltensweise erfordert eine einheitliche Beurteilung, die dann, wenn - wie hier - das Mobbing im Rahmen bestehender Beamtenverhältnisse stattfindet, zur Anwendung von Amtshaftungsrecht führt.
4. Dies hat zur Folge, daû vorliegend allein das Land als Dienstherr des Beklagten passivlegitimiert ist. Soweit die Revision des Klägers darauf hinweist , daû neben Ansprüchen aus Amtshaftung gegen die Anstellungskörperschaft auch eine persönliche Ersatzpflicht des Amtsträgers aus anderem Rechtsgrund in Frage kommen kann, so betrifft dies insbesondere Ansprüche gegen den Beamten nach § 7 StVG (etwa wenn der Beamte mit seinem eigenen Pkw eine Dienstfahrt durchführt, vgl. BGHZ 29, 38). Hingegen verbleibt es allein bei der Haftung aus § 839 BGB, Art. 34 Satz 1 GG, wenn der Beamte in Ausübung eines öffentlichen Amtes eine Handlung begeht, die bei Anwendung des allgemeinen Deliktsrechts den Tatbestand des § 823 Abs. 1 und Abs. 2 (i.V.m. §§ 185, 223 StGB) oder des § 826 BGB erfüllen würde (vgl. Senatsurteile BGHZ 69, 128, 138 ff; 78, 274, 279). Aus der von der Revision des Klägers angeführten Senatsentscheidung BGHZ 147, 381 ergibt sich nichts anderes.
5. Diese Haftungsfolge ist auch sachgerecht. Sie führt zu klaren und eindeutigen Ergebnissen, die für den Geschädigten mehr Vor- als Nachteile mit sich bringen. Dies gilt auch für die vorliegende Fallkonstellation (Mobbing durch Vorgesetzte): Dem geschädigten Beamten steht insbesondere ein lei-
stungsfähiger Schuldner gegenüber. Die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB greift im allgemeinen schon deshalb nicht ein, weil "fahrlässiges Mobbing" kaum denkbar ist. Auch § 839 Abs. 3 BGB wird in gravierenden Fällen , in denen - wovon vorliegend nach dem Klägervortrag auszugehen ist - die Mobbing-Handlungen des Vorgesetzten gegenüber einer diensttuenden Beamtin mit (zumindest) stillschweigender Billigung der anderen (männlichen) Kollegen erfolgt sind, kaum zu einem Anspruchsverlust führen. In einer derartigen Situation muû das "Mobbing-Opfer" befürchten, daû durch Einlegung einer Beschwerde eine baldige Besserung seiner Situation nicht zu erreichen, vielmehr im Gegenteil eine deutliche Verschlechterung zu befürchten ist.
Eine unbillige Entlastung des handelnden Beamten ist damit nicht verbunden , da in eindeutigen "Mobbing-Fällen", in denen ein Vorgesetzter seine Amtsbefugnisse vorsätzlich und schwerwiegend miûbraucht, der haftende Dienstherr Regreû nehmen kann (§ 46 BRRG, Art. 85 BayBG).
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Polizeivollzugsbeamter im Land Sachsen-Anhalt im Rang eines Polizeikommissars (BesGr A 9 BesO) und wendet sich gegen die disziplinarrechtliche Kürzung seiner Dienstbezüge um 1/10 auf die Dauer von 9 Monaten durch Bescheid vom 05.11.2012.

2

Die Disziplinarverfügung führt aus, dass der Beamte während eines Einsatzes am 13.05.2010 gegen 21.00 Uhr gegenüber dem am Boden knienden und durch Pfefferspray beeinträchtigten Herrn F. W. unmittelbaren Zwang in Form eines Trittes gegen das rechte Knie angewandt und Herrn W. damit körperlich misshandelt habe. Dies ergebe sich aus dem Videobeweis zur Strafanzeige der Körperverletzung im Amt, wonach ein Einsatzbeamter von hinten zu erkennen sei, der eine am Boden kniende Person gegen das rechte Knie trete. Zeugenaussagen anderer Polizeibeamter würden die Tat belegen. Die Anwendung von Zwangsmitteln sei nicht geboten gewesen. Der Tritt sei demnach unnötig und rechtswidrig gewesen. Damit habe der Beamte seine Grundpflicht zu rechtmäßigem dienstlichen Handeln gemäß § 36 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) verletzt. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen die sogenannte beamtenrechtliche „Wohlverhaltensklausel“ nach § 34 Satz 3 BeamtStG vor. Ein Polizeibeamter müsse danach sein Verhalten so ausrichten, dass dadurch sein bzw. das Ansehen der gesamten Polizei in der Öffentlichkeit nicht geschädigt werde. Die Dienstpflichtverletzung sei auch vorsätzlich und schuldhaft begangen worden. Im Zuge der Gesamtabwägung sei aufgrund der Schwere des Dienstvergehens eine Kürzung der Dienstbezüge erforderlich. Die Laufzeit der Gehaltskürzung resultiere aus dem gravierenden Verstoß des Klägers gegen die beruflichen Kernpflichten eines Polizeibezugsbeamten aufgrund der wissentlich und willentlichen Gewaltausübung gegenüber einer Person. Milderungsgründe seien nicht ersichtlich. Auch bei der Kostenentscheidung sei festzustellen, dass der Vorwurf der unprovozierten körperlichen Misshandlung so schwer wiege, dass dem Kläger 2/3 der Kosten aufzuerlegen seien.

3

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass das Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet worden und zudem eine Körperverletzung nicht feststellbar sei. Dies belege auch die fehlende Verletzung bei Herrn W.. Die damalige besondere Einsatzsituation, nämlich das Anlaufen gegen eine Gruppe von Demonstranten, werde nicht berücksichtigt.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und bekräftigte dabei die rechtlichen Ausführungen des Ausgangsbescheides. Trotz dessen der unmittelbare direkte Vorgesetzte des Klägers Kenntnis von dem Dienstvergehen gehabt habe, sei das Disziplinarverfahren nicht zu spät eingeleitet worden. Denn entscheidend sei der Zeitpunkt, wenn das zuständige Organ die Kenntnis über ein Dienstvergehen erlangt habe. Dies sei im disziplinarrechtlichen Bereich der Direktor der Landesbereitschaftspolizei bzw. die personalführende Stelle. Nach Bekanntwerden der Geschehnisse vom Mai 2010 im November 2011 sei das Disziplinarverfahren unmittelbar im Januar 2012 eingeleitet worden. Auch wenn der Tritt, mithin die Körperverletzungshandlung auf dem Video nicht exakt ersichtlich werde, sei die Handlung durch die Aussagen der beiden Kollegen bezeugt. Zum Tatzeitpunkt hätten die Beamten lediglich die agierende Person nicht erkennen können. An der Tathandlung selbst hätten keine Zweifel bestanden. Auch der Einsatzbefehl zum Anlaufen gegen eine Gruppe rechtfertige die Handlung des Klägers nicht. Denn von dem am Boden knienden Herrn W. sei keine Gefahr ausgegangen. Auch wenn bei dem Herrn W. keine adäquate Verletzung feststellbar gewesen sei, sei allein die erwiesene körperliche Misshandlung in Form des Trittes disziplinarrechtlich ausschlaggebend.

5

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarmaßnahme und macht diesbezüglich die Gründe des Widerspruchs geltend. Entscheidend sei, dass eine Körperverletzungshandlung nicht feststellbar sei.

6

Der Kläger beantragt,

7

die Disziplinarverfügung vom 05.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2013 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen

10

und verteidigt die Disziplinarverfügung. Dem Kläger sei zuzustimmen, dass ein Körperverletzungserfolg nicht eingetreten sei. Dies sei für das Disziplinarverfahren unerheblich.

11

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt ist unter dem 16.03.2011 von der Staatsanwaltschaft A-Stadt – Zweigstelle H. – nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden.

12

Unter dem 08.06.2010 sagte die Polizeikommissarin Stefanie K. als Zeugin in dem Ermittlungsverfahren wegen Verdacht der Körperverletzung im Amt vor der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord aus (Blatt 46 [Blatt 51] Beiakte A):

13

„Plötzlich sah ich einen Polizeibeamten unseres Zuges auf die am Boden hockende Person zulaufen und diesem mit dem rechten Fuß gegen ein Knie treten.“

14

Im Zuge der gleichen Ermittlungen sagte der Polizeikommissar Felix M. am 03.06.2010 (Blatt 52 [Blatt 57] Beiakte A) aus:

15

„Tatsache ist, dass ich einen Polizeibeamten unseres Zuges auf die am Boden hockende Person zulaufen sah, wie dieser mit dem rechten Fuß gegen ein Knie der Person trat.“

16

Herr W. sagte vor der Polizei unter dem 04.06.2010 als Zeuge aus (Blatt 43 Beiakte A):

17

„In diesem Augenblick sah ich, wie ein uniformierter Polizeibeamter auf mich zukam und ich danach einen Tritt gegen mein Knie bzw. Oberkörper erhielt. Von der Wucht dieses Trittes fiel ich nach hinten zu Boden. (…).

18

Diese Schmerzen stammten von dem Fußtritt des Polizeibeamten gegen meine Person. Ich wurde drei Tage arbeitsunfähig geschrieben aufgrund einer festgestellten und schmerzenden Prellung an meiner linken Seite des Oberkörpers.“

19

Der ärztliche Befundbericht (Blatt 78 BA A) besagt, dass bei Herrn W. eine lokale Rötung im Sinne einer Abschürfung im rechten Mittelbauch festgestellt wurde.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie insbesondere die strafrechtliche Ermittlungsakte zu dem Aktenzeichen … Js … und die darin befindliche Diskette zur Videoaufzeichnung der Tatgeschehnisse verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Das Disziplinargericht hat die Videoaufzeichnung in Augenschein genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn der angefochtene Disziplinarbescheid in Form der Gehaltskürzung ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte legt ihrer disziplinarrechtlichen Entscheidung unzutreffende tatsächliche Geschehnisse zugrunde. Unter Bewertung der tatsächlichen Tatgeschehnisse erscheint die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme als unverhältnismäßig, weil unangemessen und bedarf insoweit der Abänderung. Zudem übersieht die Beklagte die verzögerte Einleitung des Disziplinarverfahrens und zieht daraus nicht die rechtlichen Schlüsse. Jedenfalls erweist sich die ausgesprochene Disziplinarverfügung zur Überzeugung des Gerichts insoweit als unzweckmäßig, welches ebenso zur Aufhebung bzw. Abänderung durch das Disziplinargericht führt (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

22

1.) Der Disziplinarbescheid ist nicht bereits formell rechtswidrig. Nach § 33 Abs. 3 Nr. 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) kann der der obersten Dienstbehörde unmittelbar nachgeordnete Dienstvorgesetzte die Kürzung der Dienstbezüge bis zu einer Kürzung um ein Fünftel der Dienstbezüge auf zwei Jahre festsetzen. Davon hat der Direktor der C. vorliegend gebrauch gemacht. Von dieser disziplinarrechtlichen Kompetenz zum Ausspruch der Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung ist jedoch die Zuständigkeit für die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu unterscheiden. Soweit die Beklagte anscheinend meint, dass generell der Direktor der Landesbereitschaftspolizei bzw. die personalführende Stelle für die Einleitung disziplinarrechtlicher Ermittlungen zuständig sei bzw. erst ab deren Kenntniserlangung das Gebot der disziplinarrechtlichen Beschleunigung nach § 4 DG LSA gelte, ist dem nicht so. Denn unmissverständlich besagt § 17 Abs. 1 Satz 1 DG LSA, dass der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht hat, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Der - direkte - Dienstvorgesetzte des Klägers war zum Zeitpunkt des Geschehens PHK D., welcher aufgrund der von ihm am 17.05.2010 getätigten Strafanzeige gegen den Kläger auch Kenntnis von den Vorfällen am 13.05.2010 hatte. Erst im November 2011 informierte PHK D. „in einem Gespräch“ (vgl. Bl. 4 Beiakte A) wohl die personalführende Stelle, woraufhin der Direktor der Landesbereitschaftspolizei im Januar 2012 das Disziplinarverfahren einleitete. Diese Einleitungspflicht hätte zunächst dem Vorgesetzten D. oblegen. Nach § 17 Abs. 2 HS 1 DG LSA stellen der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde im Rahmen ihrer Aufsicht die Erfüllung dieser Pflicht sicher. Gleichwohl wird die - verspätete - Einleitung damit nicht verfahrensfehlerhaft. Denn nach § 17 Abs. 2 HS 2 letzte Alternative DG LSA kann der höhere Dienstvorgesetzte die Disziplinarverfolgung aufnehmen. Die Voraussetzungen eines Maßnahmeverbotes nach § 15 DG LSA liegen nicht vor. Allerdings muss dann die verzögerte Einleitung, hier über einen Zeitraum von 20 Monaten, im Rahmen der stets zu prüfenden Milderungs- und Entlastungsgründe berücksichtigt werden. Dies übersieht die Beklagte.

23

2.) Das Disziplinargericht lässt keinen Zweifel daran, dass die Beklagte zu Recht davon ausgeht, dass der Kläger als Polizeivollzugsbeamter ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen hat. Zur Überzeugung des Gerichts steht aufgrund der Ermittlungen im Disziplinarverfahren sowie im mittlerweile eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und aufgrund der geständigen und sonstigen Einlassung des Klägers und unter Bewertung des gesamten Aktenmaterials fest, dass der Beamte gegen seine dienstrechtlichen Pflichten nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen hat. Danach muss das Verhalten eines Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Mit dieser sogenannten beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht, wird dem Beamten die Pflicht auferlegt, sich so zu verhalten, dass aus seinem Handeln kein Achtungs- und Vertrauensverlust ableitbar ist. Dies gilt insbesondere bei einem in der Öffentlichkeit stehenden Polizeivollzugsbeamten.

24

a.) Dabei ist die Dienstpflichtverletzung darin zu sehen, dass der Kläger zum genannten Tatzeitpunkt auf den am Boden knienden und insoweit aufgrund der Einwirkung von Pfefferspray offensichtlich wehrlosen Herrn W. zu rannte und mit dem rechten durch Polizeistiefel beschuhten Fuß zum Tritt ausholte. Dieses tatsächliche Tatgeschehen ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den in den Ermittlungsvorgängen befindlichen Videosequenzen und der Inaugenscheinnahme des Videomaterials durch das Gericht.

25

b.) Nach diesen Filmaufzeichnungen ist der Erfolg der Körperverletzungshandlung, also eine Berührung des Körpers des Herrn W., nicht ersichtlich. Erkennbar ist nur, dass Herr W. aufgrund der herannahenden und zum Tritt ausholenden Person des Klägers aus der Hocke heraus das Gleichgewicht verliert und nach Hinten wegfällt, um sodann wieder aus dieser Position ohne Probleme in den Stand aufstehen kann und fortläuft. Zur festen Überzeugung des Disziplinargerichts wäre dieses tatsächliche und dokumentierte Verhalten des Herrn W. nach einem erfolgreichen Tritt durch einen schweren Polizeistiefel nicht möglich gewesen. Denn ein Fußtritt mit einem derart bestiefelten Fuß hätte mit Sicherheit starke Schmerzen und auch feststellbare Schäden am Knie des Herrn W. verursacht. Die im Anschluss vorgenommene körperliche ärztliche Untersuchung des Herrn W. belegte jedoch keine diesbezüglichen Verletzungen oder auch nur Anzeichen einer solchen Berührung im Kniebereich, sondern eine lokale Rötung im Sinne einer Abschürfung im rechten Mittelbauch. Diese ärztlich festgestellten Verletzungen im Bauchbereich können jedoch ersichtlich nicht von dem nur im Kniebereich des Herrn W. geführten Fußtrittes verursacht worden sein. Insoweit ist auch die Zeugenaussage des Herrn W. nicht belastbar.

26

Auch die der disziplinarrechtlichen Bewertung zugrunde gelegten Zeugenaussagen der Kollegen K. und M. belegen das von der Beklagten dem Disziplinarbescheid zugrunde gelegten Tatgeschehen nicht. Dabei stand im Vordergrund der Ermittlungen zunächst die Feststellung der Person des handelnden Polizeibeamten. Dass es sich dabei um den Kläger handelt, konnten die Kollegen nachvollziehbar darlegen. Zudem bestreitet dies der Kläger nicht. Zur Überzeugung des Gerichts konnten die genannten Kollegen jedoch den tatsächlichen Erfolg des angedeuteten Tritts auf den Körper des Herrn W. nicht wahrnehmen, sondern haben dies nur aus ihrer Beobachtung und dem „normalen Lauf der Dinge“ geschlussfolgert. Denn Herr M. war der mit der Videoaufzeichnung beauftragte Einsatzbeamte und konnte daher nichts anderes wahrnehmen als er auch durch den Blick in seine Videokamera dokumentierte und Frau K. stand unmittelbar neben Herrn M. und konnte das Geschehen daher auch nur rückseitig beobachten. Aufgrund dieser Tatsachen hinsichtlich der Örtlichkeit und dem Betrachtungswinkel der Zeugen sowie unter Auswertung der genannten Videosequenzen und der Inaugenscheinnahme des Videomaterials sah das Gericht auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung. Entsprechende Beweisanträge sind nicht gestellt worden.

27

c.) Demnach steht zur Überzeugung des Disziplinargerichts fest, dass das in der Disziplinarverfügung zugrunde gelegte tatsächliche Geschehen mangels tatsächlicher körperlicher Beeinträchtigungen bei Herrn W. so nicht geschehen ist und die Disziplinarverfügung insoweit von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, so dass zwangsläufig die gewählte Disziplinarmaßnahme fehlerhaft erscheinen muss. Dabei fällt auf, dass bereits im Widerspruch und in der Klagebegründung auf diesen andersartigen Sachverhalt hingewiesen wurde und in der Klageerwiderung seitens der Beklagten ausgeführt wird, dass dieser Aspekt für das Disziplinarverfahren unerheblich sei.

28

Somit mag das Geschehen allenfalls unter dem strafrechtlichen Tatbestand einer versuchten Körperverletzung zu beurteilen sein. Disziplinarrechtlich ist dies wiederum insoweit ohne Belang, weil es keine versuchte Dienstpflichtverletzung gibt (VG Magdeburg, Urteil v. 23.01.2013, 8 A 16/12; juris). Gegenstand eines Dienstvergehens ist immer eine vollendete Pflichtverletzung, auch wenn vielleicht die sachgleiche Straftat unvollendet blieb (VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; juris). Allerdings ist bei der Gesamtbewertung nach § 13 DG LSA im Sinne der Richtschnur für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme die Zugrundelegung des tatsächlichen, wahren Geschehens und damit die Tatsache, ob eine körperliche Schädigung bei dem Herrn W. eingetreten ist, zwingend notwendig. Denn disziplinarrechtlich macht es bei der Bewertung des Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspoflicht einen Unterschied, ob ein Polizeivollzugsbeamter gegenüber einem Bürger/Demonstranten tatsächlich unzulässige Gewalt im Sinne einer Körperverletzung ausübt oder ob diese körperlichen Schäden beim Gegenüber nicht eingetreten sind. Denn dies bestimmt die Schwere des Pflichtenverstoßes und das Gericht lässt keinen Zweifel daran, dass prügelnde Polizeivollzugsbeamte tatsächlich neben der Straftat eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung begehen.

29

d.) An der Ansehensschädigung im Sinne des Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht ändert dies jedoch nichts. Denn – wie bereits ausgeführt – liegt die Pflichtverletzung vorliegend darin, dass der Kläger auf den ersichtlich am Boden knienden wehrlosen Herrn W. zu rannte und es letztendlich einem glücklichen Umstand zu verdanken war, dass Herr W. nicht verletzt wurde. Dabei bleibt unklar und ist nicht aufklärbar, ob dem Fußtritt des Klägers willentlich der Erfolg versagt war oder ob er aus anderen, ihm nicht zurechenbaren Gründen das Knie des Herrn W. verfehlte. Mögen die vom Kläger insbesondere in der mündlichen Verhandlung geschilderten Besonderheiten der Einsatzsituation auch zu berücksichtigen sein und der Befehl eines „Anlaufens“ die Notwendigkeit ergab, Demonstranten zu zerstreuen, so kann dies im vorliegenden Fall nicht gelten. Denn insoweit war der am Boden kniende Herr W. wehrlos und stellte keine Gefahr dar. In Konsequenz dessen würde es in weiterer Ausführung des Befehls für den Beamten bedeuten, quasi über den am Boden hockenden Herrn W. zu stolpern und eventuell selbst zu Fall zu kommen. Insoweit bietet sich auch bei dem Einsatzbefehl eines „Anlaufens“ als alleinige Möglichkeit an, einer am Boden knienden Person durch seitliches Umherlaufen auszuweichen. Keinesfalls darf ein derart am Boden hockender und wehrloser Mensch mit den Konsequenzen schwerer Verletzungen einfach im wahrsten Sinn des Wortes überrannt werden. Dies mag ja auch der maßgebliche Grund für die Kollegen gewesen sein, das Verhalten des Klägers zu melden.

30

e.) Unter Zugrundelegung dieser tatsächlichen Geschehnisse ist die Disziplinarverfügung nicht nur wegen des fehlerhaft unterstellten Sachverhaltes rechtswidrig, sondern auch in Bezug auf die im Stufenverhältnis stehende gewählte Disziplinarmaßnahme, weil unverhältnismäßig. Die Stufe der Kürzung der Dienstbezüge nach § 8 DG LSA ist als letzte vom Dienstherrn auszusprechende Disziplinarmaßnahme mangels Schwere des Dienstvergehens noch nicht erreicht. Dies ist bereits daraus ersichtlich, dass der Beklagte im Disziplinarverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren stets vom Eintritt tatsächlicher körperlicher Verletzungen bei Herrn W. ausgegangen ist und daraufhin ein schweres Dienstvergehen sieht. Mag diese Bewertung auch maßgeblich durch die aus den Akten ersichtliche Intervention des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt geschehen sein, so ändert dies nichts daran, dass die Beklagte sich dies zurechnen lassen muss. Richtig ging auch die Beklagte zunächst von der Disziplinarmaßnahme einer Geldbuße in Höhe von 250,00 Euro aus.

31

Weiter hat die Beklagte bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme die zeitliche Verzögerung bis zur Einleitung der disziplinarrechtlichen Ermittlungen nicht eingestellt. Sowohl die verspätete Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens als auch dessen zögerliche Durchführung können dazu führen, dass eine eigentlich angezeigte Disziplinarmaßnahme unverhältnismäßig wird (vgl. nur: Bay. VGH., Urteil v. 18.07.2012, 16a D 10.1134; VG Wiesbaden, Urt. v. 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D; beide juris).

32

Wie bereits oben zur formellen Rechtmäßigkeit der Verfügung ausgeführt, hat dies die Beklagte zu vertreten. Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 09.03.1989 (2 C 21.87; juris) ist disziplinarrechtlich ohne Belang. Denn dort ging es um die maßgebliche Kenntnis des Dienstherrn von Schäden und Personen des Ersatzpflichtigen im Rahmen der Verjährungsfrist von Regrennansprüchen. Auch hat das Disziplinargericht Bedenken hinsichtlich der Annahme der Beklagten, dass der Kläger als Beamter eine weitere Dienstpflicht nach § 54 der Geschäftsordnung der Landesbereitschaftspolizei habe, über Ermittlungen gegen ihn zu informieren. Dies widerspricht schon dem Grundsatz, dass niemand sich selbst belasten muss. Die unterlassene Mitteilung über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren stellt keine Dienstpflichtverletzung dar, auch wenn dies dienstlich vorgeschrieben ist (Köhler/Ratz, BDG, B. II. 8) (so ausdrücklich: VG Wiesbaden, Urt. vom 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D; juris). Die Selbstbelastungsfreiheit hat Vorrang gegenüber der Pflicht des Beamten zur Unterstützung seiner Vorgesetzten (so ganz deutlich: VG Wiesbaden, Urt. v. 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht, B. v. 20.11.2012, 2 B 56.12; Hessischer VGH, B. v. 13.05.2013, 28 a 488/12.D; alle juris).

33

3.) Bei der nunmehr vom Disziplinargericht aufgrund der Gesamtabwägung und des Persönlichkeitsbildes des Beamten nach § 13 DG LSA auszusprechenden Disziplinarmaßnahme, lässt sich das Gericht unter Berücksichtigung der dargestellten Fehler der Disziplinarverfügung auch davon leiten, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit in Bezug auf die Tatausführung durch seine Person geständig war, dies keiner weiteren Ermittlungen bedurfte, er die Fehlerhaftigkeit seines Vorgehens einsah und er eine Lehre aus dem strafrechtlichen Ermittlungs- und dem Disziplinarverfahren und letztendlich den Eindruck der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht gezogen hat. Dementsprechend darf auch das Disziplinargericht – letztendlich auch aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 59 Abs. 3 DG LSA – eine geringere Disziplinarmaßnahme aussprechen. Unter Beachtung der Grenzen des § 13 DG LSA und der im Disziplinargesetz angelegten Staffelung der Disziplinarmaßnahme, hält das Gericht die hier ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Höhe einer Geldbuße von 250,00 Euro als angemessen aber auch notwendig, um den Beamten an die Einhaltung seiner Pflichten, insbesondere der Wohlverhaltenspflicht, zu erinnern.

34

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4 DG LSA, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Kläger weiterhin disziplinarrechtlich belangt wird, ist es angemessen, dass er die Hauptlast der Kosten trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tatbestand

1

Die Klägerin führte die Disziplinarklage gegen den beklagten Polizeivollzugsbeamten im Rang eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Dienst.

2

Der 1968 in S. geborene Beamte besuchte von 1975 – 1985 die Polytechnische Oberschule und absolvierte anschließend eine zweijährige Berufsausbildung zum Facharbeiter für Schweißtechnik. In den Jahren 1988 bis 1989 leistete er seinen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee und trat am 01.11.1989 in ein Dienstverhältnis bei der Volkspolizei ein. Am 01.01.1991 wurde er in den Dienst des Landes Sachsen-Anhalt übernommen und mit Wirkung vom 17.07.1991 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeihauptmeister z. A. ernannt. Die Lebenszeiternennung erfolgt am 24.09.1995. Der Beamte war sodann auf Dienstposten als Sachbearbeiter tätig. Zum 01.03.2012 wurde der Beamte an die Landesbereitschaftspolizei zur Verwendung der Objektschutzwache abgeordnet.

3

Die letzte dem Beamten erstellte dienstliche Beurteilung aus dem Jahre 2012 schließt innerhalb der Leistungsbeurteilung mit der Gesamtbewertung „E“ (entspricht den Leistungsanforderungen im Wesentlichen) und in der Befähigungsbeurteilung mit der Gesamtbewertung „D“ (wenig befähigt).

4

Bis zu den hier einschlägigen Geschehnissen ist der Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet.

5

Aus den Gründen der Disziplinarklage sowie weiterer disziplinarrechtlicher Vorgänge wurde der Beklagte mit Verfügung vom 11.01.2010 gemäß § 38 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) vorläufig des Dienstes enthoben und durch weitere Verfügung im April 2010 mit einer Kürzung seiner Dienstbezüge um 40 % belegt. Mit Verfügung vom 07.02.2012 wurden die vorläufige Dienstenthebung und die Kürzung der Dienstbezüge aufgehoben.

6

Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts A. (17 Cs 227 Js 7305/10) vom 31.05.2010 wurde der Beklagte wegen Entziehung elektrischer Energie zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40,00 Euro verurteilt. Der Strafbefehl führt zum Tatgeschehen aus:

7

„In der Zeit vom 10.05.2006 bis 13.10.2009 manipulierten Sie an der Steigleitung zum Stromzähler des Wohnhauses in der B-Straße in B-Stadt, um unberechtigt vom Stromanbieter E.O.N./Avacon GmbH Strom zu nutzen und dieses in der Tatzeit auch taten. Sie verbrauchten Strom zu einem Betrag von insgesamt 3.484,08 Euro.“

8

Mit der Disziplinarklage vom 26.02.2013 (Eingang: 05.03.2013) wird der Beamte angeschuldigt, ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) begangen zu haben, indem er

9

1. unberechtigte Datenabfragen im WARSA und Weitergabe der Daten an Dritte

10

sowie

11

2. Entziehung elektrischer Energie

12

vorgenommen und damit vorsätzlich und schuldhaft gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe.

13

Zum Pflichtenverstoß nach Nr. 1 führt die Disziplinarklage aus: Der Beklagte habe aus dem polizeilichen Informationssystem WARSA unberechtigte Datenabfragen vorgenommen und die daraus erlangten Informationen an Dritte weitergegeben. Die Dialogselektion unter dem IVOPOL LOGIN „     “ (     ) habe eine Vielzahl von Abfragen im Recherchesystem WARSA in den Jahren 2008/2009 festgestellt. Der Beklagte habe bei Feierlichkeiten damit geprahlt, dass er alles rausbekommen würde, was gegen einzelne Personen polizeilich laufe. Bezüglich der Zeugin Diana B. (nicht verwandt und nicht verschwägert mit dem Beklagten) habe der Beklagte in über 91 Fällen eine derartige Abfrage getätigt und der Zeugin mitgeteilt, dass auf sie wegen Geldschulden ein Strafverfahren zukomme. Der Beklagte habe ebenso den Zeugen M. H. im WARSA überprüft. Die Erkenntnisse darüber seien der Zeugin I. von der Ehefrau des Beklagten mitgeteilt worden. Am 04.05. und 05.05.2009 habe der Beklagte im WARSA nach Herrn R. S. (Schwager des Beklagten) recherchiert und habe neun Treffer im IVOPOL erzielt. Die Zeugin I. habe erklärt, dass D. S. (Tochter des R. S.) die in der Wohnung des Beklagten gewohnt habe, geäußert habe, dass der Beklagte interne Details bezüglich der Trunkenheitsfahrt des Herrn S. preisgegeben habe. Zudem habe der Beklagte ein Bild des D. S. (Sohn von R. S.), das über ihn aufgrund erkennungsdienstlicher Maßnahmen angefertigt worden sei, aus den polizeilichen Datensätzen auf sein Handy geladen. Dieses Foto habe der Beklagte der Zeugin I. mit der Bemerkung gezeigt, dass es sich dabei um ein Fahndungsfoto handele. Am 28.09.2008 habe der Beklagte bezüglich des D. S. 31 Treffer im IVOPOL, einen Treffer im Ditralis, einen Treffer im Inpol und 64 Treffer in Journalen erzielt.

14

Das diesbezügliche strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde am 06.09.2010 gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt, weil gegen den Beamten weitere strafrechtliche Verfahren anhängig waren.

15

Trotz Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen sei von einem disziplinarrechtlichen Überhang auszugehen. Die Vielzahl der Datenabfragen aus den polizeilichen Informationssystemen seien ohne dienstlichen Anlass vorgenommen und unberechtigt an Dritte weitergegeben worden. Damit habe der Beamte gegen seine beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht nach § 37 BeamtStG verstoßen. Dies sei auch unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Belange geschehen. Damit habe der Beamte gegen seine ihm obliegende Pflicht zur Weisungsgebundenheit (§ 35 Satz 2 BeamtStG) und zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb des Dienstes (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.

16

Das Gebot der Amtsverschwiegenheit gehöre zu den elementaren Pflichten eines (Polizei-)beamten. Sowohl der Dienstherr als auch die Allgemeinheit müssten darauf vertrauen können, dass die in polizeilichen Informationssystemen gespeicherten personenbezogenen Daten nicht ohne Rechtsgrund erhoben und unbefugt offenbart werden würden. Ein Verstoß dagegen, beinhalte regelmäßig einen schweren Treuebruch. Der Beklagte habe allein zur Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse die Daten erhoben, um mit dem dienstlich erlangten Wissen innerhalb seiner Verwandtschaft und Bekanntschaft zu prahlen. Damit habe sich der Beklagte in hohem Maße als unzuverlässig erwiesen.

17

Zu 2. führt die Disziplinarklage aus: Dem Strafbefehl des Amtsgerichts A. vom 31.05.2010 sei vorausgegangen, dass bei dem Beklagten am 13.10.2009 eine Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit den dem Beklagten gegenüber erhobenen Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen durchgeführt worden sei. Dabei sei festgestellt worden, dass elektrische Endgeräte im Betrieb gewesen seien, die Zählerscheibe des Stromzählers sich jedoch nicht gedreht habe. Ein Mitarbeiter des Stromversorgers habe sodann die Manipulation der Steigleitung festgestellt. Der Beklagte habe eingeräumt, den Strom genutzt zu haben, um seine finanzielle Situation zu verbessern.

18

Die tatbestandlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl seien zwar disziplinarrechtlich nicht bindend, könnten jedoch ohne nochmalige Prüfung dem Disziplinarverfahren zugrunde gelegt werden (§ 23 Abs. 1 DG LSA). Dabei handele es sich um ein außerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 34 Satz 3 i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Das außerdienstliche Fehlverhalten weise einen unmittelbaren Bezug zu dem konkret-funktionalen Amt des Beklagten als Polizeivollzugsbeamter auf. Polizeivollzugsbeamte seien als Teil der staatlichen Gewalt der Rechtsordnung in besonderem Maße verpflichtet und müssten entsprechend ihres gesetzlichen Auftrages handeln. Gerade die Öffentlichkeit erwarte, dass ein Polizeibeamter sich als Träger öffentlicher Gewalt ehrlich, zuverlässig und rechtstreu verhalte. Das Verhalten des Beklagten sei daher in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt des Beklagten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

19

Bei der Gesamtschau der begangenen Dienstpflichtverletzungen im Sinne eines einheitlichen Dienstvergehens seien gravierende Persönlichkeitsmängel des Beamten offensichtlich. Der Beklagte setze sich völlig bedenkenlos über Strafgesetze und Dienstvorschriften hinweg. Charakterlich sei er von Labilität und Gleichgültigkeit geprägt. Es handele sich um ein schweres Dienstvergehen. Das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit sei endgültig verloren. Dabei komme der vom Beklagten begangenen vermögensschädigenden Straftat der Entziehung elektrischer Energie disziplinarrechtlich ein besonders schweres Gewicht zu. Die Straftat sei über einen sehr langen Zeitraum von fast 3 ½ Jahren begangen worden. Hinzu komme, dass die Straftat erst im Rahmen der beim Beklagten durchgeführten Hausdurchsuchung aufgedeckt worden sei, so dass der Beklagte bei Nichtaufdeckung weiterhin rechtswidrig elektrische Energie entzogen hätte. Zudem habe eine permanente Gefahr für den Ausbruch eines gefährlichen Brandes durch Überlastung der Abzweigleitung und damit insbesondere eine Gefahr für Leib und Leben der in dem Wohnhaus des Beklagten lebenden oder sich darin aufhaltenden Personen bestanden.

20

Der Strafrahmen für den Straftatbestand der Entziehung elektrischer Energie nach § 248 c Abs. 1 StGB betrage bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe. Demnach stünde nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einem derartigen Strafrahmen der Ausspruch der disziplinaren Höchstmaßnahme zur Verfügung.

21

Milderungs- und Entlastungsgründe seien nicht ersichtlich. Der Beklagte habe sich diesbezüglich weder im Straf- noch Disziplinarverfahren eingelassen. Eine Augenblickstat oder Kurzschlusshandlung sei auszuschließen. Anhaltspunkte für eine unverschuldete unausweichliche finanzielle Notlage seien nicht gegeben. Trotz aufgelaufener Stromkostenrückstände sei eine existenzielle Notlage nicht ersichtlich. Von der Möglichkeit der Vereinbarung von Ratenzahlungen oder sonstiger Hilfsangebote habe der Beklagte offenbar keinen Gebrauch gemacht. Die sogenannte Geringfügigkeitsschwelle sei bei einem Schaden in Höhe von 3.484,08 Euro um ein Vielfaches überschritten.

22

Die Klägerin beantragt,

23

den Beamten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

24

Der Beklagte beantragt,

25

auf eine mildere Maßnahme zu erkennen.

26

Nachdem er sich weder im Straf- noch im behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahren eingelassen hat, erklärte er sich erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht. Die Datenabfragen habe er vorgenommen, um zu wissen, „wer in seinem Haus verkehre“. Der Entzug elektrischer Energie habe sich ergeben, weil er nach der Stromsperre beim „aufräumen eine stromführende Leitung gefunden habe“. Trotz dessen er den Strafbefehl akzeptiert habe, sei unklar, wer die Leitung „angezapft“ habe.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungs- und Ermittlungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Disziplinarklage ist begründet.

29

Der Beklagte hat ein schwerwiegendes Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, welches die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 DG LSA) nach sich zieht.

30

Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Disziplinarkammer ist davon überzeugt, dass der Beklagte die ihm in der Disziplinarklage vorgeworfenen Pflichtenverstöße begangen hat.

31

1.) Der disziplinarrechtlich zu bewertende Sachverhalt, welcher zur Verurteilung wegen der Entziehung elektrischer Energie nach § 248 c StGB führte, ergibt sich aus dem Tatbestand des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts A. vom 31.05.2010. Zwar tritt - anders als bei Urteilen - insoweit keine tatbestandliche Bindungswirkung nach §§ 54 Abs. 1, 23 Abs. 1 DG LSA ein. Jedoch können diese Feststellungen ohne nochmalige Prüfung dem Disziplinarverfahren zugrunde gelegt werden (§§ 54 Abs. 2, 23 Abs. 2 DG LSA). Denn Zweifel an der Richtigkeit der dort getroffenen Feststellungen bestehen nicht und werden vom Beklagten auch nicht vorgetragen. Soweit der Beklage in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht erstmals und unsubstantiiert erklärt, es sei unklar, wer die Leitung „angezapft“ habe, glaubt ihm dies das Disziplinargericht nicht. Denn damit setzt er sich bereits in Widerspruch dazu, dass er die stromführende Leitung gefunden habe. Zudem hat jedenfalls er unzweifelhaft den Strom und diesen wegen der Sperrung seiner Kundenanlage und Nichtveranlagung zu einem Entgelt in Kenntnis der Manipulation genutzt.

32

2.) Ebenso ist die Disziplinarkammer davon überzeugt, dass der Beamte die ihm vorgeworfenen unberechtigten Datenabfragen in polizeilichen Informationssystemen vorgenommen und diese an Dritte unbefugt weitergegeben hat. Dies ergibt sich aus den in den Ermittlungsvorgängen befindlichen Unterlagen sowie aus den Zeugenaussagen. Der Beklagte bestreitet die Abfragen auch nicht. Daran ändert die Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft A-Stadt gemäß 154 Abs. 1 StPO nichts. Denn diese Einstellung ist im Zusammenhang mit den weiteren damaligen Anschuldigungen zu sehen.

33

3.) Der unter Nr. 1 der Disziplinarklage vorgehaltene Pflichtenverstoß (Datenabfrage und Weitergabe) ist als dienstliches und der unter Nr. 2 der Disziplinarklage vorgehaltene Straftatbestand der Entziehung elektrischer Energie ist als außerdienstliches Fehlverhalten einzustufen (vgl. zur Abgrenzung: VG Magdeburg, B. v. 24.01.2013, 8 B 23/12 MD; VG Magdeburg, U. v. 29.01.2013, 8 A 22/12 MD; beide juris).

34

a.) Bei einem außerdienstlichen Fehlverhalten müssen die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gegeben sein, um von einer Disziplinarwürdigkeit auszugehen. Dabei muss die Frage der Disziplinarwürdigkeit eines außerdienstlichen Verhaltens von der eigentlichen Zumessensentscheidung nach Maßgabe des § 13 DG LSA getrennt beurteilt werden. Das Verhalten des Beamten muss nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sein, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das über eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtenverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; juris). Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d. h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 12.12.2001, 1 D 4.01; Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; Urt. v. 28.07.2011, 2 C 16.10; alle juris).

35

Mit der Neuregelung der tatbestandlichen Voraussetzungen des außerdienstlichen Dienstvergehens wollte der Gesetzgeber den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten Rechnung tragen. Demnach werden Beamte nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen angesehen, die besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. Die Vorstellung, dass der Beamte „niemals Privatmann“ sei, sondern auch außerhalb des Dienstes Beamter, der stets auf seine Amtsstellung Rücksicht zu nehmen habe, hat der Gesetzgeber zum Schutz der Privatsphäre des Beamten bewusst aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte durch die gesetzliche Regelung zum Ausdruck bringen, dass von einem Beamten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Dienstvergehens im außerdienstlichen Bereich sollten durch besondere tatbestandliche Merkmale verschärft werden. Dies sollte in erster Linie für eine Vielzahl von Straßenverkehrsdelikten gelten (z. B. Trunkenheit im Verkehr; vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Bundesdisziplinarordnung, Schriftlicher Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache V/1693, zu Art. 2 § 2 Seite 10; BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 13.10; juris). In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien „immer im Dienst“, in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08 mit Verweis auf BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48 des Entwurfs; juris). Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen. Das Vertrauen, dass der Beamte diesem Auftrag gerecht wird und dessen er zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf, darf der Beamte durch sein Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris).

36

b.) Der somit zu fordernde Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinn zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt (Beeinträchtigung der für die Dienstausübung unabdingbaren Autorität). Während bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und hier insbesondere bei dem Besitz oder dem Verbreiten kinderpornografischer Dateien ein Dienstbezug bei Lehrern, Pädagogen, Erziehern und auch Polizeivollzugsbeamten im Regelfall angenommen wird (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10; B. v. 25.05.2012, 2 B 133.11; VG Magdeburg, Urt. v. 05.06.2013, 8 A 10/12 MD; jüngst VG Wiesbaden bei einem JVA-Bediensteten einer Jugend-JVA, Urt. v. 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D; alle juris) wird dies z. B. bei einem Zollinspektor, welcher im Bereich der Bekämpfung der Schwarzarbeit eingesetzt wird, abgelehnt (BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10). Die Ausübung der Prostitution hat Dienstbezug bei einer Justizbeamtin (VG Münster, Urteil v. 19.03.2013, 13 K 2930/12.O; juris). Ebenso die außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Beamten, der auch dienstlich ein Kraftfahrzeug zu führen hat (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). Ähnlich besteht der Dienstbezug bei einem Vermögensdelikt eines Beamten, dem dienstlich die Führung einer Kasse obliegt (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). Das erkennende Disziplinargericht hat bei einem Polizeibeamten hinsichtlich außerdienstlicher Verstöße gegen das Waffen-, Sprengstoff- und Munitionsgesetz sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz wegen der dienstlichen Eigenschaft als Waffenträger den Dienstbezug bejaht (VG Magdeburg, Urt. v. 28.02.2013, 8 A 14/11; juris).

37

Diese Voraussetzungen eines Dienstbezuges sieht die Disziplinarkammer bei der Begehung der Straftat der Entziehung elektrischer Energie durch einen Polizeibeamten im Eingangsamt eines Polizeimeisters nicht als gegeben an. Ähnlich das Bundesverwaltungsgericht wenn es ausführt, dass allein der Umstand, dass der Beamte innerhalb der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ dienstlich mit der Verfolgung und Ahndung von Rechtsverstößen Dritter befasst war, eine außerdienstlich begangene Straftat als solche keinen Dienstbezug begründet. Rückschlüsse aus dem außerdienstlichen Fehlverhalten des Beamten auf seine künftige Amtsführung oder eine Beeinträchtigung dieser, könnten allein daraus nicht gezogen werden (BVerwG, Urt. v. 15.08.2010, 2 C 13.10; juris). Die von der Klägerin in der Disziplinarklage insoweit pauschal vertretene Auffassung, dass von einem Polizeivollzugsbeamten die Einhaltung der Gesetze zwingend verlangt werde, berücksichtigt gerade nicht die Gesetzesänderung, weshalb auch und jedenfalls der unterrangige Polizeivollzugsbeamte nicht Garant für Moral und Anstand ist. Zudem besteht der disziplinarrelevante Pflichtenverstoß - nur - in dem Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG, welcher durch die Begehung der Straftat indiziert ist. Soweit verlangt wird, dass die Öffentlichkeit erwarte, dass sich ein Polizeibeamter auch als Träger öffentlicher Gewalt ehrlich, zuverlässig und rechtstreu verhält, ist dies zweifellos richtig und wünschenswert. Dies würde dann aber zwangsläufig einen generellen ausnahmslosen Dienstbezug und damit die stetige Disziplinarwürdigkeit jedes außerdienstlichen Fehlverhaltens eines jeden Polizeibeamten, gleich welcher Position und welchen Ranges nach sich ziehen. Für die Beamtengruppe der Polizeivollzugsbeamten würde die in der Gesetzesänderung zum Ausdruck gebrachte notwendige besondere Qualifizierung des außerdienstlichen Verhaltens als Voraussetzung der Disziplinarwürdigkeit vernachlässigt werden.

38

c.) Sind die Voraussetzungen des eng zu verstehenden Dienstbezuges nicht gegeben, ist die außerdienstliche Pflichtverletzung nur disziplinarwürdig, wenn das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachverwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt ist.

39

Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; beide juris) stellt klar, dass bereits bei erstmaligem außerdienstlichem Fehlverhalten die Eignung zu Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen im Hinblick auf das Ansehen des Beamtentums gegeben sein kann. Dies unter Hinweis auf die gesetzgeberischen Wertungen bei der Begehung einer Straftat zum Nachteil des Staates (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG) oder der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlich begangenen schwerwiegenden Straftat (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG). Das Bundesverwaltungsgericht führt in dem Urteil vom 19.08.2010 (2 C 13.10; juris; auch: Beschluss v. 28.06.2012, 2 B 28.12; juris) aus:

40

„Unabhängig von diesen Fallgruppen lässt der Strafrahmen Rückschlüsse auf das Maß der disziplinarrechtlich relevanten Ansehensschädigung zu. Die Disziplinarwürdigkeit eines erstmaligen außerdienstlichen Verhaltens eines Beamten ist regelmäßig anzunehmen, wenn das außerdienstliche Verhalten im Strafgesetzbuch als Vergehen mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich belegt ist. Durch die Festlegung des Strafrahmens bringt der Gesetzgeber verbindlich den Unrechtsgehalt eines Deliktes zum Ausdruck. An dieser Wertung hat sich auch die Entscheidung über die Eignung zu Vertrauensbeeinträchtigung zu orientieren, wenn andere Kriterien, wie etwa ein Dienstbezug oder die Verhängung einer Freiheitsstrafe bei einer vorsätzlich begangenen Straftat ausscheiden. Hierdurch wird hinsichtlich der Frage der Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichem Verhaltens eine Entscheidung gewährleistet, die an nachvollziehbare Kriterien anknüpft und keine „allgemeine Empörung oder Entrüstung“ darstellt.“

41

Vorliegend ist der Strafrahmen des Straftatbestandes nach § 248 c StGB mit bis zu 5 Jahren belegt und ist damit im oberen und nicht mehr nur im mittleren Bereich, wie dies etwa bei den Fällen des Besitzes kinderpornografischer Schriften einschlägig ist, angesiedelt. Die Disziplinarwürdigkeit des außerdienstlichen Fehlverhaltens ist damit gegeben. Der Beklagte hat durch die Begehung der Straftat vorsätzlich und schuldhaft gegen seine Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen.

42

4.) Mit den unberechtigten Datenabfragen in den polizeilichen Informationssystemen und deren unberechtigte Weitergabe an Dritte hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nach § 37 BeamtStG sowie gegen die maßgeblichen datenschutzrechtlichen Vorschriften und dazu ergangenen einschlägigen Verwaltungsvorschriften und Dienstanweisungen verstoßen, was wiederum den Pflichtenverstoß nach § 35 Satz 2 BeamtStG begründet. Diese Dienstpflichtverletzung ist unzweifelhaft dem dienstlichen Bereich zuzurechnen.

43

Nach § 37 Abs. 1 BeamtStG hat der Beamte über die ihn bei seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Gelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihre Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen (VG Magdeburg, Urt. v. 08.05.2013, 8 A 24/12; juris). Die Pflicht des Beamten zur Amtsverschwiegenheit gehört zu seinen Hauptpflichten und dient sowohl dem öffentlichen Interesse, vor allem dem Schutz der dienstlichen Belange der Behörde, als auch dem Schutz des von Amtshandlungen betroffenen Bürgers.

 

44

5.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist regelmäßig dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen, das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit endgültig zerstört hat (vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; beide juris).

45

a.) Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urt. v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urt. v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11; alle juris).

46

b.) Setzt sich das (einheitliche) Dienstvergehen (vgl. zur Einheit des Dienstvergehens nur: VG Magdeburg, Urteil v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. Nachw.; juris) aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BVerwG, Urt. v. 23.02.2005, 1 D 1.04; juris). Vorliegend wiegen beide vorgeworfenen Pflichtverletzungen (gleich) schwer.

47

c.) Grundsätzlich begeht ein Polizeibeamter ein schwerwiegendes Dienstvergehen, wenn er seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit durch Weitergabe von Daten aus dem polizeilichen Informationssystem oder auch aus sonstigen Akten oder Ordnern verletzt. Derartige Pflichtverletzungen können durchaus zur Entfernung aus dem Dienst führen (vgl.: OVG Saarland, Urt. v. 22.02.2006, 7 R 1/05; VG München, Urt. v. 08.12.2006, M 19 DO 63363; VG Meiningen, Urt. v. 16.03.2009, 6 D 60014/06 – ME; VG Berlin, B. v. 20.02.2009, 80 Dn 68.08; Bayerischer VGH, Urt. v. 24.11.2004, 16 a D 03.2668; vgl. insgesamt: VG Magdeburg, Urt. v. 09.03.2010, 8 A 25/09 und Urt. v. 08.05.2013, 8 A 24/12; alle juris).

48

Wegen der großen Spannbreite der Verhaltensweisen hinsichtlich einer derartigen Pflichtverletzung lassen sich allerdings feste Regeln für eine Disziplinarmaßnahme nicht aufstellen. Je nach Bedeutung der vertraulich zu behandelnden amtlichen Vorgänge und dem Grad des Verschuldens kann ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht unterschiedliches Gewicht haben (vgl. zusammenfassend: OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30.01.2013, 3 A 10771/12; VG Trier. B. v. 14.05.2013, 3 L 388/13.TR; beide juris).

49

In Anwendung dieser Grundsätze fällt zu Lasten des Klägers ins Gewicht, dass er die Daten nicht nur unberechtigt abgefragt, sondern diese Daten auch unbefugten Personen offenbart hat. Die erstmalige Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht, er habe die Datenabfragen getätigt, um zu wissen, „wer in seinem Hause ein und aus geht“, belegt einerseits die eigennützige, nicht an Recht und Gesetz orientierte Handlungsweise des Beklagten. Andererseits sind z. B. Ermittlungen nicht gefährdet oder auch nur erschwert worden und die Kundgabe hatte keine größere Wirkung auf die Öffentlichkeit, wie dies etwa bei Medienpublikationen der Fall wäre. Das Motiv des Beamten für sein Verhalten dürfte eher im privaten Bereich zu sehen sein, um sich so im Bekannten- und Verwandtenkreis als „Herrscher über die Daten“ Geltung und Anerkennung zu verschaffen. Gleichwohl fällt negativ auf, dass der Beamte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht nicht das Unrecht seiner Handlung einsah und stetig nach nicht vorhandenen Rechtfertigungen suchte.

50

d.) Im Bezug auf strafbares außerdienstliches Verhalten betont das Bundesverwaltungsgericht in der neuerlichen Rechtsprechung auch bei der Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung die Bedeutung der gesetzlichen Strafandrohung für die Maßnahmebemessung (BVerwG, Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 2 C 13.10, B. v. 21.12.2010, 2 B 29.10, B. v. 26.06.2012, 2 B 28.12; alle juris). Die Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstvergehen. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich für angemessen erachtet und bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren die Zurückstufung als Orientierungsrahmen angesehen. Kommt ein Dienstbezug hinzu, so kann der Orientierungsrahmen bei einem Strafrahmen bis zu einem Jahr ebenfalls die Zurückstufung, bei einem Strafrahmen bis zu zwei Jahren, sogar die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sein. Besteht eine wesentlich höhere Strafandrohung - wie hier bis zu fünf Jahren – reicht der disziplinarrechtliche Orientierungsrahmen auch bei Fehlen eines Dienstbezuges – wie vorliegend – bis zur Höchstmaßnahme (BVerwG, B. v. 28.06.2012, 2 B 28.12; juris). Dabei betont das Bundesverwaltungsgericht, dass die Disziplinargerichte ihre eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts nicht an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen dürfen. Das Ausmaß des Ansehensschadens, der durch eine außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufen wird, wird maßgeblich durch den Strafrahmen bestimmt (BVerwG, Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; juris).

51

Vorliegend ist der Strafrahmen des Straftatbestandes nach § 248 c StGB mit bis zu 5 Jahren belegt und ist damit im oberen und nicht mehr nur im mittleren Bereich, wie dies etwa bei den Fällen des Besitzes kinderpornografischer Schriften einschlägig ist, angesiedelt. Eine im Bereich der Höchstmaßnahme zu ahndende schwere Dienstpflichtverletzung liegt somit vor.

52

6.) Der so zu bestimmende Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme entbindet die Disziplinargerichte jedenfalls nicht davon, die Umstände des Einzelfalls ausreichend zu würdigen (BVerwG, Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; juris). Für die Zumessungsentscheidung müssen die in § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DG LSA genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen zukommenden Gewicht ermittelt und eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

53

Ist damit aufgrund der Schwere der Dienstpflichtverletzungen generell von der Maßnahme der Entfernung aus dem Dienst auszugehen, ist zu fragen, ob gewichtige Milderungsgründe eine darunter liegende Disziplinarmaßnahme (noch) rechtfertigen können.

54

Dies ist dann der Fall, wenn zu Gunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe (Milderungsgründe) zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, dass das dem Beamten vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist. Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschlägen bedingte Lebensphase. Der Milderungsgrund der Geringwertigkeit eines verursachten Schadens oder des geldlichen Vorteils der Handlung wird bei etwa 50,00 Euro gezogen. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Entlastungsgründe können sich aber zum anderen auch aus allen Besonderheiten ergeben, die es im Einzelfall wegen der persönlichkeitsbedingten an § 13 DG LSA zu orientierenden Prognoseentscheidung gebieten, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen Abstand zu nehmen. Auch eine dienstliche Überlastung kann einen Milderungsgrund darstellen (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

55

Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris; insoweit missverständlich: OVG LSA, Beschluss v. 17.09.2013, 10 M 9/13 [n. v..]). Diese müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris).

56

In diesem Sinne durchgreifende besondere Umstände, die ein Absehen von der schwerwiegendsten und eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen würden, vermag das Disziplinargericht vorliegend nicht zu erkennen und sind auch nicht vorgetragen. Aufgrund des langjährigen Zeitraums von 3 ½ Jahren in dem Energie entzogen wurde, kann nicht von einer einmaligen Gelegenheitstat oder einem persönlichkeitsfremden „Ausrutscher“ ausgegangen werden. Der Strafausspruch einer Geldstrafe von „nur“ 70 Tagessätzen vermag an der disziplinarrechtlichen Bewertung wegen der unterschiedlichen Zielsetzung des Straf- und Disziplinarrechts nichts zu ändern. Die Höhe einer Kriminalstrafe ist für die Gewichtung des Dienstvergehens grundsätzlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Denn die Vertrauensbeeinträchtigung ist in erster Linie von der Straftat selbst, ihrem gesetzlichen Strafrahmen und den Begehungsumständen abhängig (BVerwG, Urt. v. 08.03.2005, 1 D 15.04; juris). Der Beamte handelte ebenso nicht in einer besonderen Versuchssituation. Auf intensive Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht offenbarte der Beklagte keine besonderen wirtschaftlichen oder persönlichen Notsituationen. Gesundheitliche oder alkoholbedingte Probleme lägen nicht vor, beteuerte er.

57

Demnach stößt das Disziplinargericht hier an die Grenzen seiner Aufklärungspflicht. Denn das Gericht ist auf die Mitarbeit des Beamten zur Aufklärung der in seiner Sphäre liegenden höchstpersönlichen Angelegenheiten angewiesen, um überhaupt die Möglichkeit einer disziplinarrechtlichen Milderung im Sinne der Disziplinarrechtsprechung prüfen zu können (VG Magdeburg, Urt. v. 28.02.2013, 8 A 13/12; juris).

58

Unter Abwägung aller Erkenntnisse fällt die vom Disziplinargericht anzustellende Persönlichkeits- und Prognosebewertung hinsichtlich der Vertrauensbeeinträchtigung für den Beklagten negativ aus. Auch in der mündlichen Verhandlung zeigte sich der Beamte nicht einsichtig und zeigte auch bislang kein besonders mildernd zu berücksichtigendes Nachtatverhalten. Dies gilt auch für die Geschehnisse um die Datenabfragen. Dort zeigte er - wie bei dem Entzug der elektrischen Energie - kein Unrechtsbewusstsein und ging quasi von einer Selbstverständlichkeit dieser als privat anzusehenden Abfragen aus. Auf die richterliche Nachfrage, ob er den langjährigen illegalen Zustand bezüglich der Entziehung der elektrischen Energie irgendwann habe beenden und legalisieren wollen, wusste er keine Antwort.

59

Hinsichtlich der - eingetretenen - Vertrauensbeeinträchtigung ist auch nicht entscheidend, dass der Beamte im Folgezeitraum nicht mehr auffällig wurde. Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 DG LSA) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.01.2004, 1 D 33.02; juris), daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und auf dessen konkret ausgeübte Funktion, z. B. als Vorgesetzter. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird.

60

Daher ist auch nicht bedeutsam, dass die Klägerin die vorläufige Dienstenthebung im Laufe des Verfahrens aufgehoben hat, zumal dies nur in Einschätzung der damaligen Erkenntnisse bezüglich der weiteren Verfahren der kinderpornografischen Schriften geschah. Dies ist kein Hinweis auf zurück gewonnenes Vertrauen des Dienstherrn; Die vorherige Suspendierung ist auch nicht Voraussetzung für die spätere Entfernung. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen würde. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 29.03.2012, 2 A 11.10 mit Verweis auf Urteile v. 20.10.2005, 2 C 12.04, v. 03.05.2007, 2 C 9.06 und v. 29.05.2008, 2 C 59.07; zuletzt: VG Magdeburg, Urt. v. 30.04.2013, 8 A 18/12; alle juris).

61

7.) Die nach alledem dienstrechtlich notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Denn diese disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Dienstverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf einem ihm zurechenbaren Verhalten (BVerwG, Urteil v. 21.06.2000, 1 D 49.99; juris).

62

8.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 1 Satz 1 DG LSA. Das Verfahren ist gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 gebührenfrei.


(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.