Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 20. Aug. 2013 - 8 A 8/13

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2013:0820.8A8.13.0A
bei uns veröffentlicht am20.08.2013

Tatbestand

1

Der Kläger ist Polizeivollzugsbeamter im Land Sachsen-Anhalt im Rang eines Polizeikommissars (BesGr A 9 BesO) und wendet sich gegen die disziplinarrechtliche Kürzung seiner Dienstbezüge um 1/10 auf die Dauer von 9 Monaten durch Bescheid vom 05.11.2012.

2

Die Disziplinarverfügung führt aus, dass der Beamte während eines Einsatzes am 13.05.2010 gegen 21.00 Uhr gegenüber dem am Boden knienden und durch Pfefferspray beeinträchtigten Herrn F. W. unmittelbaren Zwang in Form eines Trittes gegen das rechte Knie angewandt und Herrn W. damit körperlich misshandelt habe. Dies ergebe sich aus dem Videobeweis zur Strafanzeige der Körperverletzung im Amt, wonach ein Einsatzbeamter von hinten zu erkennen sei, der eine am Boden kniende Person gegen das rechte Knie trete. Zeugenaussagen anderer Polizeibeamter würden die Tat belegen. Die Anwendung von Zwangsmitteln sei nicht geboten gewesen. Der Tritt sei demnach unnötig und rechtswidrig gewesen. Damit habe der Beamte seine Grundpflicht zu rechtmäßigem dienstlichen Handeln gemäß § 36 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) verletzt. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen die sogenannte beamtenrechtliche „Wohlverhaltensklausel“ nach § 34 Satz 3 BeamtStG vor. Ein Polizeibeamter müsse danach sein Verhalten so ausrichten, dass dadurch sein bzw. das Ansehen der gesamten Polizei in der Öffentlichkeit nicht geschädigt werde. Die Dienstpflichtverletzung sei auch vorsätzlich und schuldhaft begangen worden. Im Zuge der Gesamtabwägung sei aufgrund der Schwere des Dienstvergehens eine Kürzung der Dienstbezüge erforderlich. Die Laufzeit der Gehaltskürzung resultiere aus dem gravierenden Verstoß des Klägers gegen die beruflichen Kernpflichten eines Polizeibezugsbeamten aufgrund der wissentlich und willentlichen Gewaltausübung gegenüber einer Person. Milderungsgründe seien nicht ersichtlich. Auch bei der Kostenentscheidung sei festzustellen, dass der Vorwurf der unprovozierten körperlichen Misshandlung so schwer wiege, dass dem Kläger 2/3 der Kosten aufzuerlegen seien.

3

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass das Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet worden und zudem eine Körperverletzung nicht feststellbar sei. Dies belege auch die fehlende Verletzung bei Herrn W.. Die damalige besondere Einsatzsituation, nämlich das Anlaufen gegen eine Gruppe von Demonstranten, werde nicht berücksichtigt.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und bekräftigte dabei die rechtlichen Ausführungen des Ausgangsbescheides. Trotz dessen der unmittelbare direkte Vorgesetzte des Klägers Kenntnis von dem Dienstvergehen gehabt habe, sei das Disziplinarverfahren nicht zu spät eingeleitet worden. Denn entscheidend sei der Zeitpunkt, wenn das zuständige Organ die Kenntnis über ein Dienstvergehen erlangt habe. Dies sei im disziplinarrechtlichen Bereich der Direktor der Landesbereitschaftspolizei bzw. die personalführende Stelle. Nach Bekanntwerden der Geschehnisse vom Mai 2010 im November 2011 sei das Disziplinarverfahren unmittelbar im Januar 2012 eingeleitet worden. Auch wenn der Tritt, mithin die Körperverletzungshandlung auf dem Video nicht exakt ersichtlich werde, sei die Handlung durch die Aussagen der beiden Kollegen bezeugt. Zum Tatzeitpunkt hätten die Beamten lediglich die agierende Person nicht erkennen können. An der Tathandlung selbst hätten keine Zweifel bestanden. Auch der Einsatzbefehl zum Anlaufen gegen eine Gruppe rechtfertige die Handlung des Klägers nicht. Denn von dem am Boden knienden Herrn W. sei keine Gefahr ausgegangen. Auch wenn bei dem Herrn W. keine adäquate Verletzung feststellbar gewesen sei, sei allein die erwiesene körperliche Misshandlung in Form des Trittes disziplinarrechtlich ausschlaggebend.

5

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarmaßnahme und macht diesbezüglich die Gründe des Widerspruchs geltend. Entscheidend sei, dass eine Körperverletzungshandlung nicht feststellbar sei.

6

Der Kläger beantragt,

7

die Disziplinarverfügung vom 05.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2013 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen

10

und verteidigt die Disziplinarverfügung. Dem Kläger sei zuzustimmen, dass ein Körperverletzungserfolg nicht eingetreten sei. Dies sei für das Disziplinarverfahren unerheblich.

11

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt ist unter dem 16.03.2011 von der Staatsanwaltschaft A-Stadt – Zweigstelle H. – nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden.

12

Unter dem 08.06.2010 sagte die Polizeikommissarin Stefanie K. als Zeugin in dem Ermittlungsverfahren wegen Verdacht der Körperverletzung im Amt vor der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord aus (Blatt 46 [Blatt 51] Beiakte A):

13

„Plötzlich sah ich einen Polizeibeamten unseres Zuges auf die am Boden hockende Person zulaufen und diesem mit dem rechten Fuß gegen ein Knie treten.“

14

Im Zuge der gleichen Ermittlungen sagte der Polizeikommissar Felix M. am 03.06.2010 (Blatt 52 [Blatt 57] Beiakte A) aus:

15

„Tatsache ist, dass ich einen Polizeibeamten unseres Zuges auf die am Boden hockende Person zulaufen sah, wie dieser mit dem rechten Fuß gegen ein Knie der Person trat.“

16

Herr W. sagte vor der Polizei unter dem 04.06.2010 als Zeuge aus (Blatt 43 Beiakte A):

17

„In diesem Augenblick sah ich, wie ein uniformierter Polizeibeamter auf mich zukam und ich danach einen Tritt gegen mein Knie bzw. Oberkörper erhielt. Von der Wucht dieses Trittes fiel ich nach hinten zu Boden. (…).

18

Diese Schmerzen stammten von dem Fußtritt des Polizeibeamten gegen meine Person. Ich wurde drei Tage arbeitsunfähig geschrieben aufgrund einer festgestellten und schmerzenden Prellung an meiner linken Seite des Oberkörpers.“

19

Der ärztliche Befundbericht (Blatt 78 BA A) besagt, dass bei Herrn W. eine lokale Rötung im Sinne einer Abschürfung im rechten Mittelbauch festgestellt wurde.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie insbesondere die strafrechtliche Ermittlungsakte zu dem Aktenzeichen … Js … und die darin befindliche Diskette zur Videoaufzeichnung der Tatgeschehnisse verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Das Disziplinargericht hat die Videoaufzeichnung in Augenschein genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Denn der angefochtene Disziplinarbescheid in Form der Gehaltskürzung ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte legt ihrer disziplinarrechtlichen Entscheidung unzutreffende tatsächliche Geschehnisse zugrunde. Unter Bewertung der tatsächlichen Tatgeschehnisse erscheint die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme als unverhältnismäßig, weil unangemessen und bedarf insoweit der Abänderung. Zudem übersieht die Beklagte die verzögerte Einleitung des Disziplinarverfahrens und zieht daraus nicht die rechtlichen Schlüsse. Jedenfalls erweist sich die ausgesprochene Disziplinarverfügung zur Überzeugung des Gerichts insoweit als unzweckmäßig, welches ebenso zur Aufhebung bzw. Abänderung durch das Disziplinargericht führt (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

22

1.) Der Disziplinarbescheid ist nicht bereits formell rechtswidrig. Nach § 33 Abs. 3 Nr. 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) kann der der obersten Dienstbehörde unmittelbar nachgeordnete Dienstvorgesetzte die Kürzung der Dienstbezüge bis zu einer Kürzung um ein Fünftel der Dienstbezüge auf zwei Jahre festsetzen. Davon hat der Direktor der C. vorliegend gebrauch gemacht. Von dieser disziplinarrechtlichen Kompetenz zum Ausspruch der Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung ist jedoch die Zuständigkeit für die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu unterscheiden. Soweit die Beklagte anscheinend meint, dass generell der Direktor der Landesbereitschaftspolizei bzw. die personalführende Stelle für die Einleitung disziplinarrechtlicher Ermittlungen zuständig sei bzw. erst ab deren Kenntniserlangung das Gebot der disziplinarrechtlichen Beschleunigung nach § 4 DG LSA gelte, ist dem nicht so. Denn unmissverständlich besagt § 17 Abs. 1 Satz 1 DG LSA, dass der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht hat, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Der - direkte - Dienstvorgesetzte des Klägers war zum Zeitpunkt des Geschehens PHK D., welcher aufgrund der von ihm am 17.05.2010 getätigten Strafanzeige gegen den Kläger auch Kenntnis von den Vorfällen am 13.05.2010 hatte. Erst im November 2011 informierte PHK D. „in einem Gespräch“ (vgl. Bl. 4 Beiakte A) wohl die personalführende Stelle, woraufhin der Direktor der Landesbereitschaftspolizei im Januar 2012 das Disziplinarverfahren einleitete. Diese Einleitungspflicht hätte zunächst dem Vorgesetzten D. oblegen. Nach § 17 Abs. 2 HS 1 DG LSA stellen der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde im Rahmen ihrer Aufsicht die Erfüllung dieser Pflicht sicher. Gleichwohl wird die - verspätete - Einleitung damit nicht verfahrensfehlerhaft. Denn nach § 17 Abs. 2 HS 2 letzte Alternative DG LSA kann der höhere Dienstvorgesetzte die Disziplinarverfolgung aufnehmen. Die Voraussetzungen eines Maßnahmeverbotes nach § 15 DG LSA liegen nicht vor. Allerdings muss dann die verzögerte Einleitung, hier über einen Zeitraum von 20 Monaten, im Rahmen der stets zu prüfenden Milderungs- und Entlastungsgründe berücksichtigt werden. Dies übersieht die Beklagte.

23

2.) Das Disziplinargericht lässt keinen Zweifel daran, dass die Beklagte zu Recht davon ausgeht, dass der Kläger als Polizeivollzugsbeamter ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen hat. Zur Überzeugung des Gerichts steht aufgrund der Ermittlungen im Disziplinarverfahren sowie im mittlerweile eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und aufgrund der geständigen und sonstigen Einlassung des Klägers und unter Bewertung des gesamten Aktenmaterials fest, dass der Beamte gegen seine dienstrechtlichen Pflichten nach § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen hat. Danach muss das Verhalten eines Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Mit dieser sogenannten beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht, wird dem Beamten die Pflicht auferlegt, sich so zu verhalten, dass aus seinem Handeln kein Achtungs- und Vertrauensverlust ableitbar ist. Dies gilt insbesondere bei einem in der Öffentlichkeit stehenden Polizeivollzugsbeamten.

24

a.) Dabei ist die Dienstpflichtverletzung darin zu sehen, dass der Kläger zum genannten Tatzeitpunkt auf den am Boden knienden und insoweit aufgrund der Einwirkung von Pfefferspray offensichtlich wehrlosen Herrn W. zu rannte und mit dem rechten durch Polizeistiefel beschuhten Fuß zum Tritt ausholte. Dieses tatsächliche Tatgeschehen ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den in den Ermittlungsvorgängen befindlichen Videosequenzen und der Inaugenscheinnahme des Videomaterials durch das Gericht.

25

b.) Nach diesen Filmaufzeichnungen ist der Erfolg der Körperverletzungshandlung, also eine Berührung des Körpers des Herrn W., nicht ersichtlich. Erkennbar ist nur, dass Herr W. aufgrund der herannahenden und zum Tritt ausholenden Person des Klägers aus der Hocke heraus das Gleichgewicht verliert und nach Hinten wegfällt, um sodann wieder aus dieser Position ohne Probleme in den Stand aufstehen kann und fortläuft. Zur festen Überzeugung des Disziplinargerichts wäre dieses tatsächliche und dokumentierte Verhalten des Herrn W. nach einem erfolgreichen Tritt durch einen schweren Polizeistiefel nicht möglich gewesen. Denn ein Fußtritt mit einem derart bestiefelten Fuß hätte mit Sicherheit starke Schmerzen und auch feststellbare Schäden am Knie des Herrn W. verursacht. Die im Anschluss vorgenommene körperliche ärztliche Untersuchung des Herrn W. belegte jedoch keine diesbezüglichen Verletzungen oder auch nur Anzeichen einer solchen Berührung im Kniebereich, sondern eine lokale Rötung im Sinne einer Abschürfung im rechten Mittelbauch. Diese ärztlich festgestellten Verletzungen im Bauchbereich können jedoch ersichtlich nicht von dem nur im Kniebereich des Herrn W. geführten Fußtrittes verursacht worden sein. Insoweit ist auch die Zeugenaussage des Herrn W. nicht belastbar.

26

Auch die der disziplinarrechtlichen Bewertung zugrunde gelegten Zeugenaussagen der Kollegen K. und M. belegen das von der Beklagten dem Disziplinarbescheid zugrunde gelegten Tatgeschehen nicht. Dabei stand im Vordergrund der Ermittlungen zunächst die Feststellung der Person des handelnden Polizeibeamten. Dass es sich dabei um den Kläger handelt, konnten die Kollegen nachvollziehbar darlegen. Zudem bestreitet dies der Kläger nicht. Zur Überzeugung des Gerichts konnten die genannten Kollegen jedoch den tatsächlichen Erfolg des angedeuteten Tritts auf den Körper des Herrn W. nicht wahrnehmen, sondern haben dies nur aus ihrer Beobachtung und dem „normalen Lauf der Dinge“ geschlussfolgert. Denn Herr M. war der mit der Videoaufzeichnung beauftragte Einsatzbeamte und konnte daher nichts anderes wahrnehmen als er auch durch den Blick in seine Videokamera dokumentierte und Frau K. stand unmittelbar neben Herrn M. und konnte das Geschehen daher auch nur rückseitig beobachten. Aufgrund dieser Tatsachen hinsichtlich der Örtlichkeit und dem Betrachtungswinkel der Zeugen sowie unter Auswertung der genannten Videosequenzen und der Inaugenscheinnahme des Videomaterials sah das Gericht auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung. Entsprechende Beweisanträge sind nicht gestellt worden.

27

c.) Demnach steht zur Überzeugung des Disziplinargerichts fest, dass das in der Disziplinarverfügung zugrunde gelegte tatsächliche Geschehen mangels tatsächlicher körperlicher Beeinträchtigungen bei Herrn W. so nicht geschehen ist und die Disziplinarverfügung insoweit von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, so dass zwangsläufig die gewählte Disziplinarmaßnahme fehlerhaft erscheinen muss. Dabei fällt auf, dass bereits im Widerspruch und in der Klagebegründung auf diesen andersartigen Sachverhalt hingewiesen wurde und in der Klageerwiderung seitens der Beklagten ausgeführt wird, dass dieser Aspekt für das Disziplinarverfahren unerheblich sei.

28

Somit mag das Geschehen allenfalls unter dem strafrechtlichen Tatbestand einer versuchten Körperverletzung zu beurteilen sein. Disziplinarrechtlich ist dies wiederum insoweit ohne Belang, weil es keine versuchte Dienstpflichtverletzung gibt (VG Magdeburg, Urteil v. 23.01.2013, 8 A 16/12; juris). Gegenstand eines Dienstvergehens ist immer eine vollendete Pflichtverletzung, auch wenn vielleicht die sachgleiche Straftat unvollendet blieb (VG Magdeburg, Urteil v. 14.02.2012, 8 A 6/11; juris). Allerdings ist bei der Gesamtbewertung nach § 13 DG LSA im Sinne der Richtschnur für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme die Zugrundelegung des tatsächlichen, wahren Geschehens und damit die Tatsache, ob eine körperliche Schädigung bei dem Herrn W. eingetreten ist, zwingend notwendig. Denn disziplinarrechtlich macht es bei der Bewertung des Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspoflicht einen Unterschied, ob ein Polizeivollzugsbeamter gegenüber einem Bürger/Demonstranten tatsächlich unzulässige Gewalt im Sinne einer Körperverletzung ausübt oder ob diese körperlichen Schäden beim Gegenüber nicht eingetreten sind. Denn dies bestimmt die Schwere des Pflichtenverstoßes und das Gericht lässt keinen Zweifel daran, dass prügelnde Polizeivollzugsbeamte tatsächlich neben der Straftat eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung begehen.

29

d.) An der Ansehensschädigung im Sinne des Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht ändert dies jedoch nichts. Denn – wie bereits ausgeführt – liegt die Pflichtverletzung vorliegend darin, dass der Kläger auf den ersichtlich am Boden knienden wehrlosen Herrn W. zu rannte und es letztendlich einem glücklichen Umstand zu verdanken war, dass Herr W. nicht verletzt wurde. Dabei bleibt unklar und ist nicht aufklärbar, ob dem Fußtritt des Klägers willentlich der Erfolg versagt war oder ob er aus anderen, ihm nicht zurechenbaren Gründen das Knie des Herrn W. verfehlte. Mögen die vom Kläger insbesondere in der mündlichen Verhandlung geschilderten Besonderheiten der Einsatzsituation auch zu berücksichtigen sein und der Befehl eines „Anlaufens“ die Notwendigkeit ergab, Demonstranten zu zerstreuen, so kann dies im vorliegenden Fall nicht gelten. Denn insoweit war der am Boden kniende Herr W. wehrlos und stellte keine Gefahr dar. In Konsequenz dessen würde es in weiterer Ausführung des Befehls für den Beamten bedeuten, quasi über den am Boden hockenden Herrn W. zu stolpern und eventuell selbst zu Fall zu kommen. Insoweit bietet sich auch bei dem Einsatzbefehl eines „Anlaufens“ als alleinige Möglichkeit an, einer am Boden knienden Person durch seitliches Umherlaufen auszuweichen. Keinesfalls darf ein derart am Boden hockender und wehrloser Mensch mit den Konsequenzen schwerer Verletzungen einfach im wahrsten Sinn des Wortes überrannt werden. Dies mag ja auch der maßgebliche Grund für die Kollegen gewesen sein, das Verhalten des Klägers zu melden.

30

e.) Unter Zugrundelegung dieser tatsächlichen Geschehnisse ist die Disziplinarverfügung nicht nur wegen des fehlerhaft unterstellten Sachverhaltes rechtswidrig, sondern auch in Bezug auf die im Stufenverhältnis stehende gewählte Disziplinarmaßnahme, weil unverhältnismäßig. Die Stufe der Kürzung der Dienstbezüge nach § 8 DG LSA ist als letzte vom Dienstherrn auszusprechende Disziplinarmaßnahme mangels Schwere des Dienstvergehens noch nicht erreicht. Dies ist bereits daraus ersichtlich, dass der Beklagte im Disziplinarverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren stets vom Eintritt tatsächlicher körperlicher Verletzungen bei Herrn W. ausgegangen ist und daraufhin ein schweres Dienstvergehen sieht. Mag diese Bewertung auch maßgeblich durch die aus den Akten ersichtliche Intervention des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen-Anhalt geschehen sein, so ändert dies nichts daran, dass die Beklagte sich dies zurechnen lassen muss. Richtig ging auch die Beklagte zunächst von der Disziplinarmaßnahme einer Geldbuße in Höhe von 250,00 Euro aus.

31

Weiter hat die Beklagte bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme die zeitliche Verzögerung bis zur Einleitung der disziplinarrechtlichen Ermittlungen nicht eingestellt. Sowohl die verspätete Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens als auch dessen zögerliche Durchführung können dazu führen, dass eine eigentlich angezeigte Disziplinarmaßnahme unverhältnismäßig wird (vgl. nur: Bay. VGH., Urteil v. 18.07.2012, 16a D 10.1134; VG Wiesbaden, Urt. v. 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D; beide juris).

32

Wie bereits oben zur formellen Rechtmäßigkeit der Verfügung ausgeführt, hat dies die Beklagte zu vertreten. Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 09.03.1989 (2 C 21.87; juris) ist disziplinarrechtlich ohne Belang. Denn dort ging es um die maßgebliche Kenntnis des Dienstherrn von Schäden und Personen des Ersatzpflichtigen im Rahmen der Verjährungsfrist von Regrennansprüchen. Auch hat das Disziplinargericht Bedenken hinsichtlich der Annahme der Beklagten, dass der Kläger als Beamter eine weitere Dienstpflicht nach § 54 der Geschäftsordnung der Landesbereitschaftspolizei habe, über Ermittlungen gegen ihn zu informieren. Dies widerspricht schon dem Grundsatz, dass niemand sich selbst belasten muss. Die unterlassene Mitteilung über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren stellt keine Dienstpflichtverletzung dar, auch wenn dies dienstlich vorgeschrieben ist (Köhler/Ratz, BDG, B. II. 8) (so ausdrücklich: VG Wiesbaden, Urt. vom 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D; juris). Die Selbstbelastungsfreiheit hat Vorrang gegenüber der Pflicht des Beamten zur Unterstützung seiner Vorgesetzten (so ganz deutlich: VG Wiesbaden, Urt. v. 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht, B. v. 20.11.2012, 2 B 56.12; Hessischer VGH, B. v. 13.05.2013, 28 a 488/12.D; alle juris).

33

3.) Bei der nunmehr vom Disziplinargericht aufgrund der Gesamtabwägung und des Persönlichkeitsbildes des Beamten nach § 13 DG LSA auszusprechenden Disziplinarmaßnahme, lässt sich das Gericht unter Berücksichtigung der dargestellten Fehler der Disziplinarverfügung auch davon leiten, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit in Bezug auf die Tatausführung durch seine Person geständig war, dies keiner weiteren Ermittlungen bedurfte, er die Fehlerhaftigkeit seines Vorgehens einsah und er eine Lehre aus dem strafrechtlichen Ermittlungs- und dem Disziplinarverfahren und letztendlich den Eindruck der mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinargericht gezogen hat. Dementsprechend darf auch das Disziplinargericht – letztendlich auch aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 59 Abs. 3 DG LSA – eine geringere Disziplinarmaßnahme aussprechen. Unter Beachtung der Grenzen des § 13 DG LSA und der im Disziplinargesetz angelegten Staffelung der Disziplinarmaßnahme, hält das Gericht die hier ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Höhe einer Geldbuße von 250,00 Euro als angemessen aber auch notwendig, um den Beamten an die Einhaltung seiner Pflichten, insbesondere der Wohlverhaltenspflicht, zu erinnern.

34

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4 DG LSA, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Kläger weiterhin disziplinarrechtlich belangt wird, ist es angemessen, dass er die Hauptlast der Kosten trägt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 20. Aug. 2013 - 8 A 8/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 20. Aug. 2013 - 8 A 8/13

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 20. Aug. 2013 - 8 A 8/13 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Strafprozeßordnung - StPO | § 153 Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit


(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 34 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten und Erscheinungsbild


(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und d

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 47 Nichterfüllung von Pflichten


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 20. Aug. 2013 - 8 A 8/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 20. Aug. 2013 - 8 A 8/13 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 23. Jan. 2013 - 8 A 16/12

bei uns veröffentlicht am 23.01.2013

Tatbestand 1 Der Kläger ist Polizeivollzugsbeamter im Rang eines Polizeihauptmeisters und wendet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße in Höhe von 150 Euro. 2 Mit der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 30.05.2012 werd
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 20. Aug. 2013 - 8 A 8/13.

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 06. Nov. 2013 - 8 A 9/12

bei uns veröffentlicht am 06.11.2013

Tatbestand 1 Der Kläger ist Oberbürgermeister der beklagten Stadt A-Stadt und wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung in Form der Kürzung der Dienstbezüge um ein Fünftel für die Dauer von zwölf Monaten aus seiner Zeit als Beigeordneter (Besold

Referenzen

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Polizeivollzugsbeamter im Rang eines Polizeihauptmeisters und wendet sich gegen eine Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße in Höhe von 150 Euro.

2

Mit der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 30.05.2012 werden dem Kläger zwei Pflichtenverstöße und damit ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) vorgeworfen. Er habe fahrlässig bzw. vorsätzlich gegen die ihm obliegende Gehorsams- und Wohlverhaltenspflicht (§§ 34, 35 BeamtStG) verstoßen. Bei einer Fahrtenbuchkontrolle der vom Kläger anlässlich der An- und Abreise zur Hundeführerschule in P. genutzten Dienstkraftfahrzeuge sei zwischen den eingetragenen und den tatsächlich gefahrenen Kilometern Differenzen festgestellt worden. Weiter habe der Kläger entgegen der Weisung seines Vorgesetzten zunächst ein ziviles Dienstkraftfahrzeug für die Anreise benutzt, so dass das Fahrzeug während der Lehrgangsdauer getauscht werden musste. Weiter wird dem Beamten vorgeworfen, dass der Kläger seine Dienstpflichten als Diensthundeführer dadurch vernachlässigt habe, dass es zum Deckakt seiner Diensthündin „Pink“ gekommen sei und diese am 27./28.08.2009 dreizehn Welpen geworfen habe. Bis zum Verkauf der Welpen seien dem Land Sachsen-Anhalt erhebliche Kosten für Futter, jegliches Zubehör und Dienstzeit entstanden und die Hündin hätte für vier Monate nicht als Einsatzmittel genutzt werden können.

3

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 als unbegründet zurück und vertiefte dabei die Ausführungen des Ausgangsbescheides insbesondere hinsichtlich der tatsächlich gefahrenen Kilometer und der vom Kläger angegebenen Alternativen hinsichtlich der Fahrstrecken. Auf diese Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid wird verwiesen.

4

Mit der fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarverfügung und ist der Auffassung, dass er keine Dienstpflichtverletzung begangen habe. Es habe im Vorfeld des Besuchs der Hundeführerschule keine klare Anweisung gegeben, dass ausschließlich grün-weiße Dienstfahrzeuge zu benutzen seien. Da sein privates für die Mitnahme des Diensthundes vorgesehenes Fahrzeug defekt gewesen sei, habe sich der Kläger entschlossen, bereits am Samstag mit einem Zweitfahrzeug zur Dienststelle nach G. zu fahren, um dort das zur Mitnahme von Hunden geeignete Dienstkraftfahrzeug abzuholen, um im weiteren Verlauf am Sonntagabend von seinem Wohnort A-Stadt, OT G., nach P. zu fahren. Auf der Fahrt nach P. habe er nach ca. 177 km festgestellt, dass er seine Brieftasche zu Hause vergessen habe, so dass er umgekehrt sei. Richtig sei, dass er diese Rückkehr im Fahrtenbuch nicht dokumentiert habe. Er habe schlichtweg keine Übung darin gehabt, wie man in derartigen Fällen die Eintragung vornehme. In seiner Brieftasche seien alle erforderliche Papiere sowie Geld gewesen. Hinsichtlich der Trächtigkeit der Diensthündin „Pink“ sei festzustellen, dass diese und der Rüde in separaten Zwingern gehalten worden seien. Seit dem er die „Hitze“ bei der Hündin festgestellt habe, habe er die Hunde voneinander getrennt. Zu diesem Zeitpunkt muss die Deckung/Zeugung bereits vollzogen gewesen sein. Eine vorangegangene „Hitze“ habe der Beamte nicht festgestellt. Ebenso nicht seine mit Tieren erfahrene Ehefrau. Der vom Tierarzt aus tierschutzrechtlichen Gründen als möglich angesehene Abbruch der Trächtigkeit sei vom Dienstherrn verworfen worden. Durch den Verkauf der Welpen sei dem Land überhaupt gar kein Schaden entstanden.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Disziplinarbescheid vom 30.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2012 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen

9

und verteidigt die in der Disziplinarverfügung festgestellten Pflichtenverstöße und die diesbezügliche Disziplinarmaßnahme. Der Kläger habe wahrheitswidrig in das Fahrtenbuch die Fahrstrecke G. - Diensthundeführerschule - G. eingetragen. Die grundsätzliche Verwendung der grün-weißen Hundekraftwagen sei allgemein bekannt gewesen. Die neutralen Hundekraftwagen seien für besondere Einsätze vorzuhalten. So geschah es schließlich auch, dass das vom Beamten benutzte zivile Dienstkraftfahrzeug für eine Ermittlungstätigkeit benötigt worden sei und zurückgeholt werden musste. Ausweislich der im Fahrtenbuch des Fahrzeuges SDL-3907 dokumentierten Eintragungen sei der Kläger am 01.12.2008 insgesamt 530 km gefahren. Nach den Berechnungen der Beklagten seien davon 420 km für die Hin- und Rückfahrt nach und von P. (2 x 210 km) und für die Überführung des Kraftfahrzeuges von G. nach G. 35 km abgezogen. Für weitere zusätzlich gefahrene 75 km habe der Kläger keine Erklärung abgegeben. Hinsichtlich der vergessenen Brieftasche habe der Beamte zunächst angegeben, seine Brieftasche in Gardelegen liegengelassen zu haben. Auch bei Unterstellung dieser Rückfahrt seien die vorgehaltenen 375 km objektiv nicht zu erklären. Denn die Differenz setze sich nachweislich der drei Umwegfahrten über den Wohnort des Klägers (insgesamt 105 km) und zusätzlich gefahrenen 270 km mit beiden Dienstkraftfahrzeugen zusammen. Nach allen Berechnungen könne der Kläger nicht von W. nach G. und von dort wieder über Wittenberg nach Pretzsch gefahren sein. Auf die diesbezügliche Berechnung in der Klageerwiderung im Schriftsatz vom 18.10.2012 (Gerichtsakte Bl. 47 ff) wird verwiesen. Hinsichtlich des zweiten Pflichtenverstoßes wird ausgeführt, dass der Kläger als diensterfahrener Diensthundeführer die signifikanten Merkmale einer Läufigkeit hätte bemerken müssen. Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Geldbuße sei tat- und schuldangemessen und auch zweckmäßig.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Disziplinarklage ist unbegründet. Die Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 3 DG LSA i. V. m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Disziplinarmaßnahme ist auch zweckmäßig (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

12

1.) Zur Überzeugung des Disziplinargerichts steht fest, dass der Kläger den unter Nr. 1 in der Disziplinarverfügung vorgehalten Pflichtenverstoß begangen und damit ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG verwirklicht hat.

13

a.) Dabei liegt der Schwerpunkt des Vorwurfs auf der nicht ordnungsgemäßen Dokumentierung der Fahrten mit dem Dienstkraftfahrzeugen bzw. der dadurch bedingten Verschleierung privater Fahrten mit dem Dienstkraftfahrzeug, wodurch sich der Kläger einen geldwerten Vorteil verschaffte. Damit hat er die ihm obliegende Pflicht zur Uneigennützigkeit und zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (Wohlverhaltenspflicht) gem. § 34 Satz 2, 3 BeamtStG verletzt. Das Disziplinargericht folgt mit dem Beklagten nicht der Einlassung des Klägers, das die ihm vorgehaltene Kilometerdifferenz durch die Rückkehr in ungefährer Höhe von W. entweder nach Hause oder zu seiner Dienststelle nach G. entstanden ist. Denn die nachvollziehbaren Berechnungen der Beklagten diesbezüglich lassen diese Kilometerdifferenz nicht erkennen. Auf die Berechnungen insbesondere in der Klageerwiderung im Schriftsatz vom 18.10.2012 (Bl. 47 der Gerichtsakte) wird verwiesen.

14

Mit der Beklagten sieht das Disziplinargericht daher die Erklärung des Beamten zur Kilometerdifferenz als Schutzbehauptung an. Die Nutzung des Dienstfahrzeuges zu Privatzwecken drängt sich bereits deshalb auf, weil sein Privatfahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt nach eigenen Angaben in Reparatur war und er deshalb den Dienstwagen bereits am Samstag - also vor der eigentlichen Dienstfahrt - aus der Dienstselle abholte.

15

b.) Auch bei Zugrundelegung der vom Kläger angegebenen Rückkehr entlastet ihn dies nicht. Denn insoweit ist die Rückkehr entweder an seinen Dienstort in G. - wie es seiner ersten Einlassung entsprach - oder an seinen Wohnort in G. - wie es seiner späteren Einlassung entspricht - nicht dienstlich veranlasst gewesen. Dienstlich veranlasst ist bei einer Dienstfahrt grundsätzlich die An- und Abreise nicht aber jedwede Zwischen- oder Umwegfahrten oder Rückfahrten, die dem privaten Bereich zuzurechnen wären. Die Rückfahrt zur Holung der Brieftasche war nicht dienstlich veranlasst. So mag es anders sein, wenn der Beamte für die Fortbildungsveranstaltung notwendige Unterlagen vergessen hätte, etwa als Dozent die betreffenden Seminarunterlagen oder gar den Diensthund. Derartiges trägt der Kläger jedoch nicht vor und fokussiert sich auf die Notwendigkeit der Mitnahme (privaten) Geldes und seiner (privaten) Papiere. Dass davon auch für die Fortbildungsveranstaltung zwingend notwendige Papiere betroffen gewesen sein sollen, führt der Kläger in diesem Zusammenhang nicht aus und ist auch nicht ersichtlich.

16

c.) Ein derartiges Dienstvergehen hinsichtlich der Durchführung von Privatfahrten wiegt grundsätzlich schwer. Denn die Verwaltung ist auf die Redlichkeit hinsichtlich der ordnungsgemäßen Angaben des Beamten bei dem Nachweis der Fahrten angewiesen (vgl. zur Fahrtenbucheintragung auch: VG Magdeburg, U. v. 04.03.2008, 8 A 17/07; juris; bei einem erheblichen Mitverschulden des Dienstherrn: VG Magdeburg, U. v. 13.12.2012, 8 A 7/11; juris)..Insoweit ziehen zur Überzeugung des Disziplinargerichts bereits kleinere Verfehlungen grundsätzlich Disziplinarmaßnahmen nach sich. Die Disziplinarerheblichkeit ist erreicht (vgl. zur Schwere des Dienstvergehens: BVerwG, U. v. 20.05.2010, 2 WD 12.09 m. w. Nachw.; U. v. 20.06.1989, 2 WD 47/88; juris). Entscheidend sind stets die Vorkommnisse im Einzelfall, wie besondere Tat oder Verschleierungsmaßnahmen, Intensität, erheblicher Umfang und längere Dauer der Privatnutzung, erhebliche eigennützige Motive oder missbräuchliche Ausnutzung der dienstlichen Stellung (vgl. BVerwG, U. v. 25.11.1998, 1 D 42.97 m. w. Nachw.; BVerwG, U. v. 23.11.1993, 1 D 48.93; BVerwG., U. v. 20.07.1989, 2 WD 47.88; BVerwG, U. v. 24.01.2001, 1 D 57.99; BVerwG, U. v. 13.12.2000, 1 D 34.98; OVG NRW, U. v. 17.04.2002, 15 d A 650/01.O; alle juris). So kann im Einzelfall mindestens eine Gehaltskürzung als Disziplinarmaßnahme anstehen.

17

d.) Demgegenüber ist dem Beamten nicht mit der hinreichenden Gewissheit nachzuweisen, dass er tatsächlich gegen eine dienstliche Anweisung zwecks Benutzung des grün-weißen Hundedienstkraftwagens und nicht eines zivilen Fahrzeuges verstoßen hat. Vielmehr scheint es so zu sein, dass der Kläger sich am Samstagabend einen ihm beliebigen Dienstwagen hat nehmen können. Zumindest waren geeignete Vorgehens- und Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich des Schlüssels, der Fahrzeugpapiere und der Erreichbarkeit des Fahrzeuges wohl nicht gegeben. Auch wurde die grundsätzliche Unzulässigkeit der Verwendung des zivilen Fahrzeuges ja erst später erkannt und nicht bereits bei Fahrtantritt. Dabei ist auch unklar, ob dies überhaupt Gegenstand des Disziplinarvorwurfs ist. In diesem Zusammenhang weist das Disziplinargericht darauf hin, dass disziplinarrechtliche Vorhaltungen für den Beamten und für das Gericht eindeutig und aus sich selbst erkennbar und erklärbar sein müssen.

18

2.) Gleiches gilt auch für den Disziplinarvorwurf unter Nr. 2 der Disziplinarverfügung. Wird in der Begründung der Disziplinarverfügung noch davon ausgegangen, dass der Beamte fahrlässig den Deckakt nicht verhindert habe, wird weiter ausgeführt, dass dem Land keine Futterkosten oder Kosten für Zubehör und Dienstzeit und Ausfall der Diensthündin entstanden seien. Auch wird ausdrücklich bestätigt, dass der Abbruch der Trächtigkeit tierschutzrechtlich möglich gewesen wäre. Dies drängt den Einwand auf, ob mangels eines eingetretenen Schadens überhaupt eine - fahrlässige - Dienstpflichtverletzung vorliegen kann. Ein versuchtes Dienstvergehen gibt es nicht. Die begonnene, aber nicht realisierte Pflichtverletzung ist nicht vorwerfbar. Gegenstand eines Dienstvergehens ist immer eine vollendete Pflichtverletzung, auch wenn vielleicht die sachgleiche Straftat unvollendet blieb. Entscheidend für den Pflichtentatbestand ist der Handlungswille, nicht der Erfolg (vgl. nur: VG Magdeburg, U. v. 14.02.2012, 8 A 6/11 MD mit Verweis auf Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Auflage 2009, S. 78 Rz. 6 ff sowie VG Lüneburg, U. v. 13.03.2005, 1 A 368/04; beide juris). Dementsprechend muss hier dem Beklagten die nicht eindeutig erkennbare und herausgearbeitete Pflichtenverletzung vorgehalten werden.

19

Unterstellt man, der Disziplinarvorwurf sei darauf reduziert, er habe - fahrlässig - die Läufigkeit seiner Diensthündin „Pink“ nicht erkannt, kann der Vorwurf nicht aufrecht erhalten bleiben. Fahrlässig handelt nach dem allgemeinen Rechtsbegriff, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen des Einzelfalls verpflichtet und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten im Stande ist. Diesbezüglich wird in der Disziplinarverfügung nur festgestellt, dass der Kläger als erfahrener Diensthundeführer die Läufigkeit hätte erkennen müssen. Wieso und aus welchen sachlichen Erwägungen und nachweisbaren Begebenheiten dies der Fall sein sollte, lässt die Disziplinarverfügung offen. So beruft sich der Kläger auch gerade auf sein Fachwissen - und dass seiner Ehefrau -, wonach beide die Läufigkeit der Hündin gerade nicht erkannt haben. Nun ist es nach allgemeiner - menschlicher - Lebenserfahrung so, dass auch das Sexualverhalten von Tieren - und hier von Hunden – nicht gänzlich dem Einflussbereich des Menschen vorbehalten wäre; auch hier kommt es mitunter zu überraschenden Ergebnissen.

20

3.) Trotz dessen die Pflichtverletzung unter Nr. 2 der Disziplinarverfügung nicht mit der notwendigen Gewissheit festzustellen ist, und es somit bei dem Pflichtenverstoß nach Nr. 1 der Disziplinarverfügung verbleibt, hält auch das Disziplinargericht die Disziplinarmaßnahme in Form der Geldbuße in Höhe von 150,00 Euro für recht- und zweckmäßig. Denn dabei lässt das Disziplinargericht aufgrund der obigen Ausführungen keinen Zweifel daran, dass nicht ordnungsgemäße Fahrtenbucheintragungen und daraus resultierende Privatfahrten grundsätzlich schwer wiegen. Demnach ist die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme insgesamt - noch - verhältnismäßig, weil der Tat angemessen und als erzieherische Maßnahme auch erforderlich und schließlich zweckmäßig (vgl. § 59 Abs. 3 DG LSA). Dabei muss dem Dienstherrn auch innerhalb der zu Recht gewählten Disziplinarmaßnahme, hier der Geldbuße, ein Spielraum zuerkannt werden. So sieht das Disziplinargesetz in § 7 Satz 1 die Höhe der Geldbuße bis zur Höhe der monatlichen Dienstbezüge vor. Demnach verhält sich die hier veranschlagte Höhe von 150,00 Euro im unteren und damit angemessenen Bereich.

21

4.) Zur weiteren Begründung wird auf die insoweit zutreffenden Ausführungen in den streitbefangenen Bescheiden und der Klageerwiderung vom 18.10.2012 verwiesen, auf die das Gericht zur weiteren Begründung verweisen darf (§ 117 Abs. 5 VwGO).

22

5.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.