Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 14. Apr. 2014 - 8 A 8/14

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2014:0414.8A8.14.0A
bei uns veröffentlicht am14.04.2014

Gründe

1

Der Antrag des Beklagten auf Verlängerung der mit Beschluss des erkennenden Disziplinargerichts vom 30.01.2014 (8 A 22/13 MD) nach § 60 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 DG LSA gesetzten Frist, bis zum 10.04.2014 das gegen den Kläger eingeleitete Disziplinarverfahren abzuschließen, hat keinen Erfolg.

2

Nach § 60 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 50 Abs. 2 Satz 3 DG LSA kann das Disziplinargericht die Frist auf einen vor Ablauf der Frist gestellten Antrag verlängern, wenn diese aus Gründen die die Behörde nicht zu vertreten hat, voraussichtlich nicht eingehalten werden kann. Die Entscheidung über die Verlängerung erfolgt durch Beschluss (§ 50 Abs. 2 Satz 4 DG LSA). Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 50 Abs. 2 Satz 5 DG LSA).

3

Der Einzelrichter ist weiter für das Verfahren zuständig. Denn soweit das Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt auf die Verlängerungsmöglichkeit der vom Disziplinargericht gesetzten Frist verweist, setzt es voraus, dass es sich hierbei um eine Folgeentscheidung des ursprünglichen gerichtlichen Verfahrens handelt, mithin nur das - ursprüngliche - Disziplinargericht der Hauptsache in Gestalt des damaligen Spruchkörpers - weiter - zur Entscheidung berufen ist (vgl. ähnlich zu der Rechtslage nach § 80 Abs. 7 VwGO: Kopp/Schenke; VwGO; 17. Auflage 2011, § 80 Rz. 190).

4

Der gerichtliche Antrag auf Fristverlängerung begegnet bereits formellen Bedenken. Denn dieser ist mit dem Zusatz „Im Auftrag“ mit „K…“ unterschrieben. Ausweislich des Briefkopfes handelt es sich dabei um Frau K…, die als Bearbeiterin fungiert. In dem im Internet veröffentlichten Organigramm des Landesverwaltungsamtes vom 01.11.2013 ist Frau K... nicht aufgeführt. Dem Disziplinarrecht sind formelle Bestimmungen zu den höchstpersönlichen disziplinarrechtlichen Zuständigkeiten immanent (vgl. VG Magdeburg, Urteil v. 13.12.2012, 8 A 7/11; Urteil v. 06.11.2013, 8 A 9/12; VG Wiesbaden, Beschluss v. 18.11.2013, 28 L 369/13. WI.D; alle juris). So ist das Disziplinarverfahren von dem Dienstvorgesetzten einzuleiten (§ 17 DG LSA). Nur dessen ständiger Vertreter mag bei Verhinderung für ihn handeln können (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss v. 18.11.2013, 28 L 369/13.WI.D; juris). Die einheitliche Ausübung der Disziplinarbefugnisse erfordert es, dass sie nur in den Händen weniger liegt und auf den Kreis der Personen zu beschränken ist, die – wie der Behördenleiter und sein ständiger Vertreter – die Belange der Behörde in ihrer Gesamtheit beurteilen können (BVerwG, Beschluss v. 02.06.1995, 1 DB 7.95; juris). Die Disziplinarverfügung und die Disziplinarklage sind von dem Dienstvorgesetzten bzw. der obersten Dienstbehörde zu erlassen bzw. zu erheben. Auch im Falle einer Delegierungsbefugnis (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 2 DG LSA) gilt dies nur „auf unmittelbar nachgeordnete Dienstvorgesetzte“. Schließlich sind Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Disziplinargerichts nach den Vorschriften für das Berufungs- und Beschwerdeverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung mit den dort geregelten Vertretungsbefugnissen und Befähigungsvoraussetzungen zu erheben.

5

Dass diese Voraussetzungen vorliegend auf Frau K... zutreffen, ist nicht ersichtlich. Demnach spricht bereits die disziplinarrechtliche Systematik dafür, dass der Antrag auf Verlängerung der gerichtlich und damit überhaupt für den Fortgang des Disziplinarverfahrens bedeutsam gesetzten Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht von der (zuständigen) Sachbearbeiterin des Verwaltungsverfahrens gestellt und unterzeichnet sein darf. Denn es handelt sich bei der Stellung des gerichtlichen Antrages auf Verlängerung nicht um eine einfache, alltägliche nach den Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes im Rahmen der behördlichen Bearbeitung eines Verwaltungsvorgangs vorzunehmende Behördentätigkeit oder um die bloße prozessuale Erwiderung im Verfahren des vom Beamten gestellten gerichtlichen Antrags auf Fristbestimmung nach § 60 DG LSA. Vielmehr entspringt die rechtliche Möglichkeit der Stellung eines gerichtlichen Verlängerungsantrages einem eigenen prozessualen Antragsrecht des Dienstherrn zur Durchsetzung bzw. Aufrechterhaltung seiner höchstpersönlich wahrzunehmenden Disziplinarbefugnis, so dass die strengen formellen Voraussetzungen zur Ausübung der höchstpersönlichen Disziplinargewalt durch den Dienstvorgesetzten auch hier beachtet werden müssen. Dies gilt umso mehr als der in § 60 Abs. 2 Satz 3 DG LSA vorgenommene Verweis auf § 50 Abs. 2 Satz 3 DG LSA unmittelbar auf die - strengen - Verfahrensregelungen zur Nachtragsdisziplinarklage verweist und auf den Verlängerungsantrag des „Klägers“, also die zur Erhebung der (Nachtrags-)Disziplinarklage zuständigen Behörde nach § 34 DG LSA verweist. Ebenso verweist § 52 Abs. 3 Satz 2 DG LSA hinsichtlich der Fristverlängerung zur Beseitigung wesentlicher Mängel auf das dem „Kläger“ der Disziplinarklage zustehende Antragsrecht nach § 50 Abs. 2 Satz 3 DG LSA.

6

Somit kann die Beantragung der Verlängerung der gerichtlich gesetzten Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens als notwendige Voraussetzung für die disziplinarrechtliche Weiterverfolgung - zumindest - mit den formellen Voraussetzungen für die Einleitung des Disziplinarverfahrens gleichgestellt werden. Hierzu ist das hierarchische Tätigwerden des Dienstvorgesetzten notwendig. Eine bloße allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Behördenvertretung reicht dazu wegen der mit dem automatischen Ablauf der Frist verbundenen gesetzlichen Folgen, nämlich der Einstellung des Verfahrens nach § 60 Abs. 3 DG LSA, nicht aus.

7

Darüber hinaus liegen die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Fristverlängerung nicht vor. Dazu muss der Dienstherr dartun, dass er an der Einhaltung der Frist gehindert ist, ohne dies vertreten zu müssen. Die Anforderungen entsprechen denen nach § 60 DG LSA. Nach Sinn und Zweck der Regelung, kann es sich nur um solche Gründe handeln, die nachträglich entstanden sind oder dem Gericht bei seiner Beschlussfassung nicht bekannt waren. Die Fristverlängerung muss daher die Ausnahme bleiben (vgl. insg.: Köhler BDG, 5. Auflage 2012, § 62 Rz. 13; § 53 Rz. 4).

8

Soweit der Beklagte in seinem Verlängerungsantrag vom 07.04.2014 ausführt, die Annahme des Disziplinargerichts in dem Fristsetzungsbeschluss vom 30.01.2014, dass die Ermittlungsführerin nunmehr von ihren sonstigen Aufgaben befreit worden und sich vollumfänglich der Bearbeitung des Disziplinarverfahrens widmen könne, falsch sei, begründet dies gerade die Ablehnung des Verlängerungsantrages. Denn dies legt die Vermutung nahe, dass dem Beklagten der Sinn und Zweck sowie die Bedeutung der gerichtlichen Fristbestimmung nach § 60 DG LSA unter Beachtung des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgrundsatzes noch nicht hinreichend bewusst wurde. Das Disziplinargericht hat in dem Beschluss vom 30.01.2014 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Einleitungsbehörde qualitativ wie quantitativ personell ausgestattet sein muss und der Ermittlungsführer zur Aufbietung all seiner Kräfte und seiner Zeit zur vorrangigen Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens verpflichtet ist. Die Einleitungsbehörde muss dafür sorgen, dass der Ermittlungsführer nach Bedarf so weit von den Aufgaben seines Hauptamtes freigestellt wird, dass er sich mit Vorrang den behördlichen Ermittlungen widmen kann.

9

Dem steht entgegen, wenn nunmehr herauskommt, die Ermittlungsführerin war nur zeitweise, nämlich an fünf Tagen von 27.11.2013 -03.12.2013 zu 100 % von ihren sonstigen Dienstpflichten befreit gewesen und seit dem Beschuss vom 30.01.2014 werde sie „jeweils in dem Maße von ihrer Hauptdienstleistungspflicht freigestellt, wie es für die unverzügliche Bearbeitung des Verfahrens erforderlich war.“ Damit hat der Dienstherr gerade nicht „alles ihm mögliche getan (…) um den rechtzeitigen Abschluss des Disziplinarverfahrens erreichen zu können.“ Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht bei seiner Fristsetzung (fehlerhaft) davon ausging, dass die Ermittlungsführerin nunmehr zu 100 % freigestellt sei, sondern darum, dass eine solche umfassende Freistellung ab dem Fristenbeschluss jedenfalls vorzunehmen ist. Soweit der Beklagte nunmehr meinen sollte, die gesetzte Frist sei von vornherein zu kurz bemessen, wäre zu erwarten gewesen, dass sie dies frühzeitiger durch einen Verlängerungsantrag hätte kundgetan.

10

Das mangelnde Bewusstsein für die Eilbedürftigkeit zeigt auch die in der Antragsschrift wiedergegebene Chronologie der Handlungen: So lagen zwischen Eingang des Beschlusses am 07.02.2014 und Umsetzung am 10.02.2014 wie auch zwischen der Abgabe des Ermittlungsberichts am 14.02.2014 (E-Mail; Original am 17.02.2014) und der Beauftragung der Ermittlungsführerin zur abschießenden Anhörung am 20.02.2014 und der am 25.02.2014 vorgenommenen und am 26.02.2014 zugestellten Anhörungsmitteilung zwar nur Tage, welche jedoch im Zusammenspiel gerade den vorzuhaltenden, nicht gewissenhaften Umgang mit dem Verfahren bescheinigen. Der Kläger führt zu Recht aus, dass die Weiterbearbeitung aufgrund der erfolgten Versendung durch E-Mail hätte zügiger erfolgen können. Ein Abwarten auf den Eingang der Originale wäre nicht nötig gewesen.

11

Die einzige insoweit nicht dem Beklagten vorzuhaltende Zeitverzögerung lag in dem Ausschöpfen der dem Kläger gesetzlich zustehenden Monatsfrist zur abschließenden Stellungnahme bis zum 26.03.2014. Hat die Ermittlungsführerin dann auch zügig auf das 124seitige Vorbringen, dessen Inhalt dem Gericht nicht bekannt ist, reagiert und am 03.04.2014 den abschließenden Ermittlungsbericht dem Präsidenten des …, hängt seit dem dort die weitere Bearbeitung des Disziplinarverfahrens unter Beachtung der gerichtlichen Vorgaben. Das Disziplinargericht vermag nicht zu erkennen, dass unter Beachtung der ausführlichen Begründung des Disziplinargerichts im dem Beschluss vom 30.01.2014 „notwendige Überlegungs-, Bearbeitungs- und Postlaufzeiten“ dem zeitgerechten Abschluss des Disziplinarverfahrens „im Wege stehen.“ Denn die Zeitverzögerung ist durch die oben beschriebene Vorgehensweise nach dem Eingang des gerichtlichen Beschlusses verursacht. Dass die Zeit am nahenden Fristende nicht mehr reichte, ist Ursache dessen und somit verschuldet. Auf die Möglichkeit und Notwendigkeit der beschleunigten Beteiligung weiterer Stellen hat das Gericht hingewiesen. Insoweit sind diese Ursachen behördenintern und dem Beklagten zuzurechnen. Der Beklagte trägt gerade nicht vor, dass aufgrund – unverschuldeter, außenstehender – Umstände, wie Erkrankung der Ermittlungsführerin oder aufgrund der 124seitigen Stellungnahme des Klägers neue Ermittlungen erfolgen mussten, die Bearbeitung nicht fristgerecht erfolgen konnte. Auf die in diesem Sinne zu verstehende Möglichkeit der gerichtlichen Fristverlängerung hat das Disziplinargericht in dem Beschluss vom 30.01.2014 hingewiesen.

12

Dem Disziplinargericht ist bewusst, dass diese Entscheidung zur Ablehnung der Fristverlängerung in Anbetracht der daraus resultierenden gesetzlichen Bestimmung zur Einstellung des Disziplinarverfahrens und der Schwere der vorgehaltenen Pflichtenverstöße, weitgehende Konsequenzen hat. Doch diese Folgen sind vom Disziplinargesetz gewollt und resultieren aus dem strikten disziplinarrechtlichen Gebot der Verfahrensbeschleunigung auch zu Schutze des mit disziplinarrechtlichen Ermittlungen überzogenen Beamten. Das Disziplinargericht führte bereits in dem Beschluss aus, dass vorliegend der Beamte neben dem disziplinarrechtlichen Reinigungszweck (Ehrschutz) auch ein schutzwürdiges Interesse am Behalt seines Dienstpostens hat. Der Beklagte muss sich dies vorhalten und zurechnen lassen, zumal er durch die ausführliche Entscheidung des Disziplinargerichts in dem Fristenbeschluss darauf hingewiesen wurde.

13

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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Tatbestand 1 Der Kläger ist Oberbürgermeister der beklagten Stadt A-Stadt und wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung in Form der Kürzung der Dienstbezüge um ein Fünftel für die Dauer von zwölf Monaten aus seiner Zeit als Beigeordneter (Besold

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarverfügung, womit gegen den Kläger wegen eines Dienstvergehens die Kürzung seiner Dienstbezüge in Höhe von einem Zehntel für die Dauer von sechs Monaten verhängt wurde.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Disziplinarverfügung, womit gegen den Kläger wegen eines Dienstvergehens die Kürzung seiner Dienstbezüge in Höhe von einem Zehntel für die Dauer von sechs Monaten verhängt wurde.

2

Der Kläger ist Volljurist und seit dem 01.09.2008 Kanzler der … Universität in C-Stadt (BesGr. B 2 BBesO). Nach § 71 Abs. 3 Hochschulgesetz Sachsen-Anhalt (HSG LSA) wird der Kanzler für die Dauer von acht Jahren zum Beamten auf Zeit ernannt. Die während des Disziplinarverfahrens vom Dienstherrn betriebene beamtenrechtliche Abordnung und Versetzung des Klägers wurde letztendlich gerichtlich aufgehoben (vgl. VG Magdeburg, Urteil v. 13.12.2011, 5 A 56/11 MD und 5 B 26/11 MD, Beschluss des OVG LSA vom 24.04.2012, 1 L 31/12, juris).

3

Mit der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 16.03.2011 des Kultusministeriums wird dem Kläger vorgeworfen, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er am 13.03., 08.05., 27.10. und 02./03.12.2009 Dienstfahrzeuge der Universität zu privaten Zwecken genutzt habe. Dadurch habe er gegen seine Pflichten aus §§ 34, 35 Satz 2 Beamtenstatutsgesetz (BeamtStG) und § 42 Satz 2 der Landeshaushaltsordnung (LHO) i. V. m. den einschlägigen Richtlinien über die Haltung und Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen (Kraftfahrzeugrichtlinien-KfzR) und den dazu ergangenen universitären Festlegungen (Fuhrparkordnung, Rundschreiben) verstoßen. Den Pflichtenverstoß habe er vorsätzlich begangen. Denn als Volljurist und in seiner Funktion als Kanzler und Beauftragter für den Haushalt der Universität sei ihm hinlänglich bekannt, dass Dienstkraftfahrzeuge grundsätzlich nur zur Durchführung dienstlicher Zwecke genutzt werden dürften.

4

Weiter wird dem Kläger vorgehalten, Mitarbeiterinnen gemobbt, verbal und sexuell belästigt zu haben. Dadurch habe er gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG vorsätzlich und schuldhaft verstoßen. Er habe sich der Zeugin D. über einen längeren Zeitraum hinweg körperlich genähert, sie verbal belästigt und unmittelbar deren Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz betrieben, als sie dem vom Kläger bei einem gemeinsamen Mittagessen am 02.03.2010 geäußerten Wunsch nach „mehr persönlicher Nähe“ nicht entsprochen habe. Auch die Zeugin E. habe bestätigt, dass der Kläger sich ihr ähnlich genähert und sie belästigt habe. Die Grenze zur Pflichtwidrigkeit sei überschritten, wenn ein Beamter gegenüber weiblichen Bediensteten trotz deren eindeutig ablehnender Haltung aus sexuellen Gründen zudringlich werde. Der Kläger habe bewusst während des Dienstes körperlichen Kontakt zu den genannten Zeuginnen gesucht und sie wiederholt umarmt sowie bewusst durch Bemerkungen sexuellen Inhalts belästigt. Gegenüber der Zeugin D. habe der Kläger geschlechtsbezogene Äußerungen und Anspielungen in Bezug auf deren Kleidung getätigt. Dieses Verhalten sei von den Zeuginnen für den Kläger eindeutig erkennbar ausdrücklich verbal und durch Körpersprache abgelehnt und von ihnen als verletzend empfunden worden. Insbesondere die Zeugin D. habe psychisch gelitten. Ein Beamter, der innerhalb des Dienstes Mitarbeiterinnen sexuell belästige, beeinträchtige erheblich sein Ansehen und das der Beamtenschaft, störe erheblich den Dienstfrieden und verletze in schwerwiegender Weise die Würde und Ehre der Betroffenen.

5

Den gegen die Disziplinarverfügung eingelegten Widerspruch wies das vormals zuständige Kultusministerium mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2011 mit den Gründen des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.

6

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarverfügung. Das Disziplinarverfahren sei bereits verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden. Neben der gegen den Kläger betriebenen beamtenrechtlichen Abordnung und Versetzung sei das Disziplinarverfahren Teil der Mobbing-Kampagne gegen den Kläger, so dass ein objektives, faires und vor allem gesetzeskonformes Disziplinarverfahren nicht geführt worden sei.

7

Dem Kläger sei keine vollständige Akteneinsicht durch den Ermittlungsführer gewährt worden. Der am 09.06.2010 zur Akteneinsicht übersandte Disziplinarvorgang sei unvollständig gewesen. Es habe dort die gesamte Korrespondenz zwischen dem AL 4 des Beklagten, Dr. … und dem Bevollmächtigten des Klägers im Zeitraum vom 01.04.2010 bis etwa zum 18.05.2010 und insbesondere das Protokoll über die Besprechung am 15.04.2010 gefehlt. Aufgrund fehlender nachvollziehbarer Unterlagen sei nicht feststellbar, auf welcher Tatsachengrundlage das Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei. Es sei insbesondere nicht erkennbar, welche Informationen für die Einleitungsverfügung vom 26.05.2010 ursächlich gewesen seien. Aufgrund des Vermerkes des späteren Ermittlungsführers von etwa Mitte April 2010, wonach „die Gewissheit“ für Dienstvergehen, begründe sich die Befangenheit des Ermittlungsführers, so dass dieser als ungeeignet anzusehen sei und gar nicht zum Ermittlungsführer hätte bestellt werden dürfen. Zudem habe der Ermittlungsführer weitere Verfahrensfehler begangen. In den Zeugenladungen seien das Beweisthema nicht angegeben worden. Dem Kläger und seinem Bevollmächtigten seien die Teilnahme an der Zeugenvernehmung nicht gestattet worden. Das Anwesenheits- und Fragerecht nach § 24 Abs. 4 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) könne nicht gegen ein nachträgliches Anhörungsrecht nach § 30 DG LSA ausgehebelt werden. Beide Rechte hätten unterschiedliche Zielsetzungen. Dem Wunsch des Bevollmächtigten nicht zu entsprechen, die Zeugenvernehmungen an einem Tag wegen der Anreise aus A-Stadt vorzunehmen, sei eine bewusste Schikane. Die Zeugin D. und der Zeuge Z. seien zum sog. IKAM-Projekt befragt worden, obwohl dies nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens gewesen sei. Schließlich würden die Protokolle über die vom Ermittlungsführer vernommenen Zeugenaussagen nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 28 DG LSA genügen. Es fehle an den zwingend in § 168 a Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Angaben, so dass die stereotypische Angabe „Auf Frage“ nicht genüge.

8

Diese auf der Befangenheit des Ermittlungsführers beruhenden Verfahrensfehler führten zur Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung. Auch der Widerspruchsbescheid habe diese Verfahrensfehler nicht geheilt. Zudem habe der Staatssekretär im Kultusministerium als Widerspruchsbehörde seinen eigenen Ausgangsbescheid überprüft.

9

Die fehlerhaften Beweiserhebungen könnten auch nicht im Gerichtsverfahren geheilt werden. Denn das Recht auf Beweisteilhabe nach § 24 Abs. 4 DG LSA gehe inhaltlich weit über den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren hinaus. Die zwingend notwendig gewesene Teilnahme des Klägers an den Zeugenvernehmungen im behördlichen Verfahren könnten im Gerichtsverfahren nicht nachgeholt werden.

10

Hinsichtlich der vorgehaltenen Nutzung der Dienstkraftfahrzeuge zu privaten Zwecken sei festzustellen, dass dies in zahllosen Fällen auch bei anderen Mitgliedern der Universität genau so gewesen sei und der Dienstherr nur bei dem Kläger die Kostenerstattung und eine disziplinarrechtliche Ahndung vornehme. Die vorgeworfenen Fahrten ließen die seinerzeit bei dem Kläger bestandenen persönlichen und beruflichen Umstände außer Betracht. Der als Kanzler viel beschäftigte Kläger sei aus wirtschaftlichen und persönlichen Gründen gezwungen gewesen, in A-Stadt und C-Stadt neue Wohnungen zu finden. Insoweit habe er sich in seinen Mittagspausen zu einem Wohnungsbesichtigungstermin fahren lassen, um seine Dienstgeschäfte nicht unnötig lange unterbrechen zu müssen. Er sei auch auf das Angebot zurückgekommen, ein Schlafsofa von A-Stadt nach C-Stadt transportieren zu lassen. Die Nutzung des Dienstfahrzeuges zu einem Termin als ehrenamtlicher Richter des Landesozialgerichts A-Stadt-B. sei rechtmäßig gewesen. Denn der Kläger habe die Fahrt zugleich für ein Personalvorstellungsgespräch mit einer ehemaligen Kollegin der Filmhochschule Babelsberg genutzt. Die Filmhochschule liege nur wenige hundert Meter vom Gerichtsgebäude entfernt. Die Nutzung der Bahn sei nicht möglich gewesen, da am selben Abend ein Termin der Staatskanzlei stattgefunden habe.

11

Die Vorwürfe des Mobbing und der sexuellen Belästigung der Zeuginnen D. und E. beruhten auf Unterstellungen und den bereits gerügten formellen Fehlern. In der Disziplinarverfügung sei nicht hinreichend herausgearbeitet, welches konkrete Verhalten des Klägers zu der in § 3 Abs. 4 AGG definierten sexuellen Belästigung geführt hätten. Der Kläger bestreite mit Nachdruck jedwedes Mobbing und jedwede sexuelle Belästigung der Zeuginnen D. und E., welche nach immerhin eineinhalbjähriger Zusammenarbeit erfolgt sein sollten. Hingegen hätten dienstliche Spannungen ohne jedweden sexuellen Bezug vorgelegen.

12

Neben dem Zeitfaktor und der unbeanstandeten eineinhalbjährigen Zusammenarbeit und der plötzlichen Erhebung der Vorwürfe während der unfallbedingten Dienstunfähigkeit des Klägers, sei festzustellen, dass die Verhaltensweisen des Klägers bei Besprechungen und bei einer Fortbildungsveranstaltung in Gegenwart von Dritten vorgenommen seien. Diese Dritten seien jedoch nicht erwähnt oder vernommen worden.

13

Die Zeugin D. sei unglaubwürdig und wolle dem Kläger schaden. Dies werde auch dadurch ersichtlich, dass sie in der Zeugenvernehmung, obwohl nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens, zu dem sog. IKAM-Projekt ausgesagt habe.

14

Der Kläger beantragt,

15

die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2011 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Klage abzuweisen

18

und verteidigt als nach dem 19.04.2011 zuständige Behörde die Disziplinarverfügung und die darin vorgehaltenen Pflichtenverstöße.

19

Die vom Kläger bemängelten Verfahrensfehler seien nicht gegeben. Die Akteneinsicht sei vollständig gewährt worden. Die Korrespondenz mit dem AL 4, Dr...., sei kein Bestandteil der Disziplinarakte gewesen. Zudem habe der Kläger diese Korrespondenz selbst geführt. Eine Voreingenommenheit des Ermittlungsführers sei nicht ersichtlich. Der Vermerk des Ermittlungsführers über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sei der damaligen summarischen Prüfung geschuldet gewesen. Der Ermittlungsführer habe den Klägervertreter mit Schreiben vom 26.07.2010 die Protokolle über die Vernehmungen der Zeugen übersandt. Ein eventueller Verstoß gegen die Beweisteilhabe sei somit nach den Grundsätzen der Rechtsprechung jedenfalls geheilt. Denn der Kläger habe somit Gelegenheit gehabt, dazu Stellung zu nehmen und ergänzende Beweisanträge zu stellen, wovon er jedoch keinen Gebrauch gemacht habe. Nach § 24 Satz 2 DG LSA könne der Beamte von der Teilnahme an der Beweiserhebung ausgeschlossen werden, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Ermittlungen oder zum Schutz der Rechte Dritter erforderlich sei. Diese Gefahr habe vorliegend bestanden. Denn Gegenstand der Zeuginnenvernehmungen sei insbesondere das Verhalten des Klägers als Vorgesetzter ihnen gegenüber gewesen. Dies habe der Ermittlungsführer nachvollziehbar begründet und dem Klagevertreter mitgeteilt. Aus der tatsächlichen Vornahme der Zeugenvernehmungen an mehreren Tagen könne keine Schikane dem Kläger oder seinem Vertreter gegenüber gesehen werden. Von der Zeugenvernehmung P. sei der Kläger nicht ausgeschlossen worden. Richtig seien die Vorgänge zum sog. IKAM-Projekt nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens. Wenn jedoch einzelne Zeugen von sich aus darauf zu sprechen kämen um das Verhalten des Klägers in bestimmten Situationen zu illustrieren oder Persönlichkeitsaspekte zu verdeutlichen, sei dies als Teil der Zeugenaussage zu protokollieren. Schließlich sei die Protokollierung der Zeugenaussagen gem. § 28 DG LSA i. V. m. § 168 a StPO nicht zu beanstanden. Die Angabe in Protokollen „Auf Frage“ sei allgemein üblich und auch nicht zu beanstanden.

20

Der Kläger erwidert: Der Ausschluss des Klägers von der Zeugenvernehmung der Zeuginnen D. und E. mit der Begründung diese zu schützen, sei nicht nachvollziehbar. Denn diese hätten durchaus nach Alter und Persönlichkeit und ihrer beruflichen Stellung die Situation verkraften können. Sogar Opfern von Kapitalverbrechern werde zugemutet, in der gerichtlichen Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten auszusagen. Die Zeugin D. werde als „ausgesprochen belastbar und außerordentlich fähige Mitarbeiterin“ sowie als „selbstbewusste Kollegin“ beschrieben. Eine Zeugin mit einem derartigen Persönlichkeitsbild werde mit Sicherheit „nicht psychischen Auswirkungen“ bei einer Zeugenvernehmung in Anwesenheit des Klägers ausgesetzt sein.

21

Eine Heilung der fehlerhaften Beweisaufnahme durch Übersendung der Vernehmungsprotokolle sei so der Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Der rechtswidrige Ausschluss des Beamten von seinem Anwesenheits- und Fragerecht bei der Zeugenvernehmung im Verwaltungsverfahren sei nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.12.2005 (2 A 4/04) allenfalls heilbar im Klageverfahren durch Teilnahme des Beamten an der Beweisaufnahme des Gerichtes (so auch BVerwG, U. v. 27.01.2011, 2 A 5/09 ).

22

Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeuginnen D. und E. in der mündlichen Verhandlung über das dem Kläger vorgeworfenen Verhalten ihnen gegenüber und durch Vernehmung des Zeugen G. über die Umstände der Nutzung dienstlicher Personenkraftwagen Beweis erhoben. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie den der Verfahren 5 B 26/11, 5 A 56/11 und 1 L 31/12 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitbefangene Disziplinarverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

25

1.) Die Disziplinarverfügung ist nicht bereits aufgrund der vom Kläger gerügten Verfahrensfehler aufzuheben. Denn diese liegen nicht vor bzw. sind geheilt oder sind als reine Ordnungsvorschriften unerheblich. Es liegt kein Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens vor.

26

Ein schwerer Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens liegt vor, wenn gegen eine Verfahrensvorschrift verstoßen worden ist, deren Verletzung schwerwiegend und für den Ausgang des Verfahrens (noch) von Bedeutung ist. Ein schwerwiegender Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Rechte eines Verfahrensbeteiligten wesentlich beeinträchtigt worden sind oder wenn der Verfahrensverstoß den Zweck einer Formvorschrift wesentlich vereitelt; wenn eine vom Gesetzgeber als zwingend ausgestaltete Verfahrensvorschrift, d. h. nicht nur eine reine Ordnungsvorschrift, nicht beachtet wurde. Das Gericht darf eine solche zwingende Vorschrift nicht dadurch "leerlaufen" lassen, dass es ihre Nichtbeachtung als für das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens unerheblich einstuft. Vielmehr ist es Aufgabe des Gerichts, die Nachholung einer unterbliebenen Verfahrenshandlung, soweit es das Verfahrensrecht zulässt, herbeizuführen (vgl. BVerwG, Beschluss v. 31.01.2012, 2 WD 4.11; Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; Urteil v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Beschluss v. 18.11.2008, 2 B 63.08; alle juris).

27

Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (BVerwG, Urteil v. 24.06.2010, 2 C 15.09; juris).

28

a.) Soweit der Kläger rügt, dass in der Disziplinarakte nicht die gesamte Korrespondenz zwischen dem AL 4 und dem Bevollmächtigten des Klägers vorhanden sei, führt dies nicht zu einer Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht nach § 20 Abs. 4 DG LSA. Die Disziplinarakte ist nicht etwa unvollständig. Denn diese Korrespondenz wurde vom Kläger selbst geführt, so dass bereits nicht ersichtlich ist, weshalb Rechte des Klägers verletzt sein sollten. Soweit der Kläger anscheinend darauf anspielt, dass diese Korrespondenz, die auf Vermeidung eines Disziplinarverfahrens und einer gütlichen Beilegung gerichtet war, deswegen nicht in den Disziplinarvorgang aufgenommen worden sei, um sich von einer Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht abhalten zu lassen, ist dies nicht hinreichend nachvollziehbar. Damit ist jedenfalls kein Recht auf Akteneinsicht verletzt. Es geht in diesem Zusammenhang auch nicht darum, dass Geheimakten geführt oder die Einsicht darin verweigert wurde (vgl. zu einem ähnlichen Fall: BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris).

29

b.) Das behördliche Disziplinarverfahren ist formgerecht eingeleitet worden. Entscheidend und gerichtlich nachprüfbar hinsichtlich des behördlichen Disziplinarverfahrens ist nur, ob die Einleitung disziplinarrechtlicher Ermittlungen im Sinne des Disziplinargesetzes angezeigt war und vermerkt wurde. Dies ist durch die Verfügung vom 19.05.2010 und der Mitteilung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens an den Kläger unter dem 26.05.2010 rechtsfehlerfrei geschehen.

30

Zuständig für die Einleitung ist gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 DG der Dienstvorgesetzte des Beamten. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 DG LSA ist die Einleitung aktenkundig zu machen. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 DG LSA ist der Beamte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten. Da auch keine gesetzlichen Formerfordernisse für den Aktenvermerk bestehen, ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der zuständige Dienstvorgesetzte in der Disziplinarakte vermerkt, wenn er die Entscheidung über die Einleitung getroffen hat. Aus den Vermerken müssen sich die inhaltlich unmissverständliche Entscheidung und die Verantwortlichkeit des Dienstvorgesetzten hierfür ergeben. Dieser muss sich den Einleitungsvermerk jedenfalls zu Eigen gemacht haben (BVerwG, Beschluss v. 18.11.2008, 2 B 63.08; juris). Dies hat Staatssekretär … durch Abzeichnung mit Rotstift und ausweislich des Vermerkes des Ermittlungsführers … vom 21.05.2010 unzweifelhaft getan (Beiakte A, Bl. 65).

31

Die Vorschrift setzt am Legalitätsprinzip an (BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Danach muss der Verdacht eines Dienstvergehens hinreichend konkret sein und bloße Vermutungen sind nicht ausreichend. Dadurch soll die Sachaufklärung sichergestellt werden. Ermittlungen nach § 17 DG LSA dürfen nur eingeleitet werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Das schließt Ermittlungen aus, durch die erst festgestellt werden soll, ob solche Tatsachen vorliegen. Es genügen also nicht bloße Vermutungen, Gerüchte oder ähnliches (zweifelhaft: anonyme Anzeige). Hinreichende Tatsachen können sich ergeben aus Hinweisen von Verwaltungsangehörigen, Aktenvorgängen, aber auch aus schriftlichen oder mündlichen Mitteilungen von Verwaltungsfremden. Die dem Dienstvorgesetzten bekannt gewordenen Tatsachen müssen den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, d. h., dass eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegen würde, wenn sich die verdächtigten Tatsachen als wahr erweisen würden. Der Verdacht bezieht sich zunächst also nur auf das Vorliegen einschlägiger Tatsachen, über die Rechtsfrage, ob die verdächtigte Tat auch den Tatbestand eines Dienstvergehens erfüllt, muss Gewissheit bestehen (vgl. Thüringer OVG, Urteil v. 06.11.2008, 8 DO 584/07; juris; zusammenfassend: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 4. Auflage 2009, § 17, Rz. 5).

32

Richtig verweist der Kläger auf einen undatierten Vermerk des späteren Ermittlungsführers … (Bl. 18, Beiakte A). Daraus ist ersichtlich, dass ein Anfangsverdacht im Sinne des § 17 DG LSA vorgelegen hat. Auch wenn dort nicht explizit genannt ist, aus welchen „bislang vom MK übermittelten Unterlagen i. V. m. der Erörterung vom 25.03.2010“ sich der Verdacht eines Dienstvergehens ergibt, so ist in dem Vermerk doch hinreichend zum Ausdruck gebracht, was dem Kläger zur Last gelegt wird; nämlich die Nutzung des Dienstkraftfahrzeuges und die sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen. Aufgrund der aus den Akten und dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten ersichtlichen zeitlichen Geschehnisse im März 2010, ergeben sich die Tatsachen, die den Verdacht des Dienstvergehens rechtfertigten. Im Anschluss an das Mittagessen zwischen dem Kläger und seiner Mitarbeiterin, der Zeugin D., am 02.03.2010 betrieb der Kläger jedenfalls deren arbeitsplatzmäßige Umsetzung mit der Begründung ihrer Schlechtleistung. Darauf fand am 04.03.2010 ein als Moderation bezeichnetes Gespräch zwischen dem Kläger, der Zeugin D., Herrn …. und Frau … statt. Schließlich nahmen die Dezernenten die unter Teilnahme des Klägers und den Zeuginnen stattgefundene Dezernententagung am 11./12.03.2010 zum Anlass in einem gemeinsamen Brief an den Rektor die Zusammenarbeit mit dem Kläger zu problematisieren, ja aufzukündigen. Nachdem sich Rektor … in einer „Mail“ an den Kläger vom 12.03.2010 „entsetzt“ über die Vorkommnisse zeigte, eröffnete er dem Kläger während des Gesprächs am 15.03.2010 die mögliche Einleitung eines Disziplinarverfahrens aufgrund der Vorkommnisse. Schließlich fand am 18.03.2010 ein Gespräch mit der Konflikt- und Mobbingbeauftragten der Universität statt. Demnach zeigten sich „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ hinsichtlich des Verdachtes eines Dienstvergehens, die dem Kläger auch bekannt waren.

33

Die Voraussetzungen der Nichteinleitung eines Disziplinarverfahrens aufgrund Verjährung oder eines Maßnahmeverbotes (§§ 14, 15 DG LSA) lagen ebenso nicht vor (§ 17 Abs. 2 DG LSA).

34

c.) Weder aus § 168 a StPO noch aus sonstigen Verfahrensvorschriften ergibt sich, dass die „Frage“ im Protokoll aufzunehmen ist.

35

d.) Zutreffend ist der klägerische Vorwurf, dass der Ermittlungsführer in den ihm übermittelten Ladungen zu den Zeugenvernehmungen zwar die Namen der Zeugen aber nicht das Beweisthema angegeben hat. Nach § 24 Abs. 4 DG LSA ist dem Beamten Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie an der Einnahme des Augenscheins teilzunehmen und hierbei sachdienliche Fragen zu stellen (Rechte auf Beweisteilhabe). Der Beamte kann das ihm ausdrücklich eingeräumte Fragerecht aber nur dann sachdienlich wahrnehmen, wenn er sich auf die Vernehmung vorbereiten kann. Dies setzt voraus, dass er rechtzeitig erfährt, worum es in der Beweisaufnahme voraussichtlich geht. Hierfür müssen ihm rechtzeitig vor einer Zeugenvernehmung die Namen der Zeugen und die Beweisthemen genannt werden. Dies fordert auch der Anspruch des Beamten auf ein faires Disziplinarverfahren (BVerwG, U. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; B. v. 18.11.2008, 2 B 63.08; beide juris).

36

Es mag dahinstehen, ob dieser mögliche Verfahrensfehler tatsächlich besteht. Denn dem Kläger war durch die Einleitungsverfügung hinlänglich bekannt, welche Disziplinarvorwürfe ihm gemacht werden und welche Personen diesbezügliche zeugenschaftliche Aussagen machen können, sodass die Angabe des Beweisthemas überflüssig erscheinen mag.

37

Den Ausschluss des Beamten von der Anwesenheit während der Zeugenvernehmung aus wichtigen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Ermittlungen oder zum Schutz der Rechte Dritter, sieht § 24 Abs. 4 Satz 2 DG LSA ausdrücklich vor.

38

Die Ausschlussgründe sind aktenkundig zu machen (§ 24 Abs. 4 Satz 3 DG LSA). Dies ist mit Verweis auf die persönliche Betroffenheit der Zeuginnen D. und E. geschehen. Entscheidend ist, dass dem Bevollmächtigten des Klägers nicht die Teilnahme verweigert wurde und die Ermessensentscheidung des Ermittlungsführers über den Ausschluss des Klägers nachvollziehbar ist.

39

Abgesehen davon - und dies ist entscheidend - hatte der Ermittlungsführer den - etwaigen - Verstoß gegen das Recht auf Beweisteilhabe unter Angabe des Beweisthemas im behördlichen Disziplinarverfahren geheilt. Denn er hat dem Bevollmächtigten des Klägers die Vernehmungsniederschriften übersandt. Dadurch erhielt der Kläger die Gelegenheit zu den Aussagen der Zeuginnen Stellung zu nehmen und ergänzende Beweisanträge zu stellen. Dann hätte der Ermittlungsführer wohl möglich Zeugen erneut vernehmen müssen (vgl. BVerwG, U. v. 15.12.2005, 2 A 4.04 und B. v. 18.11.2008, 2 B 63.08; beide juris). Der Kläger hat diese Möglichkeit jedoch nicht wahrgenommen. Dementsprechend ist der Kläger – zu diesem Zeitpunkt – im Verfahren gerade nicht nur auf die letztendliche Schlussanhörung nach Abschluss der Ermittlungen (§ 30 DG LSA) angewiesen.

40

e.) Die Terminsverlegung der Beweisaufnahme ist im Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt selbst nicht geregelt. Über § 3 DG LSA gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz und die Verwaltungsgerichtsordnung bzw. die Strafprozessordnung. Nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Die Rechtsprechung sieht nur solche Gründe als erheblich an, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Wobei die Gründe glaubhaft zu machen sind. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nur dann vor, wenn einem Beteiligten trotz zumutbaren eigenen Bemühens die Möglichkeit zur Äußerung verweigert oder abgeschnitten wird. Deshalb begründet allein die Unmöglichkeit an einem Termin teilzunehmen, nicht einen Anspruch auf Aufhebung oder Verlegung. Vielmehr muss sich ein Prozessbevollmächtigter im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten bemühen, einen solchen Hinderungsgrund selbst in zumutbarere Weise zu beseitigen (vgl. statt vieler nur: Bay.VGH, Beschluss v. 15.01.2009, 7 ZB 06.3284; m. w. Nachw.; juris).

41

All dies ist hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Vernehmungen der Zeuginnen D. und E. nicht erkennbar. Der Klägerbevollmächtigte beantragte nur die Verlegung des Termins zur Vernehmung des Zeugen Prof. … wegen eines Termins am Verwaltungsgericht A-Stadt. Der Klägerbevollmächtigte führte aus, dass es sich „hart an der Grenze zur Schikane [bewegt], wenn Sie in Kenntnis des Wohnorts meines Mandanten und meines Kanzleisitzes in A-Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Vernehmung der drei geladenen Zeugen terminieren und damit entweder eine dreimalige Anreise oder zwei Übernachtungen in C-Stadt mit entsprechendem Zeit- und Kostenaufwand verursachen wollen.“ Ähnlich formulierte er unter dem 08.06.2010 die Anhörungen an einem Tag durchzuführen. Einen generellen, unbedingten und eindeutigen Verlegungsantrag kann dem nicht entnommen werden. Dem Verlegungsantrag zur Vernehmung des Zeugen … am 28.07.2010 vom 20.07.2010 (Fax) beantwortete der Ermittlungsführer mit Fax vom 26.07.2010 dahingehend: „Sofern Sie nach Vorstehenden [Protokollübersendung] daran festhalten wollen, der Zeugenanhörung … beizuwohnen, sehe ich Ihrem Hinweis entgegen, damit kurzfristig ein anderer Termin ins Auge gefasst werden kann.“ Der Klägerbevollmächtigt erwiderte mit Fax vom 28.07.2010:„[…] habe ich […] um die Verlegung des Termins […] gebeten, um daran teilnehmen zu können, anderenfalls hätte es bei dem Vernehmungstermin am 28.07.2010 verbleiben können. Ein neuer Termin in meiner Anwesenheit setzt allerdings voraus, dass das Anwesenheits- und Fragerecht meines Mandanten gewahrt wird [….]“. Professor … wurde dann am 28.07.2010 vernommen.

42

Der Verlegungsantrag zur Vernehmung des Zeugen … wurde demnach wohl nicht beschieden. Unterstellt, dies hätte „aus wichtigem Grund“ geschehen müssen, liegt gleichfalls keine Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Denn ähnlich wie in der Rechtsprechung zu gerichtlichen Verlegungsterminen vertreten, muss dies auch im behördlichen Verfahren gelten. Wird danach ein Antrag auf (gerichtliche) Terminsverlegung nicht beschieden, hat sich der Kläger rechtzeitig durch Rückfrage über die Entscheidung seines Antrages zu informieren. Solange ihm eine Terminsaufhebung nicht mitgeteilt worden ist, muss er davon ausgehen, dass die mündliche Verhandlung stattfindet (BFH, Beschluss v. 20.09.2010, V B 105/09; juris).

43

Letztendlich ist auch hier bedeutsam, dass das Protokoll übersandt wurde, was zur, vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen, nachträglichen Heilung führt.

44

f.) Schließlich und letztendlich hat das Disziplinargericht etwaige Fehler bei der behördlichen Beweisaufnahme durch die eigene gerichtliche Beweisaufnahme geheilt (vgl. zu dieser Möglichkeit ausführlich m. w. Nachw.: VG Magdeburg, Urteil v. 04.11.2009, 8 A 19/08;]; im Ergebnis wohl auch: OVG LSA, Urteil v. 02.12.2010, 10 L 1/10;, beide juris).

45

g.) Es ist nicht zu beanstanden, dass der Staatssekretär … im Ausgangs- und im Widerspruchsverfahren entschieden hat.

46

Die ausgesprochene Gehaltskürzung nach § 8 DG LSA kann aufgrund § 33 Abs. 3 Nr. 1 DG LSA die oberste Dienstbehörde bis zum Höchstmaß festsetzen. Dienstvorgesetzter des Hochschulkanzlers war bis zum Ressortwechsel im Mai 2011der Kultusminister, danach der Beklagte (§ 110 Abs. 2 HSG LSA in der bis zum 26.07.2010 geltenden Fassung; danach § 46 Abs. 10 HSG LSA). In dem Disziplinarbescheid vom 16.03.2011 handelte der Kultus-Staatssekretär. Daran ist nichts zu erinnern. Denn insoweit ist für die Ausübung der Disziplinarbefugnis entscheidend, dass das Disziplinargesetz in § 33 Abs. 3 Nr. 1 von der „obersten Dienstbehörde“ und nicht wie an anderen Stellen (z. B. §§ 33 Abs. 2; 34 Abs. 2 Satz 1, Alt. 2; 17 Abs. 1 DG LSA) von dem „Dienstvorgesetzten“ spricht. Wer innerhalb der Behörde im Einzelfall zuständig ist, ergibt sich aus dem Disziplinargesetz nicht, so dass auf allgemeine Rechtgrundsätze zurückzugreifen ist (VG Düsseldorf, Beschluss v. 08.03.2006, 38 K 3451/05.BDG; juris). Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses der Landesregierung über die Gemeinsame Geschäftsordnung der Ministerien – Allgemeiner Teil – (GGO LSA) v. 15.03.2005 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Geschäftsordnung der Landesregierung (GOLReg) und dem Beschluss der Landesregierung über die gegenseitige Vertretung der Minister ist der Staatssekretär der ständige Vertreter des Ministers. Entscheidend ist demnach, dass der Disziplinarbescheid von der Leitungsebene des Ministeriums erlassen wurde (vgl. OVG NRW, Beschluss v. 22.08.2007, 21d A 1624/06.BDG, wonach sogar Mitarbeiter des Personalreferats zeichnungsbefugt seien). Auch bei Unterzeichnung durch den Staatssekretär ergeht die Entscheidung durch den Minister (BVerwG, Beschluss v. 29.01.2008, 1 WB 4.07; Beschluss v. 15.08.1972, 1 DB 10.72; beide juris). Hier kommt hinzu, dass das Verfahren stets auf der Leitungsebene geführt wurde und die Ministerin ausweislich der von ihr mit Grünstift zahlreich vorgenommen Änderungen in die Entscheidung involviert war (Beiakte A).

47

Dass der Staatssekretär sodann auch über den Widerspruch entscheidet ist systemkonform. Denn nach § 42 Abs. 1 Satz 1 DG LSA entscheidet über das nach § 41 DG LSA grundsätzlich vorgesehene Vorverfahren die oberste Dienstbehörde, also der Staatssekretär auch über den Ausgangsbescheid. Dies ist gesetzeskonform und auch in anderen Fällen wie z. B. der gemeindlichen Selbstverwaltung systemimmanent.

48

h.) Das Studium der Unterlagen legt die Vermutung nahe, dass der Umgang mit den Verlegungsanträgen einem Missverständnis zugrunde lag. Wie aus den oben wiedergegebenen Textpassagen ersichtlich ist, ging der Ermittlungsführer – fehlerhaft – davon aus, dass der Bevollmächtigte sowieso wegen des Ausschlusses des Klägers nicht kommen wollte. Bei der Vernehmung … war der Kläger aber nicht ausgeschlossen und schließlich ist der Bevollmächtigte zu keiner Zeugenvernehmung erschienen.

49

Die diesbezügliche - fehlerhafte - Vorgehensweise des Ermittlungsführers leitet vielmehr zu der Frage über – und das meint der Kläger auch im Kern – ob kein faires Disziplinarverfahren geführt wurde bzw. der Ermittlungsführer befangen war.

50

a. a.) § 21 Abs. 1 DG LSA spricht davon, dass der Ermittlungsführer ein „geeigneter Bediensteter“ sein müsse.

51

Der Ermittlungsführer … steht im Rang eines Ministerialrates im Hause des Kultusministeriums Sachsen-Anhalt. Die generelle Ungeeignetheit des Ermittlungsführers ist nicht erkennbar. Soweit das OVG LSA in dem Urteil vom 02.12.2010 (10 L 1/10; juris) aufgrund der statusrechtlichen Gleichrangigkeit des Ermittlungsführers mit der damaligen beschuldigten Beamtin die Ungeeignetheit bzw. dann auch wieder nur „Zweifel“ an der Geeignetheit konstruiert, folgt dem das Disziplinargericht in dieser Bestimmtheit nicht. Üblicherweise sei es zur Vermeidung des Anscheins eines persönlichen (Konkurrenz-)Interesses – Voraussetzung für die Bestellung eines Ermittlungsführers, dass dieser ein höheres statusrechtliches Amt habe. Diese aus Gründen der Chancengleichheit bei Beförderungen resultierende Sichtweise, ist vorliegend offensichtlich nicht notwendig.

52

Die Vorwürfe des Klägers gegen den Ermittlungsführer resultieren aus seiner (rechtlichen) Bewertung der Tätigkeit des Ermittlungsführers, belegen aber gleichsam nicht, die unfairen Ermittlungen gegen den Kläger. Auch das Bundesverwaltungsgericht führt in dem Beschluss vom 18.11.2008 (2 B 63.08; juris) aus, dass der Ermittlungsführer in dem dortigen Fall nicht wegen Besorgnis der Befangenheit von seiner Tätigkeit entbunden werden musste. Denn der Verstoß des Ermittlungsführers gegen die Beweiserhebungsvorschriften – alternativ hier: Verlegungsvorschriften – konnte diese Besorgnis nicht begründen. Lagen dem damals auch andere rechtliche Normen zugrunde, wonach die Auffassung der Nichtmitteilung des Beweisthemas vertretbar gewesen sei, ist der Sachverhalt vergleichbar. Entscheidend für die Nichtannahme der Besorgnis der Befangenheit ist, dass die vom Ermittlungsführer gemachten „Fehler“ nicht als willkürlich begangen oder im Sinne einer Voreingenommenheit oder eines unfairen Verfahrens gegenüber dem Kläger anzusehen sind (vgl. ähnlich: BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Auch von einer „Schikane“ kann bei objektiver Betrachtung nicht ausgegangen werden.

53

Demnach durfte die unter dem 23.08.2010 vom Kläger gestellte und mit den oben genannten Verfahrensfehlern begründete „Dienstaufsichtsbeschwerde und die Ablehnungsgründe gegen den Ermittlungsführer“, wenn auch ohne weitere Begründung, zurückgewiesen werden (Bl. 251, Beiakte A).

54

b. b.) Das Gericht hat auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass das Disziplinarverfahren gegen den Kläger aus sachfremden Erwägungen, also als Mobbing gegen den Kläger geführt wurde. Zwar hatte die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts C-Stadt im Urteil vom 13.12.2011 (5 A 56/11) in dem beamtenrechtlichen Verfahren des Klägers ausgeführt, dass sich die Bemühungen des MK vorrangig auf die Herauslösung des Klägers aus der Universität konzentrierten, ohne dass ein Bemühen um eine Aufklärung und Beilegung des Konfliktes durch das MK zu erkennen gewesen wäre. Dies widerspreche den Grundsätzen eines fairen Verfahrens. Der Kläger habe an der Fortdauer der Spannungen nicht vorwerfbar mitgewirkt. Er habe sich vielmehr immer gesprächs- und aufklärungsbereit gezeigt. Die Universität habe ein Mediationsverfahren abgelehnt. In dem Beschluss zur Nichtzulassung der Berufung vom 24.04.2012 (1 L 31/12; juris) teilt das OVG LSA die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die „Verschuldensfrage“ durch die Universität nicht aufgeklärt worden sei. So mag es auch und sogar sein, dass sich der Kläger bei den Dezernenten wegen der Aufdeckung von „Fehlern“ unbeliebt gemacht hat.

55

Gleichwohl belegt dieses etwaige unfaire beamtenrechtliche Verfahren nicht gleichsam das unfaire Disziplinarverfahren. Denn – wie bereits oben ausgeführt – war die Einleitung des Disziplinarverfahrens geboten. Dass die zum Disziplinarverfahren geführten Vorkommnisse gleichsam willkommener Anlass für die beamtenrechtlichen Maßnahmen gegen den Kläger waren, berührt das Disziplinarverfahren nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass das Disziplinarverfahren als Vorwand für die beamtenrechtlichen Verfahren benutzt wurde oder wird. Denn dann wäre davon auszugehen, dass Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst erhoben worden wäre, wobei der Ausspruch der Höchstmaßnahme wegen der Vorwürfe nicht gänzlich von der Hand zu weisen wäre.

56

Mag der Vorhalt des Klägers sogar zutreffend sein, dass die Zeuginnen D. und E. zur Niederschrift ihrer Beobachtungen durch Dritte aufgefordert worden seien, ist dieses Vorgehen allein den Ermittlungen geschuldet und macht das Disziplinarverfahren nicht zu einem einseitig unfair geführten Verfahren. Der Kläger übersieht auch hier die oben dargestellten tatsächlichen hinreichenden Anhaltspunkte für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach § 17 DG LSA. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeuginnen etwa unter Druck gesetzt oder zu einem bestimmten Aussageverhalten aufgefordert wurden. Darüber hinaus ist nicht das Aussageverhalten der Zeuginnen im behördlichen, sondern im gerichtlichen Verfahren maßgeblich und die Würdigung obliegt dem Gericht (BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Aus diesem Grunde muss die Kammer den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten (Beweis-)Antrag zur Vernehmung der Herren … und … zu der Frage, ob Dritte das Verhalten der Zeuginnen initiiert bzw. gefordert hätten, nicht nachgehen.

57

2.) Die Disziplinarverfügung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Überzeugung des Disziplinargerichts steht fest, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Pflichtenverstöße und damit ein - innerdienstliches - Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) begangen hat. Dabei liegt der Schwerpunkt der Verfehlungen auf dem Vorwurf des Verstoßes gegen die allgemeine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG innerhalb des Dienstes aufgrund seines Verhaltens gegenüber den Zeuginnen D. und E. (a.). Der Vorwurf, Dienstfahrzeuge pflichtwidrig zu privaten Zwecken genutzt zu haben, ist wegen der Umstände des Einzelfalls und der daraus resultierenden Milderungsgründe nahezu unbedeutend (b.). Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Gehaltskürzung (§ 8 DG LSA) ist verhältnismäßig, den Pflichtenverstößen angemessen und auch nach § 59 Abs. 3 DG LSA zweckmäßig (c.).

58

a.) Hinsichtlich des Disziplinarvorwurfs der Übergriffe gegenüber den Zeuginnen D. und E. geht das Disziplinargericht von Folgendem aus:

59

a. a.) Sexuelle Belästigung ist kein Straftatbestand. In besonderen Fällen kann die einschlägige Handlung gleichzeitig als Beleidigung (mit sexuellem Hintergrund) gem. § 185 StGB strafbar sein. Ob sich der Belästigte subjektiv beleidigt fühlt oder nicht, ist dabei nicht entscheidend. Da § 185 StGB kein Auffangtatbestand ist, fallen sexualbezogene Handlungen nur dann unter diese Vorschrift, wenn besondere Umstände einen selbstständigen beleidigenden Charakter erkennen lassen.

60

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist eine Benachteiligung im Sinne des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG). In § 3 Abs. 4 AGG wird sie definiert als

61

„ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“.

62

Nach §§ 7 Abs. 3 und 24 Nr. 1 AGG gilt das Verbot der sexuellen Belästigung nach § 3 Abs. 4 AGG auch im öffentlichen Dienstrecht und wird damit eine Beamtenpflicht.

63

Es mag dahinstehen, ob das Verhalten des Klägers gegenüber den Zeuginnen den Tatbestand der sexuellen Belästigung nach § 3 Abs. 4 AGG erfüllt. Denn dem Disziplinargericht drängt sich aufgrund der nach § 13 DG LSA notwendigen Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Klägers der Eindruck auf, dass das von ihm im Umgang mit den unmittelbaren Mitarbeiterinnen gezeigte Verhalten, seiner Persönlichkeit entspricht ohne das er dadurch die weiblichen Bediensteten verletzend sexuell belästigen wollte bzw. ihm die diesbezügliche objektive Bewertung überhaupt bewusst war. Denn der Kläger führte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und überzeugend aus, dass für ihn in seinem unmittelbaren beruflichen Umfeld, eine Vertrautheit und damit eine gewisse menschliche Wärme unverzichtbar erschienen. Danach mögen gewisse Verhaltensweisen von ihm, wie der Wunsch mit „Lieber Herr A.“ angesprochen zu werden, die Mitarbeiterinnen zu duzen, über die Wochenend- und Freizeitaktivitäten „seiner“ engsten Mitarbeiterinnen informiert zu werden oder das überschwängliche in den Arm nehmen, seinem einseitigen Bedürfnis nach mehr Vertrautheit im dienstlichen Umgang geschuldet gewesen sein. So hieß es im behördlichen Verfahren auch, dass der Kläger durch Rückfragen bei den Damen stets um Anerkennung bemüht gewesen sei und diese sich in eine „Mutterrolle“ gedrängt fühlten.

64

b. b.) Auf die Subsumtion des Verhaltens des Klägers unter den Tatbestand der sexuellen Belästigung kommt es indes auch nicht an. Denn unabhängig davon, ist im Einzelfall jede ungebührliche, gegen die allgemeinen Regeln des Anstands und der guten Sitten im gesellschaftlichen, menschlichen Umgang untereinander verstoßende Handlung im Dienstbetrieb geeignet, einen Verstoß gegen die allgemeine innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG darzustellen (so auch: BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Eine disziplinarrechtlich relevante, die Achtung und Wahrung des Berufsbeamtentums schädigende Handlung liegt insbesondere dann vor, wenn die Übergriffe durch einen Vorgesetzten gegenüber ihm dienstlich unterstellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen begangen wird.

65

Die vom Disziplinargericht in der mündlichen Verhandlung durch die Vernehmung der Zeuginnen D. und E. durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger gegenüber den Zeuginnen gegen seine allgemeine innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verstoßen hat.

66

Zur Überzeugung des Gerichts haben die Zeuginnen wahrheitsgemäß ausgesagt. Die Zeuginnen sind glaubwürdig und ihre Aussagen sind glaubhaft. Die den Zeuginnen vom Kläger unterstellte Tendenz zur Mehrbelastung sieht das Gericht nicht. Für die Kammer ist nicht erkennbar, dass die Zeuginnen den Kläger durch eine bewusste Falschaussage belasten oder schädigen wollten. Zudem ist keine Motivation der Zeuginnen für eine derartige Belastungstendenz ersichtlich. Die Zeuginnen neigten bei ihren Schilderungen nicht zu verbalen Übertreibungen, besonderen sprachlichen Ausschmückungen oder Verschärfungen hinsichtlich der Art, Intensität oder Dauer der vorgeworfenen Handlungen. Vielmehr sind die Aussagen detailreich, lassen deutlich den Bezug zu einem eigenen Erleben erkennen und decken sich mit ihren bereits im behördlichen Verfahren gemachten Angaben. Zudem sind die Aussagen der Zeuginnen im Kernbereich übereinstimmend, ohne dass Gründe für eine Absprache ersichtlich sind.

67

Die Zeugin D. gab an, dass der Kläger anlässlich eines Essens zum Ausdruck brachte, dass er über die dienstliche Zusammenarbeit hinaus von ihr mehr Nähe erwartet. Der Kläger suchte beispielsweise in Dienstberatungen insistierenden Blickkontakt und schaute auf ihre Beine. Schließlich ist es auch zu körperlichen Berührungen gekommen. Der Kläger strich ihr über die Haare bzw. wuschelte diese mit der Bemerkung, „bitte noch einmal angucken.“ Am Schreibtisch sitzend strich der Kläger ihr zwei bis dreimal über den Rücken, wobei sie durch ihre Haltung (Hohlkreuz) versuchte auszuweichen. Ein anderes Mal trat der Kläger von hinten so nahe an die Zeugin heran, dass sich ihre Wangen berührten. Auch das völlig unpassende mehrfache Zuwerfen von sog. Kussmunden empfand die Zeugin als unangenehm.

68

Die sich durch musternde Blicke und dem Zuwerfen von Kussmunden ausdrückende Zuneigung des Klägers gegenüber Frau D. wurde von der Zeugin E. bestätigt. Darüber hinaus sagte die Zeugin E. aus, dass der Kläger auch ihr gegenüber körperliche Annäherungen vornahm. Es ist oft vorgekommen – auf Nachfrage durch das Gericht – fast alltäglich, dass der Kläger der Zeugin E. über den Rücken strich. Mit der Zeit nahm die Intensität dieser Berührungen zu. Bei einem Diktat hat die Zeugin den Mund bzw. den Atem des Klägers stark in der Nähe ihres Kopfes gespürt.

69

Für die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeuginnen spricht auch, dass sie nicht generell alle körperlichen Kontakte ablehnten, sondern diese bei bestimmten Anlässen, wie Geburtstagen durchaus vorkamen und als angemessen angesehen wurden. Auch wurde der Kontakt mit dem Kläger von den Zeuginnen nicht generell als unangenehm bezeichnet. Eher waren ab dem letzten Quartal des Jahres 2009 Steigerungen in der Suche nach den zudringlichen Körperkontakten zu verzeichnen.

70

Ein Beamter, der innerhalb des Dienstes Mitarbeiterinnen (körperlich) belästigt, beeinträchtigt erheblich sein Ansehen und das der Beamtenschaft, stört den Dienstfrieden und verletzt in schwerwiegender Weise die Würde und Ehre der Betroffenen. Vor allem weibliche Bedienstete müssen im Dienst vor jedweden Belästigungen seitens ihrer Vorgesetzten und Kollegen sicher sein (BVerwG, B. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; juris).

71

b.) Hinsichtlich des zur Last gelegten Pflichtenverstoßes der unzulässigen Nutzung der Dienstkraftfahrzeuge der Universität zu privaten Zwecken ist soviel festzustellen, dass dieser Tatbestand vorliegt und vom Kläger wohl auch eingeräumt wird. Das Problem dabei ist vielmehr, wieweit dem Kläger hier ein Verschulden vorzuwerfen ist. Denn er verteidigt sich damit, dass es in der …-Universität üblich sei, dass auch andere Bedienstete die Dienstkraftfahrzeuge zu privaten Zwecken genutzt hätten und nur er im Rahmen der gegen ihn geführten Mobbing-Kampagne disziplinarrechtlich herangezogen werde.

72

Nach der gerichtlichen Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen G. und der Auswertung der vom Gericht angeforderten Stellungnahme der Universität sowie unter Zugrundelegung der bezeichneten rechtlichen Gegebenheiten, ist das Disziplinargericht davon überzeugt, dass die Bereitstellung der Dienstfahrzeuge durch die Universität nicht an den zugrunde gelegten Vorschriften orientiert war.

73

Nach Nr. 7.1 der Richtlinien über die Haltung und Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen (Kraftfahrzeugrichtlinien – KfzR; - RdErl. des MF v. 08.11.2002 – 22.02500-1) und den Regelungen der Universität dürfen Dienstkraftfahrzeug grundsätzlich nur für dienstliche Zwecke, namentlich für Einsatzfahrten, Arbeitseinsätzen sowie Dienstreisen und Dienstgängen im Sinne von § 2 des Bundesreisekostengesetzes benutzt werden. Die hier einschlägige Regelung der Universität vom 06.09.2000 besagt nichts zu einer Genehmigung, sondern enthält nur den grundsätzlichen Hinweis auf die Benutzung für dienstliche Zwecke. Die Fuhrparkordnung der Universität vom 03.06.2005 regelt unter Nr. 5.2, dass Fahrzeuganforderungen entsprechend Vordruck nach entsprechender Genehmigung als Fahrauftrag gelten. Nach Nr. 7.2 der Richtlinie ist die Zustimmung des Dienststellenleiters bzw. nach Nr. 1.1 der Regelungen der Universität vom 28.01.2010 ab dem 01.02.2010 {hier also nicht einschlägig} des „Genehmigenden“ erforderlich. Nach Nr. 3.1 der Richtlinie der Universität ab 01.02.2010 bedarf die Benutzung eines Dienstfahrzeuges eins schriftlichen Fahrantrages. Die Genehmigung von Fahranträgen obliegt dem Leiter der Fahrbereitschaft, der den Einsatz der Dienstkraftfahrzeuge koordiniert.

74

Den in den Akten befindlichen und im Übrigen von Frau E. unterschriebenen Fahraufträgen zu den vorgeworfenen Terminen ist allesamt zu entnehmen, dass diese bei „gehöriger Prüfung“ den privaten Charakter der Fahrt ohne Probleme erkennen lassen (13.03.2009; Termin zur Wohnungsbesichtigung; 08.05.2009; Abholung und Transport in A-Stadt; 27.10.2009; Transport …straße; 02./03.12.2009; Termin beim Landessozialgericht A-Stadt-B.). Somit hat der Kläger nicht etwa eine Dienstfahrt vorgegeben, sondern wahrheitsgemäß den - privaten - Zweck der Fahrt angegeben. Diese hätten dann unter Zugrundelegung der rechtlichen Gegebenheiten nicht „genehmigt“ werden dürften. Denn wenn - wie hier - der Dienstherr ein „Genehmigungs-, Prüf- oder Überwachungsverfahren“ unter Verwendung „amtlicher“ AntragsVordrucke vorschreibt oder auch nur vorhält, muss er sich selbst auch an diese Gepflogenheiten halten und die ordnungsgemäße Prüfung des Antrages vornehmen. Daran hat es die Universität fehlen lassen. Der Zeuge G. führte aus, dass er als Leiter der Fahrbereitschaft stets aufgrund eines bloßen unterschriebenen Fahrantrages ein Fahrzeug zur Verfügung stellte. Seine „Genehmigungsprüfung“ beschränkte sich demnach lediglich auf das Vorhandensein eines Fahrzeuges. Demnach hat das Gericht keine Zweifel daran, dass der Vorhalt des Klägers zutreffend ist, dass auch andere Bedienstete der Universität vergleichsweise privat veranlasste Fahrten unternahmen. Soweit die Universität in diesem Zusammenhang dem Gericht gegenüber ausführt, dass derartige Fahrten nicht bekannt seien, ist dies wenig nachvollziehbar.

75

Trifft die Universität somit ein erhebliches Mitverschulden, ist der Kläger gleichwohl nicht vom Verstoß gegen seine beamtenrechtliche Pflicht zur Uneigennützigkeit (§ 34 Satz 2 BeamtStG) unter der Befolgung der einschlägigen Vorschriften vollständig freizusprechen. Denn insoweit ist zutreffend, dass der Kläger als Volljurist und Kanzler der Universität und somit als Verwaltungschef und Beauftragter für den universitären Haushalt um die Problematik der Fahrten wusste. Zudem hat er selbst an der Neuregelung im Jahre 2010 mitgewirkt. Auch wird ihm bewusst gewesen sein, dass der von ihm als Kanzler über Frau E. in Auftrag gegebene Fahrauftrag durch Herrn G. oder einer sonstigen - ihm dienstlich unterstellten - Person nicht abgelehnt werden wird.

76

c.) Bei der disziplinarrechtlichen Bewertung der Pflichtenverstöße geht das Gericht davon aus, dass der Schwerpunkt des (einheitlichen) Dienstvergehens auf dem Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht im Dienst beruht.

77

Bei körperlicher Belästigung am Arbeitsplatz ist eine Regeleinstufung nicht angezeigt. Die Variationsbreite derartiger Zudringlichkeiten im Dienst ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf Achtung und Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden könnten. Stets sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend. In schweren Fällen innerdienstlicher (sexueller) Belästigung weiblicher oder männlicher Mitarbeiter, insbesondere wenn der Beamte unter Ausnutzung seiner Vorgesetzteneigenschaft versagt und dadurch nicht nur seine Integrität in der Dienststelle weitgehend eingebüßt, sondern auch sein Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn schwer erschüttert ist, kann sich grundsätzlich die Frage seiner weiteren Tragbarkeit im öffentlichen Dienst stellen, während in minderschweren Fällen eine mildere Disziplinarmaßnahme verhängt werden kann (BVerwG, U. v. 29.07.2010, 2 A 4.09; Bayr. VGH, U. v. 13.07.2011, 16 a D 10.565; beide juris). Erhebliches Gewicht kommt derartigen Verfehlungen durch die Häufigkeit, Anzahl der betroffenen Kolleginnen und deren Dauer zu. Zudem wird der Betriebsfrieden massiv gestört.

78

Unter Zugrundelegung dessen, spricht gegen den Kläger, dass er als Vorgesetzter gegenüber den Zeuginnen die körperlichen und verbalen Übergriffe über einen längeren Zeitraum unternahm. Gleichwohl muss die eingangs vom Gericht erwähnte Persönlichkeitsstruktur des Klägers berücksichtigt werden, die die Handlungen in einem milderen Licht erscheinen lassen bzw. als weniger sexuell motiviert erklären, wobei das Gericht keinen Zweifel daran lässt, dass der Kläger schuldhaft handelte. Der Kläger hat permanent und über einen längeren Zeitraum die körperliche Integrität seiner beiden engsten Mitarbeiterinnen, der Zeuginnen D. und E., missachtet und sie damit am Arbeitsplatz gegen ihren erkennbaren Willen belästigt. Damit hat er die Grenzen des moralischen und sittlichen Anstandes am Arbeitsplatz überschritten. Schließlich hat er die Zurückweisung „nach mehr Nähe“ durch die Zeugin D. anlässlich des Gespräches beim Italiener auch dazu genutzt, ihre dienstliche Versetzung aus plötzlichen Gründen der Schlechtleistung zu betreiben.

79

Aufgrund der bei dem Pflichtenverstoß hinsichtlich der privaten Benutzung der Dienstfahrzeuge bestehende Entlastungsmöglichkeit, hält das Gericht die vom Beklagten aufgrund seiner Disziplinarbefugnis ausgesprochene Disziplinarmaßnahme insgesamt für verhältnismäßig, weil der Tat angemessen und als erzieherischen Maßnahme auch erforderlich und schließlich zweckmäßig (§ 59 Abs. 3 DG LSA).

80

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tatbestand

1

Der Kläger ist Oberbürgermeister der beklagten Stadt A-Stadt und wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung in Form der Kürzung der Dienstbezüge um ein Fünftel für die Dauer von zwölf Monaten aus seiner Zeit als Beigeordneter (Besoldungsgruppe B 4 BBesO) der Stadt A-Stadt. Dieses Amt bekleidete er seit dem 01.05.2008 bis zu seinem Amtsantritt als Oberbürgermeister am 01.12.2012.

2

Mit der streitbefangenen Disziplinarverfügung vom 13.01.2012 werden dem Kläger 14 Pflichtverletzungen vorgeworfen, welche im Kern darauf zielen, dass der Kläger gegen dienstliche Anordnungen der Oberbürgermeisterin verstoßen habe und damit seiner Pflicht zur Weisungsgebundenheit und zu rechtstreuem Verhalten nicht nachgekommen sei. Insbesondere handele es sich dabei um Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Frau ... und der Nichtbeschäftigung von Frau R… als „persönliche Referentin“ des Klägers. Im Einzelnen heißt es dazu in der Disziplinarverfügung:

3

(Punkt 1:) Er habe Frau E… als „persönliche Referentin“ vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages am 10.08.2009 tatsächlich beschäftigt, obwohl der Arbeitsvertrag erst am 12.08.2009 unterzeichnet worden sei. Die damalige „persönliche Referentin“ des Klägers als Beigeordneter, Frau ., habe im Juli 2009 den Mutterschutz angetreten und sei bis 30.08.2010 in Elternzeit verblieben. Frau ... habe gegen die Beklagte arbeitsgerichtliche Verfahren zur Feststellung eingeleitet, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der im Vertrag vereinbarten Befristung zum Ende der Elternzeit von Frau . geendet habe. Zur Begründung habe sie dort unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ausgeführt, dass sie bereits am 10.08.2009 auf Weisung des Klägers ihre Tätigkeit aufgenommen habe. Zwar seien die arbeitsgerichtlichen Klagen der Frau ... abgewiesen worden. Dies könne den Kläger nicht entlasten, so dass er gegen seine Pflicht aus § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) zu rechtstreuem Verhalten verstoßen habe.

4

In diesem Zusammenhang wird unter Punkt 6. der Disziplinarverfügung weiter ausgeführt:

5

Der Kläger habe dadurch gegen § 34 Satz 2 und 3 BeamtStG und § 47 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG verstoßen, dass er im Zuge der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Frau... und der Stadt A-Stadt, diese in die mündliche Verhandlung beim Arbeitsgericht begleitet und deren Klage gegen die Stadt A-Stadt unterstützt habe. Ausweislich des Sitzungsprotokolls des Arbeitsgerichts vom 17.08.2010 sei er als von Frau ... sistierter Zeuge anwesend gewesen ohne eine Aussagegenehmigung zu haben. Die …Zeitung habe davon mit Foto berichtet. Insoweit sei der Kläger einerseits als Beigeordneter der Stadt A-Stadt nach außen aufgetreten, habe andererseits jedoch Frau ... offensichtlich seine persönliche Unterstützung für das gegen den Dienstherrn gerichtete Klagebegehren gezeigt. Damit sei das Verhalten im besonderen Maße geeignet gewesen, das Vertrauen in die Verwaltung zu beeinträchtigen.

6

Punkt 9 der Verfügung beinhaltet:

7

Der Kläger habe gegen § 36 Abs. 2 sowie 34 BeamtStG verstoßen, indem er sich mit einem Schreiben vom 22.08.2010 an den Stadtratsvorsitzenden gewandt und verlangt habe, dass Frau ... als seine „persönliche Referentin“ beschäftigt werde und er mit Frau . nicht mehr zusammenarbeiten wolle. Hintergrund sei gewesen, dass am 17.08.2010 das Arbeitsgericht A-Stadt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Weiterbeschäftigung von Frau ... abgelehnt habe. Mit diesem Verhalten habe der Kläger seine Loyalitätspflichten gegenüber der Oberbürgermeisterin verletzt. Zudem sei dies als eine „Flucht in die Öffentlichkeit“ zu bewerten. Der Kläger könne sich nicht auf das allgemeine Petitionsrecht berufen. Beschwerden diesbezüglich hätte er der Oberbürgermeisterin vortragen müssen. Er hätte remonstrieren können.

8

Schließlich heißt es unter Punkt 11:

9

Der Kläger habe gegen seine Pflicht zur Weisungsgebundenheit und gegen seine Pflicht, Aussagen vollständig zu tätigen (§§ 34 und 35 Satz 2 BeamtStG), verstoßen, indem er die schriftlichen Anfragen der Oberbürgermeisterin vom 11.11.2010 und 16.11.2010 inhaltlich nicht beantwortet habe. Hintergrund waren die Beweisanträge der Frau ... im arbeitsgerichtlichen Verfahren, wonach bereits vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages tatsächlich ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Dazu sollte sich der Kläger gegenüber der Oberbürgermeisterin erklären. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erwiderte unter dem 12.11.2010, dass der Kläger hierzu keine dienstliche Äußerung abgeben werde. Die Aufforderung sei „skurril“ und im Übrigen sei die Zeit zur Beantwortung zu knapp.

10

Bezüglich der Nichtbeschäftigung von Frau . führt die Disziplinarverfügung aus:

11

(Punkt 2:) Der Kläger habe gegen die dienstliche Weisung der Oberbürgermeisterin vom 01.09.2010 verstoßen, Frau . als seine Referentin zu beschäftigen, ihr entsprechende Aufgaben zu übertragen, das ursprüngliche Arbeitszimmer wieder zuzuweisen sowie sie in die Arbeitsabläufe des Dezernates einzubinden. Auf dem Weisungsschreiben habe der Kläger handschriftlich vermerkt: „Den Weisungen komme ich nicht nach.“ Weiter habe er Frau . in der Zeit vom 01.09. bis 14.12.2010 keinerlei Arbeitsaufgaben übertragen. Damit habe der Beamte seine Fürsorgepflicht gegenüber Frau . verletzt und „Mobbing“ betrieben. Die Nichtbeschäftigung ergebe sich aus den Aufzeichnungen von Frau . in ihrem „Mobbing-Tagebuch“. Danach habe Frau . den Kläger wiederholt darum gebeten und ihn aufgefordert, sie mit Arbeitsaufträgen zu beschäftigen. Dies habe der Kläger abgelehnt. Insgesamt 17 Beispiele dieser Art seien im Tagebuch vermerkt. Zudem habe der Kläger es abgelehnt, Aufgaben als Dienstvorgesetzter ihr gegenüber wahrzunehmen, wie die Abzeichnung und Bearbeitung von Urlaubsanträgen. So habe der Kläger vermerkt: „Nicht zuständig, weiter an Dezernat I“.

12

Das Verhalten des Klägers Frau . gegenüber stelle eine schwere Verletzung seiner Fürsorgepflicht dar und könne nicht damit begründet werden, dass der Kläger kein Vertrauen mehr ihr gegenüber habe.

13

Die weiteren Pflichtenverstöße, die dem angespannten dienstlichen und persönlichen Verhältnis zwischen dem Kläger und der früheren Oberbürgermeisterin geschuldet gewesen waren, hat das Gericht mit Beschluss vom 28.10.2013 nach § 53 Satz 1 i. V. m. § 59 Abs. 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ausgeklammert.

14

Zur Begründung der Disziplinarmaßnahme führt der Bescheid aus: Die beiden schwersten Pflichtverletzungen seien der Versuch des Klägers, Frau ... eine Stelle zu verschaffen sowie damit korrespondierend die Weigerung der Weiterbeschäftigung von Frau .. Die weiteren festgestellten Pflichtenverstöße seien der Sache nach überwiegend Begleitumstände dieser Pflichtverletzungen und daher weniger schwer zu gewichten als der Kernvorwurf. Hätte die Klage von Frau ... Erfolg gehabt, müsste die Stadt A-Stadt monatlich Bruttobeträge in Höhe von 3.000,00 Euro zahlen. Eine freie Stelle sei im Stellenplan nicht ausgewiesen gewesen. Damit seien zudem grundlegende haushaltsrechtliche Vorschriften nicht beachtet worden. All dies sei dem Kläger als Kommentator der Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt (GO LSA) bekannt gewesen.

15

Milderungsgründe seien nicht erkennbar. Bei den Pflichtenverstößen habe es sich insbesondere nicht um eine persönlichkeitsfremde, einmalige Augenblickstat gehandelt. Der Kläger habe vielmehr hartnäckig, beharrlich und planvoll gehandelt. Einsicht oder Reue habe er nicht gezeigt. Kompromissbereitschaft sei nicht erkennbar gewesen. Gesprächsangebote habe der Kläger abgelehnt.

16

Dieses vom Beamten gezeigte Verhalten beeinträchtige nachhaltig das Vertrauen des Dienstherrn in die ordnungsgemäße Amtsführung und Pflichterfüllung des leitenden Beamten. Der Dienstherr müsse sich darauf verlassen, dass der leitende Beamte auch seinen Fürsorgepflichten gegenüber ihm unterstellten Mitarbeitern nachkomme. Der Kläger habe als Beigeordneter Vorbildfunktion. Ein rechtstreues Verhalten müsse von ihm erwartet werden.

17

Zugunsten des Beklagten werde berücksichtigt, dass er es als früherer Hochschullehrer nicht gewohnt gewesen sei, in einer hierarchisch gegliederten Behörde tätig zu sein und sich dementsprechend unterzuordnen und mit anderen zusammen zu arbeiten, wie es in der Verwaltung zwingend erforderlich sei.

18

Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens hinsichtlich der Vorkommnisse um Frau ... sowie Frau . sei das Vertrauen in die Amtsführung des Beklagten erschüttert, so dass gemäß § 8 DG LSA die Kürzung der Dienstbezüge auszusprechen sei. Hiermit solle dem Beamten die Chance gegeben werden, sich zu bewähren und zukünftig seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.

19

Den dagegen eingelegten Widerspruch des Beamten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2012 mit einzelnen Ausführungen zu den disziplinarrechtlichen Vorwürfen als unbegründet zurück.

20

Mit der dagegen fristgerecht erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen die Disziplinarverfügung und weist darauf hin, dass sich die Disziplinarverfügung und die disziplinarrechtlichen Vorwürfe, welche sämtlichst aus seiner Tätigkeit als Beigeordneter stammten, aufgrund seines Amtsantritts als Oberbürgermeister erledigt hätten. Die disziplinarrechtlichen Vorwürfe seien alle auf den schwierigen Umgang mit der damaligen Oberbürgermeisterin zurückzuführen gewesen.

21

In der Sache selbst wird vorgetragen, dass die Disziplinarverfügung bereits formell rechtswidrig sei. Die damals amtierende Oberbürgermeisterin sei dem Kläger gegenüber voreingenommen gewesen. Dies ergebe sich aus zahlreichen Vorkommnissen. So habe sie behauptet, bei dem Kläger bestünden „psychische Blockaden“ und er solle „professionelle Hilfe“ in Anspruch nehmen. Insgesamt sei festzustellen, dass die Oberbürgermeisterin ein massives Mobbing gegenüber dem Kläger betrieben habe.

22

Dementsprechend sei bereits im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren die Besorgnis der Befangenheit gegenüber der Oberbürgermeisterin und ihrem Vertreter, dem Beigeordneten G ... sowie dem Ermittlungsführer B ... erklärt worden. Über den Befangenheitsantrag gegenüber der Oberbürgermeisterin sei nie entschieden worden, so dass ihr ständiger Vertreter, der Beigeordnete G ..., nicht hätte tätig werden dürfen. Denn er sei nicht der damalige Dienstvorgesetzte des Klägers gewesen. Darüber hinaus sei Herr G ... selbst befangen gewesen. So habe Herr G ... das „Ergebnis der Ermittlungen“ in dem Disziplinarverfahren erst dreieinhalb Monate später dem Kläger übermittelt.

23

Die dem Ermittlungsführer gegenüber vorgetragenen Befangenheitsgründe würden auch in der Person des Herrn G ... bestehen. Der Ermittlungsführer übernehme unreflektiert die persönlichen Auffassungen und Aufzeichnungen der Oberbürgermeisterin sowie solche aus dem angeblichen „Mobbing-Tagebuch“ der Frau .. Die Fristverlängerung zur Begründung des Widerspruchs sei eben sowenig wie eine begehrte Akteneinsicht gewährt worden.

24

Im Übrigen sei die Klage auch materiell-rechtlich begründet. Aufgrund der besonderen Vertrauensstellung einer persönlichen Referentin habe der Kläger rechtmäßig die Zusammenarbeit mit Frau . verweigern dürfen. Denn das Vertrauensverhältnis habe nicht mehr bestanden. So sei sie etwa am 01.09.2010 gegen 16.00 Uhr in seinem Zimmer mit barschem Ton und provokant erschienen und habe mehrfach Gespräche des Klägers unterbrochen. Es entspräche jahrelanger Verwaltungspraxis der Stadt A-Stadt, dass ein Beigeordneter seinen persönlichen Referenten selbst bestimmen könne.

25

Dem Kläger könne nicht verwehrt werden, während seines Urlaubs Gerichtsgebäude zu betreten, auf einer Bank neben Frau ... zu sitzen und abgelichtet zu werden. Ein Verstoß gegen Loyalitätspflichten oder eine Vertrauensbeeinträchtigung sei darin nicht ersichtlich.

26

Er habe in sachlicher Form den Vorsitzenden des Stadtrates gebeten, sich einem Missstand in der Verwaltung anzunehmen. Der Kläger habe auch auf Schreiben der Oberbürgermeisterin zum Arbeitsverhältnis hinsichtlich Frau ... geantwortet und mitgeteilt, weshalb er mit Frau . nicht mehr zusammenarbeiten könne.

27

Der Kläger beantragt,

28

die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 13.01.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2012 aufzuheben

29

und

30

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

31

Die Beklagte hat sich am Verfahren nicht beteiligt und keinen Antrag gestellt.

32

Das Gericht hat in verfahrensleitenden Verfügungen auf die Beteiligten- und Prozessfähigkeit der Beklagten hingewiesen. Auch die Bemühungen des Gerichtes um Einschaltung des Landesverwaltungsamtes als obere Kommunalaufsicht mit dem Hinweis, das Verfahren an sich zu ziehen, waren erfolglos.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen disziplinarrechtlichen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Auch die Akten der arbeitsgerichtlichen Verfahren 1 Ga 27/10 und 1 Ca 2077/10 des Arbeitsgerichts A-Stadt lagen vor. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

34

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitbefangene Disziplinarverfügung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 3 DG LSA; 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Disziplinarverfügung erweist sich auch als zweckmäßig (§ 59 Abs. 3 VwGO).

35

I.) Der Disziplinarverfügung steht die im gerichtlichen Verfahren erfolgte Wahl und Berufung des Klägers in das Amt des Oberbürgermeisters der Beklagten nicht entgegen. Unabhängig davon, dass der Kläger einen entsprechenden prozessualen Erledigungsantrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt hat, trifft die von ihm vertretene Auffassung, dass sich die Disziplinarverfügung durch den Ämterwechsel „erledigt“ habe oder sonst wie keine rechtliche Wirkung mehr entfalte, nicht zu. Auch eine Verfahrenseinstellung bewirkt der Ämterwechsel nicht.

36

1.) Die Erledigung eines Verwaltungsaktes i. S. d. § 43 Abs. 2 VwVfG wird im Allgemeinen angenommen, wenn der in Rede stehende Bescheid aufgrund des Verlustes der Regelungswirkung gegenstandslos wird, sich sein Regelungsinhalt nicht mehr vollziehen lässt oder aber die Vollziehung keinen Sinn mehr macht (vgl. zum Überblick: Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 43 Rz. 204 ff.). Die Regelungswirkung eines Verwaltungsaktes kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Entscheidend ist auf den Sinn der Regelung abzustellen. Bei einer Änderung der Sachlage, wie sie hier mit der Änderung des Amtes des Beamten vorliegt, kommt es darauf an, ob der Verwaltungsakt den Anspruch erhebt, weiterhin seine Regelungswirkungen zu entfalten (vgl. Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 Rz. 249 m. w. N.). Diesen allgemeinen Grundsätzen entsprechend, wird von einer Erledigung des Verwaltungsaktes ausgegangen, wenn dessen Regelungen vollständig erreicht sind und eine Zweckerreichung angenommen werden kann. Im Umkehrschluss gilt dies auch dann, wenn der Zweck des Verwaltungsaktes endgültig und in vollem Umfang entfällt (vgl. zu dieser Fallgruppe: Gerhardt in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, August 2012, § 113 Rz. 87 ff. m. w. Nachw.; insgesamt: Sächsisches OVG, B. v. 20.02.2013, 2 A 808/10; juris).

37

Insoweit sind jedoch auch die besonderen disziplinarrechtlichen Bestimmungen und Bedürfnisse zu beachten. Während in den Disziplinargesetzen des Bundes und der Länder Regelungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens oder auch einer Disziplinarklage etwa aufgrund des Verlustes der Beamteneigenschaft oder aus anderen, in den jeweiligen Disziplinarverfahren zu wertenden Ursachen getroffen werden (vgl. § 32 DG LSA), fehlen derartige Regelungen für den Fall des Ämterwechsels, wie im vorliegenden Fall (vgl. insgesamt: VG Münster, U. v. 27.02.2009, 20 K 1556/07.O; juris). Beamte sind hinsichtlich der Unterwerfung unter das Disziplinarrecht in höchstpersönlichen Rechten betroffen, so dass sich die Verfolgung erledigt, wenn etwa der Beamte stirbt oder aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet. Dagegen erledigt sich das Verfahren nicht, wenn der Beamte gegen eine Disziplinarverfügung in Form der Geldbuße oder Gehaltskürzung klagt und während des Verfahrens stirbt. Denn diese Maßnahmen können auch die Erben des Beamten treffen, so dass das Verfahren durch Sachentscheidung zu beenden ist (vgl.: Hummel/Köhler/Mayer, BDG 4. Aufl. 2009, § 59 Rz. 7). Damit ist allein der Beamtenstatus im aktiven Dienst oder im Ruhestand notwendige Voraussetzung für die Disziplinarverfolgung (Persönlicher Geltungsbereich; § 1 DG LA). Umgekehrt können disziplinarrechtlich relevante Handlungen, welche der Beamte vor seiner Ernennung etwa im Angestellten- oder Arbeitsverhältnis begangen hat, nicht disziplinarrechtlich verfolgt werden (Hummel/Köhler/Mayer, BDG 4. Aufl. 2009, § 2 Rz. 2).

38

Als Beigeordneter der Stadt A-Stadt wie auch als deren Oberbürgermeister war und ist der Kläger „hauptamtlicher Beamter auf Zeit“ und unterliegt den beamten- und disziplinarrechtlichen Regelungen (§ 6 BeamtStG; § 7 Landesbeamtengesetz Sachsen-Anhalt – LBG; §§ 57 Abs. 1 Satz 2, 65 Abs. 1 GO LSA; § 1 Abs. 1 DG LSA; vgl. zur Disziplinargewalt über Ehrenbeamte/Beamte auf Zeit: VG Magdeburg, Urteil v. 01.12.2011, 8 A 18/10; Beschluss v. 26.08.2012, 8 B 13/13; OVG Rheinl.-Pfalz, Beschluss v. 04.03.2013, 3 A 10105/13 alle juris).

39

Aufgrund des dem Disziplinarrecht immanenten Gedankens der Pflichtenmahnung bzw. der Lösungsfunktion in den Fällen des endgültigen Vertrauensverlustes, berührt ein Ämterwechsel oder der Dienstherrenwechsel das diesbezügliche disziplinarrechtliche Bedürfnis zur Ahnung des dienstpflichtwidrigen Verhaltens (vgl. § 47 BeamtStG) grundsätzlich nicht. Ähnlich unterliegt auch der Ruhestandsbeamte noch der Disziplinargewalt des (früheren) Dienstherrn, wobei nur schwerwiegende Pflichtverletzungen mit der Kürzung oder Aberkennung des Ruhegehalts geahndet werden können (vgl. § 47 Abs. 2 BeamtStG; § 2, § 5 Abs. 2, §§ 11 und 12 DG LSA). § 2 Abs. 2 DG LSA bestimmt ausdrücklich, dass für Beamte, die früher in einem anderen Dienstverhältnis als Beamte, Richter, Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit gestanden haben, das Disziplinargesetz auch hinsichtlich solcher Dienstvergehen gilt, die sie in dem früheren Dienstverhältnis begangen haben (Sachlicher Geltungsbereich). Der Dienstherrenwechsel ist daher unerheblich. Das Disziplinarrecht gilt insoweit auch für „beurlaubte“ oder „Insichbeurlaubte“ Beamte, wie solche bei den Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Deutschen Bundespost (BVerwG, Urteil v. 07.06.2000, 1 D 4.99; juris; Hummel/Köhler/Mayer, BDG 4. Aufl. 2009, § 2 Rz. 8).

40

Neben diesen bereits formellen Gründen der weiterhin zulässigen Ahndung der aus einem Verhalten in einem früheren Amt resultierenden Pflichtverletzungen, ist vorliegend die Disziplinarwürdigkeit weiterhin gegeben. Denn das beanstandete klägerische Verhalten ist auch in seinem jetzigen höheren Amt von Bedeutung und kann geeignet sein, Rückschlüsse auf die nach § 13 DG LSA bei der Wertung des Verstoßes zu beachtende Persönlichkeit des Klägers zuzulassen. Demnach ist das dem Kläger vorgehaltene Fehlverhalten in allen – von ihm bekleideten – Ämtern von disziplinarrechtlicher Bedeutung (vgl. dazu als Ausprägung des Grundsatzes „nullum crimen sine lege“ [„kein Verbrechen ohne Gesetz“]: (Hummel/Köhler/Mayer, BDG 4. Aufl. 2009, § 2 Rz. 4). Das Disziplinarrecht hat nicht etwa seine Funktion verloren, wie es der Kläger meint.

41

2.) Soweit der Kläger aus der Tatsache, dass seitens der Beklagten keine Prozesshandlungen und auch keine Prozessvertretung vorgenommen wurden, Rückschlüsse auf ein irgendwie geartetes „Nichtinteresse“ an der disziplinarrechtlichen (Weiter-)Verfolgung zieht oder von der „Funktionslosigkeit“ der Disziplinarverfügung ausgeht, folgt ihm das Gericht nicht. Denn dieses tatsächliche Verhalten der Beklagten ist offensichtlich dem besonderen Umstand geschuldet, dass der Kläger mit dem Amtsantritt als Oberbürgermeister in dem anhängigen gerichtlichen Verfahren zugleich gesetzlicher Vertreter der beklagten Stadt A-Stadt und Dienstvorgesetzter aller Vertretungsberechtigten wurde.

42

Wie das Gericht ausführlich in der Verfügung vom 16.07.2013 dargelegt hat, berührt der Ämterwechsel des Klägers nicht die Frage der Beklagteneigenschaft, sondern allenfalls die Frage nach dem nunmehrigen Dienstvorgesetzten des Klägers. Die Bestimmung des Dienstvorgesetzten ist entscheidend bei der Ausübung der Disziplinarbefugnis (§§ 17 ff.; 33 ff. DG LSA), nicht bei der Frage nach dem richtigen Beklagten und wer für diesen im gerichtlichen Verfahren handelt. So wäre zwar bei einem neuerlichen Disziplinarverfahren der Stadtrat der Stadt A-Stadt als Dienstvorgesetzter des Oberbürgermeisters zuständig. Vorliegend richtet sich die Anfechtungsklage des Klägers nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 8 AGVwGO LSA zu Recht gegen die Stadt A-Stadt. § 59 DG LSA verweist bei der „Klage des Beamten“ zwar nicht ausdrücklich auch auf die §§ 78, 79 VwGO, sondern nur auf die Fristen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 59 DG LSA sind die Klagearten und die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen über die Verweisung in § 3 DG LSA anwendbar. Wer dagegen intern die Vertretung für die Stadt A-Stadt wahrzunehmen hat, ist eine Frage der Prozessfähigkeit nach § 62 Abs. 3 VwGO. Danach handeln für Behörden ihre gesetzlichen Vertreter. Dies ist bei der Stadt A-Stadt das Organ „Oberbürgermeister“ (§ 57 Abs. 2 GO LSA). Da sich somit der Kläger als Oberbürgermeister nicht selbst vertreten kann, obliegt die Prozessvertretung dem ständigen Vertreter des Oberbürgermeisters. Dies war zur Amtszeit der Oberbürgermeisterin und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Beigeordnete G ... als der vom Stadtrat gewählte Bürgermeister (vgl. VV Nr. 02/2011 der Stadt A-Stadt). Soweit Herr G ... unter dem 28.10.2013 mitteilt, dass er aufgrund der nachvollziehbaren Interessenkollision, die er als „Befangenheit“ bezeichnet, den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen werde, ändert dies nichts an der rechtlich möglichen Vertretung des Organs „Oberbürgermeister“.

43

Die Verwaltungsgerichtsordnung, die über § 3 DG LSA als Verfahrensrecht Anwendung findet, sieht ein (aktives) Betreiben des Klageverfahrens durch den Beklagten oder gerichtliche Sanktionsmöglichkeiten anders als gegenüber dem Kläger (vgl. § 87 b VwGO) nicht vor. Eine Nichteinlassung im Verfahren durch den Beklagten kann daher vom Gericht nur zum Nachteil des Beklagten gewertet werden, soweit die sowieso vom Gericht vorzunehmende Amtsermittlung (§ 86 VwGO) an ihre Grenzen stößt, die Aufklärung in der Sphäre des Beklagten liegt und somit prozessrelevante Tatsachen als eingestanden zu werten wären (vgl. zusammenfassend nur: Kopp/Schenke; VwGO, 17. Auflage 2011, § 86 Rz. 11 m. w. Nachw.). Um diese Problematik der Mitwirkungspflicht der Beteiligten geht es aber vorliegend ersichtlich nicht. Der Klagegegenstand bestimmt sich eindeutig aus der angefochtenen Disziplinarverfügung und der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist aufgeklärt bzw. aufklärbar. Mit der Ladung wurden die Beteiligten durch das Gericht darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO). Auf die Entsendung eines über die Sach- und Rechtslage ausreichend informierten Vertreters hat das Gericht verzichtet (§ 95 Abs. 3 VwGO). Ein „Minimum an öffentlichem Interesse“, wie es der Kläger ausdrückt, mag zwar als Ausdruck der Nachhaltigkeit der Verfolgung wünschenswert sein, ist dagegen rechtlich für die Fortgeltung der Disziplinarverfügung nicht erforderlich.

44

Eine irgendwie geartete Verwirkung oder Verzicht des disziplinarrechtlichen Verfolgungsanspruchs ist grundsätzlich ausgeschlossen (BVerwG, Beschluss v. 06.07.1984, 1 DB 21.84; juris). Sich daraus ergebene Besonderheiten des Einzelfalls, mögen bei den Milderungs- und Entlastungsgründen zu prüfen sein.

45

II.) Die Disziplinarverfügung ist formell rechtmäßig. Sie leidet nicht unter (schweren) Verfahrensfehlern, welche zur Aufhebung führen würden.

46

Ein (schwerer) Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens liegt vor, wenn gegen eine Verfahrensvorschrift verstoßen worden ist, deren Verletzung schwerwiegend und für den Ausgang des Verfahrens (noch) von Bedeutung ist. Ein schwerwiegender Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Rechte eines Verfahrensbeteiligten wesentlich beeinträchtigt worden sind oder wenn der Verfahrensverstoß den Zweck einer Formvorschrift wesentlich vereitelt, wenn eine vom Gesetzgeber als zwingend ausgestaltete Verfahrensvorschrift, d. h. nicht nur eine reine Ordnungsvorschrift, nicht beachtet wurde. Das Gericht darf eine solche zwingende Vorschrift nicht dadurch "leerlaufen" lassen, dass es ihre Nichtbeachtung als für das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens unerheblich einstuft (vgl. zusammenfassend: VG Magdeburg, Urteil v. 13.12.2012, 8 A 7/11 mit Verweis auf: BVerwG, Beschluss v. 31.01.2012, 2 WD 4.11; Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; Urteil v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Beschluss v. 18.11.2008, 2 B 63.08; alle juris).

47

Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens ist wesentlich, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (BVerwG, Urteil v. 24.06.2010, 2 C 15.09; zuletzt: Beschluss v. 17.07.2013, 2 B 27/12; alle juris).

48

Die Oberbürgermeisterin war als Dienstvorgesetzte (§ 63 Abs. 5 GO LSA) des Klägers als Beigeordneter (§ 65 GO LSA) zuständig für die Einleitung des Disziplinarverfahrens (§ 17 Abs. 1 DG LSA) und als oberste Dienstbehörde (§ 63 Abs. 5 GO LSA) zugleich für den Erlass der Disziplinarverfügung mit der Maßnahme der Gehaltskürzung (§ 33 Abs. 3 DG LSA) sowie den Erlass des Widerspruchsbescheides (§ 42 Abs. 1 Satz 1 DG LSA). Die besonderen Bestimmungen zur Benachrichtigung der Kommunalaufsichtsbehörde bei Kommunalbeamten sind eingehalten worden (§§ 76 ff. DG LSA).

49

Ebenso führen die vom Kläger im disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahren vorgetragenen Befangenheitsgründe nicht zu wesentlichen und damit durchschlagenden Verfahrensfehlern. Mag der verfahrensrechtliche Umgang mit diesen Anträgen fehlerhaft gewesen sein (1.), so lagen die rechtliche Voraussetzungen für deren Begründetheit nicht vor (2.). Ein Einfluss auf die Entscheidung ist auszuschließen.

50

1.) Da sich die Oberbürgermeisterin auf den vom Kläger gegen sie gerichteten Befangenheitsantrag der Mitwirkung nach § 21 Abs. 1 Satz 2, letzte Alternative VwVfG i. V. m. § 1 VwVfG LSA (nachfolgend: VwVfG) enthalten hat, bedurfte es einer Entscheidung über ihre „Besorgnis der Befangenheit“ nicht mehr. Demnach oblag die weitere Bearbeitung und der Erlass der Disziplinarverfügung ihrem Stellvertreter, Herrn Beigeordneten G ..., den der Kläger sodann ebenso für befangen erklärte. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hat, „wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten.“ Diese Anordnung ist trotz Unterrichtung durch Herrn G ... nicht ergangen. Dabei ist bereits zweifelhaft, ob Herr G ... nunmehr als „Sachbearbeiter“ i. S. v. § 21 Abs. 1 Satz 1 VwVfG oder als Organ „Oberbürgermeister“ und damit „Leiter der Behörde“ im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVfG handelte. Für letzteres spricht, dass die Disziplinarbefugnis über den Beigeordneten bei der Oberbürgermeisterin lag. Jedenfalls hat die Aufsichtsbehörde keine „Anordnung“ nach § 21 VwVfG erlassen, so dass sich Herr G... nicht der „Mitwirkung“ in dem Verfahren enthalten musste.

51

Herr G ... informierte unter dem 02.09.2011 das Landesverwaltungsamt und wies darauf hin, dass er nicht befangen sei und auch nicht beabsichtige, sich der Mitwirkung zu enthalten. Das Landesverwaltungsamt teilte mit, dass kein Anlass für eine Anordnung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVfG gesehen werde und im Übrigen die Oberbürgermeisterin als Leiterin der Behörde für die Feststellung der Besorgnis der Befangenheit zuständig sei. Soweit damit übersehen wurde, dass über die behauptete Voreingenommenheit der Oberbürgermeisterin aufgrund ihrer Enthaltung nicht entschieden wurde und es daher zunächst einer Entscheidung über ihre Mitwirkung durch die Aufsichtsbehörde (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVfG LSA) bedurft hätte, dürfte dies fehlerhaft sein. Zudem hat Herr G ... dann in dem streitbefangenen Disziplinarbescheid selbst seine Befangenheit geprüft und verneint, wozu er rechtlich nicht berufen war. Mag dies auch verfahrensfehlerhaft gewesen sein, hatte dies gleichwohl keinen Einfluss auf die Entscheidung. Denn weder lagen die vorgetragenen Befangenheitsgründe vor, noch belegt der – fehlerhafte – Umgang mit ihnen die Voreingenommenheit oder ein unfaires Verfahren gegenüber dem Kläger.

52

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in dem Urteil vom 21.02.2013 (OVG 81 D 2.10; juris) in einem ähnlichen Fall ausgeführt, dass selbst wenn von einem Misstrauen gegen die unparteiische Amtsführung gem. § 21 Abs. 1 VwVfG auszugehen sei, gleichwohl nicht von einem „schweren und offenkundigen Fehler“ ausgegangen werden könne, welcher gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG zur Nichtigkeit der Disziplinarverfügung führen würde. Schon die § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG zu entnehmende gesetzgeberische Wertung spreche dafür, dass dies nur ganz ausnahmsweise zur Nichtigkeit führe. Dies ist nur bei einer der Entscheidung innewohnenden offensichtlichen Parteilichkeit der Fall (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Komm., 7. Aufl. 2008, § 44 Rz. 179; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 13. Aufl 2012, § 44 Rz. 54). Das Oberverwaltungsgericht versucht anscheinend aus der gesetzgeberischen Wertung, dass in § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG nicht einmal die Mitwirkung kraft Gesetzes nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 - 6 VwVfG ausgeschlossener Personen die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge hat, zu schlussfolgern, das dann schon gar nicht „nur“ die Besorgnis der Befangenheit (§ 21 VwVfG) zur Nichtigkeit führen kann.

53

2.) Im Übrigen lagen die vorgetragenen Befangenheitsgründe nicht vor. Unter dem 29.08.2011 teilte der Kläger mit, dass Herr G ... als Beigeordneter aufgrund des gleichen Rangverhältnisses nicht unvoreingenommen in der Angelegenheit handeln könne. Des Weiteren sei Herr G ... befangen, weil dieser das „Ergebnis der Ermittlungen“ dreieinhalb Monate nach der Datierung dem Kläger übersandt habe. Die dem Ermittlungsführer gegenüber geltend gemachten Befangenheitsgründe würden auch gegenüber dem Beigeordneten G ... geltend gemacht. Insoweit wird in dem Schriftsatz vom 29.08.2011 ausgeführt, dass das „Mobbing-Tagebuch“ der Frau . nicht in Anführungsstriche gesetzt und somit völlig unreflektiert und unbegründet zugrunde gelegt werde. Zudem habe sich der Ermittlungsführer auf eine Stelle in der Stadtverwaltung der Beklagten beworben, wobei der Kläger gegen ihn votiert habe.

54

Nach der älteren herrschenden Rechtsprechung kann der mit den Ermittlungen beauftragte Beamte (Ermittlungsführer) bereits nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (vgl. BDiG, Beschluss v. 06.09.1983, VII BK 15/83; juris Kurztext). Auch soweit das Vorbringen des Klägers gegen den Ermittlungsführer und den die Disziplinarverfügung unterzeichnenden Beigeordneten G ... als Verstoß gegen ein „faires Disziplinarverfahren“ als Ausdruck des Rechtsstaatsgebotes gedeutet werden sollte, hilft dies nicht weiter.

55

§ 21 Abs. 1 DG LSA spricht davon, dass der Ermittlungsführer ein „geeigneter Bediensteter“ sein müsse. Der Ermittlungsführer B ... hatte die dienstliche Stellung eines Ressortleiters im Rechtsamt der Stadt A-Stadt im Amt eines Stadtverwaltungsoberrates und war damit statusrechtlich niedriger beschäftigt als der Kläger. Gleichwohl ist eine daraus resultierende generelle Ungeeignetheit des Ermittlungsführers nicht erkennbar. Soweit das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in dem Urteil vom 02.12.2010 (10 L 1/10; juris) aufgrund der statusrechtlichen Gleichrangigkeit des Ermittlungsführers mit der damaligen beschuldigten Beamtin die Ungeeignetheit bzw. dann auch wieder nur „Zweifel“ an der Geeignetheit konstruiert, folgt dem das Disziplinargericht in dieser Absolutheit nicht (ebenso: VG Meiningen, Urteil v. 26.03.2013, 6 D 60001/12 Me; juris). Zwar dürfte es üblicherweise zur Vermeidung des Anscheins eines persönlichen (Konkurrenz-)Interesses Voraussetzung für die Bestellung eines Ermittlungsführers sein, dass dieser ein höheres statusrechtliches Amt hat. Diese, aus Gründen der Chancengleichheit bei beamtenrechtlichen Beförderungen resultierende Sichtweise, ist vorliegend offensichtlich nicht geboten. Denn das Amt des Klägers als Beigeordneter wurde durch Wahl begründet, so dass eine statusrechtliche Konkurrenzsituation zwischen ihm und dem auf Lebenszeit ernannten Ermittlungsführer von vornherein ausscheidet.

56

Die Vorwürfe des Klägers gegen Herrn B ... wie gegen Herrn G ... resultieren vielmehr aus seiner (rechtlichen) Bewertung von deren Tätigkeit, belegen aber gleichsam nicht, unfaire Ermittlungen gegen den Kläger. Auch das Bundesverwaltungsgericht führt in dem Beschluss vom 18.11.2008 (2 B 63.08; juris) aus, dass auch und sogar Verstöße des Ermittlungsführers gegen Verfahrensvorschriften generell die Besorgnis bzw. das unfaire Verfahren nicht begründen können. Sind bereits keine Verfahrensfehler des Ermittlungsführers erkennbar, bleibt auch kein Platz für ein etwaiges unfaires Verfahren. Von einer „Schikane“ gegenüber dem Kläger kann bei objektiver Betrachtung nicht ausgegangen werden. Das Verfahren ist nicht etwa aus sachfremden Erwägungen eingeleitet oder betrieben worden. Von einem Mobbing gegenüber dem Kläger kann nicht gesprochen werden. Die Oberbürgermeisterin hat sich nach der Einleitung und dem Befangenheitsantrag des Klägers der Mitwirkung enthalten. Auch soweit man unterstellen mag, dass die zum Disziplinarverfahren geführten Vorkommnisse aufgrund der angespannten dienstlichen und persönlichen Verhältnisse gleichsam willkommenen Anlass für die Ermittlungen darstellten, vermag dies an der Tatsache des Vorliegens der Voraussetzungen nichts zu ändern. So ist nicht erkennbar, dass das Disziplinarverfahren etwa als Vorwand für eine Schädigung des Rufes des Klägers oder seiner Integrität gerade in Bezug auf die Wahl zum Oberbürgermeister inszeniert wurde (vgl. ausführlich zur Fairness im Disziplinarverfahren: VG Magdeburg, Urt. vom 13.12.2012, 8 A 7/11 MD, juris). Schließlich ist nicht nachvollziehbar, wieso die unreflektierte Verwertung der Tagebuchaufzeichnungen der Frau . Ausdruck der Voreingenommenheit sein soll.

57

Gleiches gilt für den Beigeordneten G ... und die Verweisung der Befangenheitsgründe auf ihn. Insgesamt leiden diese Ausführungen bereits darunter, dass sie als zu vage und damit unsubstantiiert zu bewerten sind. Ohne weitere Begründung mag sogar die Tatsache einer verspäteten Akteneinsicht oder der kurzen Fristbemessung nicht die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Das Gericht folgt nicht der Annahme des Klägers, dass aufgrund der nunmehr im Verwaltungsprozess hinsichtlich der Prozessvertretung der Beklagten von Herrn G ... erklärten „Befangenheit“ Rückschlüsse auf seine damalige, im Ermittlungsverfahren bestehende Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger zu ziehen seien. Denn das jetzige Verhalten ist ersichtlich den Besonderheiten des Verfahrens nach dem Amtsantritt des Klägers geschuldet (vgl. oben zu I.) und nicht mit den dienstlichen Verhältnissen zurzeit der disziplinarrechtlichen Vorwürfe vergleichbar. Wie ausführlich dargestellt, handelte Herr G ... als Bürgermeister und damit als zur Vertretung der Oberbürgermeisterin berufener Dienstvorgesetzter und nicht unter der Weisung der Oberbürgermeisterin. Die erst im Verwaltungsprozess aufgetretene Interessenkollision bestand seinerzeit nicht.

58

III.) Die Disziplinarverfügung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Überzeugung des Disziplinargerichts steht fest, dass der Kläger die ihm unter Nr. 1 und Nr. 2 in der Disziplinarverfügung zur Last gelegten Pflichtenverstöße und damit ein - innerdienstliches – Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) begangen hat. Dabei liegt der Schwerpunkt der Verfehlungen auf dem Vorwurf des Verstoßes gegen die allgemeine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG sowie die Weisungsgebundenheit nach § 35 Satz 2 BeamtStG innerhalb des Dienstes aufgrund seines Verhaltens gegenüber seiner früheren „persönlichen Referentin“ Frau. (1.). Dieses Verhalten steht in untrennbarem Zusammenhang mit seinem Wunsch und seinen Aktivitäten nach Weiterbeschäftigung von Frau ... (2.). Die weiter vom Gericht als gegeben angesehenen Pflichtenverstöße (Nr. 6, 9 und 11) bekräftigen das Vorgehen des Klägers bei der Begehung der Pflichtenverstöße. Die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form der Gehaltskürzung (§ 8 DG LSA) ist verhältnismäßig, den Pflichtenverstößen angemessen und auch nach § 59 Abs. 3 DG LSA zweckmäßig (3.).

59

1.) Zur Überzeugung des Disziplinargerichtes steht fest und wird von dem Kläger auch nicht in Abrede gestellt, dass er Frau . nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit trotz Weisung der Oberbürgermeisterin nicht wieder beschäftigt hat. Dies belegt eindeutig der handschriftliche Vermerk des Klägers auf der ausdrücklichen Weisung der Oberbürgermeisterin auf ihrem Schreiben vom 01.09.2010:

60

„Ich verweise auf mein Schreiben vom 27.07.2009. Den Weisungen komme ich nicht nach.“

61

Zudem hatte er durch entsprechende Anweisungen in seinem Dezernat dafür gesorgt, dass Frau . ausgegrenzt wird und völlig unbeschäftigt bleibt. Er selbst teilte ihr keine Aufgaben zu und gliederte sie auch sonst nicht in den Arbeitsprozess ein. Er versuchte, Frau . vollständig aus dem Arbeitsprozess auszugrenzen, in dem er sich auch nicht mehr für Urlaubsanträge etc. zuständig erklärte und sie somit quasi als nicht existent ansah.

62

Neben der pflichtwidrigen Nichtbeachtung des Weisungsrechts der Oberbürgermeisterin (§ 65 Abs. 3 Satz 2 GO LSA) stellen derartige Verhaltensweisen einen Verstoß gegen die allgemeine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht dar. Dabei ist die Wohlverhaltenspflicht als Auffangtatbestand für alle Dienstpflichten anzusehen, die keine spezielle Regelung in den Beamtengesetzen gefunden haben. Letzten Endes gehen alle Dienstpflichten aus ihr hervor. Bei dem innerdienstlichen Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht ist entscheidend, ob ein Verhalten die Funktionsfähigkeit der Verwaltung unmittelbar, etwa in der Aufgabenerledigung oder der Wahrung der dienstlichen Interessen oder auch nur mittelbar, etwa durch einen Ansehensverlust, beeinträchtigt (vgl. nur: Hummel/Köhler/Mayer: BDG 4. Auflage 2009, S. 305). Dabei sind die denkbaren Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflicht im Einzelfall mannigfaltig (vgl.: VG Magdeburg, Urt. v. 08.05.2013, 8 A 24/12 MD, Urt. v. 23.01.2013, 8 A 21/12 MD, Urt. v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; Urt. v. 14.02.2012, 8 A 6/11 MD; Urt. v. 01.12.2011, 8 A 18/10 MD; Urt. v. 13.12.2012, 8 A 7/11 MD; alle juris).

63

Zur Überzeugung des Gerichts sind die Handlungen des Klägers unter dem Tatbestand des Mobbing zu fassen. Mobbing stellt generell einen Verstoß gegen die allgemeine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht dar, wodurch zugleich auch der Betriebsfrieden innerhalb der Verwaltung gestört wird.

64

Unter Mobbing wird ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Beschäftigten untereinander oder durch Vorgesetzte verstanden, das über gewöhnliche, von jedermann zu bewältigende berufliche Schwierigkeiten hinaus geht und eine mehr oder weniger schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes, der Ehre und/oder der Gesundheit des Betroffenen darstellen kann (vgl. zu diesem Mobbingbegriff im engeren Sinn nur: BVerwG, Urt. v. 11.06.2002, 2 WD 38.01; Urt. v. 15.12.2005, 2 A 4.04; BGH, Beschluss v. 01.08.2002, III ZR 277/01; alle juris).

65

Für die Nichtbeschäftigung von Frau . sind keinerlei Rechtfertigungsgründe (vgl. auch § 35 Satz 3 BeamtStG) ersichtlich. Allgemein spricht der Kläger nur davon, dass er kein Vertrauen in Frau . habe ohne dafür konkret vorliegende Tatsachen zu benennen. Soweit ein angeblich plötzliches und pöbelhaftes Hereintreten der Frau . in sein Dienstzimmer und Unterbrechung eines Gespräches als Grund benannt wird, vermag dies – auch bei Unterstellung der Richtigkeit – nicht die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses in diesem Sinne begründen. Denn dieser einmalige Vorfall trug sich anlässlich des Dienstantritts von Frau . am 01.09.2010 zu und kann daher nicht den angeblich bereits ein Jahr zuvor eingetretenen Vertrauensverlust begründen. Zudem stellt Frau . den Vorfall anders dar. Sie habe sich gegen 16.00 Uhr nur von dem Kläger in seinem Zimmer verabschieden wollen und habe das Gespräch freundlich unterbrochen.

66

Etwas anderes belegen auch nicht die Einlassungen des Klägers im Schriftsatz vom 05.11.2013 mit Bezug auf das Schreiben vom 27.07.2009. Nun wird davon gesprochen, dass Frau . dem Kläger gegenüber illoyal gewesen sei und persönliche und vertrauliche Angelegenheiten an die Oberbürgermeisterin herangetragen habe. Das Arbeitsverhältnis sei „völlig zerrüttet“ gewesen. Es mag sein, dass Frau . zuvor „persönliche Referentin“ der Oberbürgermeisterin gewesen war und sie sogar ein freundschaftliches Verhältnis zu ihr hatte oder hat. Derartige Beziehungen sind in einer öffentlichen Verwaltung wie auch in einem privaten Beschäftigungsverhältnis nicht ungewöhnlich und Ausdruck normaler persönlicher, menschlicher Kontakte und Umgangsformen. Problematisch werden derartige Beziehungen erst bei einem Hinzutreten weiterer Umstände, wie einem hierarchischen Über-Unterordnungsverhältnis oder einem sonstigen Abhängigkeitsverhältnis, woraus sich z. B. Befangenheitsprobleme oder eine Unfairness oder auch Mobbing ergeben können. Darum geht es aber vorliegend ersichtlich nicht. Denn Frau . war nicht in einer derartigen beruflichen Position, in der sie aufgrund einer persönlichen Beziehung zur Oberbürgermeisterin, dem Kläger hätte Schaden zufügen können. Weder war sie dem Kläger hierarchisch übergeordnet noch trägt der Kläger auch nur ansatzweise konkrete Tatsachen dazu vor, dass sie etwa der Verschwiegenheit und Vertraulichkeit unterfallende Umstände aus dem dienstlichen oder privaten Umfeld des Klägers der Oberbürgermeisterin oder anderen Personen kundgetan hätte. Der Vortrag erschöpft sich in unsubstantiierten Behauptungen und Bewertungen des Klägers. Dabei ist bereits festzuhalten, dass der Oberbürgermeisterin als Dienstvorgesetzte des Klägers sowieso keine dienstlichen Belange vorenthalten bleiben durften. Ein in der Person von Frau . liegendes außerdienstliches Verhalten, welches die Beendigung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit hätte rechtfertigen können, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Weder hat sie den Kläger etwa in irgendeiner Form belästigt oder „gestalkt“ noch sind über die Referentin irgendwelche Umstände bekannt, die an der Integrität ihrer Person Zweifel aufkommen ließen.

67

Sollte das dienstliche und persönliche Verhältnis zwischen einem Beigeordneten und seiner „persönlichen Referentin“ auch wünschenswert von einer guten und beiderseitigen harmonischen Atmosphäre geprägt sein, so überwiegt im dienstlichen Verhältnis allein die Notwendigkeit der effektiven Erledigung der Dienstgeschäfte. Anders als etwa bei einem privaten Arbeitgeber, muss der in dienstlicher Hinsicht Vorgesetzte in der Lage und willens sein, mit allen ihm dienstlich unterstellten Mitarbeitern zusammen zu arbeiten. Daran ändert auch nichts, soweit der Kläger vorträgt, es sei bei der Beklagten üblich gewesen, dass sich die Beigeordneten die „persönlichen Referenten“ aussuchen konnten. Denn dem steht bereits entgegen, dass er Frau . mit seinem Dienstantritt als Beigeordneter übernahm und mit ihr über ein Jahr lang bis zu ihrer Schwangerschaftsunterbrechung unbeanstandet zusammenarbeitete, so dass auch unter Berücksichtigung der Gründe aus dem Schreiben vom 27.07.2009 - wie ausgeführt - keine derart gravierenden Gründe vorlagen, die das Verhalten gegenüber Frau . rechtfertigen könnten.

68

2.) Vielmehr steht dieses unvermittelte Verhalten des Klägers gegenüber seiner bisherigen Referentin im unmittelbarem zeitlichen und tatsächlichen Zusammenhang mit dem unter Nr. 1 des Disziplinarbescheides vorgehaltenen Pflichtenverstoß, nämlich der vorvertraglichen Beschäftigung der Frau ... ab dem 10.08.2009 und dem Versuch ihrer unbefristeten Weiterbeschäftigung. Denn nur im Zusammenspiel mit der Arbeitsplatzbeschaffung gegenüber Frau ... machte es überhaupt Sinn, Frau . den Arbeitsplatz verlustig zu machen. Von daher bedingt der eine Pflichtenverstoß den anderen, macht aber gleichzeitig die besondere Vorwerfbarkeit dieses Verhaltens deutlich. Ohne Zweifel hat der Kläger versucht, Frau ... das Arbeitsverhältnis „seiner“ persönlichen Referentin mit entsprechender Vergütung dauerhaft zu verschaffen. Gelang dies zunächst als sogenannte Schwangerschaftsvertretung während der Abwesenheit der Frau . versuchte er auch danach Frau ... unbefristet weiter zu beschäftigen, obwohl ihm die näheren Umstände der Befristung jedenfalls hätten bewusst sein müssen. Denn im Stellenplan war nur eine Stelle für eine Referentin in der Entgeltgruppe 13 für das Dezernat III vorgesehen. Diese Stelle war jedoch mit Frau . dauerhaft besetzt. Eine weitere freie Stelle der Entgeltgruppe 13 war im gesamten Stellenplan der Stadtverwaltung nicht vorhanden. Für eine Änderung oder Aufstockung des Stellenplans war ausschließlich der Stadtrat mit anschließender Genehmigung der Kommunalaufsicht zuständig (§ 44 Abs. 3 Nr. 4 a; § 94 Abs. 2 GO LSA). Zudem hätte dies einen Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften bedeutet. Denn der Haushaltsplan der Beklagten sah keine externen Neueinstellungen vor und eine durch die Oberbürgermeisterin nach Erörterung in der Beigeordnetenkonferenz genehmigte Ausnahme lag unzweifelhaft nicht vor.

69

Aufgrund § 1 des zwischen der Beklagten und der Frau... geschlossenen Arbeitsvertrages sowie der in dem arbeitsgerichtlichen Prozess vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Frau ... steht fest, dass der tatsächliche Arbeitsbeginn von Frau ... am 10.08.2009 erfolgte. Unterzeichnet wurde der befristete Arbeitsvertrag jedoch am 11.08.2009 von der Beklagten und am 12.08.2009 von Frau .... Demnach beschäftigte der Kläger Frau ... bereits bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben war, woraus ein faktisches Arbeitsverhältnis hätte abgeleitet werden können. Dies hätte zur Folge, dass der eigentlich befristete Vertrag unbefristet gelten würde. Dementsprechend führte Frau ... vor dem Arbeitsgericht A-Stadt den Arbeitsgerichtsprozess. Auch zeigt das Verhalten des Klägers hinsichtlich der Unterstützung von Frau ... (Vorwurf Nr. 6), dass der Kläger dieses Ergebnis bewusst herbeiführen wollte und für richtig befand. Er wollte Frau ... als persönliche Referentin anstelle von Frau ..

70

Dieser unbedingte Wille ergibt sich auch aus weiteren Unterlagen, wie das Schreiben an den Vorsitzenden des Stadtrates (Pflichtenverstoß Nr. 9) bestätigt und im Übrigen vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt. Dass das Herantreten an den Stadtrat zur „Abhilfe eines Missstandes in der Verwaltung gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 GO LSA“ geschuldet gewesen sei, wie es der Kläger unter dem 05.11.2013 vorträgt, erschließt sich dem Gericht nicht. Die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte in der Verwaltung war nicht gefährdet und es bedurfte gerade keiner Entscheidung über die dauerhafte Einstellung einer Referentin des Klägers durch die Oberbürgermeisterin. Denn die Stelle war mit Frau . besetzt. Die Anfrage der Oberbürgermeisterin vom 11.11.2010/16.11.2010, ob er eine „Zusage an Frau ...“ zur unbefristeten Beschäftigung abgegeben habe (Vorwurf Nr. 11), hat er nicht bzw. nicht ausreichend beantwortet. Auch wenn diesbezüglich der allgemeine Rechtsgrundsatz besteht, dass sich niemand selbst belasten muss und die Selbstbelastungsfreiheit Vorrang vor der Pflicht des Beamten zur Unterstützung seiner Vorgesetzten hat (VG Magdeburg, Urteil v. 20.08.2013, 8 A 8/13; VG Wiesbaden, Urteil v. 05.06.2013, 28 K 296/12.WI.D mit Verweis auf BVerwG, B. v. 20.11.2012, 2 B 56.12; Hessischer VGH, B. v. 13.05.2013, 28 a 488/12.D; alle juris), vermag dies den Kläger im Gesamtvorwurf nicht zu entlasten. Denn die Beklagte hatte als Gegnerin im Arbeitsgerichtsprozess ein Interesse daran zu erfahren, ob der Kläger eine solche Erklärung abgegeben hatte, wie sie Frau ... eidesstattlich versicherte. Denn dies hätte eventuell als offizielle Erklärung der Stadt als Arbeitgeberin ausgelegt werden können mit der Folge des Unterliegens im Arbeitsprozess und der Gehaltszahlung von brutto 3.000 Euro monatlich an Frau .... Auch unter Vermeidung einer Selbstbezichtigung hätte der Kläger sachlich auf die Anfrage reagieren können und müssen. Stattdessen ließ er die Anfrage als „skurril“ bezeichnen, wich der Beantwortung aus und unterstützte damit erkennbar Frau ... und eben nicht pflichtgemäß die Beklagte als seinen Dienstsherrn. Dies verkennt der Kläger, wenn nunmehr im Schriftsatz vom 05.11.2013 vorgetragen wird, dass wegen des Obsiegens der Beklagten in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren, nicht ersichtlich sei, weswegen der Kläger disziplinarrechtlich verfolgt werde.

71

Damit hat sich der Kläger in nicht vertretbarer Art und Weise quasi wie ein privatrechtlicher Arbeitgeber aufgeführt und sich an die Stelle der Beklagten als Beschäftigungsbehörde gestellt. Dies ist nicht tragbar. Dem Kläger war bzw. muss bei gehöriger Gewissensanstrengung auch klar und erkennbar gewesen sein, dass ihm dieses Verhalten nicht zusteht.

72

Punkt 3.17 der „Allgemeinen Geschäftsanweisung der Stadt A-Stadt “ v. 08.08.2006 besagt eindeutig, das „Personalangelegenheiten alle Fragen [sind], die das Arbeitsverhältnis […] betreffen. Sie werden grundsätzlich vom Fachbereich Organisation und Personalservice bearbeitet. Ohne Zustimmung des Fachbereichs Organisation und Personalservice darf niemand, auch nicht ohne Entgelt beschäftigt werden.“ Der Kläger kann sich als Beigeordneter auch nur auf eine etwaige Vertretungsberechtigung in seinem Geschäftsbereich berufen (§ 65 Abs. 3 Satz 1 GO LSA). Dass sich der Kläger bereits vor der Einstellung und dem Arbeitsbeginn der Frau ... um deren dauerhafte Beschäftigung und die Umsetzung von Frau . bemühte, belegt das Schreiben des Beigeordneten G ... vom 31.07.2009 (Bl. 190 1 Ca 2077/10), worin dieser derartige Bemühungen ablehnte.

73

3.) Die disziplinarrechtlich bedeutsame Bewertung des Persönlichkeitsbildes des Klägers im Sinne von § 13 DG LSA belegt, dass die Pflichtverletzungen gerade kein aus einer einmaligen Augenblickstat oder einer Notsituation resultierendes persönlichkeitsfremdes Verhalten darstellen. Der Kläger handelte wissend- und willentlich, also vorsätzlich, was den Pflichtenvorwurf verstärkt. Einsicht oder Reue hat er nicht gezeigt. Milderungs- oder Entlastungsgründe, die das Dienstvergehen in einem milderen Licht erscheinen ließen, sind nicht vorgetragen und nicht erkennbar (vgl. dazu zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 17.10.2013, 8 A 6/13; juris gemeldet).

74

Den vom Gericht gesehenen und in den Verfügungen zum Ausdruck gebrachten Besonderheiten, die aus dem angespannten dienstlichen und persönlichen Verhältnis zur Oberbürgermeisterin resultieren und Gegenstand der weiteren vorgehaltenen Weisungsverstößen waren, hat das Disziplinargericht insbesondere mit der Beschränkung nach §§ 53, 59 Abs. 2 DG LSA Rechnung getragen; die im Übrigen festgestellten Dienstpflichtverletzungen sind dagegen wegen ihrer Art nicht geeignet, sich auf dieses angespannte Verhältnis zurückführen zu lassen. Ebenso stellt das von dem disziplinarwürdigen Verhalten des Klägers unabhängige Prozessverhalten der Beklagten keinen mildernd zu berücksichtigenden Umstand dar. Wie bereits unter I. ausgeführt, ist das festgestellte Dienstvergehen auch in Bezug auf das vom Kläger nunmehr bekleidete Amt des Oberbürgermeisters bedeutsam. Der Kläger war zudem hartnäckig, beharrlich und planvoll bestrebt über einen längeren Zeitraum hinweg, seine eigene „Personalpolitik“ zu bestreiten. Durch diese Verfehlungen zeigte er, dass er bei bestimmten Entscheidungen nicht bereit ist, sich in hierarchisch gegliederte Strukturen ein- und unterzuordnen. Vielmehr sah er unter Missachtung der Rechtsvorschriften und seiner dienstlichen Pflichten seine eigene dienstliche Stellung als unabhängig und frei von hierarchischen Strukturen an. Die Beachtung der allgemeinen beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und in Ausprägung dessen, der angemessene Umgang mit den ihm dienstlich unterstellten Mitarbeitern sowie die Befolgung dienstlicher Weisungen, ist gerade in dem jetzigen herausgehobenen Amt von besonderer Bedeutung.

75

Dementsprechend hält das Disziplinargericht die ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme der Gehaltskürzung auch hinsichtlich der Höhe des Kürzungsanteils und der Dauer insgesamt für verhältnismäßig, weil der Tat angemessen und als erzieherische Maßnahme auch erforderlich und schließlich zweckmäßig (§ 59 Abs. 3 DG LSA). Aufgrund der vom Kläger erlangten Besoldung nach der Besoldungsgruppe B ist die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Pauschalisierung der Höhe des Kürzungsanteils (Urteil v. 21.03.2001, 1 D 29.00; juris) nicht angebracht, sondern im Einzelfall festzulegen. Diese, in der Disziplinarverfügung umfassend vorgenommene Gesamtwürdigung, ist nicht zu beanstanden.

76

IV.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 3 DG LSA, § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.