Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 29. Nov. 2017 - 3 A 155/17

bei uns veröffentlicht am29.11.2017

Tatbestand

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Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle.

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Die Kläger sind Gesellschafter der A. & C., welche in A-Straße, in A-Stadt eine Spielhalle betreibt. Eine entsprechende Erlaubnis ist den Klägern mit Bescheid vom 24. Juli 2008 gemäß § 33i der Gewerbeordnung unbefristet und auflagenfrei erteilt worden. Zum Betrieb der Spielhalle wurde das Objekt angemietet sowie drei Arbeitskräfte beschäftigt.

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Mit Inkrafttreten des Spielhallengesetzes Sachsen-Anhalt am 1. Juli 2012 galt die von den Klägern betriebene streitgegenständliche Spielhalle bis zum 30. Juni 2017 als erlaubt.

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Am 22. September 2014 beantragten die Kläger bei der Beklagten die „Verlängerung“ der Erlaubnis zum Betrieb ihrer Spielhalle ab 2017.

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Unter dem 20. Oktober 2014 wurden die Kläger zu einer beabsichtigten Ablehnung ihres Antrages durch die Beklagte angehört, da die Spielhalle den nunmehr maßgeblichen Abstand zu Kinder- und Jugendeinrichtungen nicht einhalte. Mit Antwort vom 21. November 2014 teilten die Kläger mit, dass erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Glücksspielstaatsvertrag wie auch gegen das Spielhallengesetz des Landes Sachsen-Anhalt bestünden. Aus diesem Grund seien diese Regelungen nicht anwendbar.

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Mit Bescheid vom 19. Dezember 2014, den Klägern am 29. Dezember 2014 zugestellt, versagte die Beklagte den Klägern die beantragte Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle. Die durch die Kläger betriebene Spielhalle unterschreite den Mindestabstand von 200 m hinsichtlich der Musikerfabrik A-Stadt. Für die Beurteilung des Mindestabstandes sei eine Luftlinie zwischen dem Eingangsbereich der Spielhalle und der der Spielhalle am nächsten gelegenen Grundstücksgrenze zu ziehen, auf der sich die Kinder- oder Jugendeinrichtung befinde. Danach betrage der Abstand lediglich 28,92 m. Die Einrichtung werde zu 72,8% bis 76,7 % durch Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren genutzt, und daher überwiegend. Ein Härtefall liege ebenfalls nicht vor.

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Am 5. Januar 2015 haben die Kläger Widerspruch erhoben.

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Zur Begründung trugen sie vor, dass das Spielhallengesetz des Landes Sachsen-Anhalt verfassungswidrig sei und daher keine Anwendung fände. Daneben handele es sich bei der Musikerfabrik um keine Einrichtung, die ihrer Art nach überwiegend von Kindern und Jugendlichen genutzt werde, sondern deren Angebot sich gleichermaßen an Erwachsene richte. Letztlich liege aufgrund der bereits getätigten Investitionen eine unbillige Härte i. S. d. Spielhallengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vor. Sie – die Kläger – hätten die Spielautomaten lediglich gemietet. Diese Mietverträge seien teilweise über einen Zeitraum von bis zu 60 Monaten abgeschlossen und nicht vorzeitig kündbar.

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Mit Widerspruchsbescheid des Landkreises A-Stadt vom 26. Oktober 2015, den Klägern am 4. November 2015 zugestellt, wurde der Widerspruch der Kläger zurückgewiesen. Die unter 200 m entfernte Musikerfabrik werde überwiegend durch Kinder und Jugendliche genutzt. In Anlehnung an den Begriff „qualifizierte Mehrheit“ sei eine überwiegende Nutzung gegeben, wenn diese etwa zu zwei Dritteln von Kindern und Jugendlichen in Anspruch genommen werde. Vorliegend sei die Musikerfabrik in den letzten zwei Jahren durchschnittlich zu 75 % und damit etwa zu drei Viertel durch Kinder und Jugendliche genutzt worden. Auch bedeute die Versagung keine unbillige Härte gegenüber den Klägern. Diese könnten die bestehenden Dauerschuldverhältnisse zivilrechtlich anpassen bzw. kündigen und die Spielhalle anderweitig nutzen. Letztlich sei das Spielhallengesetz des Landes Sachsen-Anhalt verfassungsgemäß und anwendbar.

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Am 26. November 2015 haben die Kläger Klage erhoben.

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Sie sind der Auffassung, dass durch die mittlerweile ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts zu anderen landesrechtlichen Regelungen zu Spielhallen die verfassungsrechtlichen Fragen hinsichtlich des hier anzuwendenden Spielhallengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt nicht abschließend geklärt seien. Insbesondere das hier einschlägige Abstandsgebot zu Kinder- und Jugendeinrichtungen sei verfassungswidrig, da das Gesetz selbst keine Regelungen dazu enthalte, wie der Abstand gemessen werde. Dies betreffe sowohl die Frage, von welchen Ausgangspunkten heraus wie auch nach welchem rechtssicheren Messsystem die Messung zu erfolgen habe. Daneben ließe das Spielhallengesetz des Landes Sachsen-Anhalt keine Ausnahmen vom Mindestabstand zu, etwa bei besonderen örtlichen oder geographischen Gegebenheiten. Dies stelle einen verfassungswidrigen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dar. Auch handele es sich bei der Musikerfabrik nicht um eine Einrichtung, die ihrer Art nach überwiegend von Kindern und Jugendlichen genutzt werde. Vielmehr richte sich das Angebot an alle Altersgruppen. Der Begriff „überwiegend“ setzte aber eine Nutzung „fast ausschließlich“ durch Kinder- und Jugendliche voraus. Die Nutzung der Einrichtung durch Erwachsene dürfe demgegenüber nur eine Ausnahme darstellen. Daneben sei aufgrund des Zweckes des Spielhallengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt der Begriff „Kinder“ auf solche Kinder zu beschränken, die älter als elf Jahre alt seien, da jüngere Kinder von den Gefahren des Glückspiels nicht betroffen wären. Letztlich liege aber ein Härtefall vor, der sich zum einen aus den Anwendungshinweisen des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 1. Februar 2017 ergebe, zum anderen hätten sie – die Kläger – ein schutzwürdiges langjähriges Vertrauen in den Bestand der unbefristet erteilten Erlaubnis. Auch würden durch einen Umzug in ein anderes Objekt weitere Investitionskosten anfallen. Mit einer Schließung der Spielhalle wären weitreichende persönliche und wirtschaftliche Folgen für sie und die von ihnen beschäftigten Mitarbeiter verbunden, die existenzbedrohend sein könnten. Hier verkenne die Beklagte, dass bei Bestandsspielhallen nicht in die Berufsausübungsfreiheit, sondern in die Berufswahlfreiheit eingegriffen werden, da trotz einmal erteilter Erlaubnis die Spielhalle an ihrem Standort nicht weiter betrieben werden dürfte.

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Die Kläger beantragen,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landkreises A-Stadt vom 26. Oktober 2015 zu verpflichten, den Klägern die am 22. September 2014 beantragte Erlaubnis zu erteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, das Spielhallengesetz des Landes Sachsen-Anhalt stelle lediglich eine Berufsausübungsbeschränkung dar, da der Betrieb einer Spielhalle weder subjektiv noch objektiv verboten werde. Vielmehr würden die Kläger nur daran gehindert, die Spielhalle an einem bestimmten Ort zu betreiben. Die Abstandsregelung des Spielhallengesetzes Sachsen-Anhalt verstoße auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Es sei im Wege der Auslegung ermittelbar, dass der geringstmögliche Abstand zwischen der Spielhalle und der Kinder- und Jugendeinrichtung 200 m nicht unterschreiten dürfe. Auch eine bestimmte Messmethode habe der Gesetzgeber nicht vorgeben müssen, da der Abstand mit 200 m exakt definiert sei. Die Musikerfabrik werde zu ca. 60 % und damit überwiegend von Kindern und Jugendlichen genutzt. Das Abstandsverbot sei auch ohne Ausnahmeregelung verhältnismäßig, da der Landesgesetzgeber einen im Vergleich zu anderen Ländern mit Ausnahmeregelung geringeren Abstand zwischen der Spielhalle und der Kinder- und Jugendeinrichtung gewählt habe. Auch spreche die streitgegenständliche Regelung ausdrücklich von Kindern und Jugendlichen, sodass es gegen den Wortlaut der Norm wie auch gegen den Gesetzeszweck verstieße, den Anwendungsbereich auf Kinder in einem Alter von über elf Jahren zu beschränken. Letztlich liege auch kein Härtefall vor, da sich die Kläger nur auf allgemeine Umstände berufen würden, die bei jedem Bestandsspielhallenbetreiber vorlägen und es sich deshalb nicht um einen Einzelfall i. S. d. Norm handeln könne. Weiter vermittelten Investitionen, die nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages sowie des Spielhallengesetzes Sachsen-Anhalt getätigt worden seien, keinen Vertrauensschutz. Im Übrigen sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet, Betreibern einer Bestandsspielhalle eine vollständige Amortisierung ihrer Investitionen zu ermöglichen.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landkreises A-Stadt vom 26. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO). Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle nach dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Sachsen-Anhalt vom 25. Juni 2012 (Spielhallengesetz Sachsen-Anhalt - SpielhG LSA, GVBl. LSA, 204, 212).

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1. Gemäß § 2 Abs. 1 SpielhG LSA bedarf es für die Errichtung und den Betrieb einer Spielhalle einer Erlaubnis nach diesem Gesetz. Nach § 2 Abs. 2 SpielhG LSA wird die Erlaubnis auf Antrag erteilt, wenn keiner der in § 2 Abs. 4 SpielhG LSA genannten Versagungsgründe vorliegt. Danach ist die Erlaubnis im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu versagen. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG LSA ist die Erlaubnis zu versagen, wenn eine Spielhalle einen Mindestabstand von unter 200 m Luftlinie zu Einrichtungen, die ihrer Art nach oder tatsächlich ausschließlich oder überwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, unterschreitet.

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a) Das in § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG LSA enthaltene Abstandsgebot, wonach der Abstand einer Spielhalle zu der geschützten Einrichtung 200 m Luftlinie nicht unterschreiten soll, ist mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll das Bestimmtheitsgebot sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben es Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können. Der Gesetzgeber ist dabei gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Welche Anforderungen an die Bestimmtheit gesetzlicher Regelungen zu stellen sind, richtet sich auch nach der Intensität der durch die Regelung oder aufgrund der Regelung erfolgenden Grundrechtseingriffe. Es reicht aus, wenn sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen. Verbleibende Ungewissheiten dürfen nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justiziabilität des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 -, juris, Rn. 125 m. w. N.). Die hier streitgegenständliche Spielhalle befindet sich auf dem Grundstück A-Straße direkt gegenüber der Musikerfabrik A-Stadt, jeweils in A-Stadt und damit in einem Umkreis von unter 200 m Luftlinie. Zwar enthält das SpielhG LSA selbst keine Regelungen, wie die Luftlinie zwischen der Spielhalle und der geschützten Einrichtung zu bemessen ist. Die in § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG LSA genannten Bezugspunkte „Spielhalle“ und „Einrichtungen, die ihrer Art nach oder tatsächlich ausschließlich oder überwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden“ lassen sich jedoch im Lichte der von § 1 Nr. 3 GlüStV verfolgten Ziele auslegen und sind daher hinreichend bestimmt (so auch zum sächsischen Landesrecht: Sächsisches OVG, Beschluss vom 12. Dezember 2017 - 3 B 310/17 -, Beschluss vom 5. Oktober 2017 - 3 B 175/17 -, beide: juris). Alle in § 2 Abs. 4 SpielhG LSA geregelten Abstandsgebote verfolgen eine spielerschützende Ausgestaltung der räumlichen Bezüge der Spielhalle, wobei sich der beim Abstandsgebot zu Einrichtungen, die ihrer Art nach oder tatsächlich ausschließlich oder überwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, bezweckte Jugendschutz als eine spezielle Ausprägung des Schutzes gegen Spielsucht darstellt und damit einen Annex zum Schutz vor Spielsucht bildet (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 4/16 -, juris). Dem Schutzzweck des Abstandsgebots zu den einschlägigen Einrichtungen entsprechend ist der Abstand von der Gefahrenquelle und damit vom Eingang der Spielhalle aus zu messen, während den Bezugspunkt auf der anderen Seite die zu schützende (Gesamt-)Einrichtung in den Blick nimmt. Damit ist nicht der Eingang des jeweiligen Gebäudes als Bezugspunkt maßgeblich, sondern der nächstgelegene Punkt. Denn zur Einrichtung gehört nicht nur das jeweilige Gebäude, sondern das gesamte Gelände, da sich dort überall Kinder und Jugendliche aufhalten können. Bezugspunkt ist daher der zum Eingang der Spielhalle nächstgelegene Punkt des Geländes der Einrichtung.

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Schließlich ist es ebenfalls unschädlich, dass der Gesetzgeber kein näher bestimmtes Messsystem vorgegeben hat. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, ist die Angabe „200 m“ hinreichend bestimmt und nicht anders auslegbar als nach den anerkannten Regeln der Technik zu ermitteln. Welche davon abweichenden Messsysteme in Frage kämen, die u. U. zu einem anderen Ergebnis führen würden, haben die Kläger weder vorgetragen noch ist dies für das Gericht ersichtlich. Sofern es je nach Verwendung welcher Kartographie zu Abweichungen kommen könnte, kann dem – wie bei jeder anderen gesetzlich normierter Abstandsregelung (bspw. im Baurecht) – durch mögliche Aufschläge wegen Messungenauigkeiten begegnen werden. Hier aber liegt die Einrichtung nur wenige Meter in der Luftlinie von dem Eingang der Spielhalle entfernt, sodass es auf mögliche Messungenauigkeiten nicht ankommt.

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b) Bei der Musikerfabrik handelt es sich auch um eine solche Einrichtung, die ihrer Art nach oder tatsächlich ausschließlich oder überwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht wird, da die Musikerfabrik überwiegend von Kindern und Jugendlichen aufgesucht wird. Entgegen der Auffassung der Beteiligten kommt es bei dem Merkmal „überwiegend“ nicht darauf an, dass Kinder oder Jugendliche die Einrichtung im Verhältnis zu Erwachsenen überwiegend aufsuchen. Nach der Gesetzesbegründung ist § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG LSA als besonderer Versagungsgrund zum Schutz von Kindern- und Jugendlichen gedacht. Kinder und Jugendliche sollen nicht mit Spielanreizen konfrontiert werden, die für sie anziehend wirken. Sie sollen nicht schon früh mit den Gefahren des Automatenspiels in Berührung kommen. Von der Vorschrift erfasst sind solche Einrichtungen, die eine gewisse Verweildauer von Kindern und Jugendlichen voraussetzen. Kinder und Jugendliche müssen diese Einrichtungen ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend nutzen. Nicht erfasst sind damit solche Einrichtungen, die nur bei Gelegenheit oder nicht überwiegend von der schutzbedürftigen Personengruppe aufgesucht werden, wie z. B. Eisdielen, Spielzeugläden, Kinderbekleidungsläden u. a. (zum Ganzen: LT-Drs. 6/914, S. 63). Damit liegt der Schutzzweck der Norm vor allem darin, Kinder und Jugendliche bei dem Besuch einer Einrichtung zu schützen, die sie – also die Kinder und Jugendlichen – in ihrem Alltag überwiegend aufsuchen. Damit stellt das Tatbestandsmerkmal „überwiegend“ kein Verhältnis zu den erwachsenen Besuchern dar, sondern ist eine temporäre Vorgabe. Es sollen keine Einrichtungen geschützt werden, die nicht zum alltäglichen Leben von Kindern oder Jugendlichen gehören und diese nur ab und an aufsuchen. Denn Schutzzweck der Norm besteht gerade darin, dass für Kinder und Jugendliche Spielhallen nicht zum alltäglichen Leben gehören sollen. Ihnen soll nicht bereits frühzeitig das Gefühl vermittelt werden, dass der Besuch einer Spielhalle eine ungefährliche Normalität darstellt. Um diesen gesetzgeberischen Schutzzweck zu erreichen, kann es nicht darauf ankommen, in welchem Verhältnis Kinder und Jugendlichen zum einen und Erwachsene zum anderen die Einrichtung besuchen. Dies würde nämlich dazu führen, dass solche Einrichtungen aus dem Schutzbereich fallen würden, die quantitativ überwiegend von Erwachsenen besucht werden, aber auch von einer großen Anzahl an Kindern und Jugendlichen jeden Tag. Andere Einrichtungen, die nur von einer kleinen Anzahl an Kindern und Jugendlichen und nicht von Erwachsenen aufgesucht werden, aber geschützt würden. Eine solche Unterscheidung erscheint weder sachgerecht noch entspricht sie dem Willen des Gesetzgebers. Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf eine gewisse Verweildauer und Alltagsbezogenheit abstellt, die sich aber weder in den Begriffen „ihrer Art nach“ oder „tatsächlich ausschließlich“ wiederfinden.

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Diese Auslegung entspricht auch dem Gesetzeswortlaut. Zum einen findet sich im Gesetzeswortlaut schon kein Bezug zu erwachsenen Besuchern. Zum anderen bedeutet das Adverb „überwiegend“ u. a. „fast immer“, „gemeinhin“, „im Allgemeinen“, „in der Mehrzahl von Fällen“, „sehr häufig“, „meistens“ (vgl. „überwiegend“ auf Duden online, URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/ueberwiegend_Adverb_hauptsaechlich). In Bezug auf den Gesetzeswortlaut also eine Einrichtung, die ihrer Art nach meistens oder sehr häufig oder im Allgemeinen von Kindern und Jugendlichen besucht wird. Ein bestimmtes Verhältnis zu anderen Besuchern ist dem Wortlaut damit nicht zu entnehmen. Im Gegenteil: das überwiegende Aufsuchen von Kindern und Jugendlichen wird ausdrücklich in Bezug auf die Einrichtung gefordert, nicht auf andere Altersgruppen.

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Eine Auslegung des Merkmals „überwiegend“ dahingehend, dass mehr Kinder und Jugendliche die Einrichtung aufsuchen als Erwachsene, entspricht auch deshalb nicht dem gesetzgeberischen Willen, weil sich eine solche Voraussetzung täglich, wöchentlich und jährlich ändern könnte. Dies würde dazu führen, dass die Betreiber der Spielhallen und zuständige Behörden regelmäßig Zählungen anstellen müssten, ob die Voraussetzungen noch oder erstmals vorliegen und zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen unabhängig davon, ob Betreiber und zuständige Behörden überhaupt in der Lage wären, solche Zahlen verlässlich zu ermitteln.

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Die in dem Merkmal „überwiegend“ enthaltene Alltagsbezogenheit liegt bei der Musikerfabrik vor. Denn die Musikerfabrik bietet den Musikunterricht als wöchentlich stattfindende Musikstunden, Kurse und Proben an (vgl. http://www.musikerfabrik.de/preisliste-der-musikerfabrik-im-raum-s.../, zuletzt aufgerufen am 28. November 2017). Damit besteht eine Alltagsbezogenheit für Kinder und Jugendliche. Denn angebotenem Musikunterricht in Form von wöchentlich stattfindender Stunden, Proben und Kurse stellt seiner Art nach ein Angebot für Kinder und Jugendliche dar, welches diese wöchentlich nutzen. Damit handelt es sich für Kinder und Jugendliche um einen festen Bestandteil ihres Alltages, so wie der Besuch eines Sportvereins o. ä. Genau solche Einrichtungen wollte der Gesetzgeber dem Schutzbereich des § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG LSA unterstellen.

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Damit ist es auch unerheblich, ob Kinder unter zwölf Jahren aufgrund ihres Alters überhaupt durch das SpielhG LSA geschützt werden können und ob es insoweit darauf ankomme, ob die Musikerschule zahlenmäßig überwiegend von Jugendlichen besucht werde. Denn wöchentlich besuchte Musikschulen bilden auch bei Jugendlichen schon ihrer Art nach einen Bestandteil ihres Alltages. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. März 2017 (Az. 1 BvR 1314/12, juris) aber die Erstreckung des Schutzbereiches auch auf Kinder ausdrücklich gebilligt.

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c) Soweit die Kläger ausführen, die Vorschrift des § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG LSA verstoße in ihrer Ausgestaltung überdies gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da es an einer Härtefallregelung fehle, bestehen vorliegend an der Verfassungsgemäßheit der Vorschrift ebenfalls keine Bedenken.

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Das SpielhG LSA greift in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Kläger aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit erfordert eine kompetenzgemäß erlassene gesetzliche Grundlage, die durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet (st. Rspr. vgl. nur: BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - 1 BvL 6/13 -; vom 14. Januar 2014 - 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12 - und vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 -, alle: juris). Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden, soweit Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen. Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (BVerfG, Beschluss vom 30. November 2010, a. a. O.). Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will.

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Gemessen hieran stellen die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen im Land Sachsen-Anhalt verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar (so auch zu den Einschränkungen im Land Berlin: BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6/15 -, juris). Bei Nichterfüllung des allein streitgegenständlichen Abstandsgebots nach § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG LSA können Spielhallenbetreiber von ihrem derzeitigen Standort erforderlichenfalls in andere Gebiete des Landes Sachsen-Anhalts ausweichen, in denen das Abstandsgebot eingehalten wird und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Spielhallen dort nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Auch in der Gesamtschau aller landesrechtlichen Beschränkungen für Spielhallen ist nicht davon auszugehen, dass Spielhallen in Sachsen-Anhalt künftig nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Durchsetzung der Mindestabstandsregelungen im Verhältnis zu überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besuchten Einrichtungen absehbar zu einer Erschöpfung der Standortkapazität für Spielhallen im gesamten Geltungsbereich der Regelung und damit zu einer faktischen Kontingentierung führen könnte, deren Wirkung einer Berufswahlbeschränkung nahe käme (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 1295/07 -, juris).

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Es ist sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr geklärt, dass vergleichbare Beschränkungen der Berufsausübung wie nach § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG LSA angemessen, erforderlich und geeignet sind (vgl. insoweit BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017, a. a. O., BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016, a. a. O.). Insoweit wird auf die zitierte Rechtsprechung verwiesen.

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Die konkret angegriffene landesrechtliche Regelung des § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Dabei ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber vorliegend unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zukommt (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017, a. a. O., Beschluss vom 8. Juni 2010 - 1 BvR 2011/07, 1 BvR 2959/07 -, juris). Dieser liegt nicht nur im Hinblick auf die Auswirkungen eines Gesetzes vor, sondern auch bei der Beurteilung der Bedrohungslage für das Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz er im konkreten Fall tätig wird. Daher hat die vom Gesetzgeber getroffene Einschätzung der Gefahrenlage und des Grades der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts im Rahmen der verfassungsgemäßen Prüfung besonderes Gewicht. Von den Vorstellungen über die Möglichkeit eines gefahrbringenden Verlaufs des Geschehens, die der Gesetzgeber im Rahmen seines Einschätzungsspielraums entwickelt hat, kann nur dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn sie in einem Maße wirtschaftlichen Gesetzen oder praktischer Erfahrung widersprechen, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2010, a. a. O.). Danach durfte der Landesgesetzgeber im Rahmen seines Einschätzungsspielraums annehmen, dass es keine gleich wirksamen und weniger belastenden Alternativen zur Herabsetzung der suchtfördernden Verfügbarkeit des Spielangebots in Spielhallen gibt als die Einführung eines Mindestabstandes von 200 m zu Einrichtungen, die überwiegend von Kindern und Jugendlichen genutzt werden. Die Einschätzung des Landesgesetzgebers, der Spielsucht müsse bei Minderjährigen auch über den Ausschluss ihres Zutritts hinaus in einem möglichst frühen Stadium durch Vermeidung einer Gewöhnung an das Vorhandensein von Spielhallen und eines Anreizes des für sie verbotenen Glücksspiels entgegengewirkt werden, überschreitet nicht den ihm zustehenden, weiten Beurteilungsspielraum und ist nicht offensichtlich fehlsam (so ausdrücklich: BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2017, a. a. O.). Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass andere Länder eine Härtefallregelung dahingehend vorhalten, dass in Einzelfällen von dieser Voraussetzung abgesehen werden könne. Es liegt in der Einschätzungsprärogative des einzelnen Landesgesetzgebers zu bestimmen, welche Vorgaben erforderlich sind. Dies gilt selbst im Hinblick auf den Schutz von kleineren Kindern davor, dass sie entweder allein oder in Begleitung einer Betreuungsperson im Umfeld ihrer Bildungs-, Freizeit- oder sonstigen Betreuungseinrichtungen mit Spielhallen konfrontiert werden und diese als Angebot einer Freizeitbetätigung für Erwachsene wahrnehmen können. Die angegriffene Regelung soll den Gefahren der Glücksspielsucht entgegenwirken (LT-Drs. 6/914, S. 59, 63). Die Bekämpfung und Prävention von Glücksspielsucht ist als überragend wichtiges Gemeinwohlziel anerkannt, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen selbst, für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u. a. -, juris). Der Landesgesetzgeber hat in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Gesetzesbegründung angenommen, dass bei Weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an gewerberechtlich zugelassenen Automaten spielen (LT-Drs. 6/914, S. 59; BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -, a. a. O.). Die landesrechtliche Regelung des § 2 Abs. 4 Nr. 7 SpielhG LSA zum Abstand zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche dient der möglichst frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollen Kinder und Jugendliche nicht mit Spielanreizen konfrontiert werden, die für die anziehend wirken. Sie sollen nicht schon früh mit den Gefahren des Automatenspiels in Berührung kommen (LT-Drs. 6/914, S. 63). Es ist Sache des Gesetzgebers, in Bezug auf den jeweiligen Lebensbereich darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Situationen entgegengewirkt werden sollen, die nach seiner Einschätzung zu Schäden führen können. Dies ermöglicht es dem Gesetzgeber, bei seiner Wahl für ein Schutzkonzept auch Interessen zu berücksichtigen, die gegenläufig zu dem von ihm verfolgten Gemeinwohlziel sind, und so eine Lösung durch Zuordnung und Abwägung kollidierender Rechtsgüter zu entwickeln. Soweit sich nicht in seltenen Ausnahmefällen der Verfassung eine konkrete Schutzpflicht entnehmen lässt, die zu einem bestimmten Tätigwerden zwingt, bleibt die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts dem Gesetzgeber als dem dafür zuständigen staatlichen Organ überlassen (zum Ganzen: BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 -, juris). Da wie bereits dargestellt die Bekämpfung und Prävention von Glücksspielsucht ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel ist, darf dies auch mit Mitteln angestrebt werden, die in das Grundrecht der Berufsfreiheit empfindlich eingreifen. Der Gesetzgeber ist daher von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehalten, mit Rücksicht auf die Berufsfreiheit der Spielhallenbetreiber Ausnahmen zuzulassen. Er kann sich vielmehr für ein Schutzkonzept entscheiden, das einer möglichst großen Reichweite und Effizienz des Schutzes vor den Gefahren gibt (so zum Nichtraucherschutz: BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008, a. a. O.). Insoweit durfte sich der Landesgesetzgeber im Rahmen seines Schutzkonzeptes vorliegend für eine Regelung entscheiden, die auf der einen Seite einen relativ kleinen Umkreis von 200 m im Vergleich zu anderen landesrechtlichen Reglungen vorsieht und damit spielhallenfreundlicher ausgestaltet ist (z. B. eine Entfernung von 500 m nach § 42 Abs. 3 Landesglücksspielgesetz BW, § 11 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertragsausführungsgesetz MV und § 11 Abs. 1 Nr. 4 Landesglücksspielgesetz RP, von 350 m nach § 16 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertragsausführungsgesetz NRW, von 300 m nach § 2 Abs. 3 Spielhallengesetz HE und § 3 Abs. 2 Spielhallengesetz SH sowie von 250 m nach § 18a Abs. 4 Glücksspielstaatsvertragsausführungsgesetz SN) und auf der anderen Seite für ein striktes Verbot ohne Härtefallregelung entscheiden. Hiervon geht auch das Bundesverfassungsgericht zum Verbundsverbot im Saarland aus, das auf die Luftlinie zwischen zwei Spielhallen abstellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Entscheidung sowohl für die Luftlinie (und nicht Wegstrecke) als auch das Absehen des Landesgesetzgebers von Abweichungs- und Ausnahmemöglichkeiten, mit denen eine Reduzierung der Spielhallendichte nicht in gleich wirksamer und effizienter Weise erreicht werden könnte, im Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017, a. a. O., Rn. 153). Die Festlegung eines konkreten Abstands fällt damit in die Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers, die von einem (Verfassungs-)Gericht nicht ersetzt werden kann, da es insoweit keine eindeutig richtige Lösung gibt. Es steht der Verfassungsgemäßheit der Regelung mithin nicht entgegen, dass der Gesetzgeber auf eine Ausnahmemöglichkeit verzichtet hat, da das Gesetz ohne eine solche nicht gleichermaßen effektiv wäre (vgl. zur landesrechtlichen Regelung in Baden-Württemberg: Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 2014 - 15/13 -, juris, Rn. 367).

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Daneben haben die Kläger auch nicht vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich, worin vorliegend ein Härtefall bestehen könnte. Die Spielhalle befindet sich direkt gegenüber der geschützten Kinder- und Jugendeinrichtung und unterfällt somit offensichtlich dem Schutzzweck der Norm. Auch handelt es sich vorliegend um die Erlaubnis zum weiteren Betrieb einer Bestandsspielhalle. Für diese hat der Gesetzgeber eine Härtefallregelung in § 11 Abs. 2 SpielhG LSA vorgesehen, sodass sich die Kläger schon deshalb nicht auf das Fehlen von Härtefallregelungen berufen können.

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2. Die Kläger haben aber auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle nach § 11 Abs. 2 SpielhG LSA. Danach kann die für die Erteilung einer Erlaubnis zuständige Behörde nach Ablauf des in § 11 Abs. 1 Satz 1 SpielhG LSA bestimmten Zeitraums eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 2 Abs. 4 Nrn. 1, 5, 6 und 7 SpielhG LSA für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist. Hierbei sind der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33i der Gewerbeordnung sowie die Ziele des § 1 des Glücksspielstaatsvertrages zu berücksichtigen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SpielhG LSA gelten Spielhallen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bestehen und nach § 33i der Gewerbeordnung erlaubt sind, für die Dauer von bis zu fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes weiterhin als erlaubt. Hiervon ausgehend galt die durch die Kläger betriebene Spielhalle bis zum 30. Juni 2017 als erlaubt. Diese eingeräumte Übergangszeit wahrt den durch Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG gebotenen Vertrauensschutz. Bei der Gestaltung von Übergangsregelungen für neue Anforderungen an eine bislang in erlaubter Weise ausgeübte Tätigkeit steht dem Gesetzgeber ein breiter Spielraum zu, innerhalb dessen er die Schwere des Eingriffs mit dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe abzuwägen und den betroffenen Berufsausübenden eine Ausrichtung und Anpassung an die veränderte Rechtslage zu ermöglichen hat. Eine Übergangsfrist von fünf Jahren reicht dabei angesichts des besonders gewichtigen Gemeinwohlziels der Suchtbekämpfung auch unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit regelmäßig aus, um eine berufliche Neuorientierung oder eine Betriebsanpassung zu ermöglichen. Weder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch das Gebot des Vertrauensschutzes verpflichten zu einer Übergangsregelung, die eine vollumfängliche Fortsetzung der früheren beruflichen Tätigkeit ermöglicht (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016, a. a. O.).

35

Ausgehend davon wird dem Vertrauensschutzinteresse der Kläger an der Weiterführung ihrer Bestandsspielhalle hinreichend Genüge getan. Die den Betreibern von Bestandsspielhallen nach § 33i Gewerbeordnung erteilten Alterlaubnisse erloschen nicht bereits mit Inkrafttreten des Spielhallengesetzes am 1. Juli 2012, sondern gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SpielhG LSA erst mit Ablauf des 30. Juni 2017.

36

Nach § 11 Abs. 2 SpielhG LSA können besondere Umstände berücksichtigt werden, aus denen eine Betriebsaufgabe mit Ablauf der Übergangsfrist aus von der Berufsfreiheit (oder der Eigentumsfreiheit) geschützten Gründen unverhältnismäßig wäre. Die Kläger selbst haben aber nicht dargelegt, dass und inwieweit sie als Mieter der Räumlichkeiten, als Arbeitgeber von drei Beschäftigten oder aber im Hinblick auf die angemieteten Geräte daran gehindert wären, die Spielhalle innerhalb des Übergangszeitraumes von fünf Jahren an einen anderen Standort zu verlagern. Weder die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG noch die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG – sofern überhaupt einschlägig – gewährleisten die unveränderliche Zulässigkeit einer einmal aufgenommenen erlaubten gewerblichen Tätigkeit. Zur Abwehr drängender Gefahren für ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut können an eine zunächst erlaubte Tätigkeit selbst dann weitere Anforderungen gestellt werden, wenn diese faktisch – auch nicht nur in Einzelfällen – zu einer Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit als Spielhallenbetreiber an diesem Standort führt (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017, a. a. O.). Angesichts der schweren Folgen der Spielsucht und des erheblichen Suchtpotentials des gewerblichen Automatenspiels überwiegt das Ziel der Suchtprävention und des Spielerschutzes die wirtschaftlichen Interessen der Spielhallenbetreiber, von der Verpflichtung zur Einhaltung der neuen Erlaubnisanforderungen, insbesondere hier von dem Abstandsgebot, verschont zu bleiben. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verleiht weder im Hinblick auf die vorherige Rechtslage noch auf die vorhandenen Betriebserlaubnisse gemäß § 33i Gewerbeordnung ein uneingeschränktes Recht auf Amortisierung getätigter Investitionen (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017, a. a. O.). Für die gesetzliche Regelung ergibt sich dies schon daraus, dass grundsätzlich nicht darauf vertraut werden kann, dass eine günstige Rechtslage unverändert bleibt. Weder die Gesetzgeber noch die zuständigen Behörden haben die Spielhallenbetreiber zu bestimmten Dispositionen veranlasst, diese erfolgten vielmehr auf eigenes unternehmerisches Risiko. Die Besonderheiten des Glücksspiel- und dabei insbesondere auch des Spielhallensektors haben überdies zur Folge, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes einen Schutz getätigter Investitionen nicht in gleichem Maße verlangt wie in anderen Wirtschaftsbereichen. Bei Spielhallen handelt es sich um Gewerbebetriebe, die von vornherein einen besonderen sozialen Bezug aufweisen, da auch bei Beachtung aller gesetzlichen Vorschriften die Möglichkeit besteht, dass spielsüchtige und spielsuchtgefährdete Spieler Spielhallen aufsuchen. Nicht zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Sportwettenurteil aus dem Jahr 2006 festgestellt, dass dem Spiel an Geldspielgeräten im Sinne der Gewerbeordnung das höchste Suchtpotential aller Glücksspielformen zukommt (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -, juris). Die Spielhallenbetreiber mussten daher damit rechnen, dass die Landesgesetzgeber diese Feststellung zum Anlass für eine strengere Regulierung von Spielhallen nehmen würden, um eine insgesamt konsequentere Glücksspielpolitik zu erreichen. Die Landesgesetzgeber sind dabei nicht auf eine Regelung zu verweisen, die Spielhallenbetreibern in jedem Einzelfall eine verlustfreie Abwicklung ihrer zu schließenden Spielhallen ermöglicht. Die immerhin fünfjährige Übergangsfrist des § 11 Abs. 1 Satz 1 SpielhG LSA trägt dem Interesse der Betreiber, eine Amortisierung der in die Spielhallen getätigten Investitionen zu erreichen und dabei einen angemessenen Gewinn zu erwirtschaften, ausreichend Rechnung (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017, a. a. O.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. November 2017 - 1 L 113/16 -, unveröffentlicht). Wirtschaftliche Belange oder Investitionen im Vertrauen auf eine unbefristet erteilte Erlaubnis unterfallen also bereits der fünfjährigen Übergangszeit. Ein weitergehender Vertrauensschutz sollte mit der Härtefallregelung des § 11 Abs. 2 SpielhG LSA nicht grundsätzlich gewährt werden, sondern nur zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall (vgl. LT-Drs. 6/914, S. 67). Da wirtschaftliche Belange bereits hinreichend durch die fünfjährige Übergangszeit berücksichtigt worden sind, kann eine unbillige Härte ohne Hinzutreten weiterer Umstände hierin nicht (mehr) liegen. Solche Umstände, die über diejenigen wirtschaftlichen Interessen hinausgehen, die anderen Spielhallenbetreiber ebenso zukommen, haben die Kläger aber weder geltend gemacht, noch sind diese sonst ersichtlich. Im Gegenteil: Soweit sie vortragen, dass sie Mietverträge für ihre Spielgeräte über einen Zeitraum von bis zu 60 Monaten, also fünf Jahren, geschlossen hätten, so müssten diese im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits ausgelaufen bzw. erst nach der Gesetzesänderung geschlossen worden sein. Für Investitionen nach Inkrafttreten des SpielhG LSA kann aber kein Vertrauensschutz bestehen und auch keine unbillige Härte vorliegen.

37

Soweit sich die Kläger auf die Anwendungshinweise des Landesverwaltungsamtes des Landes Sachsen-Anhalt vom 1. Februar 2017 berufen, wonach bei Bestandsspielhallen grundsätzlich von einer unbilligen Härte i. S. d. § 11 Abs. 2 SpielhG LSA auszugehen sei, folgt hieraus ebenso kein Anspruch auf die begehrte Erlaubnis. Denn zum einen hat das Landesverwaltungsamt in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2017 nochmals klarstellend erläutert, dass es sich bei dem Schreiben an die Landkreise und kreisfreien Städte eben nur im Hinweise ohne verbindlichen Charakter gehandelt habe. Dies sei kürzlich auch gegenüber den Rechtsanwendern nochmals klargestellt worden. Daneben findet sich weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze für eine solche grundsätzliche Erlaubniserteilung für Bestandsspielhallenbetreiber. Im Gegenteil: Der Landesgesetzgeber billigte den Betreibern eine fünfjährige Übergangszeit zu, in welcher diese sich auf die geänderte Rechtslage anpassen konnten. Nach Ablauf dieser Frist sollte lediglich im Ausnahmefall – der hier nicht vorliegt – eine weitergehende befristete Erlaubnis erteilt werden können. Sofern andere Erlaubnisbehörden diese Hinweise umgesetzt und anderen Bestandsspielhallen eine Erlaubnis erteilt worden sei, können die Kläger hieraus ebenfalls keinen Anspruch ableiten. Denn der Gleichheitssatz aus Art. 3 GG vermittelt keinen Anspruch auf Wiederholung eines rechtswidrigen Verwaltungshandelns, da eine durch rechtswidrige Verwaltungsübung erzeugte Pflicht der Verwaltung zu weiterem rechtswidrigem Handeln dem Vorrang des Gesetzes zuwiderlaufen würde (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30. April 1981 - 2 C 8/79 -, juris).

38

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 159 Satz 2 VwGO. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner. Die Kläger haben die Klage als Gesellschafter der A. & C., die Betreiberin der streitgegenständlichen Spielhalle ist, erhoben. Dieser GbR gegenüber erging ebenso der streitgegenständliche Bescheid wie auch der Widerspruchsbescheid. Wird die Klage im selben Verfahren von den Gesellschaftern für die GbR erhoben und liegen bei ihnen, wie dies regelmäßig der Fall ist, keine rechtlich relevanten Unterschiede vor, so kann die Entscheidung in diesem Verfahren ihnen gegenüber nur einheitlich sein; dies rechtfertigt die Anwendung des § 159 Satz 2 VwGO.

39

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

40

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Ziffer 54.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderung.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

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(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz

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(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
die in § 33c Absatz 2 Nummer 1 oder § 33d Absatz 3 genannten Versagungsgründe vorliegen,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen oder
3.
der Betrieb des Gewerbes eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten läßt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Wiedererteilung einer Erlaubnis für die von ihr seit 2012 in der D. Straße ... in K. betriebene Spielhalle.

2

Für diese war ihr am 31. Mai 2012 eine Erlaubnis nach § 33i Gewerbeordnung (GewO) erteilt worden. In den betreffenden Räumlichkeiten hatte zuvor ein anderes Unternehmen eine Spielhalle betrieben. Nach einem Brand im Jahr 2010 hatte es für diese jedoch eine Vergnügungssteuerabmeldung und zum 15. April 2012 eine gewerberechtliche Abmeldung vorgenommen. Nach Inkrafttreten des Landesglücksspielgesetzes Rheinland-Pfalz (LGlüG RP) und des geänderten Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) am 1. Juli 2012 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis nach neuem Recht. Unter Hinweis auf zwei nahegelegene, überwiegend von Minderjährigen besuchte Einrichtungen - das "... Jugenddorf Deutschland e.V." in ca. 330 Meter Entfernung und das "Haus der Jugend K. e.V." in ca. 400 Meter Entfernung zur Spielhalle - versagte der Beigeladene mit Schreiben vom 3. Juli 2013 die Zustimmung zur Erteilung einer Erlaubnis. Daraufhin lehnte die Beklagte die Erlaubnis zum Weiterbetrieb der Spielhalle ab dem 1. Juli 2013 mit Bescheid vom 22. Juli 2013 ab. Eine Ausnahme vom Erfordernis eines Mindestabstandes von 500 Metern zu einer überwiegend von Minderjährigen besuchten Einrichtung könne wegen der besonderen Suchtgefährdung Minderjähriger nicht erteilt werden. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein. Sie hat am 4. September 2013 Klage erhoben, die zunächst auf eine Feststellung gerichtet war, dass die ihr bereits erteilte gewerberechtliche Spielhallenerlaubnis die glücksspielrechtliche Erlaubnis nach § 15 Abs. 3 LGlüG RP einschließe. Mit Urteil vom 20. Mai 2014 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

3

Mit ihrer Berufung hiergegen hat die Klägerin hilfsweise zu ihrem Feststellungsbegehren die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für die streitgegenständliche Spielhalle beantragt. Mit Urteil vom 10. März 2015 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Das Feststellungsbegehren sei unbegründet, weil die einjährige Übergangsfrist nach § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV für die der Klägerin am 31. Mai 2012 erteilte gewerberechtliche Erlaubnis am 30. Juni 2013 abgelaufen sei. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Neuerteilung einer die glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 15 Abs. 3 LGlüG RP i.V.m. § 24 Abs. 1 GlüStV zugleich umfassenden Erlaubnis nach § 33i GewO, weil die Spielhalle jedenfalls im Hinblick auf das von Jugendlichen im Alter von 11 bis 23 Jahren besuchte "Haus der Jugend" den nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP geforderten Mindestabstand von 500 Metern nicht einhalte. Diese Abstandsbestimmung sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Entscheidung der Beigeladenen, dass der Erteilung einer Ausnahme zugunsten der Klägerin im Hinblick auf die Gefährdung Jugendlicher nicht zugestimmt werden könne, sei ermessensfehlerfrei und trage dem gesetzlichen Ziel des Jugendschutzes Rechnung. Sie werde durch die Ergebnisse einer Studie über problematisches Glücksspiel bei Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz gestützt.

4

Zur Begründung ihrer vom Senat im Umfang des Hilfsbegehrens der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Erlaubniserteilung zugelassenen Revision macht diese im Wesentlichen geltend, die Länder seien zum Erlass einer Mindestabstandsvorschrift für Spielhallen nicht befugt. Eine solche Befugnis folge nicht aus dem Gesetzgebungskompetenztitel der Länder für das "Recht der Spielhallen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, der normativ-rezeptiv entsprechend dem Regelungsgehalt des bisherigen § 33i GewO auszulegen sei. Mindestabstandsregelungen unterfielen vielmehr dem Kompetenztitel des Bundes für das Gewerberecht, von dem dieser abschließend Gebrauch gemacht habe. Außerdem entfalteten die bundesplanungsrechtlichen Regelungen zur Zulässigkeit von Spielhallen Sperrwirkung gegenüber Abstandsregelungen der Länder. Das Abstandsgebot im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige verletze die Klägerin auch materiell in ihrer Berufsfreiheit. Ein alternativer Standort stehe für die Spielhalle im Gemeindegebiet der Beklagten nicht zur Verfügung. Die Abstandsvorschrift sei weder zur Suchtbekämpfung geeignet noch neben der Möglichkeit von Auflagen zur Erlaubnis erforderlich oder zumutbar. Sie diene in Wahrheit dem fiskalischen Ziel des Schutzes des Spielangebots in Spielbanken. Der geforderte Abstand sei willkürlich bemessen und ohne erkennbaren Grund doppelt so groß wie für Wettvermittlungsstellen in Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus sei es mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar, dass sich die Kriterien für die Erteilung einer Ausnahme vom Abstandsgebot nicht der gesetzlichen Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 LGlüG RP entnehmen ließen.

5

Die Erteilung einer Erlaubnis sei vorliegend auch aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten, weil die Klägerin erhebliche Investitionen getätigt habe. Die einjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV für nach dem 28. Oktober 2011 erteilte Erlaubnisse sei unverhältnismäßig kurz. Darüber hinaus verletze die Abstandsvorschrift das Grundrecht der Klägerin auf Eigentum sowie das Gebot der Gleichbehandlung von Spielhallen im Verhältnis zu Spielbanken und Gaststätten. Sie sei mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit und dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot für Regelungen im Glücksspielbereich unvereinbar. Für Lottoannahmestellen, Sportwettenvermittlungsstellen und Spielbanken in Rheinland-Pfalz gälten ohne hinreichenden Grund weniger strenge Anforderungen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. März 2015 und des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 20. Mai 2014 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 22. Juli 2013 die glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag i.V.m. § 11 Landesglücksspielgesetz zu erteilen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das Berufungsurteil. Die Mindestabstandsregelung sei der Ländergesetzgebungskompetenz für das "Recht der Spielhallen" aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zuzuordnen. Sie schränke die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin, die noch weitere Spielhallen betreibe, in verhältnismäßiger Weise zugunsten des Schutzes Jugendlicher ein. Wann von der Abstandsregelung eine Ausnahme erteilt werden könne, lasse sich anhand des Verweises auf die Ziele des § 1 GlüStV, auf die Verhältnisse im Umfeld des Standortes und die Lage des Einzelfalls mit hinreichender Bestimmtheit aus § 11 Abs. 1 LGlüG RP ableiten.

9

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und tritt dem Standpunkt der Beklagten bei. Die Regelungsbefugnis der Länder für das "Recht der Spielhallen" gehe über das Normprogramm des § 33i GewO hinaus und ermögliche auch den Erlass von Abstandsregelungen zum Spieler- und Jugendschutz. Angesichts der hohen Bedeutung der Suchtbekämpfung und des hohen Suchtpotenzials des Automatenspiels habe der Landesgesetzgeber seinen Beurteilungsspielraum mit Erlass des § 11 Abs. 1 Nr. 4 LGlüG RP nicht überschritten. Die Regelung sei verfassungskonform.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses hält die Länder zur Regelung von Mindestabständen zu Einrichtungen, die von Minderjährigen besucht werden, befugt. Solche Regelungen seien zwar mangels unmittelbaren Bezuges zur Räumlichkeit von Spielhallen nicht dem "Recht der Spielhallen" zuzuordnen. Jedoch habe der Bund insoweit jedenfalls von seiner Kompetenz zur Regelung der "öffentlichen Fürsorge" und des "Rechts der Wirtschaft" keinen Gebrauch gemacht. Die Abstandsregelung des Landes stelle eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung dar.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Das angegriffene Urteil verletzt nicht revisibles Recht.

12

1. Die im Revisionsverfahren allein streitgegenständliche Verpflichtungsklage ist zulässig. Das Berufungsgericht hat die erstmalige Einführung dieses Klagebegehrens im Berufungsverfahren zutreffend als nach § 91 Abs. 2 VwGO zulässige Klageänderung angesehen.

13

2. Das Berufungsgericht hat die Berufung, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, zu Recht zurückgewiesen. Es hat entschieden, dass die Klägerin für den Weiterbetrieb ihrer Spielhalle seit dem 1. Juli 2013 einer neuen Erlaubnis nach § 33i GewO bedarf, die aufgrund der in § 15 Abs. 3 Satz 2 des Landesgesetzes zu dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag und dem Staatsvertrag über die Gründung der GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder (Landesglücksspielgesetz - LGlüG RP) vom 22. Juni 2012 (GVBl. S. 166, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. August 2015, GVBl. S. 190) geregelten Konzentrationswirkung die glücksspielrechtliche Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV umfasst. Insoweit ist das Berufungsurteil rechtskräftig geworden, weil der Senat die Revision gegen die Ablehnung des Feststellungsbegehrens, dass die zum Betrieb der Spielhalle am 31. Mai 2012 erteilte Erlaubnis noch bis zum 30. Juni 2017 Wirkung entfaltet, nicht zugelassen hat. Das Berufungsgericht hat weiter entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zusteht. Insoweit hat der Senat die Revision zugelassen.

14

Die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin verletzt kein Bundesrecht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 33i GewO, § 15 Abs. 3 Satz 2 LGlüG RP i.V.m. § 24 Abs. 1 GlüStV für die streitgegenständliche Spielhalle. Nach den für die revisionsgerichtliche Überprüfung bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hält die Spielhalle den nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV erforderlichen Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie zu einer öffentlichen oder privaten Einrichtung, die überwiegend von Minderjährigen besucht wird, nicht ein. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das von Jugendlichen im Alter von 11 bis 23 Jahren zur aktiven Freizeitgestaltung besuchte "Haus der Jugend" den gesetzlichen Mindestabstand unterschreitet. Die Klägerin hat weder gegen die Feststellung des Abstandes zwischen der Spielhalle und dem "Haus der Jugend" noch gegen die Feststellung von dessen überwiegender Nutzung durch Minderjährige Verfahrensrügen erhoben.

15

Die der Erteilung einer Erlaubnis entgegenstehende Mindestabstandsregelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2 LGlüG RP verletzt nicht Verfassungsrecht (a) und ist auch im Hinblick auf Unionsrecht anwendbar (b).

16

a) aa) Das Land Rheinland-Pfalz war zum Erlass der Mindestabstandsregelung im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige als Erteilungsvoraussetzung für eine Spielhallenerlaubnis befugt. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf die nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen in seinem Urteil vom selben Tage zum Parallelverfahren BVerwG 8 C 6.15, die sich mit gleichgerichteten Rügen der dortigen Klägerin befassen:

"Der ausdrückliche und ausschließliche Länderkompetenztitel (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 13) in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das 'Recht der Spielhallen' ermächtigt die Länder zur Regelung sämtlicher Voraussetzungen für die Erlaubnis von Spielhallen und die Art und Weise ihres Betriebes einschließlich der räumlichen Bezüge in ihrem Umfeld. Dies ergibt die Auslegung des Kompetenztitels nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck (vgl. allg. BVerfGE, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <273 f.>).

aa) Der Wortlaut des Kompetenztitels 'Recht der Spielhallen' ist weit und erfasst über die Voraussetzungen der Erteilung einer Spielhallenerlaubnis hinaus alle Gesichtspunkte des mit der Räumlichkeit einer Spielhalle verbundenen Betriebes. Insbesondere beschränkt er sich nicht auf den Regelungsgehalt des bisherigen § 33i GewO. Regelungen dagegen, die sich unabhängig vom Aufstellungsort Spielhalle produktbezogen mit der Gestaltung, Zulassung, Aufstellung und Überprüfung von Spielgeräten befassen, sind dem 'Recht der Spielhallen' wegen des im Wortlaut angelegten räumlichen Bezuges dieser Materie nicht zuzuordnen.

Auch die Entstehungsgeschichte des im Zuge der Föderalismusreform zugunsten der Länder umgestalteten Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht dafür, dass das 'Recht der Spielhallen' alle Aspekte der Erlaubnis und des Betriebes von Spielhallen umfasst. Insbesondere lassen sich weder den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens für das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), mit dem die Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG verabschiedet wurde, noch den Materialien der 2003 eingesetzten 'Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung' (Föderalismuskommission I), an deren Ergebnisse das verfassungsändernde Gesetz anknüpfte, Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit ihm lediglich der Regelungsbereich der bisherigen Rechtsgrundlage für eine Spielhallenerlaubnis in § 33i GewO normativ rezipiert und die Gesetzgebungsbefugnis der Länder hierauf beschränkt werden sollte.

Die Reform der Gesetzgebungskompetenzen im Jahre 2006 ging auf die Initiative der Länder zurück, die bundesstaatliche Ordnung kritisch zu überprüfen und den Ländern wieder mehr Kompetenzen zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <264>). In der Föderalismuskommission I konnte allerdings zwischen Bund und Ländern kein Konsens darüber hergestellt werden, welche Materien aus dem Kompetenztitel des 'Rechts der Wirtschaft' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG auf die Länder verlagert werden sollten. Einigkeit bestand lediglich darüber, dass den Ländern Materien übertragen werden sollten, die einen regionalen Bezug aufwiesen und nicht zur Wahrung des einheitlichen Wirtschaftsraums in der Bundeskompetenz verbleiben mussten (vgl. Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 'Regionale Themen' am 29. September 2004, S. 2; Stenografischer Bericht der 9. Sitzung der Kommission am 14. Oktober 2004, S. 231; alle auch nachfolgend genannten Dokumente der Föderalismuskommission I in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005, Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 2005, CD-ROM). Eine Übertragung der Materie der 'Spielhallen' auf die Länder schlugen erstmals die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission I in ihren abschließenden Darstellungen und ihrem Vorentwurf eines Beschlussvorschlages vor (vgl. Sprechzettel der Vorsitzenden zur Erweiterten Obleuterunde am 26. November 2004, S. 4 und am 3. Dezember 2004, S. 3; Vorentwurf vom 13. Dezember 2004 für einen Vorschlag der Vorsitzenden, S. 4). Die Reichweite der dort aufgeführten Materie 'Spielhallen' wurde darin nicht erläutert. Die vorhergehenden Arbeitsdokumente der Föderalismuskommission I enthielten weder einen Vorschlag zur Übertragung der späteren Ländermaterie 'Recht der Spielhallen' noch Hinweise für deren Eingrenzung. Das gilt auch für die von der Klägerin und von Teilen der Literatur als Beleg für eine enge Auslegung in Bezug genommene Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 28. September 2004 zur 'Gewerbeordnung und Handwerksordnung' (PAU-5/0020), in der 'Spielhallen (§ 33i)' erwähnt sind (vgl. ebd. S. 4). Die Stellungnahme des Bundesministeriums sollte auf Bitten der Länder klären, ob der Bund ein Bedürfnis, grundlegende Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Betätigung weiterhin bundesgesetzlich zu regeln, für alle Bereiche der Gewerbeordnung sah (vgl. ebd. S. 2), nachdem das Ministerium zuvor die Position der Länder zur Übertragung des gesamten Gewerberechts auf sie umfassend zurückgewiesen hatte (vgl. BMWA, Stellungnahme für die Bereiche u.a. Handwerksrecht und allgemeines Gewerberecht zu: ^Konkretisierung der Länderposition zum 'Recht der Wirtschaft' <art. 74 abs. 1 nr. 11 gg>^, PAU-3/0007 = PAU-5/0006 S. 3 f.). Das Ministerium schlug in der Stellungnahme nicht vor, die Regelung von Spielhallen den Ländern zu übertragen, sondern listete den bestehenden Inhalt der Gewerbeordnung auf. Dem jeweiligen einfachgesetzlichen Regelungsbereich der Vorschriften der §§ 30 bis 38 GewO wurde jeweils in Klammern deren Paragrafenbezeichnung hinzugesetzt, also beispielsweise 'Gewinnspiele und Geldspielgeräte (...) (§§ 33c bis h), Spielhallen (§ 33i), Pfandleiher (§ 34)'. Diese Bestimmungen, so die Stellungnahme, würden zum Teil ergänzt durch ausführliche Verordnungen mit Detailregelungen. Bei einzelnen dieser Bereiche komme eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länderebene in Betracht, soweit ein lokaler Bezug vorhanden sei. Allerdings sei den Ländern in diesen Bereichen bereits nach geltendem Recht die materielle Ausgestaltung überlassen (PAU-5/0020 S. 4). Welche Bereiche sich konkret für eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länder eigneten, führte das Ministerium nicht aus. In der zuständigen Projektgruppe 5 'Regionale Themen' war zu diesem Zeitpunkt außerdem offen, ob eine etwaige Zuständigkeitsverlagerung auf die Länder einfachgesetzlich oder verfassungsrechtlich erfolgen solle (vgl. den Bericht in der 7. Sitzung der Arbeitsgruppe 'Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte' der Föderalismuskommission I, Protokollvermerk vom 6. Oktober 2004 S. 22 f.). Jedenfalls sollte die Verteilung der Kompetenzen im Bereich des Wirtschaftsrechts dem Ansatz der 'örtlichen Radizierung' folgen (vgl. den Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 'Regionale Themen' am 29. September 2004 S. 2). Zur Verabschiedung eines Ergebnisses der Föderalismuskommission kam es nicht mehr, nachdem die Vorsitzenden deren Arbeit für gescheitert erklärten (vgl. Stenografischer Bericht der 11. Sitzung vom 17. Dezember 2004 S. 279 ff.).

Die Entstehungsgeschichte des - mit dem Entwurf für das verfassungsändernde Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) wieder aufgegriffenen - Vorentwurfs eines Vorschlages der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I bietet daher für die Auslegung des heutigen Kompetenztitels des 'Rechts der Spielhallen' keine konkrete Substanz. Sie spricht aber dagegen, dass den Ländern im Bereich des Gewerberechts kleinteilig Gesetzgebungsbefugnisse nach Maßgabe der bestehenden Regelungen in der Gewerbeordnung übertragen werden sollten. Hierfür hätte die in der Föderalismuskommission I ebenfalls erwogene Schaffung einfachgesetzlicher Öffnungsklauseln zugunsten der Länder genügt. Vielmehr wurden unter Sichtung der Gewerbeordnung Sachverhalte von vorrangig regionaler Bedeutung gesucht, die von den Ländern deshalb ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums selbständig gestaltet werden konnten. Dazu gehörte nach dem Vorentwurf der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I die Regelung von Spielhallen, nicht dagegen die Regelung von Gewinnspielen und Geldspielgeräten, die zuvor in der Auflistung des Inhalts der Gewerbeordnung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ebenso aufgeführt waren. Der infolge der Koalitionsvereinbarung vom 18. November 2005 erarbeitete Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 7. März 2006 (BT-Drs. 16/813) griff den letzten Sachstand der Föderalismuskommission I aus dem Vorsitzendenentwurf ausdrücklich auf (vgl. ebd. S. 3, 7 und 13). Die verabschiedete Endfassung entspricht dem Gesetzesentwurf.

Der Auffassung, der Zuweisungsgehalt des 'Rechts der Spielhallen' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG müsse normativ-rezeptiv nach dem Regelungsbereich des § 33i GewO bestimmt werden (vgl. z.B. Schneider, GewArch 2009, 269 <270>; Uhle, Normativ-rezeptive Kompetenzzuweisung und Grundgesetz, 2015, 46 ff.), kann auch aus anderen Gründen nicht gefolgt werden. Von einer normativen Rezeption geht das Bundesverfassungsgericht aus, wenn der Verfassungsgeber eine normativ ausgeformte Materie vorgefunden und sie nachvollziehend benannt hat, so dass die einfachgesetzliche Ausformung in der Regel unter dem Gesichtspunkt des Traditionellen und Herkömmlichen den Zuweisungsgehalt auch der Kompetenznorm bestimmt (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218> und Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 Rn. 29). Sie ist bislang allenfalls für bereits vorkonstitutionell ausgeformte, umfangreiche Rechtsmaterien anerkannt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 1279/12 - BVerfGE 134, 33 <55 ff.> und Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 für das Strafrecht). Für eine restriktive Anwendung der Rechtsfigur spricht, dass sie das Rangverhältnis zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht umkehrt und den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers schwächt, wenn sie die überkommene einfachgesetzliche Ausgestaltung für seine verfassungsrechtliche Regelungskompetenz für maßgeblich hält (vgl. dazu Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 35, 39; Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 70 Rn. 49).

Die normative Rezeption eines als einheitliches Regelungswerk konzipierten Normenkomplexes (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 34, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218>) in einem verfassungsrechtlichen Kompetenztitel soll eine gewisse Kontinuität der Gesetzgebung in langjährig entwickelten Rechtsgebieten über Verfassungsänderungen hinweg gewährleisten. Sie setzt einen von anderen Regelungsbereichen abgrenzbaren und langjährig gefestigten einfachgesetzlichen Normbestand voraus, der prägende Wirkung für eine Kompetenzmaterie entwickeln kann. Daran fehlt es hier. Die ordnungs- und gewerberechtlichen Anforderungen an Spielhallen wurden bis zur Schaffung der Kompetenzmaterie der Länder im Jahr 2006 immer wieder grundlegend geändert (vgl. eingehend m.w.N. zur Regelungsgeschichte Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 1 ff.; Hahn, in: Friauf, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 4 ff.) und waren mit Anforderungen an Aufsteller von Geräten und Veranstalter anderer Spiele verschränkt (vgl. nur § 33i Abs. 2 i.V.m. § 33c Abs. 2, § 33d Abs. 3 GewO, § 3a i.V.m. § 3 SpielV). 1933 wurde die gewerbsmäßige Aufstellung mechanischer Spiele und Spieleinrichtungen mit Gewinnmöglichkeit an öffentlichen Orten genehmigungspflichtig (RGBl. 1933 I S. 1080). Durch Verordnung wurde 1953 erstmals die Aufstellung von Geldspielgeräten in geschlossenen Räumen - und damit auch der Betrieb einer Spielhalle - zugelassen (BGBl. 1953 I S. 935). 1960 wurden in der Gewerbeordnung der Erlaubnisvorbehalt für den gewerbsmäßigen Betrieb einer Spielhalle und, hiervon getrennt, eine Aufstellererlaubnis und eine Bauartzulassung für Spielgeräte eingeführt (BGBl. 1960 I S. 61, ber. S. 92). 1979 wurde die Aufstellererlaubnis in eine orts- und geräteübergreifende personenbezogene Erlaubnis umgewandelt (BGBl. 1979 I S. 149). Dies bedingte eine stärkere Inpflichtnahme des Betreibers einer Spielhalle für die Einhaltung der Anforderungen an die Aufstellung der Geräte im konkreten Betrieb. Diese Entwicklung spiegelte sich auch in den Änderungen der 1962 erlassenen Spielverordnung (SpielV). Deren gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 33f GewO erlaubte zum Zeitpunkt der Föderalismusreform I den Erlass von Verordnungsbestimmungen zur Durchführung von gerätebezogenen wie auch von aufstellerbezogenen und von spielhallenbetreiberbezogenen Regelungen der Gewerbeordnung (Fassung vom 25. November 2003, BGBl. I S. 2304). Entsprechend enthielt die Spielverordnung spielhallenbezogene Regelungen, die sich teilweise an die Aufsteller von Spielgeräten, teilweise aber auch an die Veranstalter von Spielen und an die Betreiber von Spielhallen richteten (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 und 3, §§ 3a und 4 SpielV i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1985, BGBl. I S. 2245, geändert durch Verordnung vom 24. April 2003, BGBl. I S. 547 und durch die 5. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 17. Dezember 2005, BGBl. I S. 3495).

Im Übrigen wäre selbst bei einer normativ-rezeptiven Auslegung des 'Rechts der Spielhallen' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu berücksichtigen, dass die bundesrechtlichen Regelungen zu Spielhallen 2006 über erlaubnisbezogene Anforderungen hinausgingen. Sie umfassten neben orts- und betriebsbezogenen Anforderungen auch Pflichten des Spielhallenbetreibers zur Einhaltung von Höchstzahlen für Geräte und andere Spiele, Aufsichtsverpflichtungen und Sicherungsmaßnahmen zugunsten von Minderjährigen sowie die Verpflichtung, die Aufstellung von Geräten nur bei Einhaltung der aufstellungsbezogenen rechtlichen Anforderungen zuzulassen (vgl. § 33c Abs. 3 Satz 3, § 33f Abs. 1 Nr. 1 und 4 GewO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 und 3, §§ 3a, 4 SpielV).

Der systematische Zusammenhang der Länderkompetenz für das 'Recht der Spielhallen' in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht ebenfalls dafür, den Ländern die Regelungsbefugnis für sämtliche erlaubnis- und betriebsbezogenen Aspekte des Spiels in Spielhallen zuzuordnen. Die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG von der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ausgenommenen, ausschließlich den Ländern zugeordneten Materien des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen sowie der Messen, Ausstellungen und Märkte betreffen durchweg Gewerbeaktivitäten mit Bezug zu einer räumlich-betrieblich abgegrenzten Einrichtung oder Veranstaltung vor Ort. Sie alle weisen damit den von der Föderalismuskommission I geforderten regionalen Bezug auf. Damit hat der Gesetzgeber in Anknüpfung an die oben genannten Überlegungen in der Föderalismuskommission I aus dem 'Recht der Wirtschaft' Bereiche identifiziert, die in erster Linie auf regionale Sachverhalte bezogen sind und deshalb typischerweise ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums von den Ländern eigenständig gestaltet werden können. Mit ihnen hat der Verfassungsgeber in Kauf genommen, dass sich bundesweit tätige Unternehmen wie Einzelhandels- und Restaurantketten, Beschicker von Märkten und Messen ebenso wie Vertreiber und Aufsteller von Spielgeräten auf unterschiedliche Regelungen der Länder in diesen Materien einzustellen haben. Regelungsgegenstände ohne räumlich-betrieblichen Bezug wie das 'Recht der Spielgeräte' und der ortsübergreifenden Zulassung ihrer Aufstellung, die bei einer länderspezifischen Ausgestaltung etwa die Handelbarkeit des Produkts beeinträchtigen könnten, fallen dagegen aus der Systematik dieser ausschließlichen Ländermaterien heraus und sind der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das 'Recht der Wirtschaft (Gewerbe)' zuzuordnen.

Diese Auslegung entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck der Kompetenznorm. Mit der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber eine neu konturierte und klare föderale Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten im Recht der Wirtschaft erzielen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <277>). Deutlicher voneinander abgegrenzte Verantwortlichkeiten sollten die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern verbessern und die Landesgesetzgeber durch Zuweisung neuer Materien mit Regionalbezug, die eine bundesgesetzliche Regelung nicht zwingend erfordern, gestärkt werden (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 7, 9). Schon die Föderalismuskommission I verfolgte das Ziel, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu entflechten und die Länderebene zu stärken (vgl. Positionspapier der Ministerpräsidenten zur Föderalismusreform, Kommissionsdrucksache 0045 S. 1, in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005). Die Anknüpfung der Kompetenzverlagerung auf die Länder an einen überwiegenden regionalen Bezug der Materie bedeutet daher nicht, dass jede einzelne Regelung durch einen besonderen Bedarf für landes- oder ortsspezifische Differenzierungen zum Erlass von Regelungen gedeckt sein muss. Ein solcher Vorbehalt würde die Neuzuweisung von Kompetenzen an die Länder ohne Rückhalt in der Entstehungsgeschichte des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wesentlich einschränken und neue Unsicherheiten in der Abgrenzung der Kompetenzverteilung schaffen, die mit der Verfassungsänderung vermieden werden sollten.

bb) Nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG können die Länder im Bereich der ihnen durch Änderung des Art. 74 Abs. 1 GG zugewiesenen Materien das als Bundesrecht fortgeltende Recht durch Landesrecht ersetzen. Mit den von der Klägerin angegriffenen Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin, des Glücksspielstaatsvertrages sowie des Ausführungsgesetzes des Landes Berlin hierzu hat das Land Berlin von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Sie lassen sich dem Kompetenztitel für das 'Recht der Spielhallen' auch zuordnen.

Für die Zuordnung gesetzlicher Regelungen zu einer verfassungsrechtlichen Kompetenznorm sind ihr Gegenstand und Gesamtzusammenhang im jeweiligen Gesetz maßgeblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202 <216>; Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 402, 906/08 - BVerfGE 121, 317 <348>; Rozek, in: von Mangold/Klein/Starck, a.a.O., Bd. 2 Art. 70 Rn. 55). ... Die erstmals eingeführten Mindestabstände zu ... sonstigen Einrichtungen ... regeln ihr (der Spielhallen) räumliches Verhältnis zu sonstigen Einrichtungen, deren Nutzer der Gesetzgeber als schutzwürdig ansieht. Sie betreffen die räumlichen Bezüge einer Spielhalle in ihrem Umfeld und damit einen Regelungsgegenstand, der nicht zwingend bundeseinheitlich zu regeln ist und im Hinblick auf die jeweilige soziale Bevölkerungsstruktur und Dichte des Spielangebots regionale Bezüge aufweist. Für die Zuordnung zur Kompetenzmaterie 'Recht der Spielhallen' ist nicht maßgeblich, ob diese Regelungen an eine abstrakte oder an eine konkrete Gefahr anknüpfen.

Mindestabstandsregelungen für Spielhallen sind nicht der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG für das 'Bodenrecht' zuzuordnen. Dazu gehören Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand haben und die rechtlichen Beziehungen des Menschen zu ihm regeln (BVerfG, Rechtsgutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407 <424>; BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318 <320>). Die Vorschriften über den Mindestabstand zwischen Spielhallen sowie zu anderen Einrichtungen regeln nicht den Ausgleich verschiedener Nutzungsinteressen an Grund und Boden oder die Wahrung des Gebietscharakters des Umfeldes einer Spielhalle, sondern den Spielerschutz und den Schutz von Minderjährigen vor der Entstehung von Spielsucht (vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 2014 - 15/13, 1 VB 15/13 - ESVGH 65, 58, juris Rn. 319).

Regelungen des Mindestabstandes von Spielhallen zu Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, sind auch nicht der Materie der 'öffentliche Fürsorge' nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zuzuordnen, für die der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt. Zwar erfasst sie auch Regelungen des Jugendschutzes (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 - 2 BvL 10/70 - BVerfGE 31, 113 <117>; BVerwG, Urteil vom 12. Januar 1966 - 5 C 104.63 - BVerwGE 23, 112 <113>). Der Schwerpunkt des Mindestabstandsgebotes zu Einrichtungen für Minderjährige liegt aber auf der spielerschützenden Ausgestaltung der räumlichen Bezüge der Spielhalle. Der Jugendschutz stellt dabei einen Annex zum Schutz vor Spielsucht bei Zulassung der Spielhalle als einer Gefahrenquelle dar. Im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen für die Regulierung des Glücksspiels dürfen die Länder auch Aspekte des Jugendschutzes mit regeln. Selbst bei Zuordnung des Mindestabstandes zu Einrichtungen für Minderjährige zum Kompetenztitel des Bundes für die 'öffentliche Fürsorge' bliebe den Ländern nach Art. 72 Abs. 1 GG Raum für die hier in Rede stehenden Regelungen zum Schutz im Vorfeld des Betretens von Spielhallen, da der Bund mit der Regelung des Zugangsverbots für Minderjährige in § 6 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2016, BGBl. I S. 1666) von seiner Befugnis für jugendschützende Regelungen im Hinblick auf Spielhallen nicht abschließend Gebrauch gemacht hat."

17

bb) Die in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP normierte Erteilungsvoraussetzung des Mindestabstandes zu Einrichtungen, die überwiegend von Minderjährigen besucht werden, ist materiell mit der Berufsfreiheit der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie greift in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin ein. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Senats im Parallelverfahren BVerwG 8 C 6.15 zu den gleichgerichteten Rügen der dortigen Klägerin:

"Ein Eingriff in die Berufsfreiheit erfordert eine kompetenzgemäß erlassene gesetzliche Grundlage, die durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - 1 BvL 6/13 - NJW 2016, 700 <701> m.w.N.; vom 14. Januar 2014 - 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12 - BVerfGE 135, 90 <111 Rn. 57> und vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 <38>). Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden, soweit Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen. Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 Rn. 45). Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <284 f. m.w.N.>). Wirkt eine auf die Berufsausübung zielende Regelung auf die Berufswahl zurück, weil sie in ihren Wirkungen einer Regelung der Berufswahl nahe kommt, so ist ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung an den Anforderungen an Regelungen betreffend die Berufswahl zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>; Kammerbeschluss vom 24. August 2011 - 1 BvR 1611/11 - NVwZ 2012, 104 <105>).

Gemessen hieran stellen die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar. Der Auffassung der Klägerin, es handele sich bei den Mindestabstandsgeboten ... sowie aufgrund einer kumulativen Betrachtung bei sämtlichen angegriffenen Regelungen um objektive Berufswahlbeschränkungen, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht gefolgt werden. Dafür sind die Auswirkungen der betreffenden Regelungen in ihrem gesamten räumlichen Geltungsbereich zu betrachten."

18

Der Auffassung der Klägerin, sie sei durch das Mindestabstandsgebot im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige in ihrer Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht gefolgt werden. Es kommt wegen der gebotenen Betrachtung des gesamten räumlichen Geltungsbereichs des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP, also des Landes Rheinland-Pfalz, nicht darauf an, ob der Klägerin für ihre Spielhalle in der beklagten Gemeinde wegen dieser Einschränkung kein anderer Standort zur Verfügung steht. Den Feststellungen des Berufungsurteils lässt sich ebenso wenig wie dem Vorbringen der Klägerin entnehmen, dass die Durchsetzung der Mindestabstandsregelung im Land Rheinland-Pfalz absehbar zu einer faktischen Erschöpfung der Standortkapazität für Spielhallen und damit zu einer Kontingentierung führen könnte, deren Wirkung einer Berufswahlbeschränkung nahe käme (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 1295/07 - NJW 2008, 1293 <1294>). Für die revisionsgerichtliche Prüfung ist daher davon auszugehen, dass die von der Klägerin angegriffenen Beschränkungen nicht schon den Zugang zur nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Tätigkeit des Spielhallenbetreibers beschränken, sondern lediglich Anforderungen an deren Ausübung stellen.

19

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig. Die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP dient der Verminderung der Glücksspielsucht und dem Jugendschutz (vgl. LT-Drs. RP 16/1179 S. 49). Der Entwurf zu dieser Vorschrift sah nach den Ergebnissen einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein steigendes Suchtpotenzial von Geldspielautomaten insbesondere für die Altersgruppe der jungen Männer (ebd. S. 48). Bei der Änderung des Landesglücksspielgesetzes Rheinland-Pfalz zum 22. August 2015 (durch das Erste Landesgesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes vom 18. August 2015, GVBl. S. 190), die den nach § 7 LGlüG RP erforderlichen Abstand für Wettvermittlungsstellen zu überwiegend von Minderjährigen besuchten Einrichtungen von 500 Metern auf 250 Meter halbierte, hat der Gesetzgeber an dem Erfordernis eines Mindestabstandes von 500 Metern von Spielhallen zu solchen Einrichtungen bewusst festgehalten. Der Entwurf des Änderungsgesetzes verwies hierfür erneut auf Erkenntnisse aus Studien, wonach die unter allen Glücksspielen am suchtgefährdendsten Geldspielgeräte auf Jugendliche eine besondere Anziehungskraft ausübten (vgl. LT-Drs. RP 16/4671 S. 21). Die Bekämpfung und Prävention von Glücksspielsucht ist als überragend wichtiges Gemeinwohlziel anerkannt, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen selbst, für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304 f.>; Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 338; Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>). Der Landesgesetzgeber durfte beim Erlass von Regelungen über Spielhallen auf die Zielsetzung der Bekämpfung von Glücksspielsucht zurückgreifen, auch wenn bereits die bundesrechtlichen Vorschriften über die Gerätezulassung auf dieses Ziel ausgerichtet sind. Verfassungsrechtlich legitime Schutzzwecke für Maßnahmen innerhalb der Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers werden nicht durch Regelungen "verbraucht", die der Bundesgesetzgeber unter derselben Zielsetzung für die ihm zustehenden Kompetenzmaterien getroffen hat.

20

Die Mindestabstandsregelung ist zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels der Prävention und Bekämpfung von Spielsucht bei Kindern und Jugendlichen geeignet, erforderlich und zumutbar.

21

Eine Regelung ist zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Insoweit kommt dem Gesetzgeber unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 - BVerfGE 117, 263 <183> m.w.N.). Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetzgeber auch für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Dieser ist nur dann überschritten, wenn aufgrund der dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und der bereits vorhandenen Erfahrungen feststellbar ist, dass weniger grundrechtsbelastende, aber gleich wirksame Regelungsalternativen in Betracht kommen (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - BVerfGK 18, 116 <121>).

22

Die Einschätzung des Gesetzgebers, dass ein Mindestabstand von 500 Metern zwischen Spielhallen und Einrichtungen für Minderjährige zur Vermeidung von Glücksspielsucht geeignet und erforderlich ist, überschreitet nicht den ihm zustehenden weiten Beurteilungsspielraum und ist nicht offensichtlich fehlsam. Mildere, gleich wirksame Mittel sind nicht erkennbar. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die folgenden, entsprechend auf die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LGlüG RP übertragbaren Ausführungen in dem Urteil im Verfahren BVerwG 8 C 6.15 vom selben Tage zur Regelung des Spielhallengesetzes Berlin über den Mindestabstand von Spielhallen zu überwiegend von Kindern und Jugendlichen besuchten Einrichtungen:

"Diese Regelung soll Kinder und Jugendliche vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Spielhallen in ihrem täglichen Lebensumfeld um Bildungs- und Freizeiteinrichtungen schützen (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 12) und einem 'Reiz des Verbotenen' für Minderjährige entgegenwirken. Sie dient der Suchtprävention durch einen Schutz von Kindern und Jugendlichen im Vorfeld des Betretens einer Spielhalle und der Teilnahme am Automatenspiel, welche schon nach § 6 Abs. 1 JuSchG und § 6 Abs. 4 SpielhG BE verboten sind. Dieser Schutzzweck wird nicht schon durch den Erlaubnisversagungsgrund der Gefährdung der Jugend abgedeckt, den § 2 Abs. 3 Nr. 3 SpielhG BE aus § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO übernommen hat. Er dient regelmäßig der Abwehr der vom konkreten Spielhallenbetrieb ausgehenden Gefährdungen für Minderjährige (vgl. Hahn, in: Friauf, GewO, § 33i Rn. 77).

Die Einschätzung des Landesgesetzgebers, der Spielsucht müsse bei Minderjährigen auch über den Ausschluss ihres Zutritts hinaus in einem möglichst frühen Stadium durch Vermeidung einer Gewöhnung an das Vorhandensein von Spielhallen und eines Anreizes des für sie verbotenen Glücksspiels entgegengewirkt werden, überschreitet nicht den ihm zustehenden, weiten Beurteilungsspielraum und ist nicht offensichtlich fehlsam. Dies gilt selbst im Hinblick auf den Schutz von kleineren Kindern davor, dass sie entweder allein oder in Begleitung einer Betreuungsperson im Umfeld ihrer Bildungs-, Freizeit- oder sonstigen Betreuungseinrichtungen mit Spielhallen konfrontiert werden und diese als Angebot einer Freizeitbetätigung für Erwachsene wahrnehmen können. Im Übrigen geht es hier um Bestandsspielhallen, die im Sonderverfahren nur einen Abstand zu Schulen einhalten müssen (§ 5 Abs. 1 MindAbstUmsG BE) Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE ist zur Erreichung des legitimen Ziels der Spielsuchtprävention bei Minderjährigen geeignet, erforderlich und auch angemessen."

23

Die Zumutbarkeit der Mindestabstandsregelung wird auch durch die Möglichkeit der Erlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 1 Satz 2 LGlüG RP gewahrt, mit Zustimmung des Beigeladenen Ausnahmen zuzulassen. Anders als die Klägerin meint, ist diese Regelung mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar. Durch Auslegung der Norm in ihrem Kontext und anhand der Schutzintention des Abstandsgebotes lässt sich bestimmen, in welchen Einzelfällen die Erlaubnisbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen von dem Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie absehen kann. Die in der Regelung festgelegten Kriterien der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls steuern den Verwaltungsvollzug mit hinreichender Deutlichkeit. So wird eine Ausnahme zu prüfen sein, wenn die Abstandsmessung per Luftlinie etwaige Barrieren zwischen der geschützten Einrichtung für Minderjährige und dem Spielhallenstandort wie beispielsweise eine schwer überwindbare Verkehrsschneise oder sonstige Zugangshindernisse nicht berücksichtigt. Eine Ausnahmeerteilung wird umso näher liegen, je weniger es wahrscheinlich ist, dass Minderjährige mit der Spielhalle konfrontiert werden. Welche weiteren Umstände in die Einzelfallprüfung einzustellen sind, musste der Parlamentsgesetzgeber nicht selbst regeln. Er konnte dies einer an verfassungsrechtlichen Belangen und den einfachgesetzlichen Regelungszielen orientierten Verwaltungspraxis überlassen.

24

Das Berufungsgericht hat die Ermessensentscheidung, mit der die Erteilung einer Ausnahme zugunsten der Klägerin abgelehnt worden war, für rechtmäßig erachtet. Dem hier in Rede stehenden Schutz von Jugendlichen komme ein besonderes Gewicht zu. Nach der Studie "Problematisches Glücksspielverhalten bei Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz" sei die Zielgruppe der Minderjährigen ab dem 10. Lebensjahr besonders gefährdet; der frühe Konsum in der Jugend erhöhe deutlich das Risiko für späteres pathologisches Spielverhalten (UA S. 12). Die Klägerin hat diese Feststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Das Berufungsgericht hat auch keine Gesichtspunkte festgestellt, aus denen sich besondere Verhältnisse im Umfeld der Spielhalle oder eine sonstige besondere Lage des Einzelfalls ergäben. Die Klägerin hat auch dies nicht mit Verfahrensrügen angegriffen und überdies keine Umstände angeführt, die dafür sprächen, dass ihr eine Ausnahme zu erteilen sein könnte. Der Umstand allein, dass nach ihrem Vortrag in der beklagten Gemeinde kein alternativer Standort für ihre Spielhalle zur Verfügung steht, begründet keine Besonderheit, die eine Abweichung vom Mindestabstandsgebot des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP nach dessen Schutzzweck rechtfertigen könnte.

25

cc) Das Mindestabstandsgebot des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG ist auch mit dem Grundrecht der Klägerin auf Eigentum aus Art. 14 GG vereinbar. Ihm kommt keine enteignende Wirkung zu. Eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG setzt eine staatliche Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand oder eines sonst Enteignungsbegünstigten voraus (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11, 2 BvR 321, 1456/12 - Rn. 246 und Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512, 1677/97 - BVerfGE 104, 1 <9 f.>), die hier nicht in Rede steht. Als gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen einer durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition der Klägerin sind die Anforderungen an Spielhallen jedenfalls verhältnismäßig.

26

Die Klägerin hat die Immobilie, in der sie ihre Spielhalle betreibt, nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts im März 2012 erworben und ist im April 2012 in die Miet- und Leasingverträge für die in ihr aufgestellten Geldspielautomaten eingetreten (UA S. 2, 8). Zu diesen Zeitpunkten verfügte die Klägerin über keine Spielhallenerlaubnis für den dortigen Betrieb. Die ihrer Vorgängerin erteilte Erlaubnis war nach dem insoweit rechtskräftigen Berufungsurteil bereits Ende Juni 2011 erloschen und die Erwartung der Klägerin, in den Räumlichkeiten eine Spielhalle betreiben zu dürfen, ohne rechtliche Grundlage nicht schutzwürdig (UA S. 7, 9). Zwar wurde der Klägerin am 31. Mai 2012 eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt. Diese Erlaubnis ist jedoch nach der Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV am 30. Juni 2013 abgelaufen. Nach rechtskräftiger Abweisung des Antrags auf Feststellung, dass die am 31. Mai 2012 erteilte Erlaubnis bis zum 30. Juni 2017 Wirkung entfaltet, kann die Klägerin nicht mehr geltend machen, dass die Übergangsfrist von einem Jahr mit Blick auf im Vertrauen auf die Erlaubnis vom 31. Mai 2012 getätigte Investitionen und Dispositionen unangemessen kurz gewesen sei. Unabhängig davon fehlt es an der tatrichterlichen Feststellung einer solchen Vertrauensbetätigung im fraglichen Zeitraum.

27

dd) Das zwischen Spielhallen und Einrichtungen für Minderjährige geltende Abstandsgebot verletzt auch nicht das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG.

28

aaa) Die Klägerin wird nicht dadurch gegenüber Betreibern von Wettbüros verfassungswidrig ungleich behandelt, dass ihre Spielhalle seit der Änderung des § 7 Abs. 3 LGlüG RP einen doppelt so großen Abstand zu Einrichtungen für Minderjährige einhalten muss wie Wettbüros. Hierfür hat sich der Gesetzgeber auf tragfähige sachliche Gründe gestützt. Den Mindestabstand zwischen Wettbüros und Einrichtungen für Minderjährige hat er mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes vom 18. August 2015 (GVBl. RP S. 190) zum Zwecke der Bekämpfung des Schwarzmarktes im Bereich der Sportwetten halbiert (vgl. LT-Drs. RP 16/4671 S. 21) und dabei die Differenzierung zwischen Spielhallen und Wettbüros wegen des unterschiedlichen Suchtpotenzials der jeweils angebotenen Glücksspiele für gerechtfertigt angesehen. Das gegenüber Wettbüros höhere Suchtpotenzial und die durch aktuelle Studien belegte Anziehungskraft von Geldspielautomaten auf Jugendliche geböten es, für Spielhallen an dem Mindestabstand von 500 Metern zu Einrichtungen für Minderjährige festzuhalten (ebd.). Das Berufungsurteil ist vor dieser Änderung des Landesrechts ergangen und konnte sich mit dem klägerischen Einwand der Ungleichbehandlung nicht auseinandersetzen. Gegen die vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Differenzierung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die höhere Gefahreneinschätzung des Landesgesetzgebers für Spielhallen im Umfeld von Kindern und Jugendlichen ist nicht offensichtlich fehlsam und stellt einen hinreichenden sachlichen Grund für die Wahl eines größeren Mindestabstandes als für Wettbüros dar.

29

bbb) Die Klägerin wird auch gegenüber Gaststätten und Spielbanken in Rheinland-Pfalz, für die kein Mindestabstand zu Einrichtungen für Minderjährige vorgeschrieben ist, nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Insoweit kann auf die folgenden Ausführungen des Senatsurteils im Verfahren BVerwG 8 C 6.15 zu den umfassenden Rügen einer Ungleichbehandlung von Spielhallen in Berlin gegenüber anderen Spielorten verwiesen werden:

"Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierende Regelungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 - BVerfGE 139, 1 <12 f.>). Diesem Maßstab genügen die für die Feststellungsanträge der Klägerin relevanten Regelungen über die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen.

aaa) Gegenüber Spielbanken in Berlin werden Spielhallen durch die angegriffenen Regelungen nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Der Gesetzgeber darf Anforderungen an das Spiel an gewerblich zugelassenen Spielautomaten in Spielhallen und das Spiel an Automaten in Spielbanken (sog. kleines Spiel) trotz der Ähnlichkeit beider Glücksspielformen jeweils gesondert regeln. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts liegt insoweit hier kein vergleichbarer Sachverhalt vor, weil die Spielbank Berlin nur wenige Außenstellen hat. Zu ihnen besteht zudem im Hinblick auf das Ziel der Suchtbekämpfung ein strenger reglementierter Zugang. Demgegenüber gibt es in Berlin hunderte von Spielhallen, die für potenzielle Spieler in deren unmittelbarem Lebensumfeld leicht zugänglich sind (UA S. 58). Dass die weitaus größere Verfügbarkeit des Automatenspiels eine höhere Gefahreneinschätzung für Spielhallen rechtfertigt, entspricht auch den von der Klägerin im Revisionsverfahren eingereichten Ausführungen des Suchtexperten Zeltner, trotz höheren Risikopotenzials der Geldspielgeräte in Spielbanken sei die Gefährdung durch die höhere Verfügbarkeit von Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten größer (S. 24 der Anlage 2 zum Schriftsatz vom 24. November 2016).

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der rechtlichen Anforderungen an Spielbanken in Berlin verletzen die festzustellenden Regelungsunterschiede nicht den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Spielbanken unterliegen dort der gleichen Sperrzeit für das Automatenspiel wie Spielhallen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin (Spielbankengesetz - SpBG BE) vom 8. Februar 1999, GVBl. BE 1990 S. 70, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. März 2010, GVBl. BE 2010 S. 124, i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 der von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport erlassenen Spielordnung für die Spielbank Berlin vom 16. Januar 2008, https://www.berlin.de/sen/inneres/buerger-und.../spielo_spielbank_01-2008.pdf). Allerdings dürfen in ihnen ohne Höchstzahlbegrenzung Automaten aufgestellt werden, die nicht den spielerschützenden Bauartbeschränkungen des Gewerberechts unterliegen (vgl. § 33h Nr. 1 GewO) und die anerkanntermaßen ein höheres Gefährdungspotenzial beinhalten. Werbung für das Glücksspiel in Spielbanken wird in § 2 Abs. 2 i.V.m. § 5 GlüStV weniger stark beschränkt als für Spielhallen in § 4 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE, § 26 Abs. 1 GlüStV. Spielbanken unterliegen jedoch im Hinblick auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht Anforderungen, die insgesamt jedenfalls kein geringeres Schutzniveau als die Regelungen für Spielhallen gewährleisten. Es besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer öffentlichen Spielbank in Berlin (§ 2 SpBG BE). Der repressive Erlaubnisvorbehalt gewährleistet eine staatliche Kontrolle auch der Anzahl von Spielbanken. Eine Erlaubnis wird befristet erteilt (§ 2 Abs. 6 SpBG BE). Spielbanken sind dem länderübergreifenden Sperrsystem nach §§ 8 und 23 GlüStV angeschlossen und müssen durch Einlass- und Identitätskontrollen (§ 5 Spielordnung BE) nicht nur Selbstsperrungen, sondern auch Fremdsperrungen aus dem gesamten Bundesgebiet umsetzen, die aufgrund von Wahrnehmungen des Personals oder Meldungen Dritter vorgenommen worden sind. Das Geschehen an Spielautomaten ist u.a. zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebes laufend videotechnisch zu überwachen (§ 10a SpBG BE). Es entspricht im Übrigen ständiger Rechtsprechung, dass Spielbanken und gewerbliches Glücksspiel wegen unterschiedlicher ordnungsrechtlicher Ziele auch unterschiedlich geregelt werden dürfen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 2003 - 6 B 33.03 - GewArch 2003, 433, vom 24. August 2001 - 6 B 47.01 - GewArch 2001, 476 und vom 15. Dezember 1994 - 1 B 190.94 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 8 S. 6).

bbb) Das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG wird auch nicht dadurch verletzt, dass die Anforderungen an das Automatenspiel in Gaststätten hinter den für Spielhallen geltenden Einschränkungen zurückbleiben. Das Land Berlin hat bislang keine Regelungen über das Automatenspiel in Gaststätten erlassen. Aufgrund der fortgeltenden bundesrechtlichen Spielverordnung dürfen in Gaststätten höchstens drei, ab dem 10. November 2019 höchstens zwei Geldspielgeräte aufgestellt werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV sowie Art. 5 der 6. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 4. November 2014, BGBl. I S. 1678). Allerdings sind für sie weder ein Mindestabstand noch ein Sichtschutz zwischen den Geräten vorgeschrieben. Für Gaststätten gilt lediglich eine Sperrzeit zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr (vgl. § 6 Abs. 1 der Gaststättenverordnung vom 10. September 1971, GVBl. S. 1778, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2005, GVBl. S. 754). Die Einhaltung des Verbots der Teilnahme von Minderjährigen am öffentlichen Glücksspiel (§ 6 Abs. 2 JuSchG, § 2 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 3 GlüStV) ist durch ständige Aufsicht sicherzustellen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 SpielV). Der Zutritt zu Gaststätten ist jedoch für Minderjährige, anders als der Zutritt zu Spielhallen, nicht generell verboten. Er kann Jugendlichen ab 16 Jahren zwischen 5:00 Uhr und 24:00 Uhr auch ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person grundsätzlich gestattet werden (vgl. § 4 Abs. 1 JuSchG), sodass sie das Automatenspiel Erwachsener dort zumindest beobachten können. Gaststätten mit Geldspielautomaten unterliegen den Anforderungen der §§ 5 bis 7 GlüStV an Werbung für Glücksspiel und sind ebenfalls zur Erstellung eines Sozialkonzeptes, Schulung von Personal und Bereithaltung von spielrelevanten Informationen verpflichtet.

Es ist nicht zu bestreiten, dass der hierdurch gewährleistete Schutz vor Spielsucht im Bereich des gewerblichen Automatenspiels in Gaststätten bislang geringer ist als in Spielhallen, obwohl Spielautomaten in Gaststätten ebenfalls im unmittelbaren Lebensumfeld potenzieller Spieler leicht zugänglich sind. Vom Spielangebot in Spielhallen und in Gaststätten gehen jedoch unterschiedliche Gefahren aus, die es rechtfertigen, dass der Landesgesetzgeber zunächst strengere Beschränkungen für Spielhallen eingeführt hat (vgl. auch VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 20. Juni 2014 - 96/13 - NVwZ-RR 2014, 825 <827>). Die deutlich geringere Anzahl von drei, künftig zwei höchstens zulässigen Spielgeräten in Gaststätten gegenüber acht Geräten in Spielhallen verringert den suchtgefährdenden Spielanreiz, der nach Einschätzung des Gesetzgebers mit einem vielfältigen Spielangebot verbunden ist. In Gaststätten sehen sich Spieler anders als in Spielhallen regelmäßig einer Sozialkontrolle durch nicht spielende Gäste ausgesetzt. Regelungsunterschiede lassen sich auch dadurch rechtfertigen, dass Gaststätten ihr Gepräge durch das Verabreichen von Getränken und Speisen erhalten und nur gelegentlich dem Automatenspiel der Besucher dienen, während Spielhallen regelmäßig allein um des Spiels Willen aufgesucht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1991 - 1 B 174.90 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 5 S. 5; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89 u.a. - NVwZ 1997, 573 <575> und vom 3. September 2009 - 1 BvR 2384/08 - BVerfGK 16, 162 <175>).

ccc) Das nach dem Vortrag der Klägerin in Berlin bestehende Spielangebot in illegalen Spielstätten - sog. 'Café-Casinos' - kann schon deshalb nicht ihr Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, weil solche Spielstätten denselben rechtlichen Vorschriften unterworfen sind wie Spielhallen, sofern sie die Voraussetzungen eines Unternehmens nach § 1 Abs. 1 und 2 SpielhG BE erfüllen oder dies nach § 1 Abs. 2 Satz 2 SpielhG BE jedenfalls gesetzlich vermutet wird (s.o.)."

30

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Verhältnis zu Spielbanken ist auch in Rheinland-Pfalz nicht gegeben, weil diese im Lebensumfeld potenzieller Spieler nicht in vergleichbarer Weise verfügbar sind wie Spielhallen. § 2 des Spielbankgesetzes Rheinland-Pfalz (Gesetz vom 19. November 1985, GVBl. RP S. 260, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2015, GVBl. RP S. 473) sieht für das gesamte Bundesland sechs Standorte für öffentliche Spielbanken bzw. deren Zweigspielbetriebe vor. Auch in Rheinland-Pfalz ist die Erlaubnis für Spielbanken als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ausgestaltet (§§ 3, 4 Spielbankgesetz RP), sind Spielbanken an das bundesweite Sperrsystem nach §§ 20, 23 GlüStV anzuschließen und entsprechende Einlass- und Identitätskontrollen durchzuführen (§ 3 Abs. 1 bis 3 des Landesverordnung über den Spielbetrieb in öffentlichen Spielbanken - Spielordnung - vom 21. Juli 2008, GVBl. RP S. 135, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Juni 2012, GVBl. RP S. 166). Außerdem findet eine Videoüberwachung u.a. des Spielbetriebes statt (§ 4a Spielordnung).

31

b) aa) Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich auch ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit nach Art. 56, 49 AEUV nicht erkennen. Insoweit nimmt der Senat auf die folgenden Ausführungen in seinem Urteil vom selben Tage im Verfahren BVerwG 8 C 6.15 Bezug:

"Der Gewährleistungsgehalt dieser Grundfreiheiten wäre nur dann eröffnet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorläge (vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand Juli 2016, Art. 45 AEUV Rn. 53 f. m.w.N.). Dafür reicht es nicht aus, dass die Klägerin oder Kunden ihrer Spielhallen hypothetisch von einer unionsrechtlichen Grundfreiheit Gebrauch machen könnten. Weder dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt noch dem Vortrag der Klägerin lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die Klägerin, bei der es sich um eine nach deutschem Recht gegründete juristische Person mit Sitz in Deutschland handelt, die dort ihre Spielhallen betreibt, wegen eines grenzüberschreitenden Bezuges auf die Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit berufen kann. Soweit der Europäische Gerichtshof nationale Regelungen, mit denen das Automatenspiel in stationären Glücksspielstätten eingeschränkt wurde, am Maßstab der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit gemessen hat, war nach dem jeweiligen Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Gerichts ein grenzüberschreitender Sachverhalt jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. nur EuGH, Urteile vom 19. Juli 2012 - C-470/11 [ECLI:EU:C:2012:505], Garkalns - NVwZ 2012, 1162 <1163> und vom 11. Juni 2015 - C-98/14 [ECLI:EU:C:2015:386], Berlington Hungary - ZfWG 2015, 336 <340>).

Selbst wenn unterstellt würde, dass die Klägerin oder ihre Kunden durch die angegriffenen Regelungen in der Wahrnehmung einer unionsrechtlichen Grundfreiheit beschränkt würden, wären diese Regelungen nicht wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot unanwendbar. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass Monopolregelungen nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden dürfen, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt (vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 < 58 ff., 71 ff.> m.w.N.).

Der Europäische Gerichtshof hat das unionsrechtliche Kohärenzgebot für das Glücksspiel in seiner bisherigen Rechtsprechung lediglich im Bereich staatlicher Monopolregelungen für relevant gehalten. Der Senat kann offenlassen, ob es auch in nicht monopolisierten Bereichen des Glücksspielrechts Wirkung entfaltet, soweit eine unionsrechtliche Grundfreiheit berührt ist. Denn es läge hier jedenfalls kein Verstoß gegen die aus ihm abgeleiteten Anforderungen vor. Das monopolspezifische Gebot der Binnenkohärenz hätte für Regelungsbereiche außerhalb eines staatlichen Monopols keine Relevanz. Es bestehen überdies keine Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen lediglich 'scheinheilig' zur Suchtbekämpfung eingeführt worden wären, tatsächlich aber einem anderen - insbesondere fiskalischen - Zweck dienten. Zu ihnen gibt es auch bereichsübergreifend keine gegenläufigen landesgesetzlichen Regelungen oder eine sie konterkarierende Politik, für die zu prüfen wäre, ob sie die Wirksamkeit der für Spielhallen geltenden Einschränkungen beeinträchtigen könnten."

32

Auch für das Land Rheinland-Pfalz ist keine Expansionspolitik in einem Sektor mit gleich hohem wie oder höherem Suchtpotenzial als dem Automatenspiel erkennbar, die der Zielsetzung des Mindestabstandsgebots im Verhältnis zu Einrichtungen für Minderjährige zuwiderliefe. Für die Eröffnung des Gewährleistungsgehalts der genannten Grundfreiheiten ergibt sich aus dem nicht näher konkretisierten Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nichts anderes als in dem zitierten, eine Berliner Spielhallenbetreiberin betreffenden Urteil. Das gilt für das Vorbringen, es sei denkbar, dass sie vom Ausland aus eine Spielhalle betreiben wolle, ebenso wie für den weiteren Vortrag, außerdem werde ihr Angebot wegen der Grenznähe von Spielern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union wahrgenommen. In den für das Revisionsverfahren bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) findet dieser Vortrag keinen Rückhalt. Verfahrensrügen hat die Klägerin auch insoweit nicht erhoben.

33

bb) Die für das Verpflichtungsbegehren der Klägerin entscheidungserhebliche Erteilungsvoraussetzung der Einhaltung des Mindestabstandes zu überwiegend von Minderjährigen besuchten Einrichtungen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LGlüG RP ist schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht aus der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21. Juli 1998 S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006, ABl. L 363 S. 81) unanwendbar. Hierzu nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in seinem Urteil zum Verfahren BVerwG 8 C 6.15, die umfassende landesrechtliche Einschränkungen für Spielhallen in Berlin betrafen:

"Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten der Kommission den Entwurf einer technischen Vorschrift übermitteln und die Kommission über die Gründe der Festlegung der technischen Vorschrift unterrichten. Der Entwurf darf nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung bei der Kommission angenommen werden. Ein Verstoß gegen die Notifikationspflicht führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72], Ince - NVwZ 2016, 369 <372>). Anders als der Glücksspielstaatsvertrag sind die Entwürfe des Spielhallengesetzes ... und des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag des Landes Berlin nicht an die Europäische Kommission übermittelt worden.

Die hier angegriffenen Vorschriften dieser Gesetze unterlagen nicht der Informationspflicht aus Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/34/EG, da sie keine 'technischen Vorschriften' im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 1 der Richtlinie darstellen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sie unter den vier Kategorien von Maßnahmen, die der Begriff 'technische Vorschrift' umfasst (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 [ECLI:EU:C:2016:771], Naczelnik - Rn. 18 m.w.N.), allenfalls den 'sonstigen Vorschriften' im Sinne von Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG zuzuordnen wären. Der Europäische Gerichtshof sieht nationale Vorschriften, die bestimmte Verwendungsmöglichkeiten eines Erzeugnisses nach seinem Inverkehrbringen einschränken, nur dann als notifizierungspflichtige 'sonstige Vorschriften' nach Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG an, wenn sie auf das Erzeugnis selbst bezogen sind und dessen Zusammensetzung, Art oder Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH, Urteile vom 21. April 2005 - C-267/03 [ECLI:EU:C:2005:246], Lindberg - Rn. 62 ff., 95; vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. [ECLI:EU:C:2012:495], Fortuna - NVwZ-RR 2012, 717 <718 Rn. 35 ff.> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 20 ff., 29). Ob die Größe des Marktes für das Erzeugnis durch diesem nicht selbst anhaftende Anforderungen beeinflusst wird, ist dagegen für die Notifizierungspflicht unerheblich (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Die Verwendungsbeschränkung muss sich demnach auf jedes Exemplar des betreffenden Erzeugnisses beziehen und ihm dadurch kraft seiner Beschaffenheit im weiteren Lebenszyklus anhaften. Dies wird auch daran deutlich, dass eine nationale Verwendungsbeschränkung nur dann als 'sonstige Vorschrift' mitteilungspflichtig ist, wenn sie die Nutzungskanäle für das betreffende Erzeugnis verringert (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 <345> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 26). Das ist der Fall, wenn in einem bestimmten Nutzungskanal kein Exemplar des betreffenden Erzeugnisses mehr verwendet werden darf. Dies traf auf die mitgliedstaatlichen Verbote der Verwendung von Spielautomaten außerhalb von Spielcasinos, die der Europäische Gerichtshof als notifizierungspflichtig angesehen hat, zu (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 Rn. 99 und vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. - NVwZ-RR 2012, 717 ). Eine geplante nationale Regelung ist dagegen nicht nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie mitteilungspflichtig, wenn sie den potenziellen Einsatzbereich eines Erzeugnisses lediglich bestimmten Bedingungen unterwirft und ihn damit in einer Weise beschränkt, die nicht für jedes einzelne Exemplar zum Tragen kommt.

Weder die Abstandsgebote zu anderen Spielhallen und sonstigen Einrichtungen noch die Verringerung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen oder sonstige der hier streitgegenständlichen Anforderungen an die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen haften dem Erzeugnis der Spielautomaten als solches an und verringern ihre Nutzungskanäle. Sie führen vielmehr zu einer stärkeren Spreizung zulässiger Spielhallenstandorte im Berliner Stadtgebiet und zu einer verringerten Dichte an Geldspielgeräten innerhalb dieser Spielstätten. Anders als eine Beschränkung des Einsatzes von Glücksspielautomaten außerhalb einer definierten Kategorie stationärer Spielstätten haften sie nicht jedem Exemplar dieser Automaten an, sondern verringern die Größe des Marktes für Spielautomaten und möglicherweise auch deren Wert, was indes für die Frage der Notifizierungspflicht irrelevant ist (EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Auch nach vollständiger Umsetzung der angegriffenen Regelungen im Land Berlin bleibt die Verwendung von Spielgeräten in Spielhallen zulässig, selbst wenn einige Betreiber zur Wahl eines anderen Standortes veranlasst werden und in einer Spielhalle nur eine geringere Zahl von Geräten aufgestellt werden darf."

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des Beigeladenen waren der Klägerin nicht aufzuerlegen, da er sich nicht mit eigenen Anträgen am Kostenrisiko beteiligt hat.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

§ 59a Absatz 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 303-8, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 2840) geändert worden ist, ist mit Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit Rechtsanwälten untersagt wird, sich mit Ärzten und Apothekern zur Ausübung ihrer Berufe zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenzuschließen.

Gründe

A.

1

Der vorlegende Bundesgerichtshof geht von der Verfassungswidrigkeit des § 59a der Bundesrechtsanwaltsordnung (im Folgenden: BRAO) aus, nach dem sich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nur mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern und Steuerberaterinnen, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und Wirtschaftsprüferinnen sowie vereidigten Buchprüfern und vereidigten Buchprüferinnen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse verbinden dürfen.

I.

2

1. Die berufliche Zusammenarbeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer Berufsgruppen ist in § 59a BRAO geregelt und für die dort genannten "sozietätsfähigen Berufe" gestattet.

3

Die Vorschrift lautet in der aktuellen, seit dem 18. Dezember 2007 geltenden Fassung nach Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2840):

§ 59a Berufliche Zusammenarbeit

(1) Rechtsanwälte dürfen sich mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse verbinden. § 137 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung und die Bestimmungen, die die Vertretung bei Gericht betreffen, stehen nicht entgegen. Rechtsanwälte, die zugleich Notar sind, dürfen eine solche Verbindung nur bezogen auf ihre anwaltliche Berufsausübung eingehen. Im Übrigen richtet sich die Verbindung mit Rechtsanwälten, die zugleich Notar sind, nach den Bestimmungen und Anforderungen des notariellen Berufsrechts.

(2) Eine gemeinschaftliche Berufsausübung ist Rechtsanwälten auch gestattet:

1. mit Angehörigen von Rechtsanwaltsberufen aus Staaten, die nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland oder nach § 206 berechtigt sind, sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes niederzulassen und ihre Kanzlei im Ausland unterhalten,

2. mit Patentanwälten, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern oder vereidigten Buchprüfern anderer Staaten, die einen in der Ausbildung und den Befugnissen den Berufen nach der Patentanwaltsordnung, dem Steuerberatungsgesetz oder der Wirtschaftsprüferordnung entsprechenden Beruf ausüben und mit Patentanwälten, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern oder vereidigten Buchprüfern im Geltungsbereich dieses Gesetzes ihren Beruf gemeinschaftlich ausüben dürfen.

(3) Für Bürogemeinschaften gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

4

2. Bereits vor der Einführung des bis heute im Wesentlichen unverändert gültigen § 59a BRAO durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl I S. 2278) leitete die Rechtsprechung insbesondere aus § 43 BRAO in Verbindung mit den damals als maßgebend angesehenen Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts ein weitreichendes Verbot interprofessioneller Zusammenschlüsse für Rechtsanwälte her. Mit Ausnahme einer Zusammenarbeit mit Wirtschaftsprüfern wurde es Rechtsanwälten untersagt, sich mit Angehörigen anderer Berufe zu einer Sozietät oder einer Bürogemeinschaft zusammenzuschließen. Erst als der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 4. Januar 1968 (BGHZ 49, 244) die Zulässigkeit einer Bürogemeinschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern bejaht hatte, wurden die Standesrichtlinien ergänzt und Sozietäten mit Steuerberatern sowie später auch mit Patentanwälten für zulässig erklärt.

5

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschlüssen vom 14. Juli 1987 (BVerfGE 76, 171 ff.; 196 ff.) die Verfassungswidrigkeit weiter Teile des - auf Grundlage der Standesrichtlinien geschaffenen - anwaltlichen Berufsrechts festgestellt hatte, wurde eine umfassende neue gesetzliche Regelung der beruflichen Pflichten und Befugnisse der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nötig. Im Zuge dieser Reform durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 wurde auch die Zulässigkeit interprofessioneller Zusammenschlüsse in § 59a Abs. 1 BRAO gesetzlich geregelt.

6

In dem zugrunde liegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 12/4993, S. 23) wird die in § 59a BRAO getroffene Regelung wie folgt begründet:

Dem vielfältiger gewordenen Berufsbild soll auch bei der Neuordnung des Berufsrechts Rechnung getragen werden. Ausgangspunkt aller Reformüberlegungen muß aber immer sein, daß an der besonderen Mittlerfunktion des Rechtsanwalts im System der Rechtspflege nicht gerüttelt werden darf, weil dem Bürger ein rechtskundiger Berater in Form eines freien und unabhängigen Rechtsanwalts zur Verfügung stehen muß. Um einerseits diese unabdingbare Funktion des Rechtsanwalts zu stützen und andererseits dem gewandelten Verständnis vom Beruf des Rechtsanwalts in der Praxis gerecht zu werden, sind klare Regeln über die berufliche Zusammenarbeit mit anderen Berufen aufzustellen. Dazu soll die Einfügung von Vorschriften dienen, die die gemeinsame Berufsausübung und die Sozietät mit Kollegen und Angehörigen anderer Berufe ausdrücklich regeln. Es handelt sich hier um Berufsausübungsregelungen von erheblichem Gewicht für die Rechtsanwälte und für das Funktionieren des Rechts-, Wirtschafts- und Soziallebens, die durch den Gesetzgeber selbst zu treffen sind. Sozietäten mit Angehörigen anderer Berufe werfen die Frage der "Sozietätsfähigkeit" auf. Diese wird im konkreten Falle dadurch beantwortet, daß die sozietätsfähigen Berufe abschließend aufgezählt werden.

7

3. Eine in neuerer Zeit beabsichtigte Erweiterung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe sollte im Rahmen der Reform des Rechtsberatungsrechts erfolgen und insbesondere einen Zusammenschluss mit Ärztinnen und Ärzten zulassen. Ein Entwurf aus dem Jahr 2006 (BTDrucks 16/3655, S. 15, 83) sah folgende Neufassung des § 59a Abs. 4 BRAO vor:

Rechtsanwälte dürfen ihren Beruf gemeinschaftlich mit Angehörigen vereinbarer Berufe ausüben. Sie dürfen auch im Einzelfall einen Auftrag gemeinsam mit Angehörigen vereinbarer Berufe annehmen oder im Auftrag eines Angehörigen eines vereinbaren Berufs für dessen Vertragspartner Rechtsdienstleistungen erbringen. Sie sind verpflichtet sicherzustellen, dass bei der Zusammenarbeit ihre Berufspflichten eingehalten werden. Ist die Einhaltung der Berufspflichten nicht gewährleistet, muss die Zusammenarbeit unverzüglich beendet werden. Personen, mit denen zusammengearbeitet wird, sind vor Beginn der Zusammenarbeit schriftlich auf die Einhaltung der Berufspflichten zu verpflichten. Bei gemeinschaftlicher Berufsausübung nach Satz 1 sind der Rechtsanwaltskammer die Verpflichtung unter Angabe des Familiennamens und Vornamens, des bei der Zusammenarbeit ausgeübten Berufs und der Geschäftsanschrift der verpflichteten Person sowie die Beendigung der Zusammenarbeit unverzüglich in Textform anzuzeigen.

8

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten künftig gestattet werden, ihren Beruf gemeinschaftlich mit Angehörigen aller Berufe auszuüben, die auch mit der Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts im Sinne der § 7 Nr. 8, § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO vereinbar sind. Wenn Rechtsanwälte selbst "vereinbare" Tätigkeiten als Zweitberuf ausüben könnten und ihr Betätigungsfeld entsprechend ausweiteten, gäbe es keinen Grund, ihnen eine berufliche Zusammenarbeit "mit Professionals" zu untersagen, die dieselbe Tätigkeit ausübten.

9

Das Vorhaben wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses (vgl. BTDrucks 16/6634, S. 1, 54) "angesichts erheblicher Meinungsunterschiede innerhalb der Anwaltschaft" im Laufe des damals aktuellen Gesetzgebungsverfahrens zur Reform des Rechtsberatungsrechts nicht weiterverfolgt, sollte jedoch nicht völlig aufgegeben werden, sondern einem - bisher nicht in die Wege geleiteten - gesonderten Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleiben.

10

4. Vorschriften zur Zusammenarbeit mit anderen Berufen finden sich auch in der auf Grundlage des § 59b Abs. 2 Nr. 8 BRAO für Rechtsanwälte erlassenen Berufsordnung (in der Fassung vom 1. Juli 2015, zuletzt geändert durch Beschluss der Satzungsversammlung vom 10./11. November 2014, BRAK-Mitt. 2015, S. 83; im Folgenden: BORA). Die insoweit einschlägigen Bestimmungen lauten:

§ 30

Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Berufe

Ein Rechtsanwalt darf sich mit Angehörigen anderer nach § 59a Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung sozietätsfähiger Berufe nur dann zu einer gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Sozietät, in sonstiger Weise oder in einer Bürogemeinschaft verbinden, wenn diese bei ihrer Tätigkeit auch das anwaltliche Berufsrecht beachten. Dasselbe gilt für die Verbindung mit Angehörigen anderer nach § 59a Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung sozietätsfähiger Berufe, sofern sie in der Bundesrepublik Deutschland tätig werden.

§ 33

Geltung der Berufsordnung bei beruflicher Zusammenarbeit

(1) Soweit Vorschriften dieser Berufsordnung Rechte und Pflichten des Rechtsanwalts im Hinblick auf die Sozietät als Form der beruflichen Zusammenarbeit vorsehen, gelten sie sinngemäß für alle anderen Rechtsformen der beruflichen Zusammenarbeit.

(2) Bei beruflicher Zusammenarbeit gleich in welcher Form hat jeder Rechtsanwalt zu gewährleisten, dass die Regeln dieser Berufsordnung auch von der Organisation eingehalten werden.

11

5. Berufsordnungen gelten auch für andere Freie Berufe. So haben auch die Ärztekammer Bayern und die Bayerische Landesapothekerkammer aufgrund der ihnen durch das Heilberufe-Kammergesetz (in der Fassung vom 6. Februar 2002; BayGVBl 2002, S. 42) erteilten Ermächtigung jeweils Berufsordnungen für ihre Mitglieder erlassen.

12

In der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Januar 2012, Bayerisches Ärzteblatt Spezial 1/2012 Seite 5 ff.; im Folgenden: BOÄ) finden sich Regelungen zur beruflichen Zusammenarbeit. Während § 23a BOÄ die gemeinsame Berufsausübung mit Angehörigen anderer akademischer Heilberufe oder sonstiger Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen regelt, gestattet § 23b BOÄ den Ärztinnen und Ärzten ausdrücklich die Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Berufe "in allen Rechtsformen", solange keine "Heilkunde am Menschen" ausgeübt wird. Die Formulierung entspricht im Wesentlichen dem Text des § 23c der Muster-Berufsordnung für Ärzte und ist dementsprechend in den meisten Berufsordnungen der Landesärztekammern wortgleich enthalten.

13

Die im Freistaat Bayern geltende Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker (vom 21. Mai 2006 - Pharmazeutische Zeitung vom 22. Juni 2006, S. 2432 ff., geändert am 19. November 2013 - Pharmazeutische Zeitung vom 12. Dezember 2013, S. 4413 und am 16. Mai 2014 - Pharmazeutische Zeitung vom 12. Juni 2014, S. 1950; im Folgenden: BOA) enthält dagegen keine Regelungen zu Zusammenschlüssen mit Angehörigen anderer Berufe.

14

6. Als eine Form der interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft steht Rechtsanwälten und Angehörigen anderer Freier Berufe die Partnerschaftsgesellschaft zur Verfügung. Sie ist im Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz; im Folgenden: PartGG) geregelt. Zu einer Partnerschaftsgesellschaft können sich Angehörige Freier Berufe zusammenschließen, um ihre beruflichen Tätigkeiten gemeinsam auszuüben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PartGG). Allerdings sieht § 1 Abs. 3 PartGG einschränkend vor, dass die Berufsausübung in der Partnerschaft in Vorschriften über einzelne Berufe ausgeschlossen werden kann; das Sozietätsverbot des § 59a Abs. 1 BRAO wird zu diesen Vorschriften gezählt.

II.

15

1. Der Antragsteller zu 1) des Ausgangsverfahrens, ein Rechtsanwalt, und die Antragstellerin zu 2), eine Ärztin und Apothekerin, gründeten eine Partnerschaftsgesellschaft und meldeten diese mit Sitz in H… (Bayern) und mit dem Namen "Dr. iur. W… W. H..., Rechtsanwalt, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. M… V. A…-H…, Ärztin und Apothekerin, interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und des Apothekers" beim zuständigen Amtsgericht zur Eintragung in das Partnerschaftsregister an. Zum Gegenstand der Gesellschaft im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 3 PartGG heißt es in der Anmeldung: "Gegenstand der Partnerschaft ist die Ausübung des selbständigen Berufes des Rechtsanwalts durch den Partner Dr. W… W. H… und der Ärztin und Apothekerin durch die Partnerin Dr. Dr. M… V. A…-H… . Die Partnerin Dr. Dr. M…V. A…-H… wird jedoch nur gutachterlich und beratend tätig; sie übt in der Partnerschaft weder die Heilkunde am Menschen aus, noch betreibt sie in der Partnerschaft eine Apotheke."

16

Das Amtsgericht wies die Anmeldung zurück.

17

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Der Eintragung der Partnerschaftsgesellschaft stehe die abschließende Regelung des § 59a BRAO entgegen, in der die Berufe des Arztes und des Apothekers nicht aufgeführt seien. Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift komme nicht in Betracht. Auch bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Bestimmung, deren grundrechtseinschränkende Wirkung durch vernünftige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sei.

18

2. Der mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde angerufene Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 59a BRAO mit dem Grundgesetz um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nachgesucht. Die Vorlagefrage hat der Bundesgerichtshof wie folgt formuliert:

Ist § 59a Abs. 1 BRAO in der Fassung vom 12. Dezember 2007 mit Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar?

19

a) Zur Begründung der Vorlage hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, die Verfassungsmäßigkeit des § 59a Abs. 1 BRAO sei entscheidungserheblich, weil die zulässige Rechtsbeschwerde Erfolg hätte, wenn § 59a Abs. 1 BRAO insoweit verfassungswidrig wäre, als dieser eine Partnerschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern nicht zulasse. Sie sei dagegen unbegründet, wenn § 59a Abs. 1 BRAO insoweit verfassungsgemäß wäre.

20

Der Rechtsbeschwerde bleibe nicht bereits aus anderen Gründen ohne Rücksicht auf die fragliche Regelung der Erfolg versagt. Bei Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO hätte das Amtsgericht die Partnerschaftsgesellschaft eintragen müssen, weil die formellen und materiellen Eintragungsvoraussetzungen nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz erfüllt seien.

21

§ 59a Abs. 1 BRAO enthalte eine abschließende Aufzählung derjenigen Berufe, mit deren Angehörigen sich ein Rechtsanwalt in einer Berufsausübungsgesellschaft verbinden dürfe, wobei die Berufe der Antragstellerin zu 2) nicht aufgezählt seien. Die abschließende Regelung ergebe sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, dem gesetzgeberischen Willen und dem Sinn der Vorschrift. Eine verfassungs- oder europarechtskonforme erlaubniserweiternde beziehungsweise verbotseinschränkende Auslegung sei ausgeschlossen, weil angesichts des klaren Wortlauts, der Entstehungsgeschichte und des gesetzgeberischen Willens die Grenzen der Auslegung überschritten würden, wolle man die abschließende Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO anders auslegen. Eine erweiternde Auslegung zur Herstellung der Verfassungskonformität sei nicht zulässig. Gleiches gelte für eine eventuell vorzunehmende richtlinienkonforme Auslegung, die ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten finde.

22

b) Das in § 59a Abs. 1 BRAO für Rechtsanwälte enthaltene Verbot, sich beruflich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung mit Ärzten und Apothekern zu verbinden, sei nach Überzeugung des Senats mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar.

23

Die Vorschrift greife in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit ein und erfülle nicht die Voraussetzungen, unter denen eine derartige Berufsausübungsbeschränkung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig sei. Dass das Verbot anerkannten Gemeinwohlzwecken diene und hierfür geeignet sei, könne zwar, wenn auch nicht zweifelsfrei, bejaht werden; nach Überzeugung des Senats sei das Verbot aber zum Schutz der Gemeinwohlzwecke nicht erforderlich.

24

Sinn und Zweck der Regelung des § 59a BRAO sei es, im Interesse einer funktionsfähigen Rechtspflege, insbesondere im Interesse des rechtsuchenden Publikums, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und den besonderen Schutz zu gewährleisten, den das Mandatsverhältnis durch die in § 43a BRAO normierten Grundpflichten des Rechtsanwalts, die flankierenden Straf- und Strafverfahrensvorschriften sowie durch die Aufsicht der Rechtsanwaltskammern erfahre. Bei den das Mandatsverhältnis in diesem Sinne prägenden Pflichten handele es sich insbesondere um die Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO) sowie um das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO). Diese Grundpflichten und das in § 43a Abs. 1 BRAO enthaltene Gebot an den Rechtsanwalt, keine Bindungen einzugehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden, garantierten dem Mandanten, dass ihm als Rechtsuchendem unabhängige Anwälte als berufene Berater und Vertreter gegenüber dem Staat oder gegenüber Dritten zur Seite stünden (§§ 1, 3 BRAO). Diese Gewährleistung der anwaltlichen Unabhängigkeit im Dienste des Mandanten und der spezifische Schutz des anwaltlichen Mandatsverhältnisses im Interesse der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege stellten wichtige Gemeinwohlzwecke dar.

25

Die Beschränkung auf die in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufe könne allerdings schon deshalb als bedenklich anzusehen sein, weil auch Ärzte und Apotheker die Anforderungen an berufliche Verschwiegenheit erfüllten und daher die Eignung der so beschränkten Regelung zur Verfolgung der genannten Gemeinwohlzwecke als fraglich erscheinen könne. Verfassungswidrig sei ein derart weitreichendes Verbot aber jedenfalls, weil es zur Verfolgung des genannten legitimen Gemeinwohlziels - selbst unter Einbeziehung des weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers - nicht erforderlich sei. Für den Schutz des Geheimhaltungsinteresses des Mandanten des Anwalts sei das Verbot nicht erforderlich, weil bei der Berufsausübung von Ärzten und Apothekern gleichfalls ein gesetzlich abgesicherter Schutz gegeben sei. Er entspreche im Umfang demjenigen Schutz, der für die in § 59a Abs. 1 BRAO als sozietätsfähig aufgezählten Berufsgruppen gewährleistet sei. Die ärztliche Schweigepflicht und die Pflicht des Apothekers zur Verschwiegenheit seien, ebenso wie bei den als sozietätsfähig aufgezählten Berufsgruppen, strafbewehrt und flankierend durch die korrespondierenden Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte sowie das korrespondierende Beschlagnahmeverbot (§ 97 StPO) geschützt. Allein das Beweiserhebungs- und Beweisverwendungsverbot in § 160a StPO statuiere für Rechtsanwälte ein höheres Schutzniveau als für Ärzte und Apotheker. Nachdem aber auch die in § 59a Abs. 1 BRAO genannten sozietätsfähigen Berufsgruppen nur den Schutz des § 160a Abs. 2 StPO und damit kein höheres Schutzniveau genössen als die nach § 59a Abs. 1 BRAO nichtsozietätsfähigen Ärzte und Apotheker, sei kein tragfähiger Differenzierungsgrund gegeben.

26

Zur Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts sei das Verbot einer Berufsausübungsgesellschaft mit einem Arzt oder einem Apotheker ebenfalls nicht erforderlich. Das in erster Linie durch persönliche und eigenverantwortliche Dienstleistung charakterisierte Verhältnis zum Mandanten werde durch berufliche Zusammenschlüsse nicht aufgehoben oder wesentlich verändert. Es sei auch nicht ersichtlich, dass in Anwaltsgesellschaften mit Ärzten oder Apothekern gegenüber solchen in § 59a Abs. 1 BRAO aufgeführten Berufsangehörigen eine größere Gefahr für die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts bestünde.

27

Ebenso wenig sei das Verbot erforderlich, um einer gesteigerten Gefahr der Vertretung widerstreitender Interessen zu begegnen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Gefahr allein durch die Beteiligung eines Arztes oder eines Apothekers an der Berufsausübungsgesellschaft mit einem Rechtsanwalt erhöht würde. Es sei zwar möglich, dass die Angehörigen der in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufe typischerweise mit Interessenkollisionen, dem richtigen Umgang mit ihnen und ihrer Vermeidung vertrauter sein dürften als Ärzte und Apotheker. Seien Ärzte und Apotheker aber seltener mit solchen Interessenkollisionen konfrontiert, so sei in gleichem Maße auch die Gefahr geringer, dass sie dem - im Vergleich zu den in § 59a Abs. 1 BRAO aufgeführten Berufsangehörigen - nicht sachgerecht begegnen könnten. Ebenso fehlten Anhaltspunkte dafür, dass Ärzte und Apotheker weniger verlässlich mit Interessenkollisionen umzugehen in der Lage sein sollten als die in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufsträger.

28

Schließlich könne den befürchteten Gefahren durch geeignete mildere Mittel als das absolute Verbindungsverbot begegnet werden. So sei es denkbar, die Aufnahme bestimmter Regelungen zum Umgang mit befürchteten Gefahren in den Gesellschaftsvertrag vorzuschreiben oder Schulungen zum Erkennen von und zum Umgang mit Interessenkollisionen zu verlangen.

29

Auch Eingriffszweck und Eingriffsintensität stünden in keinem angemessenen Verhältnis zueinander. Soweit der Gesetzgeber in Teilbereichen einer Berufsausübungsgesellschaft zwischen Rechtsanwälten und Ärzten oder Apothekern eine Gefährdung von Gemeinwohlbelangen zu erkennen meine, könne dieser wiederum durch mildere Mittel, wie etwa durch Auflagen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Zusammenarbeit, begegnet werden.

30

c) Die Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO sei ferner mit der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Vereinigungsfreiheit und wegen der Ungleichbehandlung von Ärzten und Apothekern gegenüber den sozietätsfähigen Berufsträgern auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

III.

31

Dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, vertreten durch das Bundeskanzleramt, dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dem Bundesministerium des Inneren, den Landesregierungen, der Bundesrechtsanwaltskammer, dem Deutschen Anwaltverein e.V., der Wirtschaftsprüferkammer, dem Institut der Wirtschaftsprüfer e.V., dem Verband für mittelständische Wirtschaftsprüfung (wp.net e.V.), der Bundesärztekammer, der Bayerischen Landesärztekammer, der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und der Bayerischen Landesapothekerkammer sowie den Antragstellern im Ausgangsverfahren wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

32

1. Die Bayerische Staatsregierung ist der Auffassung, § 59a Abs. 1 BRAO sei mit dem Grundgesetz vereinbar; insbesondere genüge die Vorschrift entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Frage der Erforderlichkeit ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zustehe, der vorliegend nicht überschritten sei. Die Beschränkung interprofessioneller Sozietäten sei Ausfluss der besonderen Stellung des Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege. Den hieraus erwachsenden besonderen Rechten und Pflichten des Rechtsanwalts werde durch eine Ausweitung der sozietätsfähigen Berufe nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Aufgaben und Rechte von Ärzten und Apothekern seien mit denen eines Rechtsanwalts nicht vergleichbar. Es stelle sich zudem die Frage, welche Kammer die Einhaltung des Berufsrechts überwachen solle. Auch seien die Verschwiegenheitspflichten der Berufsgruppen nicht deckungsgleich. Zur Sicherung der Unabhängigkeit der Rechtsanwälte sei eine Begrenzung sozietätsfähiger Berufe erforderlich. Nur so könne eine mögliche Einflussnahme Dritter so gering wie möglich gehalten werden. Schließlich bestehe kein Bedürfnis für eine gemeinschaftliche Berufsausübungsgesellschaft zwischen Rechtsanwälten und Ärzten. Die bestehende Möglichkeit einer Kooperation sei ausreichend.

33

2. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Vorlage für unzulässig, weil sich der Bundesgerichtshof nur unzureichend mit der Rechtsprechung und Literatur zu § 59a Abs. 1 BRAO auseinandergesetzt habe. Im Übrigen sei § 59a Abs. 1 BRAO verfassungsmäßig. Zwar werde in Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Der Eingriff sei jedoch verhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Sinn und Zweck der Regelung sei es, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und den besonderen Schutz zu gewährleisten, den das Mandatsverhältnis durch die berufsrechtlichen Pflichten des Rechtsanwalts und die damit einhergehenden Straf- und Strafverfahrensvorschriften sowie durch die Aufsicht der Rechtsanwaltskammer erfahre.

34

3. Hingegen verweisen die Bayerische Landesärztekammer und die Bundesärztekammer auf § 23b BOÄ und die zugrunde liegende Bestimmung in § 23c der Muster-Berufsordnung, die von den meisten Landesärztekammern wortgleich in ihren Berufsordnungen umgesetzt worden sei. Eine Umfrage der Bundesärztekammer unter den Landesärztekammern habe allerdings ergeben, dass keine Partnerschaften zwischen Ärzten und Rechtsanwälten bekannt seien.

35

4. Auch die Bayerische Landesapothekerkammer sieht keine berufsrechtlichen Bedenken gegen eine Zusammenarbeit von Apothekern mit Rechtsanwälten. Die hier beabsichtigte Konstellation der Zusammenarbeit sei aber bislang noch nicht in Erscheinung getreten.

36

5. Die Wirtschaftsprüferkammer und das Institut der Wirtschaftsprüfer verweisen auf das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer und führen aus, dass deren Berufsrecht im Vergleich zu § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO weiter gefasst sei. Nach § 44b Abs. 1 WPO dürften Wirtschaftsprüfer ihren Beruf mit allen natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften ausüben, die der Berufsaufsicht der Kammer eines Freien Berufs unterlägen und ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 StPO hätten. Nach Mitteilung des Instituts der Wirtschaftsprüfer sei eine gemeinsame Berufsausübung von Wirtschaftsprüfern und Ärzten in der Praxis anzutreffen, allerdings habe man keine Erkenntnisse über die genaue Anzahl derartiger Zusammenschlüsse.

37

6. Der Deutsche Anwaltverein e.V. hält den Vorlagebeschluss für begründet. § 59a Abs. 1 BRAO greife in unverhältnismäßiger Weise in Art. 12 Abs. 1 GG ein. Zwar verfolge die Vorschrift einen legitimen Gemeinwohlzweck. Sie sei jedoch zur Erreichung dieses Ziels weder geeignet noch erforderlich und angemessen. Angehörige anderer Freier Berufe unterlägen ihrerseits berufsrechtlichen Anforderungen und flankierenden Schutzvorschriften zu Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechten sowie Beschlagnahmeverboten, die sich nicht wesentlich von denen unterschieden, denen der Rechtsanwalt unterliege. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die anwaltliche Unabhängigkeit durch eine berufliche Zusammenarbeit mit Vertretern dieser Freien Berufe gefährdet sei. Außerdem dürfe nicht unterstellt werden, dass ein Rechtsanwalt die Möglichkeit beruflicher Zusammenarbeit mit anderen Freien Berufen dazu nutze, sich unzulässigen Bindungen zu unterwerfen. Ebenso wenig sei zu unterstellen, ein Arzt oder Apotheker beabsichtige, in unzulässiger Weise auf die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts einzuwirken. Milderes Mittel gegenüber einem Verbot seien daher berufsrechtliche Regelungen zur Zusammenarbeit. Schließlich sei § 59a Abs. 1 BRAO gleichheitswidrig. Unter dem Gesichtspunkt der Sicherung anwaltlicher Unabhängigkeit bestehe kein sachlicher Grund, Ärzte und Apotheker hinsichtlich der Sozietätsfähigkeit anders zu behandeln.

38

7. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände sieht keine apothekenrechtlichen Bedenken gegen Partnerschaften zwischen Apothekern und Rechtsanwälten. Das Apothekengesetz erfasse nur den Betrieb von Apotheken und stehe einer interprofessionellen Zusammenarbeit, bei der ausdrücklich keine Apotheke betrieben werden solle, nicht entgegen. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 59a BRAO würden die Bedenken des Bundesgerichtshofs indes nicht geteilt. Insbesondere sei es von seinem Einschätzungs- und Prognosespielraum gedeckt, dass der Gesetzgeber bei der Auswahl der sozietätsfähigen Berufe in § 59a BRAO einen typisierenden Ansatz gewählt habe.

B.

39

Die Vorlagefrage bedarf der Einschränkung.

40

Sie ist auf den entscheidungserheblichen Teil der zur Prüfung gestellten Norm zu beschränken (vgl. BVerfGE 80, 354 <357> m.w.N.; stRspr). Für die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung steht die Verfassungsmäßigkeit des § 59a Abs. 1 BRAO nicht schlechthin, sondern nur insoweit in Frage, als die Vorschrift einer interprofessionellen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern entgegensteht. Maßgeblich ist überdies nicht jegliche Form der beruflichen Zusammenarbeit, sondern nur, ob und inwieweit § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO der Gründung einer Partnerschaftsgesellschaft (§ 1 Abs. 1 PartGG) zwischen Angehörigen der genannten Berufsgruppen entgegensteht. Die vom Bundesgerichtshof formulierte Vorlagefrage, die die Verfassungsmäßigkeit des § 59a Abs. 1 BRAO in seiner umfassenden Begrenzung jeglicher interprofessionellen Zusammenarbeit auf die sozietätsfähigen Berufe zum Gegenstand hat, ist daher zu weit gefasst und in zweifacher Hinsicht einzuschränken: hinsichtlich der betroffenen Berufe auf die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern sowie hinsichtlich der Form der Zusammenarbeit auf die Partnerschaftsgesellschaft.

C.

I.

41

Die eingeschränkte Vorlage ist zulässig (Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, §§ 80 ff. BVerfGG).

42

Nicht nur die Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung vorgelegten gesetzlichen Regelung, sondern auch die Überzeugung des vorlegenden Gerichts von ihrer Verfassungswidrigkeit sind in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise dargelegt (vgl. BVerfGE 132, 360 <366 ff.> m.w.N.). Das vorlegende Gericht ist zudem hinreichend auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung eingegangen. Die hierbei von ihm zugrunde gelegte Rechtsauffassung, wonach § 59a Abs. 1 BRAO eine abschließende Regelung der sozietätsfähigen Berufe enthalte, ist schon angesichts der Gesetzgebungsmaterialien (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte, BTDrucks 12/4993, S. 23, wonach "die sozietätsfähigen Berufe abschließend aufgezählt" sein sollen) naheliegend, jedenfalls aber keineswegs unhaltbar und damit für die Prüfung im Vorlageverfahren maßgebend (vgl. BVerfGE 131, 1 <15> m.w.N.; stRspr).

II.

43

§ 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO ist mit Art. 12 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar, als die Regelung einer Verbindung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit Ärztinnen und Ärzten sowie mit Apothekerinnen und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft entgegensteht.

44

1. Zu der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten freien Berufsausübung zählt auch die Freiheit, den Beruf gemeinsam mit Angehörigen anderer Berufe auszuüben (vgl. BVerfGE 80, 269 <278>; 108, 150 <165>). Ein Sozietätsverbot, wie es hier zur verfassungsrechtlichen Überprüfung steht, greift daher in die Freiheit der Berufsausübung ein (vgl. BVerfGE 80, 269 <278>).

45

Durch § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO wird die gemeinschaftliche Berufsausübung von Rechtsanwälten sowohl mit Ärzten als auch mit Apothekern untersagt. Nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung durch das vorlegende Gericht enthält die Norm eine abschließende Aufzählung der sozietätsfähigen Berufe, bedeutet mithin für die dort nicht aufgeführten Berufe der Ärzte und der Apotheker ein Sozietätsverbot. Dieses steht auch einer Zusammenarbeit in der hier angestrebten Form einer Partnerschaftsgesellschaft entgegen. Die gemeinsame Berufsausübung in einer solchen Gesellschaft kann nach § 1 Abs. 3 PartGG "in Vorschriften über einzelne Berufe" ausgeschlossen sein, zu denen insbesondere das Sozietätsverbot für den Anwaltsberuf nach § 59a Abs. 1 BRAO gezählt wird (vgl. Zimmermann, in: Michalski/Römermann, PartGG, 4. Aufl. 2014, § 1 Rn. 164 f. m.w.N.). Ob es mit Blick auf die Nachfrage von Seiten der Rechtsuchenden einen "hinreichenden Bedarf" für derartige Partnerschaften gibt (insoweit zweifelnd Singer, DStR 2013, S. 1856 <1859>), ist für den Schutz der Berufsfreiheit unerheblich. Für die Ausübung eines Berufes im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG genügt jedenfalls eine Beschäftigung, die auf Erwerb lediglich gerichtet ist (vgl. BVerfGE 97, 228 <253>).

46

2. Der Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

47

In das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit (stRspr; vgl. nur BVerfGE 7, 377 <402>; 103, 172 <183>; 135, 90 <111 Rn. 57>) darf nur auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden (stRspr; vgl. nur BVerfGE 94, 372 <389 f.>; 103, 1 <10>; 126, 112 <139, 144>; 135, 90 <111 Rn. 57>). Hier ist mit dem Sozietätsverbot aus § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO zwar eine ausreichende gesetzliche Grundlage gegeben (a), und der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Regelung auch einen legitimen Zweck (b); die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs sind indessen nicht erfüllt. Ungeachtet der Frage seiner Eignung ist der vorliegend zu prüfende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele teilweise schon nicht erforderlich und im Übrigen zumindest nicht angemessen (c).

48

a) Gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG dürfen Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf der Grundlage einer hinreichend erkennbaren Regelung erfolgen, aus der sich die gesetzgeberische Entscheidung über den Umfang und die Grenzen des Eingriffs ergibt (vgl. BVerfGE 54, 237 <245 f.>; 86, 28 <40>). Diese Voraussetzungen erfüllt § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO. Mit dieser Vorschrift ist der Kreis der sozietätsfähigen Berufe ausdrücklich und abschließend benannt, so dass es im Umkehrschluss Rechtsanwälten untersagt ist, sich mit Angehörigen der übrigen, nicht genannten Berufsgruppen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zu verbinden.

49

b) Mit dem Eingriff in die freie Berufsausübung durch Begrenzung der sozietätsfähigen Berufe verfolgt der Gesetzgeber einen legitimen Zweck. Die Vorschrift soll die Beachtung der wesentlichen anwaltlichen Grundpflichten aus § 43a BRAO sichern und damit zu einer funktionsfähigen Rechtspflege beitragen.

50

aa) Den Normzweck des § 59a BRAO benennt die Begründung des Gesetzentwurfs nur allgemein dahin, dass "gesetzliche Regeln der Zusammenarbeit von Rechtsanwälten untereinander und mit Angehörigen anderer Berufsgruppen auf örtlicher, überörtlicher und internationaler Ebene" geschaffen werden sollen (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte, BTDrucks 12/4993, S. 33). Hinsichtlich des Ausschlusses der interprofessionellen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit anderen als den genannten Freien Berufen enthält die Begründung zwar keine näheren Angaben zum beabsichtigten Regelungsziel. Bei der Einzelbegründung zum hier nicht prüfungsgegenständlichen Absatz 4 des § 59a BRAO a.F. (jetzt § 59a Abs. 3 BRAO), wonach die Regelung der Sozietätsverbote für Bürogemeinschaften entsprechend gelten soll, wird aber konkret als Ziel formuliert, dass "die mit dem Rechtsanwalt tätigen Angehörigen anderer Berufe in gleicher Weise wie der Rechtsanwalt der Verschwiegenheitspflicht und den damit korrespondierenden Aussageverweigerungsrechten und Beschlagnahmeverboten unterfallen" sollen. Gewährleistet sei dies bei den genannten sozietätsfähigen Berufen, "die zudem der Aufsicht durch ihre eigenen Berufskammern, durch gleichfalls verpflichtete Kollegen also, unterliegen" (BTDrucks 12/4993, S. 34). Dieser Gedanke trägt erst recht für die Regelung des § 59a Abs. 1 BRAO zur interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft; denn bei dieser ist die Zusammenarbeit nicht auf die gemeinsame Nutzung der Betriebsmittel beschränkt und damit enger und intensiver als bei einer bloßen Bürogemeinschaft.

51

Mit der Wahrung der Verschwiegenheitspflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO) ist zwar nur eine der Grundpflichten des anwaltlichen Berufsrechts angesprochen. Da sich aber für eine bewusste Beschränkung allein auf den Schutz der Verschwiegenheit kein tragfähiger Grund erkennen lässt, ist mit dem vorlegenden Bundesgerichtshof der Ansatz des Gesetzgebers dahin zu verallgemeinern, dass die Regelung in § 59a BRAO insgesamt das Ziel verfolgt, die Beachtung der anwaltlichen Grundpflichten zu sichern, die durch eine interprofessionelle Zusammenarbeit in besonderer Weise gefährdet sein können. Damit ist neben der Pflicht zur Verschwiegenheit, die durch die Strafbewehrung von Verstößen sowie durch Aussage- und Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmeverbote flankiert wird, das ebenso in Teilen strafbewehrte Verbot angesprochen, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO), sowie ferner die Pflicht, keine die berufliche Unabhängigkeit gefährdenden Bindungen einzugehen (§ 43a Abs. 1 BRAO).

52

bb) Um den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen zu können, genügt es, wenn die vom Gesetzgeber verfolgten Gemeinwohlziele auf vernünftigen Erwägungen beruhen (stRspr; vgl. nur BVerfGE 117, 163 <182>; 123, 186 <238> m.w.N.). Diese Voraussetzung ist hier schon mit Blick auf das den geschilderten Einzelzwecken übergeordnete Allgemeininteresse an einer funktionierenden Rechtspflege zu bejahen. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte können ihre Aufgaben der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten nur dann sachgerecht erfüllen, wenn zwischen ihnen und den Mandanten ein Vertrauensverhältnis besteht. Damit sich ein solches Vertrauen einstellen kann und erhalten bleibt, sind die anwaltlichen Grundpflichten zu beachten. Über den Schutz des individuellen Mandatsverhältnisses hinaus dient die Vorschrift aber auch dem Gemeinwohl in Gestalt einer funktionierenden Rechtspflege, die insbesondere auf die Geradlinigkeit anwaltlicher Berufsausübung angewiesen ist (vgl. BVerfGE 108, 150 <161>).

53

c) Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, dass ein grundrechtseinschränkendes Gesetz geeignet, erforderlich und angemessen sein muss, um den vom Gesetzgeber erstrebten Zweck zu erreichen. In diesem Sinne geeignet ist ein Gesetz, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann; es ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können (stRspr; vgl. nur BVerfGE 30, 292 <316>; 67, 157 <173, 176>). Angemessen ist eine gesetzliche Regelung schließlich dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs, dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird (stRspr; vgl. nur BVerfGE 51, 193 <208>; 83, 1 <19>).

54

aa) Für das vom Gesetzgeber in den Vordergrund gestellte Ziel der Sicherstellung der anwaltlichen Verschwiegenheitsverpflichtung (<1>) ist das Sozietätsverbot mit Ärzten und Apothekern in weiten Bereichen nicht erforderlich (<2>), während sich im Übrigen der damit verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit als unangemessen erweist (<3>). Auch zum Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit durch die flankierenden Rechte zur Zeugnisverweigerung (<4>), durch die Beschlagnahmeverbote (<5>) und durch die Beschränkung weiterer Ermittlungsmaßnahmen (<6>) fehlt es teilweise schon an der Erforderlichkeit, im Übrigen aber jedenfalls an der Angemessenheit des Eingriffs in die freie Berufsausübung.

55

(1) Die Verpflichtung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Verschwiegenheit zählt nach § 43a Abs. 2 BRAO zu den ihren Beruf prägenden Pflichten (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte, BTDrucks 12/4993, S. 27). Diese Pflicht ist Grundlage des notwendigen Vertrauensverhältnisses zum Mandanten und bezieht sich auf alles, was in Ausübung des Anwaltsberufs bekanntgeworden ist (§ 43a Abs. 2 Satz 2 BRAO). Die Einhaltung der anwaltlichen Pflicht zur Verschwiegenheit ist nach Maßgabe des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbewehrt.

56

Bei der beruflichen Zusammenarbeit mit anderen Personen erweitert sich zwangsläufig der Kreis derjenigen, die von Umständen erfahren oder zumindest Kenntnis erlangen können, hinsichtlich derer anwaltliche Verschwiegenheit einzuhalten ist. Die damit verbundenen Gefahren für die Wahrung der Verschwiegenheit mögen gering erscheinen, soweit sich die gemeinsame Berufsausübung auf Angehörige des Anwaltsberufs beschränkt. Bei einer berufsübergreifenden Zusammenarbeit kann das Geheimhaltungsinteresse der Mandanten wegen der selbst für Freie Berufe nicht zwingend gleich strengen und auf jeweils andere Aspekte gerichteten Verpflichtungen zur Verschwiegenheit indessen stärker gefährdet sein. Angesichts dieser spezifischen Gefährdungen der Mandanteninteressen, die sich aus der Zusammenarbeit eines Rechtsanwalts mit anderen Berufen ergeben können, ist der Gesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert, solche Berufe von der gemeinschaftlichen Ausübung auszuschließen, für die ein ausreichendes Maß an Verschwiegenheit nicht gesichert erscheint. Diesem Ansatz folgend hat der Gesetzgeber nur bei den in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufen solche Defizite der jeweiligen Verschwiegenheitspflichten nicht zugrunde gelegt und sie daher als sozietätsfähig zugelassen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte, BTDrucks 12/4993, S. 34 für die Bürogemeinschaft).

57

(2) Der hiernach erfolgte Ausschluss von Ärzten und Apothekern aus dem Kreis der sozietätsfähigen Berufe ist jedoch regelmäßig schon nicht erforderlich, um das Geheimhaltungsinteresse der Mandanten zu sichern, und vermag in einer Vielzahl von Fällen den Eingriff in die Berufsfreiheit nicht zu rechtfertigen.

58

(a) Ein Rechtsanwalt verletzt nicht schon durch die Weitergabe mandatsrelevanter Informationen an seine nichtanwaltlichen Partner die berufliche Verschwiegenheitspflicht. Die Unterrichtung der nichtanwaltlichen Partner wird im Gegenteil bei einer interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft geradezu vorausgesetzt, ist sie doch den Mandanten bekannt und von ihnen im Zweifel - wegen der Vorteile einer Bearbeitung durch interprofessionell verbundene Berufsträger - auch gewollt. Ein Mandant, der eine interprofessionelle Sozietät mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt, wird regelmäßig nicht nur damit einverstanden sein, sondern sogar erwarten, dass sein Anliegen nicht nur durch die anwaltlichen Partner, sondern bei Bedarf berufsübergreifend von mehreren Angehörigen unterschiedlicher Berufsgruppen besprochen und betreut wird.

59

(b) Aber auch zum Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit vor einer Offenbarung von Kenntnissen an außenstehende Dritte ist ein Sozietätsverbot für eine Partnerschaft zwischen Anwälten und Ärzten oder Apothekern zumindest in weiten Bereichen nicht erforderlich.

60

(aa) Aufgrund der für sie maßgeblichen Regelungen sind auch Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker gleich den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet. Auch die unbefugte Offenbarung eines fremden Geheimnisses ist gemäß dem Katalog des § 203 Abs. 1 StGB nicht nur für die unter Nr. 3 genannten Rechtsanwälte, sondern in gleicher Weise nach Nr. 1 für Ärzte und Apotheker strafbar. Zudem schreibt hier die maßgebliche Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Bayern - in Übereinstimmung mit der Muster-Berufsordnung und inhaltsgleichen Bestimmungen in den anderen Ländern - unter § 9 Abs. 1 Satz 1 BOÄ vor, dass die Ärztin oder der Arzt über das, was ihnen in ihrer beruflichen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist, - auch über den Tod des Patienten hinaus - zu schweigen haben.

61

Gerichtet ist die Verschwiegenheitspflicht an Ärztinnen und Ärzte. Diese Berufsbezeichnung dürfen nach Maßgabe des § 2a der Bundesärzteordnung (BÄO) nur solche Berufsträger führen, die als Ärztinnen und Ärzte approbiert oder nach § 2 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 4 BÄO zur Ausübung des ärztlichen Berufs befugt sind. Die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes setzt nicht voraus, dass die Heilkunde in Form der Heilbehandlung am Menschen ausgeübt wird, sondern umfasst die gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit der Ärztin oder des Arztes für Patientinnen und Patienten in gleicher Weise. Dies folgt aus der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden und damit für den Senat maßgeblichen Rechtsprechung der Fachgerichte (vgl. BGHZ 40, 288 <293 f.>; BGHSt 38, 369 <370>), die auch dem Vorlagebeschluss zugrunde liegt.

62

Die ärztliche Schweigepflicht gilt umfassend für alle nicht allgemein bekannten Tatsachen, die dem Berufsträger in seiner Eigenschaft als Arzt anvertraut oder sonst bekannt werden (vgl. Sobotta, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, § 9 MBO Rn. 2; Scholz, in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, § 9 MBO Rn. 2; Lippert, in: Ratzel/Lippert, MBO, 6. Aufl. 2015, § 9 Rn. 4). Sie schützt die Gesamtheit der Angaben des Patienten über seine persönliche, familiäre, wirtschaftliche, berufliche, finanzielle, kulturelle und sonstige soziale Situation sowie seine darüber preisgegebenen Ansichten und Reflexionen. Anknüpfungspunkt der Schweigepflicht ist, dass die jeweiligen Informationen dem Arzt gerade als solchem, also in gewolltem oder zumindest faktischem Bezug zu seiner Berufsausübung zugänglich gemacht worden sind. Rein private, bei gesellschaftlicher Gelegenheit in Erfahrung gebrachte Daten unterfallen hingegen nicht der ärztlichen Schweigepflicht (vgl. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 7. Aufl. 2015, S. 307 Rn. 12).

63

Geschützt sind danach nicht nur persönliche, private oder intime Umstände, sondern auch Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse von Patientinnen und Patienten. Insoweit ist wiederum allein die berufsbezogene Kenntnisnahme maßgeblich, die auch aus der gemeinsamen Berufsausübung mit dem Anwaltssozius entstehen kann. Da eine berufsspezifische Konnexität nicht voraussetzt, dass ein Umstand unmittelbar vom Mandanten anvertraut oder offenbart wird, reicht es zur Begründung seiner Verschwiegenheitspflicht aus, wenn die Ärztin oder der Arzt ihr Wissen nicht direkt erlangen, sondern über ihre anwaltlichen Partner bei der beruflichen Zusammenarbeit.

64

(bb) Für die berufliche Verschwiegenheitspflicht von Apothekerinnen und Apothekern gilt all dies entsprechend.

65

Für Bayern regelt § 14 Abs. 1 Satz 1 BOA, dass Apothekerinnen und Apotheker "zur Verschwiegenheit über alle Vorkommnisse verpflichtet" sind, die ihnen "in Ausübung" ihres Berufes bekannt werden. Weitgehend damit übereinstimmende Vorschriften finden sich der Sache nach in den Berufsordnungen der anderen Länder. Die Verschwiegenheitspflicht ist wiederum an den Beruf, hier an die berufliche Tätigkeit als Apothekerin oder Apotheker, geknüpft. Auch hier ist der Tätigkeitsbereich weit gefasst; denn nach § 2 Abs. 3 der Bundes-Apothekerordnung (im Folgenden: BApO) ist die Ausübung des Apothekerberufs - der grundsätzlich die Approbation nach § 3 BApO erfordert - nicht auf die Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln beschränkt, sondern umfasst jede Form einer pharmazeutischen Tätigkeit. Auch wenn in einer interprofessionellen Partnerschaft keine Apotheke betrieben wird - und nach dem einschlägigen Berufsrecht auch nicht betrieben werden darf -, bleiben danach für eine berufliche Tätigkeit als Apothekerin oder Apotheker im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten genügend Felder, wie etwa bei der pharmazeutischen Beratung aus Anlass von Haftungsmandaten.

66

Für Gegenstand und Umfang der Verschwiegenheitspflicht ist - nicht anders als bei ärztlicher Tätigkeit - auch für Apothekerinnen und Apotheker das Anvertrauen oder Bekanntwerden von Umständen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit maßgeblich. Ist in diesem Sinne die berufsspezifische Konnexität gegeben, so haben Apotheker bei gemeinsamer Berufsausübung mit Rechtsanwälten insbesondere über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse ebenso berufliche Verschwiegenheit zu wahren wie über Umstände des Auftraggebers, die ihnen nicht direkt, sondern mittelbar über die anwaltlichen Partner bei der beruflichen Zusammenarbeit anvertraut werden.

67

(3) Soweit ein nichtanwaltlicher Partner im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit eines Anwaltspartners Kenntnisse erlangt, die ihm nicht bei der Berufsausübung als Arzt oder Apotheker anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, besteht für ihn zwar keine eigene berufliche Verschwiegenheitspflicht. Gleichwohl ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht mehr gewahrt, wenn das Sozietätsverbot aus § 59a BRAO allein darauf gestützt wird.

68

(a) Der Eingriff in die freie Berufsausübung durch das Sozietätsverbot hat erhebliches Gewicht. Gerade bei der Einschränkung der Zusammenarbeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit anderen Berufen zeigt sich dies in besonderem Maße; denn die begrenzte Überschaubarkeit und zunehmende Komplexität moderner Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse haben zur Folge, dass Rechtsfragen oft nicht ohne professionellen Sachverstand aus anderen Berufen ausreichend beantwortet werden können und die Nachfrage nach kombinierten interprofessionellen Dienstleistungen wächst. Für eine qualifizierte Beratung und Vertretung der Rechtsuchenden, aber auch für den wirtschaftlichen Erfolg einer Anwaltskanzlei kann es daher entscheidend sein, anwaltliche Hilfe in spezialisierten Bereichen anzubieten und sich mit Angehörigen hierfür geeigneter Berufe zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenzuschließen. Im Unterschied zu einer Zusammenarbeit nur in konkreten einzelnen Fällen ermöglicht ein solch dauerhafter Zusammenschluss eine gemeinsame Außendarstellung und damit auch Vorteile beim Angebot der berufsübergreifenden Leistungen. Dass hierbei auch wirtschaftliche Ziele Bedeutung erlangen, schmälert das Gewicht des Eingriffs eines an die Rechtsanwaltschaft gerichteten Sozietätsverbots nicht. Als Angehörige eines Freien Berufs tragen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte das volle wirtschaftliche Risiko ihrer beruflichen Tätigkeit, so dass kommerzielles Denken mit dem Anwaltsberuf nicht schlechthin unvereinbar ist (vgl. BVerfGE 117, 163 <183> m.w.N.).

69

(b) Mit dem Interesse derjenigen, die die Leistungen der Sozietät in Anspruch nehmen, an der Wahrung der Verschwiegenheit über ihre persönlichen Umstände oder geschäftlichen Geheimnisse steht dem Eingriff zwar ein schützenswerter Belang von Gewicht gegenüber, den der Gesetzgeber durch grundlegende Verschwiegenheitspflichten, aber auch durch Ausschluss einer beruflichen Zusammenarbeit zu wahren versucht, falls er in einer solchen zusätzliche Gefährdungen der Verschwiegenheit sieht (vgl. oben C. II. 2. c aa <1>). Diese zusätzliche Gefahr ist jedoch gering und kann den erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit im Ergebnis nicht rechtfertigen. Dies entspricht der vom Gesetzgeber für vergleichbare Konstellationen getroffenen Bewertung. Bei den in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufen hat der Gesetzgeber solche zusätzlichen Gefährdungen nicht zugrunde gelegt und sie daher für eine gemeinsame Berufsausübung mit Rechtsanwälten zugelassen. Auch bei der Zusammenarbeit mit den hiernach als sozietätsfähig anerkannten Berufen sind aber Situationen nicht ausgeschlossen, in denen der berufsfremde Partner von Umständen Kenntnis erlangt, die zwar der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, nicht aber seiner eigenen beruflichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit insbesondere als Patentanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer unterfallen. So ist etwa denkbar, dass er von Umständen eines Mandanten im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des anwaltlichen Partners erfährt, die ihm nicht selbst aufgrund seines Berufes anvertraut wurden. Dass es in dieser Hinsicht an einer Verschwiegenheitspflicht des nichtanwaltlichen Partners fehlt, nimmt die gesetzliche Regelung hin und lässt eine Berufsausübungsgemeinschaft gleichwohl zu. Auf diese Weise trägt die uneingeschränkte Zulassung der genannten Berufe zur gemeinsamen Ausübung auch den grundrechtlich geschützten Interessen der Berufsträger und der Angemessenheit des ihre Berufsfreiheit beschränkenden Sozietätsverbots Rechnung. Dies gilt für die Zusammenarbeit mit Ärzten und Apothekern genauso wie für die Zusammenarbeit mit den in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufen. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Gefährdungspotential bei der Zusammenarbeit mit Ärzten und Apothekern höher wäre.

70

(c) Es kommt hinzu, dass für die Wahrung der anwaltlichen Verschwiegenheit von einer Beachtung der weiteren berufsrechtlichen Pflichten für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gemäß § 30 Satz 1, § 33 BORA ausgegangen werden kann. Hiernach ist bei Verbindung zu einer gemeinschaftlichen Berufsausübung zunächst gemäß § 30 Satz 1 BORA dafür Sorge zu tragen, dass auch die berufsfremden Partner das anwaltliche Berufsrecht beachten. Nach § 33 Abs. 2 BORA ist bei einer solchen beruflichen Zusammenarbeit ferner zu gewährleisten, dass die Regeln der Berufsordnung, zu denen die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 2 BORA zählt, auch "von der Organisation" eingehalten werden. Somit kann nicht nur aus § 30 Satz 1 BORA die Verpflichtung hergeleitet werden, den nichtanwaltlichen Partner etwa vertraglich an die Bestimmungen der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht zu binden (vgl. Scharmer, in: Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl. 2012, § 30 BORA Rn. 23; Henssler, in: Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl. 2014, § 30 BORA Rn. 5; vgl. auch Brüggemann, in: Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, 9. Aufl. 2016, § 30 BORA Rn. 3 f.). Vielmehr verpflichtet § 33 Abs. 2 BORA auch dazu, aktiv Einfluss auf das kollektive Verhalten der Partnerschaft zu nehmen, um Verstöße gegen die Berufsordnung und damit gegen die dort geregelte Verschwiegenheitspflicht (§ 2 BORA) zu verhindern (vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl. 2014, § 33 BORA Rn. 13; Scharmer, in: Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl. 2012, § 33 BORA Rn. 28; Bormann, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 59a BRAO/§ 33 BORA Rn. 11). Auf dieser Grundlage können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte daher gehalten sein, an die Partnerschaft gerichtete Mandate, bei denen sie die Verletzung ihrer eigenen Verschwiegenheitspflicht durch den nichtanwaltlichen Partner befürchten müssen, abzulehnen. Die rechtliche Möglichkeit hierzu kann ihnen selbst der Partnerschaftsvertrag nicht entziehen; denn durch die zwingende Regelung in § 6 PartGG ist die Gestaltungsfreiheit der Partner insoweit eingeschränkt, als sich der Partnerschaftsvertrag zu den berufsrechtlichen Pflichten jedes einzelnen Partners nicht in Widerspruch setzen darf (vgl. Hirtz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 6 PartGG Rn. 2).

71

(4) Zur Sicherung der anwaltlichen Zeugnisverweigerungsrechte () ist ein Verbot einer Partnerschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern ebenfalls weitgehend nicht erforderlich (), zumindest aber unangemessen ().

72

(a) Das Recht der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, in gerichtlichen Verfahren das Zeugnis verweigern zu dürfen, dient flankierend dem Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Mandanten und dem darauf gestützten Vertrauensverhältnis (vgl. BVerfGE 38, 312 <323>). Regelungen hierzu finden sich in den einschlägigen Verfahrensordnungen. So sind Rechtsanwälte in Strafverfahren gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO berechtigt, über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwalt anvertraut oder bekannt geworden ist, das Zeugnis zu verweigern. Im Zivilprozess und aufgrund des Generalverweises in § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren folgt ein entsprechendes Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Ferner verweisen § 98 VwGO für das Verwaltungsstreitverfahren und § 118 SGG für die Sozialgerichtsbarkeit jeweils auf § 383 ZPO, während vor den Finanzgerichten § 84 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO ein inhaltsgleiches Zeugnisverweigerungsrecht gibt.

73

(b) Die Erforderlichkeit eines Sozietätsverbots kann auf die Notwendigkeit der Sicherung der anwaltlichen Zeugnisverweigerungsrechte jedoch nicht gestützt werden, weil nach den genannten Bestimmungen auch Ärzte und Apotheker ein eigenes Recht zur Zeugnisverweigerung beanspruchen können. Sie sind ebenfalls in die dort normierten Kataloge der aussageverweigerungsberechtigten Berufe aufgenommen. Das Zeugnisverweigerungsrecht der Ärztinnen und Ärzte umfasst dabei alle Erkenntnisse, die sie bei der Untersuchung oder Heilbehandlung erlangt haben. Dies ist nicht in einem engen Sinne zu verstehen und steht daher einem Zeugnisverweigerungsrecht bei Tätigwerden als medizinischer Gutachter, wie es bei einer Berufsausübungsgemeinschaft mit Rechtsanwälten typisch sein wird, nicht entgegen. Nach der insoweit maßgeblichen fachgerichtlichen Rechtsprechung, die keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, ist vielmehr auch der nur gutachterlich tätig gewordene Arzt nicht nur gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrt zur Verschwiegenheit verpflichtet, vielmehr wird ihm auch ein korrespondierendes Zeugnisverweigerungsrecht zuerkannt (vgl. BGHSt 38, 369 <370>). Entsprechendes gilt für Apothekerinnen und Apotheker, die ebenfalls hinsichtlich aller Informationen, die ihnen in Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind, zeugnisverweigerungsberechtigt sind (vgl. Huber, in: BeckOK StPO, Stand: 1. September 2015, § 53 Rn. 15; Senge, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, § 53 Rn. 17).

74

(c) Sollten sich gleichwohl in einzelnen Fällen Situationen ergeben, in denen das Zeugnisverweigerungsrecht des nichtanwaltlichen Partners hinter dem des Rechtsanwalts zurückbleibt, so ist die mit dem dann reduzierten Schutz der Verschwiegenheit verbundene Gefahr gering und unterscheidet sich wiederum nicht von dem, das der Gesetzgeber für die von ihm bereits als sozietätsfähig zugelassenen Berufe hinnimmt. Auch bei diesen können Beeinträchtigungen der Geheimhaltungsinteressen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Demgemäß ist ein an Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker gerichtetes Sozietätsverbot zumindest unangemessen.

75

Im Übrigen ist auch in solcher Konstellation ein Zeugnisverweigerungsrecht des nichtanwaltlichen Partners - ungeachtet seines eigenen Berufes - aufgrund des § 53a StPO möglich. Danach können neben den in § 53 StPO genannten Berufsgeheimnisträgern auch deren Gehilfen das Zeugnis verweigern. Ist die zivilprozessuale Regelung des § 383 ZPO maßgeblich, so schließt das Zeugnisverweigerungsrecht die Mitarbeiter der genannten Berufsträger ebenfalls ein (vgl. RGZ 54, 360 <361>). Bei Anwendung namentlich des § 53a StPO sieht die - auch hier maßgebliche - fachgerichtliche Rechtsprechung als Gehilfen alle Personen an, die eine in unmittelbarem Zusammenhang mit der Berufsausübung des Geheimnisträgers stehende Tätigkeit ausüben (vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, § 53a Rn. 2); ein soziales Abhängigkeitsverhältnis ist für die Gehilfenstellung nicht erforderlich (vgl. Huber, in: BeckOK StPO, Stand: 1. September 2015, § 53a Rn. 2). Über die Regelungen in den §§ 53, 53a StPO können mithin alle Gesellschafter einer interprofessionellen Partnerschaft wie der anwaltliche Berufsträger umfassend zeugnisverweigerungsberechtigt sein.

76

(5) Auch die Sicherung der strafprozessualen Beschlagnahmeverbote, die ebenfalls dem Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Rechtsanwalt dienen (vgl. BVerfGE 113, 29 <54 f.>), macht ein Verbot der Partnerschaft mit Ärzten und Apothekern nicht erforderlich. Der Schutz dieser Berufsgruppen vor einer Beschlagnahme bleibt nicht hinter dem Schutz zurück, den Rechtsanwälte beanspruchen können. Vielmehr knüpft § 97 StPO die Untersagung der Beschlagnahme an das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b StPO und ist daher sowohl auf Rechtsanwälte als auch auf Ärzte und Apotheker anwendbar. Auf dem Wege der Beschlagnahme kann daher eine Gefährdung ihrer Verschwiegenheit für keinen der Berufsträger drohen, der an der interprofessionellen Zusammenarbeit beteiligt ist. Gegenstände, die sich im Gewahrsam der Kanzlei des anwaltlichen Partners befinden, sind zudem auch dann vor einem staatlichen Zugriff geschützt, wenn der nichtanwaltliche Sozius an ihnen unmittelbaren Besitz hat; denn nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung der Fachgerichte verlangt § 97 StPO keinen Alleingewahrsam des Geheimnisträgers (vgl. BGHSt 19, 374; 25, 168 <169>; LG Aachen, MDR 1981, S. 603). Damit fallen Aufzeichnungen sowie sonstige Gegenstände, auf die sich das Beschlagnahmeverbot erstreckt, unabhängig davon, ob sie sich am Arbeitsplatz des anwaltlichen Partners oder des mit ihm beruflich assoziierten Arztes oder Apothekers befinden, unter den Schutz des § 97 StPO.

77

(6) Unterschiede im Schutzniveau, die das Geheimhaltungsinteresse der Mandantinnen und Mandanten berühren können, sind zwar bei Ermittlungsmaßnahmen im repressiven Bereich der Strafverfolgung und im präventiven Bereich der Gefahrenabwehr sowie bei der Straftatenverhütung zu verzeichnen (). Hierauf lässt sich indessen kein Sozietätsverbot stützen, das sich in den Grenzen eines angemessenen Eingriffs in die freie Berufsausübung hält ().

78

(a) Nach § 160a Abs. 1 StPO sind Ermittlungsmaßnahmen gegen eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt, die voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden, über die diese das Zeugnis verweigern dürften, schlechthin unzulässig. Zudem genießen Rechtsanwälte im präventiven Bereich wenigstens bei einer Mandatierung als Strafverteidiger absoluten und im Übrigen relativen Schutz nach § 20u des Bundeskriminalamtgesetzes. Zugunsten der Anwaltschaft besteht mithin jedenfalls im Anwendungsbereich des Strafprozessrechts ein absolutes Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot. Für Ärzte und Apotheker gilt demgegenüber nur ein relatives Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot gemäß § 160a Abs. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Danach sind ihre Berufsgeheimnisse betreffende Ermittlungsmaßnahmen nicht grundsätzlich verboten; der Umstand, dass solche Maßnahmen sich gegen eine zeugnisverweigerungsberechtigte Person richten und dabei voraussichtlich Erkenntnisse erlangt würden, über die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist allerdings auch hier jedenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Dabei wird die Abwägung bei verständiger Auslegung der Vorschrift nicht dazu genutzt werden dürfen, den gesetzlich gewährleisteten strikten Schutz der Vertraulichkeit aus dem Mandatsverhältnis durch Maßnahmen gegenüber dem Partner zu umgehen. Gleichwohl bleibt damit der Schutz der Vertraulichkeit bei Ärzten und Apothekern hinter dem Schutzniveau bei Rechtsanwälten zurück.

79

(b) Entscheidende Bedeutung für die hier zu prüfende Frage einer zulässigen Begrenzung der sozietätsfähigen Berufe kann der gelockerte Schutz für Ärzte und Apotheker indessen nicht erlangen, weil die daraus resultierenden Gefährdungen zu gering sind. Vielmehr ist eine begrenzte Schwächung der Geheimhaltungsinteressen der Mandanten zugunsten der Berufsfreiheit hinzunehmen. Dies entspricht der vom Gesetzgeber selbst in anderem Zusammenhang getroffenen Einschätzung. Auch die in § 59a Abs. 1 BRAO genannten sozietätsfähigen Berufe, nämlich Patentanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer sowie - mit Einschränkungen - Anwaltsnotare unterfallen § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO und damit auch nur dem relativen Schutz des § 160a Abs. 2 StPO.

80

Insoweit nimmt der Gesetzgeber mit der Zulassung sozietätsfähiger Berufe in § 59a BRAO eine begrenzte Schwächung der Geheimhaltungsinteressen der Mandanten zugunsten der Berufsfreiheit ebenfalls hin. Auf einen weitergehenden Schutz gegen die Offenbarung von Berufsgeheimnissen im Zuge von Ermittlungsmaßnahmen, wie ihn §160a Abs. 1 StPO gewährt, musste der Gesetzgeber bei Einfügung des § 59a Abs. 1 BRAO im Jahr 1994 schon deshalb verzichten, weil § 160a Abs. 1 StPO erst im Jahr 2008 Gesetz geworden ist (Art. 1 Nr. 13a des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007, BGBl I S. 3198). Umgekehrt war zum Zeitpunkt der Einfügung des § 160a Abs. 1 StPO die Problematik namentlich des Verschwiegenheitsschutzes bei interprofessionellen Sozietäten allerdings bekannt. Dennoch wurden die in § 59a Abs. 1 BRAO genannten sozietätsfähigen Berufe nicht in den Kreis der von § 160a Abs. 1 StPO geschützten Personen aufgenommen, zumal in der ursprünglichen Fassung der Vorschrift noch nicht der Rechtsanwalt, sondern lediglich der Strafverteidiger von § 160a Abs. 1 StPO erfasst wurde.

81

Diese Einschätzung des Gefährdungspotentials und die auf dieser Grundlage erfolgte Berücksichtigung gegenläufiger Interessen an einer interprofessionellen Zusammenarbeit trifft auf die als sozietätsfähig zugelassenen Berufe einerseits und Ärzte sowie Apotheker andererseits gleichermaßen zu. Insbesondere sind keine unterschiedlichen Gefährdungspotentiale wegen strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen erkennbar. Signifikante Unterschiede in der Betroffenheit von Ermittlungsmaßnahmen sind zwischen beiden Berufsgruppen nicht auszumachen.

82

bb) Zur Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit mag sich ein Sozietätsverbot, das Partnerschaftsgesellschaften zwischen Rechtsanwälten und Ärzten oder Apothekern entgegensteht, noch als erforderlich darstellen (<1>); auch hier ist aber jedenfalls die Angemessenheit angesichts des vom Gesetzgeber bestimmten Schutzniveaus nicht mehr gewahrt (<2>).

83

(1) Die Achtung ihrer beruflichen Unabhängigkeit garantiert den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten rechtliche und tatsächliche Handlungsfreiheit (vgl. BVerfGE 87, 287 <326>). Mit dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit verfolgt der Gesetzgeber mit Blick auf das übergeordnete Gemeinwohlziel einer funktionierenden Rechtspflege einen legitimen Zweck (BVerfGE 117, 163 <182>). Die Wahrung der Unabhängigkeit ist unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und berufene Berater und Vertreter der Rechtsuchenden (§ 3 Abs. 1 BRAO) durch ihre berufliche Tätigkeit zu einer funktionierenden Rechtspflege beitragen können (BVerfGE 117, 163<182>; 135, 90 <113 Rn. 62>). Anwaltliche Unabhängigkeit ist nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch im Verhältnis zu Sozien und anderen Dritten zu wahren (vgl. BVerfGE 135, 90 <113 Rn. 62>). Demgemäß ist es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten durch § 43a Abs. 1 BRAO untersagt, sich auch durch Gesellschaftsverträge rechtlichen Bindungen zu unterwerfen, durch deren Ausgestaltung die anwaltliche Unabhängigkeit gefährdet wird (vgl. BVerfGE 135, 90 <118 Rn. 76>).

84

Bei der Zusammenarbeit mehrerer Berufsträger lassen sich Beeinträchtigungen der beruflichen Unabhängigkeit der einzelnen Partner etwa wegen der Rücksichtnahme auf die Belange anderer zur Vermeidung oder Lösung von Interessenskonflikten oder auch aufgrund entstehender Machtstrukturen nie völlig ausschließen. Die Annahme des Gesetzgebers, insoweit gelte es einer Gefährdung der Unabhängigkeit zu begegnen, ist daher plausibel und nicht zu beanstanden. Allerdings erscheint die Gefahr in der konkreten Konstellation einer Partnerschaft vergleichsweise gering. Die Verpflichtung zu beruflicher Unabhängigkeit ist nicht auf die Rechtsanwaltschaft beschränkt, sondern ein wesentliches Kennzeichen aller Freien Berufe. Insbesondere bestimmt § 1 Abs. 2 Satz 1 PartGG, dass die Freien Berufe "im allgemeinen … die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art … zum Inhalt" haben. Dem trägt nicht nur für die bayerische Ärzteschaft § 30 BOÄ Rechnung; vielmehr finden sich in den Berufsordnungen der anderen Landesärztekammern Regelungen, die entsprechend der Muster-Berufsordnung überwiegend wortgleich oder im Übrigen jedenfalls der Sache nach vorschreiben, dass Ärztinnen und Ärzte in allen vertraglichen und sonst beruflichen Beziehungen zu Dritten ihre ärztliche Unabhängigkeit für die Behandlung der Patientinnen und Patienten zu wahren haben. Ähnlich verpflichtende Regelungen zur Wahrung der beruflichen Unabhängigkeit gelten für Apothekerinnen und Apotheker nach den Berufsordnungen der jeweiligen Apothekerkammern. So wird etwa für Apothekerinnen und Apotheker in Bayern durch §§ 7, 12 und 13 BOA die Unabhängigkeit ihrer heilberuflichen Entscheidungen besonders normiert. Verstöße gegen diese Pflichten unterliegen - wie auch für die Anwaltschaft nach § 113 BRAO - der berufsgerichtlichen Ahndung gemäß den Heilberufsgesetzen der Länder. Ungeachtet dieser flankierenden Sanktionsbestimmungen beruht die Konzeption des jeweiligen Berufsrechts ohnehin nicht auf der Annahme, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall zu einem pflichtwidrigen Handeln führt, sondern darauf, dass sich die Berufsträger - namentlich Ärzte und Apotheker nicht anders als Rechtsanwälte - grundsätzlich rechtstreu verhalten (vgl. BVerfGE 108, 150 <163>).

85

(2) Hiernach sind die Gefahren, die mit jeder gemeinsamen Berufsausübung für die Unabhängigkeit einzelner Berufsträger verbunden sind, zu gering, als dass das Sozietätsverbot angemessen wäre. Dass mit der gemeinsamen Berufsausübung gewisse Gefahren für die Unabhängigkeit der einzelnen Berufsträger einhergehen, ist im Übrigen keine Besonderheit einer interprofessionellen Kooperation, sondern gilt nicht weniger für monoprofessionelle Berufsausübungsgemeinschaften unter Rechtsanwälten (vgl. Hellwig, AnwBl. 2014, S. 606 <609>). Aber diese wurden vom Gesetzgeber nicht nur ausdrücklich erlaubt, sondern auch um die Zusammenarbeit mit den weiteren nach § 59a Abs. 1 BRAO als sozietätsfähig anerkannten Berufen insbesondere der Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erweitert. Für all diese Berufe hat der Gesetzgeber also das mit gemeinsamer Ausübung verbundene Risiko einer Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit hingenommen. Auch insoweit wurde ein Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse an einer funktionierenden Rechtspflege und der Berufsfreiheit gefunden. Die zugrunde liegende Einschätzung trifft wiederum für den vorliegenden Fall einer Partnerschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten oder Apothekern gleichermaßen zu. Der Ausschluss einer solchen beruflichen Zusammenarbeit wäre nur dann angemessen und den Berufsträgern zumutbar, wenn es für eine hier abweichende Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter hinreichende Gründe gäbe. Daran fehlt es jedoch nicht nur mit Blick auf die Sicherung der beruflichen Verschwiegenheit (vgl. oben C. II. 2. c aa <3>), sondern auch für die maßgebliche Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit.

86

(a) Dies gilt zunächst mit Blick auf die im konkreten Fall betroffenen Berufe. Im Vergleich zu den nach § 59a BRAO zulässigen Konstellationen der gemeinsamen Berufsausübung bietet die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern kein entscheidend erhöhtes Gefährdungspotential für die anwaltliche Unabhängigkeit. Zwar fehlt es hier im Unterschied zu den sozietätsfähigen Berufen an der Gemeinsamkeit einer im weitesten Sinne wirtschaftlichen oder wirtschaftsrechtlichen Beratung; dies lässt jedoch keinen plausiblen Grund für einen gesteigerten Schutzbedarf zugunsten der anwaltlichen Unabhängigkeit erkennen. Im Gegenteil spricht das grundlegend andere, im Heil- und Gesundheitswesen liegende Tätigkeitsfeld der Ärzte und Apotheker eher dafür, dass diese schon wegen ihrer beruflichen Distanz zu rechtlichen Fragestellungen die Unabhängigkeit des anwaltlichen Partners stärker respektieren werden.

87

(b) Eine stärkere Gefährdung der Unabhängigkeit folgt auch nicht aus der hier in Frage stehenden Organisationsform. Es mag ein grundsätzliches Problem darin gesehen werden, dass Berufsfremde aus weiteren, völlig anderen Tätigkeitsfeldern in interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaften zu Entscheidungsträgern der Sozietät werden und damit die rechtliche und tatsächliche Handlungsfreiheit der anwaltlichen Partner einschränken könnten. Diese Befürchtung vermag vorliegend jedoch den Ausschluss von Ärzten und Apothekern aus dem Kreis der sozietätsfähigen Berufe nach § 59a BRAO nicht zu rechtfertigen. Das folgt aus den besonderen Vorschriften für die - hier allein zu erörternde - Partnerschaftsgesellschaft. Die Berufsausübung in einer solchen Gesellschaft kann den jeweiligen Berufsträger nach § 6 Abs. 1 PartGG nicht von seinen berufsrechtlichen Pflichten befreien (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften und zur Änderung anderer Gesetze, BTDrucks 12/6152, S. 15), so dass der anwaltliche Partner weiterhin seiner beruflichen Unabhängigkeit verpflichtet bleibt. Diese berufsrechtlichen Bindungen des Rechtsanwalts können seine Partner nicht übergehen. Denn der Grundsatz der Selbstorganschaft ist, ungeachtet der Möglichkeiten, die aufgrund der Vertragsfreiheit insbesondere für die Gestaltung des Innenverhältnisses ansonsten eröffnet sind, bei der Partnerschaftsgesellschaft aufgrund der zwingenden Regelung in § 6 Abs. 2 PartGG entscheidend gestärkt (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Schaffung von Partnerschaftsgesellschaften und zur Änderung anderer Gesetze, a.a.O.). Hiernach kann die Geschäftsführungsbefugnis des einzelnen Partners insoweit nicht beschränkt werden, als seine Berufsausübung betroffen ist. Sichergestellt ist damit zumindest, dass berufsfremde Partner die anwaltliche Berufstätigkeit nicht im Rahmen der Geschäftsführung beeinflussen können.

88

(c) Ohnehin sind ungeachtet der gewählten gesellschaftsrechtlichen Form bei einer beruflichen Zusammenarbeit die bereits erwähnten satzungsrechtlichen Sicherungen (vgl. oben C. II. 2. c aa <3>) auch für die anwaltliche Unabhängigkeit zu beachten. So darf sich ein Rechtsanwalt gemäß § 30 Satz 1 BORA mit Angehörigen anderer Berufe nur dann zu einer gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden, wenn diese bei ihrer Tätigkeit das anwaltliche Berufsrecht beachten. Da die Angehörigen anderer Berufe nicht unmittelbar Normadressaten der Berufsordnung der Rechtsanwälte und damit des anwaltlichen Berufsrechts sind, wird die Vorschrift überwiegend - und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden - so verstanden, dass der Rechtsanwalt verpflichtet ist, seine nichtanwaltlichen Partner anzuhalten, dass diese bei ihrer Tätigkeit in der Berufsausübungsgemeinschaft das anwaltliche Berufsrecht beachten (Scharmer, in: Hartung, BORA/FAO, 5. Aufl. 2012, § 30 BORA Rn. 23; Brüggemann, in: Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, 9. Aufl. 2016, § 30 BORA Rn. 3; Henssler, in: Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl. 2014, § 30 BORA Rn. 5). Lassen sich die nichtanwaltlichen Partner hierauf nicht ein, so darf der Rechtsanwalt die Partnerschaft nicht eingehen oder fortsetzen, ohne seine berufsrechtlichen Pflichten zu verletzen und deshalb Sanktionen befürchten zu müssen.

89

Daneben bestimmt § 33 Abs. 2 BORA, dass jeder Rechtsanwalt bei beruflicher Zusammenarbeit "gleich in welcher Form" zu gewährleisten hat, dass die Regeln der Berufsordnung der Rechtsanwälte auch von der damit geschaffenen "Organisation" eingehalten werden. Die Vorschrift verpflichtet zwar anders als § 30 BORA nicht zum Unterlassen des Beitritts oder zum Austritt aus einer Berufsausübungsgemeinschaft, der anwaltliche Partner hat aber aufgrund des § 33 Abs. 2 BORA das ihm Mögliche zu tun, um berufswidriges Verhalten der Berufsausübungsgemeinschaft zu beenden. Hierzu zählt auch die Verpflichtung, sich gegen Beeinträchtigungen seiner anwaltlichen Unabhängigkeit gegenüber seinen Partnern aktiv zur Wehr zu setzen.

90

cc) Ein Sozietätsverbot, das Partnerschaftsgesellschaften zwischen Rechtsanwälten und Ärzten oder Apothekern hindert, erfüllt schließlich auch dann nicht die Anforderungen an einen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessenen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung, wenn mit ihm das Ziel verfolgt wird, die Geradlinigkeit anwaltlicher Tätigkeit zu wahren, also Interessenkonflikte zu vermeiden.

91

(1) Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO und nach näherer Maßgabe des § 3 BORA ist es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten untersagt, widerstreitende Interessen zu vertreten. Strafrechtlich abgesichert ist dieses Verbot in wesentlichen Teilen durch die Strafbarkeit des Parteiverrats nach § 356 StGB. Normzweck der Regelungen ist die Wahrung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant sowie die Sicherung der Stellung des Rechtsanwalts als eines unabhängigen Sachwalters im Dienste der Rechtsuchenden (vgl. BVerfGE 108, 150 <160 f.>). Damit dient die Geradlinigkeit anwaltlicher Interessenvertretung auch dem übergeordneten Gemeinwohlziel einer funktionierenden Rechtspflege.

92

Entsprechende Bestimmungen finden sich in den Berufsordnungen für Ärzte und Apotheker nicht. Der Verzicht auf vergleichbare Regelungen erscheint nachvollziehbar, weil Ärzte und Apotheker bei Ausübung ihrer Berufe typischerweise nicht im Interesse ihrer Patienten in ein Gegnerverhältnis zu Dritten geraten. Auch die Täterqualifikation der Strafvorschrift des § 356 StGB können weder Ärzte noch Apotheker verwirklichen (vgl. etwa Dahs, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2014, § 356 Rn. 12 ff. m.w.N.). Abgesehen von Rechtsanwälten - und den in § 209 BRAO genannten Kammermitgliedern - sind aber auch die in § 59a BRAO genannten sozietätsfähigen Berufe nicht zu geradliniger Interessenvertretung gemäß § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA verpflichtet. Zudem können sich allenfalls noch Patentanwälte sowie in dem sehr eingeschränkten Rahmen des § 392 AO auch Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer wegen Parteiverrats strafbar machen (vgl. etwa Dahs, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2014, § 356 Rn. 19, 21 m.w.N.). Um zu verhindern, dass über die Partner aus sozietätsfähigen Berufen Interessen vertreten werden, die denen des Mandanten zuwiderlaufen, bleibt daher regelmäßig nur der Weg, den anwaltlichen Partner gemäß § 30 Satz 1 BORA zu verpflichten, diese bei der Begründung einer beruflichen Zusammenarbeit vertraglich an die Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts zu binden und damit auch an die Beachtung der Pflicht zur Geradlinigkeit (§ 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA). Hinzu kommt die Verpflichtung des Rechtsanwalts, aufgrund seiner unentziehbaren Befugnisse als Partner (§ 6 Abs. 2 PartGG) gemäß § 33 Abs. 2 BORA zu verhindern, dass durch sozietätsweit wirkende Maßnahmen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen missachtet wird.

93

(2) In dem damit gezogenen engen Rahmen hat es auch der Gesetzgeber bei Zulassung der sozietätsfähigen Berufe durch § 59a Abs. 1 BRAO unter Abwägung und zum Ausgleich mit der grundrechtlich geschützten freien Berufsausübung hingenommen, dass Gefährdungen für die Geradlinigkeit anwaltlicher Tätigkeit durch interprofessionelle Zusammenarbeit nicht völlig auszuschließen sind. Da sich wiederum zeigt, dass bei einer Partnerschaft mit Ärzten und Apothekern im Vergleich zu Angehörigen sozietätsfähiger Berufe keine spezifisch erhöhten Gefährdungen der anwaltlichen Geradlinigkeit auszumachen sind, erweist sich das Sozietätsverbot unter diesem Gesichtspunkt ebenfalls als unangemessener, den betroffenen Grundrechtsträgern nicht zumutbarer Eingriff in deren Berufsfreiheit.

III.

94

Da sich die Verfassungswidrigkeit des § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO bereits aus der Unvereinbarkeit mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit ergibt, bedarf es keiner Entscheidung, ob noch weitere Grundrechte, wie namentlich der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) oder die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), verletzt sind.

IV.

95

Wegen der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz ist § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO in dem zur Überprüfung stehenden Teil der Regelung für nichtig zu erklären. Dies betrifft das an Rechtsanwälte gerichtete Verbot, sich mit Ärzten und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in der Form einer Partnerschaftsgesellschaft zu verbinden.

96

Eine nicht hinnehmbare Regelungslücke (vgl. dazu BVerfGE 128, 326 <404> m.w.N.) entsteht hierdurch nicht. Die teilweise Nichtigkeit der Verbotsnorm bedeutet angesichts der Garantie der freien Berufsausübung nichts anderes als die Zulässigkeit der genannten interprofessionellen Zusammenarbeit, ohne dass hiermit Komplikationen einhergehen würden. Diese Rechtswirkungen der teilweisen Nichtigerklärung schaffen insbesondere keine Unsicherheit über die Rechtslage zulasten der Behörden und der Rechtsunterworfenen. Für den konkreten Fall steht vielmehr außer Frage, dass der gegründeten Partnerschaftsgesellschaft zwischen einem Rechtsanwalt und einer Ärztin und Apothekerin die Eintragung nicht wegen eines Sozietätsverbots verweigert werden darf.

Gründe

I.

1

Die Vorlage betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Erlaubnispflicht für die private Vermittlung unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteter Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) gemäß § 13 Abs. 1 des Glücksspielgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (Glücksspielgesetz - GlüG LSA) vom 22. Dezember 2004 (GVBl LSA S. 846), geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5. Dezember 2005 (GVBl LSA S. 715), ohne Übergangsregelung für bestehende private Vermittlungsaktivitäten.

2

1. Die Klägerinnen der drei verbundenen Ausgangsverfahren (im Folgenden: Klägerinnen) sind private Unternehmen, die seit den 1990er Jahren in Sachsen-Anhalt gewerblich die Teilnahme an mittelbar oder unmittelbar durch die Bundesländer veranstalteten Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) vorwiegend über das Internet vermitteln. Sie wenden sich in dem Verfahren gegen die Untersagung ihrer Tätigkeit durch den Beklagten der Ausgangsverfahren, das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (im Folgenden: Beklagter).

3

Das beklagte Landesverwaltungsamt untersagte den Klägerinnen die Vermittlung der Beteiligung an Glücksspielen in Sachsen-Anhalt, und zwar der Klägerin zu 1) im November 2006, der Klägerin zu 2) im November 2008 und der Klägerin zu 3) im Dezember 2006. Es stützte die Untersagung auf § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland (Anlage 1 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 18. Juni 2004, GVBl LSA S. 328 - LottoStV) in Verbindung mit § 13 GlüG LSA, §§ 284, 287 Strafgesetzbuch (StGB) und § 18 GlüG LSA. Das beklagte Amt begründete die Untersagungen damit, die Klägerinnen hätten Glücksspiel ohne die entsprechende Erlaubnis vermittelt. Hilfsweise stützte es die Untersagung auf die Generalklausel des § 13 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. September 2003, in Kraft getreten am 8. Oktober 2003.

4

Die Vermittlung von Glücksspiel in Sachsen-Anhalt stelle eine nach § 13 GlüG LSA erlaubnispflichtige Tätigkeit dar. Die Ausübung der Vermittlungstätigkeit ohne die entsprechende Erlaubnis sei gemäß § 284 StGB sowie § 18 GlüG LSA strafbar. Die Untersagung betreffe das Angebot der Klägerinnen in Sachsen-Anhalt, im Auftrag von Spielinteressenten einzelne Spielverträge an im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossene Anbieter für Lotterien wie Lotto, KENO, Spiel 77, Super 6, Oddset-Sportwetten und Glücksspirale sowie andere Glücksspiele im Sinne von § 284 StGB insbesondere per Internet zu vermitteln. Zugleich untersagte das beklagte Amt ihnen die Werbung für in Sachsen-Anhalt illegale Glücksspiele, die im Gebiet des Bundeslandes über das Internet aufgerufen werden können. Die genannten Tätigkeiten seien ab Bekanntgabe des Bescheides zu unterlassen.

5

Die Klägerinnen vertreten in dem Ausgangsverfahren im Wesentlichen die Ansicht, dass für ihre Vermittlungstätigkeit keine Erlaubnispflicht bestehe. Ihre Tätigkeit sei als "Altgewerbe" geschützt, da sie bereits vor Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 GlüG LSA legal Glücksspiele vermittelt hätten. Die Erlaubnispflicht nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA sei im Jahre 2004 eingeführt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie bereits legal gewerblich Spiele vermittelt und seien vorher durch die zuständigen Behörden niemals auf eine landes- oder bundesrechtliche Erlaubnispflichtigkeit oder Widerrechtlichkeit ihrer Tätigkeit hingewiesen worden. Als Gewerbetreibende, die ein Gewerbe vor dem Zeitpunkt, in dem die Gewerbeausübung erlaubnispflichtig geworden ist, bereits betrieben hätten, bedürften sie nach § 1 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) bei schlichter Fortsetzung ihrer Tätigkeit keiner Erlaubnis.

6

Keines der beiden im Jahre 2004 gemäß § 24 Abs. 1 GlüG LSA durch das GlüG LSA ersetzten Gesetze, weder das frühere Gesetz über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt (Lotto-Toto-G LSA) vom 16. August 1991 (GVBl LSA S. 266), geändert durch § 14 des Gesetzes vom 15. Oktober 2004 (GVBl LSA S. 744 <746>), noch das Lotteriegesetz vom 27. April 1993 (GVBl LSA S. 200), geändert durch Artikel 3 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland und zum Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 18. Juni 2004 (Lotto StV-G), habe eine Erlaubnispflicht für die gewerbliche Vermittlung vorgesehen. Ihre Tätigkeit habe auch nicht gegen strafrechtliche Normen verstoßen.

7

Die Untersagungsverfügungen und die §§ 13, 18 GlüG LSA verletzten sie in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) und in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) sowie im Vergleich zur Behandlung privater Annahmestellenbetreiber in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Fasse man die Erlaubnispflicht nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA und die Strafnorm des § 18 GlüG LSA so auf, dass die bereits ausgeübte Vermittlungstätigkeit hierunter falle, so müsse man zu dem Ergebnis gelangen, dass die Normen verfassungswidrig seien.

8

2. In den Jahren 1992 bis 2004 war das Glücksspielwesen in Sachsen-Anhalt durch das Lotto-Toto-G LSA vom 16. August 1991, geändert durch § 14 des Gesetzes vom 15. Oktober 2004, sowie durch das Lotteriegesetz vom 27. April 1993, geändert durch Artikel 3 Lotto StV-G, geregelt.

9

§ 1 Lotto-Toto-G LSA bestimmte, dass in Sachsen-Anhalt Unternehmen zur Entgegennahme von Wetten über die Ziehung von Zahlen (Zahlenlotto) und über sportliche Wettkämpfe durch die Landesregierung zugelassen werden konnten. Gemäß § 2 Abs. 1 Lotto-Toto-G LSA durfte Träger einer Konzession nur ein Unternehmen sein, dessen sämtliche Anteile dem Land gehörten. § 14 Lotto-Toto-G LSA enthielt eine Strafbestimmung für diejenigen Personen, die für ein Unternehmen, das in Sachsen-Anhalt nicht nach § 1 Lotto-Toto-G LSA zugelassen war, gewerbsmäßig Wetten über die Ziehung von Zahlen oder über sportliche Wettkämpfe entgegennahmen oder vermittelten. Die Tat wurde mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, sofern sie nicht schon nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht war. Weitere Bestimmungen über die Vermittlung enthielt das Gesetz nicht.

10

Nach der allgemeinen Begründung der Landesregierung zum Lotto-Toto-G LSA (LT-LSA Drucksache 1/352 vom 17. April 1991, S. 9) entsprach der Gesetzentwurf in wesentlichen Teilen dem niedersächsischen Recht (vgl. Gesetz über das Zahlenlotto in der Fassung vom 19. August 1970 , zuletzt geändert durch Artikel I des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zahlenlotto und des Gesetzes über Sportwetten vom 16. Dezember 1983 , und Gesetz über Sportwetten in der Fassung vom 19. August 1970 , zuletzt geändert durch Artikel II des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Zahlenlotto und des Gesetzes über Sportwetten vom 16. Dezember 1983). Der Begründung des Entwurfs zu § 14 Lotto-Toto-G LSA zufolge sind über §§ 284-287 StGB hinaus nur die gewerbsmäßige Entgegennahme oder Vermittlung von Wetten über die Ziehung von Zahlen oder über sportliche Wettkämpfe strafbewehrt (LT-LSA Drucksache 1/352, S. 12).

11

Am 1. Juli 2004 trat der Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland in Kraft. In § 14 LottoStV wurde die gewerbliche Vermittlung von Lotterien geregelt. Gewerbliche Spielvermittlung betrieb gemäß § 14 Abs. 1 LottoStV, wer im Auftrag von Spielinteressenten einzelne Spielverträge an einen Veranstalter vermittelte (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 LottoStV) oder Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammenführte und deren Spielbeteiligung dem Veranstalter - selbst oder über Dritte - vermittelte (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 LottoStV), sofern dies jeweils in der Absicht geschah, durch diese Tätigkeit nachhaltig Gewinn zu erzielen. Für die Tätigkeit des gewerblichen Spielvermittlers galten unbeschadet sonstiger gesetzlicher Regelungen die Anforderungen des § 14 Abs. 2 LottoStV. Gemäß Art. 3 und Art. 4 Lotto StV-G fand der Staatsvertrag ergänzend zu den bisherigen landesrechtlichen Regelungen des Lotto-Toto-G LSA und des Lotteriegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt Anwendung.

12

In § 2 des am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Staatsvertrags über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen (Anlage 2 Lotto StV-G, GVBl LSA S. 333) wurde ebenfalls die gewerbliche Spielvermittlung geregelt. Danach betrieb gewerbliche Spielvermittlung, wer im Auftrag der Spielinteressenten (1.) einzelne Spielverträge an einen Veranstalter vermittelt oder (2.) Spielinteressenten zu Spielgemeinschaften zusammenführt und deren Spielbeteiligung dem Veranstalter - selbst oder über Dritte - vermittelt, sofern dies in der Absicht geschieht, durch diese Tätigkeit nachhaltige Gewinne zu erzielen.

13

Am 30. Dezember 2004 trat gemäß § 1 GlüG LSA in Ergänzung zum Lottostaatsvertrag das Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt in Kraft. Gleichzeitig traten das Lotto-Toto-Gesetz und das Lotteriegesetz gemäß § 24 Abs. 1 GlüG LSA außer Kraft. In § 13 GlüG LSA wurde ein Erlaubnisvorbehalt für die Vermittlung von Glücksspielen eingeführt. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GlüG LSA bedarf die gewerbliche Vermittlung von Glücksspielen außerhalb von Wettannahmestellen, die von Wetteinnehmern im Auftrag eines zur Veranstaltung und Durchführung von Wetten über die Ziehung von Zahlen (Zahlenlotto) und über sportliche Wettkämpfe (Sportwetten) in Sachsen-Anhalt zugelassenen Wettunternehmens betrieben werden, einer Erlaubnis. Ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Erlaubnis besteht nicht. § 21 GlüG LSA enthielt eine Übergangsvorschrift, wonach aufgrund des Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt erteilte Konzessionen, Zustimmungen und Genehmigungen bis zum 31. Dezember 2005 fortgalten, sofern sie nicht vorher nach dem Glücksspielgesetz ersetzt werden konnten. Eine weitere Übergangsvorschrift war in § 24 Abs. 3 GlüG LSA enthalten. Danach war die Vermittlung von Glücksspiel für eine Übergangszeit von drei Jahren erlaubnisfrei, wenn sie im Auftrag eines im Land zugelassenen Wettunternehmers erfolgte und die von Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig weitergeleitet wurden (§ 13 Abs. 7 GlüG LSA). Die Vermittlung von Wetten für ein in Sachsen-Anhalt nicht zugelassenes Unternehmen wurde gemäß § 18 GlüG LSA unter Strafe gestellt. Die Vermittlung von Wetten an ein in dem Land zugelassenes Wettunternehmen ohne die Erlaubnis zur Vermittlung nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA stellte demgegenüber gemäß § 19 GlüG LSA eine Ordnungswidrigkeit dar.

14

In der allgemeinen Begründung der Gesetzesmaterialien (Drucksache des Landtages LSA 4/1863 vom 1. November 2004, S. 14) heißt es, dass mit dem neuen Glücksspielgesetz die Anpassung des Landesrechts an den Lottostaatsvertrag fortgeführt werden solle. Hierzu sei vorgesehen, die Regelungen des Lotteriegesetzes und des Lotto-Toto-Gesetzes in einem Gesetz zusammenzufassen und dabei solche Vorschriften zu streichen, die durch die Zusammenfassung in einem Gesetz oder aufgrund des Lottostaatsvertrages verzichtbar seien. Ferner würden besondere rechtliche Regelungen getroffen beziehungsweise beibehalten. Dies betreffe insbesondere den vorgesehenen Erlaubnisvorbehalt für die gewerbliche Spielvermittlung.

15

Die gewerbliche Spielvermittlung ist in der Begründung des Gesetzesentwurfs an zwei Stellen ausdrücklich erwähnt. In der Begründung zu § 5 GlüG LSA heißt es, § 5 Abs. 1 GlüG LSA übernehme im Wesentlichen die Regelungen des § 4 Lotto-Toto-G und grenze die Tätigkeit der Wetteinnehmer in Wettannahmestellen von der gewerblichen Spielvermittlung nach § 14 LottoStV ab. § 5 Abs. 2 Satz 1 GlüG LSA sei wortgleich mit § 4 Abs. 2 Lotto-Toto-G LSA. § 5 Abs. 2 Satz 2 GlüG LSA enthalte entsprechend dem Erlaubnisvorbehalt für die gewerbliche Spielvermittlung einen Zustimmungsvorbehalt. Zu § 13 Gesetzentwurf GlüG LSA heißt es, die Vorschrift regele ergänzend zu § 14 LottoStV die Vermittlung von Glücksspielen, die nicht durch Wettannahmestellen (§ 5) erfolge. § 13 Abs. 1 GlüG LSA stelle diese Vermittlung im Gegensatz zum bisherigen Recht, wonach die Vermittlung grundsätzlich verboten gewesen sei (§§ 284 ff. StGB, § 14 Lotto-Toto-G LSA), unter einen Erlaubnisvorbehalt. § 13 Abs. 7 GlüG LSA befreie die Vermittlung im Auftrage von Wettunternehmen, bei der die von Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig weitergeleitet werden, von der Erlaubnispflicht. § 18 GlüG LSA übernehme § 14 Lotto-Toto-G LSA. § 19 GlüG LSA übernehme die Regelungen des § 15 Lotto-Toto-G LSA und des § 5a LottoG. Zusätzlich in den Katalog der Ordnungswidrigkeitstatbestände seien Verstöße gegen den Lottostaatsvertrag und das Glücksspielgesetz aufgenommen worden.

16

In der Ersten Beratung zum Entwurf des Glücksspielgesetzes trug der Minister des Innern des Landes Sachsen-Anhalt im Landtag vor, dass im Unterschied zum geltenden strafbewehrten Verbot ein Erlaubnisvorbehalt für die Vermittlung von Glücksspiel vorgesehen sei (Plenarprotokoll 4/49 vom 11. November 2004, S. 3628 <3629>), während ein Abgeordneter des Landtags Klärungsbedarf anmeldete, ob eine Erlaubnis für die gewerbliche Spielvermittlung notwendig und in anderen Bundesländern eingeführt sei oder werden solle (a.a.O., S. 3631).

17

Das Glücksspielgesetz ist im Zuge des Inkrafttretens des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV, Anlage zum Gesetz zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2007, GVBl LSA S. 425) durch Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 2007 (GVBl LSA S. 412) neu gefasst worden. Es gilt gemäß § 1 GlüG LSA nunmehr ergänzend zu dem Glücksspielstaatsvertrag. § 13 Abs. 1 GlüG LSA regelt weiterhin die Erlaubnispflicht für die Vermittlung von Glücksspielen. Auch die übrigen Bestimmungen des Gesetzes sind weitgehend gleich geblieben. Die Übergangsbestimmung in § 13 Abs. 7 GlüG LSA ist außer Kraft getreten.

18

3. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 26. April 2007 gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Frage vorgelegt, ob § 13 Abs. 1 GlüG LSA mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar ist, als die Bestimmung eine Erlaubnispflicht für die private Vermittlung unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteter Glücksspiele (Toto, Lotto usw.) einführt, ohne dass zugleich für bereits bestehende Vermittlungsaktivitäten eine Übergangsfrist bestimmt wurde.

19

4. Das Verwaltungsgericht erwähnt eingangs in seinem Beschluss das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (BVerfGE 115, 276 "Sportwettenurteil") und das Urteil des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 8. Februar 2007 (LVG LSA 19/05, LVerfGE 18, 521). Die vorgelegte Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit der "übergangslosen Legalentziehung" bei der Einführung der Erlaubnispflicht für die Vermittlung von Glücksspielen sei nicht bereits Gegenstand der genannten Urteile gewesen.

20

Das Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt habe zwar auch die in dem Vorlagenbeschluss aufgeworfene Frage der Einführung der Erlaubnispflicht ohne Übergangsregelung zum Gegenstand gehabt. Das Verfahren habe jedoch im Unterschied zu den hier zu entscheidenden Fällen die Verfassungsbeschwerde eines privaten Vermittlers von privat veranstalteten Glücksspielen betroffen, dessen Tätigkeit auch schon vor dem Inkrafttreten des Glücksspielgesetzes verboten gewesen sei. Demgegenüber habe die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen bisher keiner besonderen Erlaubnis bedurft. Sie hätten diese im Rahmen der allgemeinen Gewerbefreiheit und des Grundrechts auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ausgeübt.

21

Die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen sei sowohl nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 GlüG LSA als auch nach der Praxis des Innenministeriums des Landes Sachsen-Anhalt nicht genehmigungsfähig. Das Verwaltungsgericht sei überzeugt davon, dass die Regelung des § 13 Abs. 1 GlüG LSA, auf die die streitbefangenen Untersagungsverfügungen zurückzuführen seien, die Klägerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletze. Das Übermaßverbot sei verletzt. Das Verwaltungsgericht sei im Übrigen davon überzeugt, dass der Gesetzgeber Übergangsfristen hätte einräumen müssen.

22

Eine verfassungskonforme Auslegung von § 13 Abs. 1 GlüG LSA dahingehend, dass die Vorschrift die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen erlaube, sei schon nach dem klaren Wortlaut nicht möglich. Außerdem sehe das Gesetz in § 13 Abs. 7 in Verbindung mit § 24 Abs. 3 GlüG LSA eigene Übergangsregelungen für den eng begrenzten Ausnahmefall vor, dass bei der von einem zugelassenen Unternehmen beauftragten Vermittlung die von den Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig an den staatlichen Glücksspielveranstalter weitergeleitet würden. Dies treffe auf die gewerbliche und gewinnorientierte Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen jedoch nicht zu. Diese Fallgruppe sei in der Ersten Beratung zum Glücksspielgesetz im Landtag auch ausdrücklich angesprochen worden, ohne dass ihre Einbeziehung in die Übergangsregelung erwogen worden sei.

23

Den Klägerinnen werde damit ohne Einräumung einer angemessenen Übergangsfrist mit dem Inkrafttreten des Landesgesetzes ihre Tätigkeit in Sachsen-Anhalt untersagt. Eine solche übergangslose Entziehung einer bislang innegehabten Rechtsposition sei, wenn nicht ausschließlich aus überragenden Gründen des Gemeinwohls, dann nur unter Beachtung der Grundsätze des Übermaßverbotes zulässig. Der in § 13 Abs. 1 GlüG LSA eingeführte Erlaubnisvorbehalt erfülle die Voraussetzungen für eine übergangslose Rechtsentziehung jedoch nicht.

24

Der Landesgesetzgeber sei zu Unrecht bei Erlass des Glücksspielgesetzes davon ausgegangen, dass die gewerbliche Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen schon auf der Grundlage des früheren Rechts, insbesondere des Bundesstrafrechts (§§ 284, 287 StGB), ohne weiteres rechtswidrig und strafbar gewesen sei. Aus diesem Grund habe er die Voraussetzungen nicht geprüft, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Ad-hoc-Entziehung von Rechtspositionen ohne Einräumung von Übergangsfristen zu erfüllen seien.

25

Das Fehlen jeglicher, auf die Fallgruppe der Klägerinnen bezogener Übergangsregelung werde auch nicht dadurch kompensiert, dass der Beklagte die Vermittlungstätigkeit zunächst geduldet habe und erst nach etwa zwei Jahren eingeschritten sei. Der Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerinnen aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG sei bereits durch den Landesgesetzgeber unmittelbar erfolgt, als dieser die Rechtsqualität der Vermittlungstätigkeit von "erlaubt" in "verboten" geändert habe.

26

Die Verfassungsmäßigkeit des Eingriffs hänge im Übrigen nicht davon ab, ob und in welcher Intensität sich dieser Eingriff bereits verwirklicht habe, etwa durch eine entsprechende Praxis der Ordnungsbehörden. Nur durch eine gesetzlich geregelte und damit verlässliche Übergangsfrist könne diejenige Rechtssicherheit erreicht werden, auf die der Rechtsbetroffene im Rechtsverkehr angewiesen sei und die ihm einen von staatlichen Eingriffen möglichst freien Übergang (etwa zu einer anderen Betätigung) ermögliche. Mit einer bloß faktischen ordnungsbehördlichen Duldung eines Verhaltens, das staatlicherseits bereits als verboten und strafbar angesehen werde, werde dagegen kein Übergangsrecht erreicht, welches der bisherigen Rechtsposition des Betroffenen Rechnung trage. Denn jeder, der sich während der ihrer Dauer nach nicht bestimmten Duldungszeit auf Vermittlungsgeschäfte mit den Klägerinnen einlasse, müsse sich vor Augen führen, dass es sich um verbotene und unter Umständen auch für ihn selbst strafbare Geschäftstätigkeiten handele.

27

Das Verwaltungsgericht hat unter Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung dargelegt, dass für den Fall, dass die Vermittlungstätigkeit der Klägerinnen bereits aufgrund der bundesrechtlichen Strafbestimmungen strafbar gewesen sei, die in allen übrigen fünfzehn Bundesländern stattfindende Vermittlungstätigkeit gleichfalls als verboten angesehen werden müsse. Außerdem stelle sich die Frage, wieso der Landesgesetzgeber es für erforderlich gehalten habe, mit den Regelungen der §§ 18, 19 GlüG LSA landesrechtliche Sanktionsbestimmungen in das Glücksspielgesetz aufzunehmen. Angesichts dieses Befundes lasse sich die Einschätzung im Gesetzgebungsverfahren, dass die Vermittlung staatlicher Glücksspiele vor Einführung des § 13 Abs. 1 GlüG LSA eindeutig als verboten und strafbar anzusehen gewesen sei, nicht halten.

28

Darüber hinaus hat sich das Verwaltungsgericht mit der Rückwirkungsproblematik in Rechtsprechung und Literatur auseinandergesetzt (insbes. BVerfGE 31, 275; 36, 281; 43, 242; 58, 300; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2006 - 2 BvR 1339/06 -, juris).

29

Das Verwaltungsgericht geht auch von einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG aus. Die Entziehung der Möglichkeit, staatliche Glücksspiele zu vermitteln, stelle einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, der die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletze. Es fehle an der notwendigen Übergangsregelung. Die völlige Entziehung einer Rechtsposition sei an strenge Anforderungen geknüpft (unter Verweis auf BVerfGE 83, 201 <211 f.>; BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076), denen § 13 Abs. 1 Satz 1 GlüG LSA nicht genüge.

30

Art. 2 Abs. 1 GG sei verletzt, weil den Klägerinnen zustehende unternehmerische Handlungsspielräume (z.B. Ort der wirtschaftlichen Betätigung, Art und Weise des wirtschaftlichen Engagements etc.) entzogen würden, die nicht bereits von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 oder Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt seien (Verweis auf BVerfGE 105, 252<278>; BVerfGK 3, 337).

31

Die Gültigkeit von § 13 Abs. 1 GlüG LSA sei auch entscheidungserheblich. Für den Fall der Verfassungsmäßigkeit der Norm seien beim gegenwärtigen Sach- und Streitstand alle Klagen abzuweisen, weil die Tätigkeit der Klägerinnen dann als unmittelbar verboten gelte. Sei § 13 Abs. 1 GlüG LSA dagegen verfassungswidrig, stünden die Vermittlungstätigkeiten der Klägerinnen im Einklang mit dem geltenden Recht. In diesem Fall seien die Untersagungsverfügungen des Beklagten rechtswidrig und verletzten die Klägerinnen in ihren Rechten aus § 1 Abs. 1 GewO, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Die Verfügungen seien dann gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

II.

32

Die Vorlage ist unzulässig. Es fehlt an einer hinreichenden Darlegung der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift und ihrer Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren.

33

1. Dem vorlegenden Gericht obliegt es gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, in seinem Vorlagebeschluss umfassend darzutun, weshalb es von der Verfassungswidrigkeit der zur Überprüfung gestellten Norm überzeugt ist und inwiefern die Entscheidung des Gerichts von ihrer Gültigkeit abhängig ist (vgl. BVerfGE 77, 259 <261>; 97, 49 <60>; 98, 169 <199>; 105, 61 <67>; stRspr).

34

Dabei muss es die für seine Überzeugung der Verfassungswidrigkeit der fraglichen Norm maßgeblichen Erwägungen umfassend und nachvollziehbar ausführen, insbesondere alle hierfür maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erschöpfend und nachvollziehbar darlegen (BVerfGE 93, 121 <132>). Zugleich muss es verdeutlichen, dass die Beantwortung der gestellten Verfassungsfrage sich als unerlässlich darstellt, damit es das Ausgangsverfahren fortführen und abschließend entscheiden kann (vgl. BVerfGE 11, 330 <335>; 42, 42 <50>; 50, 108 <113>; 63, 1 <22>). Dies ist der Fall, wenn das Gericht im Ausgangsverfahren bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müsste als bei deren Gültigkeit (BVerfGE 22, 175 <176>; 84, 233 <237>). Das Bundesverfassungsgericht legt in ständiger Rechtsprechung einen strengen Maßstab an die Begründungsanforderungen an, der gewährleistet, dass der Grundsatz der Subsidiarität des verfassungsgerichtlichen gegenüber dem fachgerichtlichen Verfahren gewahrt wird, und der damit auch der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dient (BVerfGE 65, 265 <277>).

35

Daraus folgt, dass im Vorlagebeschluss dargelegt sein muss, dass das vorlegende Gericht die Verfassungsmäßigkeit in rechtlicher Hinsicht sorgfältig geprüft und sich mit den hierzu vertretenen Auffassungen befasst und dargelegt hat, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift nicht in Betracht kommt (BVerfGE 86, 71 <78>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>; BVerfGK 10, 171). Das Bundesverfassungsgericht ist nicht an die vom vorlegenden Gericht zugrunde gelegte Deutung der zu überprüfenden Norm gebunden, sondern kann seinerseits die angezweifelte Norm auslegen und über die Richtigkeit und Maßgeblichkeit der vom vorlegenden Gericht ermittelten Deutung entscheiden (BVerfGE 7, 45 <50>; 10, 340 <345>; 78, 20 <24>; 80, 54 <58 f.>). Denn nach dem Grundgedanken der Subsidiarität kann eine verfassungsgerichtliche Überprüfung dann nicht erfolgen, wenn zumindest eine verfassungskonforme Auslegung der Streitnorm in Betracht kommt (BVerfGE 86, 71 <78>).

36

2. Diesen Anforderungen wird die Vorlage in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

37

Das Verwaltungsgericht hat sich nicht hinreichend mit den in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen auseinandergesetzt und seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 13 GlüG LSA wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht hinreichend begründet. Das vorlegende Gericht hat zudem die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Verfassungsfrage nicht hinreichend dargelegt.

38

a) Hinsichtlich einer Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hat das vorlegende Gericht bereits nicht hinreichend dargelegt, dass es sich bei der gewerblichen Vermittlung von Glücksspiel um eine geschützte Eigentumsposition handelt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung bisher offen gelassen, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb zu den schutzfähigen Rechtspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gehört (BVerfGE 66, 116<145>; 68, 193 <222 f.>; 77, 84 <118>; 81, 208 <227 f.>; 96, 375 <397>; vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1984 - III ZR 35/83 -, juris; Jarass, in: Jarass/Pieroth [Hrsg.], GG, 11. Aufl. 2011, Art. 14 Rn. 11; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 95 m.w.N.). Wird dagegen in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit eingegriffen, so wird auch nach dieser Auffassung jedoch nicht der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG als betroffen angesehen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2004 - III ZR 263/04 -, juris). Das Verwaltungsgericht hat nicht hinreichend dargelegt, weshalb die Erlaubnispflicht gleichwohl durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sein soll.

39

b) Das Verwaltungsgericht meint ferner, § 13 Abs. 1 GlüG LSA verletze die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Berufsfreiheit der gewerblichen Vermittler von Glücksspielen. Seine Ausführungen reichen aber zur Darlegung einer Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG nicht aus. Das Verwaltungsgericht hat keine ausreichende Grundrechtsprüfung vorgenommen. Es hat zum einen nicht hinreichend dargelegt, in welcher Intensität durch die Einführung der Erlaubnispflicht in § 13 Abs. 1 GlüG LSA ein Eingriff in die Berufsfreiheit erfolgt ist. Es hat zudem nicht hinreichend dargelegt und begründet, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit unverhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt war.

40

aa) Das Verwaltungsgericht hat zwar hinreichend dargelegt, dass die Tätigkeit der Klägerinnen durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist. Art. 12 Abs. 1 GG schützt neben der freien Berufsausübung auch das Recht, einen Beruf frei zu wählen. Unter Beruf ist dabei jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (BVerfGE 105, 252 <265> m.w.N.). Das Vermitteln von Lotterien über das Internet erfüllt diese Merkmale und steht daher als berufliche Tätigkeit unter dem Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.

41

Wie das Verwaltungsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, steht der Qualifizierung als Beruf nach Art. 12 Abs. 1 GG hier nicht entgegen, dass diese Tätigkeit möglicherweise nach §§ 284, 287 StGB und § 18 GlüG LSA strafbar ist beziehungsweise gemäß § 14 Lotto-Toto-G LSA strafbar war. Einer die Merkmale des Berufsbegriffs grundsätzlich erfüllenden Tätigkeit ist der Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht schon dann versagt, wenn das einfache Recht die gewerbliche Ausübung dieser Tätigkeit verbietet. Eine Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG in dem Sinne, dass dessen Gewährleistung von vornherein nur erlaubte Tätigkeiten umfasst, kommt allenfalls hinsichtlich solcher Tätigkeiten in Betracht, die schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen sind, weil sie aufgrund ihrer Sozial- und Gemeinschaftsschädlichkeit schlechthin nicht am Schutz durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben können (BVerfGE 115, 276 <303> m.w.N.). Dies ist bei der gewerblichen Vermittlung von unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteten Lotterien nicht der Fall. Die Rechtsordnung kennt die gewerbliche Vermittlung von solchen Lotterien als erlaubte Betätigung. Bereits in § 14 LottoStV und § 3 Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen war der Beruf des gewerblichen Vermittlers von Lotterien als privates Gewerbe ausgestaltet.

42

bb) Ferner hat das Verwaltungsgericht überzeugend dargetan, dass die Einführung des Erlaubnisvorbehalts in § 13 Abs. 1 GlüG LSA wegen des mit ihm einhergehenden Ausschlusses der gewerblichen Vermittlung ohne entsprechende Genehmigung einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt.

43

cc) Das vorlegende Gericht hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass der Eingriff in die Berufsfreiheit verfassungswidrig ist.

44

(1) Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt (BVerfGE 7, 377 <399 ff.>; 86, 28 <40>). Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzmäßig erlassen wurde, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfGE 95, 193 <214>; 102, 197 <212 f.>).

45

Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit werden im Rahmen der Berufsfreiheit durch die sogenannte "Stufenlehre" näher konkretisiert (BVerfGE 25, 1 <11 f.>). Danach ist zu unterscheiden, auf welcher Stufe der Berufsfreiheit die Regelung ansetzt. Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden (BVerfGE 103, 1 <10>). Allerdings müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfGE 108, 150 <160>). Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen - mit Abstufungen im Einzelnen - sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (BVerfGE 7, 377 <406 f.>; 102, 197 <214>; 123, 186 <238 f.>).

46

(2) Das Verwaltungsgericht hat zur Eingriffsintensität nicht Stellung genommen. Es hat nicht dargelegt, ob es sich bei § 13 Abs. 1 GlüG LSA um eine Maßnahme mit Auswirkungen auf die Berufswahl- oder Berufsausübung handelt und ob die Norm unter Gemeinwohlaspekten verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist. Eine Qualifizierung der Eingriffsintensität wäre hier jedoch notwendig gewesen, um den Rechtfertigungsmaßstab festzulegen und anhand dessen zu bestimmen, ob der vorliegende Eingriff in die Berufsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Auch für die Feststellung der Anforderungen, die an die Zulässigkeit der von dem vorlegenden Gericht angenommenen unechten Rückwirkung zu stellen sind, hätte es zunächst einer Qualifizierung der Eingriffsintensität bedurft.

47

(3) Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auch nicht ausreichend dargelegt, dass tatbestandlich überhaupt eine unechte Rückwirkung gegeben ist. Diese würde voraussetzen, dass die Tätigkeit nach altem Recht erlaubt gewesen ist.

48

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die gewerbliche Vermittlung von Lotterien in Sachsen-Anhalt vor Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 GlüG LSA erlaubnisfrei zulässig gewesen. Durch die Erlaubnispflicht werde eine gesicherte Rechtsposition der gewerblichen Vermittler übergangslos entzogen.

49

(a) Die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sind wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips (BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>). Hieraus ergeben sich verfassungsrechtliche Grenzen für belastende Gesetze auch in Fällen einer sogenannten unechten Rückwirkung. Eine solche liegt vor, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwertet. Derartige Gesetze sind grundsätzlich zulässig. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kann aber je nach Lage der Verhältnisse im einzelnen Fall der Regelungsbefugnis Schranken setzen (BVerfGE 30, 392 <402>; 39, 128 <143 ff.>; 43, 242 <286>). Bei der Aufhebung und Modifizierung geschützter Rechtspositionen hat der Gesetzgeber auch dann, wenn der Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist, aufgrund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Übergangsregelung zu treffen (BVerfGE 21, 173 <183>; 22, 275 <276>; 25, 236 <248>; 31, 275 <284>; 32, 1 <22 f.>; 36, 281 <293>; 43, 242 <288>). Für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse steht dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 43, 242 <288 f.>).

50

(b) Nach Auffassung des vorlegenden Verwaltungsgerichts war die gewerbliche Vermittlung von Glücksspiel vor Einführung der Erlaubnispflicht in § 13 Abs. 1 GlüG LSA ein zulässiges Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung. Das Verwaltungsgericht geht jedoch überhaupt nicht darauf ein, warum die streitgegenständliche Tätigkeit nicht nach § 33h GewO vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung ausgeschlossen sein soll. Dafür hätte das Verwaltungsgericht sich mit dem Verhältnis von § 33h GewO zu der gewerblichen Vermittlung von Lotterien auseinandersetzen müssen. Es hätte sich auch mit den in der verwaltungsrechtlichen Literatur existierenden Meinungen auseinandersetzen und diese in seinem Vorlagebeschluss darlegen müssen. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht getan. Dabei wird die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts durchaus auch in Teilen der Literatur vertreten (vgl. Stober, Zur staatlichen Regulierung der gewerblichen Spielevermittlung, GewArch 2003, S. 305 <307>; Pieroth/Görisch, Gewerbliche Lotteriespielvermittlung als Gegenstand der konkurrierenden Bundesgesetzgebungskompetenz, NVwZ 2005, S. 1225 <1228>).

51

(c) Das Verwaltungsgericht setzt sich nicht ausreichend mit dem strafbewehrten Verbot der Vermittlung von Wetten im Lotto-Toto-Gesetz auseinander. Bei seinen Darlegungen hinsichtlich der erlaubnisfreien Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspiel und zur Gesetzeslage vor dem Inkrafttreten des § 13 Abs. 1 GlüG LSA stellt das vorlegende Gericht lediglich auf den Willen des Gesetzgebers des Glücksspielgesetzes für Sachsen-Anhalt im Jahr 2004 ab. Dabei kommt es für die Erlaubnispflicht auf den Willen des Gesetzgebers des vor Dezember 2004 gültigen Lotto-Toto-Gesetzes des Landes Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1991 und des Lotteriegesetzes von Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1993 an. Hierzu hätte es insbesondere einer Auseinandersetzung mit § 14 Lotto-Toto-G LSA bedurft, der eine Strafbestimmung für diejenigen Personen enthielt, die für ein Unternehmen, das in Sachsen-Anhalt nicht nach § 1 Lotto-Toto-G LSA zugelassen war, gewerbsmäßig Wetten über die Ziehung von Zahlen entgegennahmen oder vermittelten. Zu diesem Zweck hätte das Verwaltungsgericht nachvollziehbar darlegen müssen, wie es die Begründung zu § 14 Lotto-Toto-G LSA versteht, wonach nur die gewerbsmäßige Entgegennahme oder Vermittlung von Wetten über die Ziehung von Zahlen oder über sportliche Wettkämpfe strafbewehrt seien.

52

Da sich aus der allgemeinen Begründung des Gesetzesentwurfs zum Lotto-Toto-G LSA (Entwurf eines Gesetzes über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt, LT-LSA Drucksache 1/352 vom 17. April 1991) zudem ergibt, dass dieser in wesentlichen Teilen dem in Niedersachsen geltenden Gesetz über das Zahlenlotto und dem Gesetz über Sportwetten entspricht, hätte sich das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Auslegung zur Orientierung gegebenenfalls auch mit der früheren Rechtslage in Niedersachsen auseinandersetzen können.

53

Mit der amtlichen Begründung zu § 13 GlüG LSA hat sich das Verwaltungsgericht im Gegensatz zu den Gesetzesberatungen ebenfalls nicht auseinandergesetzt. Nach dieser soll § 13 Abs. 1 GlüG LSA die Vermittlung unter einen Erlaubnisvorbehalt stellen, während nach bisherigem Recht die Vermittlung grundsätzlich verboten gewesen sei (§§ 284 ff. StGB, § 14 Lotto-Toto-G LSA).

54

(d) Die Vorlage befasst sich zudem nicht hinreichend mit der Strafbarkeit der gewerblichen Vermittlung. Soweit das Verwaltungsgericht für die erlaubnisfreie Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspielen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2006 (1 Ss 296/05, NJW 2006, S. 2422) und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. November 2006 (2 StR 55/06, juris) heranzieht, verkennt es, dass die Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung aufgrund der Gesetzeskompetenz des Landes Sachsen-Anhalt im Kontext der jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen zu sehen ist. Den zitierten gerichtlichen Entscheidungen liegen jedoch keine Sachverhalte zugrunde, die sich unmittelbar auf die Zulässigkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspiel in Sachsen-Anhalt beziehen. Aus ihnen ergibt sich daher nicht unmittelbar die von dem Verwaltungsgericht angenommene Erlaubnisfreiheit der Tätigkeit.

55

Auch aus der durch das Verwaltungsgericht zitierten Literatur (Lüderssen, Die Aufhebung der Straflosigkeit gewerblicher Spielvermittler durch den neuen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland?, NStZ 2007, S. 15; ders., Keine Strafdrohungen für gewerbliche Spielvermittler, 2006, S. 9 ff.; Eser/Heine  , in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 284 Rn. 12a ff. und § 287 Rn. 13b m.w.N.) ergibt sich nicht, dass die gewerbliche Vermittlung von unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteten Lotterien in Sachsen-Anhalt straffrei und zulässig war. Vielmehr war die Strafbarkeit der gewerblichen Vermittlung von Glücksspielen umstritten (vgl. Eser/Heine, in: Schönke/Schröder, a.a.O., § 284 Rn. 12a, 17a; § 287 Rn. 13b). In der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Literatur wird zudem vertreten, dass auch die behördliche Duldung einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit, wie sie möglicherweise durch die Behörden in Sachsen-Anhalt in Bezug auf die Tätigkeit der Klägerinnen erfolgt war, die betroffene Handlung nicht zu legalisieren vermochte beziehungsweise dies jedenfalls umstritten war (vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, a.a.O., Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 62 und Cramer/Heine, Vorbem. §§ 324 ff. Rn. 20).

56

c) Eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Form der Freiheit zur wirtschaftlichen Betätigung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Art. 2 Abs. 1 GG scheidet als Maßstab bereits deshalb aus, weil die aufgeworfenen Fragen des Schutzes gewerblicher Vermittler von Glücksspielen an unmittelbar oder mittelbar staatlich veranstalteten Lotterien thematisch von der sachlich speziellen Grundrechtsnorm des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst werden (BVerfGE 59, 128; 105, 252 <279>; BVerfGK 3, 337).

57

d) Die Vorlage ist darüber hinaus unzulässig, weil das Verwaltungsgericht die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 BVerfGG nicht hinreichend dargelegt hat.

58

Das Verwaltungsgericht setzt sich mit der objektiven Rechtslage auseinander. Es erklärt aber nicht, inwiefern die seines Erachtens unzureichende Übergangsvorschrift in § 13 Abs. 7 GlüG LSA für seine Entscheidung erheblich sein soll. Entscheidungserheblich für den Ausgang eines Rechtsstreits ist ein formelles Gesetz nur dann, wenn es auf seine Gültigkeit für die Entscheidung ankommt (BVerfGE 104, 74 <82>) und damit ein konkretes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur abschließenden Beurteilung des Ausgangsrechtsstreits unerlässlich ist (BVerfGE 50, 108 <113>; 76, 100 <104>; 85, 337 <343>; 90, 145 <170>). Das ist dann der Fall, wenn das vorlegende Gericht bei Gültigkeit des formellen Gesetzes im Ergebnis anders entscheiden müsste als bei dessen Ungültigkeit (BVerfGE 22, 175 <176 f.>; 84, 233 <236 f.>; 91, 118 <121>; 98, 169 <199>; 105, 61 <67>).

59

Das Verwaltungsgericht legt nicht dar, inwiefern die Klägerinnen auch mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten der Regelung noch Vertrauensschutz genießen. § 13 Abs. 1 GlüG LSA ist im Dezember 2004 in Kraft getreten. Die Untersagungsverfügungen gegen die Klägerinnen sind mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten der Norm ergangen. Zwar war in § 13 Abs. 7 GlüG LSA geregelt, dass die Vermittlung von Glücksspiel für eine Übergangszeit von drei Jahren erlaubnisfrei sein sollte, wenn sie im Auftrag eines in dem Land zugelassenen Wettunternehmers erfolgte und die von Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel vollständig weitergeleitet wurden. Hieraus ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig, dass die von dem Verwaltungsgericht als notwendig erachtete Übergangsregelung für gewerbliche Vermittler automatisch ebenso lang hätte ausfallen müssen. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (BVerfGE 115, 276 <319>) für eine Neuregelung des Glücksspielrechts eine Übergangsfrist von etwas mehr als einem Jahr als angemessen angesehen (bis zum 31. Dezember 2007). Auch die Übergangsregelungen in § 25 GlüStV sehen lediglich eine Frist von einem Jahr für die Geltungsdauer von bereits erteilten Konzessionen, Genehmigungen und Erlaubnissen vor.

60

Selbst wenn man hier mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, dass § 13 Abs. 7 GlüG LSA eine mit Blick auf die gewerbliche Glücksspielvermittlung nicht ausreichende Übergangsregelung enthielt, hat das Gericht die unzumutbare Benachteiligung der Klägerinnen und damit die Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerinnen sind ihrer Tätigkeit als gewerbliche Vermittler auch nach dem Inkrafttreten der Erlaubnispflicht nach § 13 Abs. 1 GlüG LSA nachgegangen. Für die Entscheidungserheblichkeit ist maßgeblich, ob sich das Vertrauen der Klägerinnen bei Abwägung ihrer Interessen gegenüber dem Anliegen des Gesetzgebers als vorrangig erweisen würde.

61

Bei der Aufhebung oder Modifizierung geschützter Rechtspositionen hat der Gesetzgeber - auch dann, wenn der Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist - aufgrund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Übergangsregelung zu treffen (BVerfGE 21, 173 <183>; 22, 275 <276>; 25, 236 <248>; 31, 275 <284>; 32, 1 <22 f.>; 36, 281 <293>; 43, 242 <288>). Für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse steht dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der Nachprüfung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfGE 43, 242 <288 f.>).

62

Vorliegend sind keine Gesichtspunkte dafür ersichtlich, dass eine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit voll berücksichtigende Übergangsregelung den Klägerinnen eine günstigere Position hätte einräumen müssen als sie tatsächlich innehatten (vgl. BVerfGE 43, 242 <290>).

63

Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich lediglich dargelegt, dass mit der bloß faktischen ordnungsbehördlichen Duldung eines Verhaltens, das staatlicherseits bereits als verboten und strafbar angesehen werde, kein Übergangsrecht erreicht werde, welches der bislang innegehabten Rechtsposition des Betroffenen Rechnung trage. Denn jeder, der sich während der ihrer Dauer nach nicht bestimmten Duldungszeit auf Vermittlungsgeschäfte mit den Klägerinnen einlasse, müsse sich vor Augen führen, dass es sich um verbotene und unter Umständen auch für ihn selbst strafbare Geschäftstätigkeiten handele. Diese abstrakten Ausführungen zur objektiven Rechtslage erklären jedoch nicht, warum eine mögliche Übergangsregelung auf die in der Zwischenzeit weiterhin gewerblich vermittelnd tätigen Klägerinnen auch über zwei Jahre nach Inkrafttreten der Erlaubnispflicht in § 13 Abs. 1 GlüG LSA noch hätte angewandt werden müssen.

64

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen gesetzliche Regelungen des Landes Berlin, die den Betrieb ihrer Spielhallen nachteilig betreffen.

2

Sie betreibt in dem nicht in ihrem Eigentum stehenden Gebäudekomplex ... in Berlin sechs Spielhallen, die kreisförmig um einen Aufsichtsbereich herum angeordnet sind. Den Betrieb einer siebten Spielhalle dort hat sie im Verlauf des Revisionsverfahrens aufgegeben; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Bescheiden vom 4. November 2008 waren der Klägerin für ihre Spielhallen unbefristete Erlaubnisse nach § 33i Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) erteilt worden.

3

Nachdem am 2. Juni 2011 das Spielhallengesetz Berlin (SpielhG BE) in Kraft getreten war, wies das Bezirksamt ... von Berlin die Klägerin auf die danach einzuhaltenden Anforderungen an den Betrieb von Spielhallen hin. Bei nicht fristgerechter Einhaltung sei das Ordnungsamt gehalten, Widerrufsverfahren einzuleiten.

4

Am 27. Juli 2011 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage auf Feststellung erhoben, dass die ihr erteilten Erlaubnisse auch nach deren im Spielhallengesetz Berlin vorgesehenen Erlöschen am 31. Juli 2016 wirksam bleiben, sie für den Betrieb ihrer Spielhallen keine weiteren Erlaubnisse benötigt und näher bezeichneten Vorschriften des Spielhallengesetzes Berlin und des Ausführungsgesetzes Berlin zum Glücksspielstaatsvertrag (AGGlüStV BE) nicht unterliegt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. März 2013 abgewiesen.

5

Mit Urteil vom 11. Juni 2015 hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klägerin ihre Berufung durch Antragsbeschränkung im Berufungsverfahren zurückgenommen hat, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Die Feststellungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Das Land Berlin sei nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zum Erlass der angegriffenen Bestimmungen befugt gewesen. Diese schränkten die Berufsausübungsfreiheit zum Zweck der Bekämpfung und Prävention von Spielsucht sowie zur Sicherung des Jugendschutzes in verhältnismäßiger Weise ein. Es sei nicht feststellbar, dass die Klägerin wegen der Beschränkungen zulässiger Standorte oder einer wirtschaftlichen Erdrosselung künftig in Berlin keine Spielhalle mehr werde betreiben können. Sie könne auf andere Standorte im Berliner Stadtgebiet ausweichen. Da bei Weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an Automaten spielten, die nach der Gewerbeordnung betrieben werden dürften, habe der Berliner Gesetzgeber von einem nicht unerheblichen Suchtpotenzial ausgehen und entsprechende präventive Regelungen erlassen dürfen. Seine Annahme, eine Reduzierung der Anzahl und Dichte von Spielhallen könne Spielsüchtige vom Spielen abhalten und einem Gewöhnungseffekt für Kinder und Jugendliche entgegenwirken, sei nicht offensichtlich fehlsam. Die Eignung der Regelungen werde nicht durch ein etwaiges Vollzugsdefizit gegenüber nicht genehmigten Spielhallen in Frage gestellt, da kein normatives Regelungsdefizit bestehe. Für Ausweichbewegungen von Spielern in Gaststätten mit Geldspielautomaten seien keine verlässlichen Erkenntnisse ersichtlich. Die Regelungen verletzten weder den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber Gaststätten oder der Spielbank Berlin noch das Grundrecht der Klägerin auf Eigentum. Sie seien auch nicht wegen Verstoßes gegen die Informationspflicht gegenüber der Europäischen Kommission nach der Richtlinie 98/34/EG unanwendbar, da sie keine technischen Vorschriften darstellten.

6

Am 7. Juli 2015 hat die Klägerin hiergegen Revision eingelegt. Nach Inkrafttreten des am 22. März 2016 verabschiedeten Mindestabstandsumsetzungsgesetzes Berlin (MindAbstUmsG BE) am 6. April 2016, das für die Neuerteilung von Erlaubnissen an Bestandsspielhallen ein Sonderverfahren vorsieht, hat sie für die streitgegenständlichen Spielhallen entsprechende Erlaubnisanträge gestellt. Gleichzeitig hält sie an ihrem Feststellungsbegehren fest.

7

Zur Begründung der Revision macht die Klägerin neben Verfahrensrügen im Wesentlichen geltend, die von ihr angegriffenen Regelungen seien formell und materiell verfassungswidrig. Den Ländern komme insoweit keine Gesetzgebungskompetenz zu. Durch die Föderalismusreform 2006 sei ihnen mit dem "Recht der Spielhallen" im Wege der normativen Rezeption lediglich die Zuständigkeit für den eingeschränkten Regelungsbereich des § 33i GewO übertragen worden. Regelungen zur abstrakten Gefahrenabwehr und zur Suchtprävention im gewerblichen Automatenspiel seien dem Geräte- und Aufstellungsrecht zuzuordnen, für das der Bund regelungsbefugt sei. Standortbezogene Beschränkungen für Spielhallen seien ausschließlich dem Bauplanungsrecht zuzuordnen. Jugendschützende Regelungen unterfielen der Regelungskompetenz des Bundes für die öffentliche Fürsorge. Insoweit habe der Bund von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht. Eine weitere Rechtsetzung der Länder sei daher gesperrt.

8

Die mit dem Spielhallengesetz Berlin, dem Glücksspielstaatsvertrag und dem Ausführungsgesetz für das Land Berlin geschaffenen neuen Erlaubnisvorbehalte stellten repressive Verbote und objektive Berufswahlbeschränkungen für Spielhallenbetreiber dar. Sie seien nach neuerer Suchtforschung nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber verfolge mit ihnen in Wahrheit fiskalische Ziele, da er das stärker spielsuchtrelevante Automatenspiel in Spielbanken nicht vergleichbar reguliere. Angesichts des Vollzugsdefizits gegenüber einer Vielzahl illegaler Spielstätten in Berlin sei den Betreibern langjährig unbeanstandeter Bestandsspielhallen eine Schließung nicht zuzumuten. Die landesrechtlichen Abstandsregelungen für Spielhallen konterkarierten bauplanungsrechtliche Regelungen zur Konzentration von Spielhallen in bestimmten Baugebieten und führten zu einem "Kahlschlag" der vorhandenen Spielhallen. Das Mindestabstandsgebot von 500 Metern zu anderen Spielhallen sei wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen. Neben dem bestehenden Zugangsverbot zu Spielhallen für Jugendliche nach dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) sei das Verbot von Spielhallenstandorten in räumlicher Nähe zu Einrichtungen, die von Minderjährigen besucht werden, unverhältnismäßig. Es sei auch nicht hinreichend bestimmt. Das nach dem Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin vorgesehene Sonderverfahren für die Erteilung einer Erlaubnis an Bestandsunternehmen führe zu zusätzlichen Standorteinschränkungen und erhebe mit dem Losentscheid den Zufall zum Rechtsprinzip. Die Reduzierung der Höchstzahl von zwölf auf acht Geräte in einer Spielhalle sei betriebswirtschaftlich nicht verkraftbar und zur Spielsuchtbekämpfung nicht erforderlich.

9

Die Regelung des Spielhallengesetzes über das Erlöschen von Alterlaubnissen verletzte die Klägerin auch in ihrem Grundrecht auf Eigentum. Eine fünfjährige Übergangsfrist für Bestandsbetriebe reiche wegen der Ungewissheit darüber, welcher Bestandsbetrieb eine Erlaubnis nach neuem Recht erhalte, nicht aus. Auch die Reduzierung der Gerätehöchstzahl greife in das Eigentumsrecht von Spielhallenbetreibern ein. Darüber hinaus verstoße es gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG, Spielhallen stärker zu beschränken als Gaststätten mit Geldspielgeräten und Spielbanken mit teilweise hunderten stärker spielergefährdenden Automaten in einem Saal. Die angegriffenen Einschränkungen für Spielhallen verletzten zudem das verfassungsrechtliche Konsistenzgebot und das unionsrechtliche Kohärenzgebot. Die Klägerin hält an ihren in den Vorinstanzen erhobenen Einwänden gegen die Werberestriktionen für Spielhallen, die Verpflichtung zur Stellung einer Aufsichtsperson pro Spielhalle, gegen obligatorische Eingangskontrollen und die Verpflichtung zur Berücksichtigung von Selbstsperren fest. Sie meint, die über den Glücksspielstaatsvertrag hinausgehenden Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin verstießen gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens. Außerdem sei das Spielhallengesetz wegen einer Verletzung der Notifizierungspflicht aus der Richtlinie 98/34/EG unanwendbar.

10

Die Klägerin beantragt,

soweit das Verfahren nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. März 2013 zu ändern und

1. a) festzustellen, dass die Klägerin im Hinblick auf die ihr im November 2008 erteilten Gewerbeerlaubnisse gemäß § 33i Gewerbeordnung auch ohne Neuerteilung von landesrechtlichen Erlaubnissen nach dem Spielhallengesetz Berlin vom 20. Mai 2011 oder nach dem Zweiten Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel vom 19. Juni 2012, jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Mindestabstands nach dem Spielhallengesetz Berlin für Bestandsunternehmen sowie zur Änderung spielrechtlicher Vorschriften vom 22. März 2016, weiterhin berechtigt ist, die Spielhallen M. I "...", M. II "...", M. III "...", M. IV "...", M. V "..." und M. VI "..." zu betreiben,

hilfsweise,

b) festzustellen, dass die zuständige Erlaubnisbehörde nicht berechtigt ist, die Erteilung landesrechtlicher Erlaubnisse für die im Klagantrag Ziffer 1. a) aufgeführten Spielhallen wegen Nichteinhaltung der in § 2 Abs. 1 Satz 2 bis 4 Spielhallengesetz vorgesehenen Standortbeschränkungen abzulehnen.

2. festzustellen, dass die Klägerin entgegen der in § 4 Abs. 2 Spielhallengesetz und in § 4 Abs. 3 Spielhallengesetz vorgesehenen Begrenzungen berechtigt ist, in den in Ziffer 1 bezeichneten Spielhallen bei Einhaltung der weiteren, in der Spielverordnung vorgesehenen Voraussetzungen jeweils bis zu zwölf Geld- oder Warenspielgeräte aufzustellen und bis zu drei andere Spiele zu veranstalten,

3. festzustellen, dass die Klägerin in den in Ziffer 1 genannten Spielhallen entgegen § 6 Abs. 1 Satz 1 Spielhallengesetz auch dann Speisen und nichtalkoholische Getränke verabreichen darf, wenn in einer Spielhalle vier oder mehr Geld- oder Warenspielgeräte aufgestellt sind,

4. festzustellen, dass die Klägerin in den in Ziffer 1 genannten Spielhallen entgegen § 6 Abs. 1 Satz 2 Spielhallengesetz Speisen und Getränke unentgeltlich abgeben darf,

5. festzustellen, dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 1 Spielhallengesetz berechtigt ist, die in Ziffer 1 genannten Spielhallen auch in der Zeit von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr und in der Zeit von 6:00 Uhr bis 11:00 Uhr zu betreiben, soweit nicht das feiertägliche Spielverbot gemäß § 5 Abs. 2 Spielhallengesetz eingreift,

6. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die in § 4 Abs. 1 Satz 2 Spielhallengesetz und in § 26 Abs. 1 des Glücksspieländerungsstaatsvertrages vorgesehenen Werbebeschränkungen einzuhalten,

7. festzustellen, dass die Klägerin nicht gemäß § 6 Abs. 2 Spielhallengesetz während der Öffnungszeiten sicherstellen muss, dass in jeder der in Ziffer 1 genannten Spielhallen mindestens eine Aufsichtsperson dauerhaft anwesend ist,

8. festzustellen, dass die Klägerin abgesehen von Zweifelsfällen im Hinblick auf die Einhaltung der Altersgrenze (siehe § 2 Abs. 2 Satz 2, § 6 Abs. 1 JuSchG) nicht gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 Spielhallengesetz verpflichtet ist, durch Eingangskontrolle und Prüfung des Personalausweises oder anderer Dokumente die Identität und/oder das Alter der Personen, die Zutritt zu einer Spielhalle begehren, zu kontrollieren,

9. festzustellen, dass die Klägerin nicht gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 Spielhallengesetz verpflichtet ist, Personen für die Dauer von mindestens einem Jahr vom Spiel auszuschließen, die dies ihr gegenüber oder gegenüber dem mit der Aufsicht betrauten Personal verlangen,

10. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die in § 6 und § 7 Glücksspielstaatsvertrag geregelten Pflichten der Veranstalter und Vermittler von öffentlichen Glücksspielen zu beachten.

11

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Er verteidigt das Berufungsurteil. Mit den angegriffenen Regelungen habe der Gesetzgeber auf den sprunghaften Anstieg von Spielhallenstandorten und den in ihnen aufgestellten Spielgeräten vor allem in den Innenstadtbezirken Berlins reagiert, um der herausragenden Suchtgefahr des Geldautomatenspiels entgegenzuwirken. Insoweit verfüge der Gesetzgeber über einen legislativen Einschätzungsspielraum, der hier auch ausweislich neuester Studien über Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland nicht überschritten sei. Die Länder seien für sämtliche der angegriffenen Regelungen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG regelungsbefugt. Die Ausübung des Berufs des Spielhallenbetreibers bleibe in Berlin selbst bei Einhaltung der Mindestabstände möglich, da auch bauplanungsrechtlich ausreichend Standorte zur Verfügung stünden. Die angegriffenen Einschränkungen für Spielhallen seien zur Spielsuchtbekämpfung und -prävention geeignet, erforderlich und zumutbar. Das Sonderverfahren zur Auswahl von Standorten für Bestandsspielhallen stelle eine Entscheidung anhand hinreichend bestimmter qualitativer Kriterien und eine grundrechtsschonende Ausschöpfung der Standortkapazität sicher. Der Landesgesetzgeber habe Spielhallen gegenüber dem Automatenspiel in Gaststätten und in Spielbanken unterschiedlich behandeln dürfen. Die nach § 33i GewO erteilten Alterlaubnisse würden durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützt. Bis zu ihrem Erlöschen gelte eine großzügige Übergangsfrist. Die große Zahl der nach Inkrafttreten des Spielhallengesetzes weiterbetriebenen Spielhallen spreche gegen eine Erdrosselungswirkung der neuen Regelungen. Unionsrecht stehe ihrer Anwendung nicht entgegen. Insbesondere seien sie keine notifizierungspflichtigen technischen Vorschriften im Sinne der Richtlinie 98/34/EG.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses hält die Länder zur Regelung von Mindestabständen zu anderen Spielhallen und zu Einrichtungen, die von Minderjährigen besucht werden, für befugt. Solche Regelungen seien zwar mangels unmittelbaren Bezuges zur Räumlichkeit von Spielhallen nicht dem "Recht der Spielhallen" zuzuordnen. Jedoch habe der Bund insoweit jedenfalls von seiner Kompetenz zur Regelung der öffentlichen Fürsorge und des Rechts der Wirtschaft keinen Gebrauch gemacht. Die Länder seien aber nicht befugt, Gerätehöchstzahlbegrenzungen und Regelungen über Beschränkungen bei Abgabe von Speisen oder Getränken in einer Spielhalle zu erlassen.

Entscheidungsgründe

14

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit - hinsichtlich der von der Klägerin nicht mehr betriebenen Spielhalle M. VII "..." - übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen bleibt die zulässige Revision ohne Erfolg. Das angegriffene Urteil verletzt nicht revisibles Recht.

15

1. Die Feststellungsklage der Klägerin ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Soweit sie sich dagegen wendet, mit ihren Spielhallen bereits in Kraft getretenen betriebsbezogenen Einschränkungen zu unterliegen, ist sie an einem gegenwärtigen, feststellungsfähigen Rechtsverhältnis beteiligt. § 43 Abs. 2 VwGO greift insoweit nicht ein, da die Vorschriften bußgeldbewehrt sind und der Klägerin nicht zuzumuten ist, etwaige Sanktionen abzuwarten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 - BVerwGE 136, 54 <64>). Soweit sich die Klägerin gegen erst künftig eintretende, mit dem Erlöschen ihrer Spielhallenerlaubnisse und dem Erfordernis einer neuen Erlaubnis verbundene Beschränkungen wendet, ist die Klage als vorbeugende Feststellungsklage zulässig. Zwar gelten die ihr auf der Grundlage von § 33i GewO erteilten Erlaubnisse nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes zur Umsetzung des Mindestabstandes nach dem Spielhallengesetz Berlin für Bestandsunternehmen (Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin - MindAbstUmsG BE) vom 22. März 2016 (GVBl. 2016 S. 117) bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung im Sonderverfahren als fortbestehend, weil die Klägerin für die streitgegenständlichen Spielhallen Anträge auf Neuerteilung von Erlaubnissen gestellt hat und bislang noch keine Auswahlentscheidung über die fortbestehenden Standorte getroffen worden ist. Welchen rechtlichen Anforderungen sie im Hinblick auf die künftige Erteilung einer Erlaubnis unterliegen wird, ist aber bereits jetzt sachlich und zeitlich hinreichend überschaubar. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist deshalb auch insoweit gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1989 - 2 C 23.88 - NJW 1990, 1866). Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an sämtlichen von ihr begehrten Feststellungen ergibt sich aus ihrem Interesse, Klarheit über die Rechtslage zu erzielen, um wirtschaftliche Dispositionen für ihre Spielhallenbetriebe treffen zu können (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Mai 2001 - 3 C 2.01 - BVerwGE 114, 226 <227> und vom 20. November 2003 - 3 C 44.02 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 37 S. 18 f.).

16

2. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler des Berufungsgerichts liegen nicht vor. Die Ablehnung ihrer Beweisanträge Nr. 5 a bis d verletzt den Untersuchungsgrundsatz nicht. Ausgehend von seiner für die Prüfung von Verfahrensmängeln maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 <189>), dass es auf wirtschaftliche Nachteile der Spielhallenbetriebe wegen illegaler Spielangebote nur ankomme, wenn diese Nachteile in einem normativen Regelungsdefizit angelegt sind, musste das Oberverwaltungsgericht den von der Klägerin beantragten Beweis zu den Gründen der Schließung zweier Berliner Verbundspielhallen wegen der Konkurrenz benachbarter illegaler scheingastronomischer Spielangebote nicht erheben. Mit der Ablehnung des Beweisantrags war keine vorweggenommene Beweiswürdigung indizieller Tatsachen verbunden. Vielmehr hat das Berufungsgericht die wirtschaftliche Konkurrenz durch illegale Spielstätten für rechtlich unerheblich gehalten, weil es ein normatives Regelungsdefizit als Ursache der illegalen Konkurrenz verneint hat. Den Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur regelmäßigen wirtschaftlichen Unmöglichkeit des Weiterbetriebes vorhandener (Mehrfach-)Spielhallen aufgrund der Neuregelungen für Spielhallen hat das Berufungsgericht zwar insoweit zu eng verstanden, als es auf die künftige rechtliche Unzulässigkeit des Betriebes von Mehrfachspielhallen verwiesen und deren Weiterbetrieb als Einzelspielhallen ausgeblendet hat (vgl. UA S. 66). Die Ablehnung dieses Beweisantrages findet gleichwohl im geltenden Prozessrecht eine hinreichende Stütze. Auf Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass ein Ausweichen von Bestandsspielhallen in andere Bereiche des Berliner Stadtgebietes möglich und rechtlich zumutbar sei, war die zum Beweis gestellte Tatsache nicht entscheidungserheblich, soweit sie sich auf die verfahrensgegenständlichen Spielhallen der Klägerin bezog. Darüber hinaus durfte der Antrag mangels hinreichender Substantiierung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2014 - 10 B 34.14 - juris Rn. 9) abgelehnt werden. Die Klägerin hatte angesichts der vom Berufungsgericht hervorgehobenen beträchtlichen Anzahl von Spielhallen, die im Land Berlin nach Inkrafttreten der angegriffenen Regelungen weiterhin betrieben werden, keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Fortführung ihrer Spielhallenbetriebe als Einzelspielhallen in Berlin wirtschaftlich unmöglich wäre. Gleiches gilt für die Ablehnung der Beweisanträge zur Übertragbarkeit von Ertragsrechnungen dreier pseudonymisierter Spielhallenbetriebe auf andere Spielhallen. Diese Anträge enthielten schon keine Angaben zur Art und Lage der als exemplarisch dargestellten Betriebe und waren nicht hinreichend bestimmt, um dem Berufungsgericht eine Sachaufklärung zur wirtschaftlichen Auskömmlichkeit des Betriebes von Spielhallen unter Geltung der neuen Anforderungen nahezulegen.

17

Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht aktenwidrig unter Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz angenommen, dass die wirtschaftliche Konkurrenz für Spielhallen durch illegale Spielstätten singulär nur bestimmte Bezirke des Stadtgebietes betreffe und es weder dargetan noch ersichtlich sei, dass Spielhallen nicht in den unattraktiveren Außenbereichen von Berlin wirtschaftlich betrieben werden könnten. Diese berufungsgerichtlichen Annahmen liegen nicht außerhalb des Gesamtergebnisses des Verfahrens, denn die Klägerin hatte ausweislich des Tatbestandes des Berufungsurteils (UA S. 3 ff.) vorgetragen, in einigen Bezirken sei künftig ein Betrieb von Spielhallen faktisch nicht mehr möglich, in manchen Stadtgebieten gebe es eine große Anzahl illegaler Spielbetriebe und durch die Abstandsregelungen würden künftig Spielhallen auch in Gegenden eröffnet, in denen es solche bislang nicht gegeben habe. Eine Berichtigung des Tatbestandes des Berufungsurteils hat die Klägerin insoweit nicht beantragt.

18

3. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zu Recht zurückgewiesen, da die Klage unbegründet ist. Die von der Klägerin begehrten Feststellungen können nicht getroffen werden, weil ihnen verfassungs- und unionsrechtskonforme landesrechtliche Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Spielhallen im Land Berlin (Spielhallengesetz Berlin - SpielhG BE) vom 20. Mai 2011 (GVBl. BE 2011 S. 223, geändert durch Gesetz vom 22. März 2016, GVBl. BE 2016 S. 117) i.V.m. dem Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin (MindAbstUmsG BE), des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV) vom 15. Dezember 2011 (GVBl. BE 2012 S. 193, 199) sowie des hierzu ergangenen Ausführungsgesetzes des Landes Berlin zum Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung vom 20. Juli 2012 (AGGlüStV BE, GVBl. BE 2012 S. 238, zwischenzeitlich geändert durch Gesetz vom 7. Juli 2016, GVBl. BE 2016 S. 450) entgegenstehen. Das erst nach Verkündung des Berufungsurteils erlassene Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin ist in die revisionsgerichtliche Prüfung einzubeziehen, weil für das Feststellungsbegehren der Klägerin die Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Revisionsgerichts maßgeblich ist und das Revisionsgericht eine Änderung des Landesrechts nach Erlass des Berufungsurteils zu beachten hat, wenn das Berufungsgericht bei einer Entscheidung zu diesem Zeitpunkt auf die entsprechenden Regelungen abzustellen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1990 - 1 C 30.86 - NJW 1990, 2768), und von der Anwendung des geänderten irrevisiblen Rechts die richtige Anwendung des revisiblen Rechts abhängt (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 24 m.w.N.). Das ist hier der Fall, weil durch das Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin wesentliche, grundrechtsrelevante Anforderungen an die Neuerteilung von Erlaubnissen für Bestandsspielhallen nach dem Spielhallengesetz Berlin ausgestaltet werden. Insbesondere hat der Gesetzgeber darin erstmals Regelungen über die Auflösung einer Konkurrenz mehrerer bestehender Spielhallen an den künftig noch zulässigen Spielhallenstandorten geschaffen und hierdurch berechtigten Zweifeln daran, ob sich die wesentlichen Entscheidungen für die Auswahl unter konkurrierenden Bestandsspielhallen einem Parlamentsgesetz entnehmen ließen, Rechnung getragen.

19

a) Das Land Berlin war zum Erlass sämtlicher mit den Feststellungsbegehren angegriffener Regelungen befugt. Der ausdrückliche und ausschließliche Länderkompetenztitel (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 13) in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das "Recht der Spielhallen" ermächtigt die Länder zur Regelung sämtlicher Voraussetzungen für die Erlaubnis von Spielhallen und die Art und Weise ihres Betriebes einschließlich der räumlichen Bezüge in ihrem Umfeld. Dies ergibt die Auslegung des Kompetenztitels nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck (vgl. allg. BVerfGE, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <273 f.>).

20

aa) Der Wortlaut des Kompetenztitels "Recht der Spielhallen" ist weit und erfasst über die Voraussetzungen der Erteilung einer Spielhallenerlaubnis hinaus alle Gesichtspunkte des mit der Räumlichkeit einer Spielhalle verbundenen Betriebes. Insbesondere beschränkt er sich nicht auf den Regelungsgehalt des bisherigen § 33i GewO. Regelungen dagegen, die sich unabhängig vom Aufstellungsort Spielhalle produktbezogen mit der Gestaltung, Zulassung, Aufstellung und Überprüfung von Spielgeräten befassen, sind dem "Recht der Spielhallen" wegen des im Wortlaut angelegten räumlichen Bezuges dieser Materie nicht zuzuordnen.

21

Auch die Entstehungsgeschichte des im Zuge der Föderalismusreform zugunsten der Länder umgestalteten Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht dafür, dass das "Recht der Spielhallen" alle Aspekte der Erlaubnis und des Betriebes von Spielhallen umfasst. Insbesondere lassen sich weder den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens für das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034), mit dem die Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG verabschiedet wurde, noch den Materialien der 2003 eingesetzten "Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung" (Föderalismuskommission I), an deren Ergebnisse das verfassungsändernde Gesetz anknüpfte, Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit ihm lediglich der Regelungsbereich der bisherigen Rechtsgrundlage für eine Spielhallenerlaubnis in § 33i GewO normativ rezipiert und die Gesetzgebungsbefugnis der Länder hierauf beschränkt werden sollte.

22

Die Reform der Gesetzgebungskompetenzen im Jahre 2006 ging auf die Initiative der Länder zurück, die bundesstaatliche Ordnung kritisch zu überprüfen und den Ländern wieder mehr Kompetenzen zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <264>). In der Föderalismuskommission I konnte allerdings zwischen Bund und Ländern kein Konsens darüber hergestellt werden, welche Materien aus dem Kompetenztitel des "Rechts der Wirtschaft" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG auf die Länder verlagert werden sollten. Einigkeit bestand lediglich darüber, dass den Ländern Materien übertragen werden sollten, die einen regionalen Bezug aufwiesen und nicht zur Wahrung des einheitlichen Wirtschaftsraums in der Bundeskompetenz verbleiben mussten (vgl. Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 "Regionale Themen" am 29. September 2004, S. 2; Stenografischer Bericht der 9. Sitzung der Kommission am 14. Oktober 2004, S. 231; alle auch nachfolgend genannten Dokumente der Föderalismuskommission I in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005, Dokumentation der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, 2005, CD-ROM). Eine Übertragung der Materie der "Spielhallen" auf die Länder schlugen erstmals die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission I in ihren abschließenden Darstellungen und ihrem Vorentwurf eines Beschlussvorschlages vor (vgl. Sprechzettel der Vorsitzenden zur Erweiterten Obleuterunde am 26. November 2004, S. 4 und am 3. Dezember 2004, S. 3; Vorentwurf vom 13. Dezember 2004 für einen Vorschlag der Vorsitzenden, S. 4). Die Reichweite der dort aufgeführten Materie "Spielhallen" wurde darin nicht erläutert. Die vorhergehenden Arbeitsdokumente der Föderalismuskommission I enthielten weder einen Vorschlag zur Übertragung der späteren Ländermaterie "Recht der Spielhallen" noch Hinweise für deren Eingrenzung. Das gilt auch für die von der Klägerin und von Teilen der Literatur als Beleg für eine enge Auslegung in Bezug genommene Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 28. September 2004 zur "Gewerbeordnung und Handwerksordnung" (PAU-5/0020), in der "Spielhallen (§ 33i)" erwähnt sind (vgl. ebd. S. 4). Die Stellungnahme des Bundesministeriums sollte auf Bitten der Länder klären, ob der Bund ein Bedürfnis, grundlegende Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Betätigung weiterhin bundesgesetzlich zu regeln, für alle Bereiche der Gewerbeordnung sah (vgl. ebd. S. 2), nachdem das Ministerium zuvor die Position der Länder zur Übertragung des gesamten Gewerberechts auf sie umfassend zurückgewiesen hatte (vgl. BMWA, Stellungnahme für die Bereiche u.a. Handwerksrecht und allgemeines Gewerberecht zu: "Konkretisierung der Länderposition zum 'Recht der Wirtschaft' <art. 74 abs. 1 nr. 11 gg>", PAU-3/0007 = PAU-5/0006 S. 3 f.). Das Ministerium schlug in der Stellungnahme nicht vor, die Regelung von Spielhallen den Ländern zu übertragen, sondern listete den bestehenden Inhalt der Gewerbeordnung auf. Dem jeweiligen einfachgesetzlichen Regelungsbereich der Vorschriften der §§ 30 bis 38 GewO wurde jeweils in Klammern deren Paragrafenbezeichnung hinzugesetzt, also beispielsweise "Gewinnspiele und Geldspielgeräte (...) (§§ 33c bis h), Spielhallen (§ 33i), Pfandleiher (§ 34)". Diese Bestimmungen, so die Stellungnahme, würden zum Teil ergänzt durch ausführliche Verordnungen mit Detailregelungen. Bei einzelnen dieser Bereiche komme eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länderebene in Betracht, soweit ein lokaler Bezug vorhanden sei. Allerdings sei den Ländern in diesen Bereichen bereits nach geltendem Recht die materielle Ausgestaltung überlassen (PAU-5/0020 S. 4). Welche Bereiche sich konkret für eine Verlagerung der Kompetenz auf die Länder eigneten, führte das Ministerium nicht aus. In der zuständigen Projektgruppe 5 "Regionale Themen" war zu diesem Zeitpunkt außerdem offen, ob eine etwaige Zuständigkeitsverlagerung auf die Länder einfachgesetzlich oder verfassungsrechtlich erfolgen solle (vgl. den Bericht in der 7. Sitzung der Arbeitsgruppe "Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte" der Föderalismuskommission I, Protokollvermerk vom 6. Oktober 2004 S. 22 f.). Jedenfalls sollte die Verteilung der Kompetenzen im Bereich des Wirtschaftsrechts dem Ansatz der "örtlichen Radizierung" folgen (vgl. den Ergebnisvermerk der 6. Sitzung der Projektgruppe 5 "Regionale Themen" am 29. September 2004 S. 2). Zur Verabschiedung eines Ergebnisses der Föderalismuskommission kam es nicht mehr, nachdem die Vorsitzenden deren Arbeit für gescheitert erklärten (vgl. Stenografischer Bericht der 11. Sitzung vom 17. Dezember 2004 S. 279 ff.).

23

Die Entstehungsgeschichte des - mit dem Entwurf für das verfassungsändernde Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) wieder aufgegriffenen - Vorentwurfs eines Vorschlages der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I bietet daher für die Auslegung des heutigen Kompetenztitels des "Rechts der Spielhallen" keine konkrete Substanz. Sie spricht aber dagegen, dass den Ländern im Bereich des Gewerberechts kleinteilig Gesetzgebungsbefugnisse nach Maßgabe der bestehenden Regelungen in der Gewerbeordnung übertragen werden sollten. Hierfür hätte die in der Föderalismuskommission I ebenfalls erwogene Schaffung einfachgesetzlicher Öffnungsklauseln zugunsten der Länder genügt. Vielmehr wurden unter Sichtung der Gewerbeordnung Sachverhalte von vorrangig regionaler Bedeutung gesucht, die von den Ländern deshalb ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums selbständig gestaltet werden konnten. Dazu gehörte nach dem Vorentwurf der Vorsitzenden der Föderalismuskommission I die Regelung von Spielhallen, nicht dagegen die Regelung von Gewinnspielen und Geldspielgeräten, die zuvor in der Auflistung des Inhalts der Gewerbeordnung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ebenso aufgeführt waren. Der infolge der Koalitionsvereinbarung vom 18. November 2005 erarbeitete Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 7. März 2006 (BT-Drs. 16/813) griff den letzten Sachstand der Föderalismuskommission I aus dem Vorsitzendenentwurf ausdrücklich auf (vgl. ebd. S. 3, 7 und 13). Die verabschiedete Endfassung entspricht dem Gesetzesentwurf.

24

Der Auffassung, der Zuweisungsgehalt des "Rechts der Spielhallen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG müsse normativ-rezeptiv nach dem Regelungsbereich des § 33i GewO bestimmt werden (vgl. z.B. Schneider, GewArch 2009, 269 <270>; Uhle, Normativ-rezeptive Kompetenzzuweisung und Grundgesetz, 2015, 46 ff.), kann auch aus anderen Gründen nicht gefolgt werden. Von einer normativen Rezeption geht das Bundesverfassungsgericht aus, wenn der Verfassungsgeber eine normativ ausgeformte Materie vorgefunden und sie nachvollziehend benannt hat, so dass die einfachgesetzliche Ausformung in der Regel unter dem Gesichtspunkt des Traditionellen und Herkömmlichen den Zuweisungsgehalt auch der Kompetenznorm bestimmt (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218> und Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 Rn. 29). Sie ist bislang allenfalls für bereits vorkonstitutionell ausgeformte, umfangreiche Rechtsmaterien anerkannt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 1279/12 - BVerfGE 134, 33 <55 ff.> und Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 für das Strafrecht). Für eine restriktive Anwendung der Rechtsfigur spricht, dass sie das Rangverhältnis zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht umkehrt und den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers schwächt, wenn sie die überkommene einfachgesetzliche Ausgestaltung für seine verfassungsrechtliche Regelungskompetenz für maßgeblich hält (vgl. dazu Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 35, 39; Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 70 Rn. 49).

25

Die normative Rezeption eines als einheitliches Regelungswerk konzipierten Normenkomplexes (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 34, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <218>) in einem verfassungsrechtlichen Kompetenztitel soll eine gewisse Kontinuität der Gesetzgebung in langjährig entwickelten Rechtsgebieten über Verfassungsänderungen hinweg gewährleisten. Sie setzt einen von anderen Regelungsbereichen abgrenzbaren und langjährig gefestigten einfachgesetzlichen Normbestand voraus, der prägende Wirkung für eine Kompetenzmaterie entwickeln kann. Daran fehlt es hier. Die ordnungs- und gewerberechtlichen Anforderungen an Spielhallen wurden bis zur Schaffung der Kompetenzmaterie der Länder im Jahr 2006 immer wieder grundlegend geändert (vgl. eingehend m.w.N. zur Regelungsgeschichte Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 1 ff.; Hahn, in: Friauf, GewO Stand 2016, vor § 33c Rn. 4 ff.) und waren mit Anforderungen an Aufsteller von Geräten und Veranstalter anderer Spiele verschränkt (vgl. nur § 33i Abs. 2 i.V.m. § 33c Abs. 2, § 33d Abs. 3 GewO, § 3a i.V.m. § 3 SpielV). 1933 wurde die gewerbsmäßige Aufstellung mechanischer Spiele und Spieleinrichtungen mit Gewinnmöglichkeit an öffentlichen Orten genehmigungspflichtig (RGBl. 1933 I S. 1080). Durch Verordnung wurde 1953 erstmals die Aufstellung von Geldspielgeräten in geschlossenen Räumen - und damit auch der Betrieb einer Spielhalle - zugelassen (BGBl. 1953 I S. 935). 1960 wurden in der Gewerbeordnung der Erlaubnisvorbehalt für den gewerbsmäßigen Betrieb einer Spielhalle und, hiervon getrennt, eine Aufstellererlaubnis und eine Bauartzulassung für Spielgeräte eingeführt (BGBl. 1960 I S. 61, ber. S. 92). 1979 wurde die Aufstellererlaubnis in eine orts- und geräteübergreifende personenbezogene Erlaubnis umgewandelt (BGBl. 1979 I S. 149). Dies bedingte eine stärkere Inpflichtnahme des Betreibers einer Spielhalle für die Einhaltung der Anforderungen an die Aufstellung der Geräte im konkreten Betrieb. Diese Entwicklung spiegelte sich auch in den Änderungen der 1962 erlassenen Spielverordnung (SpielV). Deren gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 33f GewO erlaubte zum Zeitpunkt der Föderalismusreform I den Erlass von Verordnungsbestimmungen zur Durchführung von gerätebezogenen wie auch von aufstellerbezogenen und von spielhallenbetreiberbezogenen Regelungen der Gewerbeordnung (Fassung vom 25. November 2003, BGBl. I S. 2304). Entsprechend enthielt die Spielverordnung spielhallenbezogene Regelungen, die sich teilweise an die Aufsteller von Spielgeräten, teilweise aber auch an die Veranstalter von Spielen und an die Betreiber von Spielhallen richteten (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 und 3, §§ 3a und 4 SpielV i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1985, BGBl. I S. 2245, geändert durch Verordnung vom 24. April 2003, BGBl. I S. 547 und durch die 5. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 17. Dezember 2005, BGBl. I S. 3495).

26

Im Übrigen wäre selbst bei einer normativ-rezeptiven Auslegung des "Rechts der Spielhallen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu berücksichtigen, dass die bundesrechtlichen Regelungen zu Spielhallen 2006 über erlaubnisbezogene Anforderungen hinausgingen. Sie umfassten neben orts- und betriebsbezogenen Anforderungen auch Pflichten des Spielhallenbetreibers zur Einhaltung von Höchstzahlen für Geräte und andere Spiele, Aufsichtsverpflichtungen und Sicherungsmaßnahmen zugunsten von Minderjährigen sowie die Verpflichtung, die Aufstellung von Geräten nur bei Einhaltung der aufstellungsbezogenen rechtlichen Anforderungen zuzulassen (vgl. § 33c Abs. 3 Satz 3, § 33f Abs. 1 Nr. 1 und 4 GewO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 und 3, §§ 3a, 4 SpielV).

27

Der systematische Zusammenhang der Länderkompetenz für das "Recht der Spielhallen" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG spricht ebenfalls dafür, den Ländern die Regelungsbefugnis für sämtliche erlaubnis- und betriebsbezogenen Aspekte des Spiels in Spielhallen zuzuordnen. Die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG von der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ausgenommenen, ausschließlich den Ländern zugeordneten Materien des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen sowie der Messen, Ausstellungen und Märkte betreffen durchweg Gewerbeaktivitäten mit Bezug zu einer räumlich-betrieblich abgegrenzten Einrichtung oder Veranstaltung vor Ort. Sie alle weisen damit den von der Föderalismuskommission I geforderten regionalen Bezug auf. Damit hat der Gesetzgeber in Anknüpfung an die oben genannten Überlegungen in der Föderalismuskommission I aus dem "Recht der Wirtschaft" Bereiche identifiziert, die in erster Linie auf regionale Sachverhalte bezogen sind und deshalb typischerweise ohne Gefährdung des einheitlichen Wirtschaftsraums von den Ländern eigenständig gestaltet werden können. Mit ihnen hat der Verfassungsgeber in Kauf genommen, dass sich bundesweit tätige Unternehmen wie Einzelhandels- und Restaurantketten, Beschicker von Märkten und Messen ebenso wie Vertreiber und Aufsteller von Spielgeräten auf unterschiedliche Regelungen der Länder in diesen Materien einzustellen haben. Regelungsgegenstände ohne räumlich-betrieblichen Bezug wie das "Recht der Spielgeräte" und der ortsübergreifenden Zulassung ihrer Aufstellung, die bei einer länderspezifischen Ausgestaltung etwa die Handelbarkeit des Produkts beeinträchtigen könnten, fallen dagegen aus der Systematik dieser ausschließlichen Ländermaterien heraus und sind der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das "Recht der Wirtschaft (Gewerbe)" zuzuordnen.

28

Diese Auslegung entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck der Kompetenznorm. Mit der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber eine neu konturierte und klare föderale Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten im Recht der Wirtschaft erzielen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <277>). Deutlicher voneinander abgegrenzte Verantwortlichkeiten sollten die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern verbessern und die Landesgesetzgeber durch Zuweisung neuer Materien mit Regionalbezug, die eine bundesgesetzliche Regelung nicht zwingend erfordern, gestärkt werden (vgl. BT-Drs. 16/813 S. 7, 9). Schon die Föderalismuskommission I verfolgte das Ziel, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu entflechten und die Länderebene zu stärken (vgl. Positionspapier der Ministerpräsidenten zur Föderalismusreform, Kommissionsdrucksache 0045 S. 1, in: Deutscher Bundestag/Bundesrat, Zur Sache 1-2005). Die Anknüpfung der Kompetenzverlagerung auf die Länder an einen überwiegenden regionalen Bezug der Materie bedeutet daher nicht, dass jede einzelne Regelung durch einen besonderen Bedarf für landes- oder ortsspezifische Differenzierungen zum Erlass von Regelungen gedeckt sein muss. Ein solcher Vorbehalt würde die Neuzuweisung von Kompetenzen an die Länder ohne Rückhalt in der Entstehungsgeschichte des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wesentlich einschränken und neue Unsicherheiten in der Abgrenzung der Kompetenzverteilung schaffen, die mit der Verfassungsänderung vermieden werden sollten.

29

bb) Nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG können die Länder im Bereich der ihnen durch Änderung des Art. 74 Abs. 1 GG zugewiesenen Materien das als Bundesrecht fortgeltende Recht durch Landesrecht ersetzen. Mit den von der Klägerin angegriffenen Regelungen des Spielhallengesetzes Berlin, des Glücksspielstaatsvertrages sowie des Ausführungsgesetzes des Landes Berlin hierzu hat das Land Berlin von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Sie lassen sich dem Kompetenztitel für das "Recht der Spielhallen" auch zuordnen.

30

Für die Zuordnung gesetzlicher Regelungen zu einer verfassungsrechtlichen Kompetenznorm sind ihr Gegenstand und Gesamtzusammenhang im jeweiligen Gesetz maßgeblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202 <216>; Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 402, 906/08 - BVerfGE 121, 317 <348>; Rozek, in: von Mangold/Klein/Starck, a.a.O., Bd. 2 Art. 70 Rn. 55). Die angegriffenen Erlaubnisvorbehalte für den Betrieb von Spielhallen enthalten als Zulassungsvoraussetzungen personenbezogene Anforderungen an die Betreiber von Spielhallen und Anforderungen an die Art und Weise des Betriebes. Die erstmals eingeführten Mindestabstände zu anderen Spielhallen und sonstigen Einrichtungen sowie das Verbot der Zulassung und des Betriebes mehrerer Spielhallen im Verbund beschränken die Dichte von Spielhallen in einem bestimmten Gebiet und regeln ihr räumliches Verhältnis zu sonstigen Einrichtungen, deren Nutzer der Gesetzgeber als schutzwürdig ansieht. Sie betreffen die räumlichen Bezüge einer Spielhalle in ihrem Umfeld und damit einen Regelungsgegenstand, der nicht zwingend bundeseinheitlich zu regeln ist und im Hinblick auf die jeweilige soziale Bevölkerungsstruktur und Dichte des Spielangebots regionale Bezüge aufweist. Für die Zuordnung zur Kompetenzmaterie "Recht der Spielhallen" ist nicht maßgeblich, ob diese Regelungen an eine abstrakte oder an eine konkrete Gefahr anknüpfen.

31

Mindestabstandsregelungen für Spielhallen sind nicht der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG für das "Bodenrecht" zuzuordnen. Dazu gehören Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand haben und die rechtlichen Beziehungen des Menschen zu ihm regeln (BVerfG, Rechtsgutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 - BVerfGE 3, 407 <424>; BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2007 - 4 C 8.06 - BVerwGE 129, 318 <320>). Die Vorschriften über den Mindestabstand zwischen Spielhallen sowie zu anderen Einrichtungen regeln nicht den Ausgleich verschiedener Nutzungsinteressen an Grund und Boden oder die Wahrung des Gebietscharakters des Umfeldes einer Spielhalle, sondern den Spielerschutz und den Schutz von Minderjährigen vor der Entstehung von Spielsucht (vgl. auch Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 2014 - 15/13, 1 VB 15/13 - ESVGH 65, 58, juris Rn. 319).

32

Regelungen des Mindestabstandes von Spielhallen zu Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, sind auch nicht der Materie der "öffentliche Fürsorge" nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zuzuordnen, für die der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt. Zwar erfasst sie auch Regelungen des Jugendschutzes (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 - 2 BvL 10/70 - BVerfGE 31, 113 <117>; BVerwG, Urteil vom 12. Januar 1966 - 5 C 104.63 - BVerwGE 23, 112 <113>). Der Schwerpunkt des Mindestabstandsgebotes zu Einrichtungen für Minderjährige liegt aber auf der spielerschützenden Ausgestaltung der räumlichen Bezüge der Spielhalle. Der Jugendschutz stellt dabei einen Annex zum Schutz vor Spielsucht bei Zulassung der Spielhalle als einer Gefahrenquelle dar. Im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen für die Regulierung des Glücksspiels dürfen die Länder auch Aspekte des Jugendschutzes mit regeln. Selbst bei Zuordnung des Mindestabstandes zu Einrichtungen für Minderjährige zum Kompetenztitel des Bundes für die "öffentliche Fürsorge" bliebe den Ländern nach Art. 72 Abs. 1 GG Raum für die hier in Rede stehenden Regelungen zum Schutz im Vorfeld des Betretens von Spielhallen, da der Bund mit der Regelung des Zugangsverbots für Minderjährige in § 6 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2016, BGBl. I S. 1666) von seiner Befugnis für jugendschützende Regelungen im Hinblick auf Spielhallen nicht abschließend Gebrauch gemacht hat.

33

Auch alle weiteren, von der Revisionsführerin angegriffenen Regelungen betreffen die Ausgestaltung des Spielhallenbetriebes und sind dem "Recht der Spielhallen" zuzuordnen. Beschränkungen der Verabreichung von Speisen und Getränken, der Werbung für Spielhallen und für die in ihnen angebotenen Spiele, die Sperrzeit für Spielhallen sowie die Pflichten zur Stellung von Aufsichtspersonal, zur Durchführung von Identitätskontrollen, Sperrung von Spielern und Erstellung von Sozialkonzepten und von Informationen für Spielende stellen Anforderungen an die Organisation und räumlich-betriebliche Ausgestaltung von Spielhallen dar. Das gilt auch für Regelungen zur Höchstzahl von Spielgeräten oder anderen Spielen und zur Art und Weise der Aufstellung von Spielgeräten. Insbesondere sind Gerätehöchstzahl- und -aufstellungsregelungen nicht dem produktbezogenen Geräterecht oder dem ortsübergreifenden Aufstellerrecht als Teil des in der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes verbliebenen "Gewerberechts" nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zuzuordnen. Sie betreffen nicht die Beschaffenheit und Vermarktung von Spielautomaten, sondern die Art und Weise des Spielhallenbetriebes vor Ort. Nachdem die Gesetzgebungskompetenz für die Ausgestaltung des Betriebes von Spielhallen im Rahmen der Föderalismusreform I ausschließlich den Ländern übertragen worden ist, bleibt für bundesrechtliche Neuregelungen der Höchstzahl von Spielgeräten und deren räumliche Anordnung in Spielhallen kein Raum mehr. Dafür ist unerheblich, ob die vor 2006 erlassenen Verordnungsbestimmungen über die Höchstzahl und Art und Weise der Aufstellung von Geräten in der bundesrechtlichen Spielverordnung der Durchführung der Regelungen in der Gewerbeordnung über Spielgeräte (§ 33c ff. GewO) oder der Regelungen über die Zulassung von Spielhallen (§ 33i GewO) dienten. Im Übrigen gehörte die Gewährleistung der Einhaltung der Gerätehöchstzahl in einer Spielhalle auch nach bisherigem Recht mit zu den Verpflichtungen des Gewerbetreibenden, in dessen Betrieb die Spielgeräte aufgestellt waren (§§ 3, 3a SpielV).

34

b) Die angegriffenen landesrechtlichen Regelungen sind materiell mit der Verfassung vereinbar.

35

aa) Sie greifen in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit erfordert eine kompetenzgemäß erlassene gesetzliche Grundlage, die durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - 1 BvL 6/13 - NJW 2016, 700 <701> m.w.N.; vom 14. Januar 2014 - 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12 - BVerfGE 135, 90 <111 Rn. 57> und vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 <38>). Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden, soweit Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen. Objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen sind dagegen nur zum Schutz überragender Gemeinwohlgüter zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 2010 - 1 BvL 3/07 - ZfWG 2011, 33 Rn. 45). Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 BvR 931/12 - BVerfGE 138, 261 <284 f. m.w.N.>). Wirkt eine auf die Berufsausübung zielende Regelung auf die Berufswahl zurück, weil sie in ihren Wirkungen einer Regelung der Berufswahl nahe kommt, so ist ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung an den Anforderungen an Regelungen betreffend die Berufswahl zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>; Kammerbeschluss vom 24. August 2011 - 1 BvR 1611/11 - NVwZ 2012, 104 <105>).

36

Gemessen hieran stellen die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar. Der Auffassung der Klägerin, es handele sich bei den Mindestabstandsgeboten, dem Verbundverbot und den Gerätehöchstzahlregelungen sowie aufgrund einer kumulativen Betrachtung bei sämtlichen angegriffenen Regelungen um objektive Berufswahlbeschränkungen, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils nicht gefolgt werden. Dafür sind die Auswirkungen der betreffenden Regelungen in ihrem gesamten räumlichen Geltungsbereich zu betrachten.

37

Das Oberverwaltungsgericht hat mit bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass Spielhallenbetreiber von ihrem derzeitigen Standort erforderlichenfalls in Gebiete des Landes Berlin ausweichen können, in denen eine geringere Konzentration von Spielhallen und weniger Konkurrenz besteht, und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Spielhallen dort nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Auch in der Gesamtschau aller landesrechtlichen Beschränkungen für Spielhallen einschließlich der Erhebung der Vergnügungsteuer sowie bauplanungsrechtlicher Einschränkungen ist es nicht davon ausgegangen, dass Spielhallen in Berlin künftig nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können (vgl. UA S. 46, 53, 66). Die von der Klägerin nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen geben auch nichts dafür her, dass die Durchsetzung der Mindestabstandsregelungen im Verhältnis zu anderen Spielhallen und zu überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besuchten Einrichtungen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 SpielhG BE) absehbar zu einer Erschöpfung der Standortkapazität für Spielhallen im gesamten Geltungsbereich der betreffenden Regelungen und damit zu einer faktischen Kontingentierung führen könnten, deren Wirkung einer Berufswahlbeschränkung nahe käme (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 1295/07 - NJW 2008, 1293 <1294>). Soweit die Klägerin annimmt, das Verfahren zur Auswahl der den Mindestabstand unterschreitenden Spielhallenstandorte oder der Spielhallen in einem Mehrfachkomplex (§§ 7, 8 MindAbstUmsG BE) komme bezogen auf den jeweiligen Standort einer Kontingentierung gleich, übersieht sie, dass eine verfassungsrechtlich relevante objektive Berufswahlbeschränkung nur vorliegt, wenn die Kontingentierung sich auf den räumlichen Geltungsbereich der Norm - hier also auf das Gebiet des Landes Berlin - erstreckt. Für die revisionsgerichtliche Prüfung ist daher davon auszugehen, dass die von der Klägerin angegriffenen Beschränkungen nicht schon den Zugang zur nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Tätigkeit des Spielhallenbetreibers ausschließen, sondern lediglich Anforderungen an deren Ausübung stellen.

38

Die angegriffenen Regelungen sollen den Gefahren der Glücksspielsucht entgegenwirken (vgl. die Begründung zum Entwurf des Spielhallengesetzes Berlin, Abghs.-Drs. 16/4027 S. 1; Entwurf zum Zweiten Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel, Abghs.-Drs. 17/0313 S. 46, 50, 56, 78 f.). Die Bekämpfung und Prävention von Glücksspielsucht ist als überragend wichtiges Gemeinwohlziel anerkannt, da Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen selbst, für ihre Familien und für die Gemeinschaft führen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304 f.>; Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338; Beschluss vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 - WM 2015, 1827 <1828>). Das Berufungsgericht hat in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ferner angenommen, dass bei Weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an gewerberechtlich zugelassenen Automaten spielen, und dass der Berliner Gesetzgeber daher von einem nicht unerheblichen Suchtpotenzial ausgehen durfte (UA S. 48, vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <305>). Die Klägerin hat diese Einschätzung nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Der Landesgesetzgeber durfte entgegen der Auffassung der Revision beim Erlass von Regelungen über Spielhallen auf die Zielsetzung der Bekämpfung von Glücksspielsucht zurückgreifen, auch wenn bereits die bundesrechtlichen Vorschriften über die Gerätezulassung auf dieses Ziel ausgerichtet sind. Verfassungsrechtlich legitime Schutzzwecke für Maßnahmen innerhalb der Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers werden nicht durch Regelungen "verbraucht", die der Bundesgesetzgeber unter derselben Zielsetzung für die ihm zustehenden Kompetenzmaterien getroffen hat.

39

aaa) Die in § 2 SpielhG BE und § 24 GlüStV i.V.m. § 15 AGGlüStV BE geregelten Erlaubnisvorbehalte für das Betreiben einer Spielhalle verletzen die Klägerin nicht in ihrer Berufsfreiheit. Der Betrieb einer Spielhalle darf einem Erlaubnisvorbehalt unterstellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 2005 - 6 C 11.04 - Buchholz 451.20 § 15 GewO Nr. 5, S. 8 zu § 33i GewO). Eine Ausgestaltung der für die Erteilung einer Erlaubnis in § 2 SpielhG BE genannten Voraussetzungen als erlaubnisunabhängige, ggf. mit Mitteln der Aufsicht durchzusetzende Anforderungen stellt kein zur Verwirklichung des Regelungszwecks gleich geeignetes milderes Mittel dar. Es liegt auf der Hand, dass die mit Blick auf den Mindestabstand zwischen den Spielhallenstandorten und dem Verbot von Mehrfachkomplexen zu treffenden Entscheidungen, welche Spielhallen geschlossen werden müssen, nicht bei einer Fortgeltung der Alterlaubnisse nach § 33i GewO im Wege der Aufsicht, sondern nur im Rahmen eines Erlaubnisverfahrens getroffen werden können. Dann ist auch nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen eines solchen Erlaubnisverfahrens geprüft wird, ob weitere zentrale Anforderungen an den Spielhallenbetrieb aktuell vorliegen. Zur Verfolgung der gewichtigen Gemeinwohlinteressen der Verhinderung und Bekämpfung der Glücksspielsucht wäre im Übrigen grundsätzlich sogar ein Erlaubnisvorbehalt zulässig, der keinen Rechtsanspruch vorsieht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338 Rn. 52). Der Berliner Landesgesetzgeber hat sich, auch wenn er strengere Erlaubnisvoraussetzungen als bislang nach § 33i GewO eingeführt hat, auf eine Präventivkontrolle der Zulassung von Spielhallen beschränkt. Nach beiden landesrechtlichen Erlaubnisvorbehalten besteht bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung einer Spielhallenerlaubnis. Ein repressiver Verbotscharakter ergibt sich weder aus den standortbezogenen Erlaubnisvoraussetzungen des Verbundverbotes und der Einhaltung der Mindestabstände nach § 2 Abs. 1 Satz 2 bis 5 SpielhG BE, § 25 Abs. 1 und 2 GlüStV i.V.m. § 15 Abs. 3 AGGlüStV BE noch aus den über § 33i GewO hinausgehenden Versagungsgründen eines fehlenden Sachkundenachweises oder Sozialkonzepts (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 und 5 SpielhG BE).

40

Es verletzt die Klägerin nicht in ihrer Berufsfreiheit, dass der Berliner Landesgesetzgeber seinen Verpflichtungen aus dem Glücksspielstaatsvertrag vom 15. Dezember 2011 durch Schaffung eines weiteren Erlaubnisvorbehaltes nach § 15 AGGlüStV BE, der neben den schon seit dem 2. Juni 2011 geltenden Erlaubnisvorbehalt des § 2 SpielhG BE getreten ist, nachgekommen ist. Dass zum Betrieb einer Spielhalle in Berlin zwei gesonderte Erlaubnisse erforderlich sind, führt angesichts der parallelen Ausgestaltung beider Erlaubnisvorbehalte nicht zu einer spürbaren Belastung von Spielhallenbetreibern. Die behördliche Zuständigkeit, der zeitliche Ablauf der Erteilung sowie die standortbezogenen Erteilungsvoraussetzungen und wesentlichen Versagungsgründe für beide Erlaubnisse sind nach § 15 AGGlüStV BE einander angeglichen. Dabei fällt nicht ins Gewicht, dass der glücksspielstaatsvertragliche Erlaubnisvorbehalt einzelne Anforderungen, die nach dem SpielhG BE als reine Betreiberpflichten ausgestaltet sind, als Versagungsgründe normiert (so die Werbebeschränkungen nach § 5 Abs. 1 bis 3 GlüStV, die Einhaltung der Sperrzeit nach § 26 Abs. 2 GlüStV und die Pflicht zur Bereitstellung von Informationen an Spieler nach § 7 GlüStV, vgl. § 15 Abs. 2 AGGlüStV BE). Beide Erlaubnisvorbehalte genügen des Weiteren dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und eröffnen der Exekutive keinen Anwendungsspielraum, der hinter den Anforderungen an gesetzliche Erlaubnisvorbehalte (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. April 2007 - 1 BvR 78/02 - BVerfGK 11, 21 <25 f.> m.w.N.) zurückbliebe. Auch der Erlaubnisversagungsgrund in § 24 Abs. 2 GlüStV i.V.m. § 15 Abs. 2 AGGlüStV BE, wenn Errichtung und Betrieb einer Spielhalle den Zielen des § 1 GlüStV zuwiderlaufen, ist hinreichend bestimmt. Die dort festgeschriebenen Ziele des Glücksspielstaatsvertrages sind für Spielhallen im Glücksspielstaatsvertrag selbst und in den dazu ergangenen Ausführungsregelungen des Landes Berlin hinreichend konkretisiert worden, um den behördlichen Vollzug parlamentsgesetzlich zu steuern.

41

bbb) Das in § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE als Erteilungsvoraussetzung für die Spielhallenerlaubnis ausgestaltete Erfordernis eines Mindestabstandes von 500 Metern zu weiteren Spielhallen und die in § 2 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE geregelte Beschränkung auf ein Unternehmen für jeden Spielhallenstandort (Verbundverbot) greifen in verhältnismäßiger Weise in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin ein. Der Mindestabstand zu anderen Spielhallen soll gewährleisten, dass Spieler sich nach Verlassen einer Spielhalle von der Spielatmosphäre lösen und einen neuen, selbständigen Entschluss fassen können, ob sie eine weitere Spielhalle betreten (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 11 f.). Mit dem Verbundverbot (Verbot von Mehrfachkomplexen) wollte der Gesetzgeber darüber hinaus einer suchtsteigernden Häufung des Spielangebots an einem Standort entgegenwirken (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 11).

42

Beide Regelungen sind zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels der Bekämpfung von Spielsucht geeignet, erforderlich und zumutbar.

43

(a) Eine Regelung ist zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Insoweit kommt dem Gesetzgeber unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffene gesetzgeberische Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 - BVerfGE 117, 263 <183> m.w.N.). Die gesetzgeberische Einschätzung, dass eine Spielpause nach Verlassen einer Spielhalle eine Abkühlphase gewährleisten kann, in der Spieler die Fortsetzung ihres Spiels überdenken können, ist nicht offensichtlich fehlsam. Sie greift auf das im gewerblichen Glücksspielrecht bereits verankerte Mittel der Suchtbekämpfung durch eine Spielpause (vgl. § 13 Nr. 6 und 6a SpielV) zurück. Gegen die Eignung des Mindestabstandes zwischen Spielhallen zur Spielsuchtbekämpfung kann auch nicht eingewandt werden, dass Spieler ihren Entschluss zur Beendigung des Spielens bereits mit Verlassen einer Spielhalle gefasst hätten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie diesen Entschluss revidieren, wenn sie auf ein erneutes Spielangebot treffen, oder dass sie sich durch Wechsel der Spielstätte lediglich der Beobachtung des Aufsichtspersonals entziehen wollen oder von diesem zur Beendigung der Spieltätigkeit angehalten bzw. vom weiteren Spiel ausgeschlossen worden sind (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 2 und 3 SpielhG BE).

44

Ebenso stellt das Verbot mehrerer Spielhallen an einem Standort (Verbundverbot) einen förderlichen Beitrag zur Bekämpfung und Prävention von Spielsucht dar. Nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsurteils ist die ihm zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Verfügbarkeit von Spielangeboten die Suchtgefahr erhöht und durch Reduzierung der Anzahl und Dichte von Spielhallen Spielanreize zurückgeführt und Spielsüchtige vom Spielen abgehalten werden können, jedenfalls nicht offensichtlich fehlsam (UA S. 49).

45

Der Eignung der Abstandsregelung steht nicht entgegen, dass Spieler innerhalb des Mindestabstandes von 500 Metern zu anderen Spielhallen auf Gaststätten treffen können, in denen bis zu drei Geldspielgeräte zulässig sind. Das Berufungsgericht ist aufgrund bindender Tatsachenfeststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) revisionsrechtlich fehlerfrei davon ausgegangen, dass es angesichts des unterschiedlichen Gepräges von Gaststätten durch das im Vordergrund stehende Angebot von Speisen und Getränken und von Spielhallen durch das Bereithalten eines umfangreichen und vielfältigen Spielangebots (so auch BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1991 - 1 B 174.90 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 5 S. 5; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89 u.a. - NVwZ 1997, 573 <575> und vom 3. September 2009 - 1 BvR 2384/08 - BVerfGK 16, 162 <175>) keine verlässlichen Erkenntnisse für ein Ausweichen von Spielern auf Gaststätten mit Geldspielautomaten gibt (UA S. 51).

46

Gegen die Eignung des Verbots von Mehrfachkomplexen und des Abstandsgebots zur Minderung des spielsuchtfördernden Spielanreizes kann nicht eingewandt werden, dass der Landesgesetzgeber trotz der hohen Anzahl von Spielautomaten in Automatensälen der Spielbank Berlin auf einen Mindestabstand zwischen Spielhallen und Spielbanken verzichtet hat. Die Eignung dieser beiden Regelungen wäre hierdurch nur in Frage gestellt, wenn das Spielautomatenangebot der Spielbank in vergleichbarer Weise im Lebensumfeld von Spielern, die auch Spielhallen besuchen, verfügbar wäre. Das ist nach den tatbestandlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, wonach die Spielbank Berlin nur wenige Außenstellen hat (UA S. 58), jedoch nicht der Fall.

47

Die angegriffenen Abstandsregelungen sind auch nicht wegen eines Vollzugsdefizits bei illegalen Angeboten des Automatenspiels in Einrichtungen der sog. Scheingastronomie, sog. "Café-Casinos", zur Spielsuchtbekämpfung ungeeignet. Das Berufungsurteil geht zutreffend davon aus, dass dafür nur normativ angelegte Hindernisse relevant sein könnten, die Ausdruck eines strukturbedingt zu einer defizitären Praxis führenden Regelungsdefizits sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. November 2009 - 7 C 20.08 - Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 2 Rn. 22 und vom 23. Februar 2011 - 8 C 50.09 - Buchholz 451.25 LadSchlG Nr. 30 Rn. 38; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a. - BVerfGE 133, 168 Rn. 117 f.). Unabhängig davon, dass dem Berufungsurteil keine Feststellung zu entnehmen ist, dass die Vollzugsbehörden im Geltungsbereich der angegriffenen Regelungen illegale Angebote des Geldautomatenspiels dulden, sind in den angegriffenen landesrechtlichen Anforderungen an Spielhallen keine Umgehungsmöglichkeiten im Sinne eines normativen Regelungsdefizits angelegt. Vielmehr stellt die Definition von Spielhallen in § 1 SpielhG BE, die zur Anwendbarkeit der nachfolgenden Regelungen führt, entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zu § 33i GewO (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 2005 - 6 C 11.04 - Buchholz 451.20 § 15 GewO Nr. 5 S. 3) darauf ab, ob das betreffende Unternehmen ausschließlich oder überwiegend der gewerbsmäßigen Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele nach der Gewerbeordnung dient. Ergänzend hat der Landesgesetzgeber die Spielhallendefinition mit Wirkung zum 6. April 2016 in § 1 Abs. 2 SpielhG BE präzisiert, um eine Umgehung des Spielhallenrechts zu verhindern (vgl. Art. 2 MindAbstUmsG BE und dazu Abghs.-Drs. 17/2714 S. 29). Danach ist eine Spielhalle ungeachtet einer anderslautenden Anzeige und Bestätigung des Aufstellungsortes für Spielautomaten anzunehmen, wenn bei einer Gesamtschau der objektiven Betriebsmerkmale die anderweitige Gewerbeausübung lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Bei Vorliegen bestimmter äußerlich erkennbarer Merkmale wird eine Spielhalle gesetzlich vermutet. Auch dies steht der Annahme einer normativ angelegten Schutzlücke im Hinblick auf den Vollzug des Spielhallengesetzes Berlin entgegen. Im Übrigen hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Problematik der illegalen "Café-Casinos" nur bestimmte Bezirke betrifft (UA S. 66). Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen greifen - wie dargelegt - nicht durch. Die Existenz illegaler "Café-Casinos" vermag daher auch tatsächlich nicht zu verhindern, dass durch das Abstandsgebot die Anzahl und Dichte von Spielhallen zurückgeführt und damit das Ziel der Suchtbekämpfung und -prävention gefördert wird.

48

(b) Die Mindestabstandsregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE und das Verbot von Mehrfachkomplexen sind auch erforderlich und zumutbar.

49

Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetzgeber auch für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Dieser ist nur dann überschritten, wenn aufgrund der dem Gesetzgeber bekannten Tatsachen und der bereits vorhandenen Erfahrungen feststellbar ist, dass weniger grundrechtsbelastende, aber gleich wirksame Regelungsalternativen in Betracht kommen (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - BVerfGK 18, 116 <121>). Nach dem für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand durfte der Landesgesetzgeber im Rahmen dieses Einschätzungsspielraums annehmen, dass es keine gleich wirksamen und weniger belastenden Alternativen zur Herabsetzung der suchtfördernden Verfügbarkeit des Spielangebots in Spielhallen gibt als die Einführung eines Mindestabstandes von 500 Metern zu anderen Spielhallen und eines Verbotes von Mehrfachkomplexen. Gegen die Erforderlichkeit der Mindestabstandsregelung lässt sich auch nicht einwenden, dass andere Länder geringere Abstände vorsehen. Es liegt in der Einschätzungsprärogative des einzelnen Landesgesetzgebers zu bestimmen, welche Vorgaben für die höchstzulässige Spielhallendichte nach dem bereits vorhandenen Spielangebot und der jeweiligen sozialen Bevölkerungsstruktur erforderlich sind.

50

Die Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit von Spielhallenbetreibern durch die Mindestabstandsregelung und das Verbot von Mehrfachkomplexen sind auch verhältnismäßig im engeren Sinne, d.h. zumutbar. Allerdings sind die dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen intensiv. Im Falle der Klägerin hat die Anwendung dieser Regelungen zur Folge, dass sie von den derzeit am Standort "..." vorhandenen sechs Spielhallen dort allenfalls eine Spielhalle wird weiter betreiben können. Dem steht jedoch die überragende Bedeutung gegenüber, die der Gesetzgeber der Bekämpfung und Prävention der Glücksspielsucht angesichts des gerade vom Spielhallenangebot ausgehenden hohen Suchtpotenzials beimessen durfte. Ein derart gewichtiges Gemeinwohlziel vermag selbst eine objektive Berufswahlbeschränkung wie ein Wettmonopol zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - BVerfGE 115, 276 <304 ff.> und Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338), die vorliegend wegen der - vom Berufungsgericht festgestellten - Möglichkeit des auch wirtschaftlich zumutbaren Ausweichens auf andere, wenn auch weniger attraktive Standorte im Stadtgebiet nicht erreicht wird. Die Zumutbarkeit der Mindestabstandsregelung wird ergänzend durch die Möglichkeit gesichert, im Rahmen der Soll-Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE atypischen Fällen Rechnung zu tragen. Darüber hinaus kann die Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes und der Lage des Einzelfalls eine abweichende Entscheidung treffen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 5 SpielhG BE).

51

Die Zumutbarkeit der spielhallenrechtlich bedingten Beeinträchtigungen der Ausübung des Berufs eines Spielhallenbetreibers setzt auch nicht voraus, dass der Gesetzgeber die durch das Spielen an Spielautomaten hervorgerufenen Suchtgefahren gleichzeitig auch bezogen auf andere Aufstellorte wie Spielbanken oder Gaststätten konsequent oder gar mit uniformen Mitteln bekämpft. Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassung ein Konsistenzgebot lediglich für das aus ordnungsrechtlichen Gründen beim Staat monopolisierte Glücksspielangebot entnommen und überdies klargestellt, dass sich aus ihr kein sektor-übergreifendes Gebot der Kohärenz glücksspielrechtlicher Regelungen einschließlich derjenigen zum gewerberechtlich zugelassenen Automatenspiel ableiten lässt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. März 2009 - 1 BvR 2410/08 - BVerfGK 15, 263 <268>). Eine Übertragung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an glücksspielrechtliche Regelungen innerhalb des Monopolbereichs auf das nicht monopolisierte Glücksspiel wäre verfassungsrechtlich auch nicht zu rechtfertigen. Eine Konsistenzkontrolle von Regelungen, die der Parlamentsgesetzgeber in Übereinstimmung mit sonstigem Verfassungsrecht einschließlich des Gleichbehandlungsgebotes erlassen hat, durch Gerichte würde weit in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingreifen und könnte allenfalls bei besonders intensiven Eingriffen wie einem gewerblichen Betätigungsmonopol des Staates in Betracht kommen.

52

Unabhängig hiervon wäre eine Inkonsistenz der von der Klägerin angegriffenen spielhallenrechtlichen Regelungen u.a. der Mindestabstände zu anderen Spielhallen und des Verbotes von Mehrfachkomplexen auch nicht erkennbar. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die hier in Rede stehenden spielhallenrechtlichen Regelungen inkonsistent wären. Insbesondere ist nicht zu sehen, dass der Gesetzgeber ein identisches Suchtpotenzial des Angebots von Spielautomaten in Spielhallen unterschiedlich gewichtet hätte (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. - BVerfGE 121, 317 <362 f.>). Eine Inkonsistenz besteht auch nicht sektorübergreifend mit Blick auf das in Spielbanken und Gaststätten bestehende Angebot zum Automatenspiel. Die verfassungsrechtliche Schlüssigkeitsprüfung beschränkt sich auf Regelungen innerhalb ein und derselben gesetzgeberischen Maßnahme und bewertet nicht, welche weiteren Regelungen der Gesetzgeber in anderen Regelungsbereichen hätte schaffen müssen (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402, 906/08 - BVerfGE 121, 317 <362 f.>). Dass sich der Landesgesetzgeber auf Anforderungen an Spielhallen beschränkt und diese nicht für Gaststätten und Spielbanken nachgezeichnet hat, begründet deshalb keinen Mangel an Schlüssigkeit seiner Maßnahme. Beim Automatenspiel in Gaststätten und Spielbanken handelt es sich gegenüber dem Automatenspiel in Spielhallen um gesonderte Bereiche, für die eine eigene Gefahreneinschätzung getroffen und andere gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden dürfen. Im Übrigen unterscheidet sich die durch Spielbanken und Gaststätten hervorgerufene Suchtgefahr wegen der geringeren Verfügbarkeit bzw. des unterschiedlichen Gepräges der Einrichtung von derjenigen des Spielhallenangebots; auch dies rechtfertigt eine andere Gefahreneinschätzung und andere Maßnahmen (s.o. II.3 (a); s.u. II.3.cc). Hinsichtlich der illegalen "Café-Casinos" fehlt es, wie ausgeführt, bereits an einem normativ angelegten Vollzugsdefizit.

53

ccc) Die Klägerin wird als Betreiberin von Bestandsspielhallen, für die sie Anträge auf Erlaubnisse im sog. Sonderverfahren des Landes Berlin gestellt hat, auch durch die ergänzenden Regelungen des erst nach Ergehen des Berufungsurteils geschaffenen Mindestabstandsumsetzungsgesetzes Berlin nicht in ihrer Berufsfreiheit verletzt.

54

Gegen das dort vorgesehene Verfahren zur Auswahl derjenigen Bestandsunternehmen, denen nach dem Erlöschen der Alterlaubnisse mit Ablauf des 31. Juli 2016 (§ 8 Abs. 1 SpielhG BE) am bisherigen Standort eine neue Erlaubnis zu erteilen ist, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach Inkrafttreten des Mindestabstandsumsetzungsgesetzes am 6. April 2016 konnten Anträge auf Neuerteilung von Erlaubnissen nach dem Spielhallengesetz Berlin für Bestandsunternehmen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten gestellt werden. Über sie ist im Sonderverfahren nach §§ 4 bis 9 MindAbstUmsG BE zu entscheiden. Die für die Bestandsspielhallen auf Grundlage von § 33i GewO erteilten Alterlaubnisse gelten nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung im Sonderverfahren als fortbestehend. Die Mindestabstandsregelungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 SpielhG BE wurden für das Sonderverfahren modifiziert. Im Verhältnis zu anderen Spielhallen ist ohne Abweichungsmöglichkeit ein Mindestabstand von 500 Metern einzuhalten, der nach der Länge der Wegstrecke mithilfe eines Geoinformationssystems zu ermitteln ist (§ 6 Abs. 1 und 2 MindAbstUmsG BE). Bei Unterschreitung der Mindestabstände zwischen Bestandsunternehmen, die ansonsten alle rechtlichen Anforderungen einhalten, wird auf der letzten Stufe des Entscheidungsverfahrens eine softwareunterstützte Auswahl zwischen den konkurrierenden Standorten getroffen, die bei mehreren denkbaren Standortkombinationen die Variante mit der maximalen Anzahl von Standorten wählt und somit die Standortkapazität ausschöpft. Im Übrigen entscheidet das Los (§ 7 MindAbstUmsG BE). Für bestehende Mehrfachkomplexe haben die Betreiber nach § 8 Abs. 1 MindAbstUmsG BE darüber zu entscheiden, welches einzelne Unternehmen weiter betrieben werden soll. Haben Bestandsunternehmen in einem Mehrfachkomplex unterschiedliche Betreiber und erzielen diese kein Einvernehmen, entscheidet ebenfalls das Los. Zur Vermeidung unbilliger Härten ermöglicht § 9 MindAbstUmsG BE für einen beschränkten Zeitraum, der im Regelfall drei Jahre nicht überschreiten soll, eine Befreiung vom Verbundverbot und von den Abstandsregelungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SpielhG BE.

55

Soweit die Klägerin meint, das Sonderverfahren führe zu einer Marktabschottung von Bestandsspielhallen gegenüber Unternehmen, für die erstmals eine Spielhallenerlaubnis beantragt wird, würde sie als Betreiberin der streitgegenständlichen Bestandsspielhallen hierdurch ausschließlich begünstigt. Soweit sie den Losentscheid grundsätzlich in Zweifel zieht, weil dadurch der Zufall zum Rechtsprinzip erhoben werde, übersieht dieser Einwand, dass eine Bestandsspielhalle gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 MindAbstUmsG BE nur dann in das Auswahlverfahren einbezogen wird, wenn sämtliche qualifizierten Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 SpielhG BE vorliegen und der vorgeschriebene Abstand zu Schulen nach § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE i.V.m. § 5 MindAbstUmsG BE eingehalten ist. Dadurch wird gewährleistet, dass die in das Losverfahren gelangenden Antragsteller und deren Bestandsspielhallen hinsichtlich der für die Eindämmung der Suchtgefahr relevanten inhaltlichen Kriterien auf einer Stufe stehen. Der Gesetzgeber musste im Rahmen des Losentscheides auch nicht den an den einzelnen Standorten vorhandenen Bestandsspielhallen jeweils für sich gleiches Gewicht verleihen, sondern durfte nach § 7 Abs. 1 MindAbstUmsG BE in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 SpielhG BE auf den jeweiligen gesamten Standort abstellen. Eine stärkere Gewichtung von Standorten mit Verbundspielhallen war nicht durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geboten, da sich Spielhallenbetreiber innerhalb der fünfjährigen Übergangsfrist des § 8 Abs. 1 SpielhG BE darauf einstellen mussten, dass künftig nur eine Spielhalle je Standort betrieben werden darf. Die dem Losverfahren vorangehenden Auswahlkriterien mussten nicht um das Kriterium der Anzahl der aktuell aufgestellten Spielgeräte angereichert werden (vgl. Krainbring, ZfWG 2016, 200 <203>), weil die geltende Höchstzahl stets ausgeschöpft werden kann. Da die Zuverlässigkeit des Antragstellers gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 MindAbstUmsG BE i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 1 SpielhG BE, § 33c Abs. 2 Nr. 1 GewO zwingende Voraussetzung ist, musste sich dem Gesetzgeber auch keine Auswahl nach der Dauer des Betriebes der jeweiligen Spielhalle durch den Antragsteller (Anciennität) aufdrängen. Eine Auswahl nach Eingang des Erlaubnisantrags (Priorität) ist angesichts der kurzen Ausschlussfrist von drei Monaten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 MindAbstUmsG BE nicht geboten. Für eine bevorzugte Auswahl zertifizierter Bestandsspielhallen fehlt es schließlich an einem staatlich anerkannten Zertifizierungsverfahren, auf das schon wegen der Schwere eines solchen Eingriffs nicht verzichtet werden kann.

56

Im Sonderverfahren wird der Mindestabstand zwischen Spielhallen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 MindAbstUmsG BE von den Eingängen zu den Standorten und nicht von den Eingängen der einzelnen Spielhallen aus gemessen. Mit dieser Regelung greift der Gesetzgeber die bereits in § 2 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE verankerte Unterscheidung zwischen Spielhallenunternehmen und Spielhallenstandorten auf (vgl. Abghs.-Drs. 17/2714 S. 24) und konkretisiert die Mindestabstandsregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE für das Sonderverfahren durch eine standortbezogene Messmethode. Die Messung ist schon deshalb vom gesamten Standort aus vorzunehmen, weil zunächst die weiterhin zulässigen Bestandsstandorte ermittelt werden (§ 7 MindAbstUmsG BE) und die Betreiber erst anschließend über die Auflösung des Spielhallenverbundes entscheiden und die verbleibende Spielhalle benennen (§ 8 MindAbstUmsG BE). Der Landesgesetzgeber durfte sich aus Gründen der Praktikabilität für diese Reihenfolge entscheiden, weil es einer solchen Auflösungsentscheidung der Betreiber nicht bedarf, wenn bereits der Standort als solcher künftig ausscheidet. Zum anderen wollte er den Verwaltungsaufwand bei der Abstandsmessung durch Verwendung eines das geltende amtliche Lagebezugssystem abbildenden Geoinformationssystem auf Basis der Geokoordinaten der Mitte der Eingänge zu den Standorten angemessen begrenzen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 MindAbstUmsG BE und dazu Abghs.-Drs. 17/2714 S. 24). Auch deshalb knüpft die Messung an den Außengrenzen eines Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes an.

57

Allerdings hat die Messweise zur Folge, dass dann, wenn ein Standort mit einem Mehrfachkomplex die auf den Mindestabstand bezogene Auslosung nach § 7 MindAbstUmsG BE verliert, auch einzelne Spielhallen schließen müssen, die den Abstand zu anderen Standorten einhalten würden, wenn stattdessen auf ihre Eingänge innerhalb des Gebäudes oder Gebäudekomplexes abgestellt würde. Würde außerdem in Fällen, in denen einzelne Spielhallen eines Mehrfachkomplexes für sich genommen den Mindestabstand einhielten, zunächst das auf das Verbot von Mehrfachkomplexen bezogene Verfahren nach § 8 MindAbstUmsG BE durchgeführt, könnte dies zur Auswahl einer den Mindestabstand einhaltenden Spielhalle führen mit der Folge, dass sich das Auswahlverfahren nach § 7 MindAbstUmsG BE erübrigte. Ob und in welchen Fällen die genannten verwaltungspraktischen Belange gleichwohl die Messmethode und die Reihung der Auswahlverfahren rechtfertigen, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Es liegen keine Feststellungen zu den Abständen vor, die zwischen dem Mehrfachkomplex "..." der Klägerin oder den dort vorhandenen sechs Spielhallen jeweils für sich genommen zu benachbarten Spielhallenstandorten bestehen. Die auch messtechnische Wertung eines Mehrfachkomplexes als ein Standort, der ungeachtet der Lage der einzelnen Spielhallen als Ganzer den Mindestabstand einhalten muss, ist jedenfalls umso eher gerechtfertigt, als die Spielhallen - wie hier - einem Betreiber gehören und außerdem wegen ihrer engen Bezogenheit aufeinander (Verbund) wie eine besonders große Spielhalle erscheinen. Im Verfahren der Erlaubniserteilung wird bei Standorten mit Mehrfachkomplexen, bei denen der Mindestabstand nur wegen der Messmethode insgesamt unterschritten wird, ggf. zu prüfen sein, ob mit Blick auf die Sollregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 SpielhG BE ein atypischer Fall bejaht werden kann.

58

Den weiteren Einwänden der Klägerin gegen die für das Sonderverfahren geltende Ausschlussfrist für die Einreichung vollständiger Antragsunterlagen (§ 2 Abs. 1 und 2 MindAbstUmsG BE), die Anwendung des Versagungsgrundes der übermäßigen Ausnutzung des Spieltriebes nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 SpielhG BE im Sonderverfahren und gegen die hinreichende Bestimmtheit der Härtefallklausel des § 9 MindAbstUmsG BE ist nicht nachzugehen, weil nach den tatrichterlichen Feststellungen und dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich ist, dass sie für die streitgegenständlichen Spielhallen relevant sein könnten, und gegebenenfalls eine Entscheidung der Behörde abzuwarten wäre. Der Landesgesetzgeber musste auch keine weiteren Vorgaben zur näheren Ausgestaltung der Methodik des Losentscheides zwischen rechtlich gleichrangigen Spielhallen einschließlich der nach § 7 MindAbstUmsG BE einzusetzenden Software treffen, sondern konnte sie der Verwaltungspraxis überlassen.

59

ddd) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch die Erteilungsvoraussetzung für eine Spielhallenerlaubnis in § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE als hinreichend bestimmt und verfassungskonform angesehen, wonach eine Spielhalle nicht in räumlicher Nähe von Einrichtungen betrieben werden soll, die ihrer Art nach oder tatsächlich vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht werden. Diese Regelung soll Kinder und Jugendliche vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Spielhallen in ihrem täglichen Lebensumfeld um Bildungs- und Freizeiteinrichtungen schützen (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 12) und einem "Reiz des Verbotenen" für Minderjährige entgegenwirken. Sie dient der Suchtprävention durch einen Schutz von Kindern und Jugendlichen im Vorfeld des Betretens einer Spielhalle und der Teilnahme am Automatenspiel, welche schon nach § 6 Abs. 1 JuSchG und § 6 Abs. 4 SpielhG BE verboten sind. Dieser Schutzzweck wird nicht schon durch den Erlaubnisversagungsgrund der Gefährdung der Jugend abgedeckt, den § 2 Abs. 3 Nr. 3 SpielhG BE aus § 33i Abs. 2 Nr. 3 GewO übernommen hat. Er dient regelmäßig der Abwehr der vom konkreten Spielhallenbetrieb ausgehenden Gefährdungen für Minderjährige (vgl. Hahn, in: Friauf, GewO, § 33i Rn. 77).

60

Die Einschätzung des Landesgesetzgebers, der Spielsucht müsse bei Minderjährigen auch über den Ausschluss ihres Zutritts hinaus in einem möglichst frühen Stadium durch Vermeidung einer Gewöhnung an das Vorhandensein von Spielhallen und eines Anreizes des für sie verbotenen Glücksspiels entgegengewirkt werden, überschreitet nicht den ihm zustehenden, weiten Beurteilungsspielraum und ist nicht offensichtlich fehlsam. Dies gilt selbst im Hinblick auf den Schutz von kleineren Kindern davor, dass sie entweder allein oder in Begleitung einer Betreuungsperson im Umfeld ihrer Bildungs-, Freizeit- oder sonstigen Betreuungseinrichtungen mit Spielhallen konfrontiert werden und diese als Angebot einer Freizeitbetätigung für Erwachsene wahrnehmen können. Im Übrigen geht es hier um Bestandsspielhallen, die im Sonderverfahren nur einen Abstand zu Schulen einhalten müssen (§ 5 Abs. 1 MindAbstUmsG BE) Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE ist zur Erreichung des legitimen Ziels der Spielsuchtprävention bei Minderjährigen geeignet, erforderlich und auch angemessen. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seines Einschätzungsspielraums annehmen, dass die Werbebeschränkungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SpielhG BE nicht genügen, um den Spielhallen den "Reiz des Verbotenen" für Minderjährige zu nehmen. Die Verhältnismäßigkeit dieser Soll-Vorschrift wird auch dadurch gesichert, dass von ihr in atypischen Fällen, in denen die von ihr vorausgesetzte typische Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch Wahrnehmung von Spielhallen im Lebensumfeld nicht gegeben ist, abgesehen werden muss. Zudem sieht § 2 Abs. 1 Satz 5 SpielhG BE eine zusätzliche Abweichungsmöglichkeit unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des Standortes und der Lage des Einzelfalls vor.

61

Das Mindestabstandsgebot zu Einrichtungen für Kinder und Jugendliche genügt trotz der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "räumlichen Nähe" anstelle einer festen, in Metern bemessenen Distanz dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Die Klägerin als Betreiberin von Bestandsspielhallen ist von ihm zunächst nur in der Ausformung des § 5 MindAbstUmsG BE im Rahmen des Sonderverfahrens betroffen. Danach steht der Erlaubniserteilung an Bestandsspielhallen nur die Nähe zu weiterführenden allgemeinbildenden, zu beruflichen Schulen oder zu Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt sowie zu Gemeinschaftsschulen entgegen. Eine räumliche Nähe liegt im Sonderverfahren regelmäßig nicht vor, wenn die Wegstrecke zur nächstgelegenen Schule 200 Meter überschreitet (§ 5 Abs. 2 MindAbstUmsG BE).

62

Außerhalb des Sonderverfahrens ist die Erlaubniserteilungsvoraussetzung der fehlenden "räumlichen Nähe" zu Minderjährigeneinrichtungen in § 2 Abs. 1 Satz 4 SpielhG BE durch Auslegung hinreichend bestimmbar. Dabei kann als Auslegungshilfe auf die Begründung des Entwurfs zu § 5 MindAbstUmsG BE zurückgegriffen werden, aus der deutlich wird, dass es auf den jeweiligen Aktionsradius der betroffenen Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen, insbesondere auf ihre tatsächlichen Laufwege im Umfeld der betreffenden Einrichtung, auf ihren regelmäßigen Aufenthalt in Pausen und Freistunden oder die Lage einer Spielhalle in Sichtweite der Einrichtung ankommt (vgl. Abghs.-Drs. 17/2714 S. 22).

63

eee) Die Betreibern von Bestandsspielhallen in § 8 Abs. 1 SpielhG BE und § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE eingeräumte Übergangszeit wahrt den durch Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG gebotenen Vertrauensschutz. Bei der Gestaltung von Übergangsregelungen für neue Anforderungen an eine bislang in erlaubter Weise ausgeübte Tätigkeit steht dem Gesetzgeber ein breiter Spielraum zu, innerhalb dessen er die Schwere des Eingriffs mit dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe abzuwägen und den betroffenen Berufsausübenden eine Ausrichtung und Anpassung an die veränderte Rechtslage zu ermöglichen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2010 - 1 BvR 2011, 2959/07 - BVerfGE 126, 112 <155>). Eine Übergangsfrist von fünf Jahren reicht dabei regelmäßig aus, um eine berufliche Neuorientierung oder eine Betriebsanpassung zu ermöglichen (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Juni 2006 - 1 BvR 1319/04 - GewArch 2006, 431 <432>). Weder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch das Gebot des Vertrauensschutzes verpflichten zu einer Übergangsregelung, die eine vollumfängliche Fortsetzung der früheren beruflichen Tätigkeit ermöglicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 7 C 48.07 - BVerwGE 132, 224 <232>).

64

Ausgehend davon wird dem Vertrauensschutzinteresse der Klägerin an der Weiterführung ihrer Bestandsspielhallen hinreichend Genüge getan. Die den Betreibern von Bestandsspielhallen nach § 33i GewO erteilten Alterlaubnisse erloschen nicht bereits mit Inkrafttreten des Spielhallengesetzes am 2. Juni 2011, sondern gemäß § 8 Abs. 1 SpielhG BE erst mit Ablauf des 31. Juni 2016. Die Erlaubnis nach § 33i GewO gilt außerdem nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung im Sonderverfahren als fortbestehend. Da das Sonderverfahren bislang nicht abgeschlossen wurde, sind seit Inkrafttreten des Spielhallengesetzes mehr als fünfeinhalb Jahre vergangen, ohne dass die Frist von sechs Monaten nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE zu laufen begonnen hat. Ein solcher Übergangszeitraum ist angesichts des besonders gewichtigen Gemeinwohlziels der Suchtbekämpfung auch unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit angemessen. Die Klägerin hält dem entgegen, dass bis zur Entscheidung im Sonderverfahren Ungewissheit über den Fortbestand der Spielhallen bestehe. Insbesondere gebe es keine Möglichkeit zur verbindlichen Klärung, ob der Abstand zu Schulen eingehalten werde und ob der jeweilige Spielhallenstandort wegen Unterschreitens des Mindestabstandes an einem Auswahlverfahren nach § 7 MindAbstUmsG BE teilnehmen müsse. Tatsächlich stehe den Betreibern von Bestandsspielhallen daher für betriebliche Anpassungen oder eine berufliche Neuorientierung nur die Frist von sechs Monaten nach einer negativen Entscheidung im Sonderverfahren zur Verfügung, in der die Erlaubnisse nach § 33i GewO als fortbestehend gälten. Diese Frist sei unangemessen kurz.

65

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin lässt außer Acht, dass zur Wahrung der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG in Fällen der Ungewissheit ein eigenständig gerichtlich - auch im Wege des Eilrechtsschutzes - durchsetzbarer Anspruch auf Auskunft über die Einhaltung der Abstandsgrenzen jedenfalls dann besteht, wenn dies erforderlich ist, um innerhalb der eingeräumten Übergangsfrist die notwendigen Maßnahmen zur betrieblichen Anpassung und beruflichen Orientierung vornehmen zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2003 - 3 C 46.02 - BVerwGE 118, 270 <271>). Im Streitfall kann der Betreiber zur Herstellung notwendiger Planungssicherheit die Feststellung begehren, dass die Abstandsgebote eingehalten werden; bei besonderer Dringlichkeit kann Antrag auf vorläufige Feststellung nach § 123 VwGO gestellt werden (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 123 Rn. 35). Verbleibenden Ungewissheiten insbesondere über den Ausgang eines etwaigen Auswahlverfahrens muss durch geeignete Vertragsgestaltungen begegnet werden. Für dann nach einer negativen Entscheidung im Sonderverfahren ggf. noch vorzunehmende Abwicklungsmaßnahmen verbleiben immer noch sechs Monate, während derer die Alterlaubnis als fortbestehend gilt. Dass es bis zur Entscheidung im Sonderverfahren Möglichkeiten zur flexiblen Reaktion gibt, zeigt gerade der Fall der Klägerin. Wegen des Verbots von Mehrfachkomplexen steht fest, dass von den derzeit sechs Spielhallen der Klägerin am Standort "..." nach Abschluss des Sonderverfahrens höchstens eine Spielhalle weiter betrieben werden kann. Trotz der von ihr hervorgehobenen Schwierigkeiten, den Betrieb angesichts der bevorstehenden umfangreichen Schließungen aufrechtzuerhalten und zu disponieren, hat die Klägerin für alle sechs Spielhallen Anträge auf Neuerteilung von Erlaubnissen gestellt, um die Fiktion des Fortbestands der Alterlaubnisse nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE in Anspruch nehmen zu können. Im Übrigen besteht für den Fall einer negativen Entscheidung im Sonderverfahren nach § 9 MindAbstUmsG BE die Möglichkeit, zur Vermeidung einer unbilligen Härte einen Antrag auf Befreiung von den Anforderungen des Verbots von Mehrfachkomplexen und den Abstandsgeboten für einen Zeitraum von im Regelfall nicht mehr als drei Jahren zu stellen. Dadurch können besondere persönliche und wirtschaftliche Umstände berücksichtigt werden, aus denen eine Betriebsaufgabe mit Ablauf der Übergangsfrist aus von der Berufsfreiheit (oder der Eigentumsfreiheit) geschützten Gründen unverhältnismäßig wäre (Abghs.-Drs. 17/2714 S. 28). Die Klägerin selbst hat bisher nicht dargelegt, dass und inwieweit sie als Mieterin der Räumlichkeiten, als Arbeitgeberin von Beschäftigten oder aber im Hinblick auf die in der weiter zu betreibenden Einzelspielhalle aufgestellten Geräte daran gehindert wäre, sich betriebswirtschaftlich auf eine Entscheidung im Sonderverfahren einzustellen und diese Einzelspielhalle nach einer Negativentscheidung innerhalb von sechs Monaten an einen anderen Standort zu verlagern .

66

fff) Auch die von der Klägerin angegriffenen erlaubnisunabhängigen Anforderungen an den Betrieb einer Spielhalle stellen verhältnismäßige Berufsausübungsregelungen dar.

67

Ausgehend von der Feststellung des Berufungsgerichts, dass bei Weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an Automaten spielen, die nach der bisherigen Regelung nach der Gewerbeordnung betrieben werden durften, ist die Herabsetzung der zulässigen Höchstzahl von bislang zwölf (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 SpielV BE) auf acht Geldspielgeräte in einer Spielhalle (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 SpielhG BE) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Höchstzahlregelung, die auf Bestandsspielhallen nach Ablauf von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Spielhallengesetzes Berlin anzuwenden ist, soll Anreize zu übermäßigem Spiel innerhalb einer Spielhalle vermindern und dadurch einen Beitrag zur Suchtprävention leisten (Abghs.-Drs. 16/4027 S. 14). Sie verringert die für den wirtschaftlichen Ertrag einer Spielhalle bedeutsame höchstens zulässige Geräteanzahl um ein Drittel und gehört damit zu den Neuregelungen, die Spielhallenbetreiber am stärksten betreffen. Gleichwohl ist auch sie verhältnismäßig, weil der Gesetzgeber innerhalb seines Einschätzungsspielraums von einem Zusammenhang zwischen Suchtgefährdung und Verfügbarkeit von Spielangeboten ausgehen und eine Verringerung der Geräteanzahl als geeigneten, erforderlichen und angemessenen Beitrag zur überragend wichtigen Spielsuchtprävention ansehen durfte. Das Berufungsgericht ist im Übrigen in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass eine wirtschaftliche Betriebsführung auch bei Einhaltung dieser Gerätehöchstzahl möglich ist (UA S. 61).

68

Auch die Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 3 SpielhG BE, die über die schon bislang nach § 3 Abs. 2 Satz 3 SpielV BE geltenden Anforderungen an die Aufstellung von Geräten innerhalb der Spielhalle hinaus eine Aufstellung in Zweiergruppen untersagt, dient in verhältnismäßiger Weise der Prävention und Eindämmung von Spielsucht. Mit ihr soll das gleichzeitige Bespielen mehrerer Automaten unter Umgehung der nach § 13 Nr. 6 SpielV BE durch die zugelassene Bauart von Geldspielgeräten gewährleisteten Spielpause im Sinne des Spielerschutzes erschwert werden (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 14). Ein solches Spielverhalten deutet auf den Kontrollverlust des Spielers hin und ist nach dem Evaluierungsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur 5. Novelle der Spielverordnung (BR-Drs. 881/10 S. 51 f.) mit besonders hohen Risiken verbunden.

69

Alle weiteren von der Klägerin beanstandeten Anforderungen an den Betrieb einer Spielhalle sind ebenfalls verhältnismäßig. Die Ausweitung der Sperrzeit für Spielhallen von einer auf acht Stunden (§ 5 Abs. 1 SpielhG BE) dient der Spielsuchtprävention, indem sie eine zwangsweise Spielpause gewährleistet, in der Spieler einen Schlussstrich unter das Tagesgeschehen ziehen und die Möglichkeit zur Erholung nutzen können (vgl. Abghs.-Drs. 16/4027 S. 14). Mit der Begrenzung auf höchstens ein "anderes Spiel" nach § 4 Abs. 3 SpielhG BE, dem Verbot der unentgeltlichen Abgabe von Speisen und Getränken in Spielhallen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE und der Begrenzung auf drei Geräte bei Verabreichung von Speisen und Getränken (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SpielhG BE) werden Anreize zum überlangen Verweilen von Spielern in einer Spielhalle verhindert (vgl. ebd. S. 14 f.). Auch hinsichtlich der Werbebeschränkungen für Spielhallen aus § 4 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SpielhG BE und § 26 Abs. 1 GlüStV, die eine Werbung für den Spielbetrieb oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele und eine besonders auffällige Gestaltung der Spielhalle mit Anreizwirkung für den Spielbetrieb untersagen, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zu vergleichbaren Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages 2008 bereits BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 - NVwZ 2008, 1338). Gleiches gilt für die ganz offenkundig vom Schutzziel der Spielsuchtprävention gedeckten Verpflichtungen zur Gewährleistung der dauerhaften Anwesenheit einer Aufsichtsperson (§ 6 Abs. 2 SpielhG BE), zum Spielausschluss für mindestens ein Jahr von Personen, die sich selbst gesperrt haben (§ 6 Abs. 6 SpielhG BE), zur Erstellung eines Sozialkonzepts und zum Vorhalten von Informationen für Spieler (§ 2 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §§ 6 und 7 GlüStV). Spielhallenbetreiber dürfen auch zur Vornahme von Eingangs- und Identitätskontrollen verpflichtet werden, um das Zugangsverbot für Minderjährige und Selbstsperrer durchzusetzen (§ 6 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 6 SpielhG BE). Das Berufungsgericht hat die irrevisible Norm des § 6 Abs. 4 Satz 2 SpielhG BE dahin ausgelegt, dass sie Eingangskontrollen zur Sicherstellung des Zutrittsverbots für Minderjährige nur anlassbezogen verlangt (UA S. 64), wenn die Volljährigkeit einer Person nicht offensichtlich ist. Dem hierauf bezogenen Feststellungsantrag Nr. 8 ist nicht stattzugeben, weil sich der altersbezogene Gehalt schon aus § 6 Abs. 4 SpielhG BE ergibt und vom Beklagten nicht in Abrede gestellt wird und weil die begehrte Feststellung darüber hinaus vernachlässigt, dass Eingangs- und erforderlichenfalls Identitätskontrollen auch dem Ausschluss von Selbstsperrern dienen.

70

Die erlaubnisunabhängigen Einschränkungen des Spielhallenbetriebes wie insbesondere die Herabsetzung der Anzahl der zulässigen Spielgeräte, der Verkürzung der Sperrzeit, des Gebots eines Mindestabstandes mit Sichtschutz zwischen den Geräten oder die Restriktionen im Zusammenhang mit der Verabreichung von Speisen und Getränken sind auch nicht deshalb unzumutbar, weil sie nicht auch für Spielbanken und Gaststätten eingeführt wurden. Wie bereits ausgeführt, besteht außerhalb des staatlichen Wettmonopols kein die unterschiedlichen Regelungsbereiche übergreifendes Konsistenzgebot. Im Übrigen gilt auch hier die Feststellung, dass unterschiedliche Gefahrensituationen vorliegen, denen der Gesetzgeber mit unterschiedlichen Mitteln begegnen kann (s.u. II.3.cc).

71

ggg) Die angegriffenen Regelungen greifen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung (BVerfG, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09 - BVerfGE 130, 372 <392>) auch kumulativ nicht unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit der Klägerin ein. Bloße Vermutungen reichen zur Annahme eines durch Kumulation verschiedener Maßnahmen unverhältnismäßigen "additiven" Grundrechtseingriffs nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196 <247>). Auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen tatsächlichen Feststellungen, dass sie selbst bei Berücksichtigung der Höhe der Vergnügungsteuer und bauplanungsrechtlicher Einschränkungen nicht zu einer wirtschaftlichen Erdrosselung von Spielhallenunternehmen führen und nicht ersichtlich ist, dass Spielhallen in den weniger attraktiven Außenbereichen von Berlin nicht wirtschaftlich betrieben werden könnten (UA S. 65 f.), lässt sich keine unangemessene Beeinträchtigung erkennen (so auch Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juli 2015 - 6 K 6070/12 - juris Rn. 61 f.).

72

bb) Die Klägerin wird durch die angegriffenen Einschränkungen für Spielhallen auch nicht in ihrer Eigentumsfreiheit verletzt. Diesen kommt keine enteignende Wirkung zu. Eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG setzt eine staatliche Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand oder eines sonst Enteignungsbegünstigten voraus (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 -1 BvR 2821/11, 2 BvR 321, 1456/12 - Rn. 246 und Beschluss vom 22. Mai 2001 - 1 BvR 1512, 1677/97 - BVerfGE 104, 1 <9 f.>), die hier nicht in Rede steht. Als gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen einer durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition der Klägerin sind die Anforderungen an Spielhallen jedenfalls verhältnismäßig.

73

Die der Klägerin nach § 33i GewO erteilten unbefristeten Alterlaubnisse, die nach § 8 Abs. 1 SpielhG BE mit Ablauf des 31. Juli 2016 ihre Wirksamkeit verloren haben und nach § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE nur zeitlich begrenzt als fortbestehend gelten, genießen keinen eigentumsgrundrechtlichen Schutz. Art. 14 GG schützt nicht die öffentliche Genehmigung als solche, sondern nur die aufgrund der Genehmigung geschaffenen privaten Vermögenspositionen (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 - Rn. 232). Das Nutzungsrecht an den einzelnen Spielgeräten wird nicht durch die Erlaubnis zum Spielhallenbetrieb vermittelt. Die dort aufgestellten Spielgeräte können bei einem Entzug der Erlaubnis an anderen Orten aufgestellt werden. Zwar mag die Herabsetzung der Anzahl der in Berliner Spielhallen höchstens zulässigen Geräte den Markt für diese Produkte verringern. Derartige Beeinträchtigungen künftiger Chancen und Verdienstmöglichkeiten sind jedoch eigentumsrechtlich nicht geschützt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. März 1987 - 1 BvR 850/86 u.a. - NVwZ 1987, 1067). Davon abgesehen weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass die den Spielhallenbetreibern nach § 8 Abs. 3 SpielhG BE eingeräumte Frist von zwei Jahren für die Reduzierung der Spielgeräte nicht deshalb beanstandet werden kann, weil sie für eine Vollamortisation aller Geräte möglicherweise zu kurz ist. Art. 14 Abs. 1 GG und das Gebot des Vertrauensschutzes verlangen keine Regelung, die eine Vollamortisation ermöglicht (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 7 C 48.07 - BVerwGE 132, 224 <232>). Außerdem können die Betreiber vorrangig bereits abgeschriebene Geräte entfernen und ggf. noch nicht abgeschriebene Geräte anderweitig, etwa durch Verkauf, verwerten (UA S. 62). Was die Klägerin selbst angeht, ist im Übrigen nicht einmal festgestellt, dass die in ihren Spielhallen aufgestellten Automaten in ihrem Eigentum stehen.

74

Auch mit Blick auf den eigentumsrechtlichen Schutz von Investitionen und Dispositionen, die im Vertrauen auf die nach § 33i GewO unbefristet erteilten Alterlaubnisse vorgenommen wurden, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das gilt auch, falls ein weitergehender Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes berührt sein sollte (zweifelnd BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 28211/11 - juris Rn. 240). Wie bereits ausgeführt, wurde den Bestandsspielhallen eine fünfjährige Übergangsfrist vom Inkrafttreten des Spielhallengesetzes im Juni 2011 bis zum Erlöschen der Alterlaubnisse mit Ablauf des 31. Juli 2016 eingeräumt, die gemäß § 2 Abs. 3 MindAbstUmsG BE für den Fall einer negativen Entscheidung im Sonderverfahren nochmals bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Bekanntgabe verlängert wird. Angesichts des hier in Rede stehenden überragend wichtigen Gemeinwohlziels der Suchtbekämpfung ist dieser Übergangszeitraum trotz zum Teil intensiver Eingriffe in die Eigentumsfreiheit angemessen. Im Übrigen besteht für wirtschaftliche Dispositionen, die vor Inkrafttreten des Spielhallengesetzes am 2. Juni 2011 getätigt wurden, die Härtefallregelung des § 9 MindAbstUmsG BE. Dabei können besondere individuelle Vertrauens- und Bestandsschutzinteressen berücksichtigt werden, die in Abwägung mit dem Gemeinwohlinteresse des Spieler- und Jugendschutzes eine zeitlich befristete Befreiung von den Abstandsgeboten oder dem Verbot von Mehrfachkomplexen rechtfertigen. Wirtschaftliche Dispositionen nach Inkrafttreten des Spielhallengesetzes konnten nicht mehr im Vertrauen auf den Fortbestand der Alterlaubnisse vorgenommen werden. Was die von der Klägerin hervorgehobene Unsicherheit während des Übergangszeitraums bis zu einer Entscheidung im Sonderverfahren und die daraus evtl. folgenden Schwierigkeiten angeht, sachgerechte Dispositionen treffen zu können, gilt das bereits oben Gesagte zu den Möglichkeiten einer frühzeitigen Klärung der Vereinbarkeit der Spielhallen mit den Abstandsgeboten. Auch hier ist anzumerken, dass der Entscheidung der Klägerin, das Sonderverfahren für sämtliche Spielhallen des Standortes "..." trotz der Gewissheit zu betreiben, dass die meisten Spielhallen wegen des Verbots von Mehrfachkomplexen schließen müssen, alternative Möglichkeiten zur Bewältigung der Übergangsphase gegenüberstehen, unter denen jeder Betreiber die aus seiner Sicht günstigste wählen kann.

75

Bezogen auf die Klägerin selbst fehlt es im Übrigen an Feststellungen zu Art, Umfang und Zeitpunkt etwaiger von ihr im Vertrauen auf bestehende Erlaubnisse getätigter Investitionen oder sonstiger eigentumsrechtlich geschützter wirtschaftlicher Dispositionen, die eine Beurteilung ihrer konkreten eigentumsrechtlichen Betroffenheit zuließen.

76

cc) Die Klägerin ist nicht in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierende Regelungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angemessen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2015 - 1 BvR 2880/11 - BVerfGE 139, 1 <12 f.>). Diesem Maßstab genügen die für die Feststellungsanträge der Klägerin relevanten Regelungen über die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen.

77

aaa) Gegenüber Spielbanken in Berlin werden Spielhallen durch die angegriffenen Regelungen nicht in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Der Gesetzgeber darf Anforderungen an das Spiel an gewerblich zugelassenen Spielautomaten in Spielhallen und das Spiel an Automaten in Spielbanken (sog. kleines Spiel) trotz der Ähnlichkeit beider Glücksspielformen jeweils gesondert regeln. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts liegt insoweit hier kein vergleichbarer Sachverhalt vor, weil die Spielbank Berlin nur wenige Außenstellen hat. Zu ihnen besteht zudem im Hinblick auf das Ziel der Suchtbekämpfung ein strenger reglementierter Zugang. Demgegenüber gibt es in Berlin hunderte von Spielhallen, die für potenzielle Spieler in deren unmittelbarem Lebensumfeld leicht zugänglich sind (UA S. 58). Dass die weitaus größere Verfügbarkeit des Automatenspiels eine höhere Gefahreneinschätzung für Spielhallen rechtfertigt, entspricht auch den von der Klägerin im Revisionsverfahren eingereichten Ausführungen des Suchtexperten Zeltner, trotz höheren Risikopotenzials der Geldspielgeräte in Spielbanken sei die Gefährdung durch die höhere Verfügbarkeit von Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten größer (S. 24 der Anlage 2 zum Schriftsatz vom 24. November 2016).

78

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der rechtlichen Anforderungen an Spielbanken in Berlin verletzen die festzustellenden Regelungsunterschiede nicht den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Spielbanken unterliegen dort der gleichen Sperrzeit für das Automatenspiel wie Spielhallen (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin (Spielbankengesetz - SpBG BE) vom 8. Februar 1999, GVBl. BE 1990 S. 70, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. März 2010, GVBl. BE 2010 S. 124, i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 der von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport erlassenen Spielordnung für die Spielbank Berlin vom 16. Januar 2008, https://www.berlin.de/sen/inneres/buerger-und.../spielo_spielbank_01-2008.pdf). Allerdings dürfen in ihnen ohne Höchstzahlbegrenzung Automaten aufgestellt werden, die nicht den spielerschützenden Bauartbeschränkungen des Gewerberechts unterliegen (vgl. § 33h Nr. 1 GewO) und die anerkanntermaßen ein höheres Gefährdungspotenzial beinhalten. Werbung für das Glücksspiel in Spielbanken wird in § 2 Abs. 2 i.V.m. § 5 GlüStV weniger stark beschränkt als für Spielhallen in § 4 Abs. 1 Satz 2 SpielhG BE, § 26 Abs. 1 GlüStV. Spielbanken unterliegen jedoch im Hinblick auf die Bekämpfung von Glücksspielsucht Anforderungen, die insgesamt jedenfalls kein geringeres Schutzniveau als die Regelungen für Spielhallen gewährleisten. Es besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb einer öffentlichen Spielbank in Berlin (§ 2 SpBG BE). Der repressive Erlaubnisvorbehalt gewährleistet eine staatliche Kontrolle auch der Anzahl von Spielbanken. Eine Erlaubnis wird befristet erteilt (§ 2 Abs. 6 SpBG BE). Spielbanken sind dem länderübergreifenden Sperrsystem nach §§ 8 und 23 GlüStV angeschlossen und müssen durch Einlass- und Identitätskontrollen (§ 5 Spielordnung BE) nicht nur Selbstsperrungen, sondern auch Fremdsperrungen aus dem gesamten Bundesgebiet umsetzen, die aufgrund von Wahrnehmungen des Personals oder Meldungen Dritter vorgenommen worden sind. Das Geschehen an Spielautomaten ist u.a. zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebes laufend videotechnisch zu überwachen (§ 10a SpBG BE). Es entspricht im Übrigen ständiger Rechtsprechung, dass Spielbanken und gewerbliches Glücksspiel wegen unterschiedlicher ordnungsrechtlicher Ziele auch unterschiedlich geregelt werden dürfen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 2003 - 6 B 33.03 - GewArch 2003, 433, vom 24. August 2001 - 6 B 47.01 - GewArch 2001, 476 und vom 15. Dezember 1994 - 1 B 190.94 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 8 S. 6).

79

bbb) Das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG wird auch nicht dadurch verletzt, dass die Anforderungen an das Automatenspiel in Gaststätten hinter den für Spielhallen geltenden Einschränkungen zurückbleiben. Das Land Berlin hat bislang keine Regelungen über das Automatenspiel in Gaststätten erlassen. Aufgrund der fortgeltenden bundesrechtlichen Spielverordnung dürfen in Gaststätten höchstens drei, ab dem 10. November 2019 höchstens zwei Geldspielgeräte aufgestellt werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV sowie Art. 5 der 6. Verordnung zur Änderung der SpielV vom 4. November 2014, BGBl. I S. 1678). Allerdings sind für sie weder ein Mindestabstand noch ein Sichtschutz zwischen den Geräten vorgeschrieben. Für Gaststätten gilt lediglich eine Sperrzeit zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr (vgl. § 6 Abs. 1 der Gaststättenverordnung vom 10. September 1971, GVBl. S. 1778, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2005, GVBl. S. 754). Die Einhaltung des Verbots der Teilnahme von Minderjährigen am öffentlichen Glücksspiel (§ 6 Abs. 2 JuSchG, § 2 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 3 GlüStV) ist durch ständige Aufsicht sicherzustellen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 SpielV). Der Zutritt zu Gaststätten ist jedoch für Minderjährige, anders als der Zutritt zu Spielhallen, nicht generell verboten. Er kann Jugendlichen ab 16 Jahren zwischen 5:00 Uhr und 24:00 Uhr auch ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten oder erziehungsbeauftragten Person grundsätzlich gestattet werden (vgl. § 4 Abs. 1 JuSchG), sodass sie das Automatenspiel Erwachsener dort zumindest beobachten können. Gaststätten mit Geldspielautomaten unterliegen den Anforderungen der §§ 5 bis 7 GlüStV an Werbung für Glücksspiel und sind ebenfalls zur Erstellung eines Sozialkonzeptes, Schulung von Personal und Bereithaltung von spielrelevanten Informationen verpflichtet.

80

Es ist nicht zu bestreiten, dass der hierdurch gewährleistete Schutz vor Spielsucht im Bereich des gewerblichen Automatenspiels in Gaststätten bislang geringer ist als in Spielhallen, obwohl Spielautomaten in Gaststätten ebenfalls im unmittelbaren Lebensumfeld potenzieller Spieler leicht zugänglich sind. Vom Spielangebot in Spielhallen und in Gaststätten gehen jedoch unterschiedliche Gefahren aus, die es rechtfertigen, dass der Landesgesetzgeber zunächst strengere Beschränkungen für Spielhallen eingeführt hat (vgl. auch VerfGH des Landes Berlin, Beschluss vom 20. Juni 2014 - 96/13 - NVwZ-RR 2014, 825 <827>). Die deutlich geringere Anzahl von drei, künftig zwei höchstens zulässigen Spielgeräten in Gaststätten gegenüber acht Geräten in Spielhallen verringert den suchtgefährdenden Spielanreiz, der nach Einschätzung des Gesetzgebers mit einem vielfältigen Spielangebot verbunden ist. In Gaststätten sehen sich Spieler anders als in Spielhallen regelmäßig einer Sozialkontrolle durch nicht spielende Gäste ausgesetzt. Regelungsunterschiede lassen sich auch dadurch rechtfertigen, dass Gaststätten ihr Gepräge durch das Verabreichen von Getränken und Speisen erhalten und nur gelegentlich dem Automatenspiel der Besucher dienen, während Spielhallen regelmäßig allein um des Spiels Willen aufgesucht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1991 - 1 B 174.90 - Buchholz 451.41 § 18 GastG Nr. 5 S. 5; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89 u.a. - NVwZ 1997, 573 <575> und vom 3. September 2009 - 1 BvR 2384/08 - BVerfGK 16, 162 <175>).

81

ccc) Das nach dem Vortrag der Klägerin in Berlin bestehende Spielangebot in illegalen Spielstätten - sog. "Café-Casinos" - kann schon deshalb nicht ihr Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, weil solche Spielstätten denselben rechtlichen Vorschriften unterworfen sind wie Spielhallen, sofern sie die Voraussetzungen eines Unternehmens nach § 1 Abs. 1 und 2 SpielhG BE erfüllen oder dies nach § 1 Abs. 2 Satz 2 SpielhG BE jedenfalls gesetzlich vermutet wird (s.o.).

82

dd) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, verletzen die angegriffenen landesrechtlichen Regelungen, auch soweit sie über die im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen Einschränkungen für Spielhallen hinausgehen, entgegen der Auffassung der Klägerin nicht das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens. Sie berühren in keiner Weise das Schutzgut dieses verfassungsrechtlichen Gebotes, das bei der Wahrnehmung eigener Kompetenzen Rücksichtnahme auf die gesamtstaatlichen Interessen des Bundes oder die Interessen der anderen Länder verlangt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1282/11 - BVerfGE 139, 321 <353>). Auch der Glücksspielstaatsvertrag schließt es nicht aus, Spielhallen in einzelnen Ländern strengeren Anforderungen zu unterwerfen (vgl. § 28 Satz 2 GlüStV). Dies gilt umso mehr, als das Spielhallengesetz Berlin zum Zeitpunkt der Verabschiedung des novellierten Glücksspielstaatsvertrages bereits in Kraft war und die Erläuterungen zum Glückspielstaatsvertrag nichts dafür hergeben, dass von einer Rückführung des landesrechtlichen Normbestandes auf das Regelungsniveau des Glücksspielstaatsvertrages ausgegangen worden wäre. Dessen spielhallenbezogene Regelungen sind überdies zum Teil ausdrücklich darauf angelegt, durch Vorschriften der Länder ausgefüllt zu werden (§ 24 Abs. 3, § 25 Abs. 1 Satz 2 GlüStV).

83

c) Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich auch ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit nach Art. 56, 49 AEUV nicht erkennen. Der Gewährleistungsgehalt dieser Grundfreiheiten wäre nur dann eröffnet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorläge (vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettes-heim, Das Recht der Europäischen Union, Stand Juli 2016, Art. 45 AEUV Rn. 53 f. m.w.N.). Dafür reicht es nicht aus, dass die Klägerin oder Kunden ihrer Spielhallen hypothetisch von einer unionsrechtlichen Grundfreiheit Gebrauch machen könnten. Weder dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt noch dem Vortrag der Klägerin lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die Klägerin, bei der es sich um eine nach deutschem Recht gegründete juristische Person mit Sitz in Deutschland handelt, die dort ihre Spielhallen betreibt, wegen eines grenzüberschreitenden Bezuges auf die Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit berufen kann. Soweit der Europäische Gerichtshof nationale Regelungen, mit denen das Automatenspiel in stationären Glücksspielstätten eingeschränkt wurde, am Maßstab der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit gemessen hat, war nach dem jeweiligen Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Gerichts ein grenzüberschreitender Sachverhalt jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. nur EuGH, Urteile vom 19. Juli 2012 - C-470/11 [ECLI:EU:C:2012:505], Garkalns - NVwZ 2012, 1162 <1163> und vom 11. Juni 2015 - C-98/14 [ECLI:EU:C:2015:386], Berlington Hungary - ZfWG 2015, 336 <340>).

84

Selbst wenn unterstellt würde, dass die Klägerin oder ihre Kunden durch die angegriffenen Regelungen in der Wahrnehmung einer unionsrechtlichen Grundfreiheit beschränkt würden, wären diese Regelungen nicht wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot unanwendbar. Der Europäische Gerichtshof hat die unionsrechtlichen Anforderungen aus dem Kohärenzgebot für den Bereich des Glücksspiels dahin konkretisiert, dass Regelungen im Monopolbereich zur Sicherung ihrer Binnenkohärenz an einer tatsächlichen Verfolgung unionsrechtlich legitimer Ziele ausgerichtet sein müssen. Über den Monopolsektor hinausgreifend fordert das Kohärenzgebot, dass Monopolregelungen nicht durch eine gegenläufige mitgliedstaatliche Politik in anderen Glücksspielbereichen mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise konterkariert werden dürfen, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt (vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 10.12 - BVerwGE 147, 47 < 58 ff., 71 ff.> m.w.N.).

85

Der Europäische Gerichtshof hat das unionsrechtliche Kohärenzgebot für das Glücksspiel in seiner bisherigen Rechtsprechung lediglich im Bereich staatlicher Monopolregelungen für relevant gehalten. Der Senat kann offenlassen, ob es auch in nicht monopolisierten Bereichen des Glücksspielrechts Wirkung entfaltet, soweit eine unionsrechtliche Grundfreiheit berührt ist. Denn es läge hier jedenfalls kein Verstoß gegen die aus ihm abgeleiteten Anforderungen vor. Das monopolspezifische Gebot der Binnenkohärenz hätte für Regelungsbereiche außerhalb eines staatlichen Monopols keine Relevanz. Es bestehen überdies keine Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Beschränkungen für Spielhallen lediglich "scheinheilig" zur Suchtbekämpfung eingeführt worden wären, tatsächlich aber einem anderen - insbesondere fiskalischen - Zweck dienten. Zu ihnen gibt es auch bereichsübergreifend keine gegenläufigen landesgesetzlichen Regelungen oder eine sie konterkarierende Politik, für die zu prüfen wäre, ob sie die Wirksamkeit der für Spielhallen geltenden Einschränkungen beeinträchtigen könnten. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass bei Weitem die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an Automaten spielen, die nach der bisherigen Regelung der Gewerbeordnung betrieben werden durften (UA S. 48). Da sich nach dem Berufungsurteil Ausweichbewegungen von Spielern von Spielhallen zu Gaststätten in Berlin nicht feststellen lassen und Spielbanken sich in der Anzahl ihrer Außenstellen und der Zugangsreglementierung von Spielhallen wesentlich unterscheiden (vgl. UA S. 51, 58), ist eine Expansionspolitik des Landes Berlin in einem Sektor mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial, die der Zielsetzung der für Spielhallen geschaffenen Regelungen zuwiderliefe, in keiner Weise erkennbar.

86

d) Die für die Feststellungsbegehren der Klägerin entscheidungserheblichen Anforderungen an Spielhallen sind schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht aus der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204 vom 21. Juli 1998 S. 37, geändert durch die Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006, ABl. L 363 S. 81) unanwendbar. Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten der Kommission den Entwurf einer technischen Vorschrift übermitteln und die Kommission über die Gründe der Festlegung der technischen Vorschrift unterrichten. Der Entwurf darf nach Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 98/34/EG nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung bei der Kommission angenommen werden. Ein Verstoß gegen die Notifikationspflicht führt zur Unanwendbarkeit der jeweiligen technischen Vorschrift (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72], Ince - NVwZ 2016, 369 <372>). Anders als der Glücksspielstaatsvertrag sind die Entwürfe des Spielhallengesetzes, des Mindestabstandumsetzungsgesetzes und des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag des Landes Berlin nicht an die Europäische Kommission übermittelt worden.

87

Die hier angegriffenen Vorschriften dieser Gesetze unterlagen nicht der Informationspflicht aus Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/34/EG, da sie keine "technischen Vorschriften" im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 1 der Richtlinie darstellen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sie unter den vier Kategorien von Maßnahmen, die der Begriff "technische Vorschrift“ umfasst (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 [ECLI:EU:C:2016:771], Naczelnik - Rn. 18 m.w.N.), allenfalls den "sonstigen Vorschriften" im Sinne von Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG zuzuordnen wären. Der Europäische Gerichtshof sieht nationale Vorschriften, die bestimmte Verwendungsmöglichkeiten eines Erzeugnisses nach seinem Inverkehrbringen einschränken, nur dann als notifizierungspflichtige "sonstige Vorschriften" nach Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 98/34/EG an, wenn sie auf das Erzeugnis selbst bezogen sind und dessen Zusammensetzung, Art oder Vermarktung wesentlich beeinflussen können (EuGH, Urteile vom 21. April 2005 - C-267/03 [ECLI:EU:C:2005:246], Lindberg - Rn. 62 ff., 95; vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. [ECLI:EU:C:2012:495], Fortuna - NVwZ-RR 2012, 717 <718 Rn. 35 ff.> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 20 ff., 29). Ob die Größe des Marktes für das Erzeugnis durch diesem nicht selbst anhaftende Anforderungen beeinflusst wird, ist dagegen für die Notifizierungspflicht unerheblich (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Die Verwendungsbeschränkung muss sich demnach auf jedes Exemplar des betreffenden Erzeugnisses beziehen und ihm dadurch kraft seiner Beschaffenheit im weiteren Lebenszyklus anhaften. Dies wird auch daran deutlich, dass eine nationale Verwendungsbeschränkung nur dann als "sonstige Vorschrift" mitteilungspflichtig ist, wenn sie die Nutzungskanäle für das betreffende Erzeugnis verringert (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 <345> und vom 13. Oktober 2016 - C-303/15 - Rn. 26). Das ist der Fall, wenn in einem bestimmten Nutzungskanal kein Exemplar des betreffenden Erzeugnisses mehr verwendet werden darf. Dies traf auf die mitgliedstaatlichen Verbote der Verwendung von Spielautomaten außerhalb von Spielcasinos, die der Europäische Gerichtshof als notifizierungspflichtig angesehen hat, zu (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - C-98/14 - ZfWG 2015, 336 Rn. 99 und vom 19. Juli 2012 - C-213/11 u.a. - NVwZ-RR 2012, 717 ). Eine geplante nationale Regelung ist dagegen nicht nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie mitteilungspflichtig, wenn sie den potenziellen Einsatzbereich eines Erzeugnisses lediglich bestimmten Bedingungen unterwirft und ihn damit in einer Weise beschränkt, die nicht für jedes einzelne Exemplar zum Tragen kommt.

88

Weder die Abstandsgebote zu anderen Spielhallen und sonstigen Einrichtungen noch die Verringerung der Gerätehöchstzahl in Spielhallen oder sonstige der hier streitgegenständlichen Anforderungen an die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen haften dem Erzeugnis der Spielautomaten als solches an und verringern ihre Nutzungskanäle. Sie führen vielmehr zu einer stärkeren Spreizung zulässiger Spielhallenstandorte im Berliner Stadtgebiet und zu einer verringerten Dichte an Geldspielgeräten innerhalb dieser Spielstätten. Anders als eine Beschränkung des Einsatzes von Glücksspielautomaten außerhalb einer definierten Kategorie stationärer Spielstätten haften sie nicht jedem Exemplar dieser Automaten an, sondern verringern die Größe des Marktes für Spielautomaten und möglicherweise auch deren Wert, was indes für die Frage der Notifizierungspflicht irrelevant ist (EuGH, Urteil vom 21. April 2005 - C-267/03 - Rn. 95). Auch nach vollständiger Umsetzung der angegriffenen Regelungen im Land Berlin bleibt die Verwendung von Spielgeräten in Spielhallen zulässig, selbst wenn einige Betreiber zur Wahl eines anderen Standortes veranlasst werden und in einer Spielhalle nur eine geringere Zahl von Geräten aufgestellt werden darf.

89

4. Den Beweisanträgen der Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung (Anlage zum Sitzungsprotokoll vom 16. Dezember 2016) war nicht nachzugehen, weil das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Tatsachengerichts gebunden ist. Eine eigene Tatsachenermittlung ist ihm auch dann verwehrt, wenn der revisionsgerichtlichen Bewertung Rechtsvorschriften zugrunde zu legen sind, die erst nach der letzten tatrichterlichen Entscheidung erlassen worden sind. Sofern sich die tatrichterlichen Feststellungen bei Anwendung solcher nachträglich ergangener, in das Revisionsverfahren einzubeziehender Rechtsvorschriften als unzureichend erwiesen, was vorliegend nicht der Fall ist, wäre der Rechtsstreit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Tatsachengericht zurückzuverweisen (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 44, 59; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 147).

90

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 161 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Kosten hinsichtlich des von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits waren nach billigem Ermessen der Klägerin aufzuerlegen, da ihre Revision auch insoweit keinen Erfolg gehabt hätte.

Die mitteilungspflichtige Behörde oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hat den Betroffenen von ihrer Verpflichtung, Mitteilungen zu erstellen, spätestens bei Übersendung der ersten Mitteilung an die Finanzbehörde zu unterrichten.

(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
die in § 33c Absatz 2 Nummer 1 oder § 33d Absatz 3 genannten Versagungsgründe vorliegen,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen oder
3.
der Betrieb des Gewerbes eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten läßt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
die in § 33c Absatz 2 Nummer 1 oder § 33d Absatz 3 genannten Versagungsgründe vorliegen,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen oder
3.
der Betrieb des Gewerbes eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten läßt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 dient, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit, der Gäste oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erforderlich ist; unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
die in § 33c Absatz 2 Nummer 1 oder § 33d Absatz 3 genannten Versagungsgründe vorliegen,
2.
die zum Betrieb des Gewerbes bestimmten Räume wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügen oder
3.
der Betrieb des Gewerbes eine Gefährdung der Jugend, eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs, schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst eine nicht zumutbare Belästigung der Allgemeinheit, der Nachbarn oder einer im öffentlichen Interesse bestehenden Einrichtung befürchten läßt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.