Verwaltungsgericht Köln Urteil, 30. Apr. 2015 - 6 K 2805/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, mit den Klägerinnen einen entgeltlichen Vertrag über die Verbreitung seines Rundfunkprogramms in deren Netzen zu schließen.
3Die Klägerinnen betreiben regionale Breitbandkabelnetze in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg. Über diese Kabelnetze empfängt rund die Hälfte der Haushalte in Nordrhein-Westfalen seine Rundfunksignale. Die Klägerinnen sind gesetzlich verpflichtet, Kapazitäten für die digitale und zum Teil für die analoge Verbreitung des öffentlich-rechtlichen Programms des Beklagten freizuhalten (sog. Must-Carry-Verpflichtung).
4In der Vergangenheit bestanden entgeltliche „Einspeisungsverträge“ zwischen den Klägerinnen (bzw. ihren Vorgängern) und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. In diesen Verträgen verpflichteten sich die Klägerinnen, die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten analog und digital über ihre Kabelnetze zu verbreiten. Im Gegenzug verpflichtete sich der Beklagte zur Zahlung von Einspeiseentgelten. Der Beklagte erhält zudem von den Klägerinnen ein urheberrechtliches Entgelt für das Recht zur „Kabelweitersendung“ seiner Programme.
5Der Beklagte - ebenso wie die anderen öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten - kündigte die mit den Klägerinnen geschlossenen Verträge zum 31.12.2012, weil er für die Kabelverbreitung seiner Programme künftig keine Zahlungen mehr leisten wollte.
6Gegen diese Kündigungen erhoben die Klägerinnen bisher erfolglos Zahlungsklagen auf dem Zivilrechtsweg.
7Am 30. April 2013 haben die Klägerinnen Klage mit den Anträgen erhoben festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, mit ihnen einen Vertrag über die entgeltliche (analoge und digitale) Verbreitung des Programms WDR Fernsehen über die Netze der Klägerinnen zu schließen, soweit dieses Programm in den Netzen Must Carry-Status hat, sowie festzustellen, dass sie bis zum Abschluss eines solchen Vertrags nicht zur Einspeisung und Verbreitung des Programmes WDR Fernsehen verpflichtet sind.
8Sie sind der Auffassung, dass der Beklagte rundfunkrechtlich verpflichtet sei, einen Einspeisevertrag abzuschließen. Hierzu tragen sie vor:
9Die Klage sei zulässig. Sie seien klagebefugt. Aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 87 f Abs. 2 GG i.V.m. §§ 11, 19 RStV und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG stehe ihnen möglicherweise ein Anspruch auf Gleichbehandlung durch Abschluss eines entgeltlichen Verbreitungsvertrages zu. Überdies hätten sie ein wirtschaftliches Interesse an der begehrten Feststellung. Dieses bestehe unabhängig von der Wirksamkeit der konkreten Kündigung, da es ihnen grundsätzlich um den rundfunkrechtlichen Kontrahierungszwang gehe. Die Feststellungsklage sei auch nicht subsidiär, da die begehrte Feststellung, dass der Beklagte einem rundfunkrechtlichen Kontrahierungszwang unterliege, sich durch keine andere Klage erreichen lasse.
10Die Klage sei auch begründet. Der Anspruch auf Vertragsschluss ergebe sich daraus, dass die Parteien nach den maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Kooperation verpflichtet seien. Der Beklagte müsse rundfunkrechtlich die Verbreitung seiner Programme über Kabel sicherstellen. Dies ergebe sich aus dem gesetzlichen Rundfunkauftrag nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, §§ 11, 19 RStV und § 3 Abs. 1 S. 1 WDR-Gesetz. Umgekehrt bestehe auch für die Klägerinnen im Rahmen der Must-Carry-Vorschriften ein Kontrahierungszwang. Bestünden dergestalt aufeinander bezogene Kooperationspflichten, so könne dem nur durch Abschluss eines Vertrages entsprochen werden. Ebenso folge ein solcher Anspruch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz in Verbindung mit der Grundversorgungspflicht gemäß §§ 11,19 RStV des Beklagten. Bei der Wahrnehmung des objektiv-rechtlichen Grundversorgungsauftrages unterliege der Beklagte dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und der Ermessenslehre. Könne die Verwaltung einen Ermessensspielraum für sich in Anspruch nehmen, ergebe sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ein subjektives öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensbetätigung. Dies gelte auch dann, wenn die Ermessensnorm keinen Drittschutz vermittele, sondern allein öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt sei. Der Beklagte sei im Bereich der Programmverbreitung über die Kabelnetze wie jeder andere Hoheitsträger an die Grundrechte gebunden. Bei seiner Ermessensentscheidung nach §§ 11, 19 RStV, welche Verbreitungswege die Anstalten für ihre Programme auswählten, seien die Belange der Klägerinnen als geeignete Bewerber um entgeltliche Verbreitungsverträge zu berücksichtigen. Der Beklagte habe mit anderen Plattformanbietern satellitärer und terrestrischer Übertragungsdienste sowie mit Internet-Dienstleistern (Streaming) Verträge zur Verbreitung seiner Programme abgeschlossen. Gegenüber diesen Anbietern würden die Klägerinnen ungleich behandelt. Für die Ungleichbehandlung bestehe kein sachlicher Grund. Die Einbeziehung des Verbreitungswegs Kabel als des effektiv meistgenutzten Empfangswegs sei die einzige rechtmäßige Entscheidung, mit der der Beklagte seinem Grundversorgungsauftrag gerecht werde. Vor diesem Hintergrund sei der Beklagte verpflichtet, mit ihnen einen entgeltlichen Vertrag über die Verbreitung der streitgegenständlichen Programme zu schließen, denn jede andere Entscheidung wäre willkürlich und widerspräche dem Gleichheitssatz. Mit den anderen Infrastrukturbetreibern schließe der Beklagte weiterhin entgeltliche Verträge ab, um die Verbreitung seines Programms sicherzustellen. Selbst wenn keine Ermessensreduzierung auf Null und damit eine zwingende Verpflichtung zum Vertragsschluss bestünde, hätten sie einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen entgeltlichen Vertragsschluss. Ermessenserwägungen des Beklagten seien nicht erkennbar. Die Frage, ob der Verbreitungsweg Kabel für die Erfüllung seines Rundfunkauftrages nötig sei, habe bei den Erwägungen des Beklagten jedenfalls keine Rolle gespielt.
11Entgegen der Auffassung des Beklagten sei für den Kontrahierungszwang keine weitergehende Rechtsgrundlage erforderlich, da ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit nicht gegeben sei.
12Gemäß Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG würden Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation privatwirtschaftlich, d.h. entgeltlich und gewinnorientiert erbracht. Die Netznutzung, also der Zugang zum privaten Netzeigentum brauche nur gegen Entgelt eröffnet zu werden. Die Rundfunkgesetzgeber könnten diesen bundesrechtlichen Rahmen nicht außer Acht lassen. Der Beklagte unterliege den besonderen Bindungen des öffentlichen Rechts und könne nicht frei wie ein privater Sender über die Auswahl von Verbreitungswegen und entsprechend von Vertragspartnern entscheiden. Er sei verpflichtet, seine Programme auch über die Kabelnetze zu verbreiten, da bis heute knapp 50 % der Haushalte die Rundfunk und Fernsehprogramme über Kabel empfingen. Zur Erfüllung dieses Verbreitungsauftrages stünden dem Beklagten keine hoheitlichen Mittel zur Verfügung. Er müsse daher zur Lösung dieser Aufgabe mit den Betreibern zivilrechtliche Verträge schließen. Die Klägerinnen seien insoweit auch nicht mit der Vielzahl von Betreibern kleinerer und kleinster Netze zu vergleichen.
13Auch die Landesmedienanstalten gingen davon aus, dass ohne vertragliche Einigung über das Entgelt keine Verbreitungspflicht bestehe.
14Schließlich sprächen auch die Bestimmungen über die Must-Carry-Pflicht dafür, dass sie einen Anspruch auf Abschluss eines entgeltlichen Vertrages hätten.
15Mit Beschluss vom 18.06.2014 hat das erkennende Gericht das Verfahren getrennt. Hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrages zu 2) - Feststellung der Reichweite der Must-Carry-Pflicht - wird es unter dem Aktenzeichen 6 K 3364/14 fortgeführt. Das vorliegende Verfahren hat das Gericht an das Landgericht Köln verwiesen. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde der Klägerinnen hat das OVG NRW mit Beschluss vom 28.10.2014 (13 E 827/14) den Beschluss des erkennenden Gerichts aufgehoben und den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet erklärt.
16Die Klägerinnen beantragen,
17festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, mit den Klägerinnen einen Vertrag über die entgeltliche (analoge und digitale) Verbreitung des Programms WDR Fernsehen über die Netze der Klägerinnen zu schließen, soweit dieses Programm in den Netzen Must-Carry-Status hat.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Er trägt vor: Die Klage sei unzulässig. Die Klägerinnen seien nicht klagebefugt, da sie keine Anspruchsgrundlage geltend machten, aus der sich der Anspruch auf Abschluss eines Vertrages ergebe. Den Klägerinnen fehle auch das Feststellungsinteresse bzw. das Rechtsschutzinteresse. Sie widersprächen ihren zivilgerichtlichen Klagen, wenn sie ein Verfahren führten, für das nur im Fall der Wirksamkeit der Kündigungen ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Gleichzeitig machen sie vor den Zivilgerichten aber die Unwirksamkeit der Kündigung geltend. Widerspruchsfrei könnten die Klägerinnen einen derzeit bestehenden Kontrahierungszwang nicht einklagen. Der Feststellungsantrag sei an die Bedingung der Klageabweisung durch die Zivilgerichte geknüpft. Diese außerprozessuale Bedingung führe zur Unzulässigkeit des Antrages.
21Die Feststellungsklage sei gegenüber der zivilgerichtlichen Klage auf Abgabe der entsprechenden Willenserklärung auf Abschluss eines Vertrages subsidiär. Die Klägerinnen argumentierten sowohl vor den Zivilgerichten als auch vor dem Verwaltungsgericht mit der rundfunkrechtlich vorgesehenen Entgeltlichkeit bei der Weiterleitung der Programmangebote des Beklagten.
22Die Klage sei auch unbegründet. Die Klägerinnen hätten ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Verbreitung der Programme des Beklagten. Diese werthaltigen Programme ermöglichten ihnen überhaupt erst ihr Geschäftsmodell. Sämtliche Wettbewerber der Klägerinnen würden die Programme der ARD-Rundfunkanstalten verbreiten, ohne dafür gesondert bezahlt zu werden. Es sei wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte für die Nutzung seiner Programmsignale durch die Klägerinnen als werthaltige Vorprodukte ein Entgelt entrichten solle. Die Zahlung von Einspeiseentgelten an die Klägerinnen sei im deutschen Kabelmarkt eine historisch bedingte Ausnahme und keineswegs marktüblich. Die Kündigungen der Einspeiseverträge seien geboten gewesen, um die Privilegierung der Klägerinnen gegenüber ihren Wettbewerbern zu beenden. Der Beklagte habe an keinen anderen Festnetzbetreiber ein Einspeiseentgelt gezahlt, unabhängig davon, ob diese aufgrund der Must-Carry-Bestimmungen zur Weiterleitung der Programme verpflichtet seien.
23Es sei keine Anspruchsgrundlage gegeben, die den Klägerinnen einen Kontrahierungsanspruch gebe. Eine objektiv-rechtliche Verpflichtung könnten die Klägerinnen nicht durchsetzen. Der aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Bestandteil der Rundfunkfreiheit folgende Grundversorgungsauftrag - einfachgesetzlich geregelt in §§11,19 RStV - enthalte kein subjektiv-öffentliches Recht. Eine drittbegünstigende Wirkung komme ihm nicht zu. Er verlange von den Rundfunkveranstaltern nur, dass die Programme der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden müssten. Dies umfasse die Veranstaltung und die Verbreitung der Grundversorgungsprogramme. Die Rundfunkautonomie sei auch bei der Verbreitung zu berücksichtigen. Der Beklagte verbreite seine Programme über Satellit, Terrestrik und die eigenen Internetangebote. Dies reiche als Grundversorgung aus. Eine Pflicht, den Klägerinnen Geld zu zahlen und einen Verbreitungsvertrag für die digitale und analoge Kabelverbreitung abzuschließen, enthalte der Grundversorgungsauftrag nicht. Der Beklagte sei auch nicht verpflichtet, jeden vom Zuschauer gewünschten Empfangsweg zwingend sicherzustellen. Wenn er verpflichtet wäre, die Breitbandkabelnetzbetreiber zu finanzieren, müsste er ebenso den Betreibern des herkömmlichen Telekommunikationsnetzes (Telekom, Vodafone), die ein vergleichbares Produkt anböten, Einspeiseentgelte zahlen. Es gebe einige Kabelnetzbetreiber, die ebenfalls überörtliche Netzstrukturen hätten. Aus §§ 11,19 RStV, § 3 WDR-Gesetz folge auch einfachgesetzlich objektiv-rechtlich keine Pflicht zur Zahlung von Einspeiseentgelten. Auch für eine Kooperationspflicht sei nichts ersichtlich.
24Eine Anspruchsgrundlage ergebe sich auch nicht aus dem Grundversorgungsauftrag in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, da es an der subjektiven Rechtsbetroffenheit fehle. Die einschlägigen Normen dienten nicht dem Schutz der Klägerinnen. Eine subjektive Rechtsposition ergebe sich weder aus dem Grundversorgungsauftrag noch aus dem Privatwirtschaftlichkeitsprinzip des Art, 87 f Abs. 2 S. 1 GG noch aus den Regelungen des Telekommunikationsrechts. Deshalb könne auch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht bestehen. Denn dieser setze ebenfalls voraus, dass die Ermessensvorschrift dem Schutz des Begünstigten zu dienen bestimmt sei.
25Selbst wenn man den Drittschutz annähme, scheitere ein Anspruch auf Vertragsschluss daran, dass es an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage fehle, die die Rundfunkfreiheit der Klägerinnen zulässigerweise einschränken könnte. Ein Vergütungsanspruch sei gesetzlich nicht geregelt. Der Landesgesetzgeber habe von der Möglichkeit gemäß Art. 31 Abs. 2 Universaldienstrichtlinie, ein angemessenes Entgelt festzulegen, keinen Gebrauch gemacht. Außerdem lägen die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht vor. Die Klägerinnen seien schon nicht mit den Satelliten- und DVB-T-Netzbetreibern sowie den Internetstream-Dienstleistern, die der Beklagte für ihre technische Dienstleistung bezahle, vergleichbar.
26Bei den Kündigungen der Verträge sei für den Beklagten maßgebend gewesen, die Versorgung der Allgemeinheit mit seinen Programmen möglichst marktgerecht, wirtschaftlich und sparsam sicherzustellen.
27Auch die Must-Carry-Bestimmungen enthielten keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch der Klägerinnen auf Abschluss eines entgeltlichen Verbreitungsvertrages. Es handele sich um den Kabelnetzbetreibern auferlegte hoheitliche Übertragungspflichten. Die Pflichten hätten keine eigene Daseinsberechtigung, wenn die Kabelverbreitung der Programme des Beklagten immer schon aufgrund seines Grundversorgungsauftrages vertraglich sicherzustellen wäre. Selbst wenn der Abschluss eines Einspeisevertrages notwendige Voraussetzung zur Erfüllung der Must-Carry-Pflicht wäre, ergäbe sich daraus kein Kontrahierungsanspruch gegen den Beklagten.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses und des Verfahrens 6 K 3364/14 sowie und der in beiden Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe
30Die Klage hat keinen Erfolg.
31Die Kammer hat bereits erhebliche Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Feststellungsklage.
32Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu verstehen. Die Klägerinnen machen geltend, dass sich aus den von Ihnen angeführten Anspruchsgrundlagen - Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 87 f Abs. 2 GG, §§ 11, 19 RStV - eine Verpflichtung des Beklagten zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages ergebe. Unter Zugrundelegung des Vortrages der Klägerinnen liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO vor. Die Klägerinnen haben auch ein wirtschaftliches Interesse an der Feststellung des Kontrahierungszwanges.
33Es spricht jedoch vieles dafür, dass die Klage wegen des Subsidiaritätsgrundsatzes unzulässig ist. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dem Subsidiaritätsgrundsatz liegt der Gedanke der Prozessökonomie zu Grunde. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll auf dasjenige Verfahren, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden. Diese Zielsetzung gilt wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege rechtswegübergreifend, das heißt auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben oder bereits erhoben ist.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.03.2014 - 6 C 8.13 -, BVerwGE 149, 194, 198.
35Durch die Subsidiarität der Feststellungsklage sollen unnötige Feststellungsklagen verhindert werden, wenn für die Rechtsverfolgung unmittelbarere, sachnähere und wirksamere Verfahren zur Verfügung stehen.
36Vgl. Kopp/Schenke, VwGO 20. Aufl. 2014, § 43, Rn. 26 m.w.N.
37Da die Klägerinnen im Kern den Abschluss eines zivilrechtlichen entgeltlichen Vertrages begehren, liegt es nahe, dass ihrem Begehren ein Verfahren vor dem Zivilgericht am wirkungsvollsten gerecht wird. Hierfür spricht auch, dass die Klägerinnen ihr eigentliches Anliegen, die Zahlung des Einspeiseentgeltes, mit der vorliegenden Feststellungsklage gar nicht erreichen können.
38Parallel zu den verwaltungsgerichtlichen Verfahren haben die Klägerinnen dementsprechend auch bereits Zahlungsklagen bzw. hilfsweise Klagen auf Annahme des Angebots zum Vertragsschluss auf dem Zivilrechtsweg anhängig gemacht. Ob der Subsidiaritätsgrundsatz deshalb nicht greift, weil die Klage aufgrund der Sachnähe des erkennenden Gerichts – wegen der Zuständigkeit im Rundfunkrecht – und der begehrten Klärung der Grundfrage des rundfunkrechtlichen Kontrahierungszwanges wirksamer vor dem erkennenden Gericht verfolgt werden kann, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist zweifelhaft. Fraglich ist schon, ob die vorgeschaltete Klärung einer Grundfrage überhaupt Gegenstand einer zulässigen Feststellungsklage sein kann. Alleine die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts für das Rundfunkrecht spricht angesichts des klaren Begehrens der Klägerinnen, des Abschlusses eines zivilrechtlichen Vertrages über Einspeiseentgelte, auch nicht dafür, dass die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage das sachnähere und unmittelbarere Verfahren ist.
39Die Klage ist jedenfalls unbegründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Vertragsschluss. Eine Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch existiert nicht.
40Die Klägerinnen berufen sich darauf, dass der Beklagte gemäß Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. den Vorschriften über den Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages verpflichtet sei. Dies ist jedoch nicht der Fall. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 RStV ist Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten können gemäß § 19 RStV ihrem gesetzlichen Auftrag durch Nutzung geeigneter Übertragungswege nachkommen. Bei der Auswahl des Übertragungswegs sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. § 19 Satz 1 RStV räumt den öffentlich-rechtlichen Anstalten Ermessen bei der Auswahl der geeigneten Übertragungswege ein.
41Vgl. Hartstein/Kreile/Settler/Dörr, RStV, § 19 Rn. 7.
42Der die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten treffende Grundversorgungsauftrag und die der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienende Funktion des Rundfunkfreiheitsrechts gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zielen vornehmlich darauf ab, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Das öffentlich-rechtliche Programmangebot muss für neue Inhalte, Formate und Genres, aber auch für neue Verbreitungsformen offen bleiben
43Vgl. BVerfG, Urteil vom 11.09.2007 – 1 BvR 2270/05 u.a., - BVerfGE 119, 181.
44Hieraus folgt, dass der Beklagte im Hinblick auf die Funktion und Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein Programm auch über die Kabelnetze verbreiten muss, da etwa die Hälfte der Fernsehzuschauer Rundfunkprogramme über die Kabelnetze empfängt.
45Dass hieraus – auch in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG - ein subjektives Recht der Kabelnetzbetreiber auf Abschluss eines Vertrages über Einspeiseentgelte folgt, kann den genannten Vorschriften jedoch nicht entnommen werden.
46Auch in Verbindung mit dem Grundsatz der Privatwirtschaftlichkeit von Telekommunikationsdienstleistungen (vgl. Art. 87 f Abs. 2 GG) enthalten die genannten Vorschriften keine unmittelbare Verpflichtung des Beklagten, mit den Klägerinnen einen Vertrag über Einspeiseentgelte abzuschließen.
47Darüber hinaus ergibt sich eine solche Verpflichtung des Beklagten auch nicht daraus, dass die Klägerinnen und den Beklagten aus den Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages wechselseitige Pflichten – Grundversorgungsauftrag gemäß §§ 11, 19 RStV auf der einen, „must carry“ gemäß § 52 b Abs. 1 Nr. 1 a RStV auf der anderen Seite – treffen. Eine Pflicht zum Vertragsschluss ist diesen Regelungen nicht zu entnehmen.
48Der von den Klägerinnen geltend gemachte Kontrahierungszwang ergibt sich auch nicht aus kartellrechtlichen Vorschriften, die gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 GVG ebenfalls zu prüfen sind. Auch aus kartellrechtlichen Gründen ist der Beklagte nicht verpflichtet, einen Vertrag über Einspeiseentgelte für die Verbreitung seiner Programme in den Netzen der Klägerinnen zu schließen. Insoweit wird auf die Ausführungen des OLG Düsseldorf und des LG Köln in den parallelen zivilrechtlichen Verfahren Bezug genommen.
49Vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.05.2014 – VI-U (Kart) 16/13, U (Kart) 16/13 -; LG Köln, Urteil vom 12.11.2014 - 90 O 86/12 -, beide nachgewiesen bei juris.
50Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
51Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.
(2) Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht. Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation werden in bundeseigener Verwaltung ausgeführt.
(3) Unbeschadet des Absatzes 2 Satz 2 führt der Bund in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts einzelne Aufgaben in bezug auf die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen nach Maßgabe eines Bundesgesetzes aus.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.
(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.