Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 26. März 2014 - 9 K 2001/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6., 8. bis 10., 12., 14., 18. bis 23., 24., 26., 28., 29., 31. bis 34., 36. bis 39., 41., 44. bis 52. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Übrigen sind nicht erstattungsfähig.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist bei der Fernuniversität in I2. als Fernstudent immatrikuliert.
3Am 19. März 2012 fanden an der Fernuniversität in I2. die als Briefwahl ausgerichteten Wahlen 2012 zum Studierendenparlament, der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung und der Fachschaftsräte der Fernuniversität in I2. statt. Zeitgleich fanden auch die Wahlen für die Senats- und Fakultätsräte statt.
4Im Vorfeld der Wahlen erschien ‑ wie bei den Hochschulwahlen der Beklagten üblich ‑ das sog. „WahlRohr“, eine Wahlausgabe der regelmäßig erscheinenden Zeitschrift „SprachRohr“ der Studierendenschaft der Beklagten, in dem sich die kandidierenden Listen und Einzelpersonen vorstellten. Für die Studierendenschaftswahl 2012 wurde u. a. ein Wahlvorschlag der letztlich als Liste Nr. 10 kandidierenden Liste „Sozial Demokratische Liste an der FernUni I2. – SDL“ eingereicht. Der Wahlvorschlag dieser Liste ging beim Wahlleiter per E-Mail am 9. Januar 2012 vollständig ein. Mit E-Mail vom 11. Januar 2012 teilte der Wahlleiter dem Listenführer der SDL, dem Kläger in dem Verfahren 9 K 1817/12, mit, dass er die vorgelegten Wahlvorschläge nicht zulasse. Die Listenbezeichnung sei geeignet, die Namensrechte einer anderen juristischen Person oder Personenvereinigung zu verletzen bzw. sei geeignet, über die Zugehörigkeit zu einer bestehenden hochschulpolitischen Gruppierung zu täuschen. Der Listenführer wurde gebeten, bis zum 12. Januar 2012 einen neuen Listennamen mitzuteilen, der den Kriterien der Wahlordnung entspreche. Über den von dem Listenführer Herrn L. eingereichten Widerspruch gegen die Streichung des Listennamens vom 22. Januar 2012 entschied der Wahlausschuss im Umlaufverfahren. Dem Einspruch wurde nicht stattgegeben. Ein anderer Listenname wurde nicht eingereicht. Der Beitrag der Wahlliste „SDL“ wurde im „WahlRohr“ nicht veröffentlicht.
5Für die Wahl erhielten die Studierenden folgende Wahlunterlagen: Einen Wahlbriefumschlag, zwei Stimmzettelumschläge, ein Merkblatt für die Wahl der Interessenvertretung für Studierende mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung, ein Merkblatt für die Wahl der Hochschulverwaltung, drei Stimmzettel für die Wahl der Studierendengremien, vier Stimmzettel für die Wahl der Hochschulgremien sowie eine Wahlerklärung. Für die Wahl der Hochschulgremien und der Studierendenschaftsgremien wurde nur ein Stimmzettelumschlag verwendet. Die Stimmzettelumschläge wurden am 21. März 2012 durch die Wahlleitung der Hochschule geöffnet. Der Wahlausschuss der Studierendenschaftsgremien war dabei nicht anwesend. Die Stimmzettel für die Studierendenschaftsgremien wurden anschließend in die entsprechenden Wahlurnen verteilt und dem Wahlausschuss der Studierendenschaftsgremien am 23. März 2012 übergeben. Der Wahlausschuss der Studierenden-schaftsgremien nahm in seiner Sitzung vom 23. März 2012 die Auszählung der abgegebenen Stimmen vor und stellte das Wahlergebnis fest. Ausweislich der Niederschrift zur Sitzung vom 23. März 2012 wurden vorab 405 offene Wahlbriefe und 423 Wahlbriefe ohne Wahlerklärung als ungültig zurückgewiesen. Außerdem wurden 1480 Stimmzettelumschläge für die Interessenvertretung für chronisch Kranke abgewiesen, weil die Wahlerklärung oder der Nachweis zur Wahlberechtigung gefehlt habe. Das Wahlergebnis wurde zunächst am 26. März 2012 bekannt gegeben. Die Bekanntgabe wurde am 28. März 2012 wiederholt und hierbei zusätzlich der Hinweis auf die Möglichkeit der Erhebung eines schriftlichen Einspruchs gegen die Gültigkeit der Wahl binnen 14 Tagen nach der Bekanntmachung des Wahlergebnisses erteilt.
6Mit E-Mail vom 10. April 2012 an den Wahlleiter Herrn G. legte der Kläger Einspruch gegen die Wahl des Studierendenparlaments, der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung und der Fachschaftsräte der Fernuniversität in I2. ein. Dem Einspruch beigefügt war ein Schreiben des Klägers vom 10. April 2012, in welchem er bestätigte, dass der vorgenannte Einspruch von ihm stamme. Dieses Schreiben war mit einer eingescannten Unterschrift versehen.
7In seinem Einspruch führte der Kläger im Wesentlichen folgendes aus: Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass die in den Amtlichen Mitteilungen der Fernuniversität in I2. Nr. 9/2011 vom 19. Dezember 2011 veröffentlichte Wahlordnung rechtmäßig zur Veröffentlichung eingereicht worden sei. In einer Sitzung am 4. September 2011 sei einstimmig über den Entwurf der Wahlordnung beschlossen worden. Die veröffentlichte Fassung unterscheide sich jedoch im Hinblick auf die zitierte Ermächtigungsgrundlage von der beschlossenen Fassung. In der veröffentlichten Fassung sei als Ermächtigungsgrundlage § 54 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes NRW vom 31. Oktober 2006 (GV. NRW S 474), dieser „in der Fassung des Gesetzes zum Aufbau der Fachhochschule für Gesundheitsberufe in Nordrhein-Westfalen (Gesundheitsfachhochschulgesetz) vom 8. Oktober 2009 (GV. NRW S 516)“ genannt worden. Dieser Zusatz sei in der beschlossenen Fassung nicht enthalten. Da über diese Änderung der Wahlordnung kein Beschluss gefasst worden sei, sei die Wahlordnung nicht parlamentarisch legitimiert. Er erhebe daher Einspruch dahingehend, dass eine Änderung in einer Ordnung nicht durch Einzelpersonen oder einen Ausschuss erfolgen dürfe. Die vorstehend beschriebene Änderung des in der Urschrift beschlossenen Dokuments stelle einen Eingriff in die Rechtssicherheit und das Rechtsstaatsprinzip dar. Darüber hinaus erhebe er Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl, weil der Wahlleiter, Herr G. , gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, jederzeit die Gesetze und die Wahlordnung einzuhalten, insbesondere festzustellen, ob die Grundlagen für eine ordnungsgemäße Wahldurchführung vorhanden seien. Er erhebe weiter Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl, weil die Wahl entgegen § 2 Abs. 1 der Wahlordnung nicht nach dem Wahlgrundsatz der allgemeinen Wahl stattgefunden habe. Tatsächlich habe nur die Wahl zum Studierendenparlament in allgemeiner Wahl stattgefunden, nicht jedoch die Wahl zu den Fachschaftsräten und für die Interessenvertretung für Studierende mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung. Denn nach § 4 Abs. 2 der Wahlordnung seien wahlberechtigt für die Wahl zu den jeweiligen Fachschaftsräten nur die Studierenden, die der entsprechenden Fachschaft angehörten. Dies widerspreche der Regelung in § 2 Abs. 1 der Wahlordnung. Er erhebe daher auch Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl, weil die Wahlordnung erhebliche und schwerwiegende Mängel aufweise, weil der Wahlleiter nicht auf eine gesetzeskonforme Regelung geachtet habe. Gleiches gelte, soweit nach § 4 Abs. 3 der Wahlordnung nur diejenigen Studierenden zur Wahl der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung berechtigt gewesen seien, die gemäß § 2 Abs. 1 der Wahlordnung an einer Behinderung oder chronischen Erkrankung litten. In § 4 Abs. 3 der Wahlordnung sei nicht definiert, wie eine eingeschränkte Wahlberechtigung nachgewiesen werden solle, im Übrigen sei die Ordnung für die Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung nicht in den Amtlichen Mitteilungen der Fernuniversität in I2. veröffentlicht worden, so dass die Wahl für dieses Gremium nicht regulär und verbindlich habe stattfinden können. Die Wahl sei daher ungültig. Er erhebe weiter Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl, weil in § 4 Abs. 4 der Wahlordnung lediglich definiert sei, wann eine chronische Erkrankung und/oder Behinderung vorgelegen habe. Daraus könne jedoch keine Grundlage für einen Nachweis der Behinderung konstruiert werden. Ein Nachweis zur Wahlberechtigung sei einzig in § 2 Abs. 1 der Wahlordnung definiert, wonach die gesamte Wahl allgemein sei. Daher sei jeder Studierender zur Wahl der Interessenvertretung für Studierende mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung berechtigt gewesen. Darüber hinaus erhebe er Einspruch, weil die Wahlen nicht frei gewesen seien. Denn im Vorfeld der Wahlen sei ein Artikel des RCDS durch die AStA-Vorsitzende gebilligt worden, durch welchen psychischer Druck auf Wähler und Kandidaten dadurch ausgeübt worden sei, dass aus dem Artikel deutlich geworden sei, dass Behinderte oder chronisch kranke Studierende nichts wert seien und nicht die Kondition hätten, die Studierenden zwei Jahre lang angemessen zu vertreten. Zudem sei es mit dem Grundsatz der freien Wahl nicht vereinbar, dass der GsF-Juso, Arbeit und Studium und dem RCDS vier Seiten im „WahlRohr“ zustünden, den meisten anderen Gruppen jedoch nur eine Seite. Mit Blick darauf, dass die Herausgabe des „WahlRohrs“ mit Studierendengeldern finanziert werde, liege hierin ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aller Parteien/Gruppen/Listen. Dem Prinzip der freien Wahlen widerspreche in diesem Zusammenhang auch, dass sich der AStA in den Wahlkampf eingemischt habe. Dies sei dadurch geschehen, dass eine große Anzahl der AStA-Mitglieder für die großzügige „WahlRohr“-Regelung gestimmt habe. Insoweit seien Wahlmandat und Amtsmandat zusammengefallen. Darüber hinaus erhebe er Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahlen, da der Grundsatz der freien Wahl auch dadurch verletzt worden sei, dass man versucht habe, ihn als Kandidaten einzuschüchtern, auszugrenzen und ihm Sitzungsgelder vorzuenthalten. Weiter seien die Wahlen irregulär und nichtig, weil die Ordnung über die Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung nicht in den Amtlichen Mitteilungen veröffentlicht worden sei und damit das zu wählende Gremium faktisch nicht existiere. Die Wahl zum Gremium der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung sei somit ungültig, weil dieses Gremium nie durch das Studierendenparlament gebildet worden sei. Ferner sei die Wahl zum Gremium der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung darüber hinaus ungültig, weil in dem den Wahlunterlagen beigefügten Merkblatt, welches nicht vom Studierendenparlament beschlossen worden sei, als besondere Hürde die Vorlage eines Behindertenausweises, einer Bescheinigung der Pflegeversicherung oder einer Bescheinigung der Krankenkasse zum Nachweis des Vorliegens einer chronischen Erkrankung und/oder Behinderung aufgestellt worden sei. Dadurch seien die gesamten Wahlen erheblich beeinflusst worden und deshalb nichtig. Er erhebe darüber hinaus Einspruch gegen die Wahl, weil diese entgegen § 5 Abs. 4 der Wahlordnung nicht vom Wahlleiter ordnungsgemäß vorbereitet und durchgeführt worden sei. Andernfalls hätte diesem auffallen müssen, dass die Wahlordnung 2011 und die Satzung erst am 20. Dezember 2011 in Kraft getreten seien, über die Ordnung der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung kein Beschluss des Studierendenparlaments vorgelegen habe und diese Ordnung zudem nicht in den Amtlichen Mitteilungen der Fernuniversität veröffentlicht worden sei. Weiter erhebe er Einspruch gegen die Wahlen, weil der Wahlausschuss es entgegen der Regelung in § 5 Abs. 5 der Wahlordnung versäumt habe, offensichtliche Beschwerden zur Wahl zu behandeln und darüber zu entscheiden. Die Wahlen seien deshalb ungültig. Ferner begründe er seinen Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahlen damit, dass die Wahlausschreiben nicht auf der Grundlage der Wahlordnung für die Wahlen zum Wintersemester 2011/2012, sondern auf der Grundlage der Wahlordnung 2009 erstellt worden seien. Die Wahlausschreiben seien daher nichtig. Er erhebe weiter Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl, weil die Wahlleitung ihre unparteiische Haltung aufgegeben habe. Die Wahlleitung habe, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein, ein Informationsblatt zur Wahl der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung verfasst. Die auf dem Merkblatt geforderten Nachweise zum Vorliegen einer Behinderung und/oder chronischen Erkrankung seien nach der Wahlordnung nicht zu erbringen gewesen, so dass sie auch nicht durch ein „Merkblatt“ hätten eingefordert werden können. Das Merkblatt sei zudem in unterschiedlichen Fassungen herausgegeben worden. Dadurch sei durch die Wahlleitung erheblicher Einfluss auf die Wahlen genommen worden. Ferner begründe er seinen Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahlen damit, dass die Wahlen dadurch irregulär beeinflusst worden seien, dass die Wähler absichtlich darüber getäuscht worden seien, dass die Rücksendung der Wahlunterlagen durch den als Wahlbriefumschlag gekennzeichneten Freiumschlag kostenfrei sei. Die Kostenfreiheit gelte jedoch nicht für die im Ausland lebenden Studierenden. Nur wenn ein im Ausland lebender Studierender sich selbst um die Frankierung seines Umschlages gekümmert hätte, sei gewährleistet gewesen, dass dieser fristgerecht und überhaupt angekommen sei. Er erhebe weiter Einspruch mit der Begründung, die Wahlen seien auch deshalb ungültig, weil die Wahlleitung die Wahlbriefumschläge entgegen § 12 Abs. 6 der Wahlordnung nicht am 20. März 2012 (einen Tag nach dem Wahltag) an den Wahlausschuss übergeben habe, sondern erst am 23. März 2012. Zu diesem Zeitpunkt seien die Wahlbriefumschläge bereits geöffnet gewesen, was nicht zulässig sei, so dass eine ordnungsgemäße Prüfung durch den Wahlausschuss nicht habe vorgenommen werden können. Eine Manipulation der Umschläge sei nicht auszuschließen. Er erhebe weiter Einspruch, weil weder die Wahlleitung noch der Wahlausschuss verstanden hätten, dass in § 4 Abs. 4 lediglich definiert sei, was eine Behinderung oder chronische Erkrankung sei, eine Bescheinigung zum Nachweis jedoch nicht gefordert werde. Der Wahlleitung hätte auffallen müssen, dass zur Bekanntmachung der Wahl das Gremium der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung nicht eingerichtet gewesen sei und eine Wahlbekanntmachung für dieses Gremium daher keine rechtliche Relevanz gehabt habe. Die Wahl sei mit Blick darauf auch ungültig, weil sich hierin gezeigt habe, dass durch die Wahlleitung keine neutrale und unparteiische Aufsicht erfolgt sei, diese offenbar überfordert gewesen sei und nicht beachtet habe, dass Ordnungen für Wähler einsehbar und nachvollziehbar sein müssten. Weiter erhebe er Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl, weil das Wahlergebnis nicht sofort nach der Sitzung am 23. März 2012 bekannt gegeben worden sei. Es existierten unterschiedliche Fassungen der Bekanntmachung. Zunächst sei das Wahlergebnis am 26. März 2012 bekanntgegeben worden und anschließend nochmal am 28. März 2012 mit dem Hinweis auf die Einspruchsfrist. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, ob der Wahlleiter persönlich gemäß § 14 Abs. 1 der Wahlordnung das Ergebnis der Wahl bekannt gegeben habe. Er erhebe ferner Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahlen, weil diese noch nicht abgeschlossen seien. Denn die Zahlen für die Wahl der Fachschaften „WiWi“, „M + I“, „KSW“ und „Psy“ seien falsch veröffentlicht worden. Die Wahlergebnisse seien deshalb noch nicht endgültig richtig öffentlich bekannt gemacht. Weiter erhebe er Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahlen, weil § 15 Abs. 5 der Wahlordnung gemäß § 44 Abs. 6 VwVfG sittenwidrig sei. Das Studierendenparlament habe sich durch diese Regelung selbst die Möglichkeit eingeräumt, Gesetzesverstöße zu begehen, ohne dass hieraus rechtliche Konsequenzen folgten und ohne dass diese Verstöße jemals nachweisbar sein würden.
8In seiner konstituierenden Sitzung am 28. April 2012 wies das Studierendenparlament den Einspruch des Klägers als unzulässig zurück. Nach der Beschlussempfehlung des Wahlausschusses sei der Einspruch unzulässig, da dieser entgegen § 15 Abs. 2 der Wahlordnung nicht in der erforderlichen Schriftform, sondern lediglich per E-Mail beim Wahlleiter eingegangen sei. Bei der Unterschrift am Ende des Einspruchs handele es sich nur um eine eingescannte Unterschrift. Der Einspruch sei daher als unzulässig zurückzuweisen. Dieser Beschlussempfehlung wurde auf der Sitzung am 28. April 2012 mit 22 Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und einer Enthaltung zugestimmt.
9Mit E-Mail vom 21. Juni 2012 teilte die Vorsitzende des Studierendenparlaments, Frau Q. , dem Kläger mit, dass sein Einspruch in der Sitzung des Studierendenparlaments vom 28. April 2012 zurückgewiesen worden sei.
10Der Kläger hat am 12. Juli 2012 Klage erhoben.
11Zur Begründung seiner Klage führt er im Wesentlichen folgendes aus: Er rüge die Durchführung und Auswertung der Wahl der Studierendenvertretung, insbesondere der Neukonstituierung des Studierendenparlaments, des AStA, der Fachschaften und der jeweiligen Untergremien und Ausschüsse. Unmittelbar vor der Wahl sei es zu erheblichen Verstößen gegen die Wahlordnung der Studierendenschaft gekommen. Es sei zielgerichtet und vehement gegen geltendes Recht verstoßen worden. Die Wahlleitung und einzelne Mitglieder des Wahlausschusses hätten sowohl gegen wesentliche Vorschriften der Wahlordnung verstoßen als auch sich in strafrechtlicher Weise Vorteile verschafft, um das Wahlergebnis zu ihren Gunsten zu verfälschen. Sein Einspruch gegen die Wahl sei entgegen der Ansicht des Studierendenparlaments nicht unzulässig gewesen. Einer besonderen Schriftform habe es nach § 15 Abs. 2 der Wahlordnung nicht bedurft. Darüber hinaus liege in dem Verhalten des Wahlleiters bei der Stimmzettelauszählung ein wesentlicher Verstoß. Denn die Wahlbriefumschläge seien nicht in Anwesenheit des Wahlausschusses für die Studierendengremien geöffnet worden. Dieser habe nur die Stimmzettel in Urnen entgegengenommen. Nach § 13 Abs. 1 der Wahlordnung sei aber vorgeschrieben, dass der Wahlausschuss nur und ausschließlich unter seiner Kontrolle die Wahlbriefumschläge und die zugehörigen Stimmzettelumschläge prüfen, öffnen und auszählen dürfe. Die Wahlbriefumschläge seien jedoch nicht in Anwesenheit des Wahlausschusses für die Studierendengremien geöffnet worden. Die Stimmzettelumschläge für die Studierendenwahlen seien in diesem Zusammenhang ebenfalls geöffnet und in Urnen ohne die zugehörigen Stimmzettelumschläge verteilt worden. Dies zugrundegelegt hätten alle Stimmzettel gemäß § 13 Abs. 3 der Wahlordnung, da sie sich nicht mehr in einem verschlossenen Stimmzettelumschlag befunden hätten, als ungültig gewertet werden müssen. Der Wahlleiter habe am 23. März 2012 fehlerhaft festgestellt, dass die Wahlen zum Studierendenparlament korrekt festgestellt worden seien. Es bestehe der dringende Verdacht, dass viele im Zusammenhang mit der Wahl stehenden Unterlagen und Urkunden bewusst manipuliert worden seien. Der Wahlleiter habe durch eine Vielzahl von Entscheidungen seine Neutralitätspflicht verletzt. Unter anderem habe er den Grundsatz der Chancengleichheit dadurch verletzt, dass er der Gruppe „SDL“ keinen Platz für einen Wahlrohrartikel zugebilligt habe und damit die Wahlwerbung in dem für die Studierendenschaftswahlen elementar wichtigen Printmedium „WahlRohr“ verhindert habe. Dadurch habe der Wahlleiter den Gruppen GsF-Juso, Arbeit und Studium sowie dem RCDS vier Seiten Wahlwerbung zuerkannt, der Gruppe SDL aber keine und neuen Gruppen nur jeweils eine Seite. Hierin liege ein Verstoß gegen § 53 Abs. 2 HFG. Die Herausgabe der Zeitschrift „WahlRohr“ sei vom HFG nicht gedeckt und verstoße gegen die Parteienfinanzierung.
12Der Kläger beantragt schriftsätzlich und wörtlich,
13- 14
1. festzustellen, dass die Wahl des Studierendenparlaments und des AStA der Fernuniversität in I2. , sowie der Gremien und Ausschüsse mit dem geltenden Wahlrecht nicht im Einklang steht,
- 15
2. der Beklagten aufzutragen, in angemessener Frist Neuwahlen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durchzuführen,
- 16
3. die Beklagte zu verurteilen, die aufgrund der rechtswidrigen Wahl erbrachten Geldleistungen von den Empfängern zurückzufordern.
Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Zur Begründung führt sie im Wesentlichen folgendes aus: Die Klage sei unbegründet. Der Einspruch des Klägers sei in der konstituierenden Sitzung des Studierendenparlaments am 28. April 2012 nach entsprechender Beschlussvorlage des Wahlleiters Herrn G. vom Studierendenparlament als nicht formgerecht bzw. unzulässig zurückgewiesen worden. Nach § 15 Abs. 2 der Wahlordnung müsse ein Einspruch schriftlich eingelegt werden. Der lediglich per E-Mail am 10. April 2012 eingereichte Einspruch habe der insoweit erforderlichen Schriftform nicht entsprochen. Darüber hinaus wäre der Einspruch aber auch als unbegründet zurückzuweisen, da keinerlei Verfahrensfehler ersichtlich seien. Der Vortrag des Klägers, die Stimmzettel für die Studierendenwahl seien ohne die Anwesenheit des dafür bestimmten Wahlausschusses der Studierendenschaft geöffnet worden und in Urnen ohne die dazugehörigen Stimmzettelumschläge verteilt worden, sei unzutreffend. Richtig sei, dass die Wahlbriefumschläge von der Wahlleiterin der Fernuniversität in I2. , Frau A. , geöffnet worden seien. Frau A. habe geprüft, ob eine gültige Wahlerklärung für die Wahl der Hochschulgremien und der Studierendengremien dem Stimmzettelumschlag beigefügt gewesen sei. Danach sei der Stimmzettelumschlag ungeöffnet der entsprechenden Wahlurne für das entsprechende Gremium zugeführt worden. Die Urnen selbst seien in einem gesicherten Raum der Verwaltung der Fernuniversität untergebracht gewesen. Zutritt habe insoweit nur die Wahlleiterin, Frau A. , gehabt. Am 21. März 2012 seien die Wahlurnen in die Räume der Fernuniversität in der Universitätsstraße gebracht worden. Dort seien sie geöffnet und die Stimmzettelumschläge entnommen worden. Während der Wahlausschusssitzung der Fernuniversität in I2. seien alle Stimmzettelumschläge geöffnet und den entsprechenden Wahlurnen zugeführt worden, wobei der Wahlleiter, Herr G. , bei der Öffnung der Stimmzettelumschläge anwesend gewesen sei. Die Wahlurnen mit den Stimmzetteln für die Studierendengremien seien anschließend sicher untergebracht gewesen und dem Wahlleiter am 23. März 2012 übergeben worden. Danach sei die Wahlausschusssitzung eröffnet worden und die Wahlurnen mit den Stimmzetteln seien geöffnet und ausgezählt worden.
20Die Beigeladenen zu 1. bis 6., 8. bis 10., 12., 14., 18. bis 24., 26., 28., 29., 31. bis 34., 36. bis 39., 41., 44. bis 52. beantragen,
21die Klage abzuweisen.
22Sie schließen sich im Wesentlichen den Ausführungen der Beklagten an.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Unterlagen des Klägers Bezug genommen.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
25Das Gericht konnte trotz des Nichterscheinens des ordnungsgemäß geladenen Klägers sowie der nicht erschienenen Beigeladenen – soweit sie nicht durch den erschienenen Prozessbevollmächtigten vertreten waren ‑ im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung hierauf hingewiesen wurden (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑).
26Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg.
27Der wörtliche Klageantrag zu 1. ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 und 2 VwGO bereits wegen der Subsidiarität zu der hier statthaften Verpflichtungsklage unzulässig.
28Gemäß § 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies ist hier der Fall. Unter ergänzender Berücksichtigung des Klageantrages zu 2., der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Veranstaltung von Neuwahlen der Studierendenschaftsgremien gerichtet ist, handelt es sich bei dem klägerischen Begehren zu 1. der Sache nach um eine Wahlprüfungsklage. Der die Wahl eines Studierendenschaftsgremiums verfolgende Wahlprüfungsantrag ist im Verwaltungsprozess mit der Verpflichtungsklage zu verfolgen. Dies folgt vorliegend daraus, dass die den Einspruch des Klägers ablehnende Entscheidung der Beklagten, der Beschluss des Studierendenparlaments in der Sitzung vom 28. April 2012, ein Verwaltungsakt ist.
29Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 27. März 1987 ‑ 15 A 1697/86 ‑, juris,(Leitsatz 1); Beschlüsse des Gerichts vom 3. August 2009 ‑ 12 K 1106/09 ‑, und vom 19. August 2009 ‑ 12 K 1162/09 ‑.
30Die Annahme eines Verpflichtungsbegehrens entspricht zudem der Regelung des § 15 Abs. 5 und Abs. 7 der Wahlordnung für die Wahl des Studierendenparlaments, der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung und der Fachschaftsräte der FernUniversität in I2. vom 2. Dezember 2011 (WahlO 2011). Danach ist die Wahl bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 WahlO 2011 für ungültig zu erklären und zu wiederholen. Diese Regelungen enthalten für den Fall einer relevanten Rechtswidrigkeit der Studierendenschaftswahlen eine Verpflichtung der Studierendenschaft zur Durchführung von Neuwahlen.
31Doch selbst wenn das Klagebegehren zu 1. unter Berücksichtigung des Klageantrages zu 2. zugunsten des Klägers (vgl. § 88 VwGO) als gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaftes Verpflichtungsbegehren ausgelegt wird, wäre die Klage unzulässig (geworden). Denn hinsichtlich des Rechtsschutzzieles, die Beklagten zur Durchführung von Neuwahlen für die Wahlperiode 2012-2014 zu verpflichten, ist zwischenzeitlich Erledigung eingetreten. Der angefochtene Beschluss des Studierendenparlamentes vom 28. April 2012 entfaltet keine Rechtswirkungen mehr, weil bereits die Vorbereitungen für eine neue Wahlperiode angelaufen sind. Zwar endet die Amtszeit der im Frühjahr 2012 gewählten Gremiumsmitglieder erst am 31. März 2014, doch kann das ursprüngliche Begehren des Klägers, die Verpflichtung der Beklagten, die Wahlen aus dem Frühjahr 2012 für ungültig zu erklären und Neuwahlen für die Wahlperiode 2012-2014 durchzuführen, mit der erhobenen Verpflichtungsklage bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Kammer nicht mehr erreicht werden, da am 20. März 2014 erneut die turnusmäßigen Gremienwahlen der Beklagten statt-gefunden haben und – ungeachtet dessen – die Durchführung von Neuwahlen für die am 31. März 2014 ablaufende Wahlperiode auch faktisch undurchführbar wäre.
32Aus diesem Grunde wäre das ursprüngliche Begehren zu 1. und 2. des Klägers allein noch als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 4 Satz 1 VwGO des Inhaltes,
33festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, die Wahlen für die Studierendenschaftsgremien 2012 für ungültig zu erklären und Neuwahlen durchzuführen,
34statthaft gewesen. Eine Umdeutung der bereits gemäß § 88 VwGO ausgelegten wörtlichen Klageanträge in diesem Sinne durch das Gericht von Amts wegen entbehrt jedoch jeglicher Grundlage.
35Denn für das Gericht war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht erkennbar, ob der Kläger überhaupt noch ein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens hatte, nachdem er trotz ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Das Gericht hat das ursprüngliche Interesse des Klägers ‑ soweit es aus seinen Schriftsätzen abzuleiten war – bereits zu seinen Gunsten als statthaftes Verpflichtungsbegehren ausgelegt. An einer Umdeutung dieses Klagebegehrens in eine Fortsetzungsfeststellungklage sah sich die Kammer indes gehindert. Ein Hinweis der Kammer noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung auf den Eintritt des erledigenden Ereignisses und den damit ggf. verbundenen Fortfall des Rechtsschutzbedürfnisses für die ursprüngliche Verpflichtungsklage war nicht geboten. Die Erledigung trat mit der Durchführung von Neuwahlen am 20. März 2014 ein. Über diesen Vorgang war der Kläger bestens informiert, so dass er vom Eintritt des erledigenden Ereignisses nicht überrascht sein konnte. Denn er hat in eigener Person auf einer Liste für die am 20. März 2014 stattgefundenen Neuwahlen kandidiert. Da der Kläger unter Verletzung seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, hatte die Kammer letztlich auch bei Beachtung der richterlichen Fürsorgepflicht keine Veranlassung, von Amts wegen den Klageantrag in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzudeuten.
36So auch Bundesfinanzhof, Beschluss vom 5. Mai 2011 – VII B 244/10 ‑, juris, Rn. 7, für den Fall einer Umdeutung in eine Verpflichtungsklage.
37Der ordnungsgemäß geladene Kläger hat die Gelegenheit der mündlichen Verhandlung nicht genutzt, um sein Klageziel klar zu stellen, weil er der mündlichen Verhandlung ohne Angabe von Gründen fern geblieben ist. Dass er unter diesen Umständen nicht in der Lage war, die Hinweise des Gerichts in der mündlichen Verhandlung unter anderem in Bezug auf die Frage der Zulässigkeit der Klage infolge eines erledigenden Ereignisses wahrzunehmen und entsprechend hierauf prozessual zu reagieren, muss er sich zurechnen lassen.
38Unbeschadet dessen wäre die Klage hinsichtlich der Klageanträge zu 1. und 2. auch als statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem vorstehend formulierten Inhalt teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet.
39Die Fortsetzungsfeststellungsklage wäre insoweit schon unzulässig, als dem Kläger das für diese Klage erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Gestalt eines Rehabilitationsinteresses, einer Wiederholungsgefahr oder eines Interesses an der Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen fehlt, soweit er in seiner Einspruchsschrift vom 10. April 2012 Rügen betreffend der im Frühjahr 2012 durchgeführten Wahl der Interessenvertretung für Studierende mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung erhoben hat. Sämtliche Rügen des Klägers betreffend diese Wahlen können ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründen. Die insoweit einzig einschlägige Wiederholungsgefahr kommt hier nicht in Betracht. Denn das Gremium der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung hat sich zwar zunächst in der Sitzung vom 28. Februar 2012 konstituiert, ist jedoch aufgrund des Beschlusses der erkennenden Kammer vom 27. April 2012 (Az.: 9 L 319/12), in dem eine Unterlassung der Konstituierung angeordnet wurde, unmittelbar wieder aufgelöst worden. Anstelle der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung ist ein Inklusionsausschuss gebildet worden. Bei den nunmehr durchgeführten Neuwahlen erfolgte nach einer Änderung der Wahlordnung keine Wahl einer Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung mehr. Eine Wiederholungsgefahr ist daher nicht ersichtlich.
40Soweit der Kläger darüber hinaus Einwände gegen die Gültigkeit der Wahl erhoben hat, wäre eine Fortsetzungsfeststellungsklage ungeachtet der Frage, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Übrigen gegeben ist, jedenfalls unbegründet.
41Der Kläger hatte keinen Anspruch darauf, dass die Studierendenschaftswahlen 2012 für ungültig erklärt und die Wahlen wiederholt wurden. Der Beschluss des Studierendenparlaments der Beklagten vom 28. April 2012, mit dem der Einspruch des Klägers vom 10. April 2012 gegen die Gültigkeit der Wahl zum Studieren-denparlament, zur Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung und zu den Fachschaftsräten der Fernuniversität in I2. zurückgewiesen und die genannten Wahlen für gültig erklärt worden sind, war daher im Ergebnis rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hatte keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Wahlen für ungültig erklärt und Neuwahlen anordnet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
42Das Studierendenparlament hat den Wahleinspruch des Klägers auf der Grundlage des § 15 WahlO 2011 im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
43Nach § 15 Abs. 5 WahlO 2011 ist die Wahl ganz oder teilweise für ungültig zu erklären, wenn wesentliche Bestimmungen über die Wahlvorbereitung, die Sitzverteilung, das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verletzt worden sind, es sei denn, dass die Verletzung sich nicht auf die Sitzverteilung ausgewirkt hat.
44Die Bestimmung des § 15 Abs. 5 WahlO 2011 setzt die Vorstellungen des Bundesverfassungsgerichts von der notwendigen Ursächlichkeit des Wahlfehlers für das Ergebnis um. Danach kann ein Wahlfehler den in einer Wahl zum Ausdruck gebrachten Wählerwillen nur dann verletzen, wenn sich ohne ihn eine andere über die Mandatsverteilung entscheidende Mehrheit ergeben würde.
45Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Entscheidung vom 6. Oktober 1970 ‑ 2 BvR 225/70 ‑, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 29, 154 (= juris, Rn. 33).
46Macht eine Rechtsvorschrift die Ungültigkeit der Wahl von der Ergebnisrelevanz des Wahlfehlers abhängig, kann es auf die Schwere des Fehlers allein ‑ auch in Ausnahmefällen ‑ nicht ankommen; vielmehr muss in jedem Fall ein Einfluss auf die Mandatsverteilung möglich erscheinen.
47Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Februar 1991 ‑ 15 A 1518/90 ‑, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 1991, 420 (= juris, Rn. 18, m. w. N.).
48Eine Wahl darf nur dann für ungültig erklärt werden, wenn es ernst zu nehmende Gründe für die Annahme gibt, dass sie bei ordnungsgemäßem Ablauf möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Notwendig ist deshalb die reale Möglichkeit einer anderen Sitzverteilung. Daran fehlt es, wenn nach der Lebenserfahrung und den konkreten Fallumständen Auswirkungen der Unregelmäßigkeit auf das Wahlergebnis praktisch so gut wie auszuschließen sind, ganz fernliegen, höchst unwahrscheinlich erscheinen oder sich gar als lebensfremd darstellen.
49OVG NRW, a. a. O., juris, Rn. 49.
50Der hierfür notwendige ursächliche Zusammenhang zwischen Wahlfehler und Wahlergebnis liegt nur dann vor, wenn nach den gegebenen Umständen des Einzelfalles eine nach der Lebenserfahrung konkrete und in greifbare Nähe gerückte Möglichkeit besteht, dass die Unregelmäßigkeit auf das Wahlergebnis von entscheidendem Einfluss gewesen sein kann. Es darf sich somit nicht nur um eine theoretische Möglichkeit handeln.
51Vgl. zu einer Hochschulwahl: Verwaltungsgericht (VG) Berlin, Urteil vom 2. November 2010 ‑ 3 K 263.10 ‑, juris, Rn. 53 (im Anschluss an OVG NRW, a. a. O.); VG Arnsberg, Beschluss vom 19. August 2009 ‑ 12 K 1162/09 ‑, n. v.
52Hiervon ausgehend sind im vorliegenden Falle Auswirkungen der vom Kläger in seiner Einspruchsschrift gerügten Unregelmäßigkeiten auf das Wahlergebnis im Sinne des § 15 Abs. 5 WahlO 2011 höchst unwahrscheinlich und lebensfremd; die greifbare Möglichkeit eines entscheidenden Einflusses des Wahlfehlers auf das Wahlergebnis besteht nicht.
53Dies gilt zunächst, soweit der Kläger in seinem Einspruch vom 10. April 2012 rügt, die Wahl sei aufgrund einer in dieser Fassung nicht vom Studierendenparlament beschlossenen Wahlordnung durchgeführt worden, da die veröffentlichte Fassung der WahlO 2011 von der beschlossenen Fassung hinsichtlich der in der Überschrift der Norm genannten Rechtsgrundlage für die Wahlordnung abweiche. Nach Darlegung des Klägers verweise die veröffentlichte Fassung der Wahlordnung 2011 als Rechtsgrundlage auf § 54 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes NRW vom 31. Oktober 2006 (GV. NRW S 474), in der Fassung des Gesetzes zum Aufbau der Fachhochschule für Gesundheitsberufe in Nordrhein-Westfalen (Gesundheitsfachhochschulgesetz) vom 8. Oktober 2009 (GV. NRW S 516). Demgegenüber werde in der beschlossenen Fassung auf § 54 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes NRW in der Fassung des Hochschulfreiheitsgesetzes vom 1. Januar 2007 (Hochschulfreiheitsgesetz – HFG) verwiesen. Unterstellt, eine solche redaktionelle Änderung der Wahlordnung 2011 hätte tatsächlich stattgefunden, ist nicht ansatzweise erkennbar, dass aufgrund dieser Änderung ein Verstoß gegen wesentliche Bestimmungen über die Wahlvorbereitung, die Sitzverteilung, das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren gemäß § 15 Abs. 5 WahlO 2011 stattgefunden hat, geschweige denn, dass sich diese Verletzung auf die Sitzverteilung ausgewirkt hat. Dies hat der Kläger nicht hinreichend konkret vorgetragen. Ein hinreichend konkreter begründeter Einspruch liegt nur dann vor, wenn der Einspruchsführer darlegt, welche konkreten Vorkommnisse bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl beanstandet werden, die das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Dabei muss der Einspruchsführer den vermeintlichen Wahlfehler substantiiert geltend machen. Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung einer Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, dürfen als unsubstantiiert zurückgewiesen werden.
54BVerfG, Beschluss vom 24. August 1993 - 2 BvR 1858/92 -, juris.
55Das vorstehend beschriebene Vorbringen des Klägers ist mit Blick darauf nicht hinreichend substantiiert. Vielmehr beschränkt sich der Kläger hier auf Vermutungen und die Andeutung von Wahlfehlern, ohne ein Auswirken dieses Wahlfehlers auf die Sitzverteilung konkret darzulegen. Die Kammer ist in diesem Zusammenhang auch nicht gehalten, auf die vom Kläger gestellten Fragen einzugehen, da hierin kein konkreter Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl und zum Vorliegen konkreter Verfahrensfehler gesehen werden kann.
56Soweit der Kläger in seinem Einspruch vom 10. April 2012 weiter rügt, die Wahlen seien ungültig, weil der Wahlleiter wiederholt dagegen verstoßen habe, die Gesetze und die Wahlordnung einzuhalten, indem er es versäumt habe festzustellen, dass die Wahlordnung 2011 erst am 20. Dezember 2011 in Kraft getreten sei, ist der Einspruch des Klägers ebenfalls nicht hinreichend substantiiert begründet. Es wird bereits nicht deutlich, worauf der Kläger mit diesem Einwand im Ergebnis hinaus will. Dass die Wahlordnung 2011 für die Wahlen 2012 letztlich nicht verbindlich gewesen sei, behauptet der Kläger nicht. Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, dass sich Versäumnisse des Wahlleiters hinsichtlich der Feststellung des Zeitpunktes des Inkrafttretens der Wahlordnung 2011 gemäß § 15 Abs. 5 WahlO 2011 auf die Sitzverteilung ausgewirkt haben.
57Der weitere Einspruch des Klägers, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl vor, weil zwar nach § 2 Abs. 1 WahlO 2011 die Allgemeinheit der Wahl vorgesehen sei, diese jedoch tatsächlich nur für das Studierendenparlament allgemein gewesen sei, nicht jedoch für die Fachschaftsräte und die Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung, führt ebenfalls nicht zur Ungültigkeit der Wahl. Der Einwand des Klägers zum Verstoß gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl hinsichtlich der Wahl der Interessenvertretung der Studierenden mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung ist bereits deshalb vorliegend nicht zu prüfen, da – wie ausgeführt – für die Klage insoweit kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht. Soweit sich der Einspruch des Klägers auf den Verstoß gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl bezüglich der Fachschaftsräte bezieht, ist der Einspruch unbegründet, da ein Verstoß nicht feststellbar ist. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl untersagt den unberechtigten Ausschluss von grundsätzlich wahlberechtigten Personen von der Teilnahme an der Wahl überhaupt. Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl ist - ebenso wie der Grundsatz der Gleichheit der Wahl - ein Anwendungsfall des Art. 3 GG. Er unterscheidet sich von dem allgemeinen Gleichheitssatz durch seinen formalen Charakter und fordert, dass jeder sein staatsbürgerliches Recht zum Wählen in formal möglichst gleicher Weise ausüben kann. Diese Formalisierung im Bereich des Wahlrechts ist allerdings nicht mit einem Verbot jeglicher Differenzierung verbunden. Begrenzungen der Allgemeinheit der Wahl sind verfassungsrechtlich zulässig, sofern für sie ein zwingender Grund besteht.
58Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1973 - 2 BvC 3/73 – BVerfGE 36, 139-144, m.w.N.
59Vorliegend besteht ein solcher zwingender Grund dafür, dass nach § 4 Abs. 2 WahlO 2011 nur diejenigen wahlberechtigt und wählbar bei der Wahl der Fachschaftsräte sind, die der entsprechenden Fachschaft nach § 16 der Satzung der Studierendenschaft angehören. Denn nur diejenigen, die einer Fachschaft angehören, sind von den Entscheidungen der zu wählenden Fachschaftsräte letztlich auch betroffen, so dass nur insoweit ein berechtigtes Interesse an der Wahl des jeweiligen Fachschaftsrates eingeräumt werden kann.
60Vgl. auch zur Zulässigkeit von Gruppenbildungen bei Hochschulwahlen (kein Verstoß gegen Wahlgleichheit): BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2012 – 6 BN 2.11 – juris, Rn. 14.
61Soweit der Kläger in seinem Einspruch rügt, der Grundsatz der Freiheit der Wahl sei dadurch verletzt worden, dass potentielle Wähler durch einen in der Zeitschrift „Sprachrohr“ erschienenen Artikel der Liste RCDS eingeschüchtert worden seien, führt dieser Einwand ebenfalls nicht dazu, dass die Wahlen nach § 15 Abs. 5 WahlO 2011 für ungültig hätten erklärt werden müssen. Aus dem Gleichheitsgrundsatz folgt für alle Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber ein Recht auf Chancengleichheit im Sinne einer Gewährleistung gleicher Wettbewerbschancen. Der Grundsatz der Freiheit der Wahl besagt, dass jede Wählerin und jeder Wähler das Wahlrecht ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen ausüben können muss.
62BVerfG, Beschluss vom 21. April 2009 – 2 BvC 2/06 -, BVerfGE 124, 1 ff., juris, Rn. 95, m.w.N., st. Rspr.
63Jeder soll sein Urteil in einem freien, offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen können.
64BVerfG, a.a.O.
65Da jede Wählerin und jeder Wähler in der einen oder anderen Weise jedoch Einflüssen und Beeinflussungsversuchen unterliegt oder Abhängigkeiten ausgesetzt ist und die Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler durch die am öffentlichen Meinungsbildungsprozess Beteiligten notwendiger Bestandteil einer freien Wahl ist, wird die Freiheit der Wahl nur durch solche Maßnahmen beeinträchtigt, die objektiv tauglich und konkret wirksam sind, um die Wählerinnen und Wähler zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen und die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit trotz bestehenden Wahlgeheimnisses ernstlich zu beeinträchtigen.
66Vgl. BVerfG, a.a.O.
67Nach diesen Maßgaben ist in dem vom Kläger in Ausschnitten zitierten Artikel der Wahlliste RCDS kein Verstoß gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl zu sehen. Zunächst ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht ersichtlich, dass der Verfasser des Artikels die Wähler dahingehend beeinflussen wollte, von der Wahl chronisch Kranker oder Behinderter abzusehen. In dem Artikel wird auch nach der Darlegung des Klägers lediglich darauf hingewiesen, dass der Verfasser es für wichtig erachtet, dass Personen gewählt werden, die die Kondition besitzen, zwei Jahre lang die Interessen der Studierendenschaft zu vertreten, und die sich nicht bereits kurz nach der Wahl wieder aus den Ämtern zurückziehen. Dass der Verfasser hierdurch die Wahl chronisch Kranker oder Behinderter verhindern will, ist in keiner Weise erkennbar oder anhand objektiver Tatsachen durch den Kläger dargelegt worden. Vielmehr beruht diese Einschätzung allein auf den Mutmaßungen und Interpretationen des Klägers, welche jedoch keine objektive Grundlage für die Annahme eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl darstellen. Darüber hinaus ist auch weder hinreichend substantiiert dargelegt noch ersichtlich, dass sich diese behauptete Beeinflussung des Wählerwillens gemäß § 15 Abs. 5 WahlO 2011 auf die Sitzverteilung ausgewirkt hätte, so dass die Wahl bereits aus diesem Grunde nicht für ungültig zu erklären ist.
68Die Ungültigkeit der Wahl folgt auch nicht aus dem weiteren vom Kläger in seinem Einspruch dargelegten Verstoß gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl, soweit er darlegt, die Freiheit der Wahl sei dadurch verletzt worden, dass sich die Listen GsF-Juso, Arbeit und Studium und der RCDS durch Studierendengelder jeweils vier Seiten im „WahlRohr“ hätten finanzieren lassen, den meisten anderen Gruppen jedoch nur eine Seite zugestanden habe. Die Verteilung der Beiträge für das „WahlRohr“ ist in § 3 der vom Studierendenparlament am 26. November 2011 beschlossenen Richtlinien zur Erstellung der Zeitschrift „WahlRohr“ („WahlRohr“-Richtlinien) geregelt. Nach § 3 Abs. 1 der „WahlRohr“-Richtlinien erhalten Wahllisten, die im Studierendenparlament vertreten sind, für ihre Darstellung für jeden Sitz eine Seite. Nach § 3 Abs. 2 der „WahlRohr“-Richtlinien erhalten Wahllisten, die im Studierendenparlament nicht vertreten sind und einen Wahlvorschlag eingereicht haben, der mindestens zwei verschiedene Kandidaten umfasst, eine Seite. Einzelbewerbern wird eine halbe Seite zur Verfügung gestellt. In dieser Regelung liegt bereits kein Verstoß gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl.
69Die Beklagte hat bei der Zuweisung der Seitenzahlen den in Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 i. V. m. Art. 21 GG verankerten Grundsatz auf Chancengleichheit der politischen Parteien zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz gebietet es, jeder Wahlliste möglichst gleiche Chancen im Wettbewerb um Wählerstimmen durch grundsätzlich gleiche Werbemöglichkeiten im Wahlkampf einzuräumen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass vorliegend allen Wahllisten die gleiche Anzahl an Seiten im „WahlRohr“ gewährleistet werden muss. Vielmehr erfordert das Gebot der Gleichbehandlung die abgestufte Zuteilung von Seitenzahlen nach Maßgabe der Bedeutung der Listen. Kleinere Listen dürfen dabei nicht genauso behandelt werden wie große, etablierte Listen, weil damit der Wähler über die wahre Bedeutung und das parteipolitische Kräfteverhältnis getäuscht würde.
70Vgl. zur Wahlwerbung durch Sendezeiten: BVerfG, Beschluss vom 3. September 1957 - 2 BvR 7/57-, BVerfGE 7, 99; VG Mainz, Beschluss vom 7. Mai 2009 – 4 L 521/09.MZ – juris, Rn. 4.
71Dabei geht die gefestigte Rechtsprechung im Hinblick auf die Verteilung von Sendezeiten davon aus, dass sich die maßgeblichen Untergrenzen daraus ergeben, dass auch der kleinsten Partei das Mindestmaß an Sendezeit zur Verfügung zu stellen ist, das erforderlich ist, um den mit der Ausstrahlung einer Sendung angestrebten Werbeeffekt erreichen zu können. Den größeren Parteien ist entsprechend mehr Sendezeit zur Verfügung zu stellen. Dabei bemisst sich die Bedeutung einer Partei insbesondere auch nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen. Insoweit ist insbesondere das Wahlergebnis der letzten gleichartigen Wahl maßgeblich. Weitere anerkannte Kriterien, um die Bedeutung einer Partei zu ermitteln, sind die Vertretung der Partei im Parlament, ihre Beteiligung an Regierungen, die Dauer ihres Bestehens, die Kontinuität ihrer Betätigung, die Zahl ihrer Mitglieder sowie Umfang und Ausbau ihres Organisationsgrades.
72VG Mainz, Beschluss vom 07. Mai 2009 – 4 L 521/09.MZ –, a.a.O.
73Diese Grundsätze lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Mit Blick darauf ist nicht erkennbar, dass die Regelung des § 3 der „WahlRohr“-Richtlinien zu der Zurverfügungstellung von Seiten für die Wahlwerbung den Grundsatz der Chancengleichheit verletzt. Vielmehr war die Beklagte berechtigt, insoweit eine Abstufung im Hinblick auf die Bedeutung der jeweiligen Liste vorzunehmen, um den Wähler nicht über die wahre Bedeutung des parteipolitischen Kräfteverhältnisses zu täuschen. Die hierbei zugrunde gelegten Kriterien stoßen nicht auf rechtliche Bedenken. Denn insoweit ist maßgeblich zunächst darauf abgestellt worden, ob die Liste bereits aufgrund der vorrangegangenen Wahl im Studierendenparlament vertreten und daher der Rückschluss auf eine stärkere Bedeutung der Liste zulässig ist. Des Weiteren ist es im Hinblick auf die Einschätzung der tatsächlichen Bedeutung einer Liste daneben zulässig, ihre jeweilige Bedeutung, sofern sie im Studierendenparlament noch nicht vertreten ist, nach der Anzahl ihrer Mitglieder zu bemessen.
74Soweit der Kläger im Rahmen seiner Einspruchsschrift Fragen dahingehend aufwirft, warum in den Wahlrohrrichtlinien definiert worden sei, dass ein „WahlRohr“-Artikel aufgrund § 6 Abs. 3 abgewiesen werden dürfe, gegen welche offensichtlichen Gesetze die Gruppe „SDL“ verstoßen habe und warum der Wahlleiter den eingereichten Artikel für das „WahlRohr“ abgelehnt habe, stellen die aufgeworfenen Fragen keinen konkreten Einspruch gegen die Durchführung der Wahl dar. Zum einen ist bereits nicht erkennbar, welche Wahlgrundsätze der Kläger mit den aufgeworfenen Fragen rügt. Zum anderen sind in den vom Kläger aufgeworfenen Fragen allenfalls bloße Vermutungen und Andeutungen zu sehen, die jedoch keinen konkreten Vorwurf hinsichtlich eines bei der Durchführung und Vorbereitung der Wahl festgestellten Verfahrensfehlers darstellen. Die mit den Fragen aufgeworfenen bloßen Andeutungen wurden vom Kläger im Rahmen seiner Einspruchsschrift auch nicht insoweit weiter konkretisiert, als er ausführt, er erhebe Einspruch aufgrund der vorangegangenen Fragen/Punkte, und soweit er in diesem Zusammenhang pauschal erklärt, Wahlen seien dann frei, wenn nicht in die Wahlwerbung - sofern diese nicht diskriminierend, rassistisch oder gegen die guten Sitten verstoße - eingegriffen werde. Es ist bereits nicht ersichtlich, welchen konkreten Verstoß der Kläger mit diesem als „Einspruch“ gekennzeichneten Vorbringen rügt. Soweit er darüber hinaus im Klageverfahren erstmals ansatzweise konkret die Nichtzulassung des Artikels der Liste „SDL“ im „WahlRohr“ rügt, kann er damit nicht durchdringen. Der Umfang der Wahlprüfung ist durch die Vorschrift des § 15 Abs. 2 WahlO 2011 der Sache nach beschränkt. Danach ist der Einspruch unter Angabe der Gründe der Wahlleiterin oder dem Wahlleiter schriftlich einzureichen. Damit wird der Umfang der Wahlprüfung inhaltlich bestimmt durch diejenigen Sachverhalte, die der Einspruchsführer innerhalb der Einspruchsfrist rügt. Auch in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren können daher nur solche Anfechtungsgründe berücksichtigt werden, die bereits Gegenstand des vorgerichtlichen Einspruchsverfahrens gewesen sind. Dies entspricht Sinn und Zweck des fristgebunden Einspruchsverfahrens, im Interesse der Rechtssicherheit möglichst schnell Klarheit über die Gültigkeit einer Wahl zu gewinnen.
75Vgl. im Rahmen von Kommunalwahlen: VG Köln, Beschluss vom 6. Februar 2012 – 4 K 241/10 -, juris, Rn. 8; OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2011 – 15 A 1515/10 –, juris, Rn. 40.
76Daneben führt auch der Einwand des Klägers, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Freiheit der Wahl vor, weil sich der AStA als studentische Regierung in den Wahlkampf eingemischt habe, nicht zur Ungültigkeit der Wahl. Der Einwand des Klägers ist bereits unsubstantiiert. So hat der Kläger mit seinem Vorbringen, eine große Anzahl von AStA-Mitgliedern habe in eigener Person für die großzügigen Wahlrohrregelungen gestimmt, anstatt die Abstimmung ihren Stellvertretern zu überlassen, keine konkreten Gründe für einen Verstoß gegen Wahlgrundsätze benannt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass es den früheren AStA-Mitgliedern, die auch Mitglieder des Studierendenparlaments gewesen sind, untersagt gewesen wäre, an dem Beschluss des Studierendenparlaments zu den „WahlRohr“-Richtlinien mitzuwirken. Denn hierzu waren sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Studierendenparlament berechtigt.
77Auch der in dem Einspruch vom Kläger dargelegte Einwand, die Wahl sei ungültig, weil sie durch Einschüchterung von Kandidaten beeinflusst worden sei, führt nicht zur Annahme der Ungültigkeit der Wahl nach § 15 Abs. 5 WahlO 2011. Der Kläger hat vorgetragen, der AStA habe versucht ihn, den Kläger, einzuschüchtern, auszugrenzen und ihm Sitzungsgelder vorzuenthalten, um ihn zum Rückzug seiner Kandidatur zu veranlassen. Dieses Vorbringen des Klägers ist nicht substantiiert genug, um hieraus einen - nach Ansicht des Klägers gegebenen - Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl herleiten zu können. Weder legt der Kläger die konkreten Vorkommnisse, welche zu einer Einschüchterung seiner Person geführt haben sollen, dar, noch wird aus seinem Vortrag deutlich, dass er sich von einer etwaigen Einschüchterung tatsächlich hat beeinflussen lassen. Im Gegenteil zeigt sich an seiner Kandidatur für die von ihm hier angefochtenen Wahlen im Frühjahr 2012, dass die behaupteten Einschüchterungsversuche sich gerade nicht ausgewirkt haben. Mit Blick darauf ist auch nicht ersichtlich, dass sich der behauptete Verstoß gemäß § 15 Abs. 5 WahlO 2011 auf die Sitzverteilung ausgewirkt hat.
78Der weitere Einspruch des Klägers, die Wahl sei entgegen § 5 Abs. 4 WahlO 2011 vom Wahlleiter nicht wie vorgeschrieben vorbereitet und die Durchführung der Wahl gesichert worden, führt mangels Substantiierung ebenfalls nicht zur Ungültigkeit der Wahl. Der Kläger beschränkt sich vielmehr auf die bloße Andeutung eines Wahlfehlers. Allein daraus, dass der Wahlleiter die fehlende öffentliche Bekanntmachung der Ordnung der Interessenvertretung für Studierende mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung und das nach Ansicht des Klägers verspätete Inkrafttreten der WahlO 2011 nicht bemerkt haben soll, lässt sich noch kein konkreter Verstoß gegen Wahlrechtsgrundsätze herleiten. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, wie sich ein solcher Verstoß - sein Vorliegen unterstellt - gemäß § 15 Abs. 5 WahlO 2011 konkret auf die Sitzverteilung ausgewirkt haben soll. Auch hierzu fehlt es an einem konkreten Vortrag des Klägers.
79Soweit der Kläger in seinem Einspruch vom 10. April 2012 weiter rügt, die Wahl sei ungültig, weil der Wahlausschuss es entgegen § 5 Abs. 5 WahlO 2011 versäumt habe, offensichtliche Beschwerden zur Wahl zu behandeln, enthält das Vorbringen keine nachvollziehbaren Einzelheiten etwa zu den angeblichen weiteren Beschwerdeführern. Der Einspruch des Klägers geht über die bloße Andeutung nicht näher benannter mündlicher Beschwerden, welche vom Wahlausschuss nicht behandelt worden sein sollen, nicht hinaus. Auch Darlegungen dazu, um welche Art von Beschwerden es sich der Sache nach gehandelt haben soll und von wem und wann sie erhoben worden sind, ergeben sich aus dem Einspruch des Klägers nicht, so dass ein Verstoß gegen Wahlrechtsgrundsätze hieraus nicht gefolgert werden kann.
80Soweit der Kläger rügt, die Wahlausschreiben zur Wahl der Studierendengremien seien nicht auf der Grundlage der Wahlordnung 2011, sondern auf der Grundlage der Wahlordnung von 2009 erstellt worden, führt dieser Einwand nicht zur Ungültigkeit der Wahl, da nicht erkennbar ist, dass der sich hieraus angeblich ergebende Verstoß gegen wesentliche Wahlgrundsätze nach § 15 Abs. 5 WahlO 2011 letztlich auf die konkrete Sitzverteilung ausgewirkt hat.
81Der Einwand des Klägers, die Wahlen seien nichtig, weil eine Beeinflussung dadurch stattgefunden habe, dass im Ausland lebende Studierende getäuscht worden seien, führt ebenfalls nicht zur Ungültigkeit der Wahl. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass nur dann die hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass die Wahlunterlagen fristgerecht und überhaupt an der auf dem Wahlumschlag angegeben Adresse ankämen, wenn sich der jeweilige Studierende selbst um die Frankierung des Wahlbriefumschlages kümmere. Aus diesem unsubstantiierten Vorbringen des Klägers lässt sich bereits kein Verstoß gegen Wahlrechtsgrundsätze erkennen. Vielmehr sind allen Studierenden die gleichen Unterlagen zugesandt worden. Darauf, ob ein Studierender im Ausland lebt und daher eine Frankierung des Rückumschlages mit ausländischen Postwertzeichen erforderlich sein kann, hat die Beklagte keinen Einfluss. Unbeschadet dessen ist auch nicht ersichtlich, dass sich aus diesem Umstand die reale Möglichkeit einer anderen Sitzverteilung bei der Wahl ergeben könnte. Vielmehr ist ein Auswirken auf die Sitzverteilung nach § 15 Abs. 5 WahlO 2011 durch die Beifügung eines nur im Bereich der deutschen Post gültigen Freibriefumschlages an ausländische Studierende vorliegend nach der Lebenserfahrung höchst unwahrscheinlich.
82Soweit der Kläger in seiner Einspruchsschrift gerügt hat, es liege ein Verstoß gegen § 12 Abs. 6 WahlO 2011 sowie gegen § 13 WahlO 2011 vor, weil die Wahlbriefumschläge dem Wahlausschuss für die Wahlen der Studierendengremien nicht am Tag nach der Wahl übergeben worden seien, sondern erst am 23. März 2012, und die Wahlbriefumschläge zu diesem Zeitpunkt schon geöffnet gewesen seien, ohne dass eine ordnungsgemäße Prüfung und Kontrolle durch den Wahlausschuss habe erfolgen können, folgt auch aus diesem Vorbringen nicht die Ungültigkeit der Wahlen nach § 15 Abs. 5 WahlO 2011 mit der Folge der Durchführung von Neuwahlen. Auch aus dem insoweit erst in der Klageschrift konkretisierten Vorbringen des Klägers, alle Stimmzettelumschläge hätten als ungültig gewertet werden müssen, weil sie geöffnet gewesen seien, ohne dass der Wahlausschuss bei der Öffnung anwesend gewesen sei, so dass es sich entgegen § 13 Abs. 3 WahlO 2011 nicht um ungeöffnete Stimmzettelumschläge gehandelt habe, folgt nicht, dass die Wahlen gemäß § 15 Abs. 5 WahlO 2011 für ungültig hätten erklärt werden und Neuwahlen hätten angeordnet werden müssen. Denn es ist nicht hinreichend konkret dargetan und ersichtlich, dass der angebliche Verstoß vorliegend Auswirkungen auf das Wahlergebnis und darüber hinaus auf die Zuteilung der Mandate gehabt hat. Die abstrakte Möglichkeit der Mandatsrelevanz reicht jedoch – wie bereits dargelegt – nicht aus, um die Wahlen für ungültig zu erklären. Selbst wenn man in dem Öffnen der Stimmzettelumschläge in Abwesenheit des Wahlausschusses der Studierendenwahl einen Wahlfehler sehen würde, würde dies nicht – wie vom Kläger gefordert – zur Ungültigkeitserklärung der Wahl führen. Vielmehr betrifft der (angebliche) Wahlfehler allein den Bereich der Feststellung des Wahlergebnisses, also den Bereich nach Abschluss der Wahlen. Mit Blick auf das verfassungsrechtlich geschützte Bestandhaltungsinteresse an einer aus einer demokratischen Wahl hervorgegangenen Vertretung,
83vgl. dazu: BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2012 – 8 B 27/12 -, NVwZ 2012, 1117 ff.,
84erweist es sich bei Wahlfehlern der vorliegend in Rede stehenden Art in aller Regel ‑ so auch hier – allein als verhältnismäßig, die Feststellung des Wahlergebnisses durch den Wahlausschuss aufzuheben und eine Neufeststellung anzuordnen.
85Vgl. zu vergleichbaren Konstellationen bei Kommunalwahlen: Schneider, in: Kallerhoff u. a., Handbuch zum Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen, Köln, 2008, S. 318.
86Eine (teilweise) Ungültigerklärung einer Wahl wegen eines solchen Wahlfehlers kommt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wohl nur dann in Betracht, wenn der Wahlfehler nicht bereits durch schlichte Neufeststellung des Wahlergebnisses behoben werden kann. Dass dies nicht möglich ist, wurde vom Kläger nicht geltend gemacht. Abgesehen davon wäre eine Neufeststellung des Wahlergebnisses der Studierendenschaftswahlen 2012 grundsätzlich noch möglich.
87Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2013 - 15 B 39/13 -, VG Arnsberg, Beschluss vom 17. Dezember 2012 - 9 L 675/12 -, n.v.
88Eine Neufeststellung des Wahlergebnisses ist naturgemäß allerdings nur möglich, wenn dies die vorhandenen Wahlunterlagen (vor allem die Stimmzettel) noch zulassen. Gemäß § 17 WahlO 2011 sind die Wahlunterlagen dem Rektor der Fernuniversität in I2. zu übergeben und von ihm bis zur Unanfechtbarkeit der Wahl zum Studierendenparlament und der Fachschaftsräte aufzubewahren. Aus dieser in erster Linie wohl reine Ordnungsfunktionen erfüllenden Vorschrift folgt aber nicht, dass bereits im Falle ihrer Nichtbeachtung das Wahlergebnis nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, die diese Wertung gerechtfertigt erscheinen lassen. Solche Umstände lassen sich vorliegend nicht feststellen und wurden auch nicht vorgebracht. Letztlich kann dies alles hier dahinstehen, weil das ausdrückliche Interesse des Klägers allein auf die Ungültigerklärung der Wahl bzw. Neuwahlen, nicht jedoch auf eine Neuauszählung der abgegebenen Stimmen gerichtet ist.
89Das Vorbringen des Klägers in seinem Einspruch, die Wahl sei ungültig, weil die Wahl nach seiner Auffassung entgegen § 14 WahlO 2011 nicht vom Wahlleiter persönlich öffentlich bekannt gemacht worden sei und die Wahlergebnisse zudem falsch und noch nicht endgültig und richtig durch den Wahlleiter bekannt gemacht worden seien, führt nach den vorstehenden Erwägungen ebenfalls nicht zur Ungültigkeit der Wahlen gemäß § 15 Abs. 5 WahlO 2011. Auch insoweit ist die Mandatsrelevanz eines etwaigen Verstoßes nicht gegeben, da sich der gerügte Verstoß nicht auf das Verfahren zur Durchführung der Wahlen, sondern nur auf das Ergebnis bezieht. Unbeschadet dessen ist der insoweit erhobene Einspruch des Klägers auch nicht hinreichend substantiiert, so dass er auch aus diesem Grunde gerichtlich nicht überprüft werden kann.
90Vgl. VG Stade, Urteil vom 20. März 2013 – 1 A 1517/11 –, juris, Rn. 45.
91Es ist nicht erkennbar, woraus sich allein aufgrund einer (behaupteten) falschen Veröffentlichung der Wahlergebnisse durch eine andere Person als den Wahlleiter ergeben könnte, dass das festgestellte Ergebnis der Wahl fehlerhaft und damit ungültig ist.
92Soweit der Kläger in seinem Einspruch weiter darlegt, die Wahl sei ungültig, weil die Wahlordnung mit Blick auf die Regelung des § 15 Abs. 5 WahlO 2011 sittenwidrig sei, führt diese Rüge nicht zur Annahme der Ungültigkeit der Wahl. Denn dieser Einwand betrifft kein Vorkommnis im Vorfeld der Wahl, das auf das (festgestellte) Ergebnis der Wahl Einfluss gehabt hat. Vielmehr ist ausgeschlossen, dass die Regelung des § 15 Abs. 5 WahlO 2011 auf das Ergebnis der Wahl Einfluss gehabt hat, da sie sich allein dazu verhält, wann die Wahl (aufgrund von im Vorfeld der Wahl festgestellter Verstöße) für ungültig zu erklären ist. Im Übrigen entspricht diese Regelung, welche auf die Ergebnisrelevanz eines festgestellten Wahlverstoßes abstellt, der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung im Rahmen von Wahlanfechtungsverfahren.
93Vgl. BVerfG, Entscheidung vom 6. Oktober 1970 ‑ 2 BvR 225/70, BVerfGE 29, 154 (= juris, Rn. 33); OVG NRW, Urteil vom 22. Februar 1991 ‑ 15 A 1518/90 ‑, NVwZ-RR 1991, 420 (= juris, Rn. 18, m. w. N.).
94Weitere Rügen, aus denen sich die Ungültigkeit der Wahl ergeben könnte, wurden von dem Kläger im Rahmen seiner Einspruchsschrift nicht erhoben.
95Hinsichtlich des Antrages zu 3. hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.
96Unbeschadet dessen, dass dem Kläger für den von ihm gestellten Antrag,
97die Beklagte zu verurteilen, die aufgrund der rechtswidrigen Wahl erbrachten Geldleistungen von den Empfängern zurückzufordern,
98die Klagebefugnis fehlt, weil nicht ansatzweise ersichtlich ist, dass er durch an Dritte „erbrachte Geldleistungen“ in eigenen Rechten verletzt sein könnte, ist die Klage jedenfalls unbegründet, weil eine Rechtsgrundlage für die von dem Kläger geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten zur Rückforderung von erbrachten Geldleistungen mit Blick auf seinen Vortrag nicht im Ansatz ersichtlich ist.
99Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
100Die Kammer sieht von einer Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO ab, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 26. März 2014 - 9 K 2001/12
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 26. März 2014 - 9 K 2001/12
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 26. März 2014 - 9 K 2001/12 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
Tatbestand
- 1
-
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer Steuerberatungsgesellschaft, gegen den Beklagten und Beschwerdegegner, das Land X, (Beklagter) auf Auszahlung eines an sie abgetretenen Kostenerstattungsanspruchs ihres Mandanten wegen fehlender Sachentscheidungsvoraussetzungen als unzulässig verworfen, weil weder ein Verwaltungsakt vorliege noch ein Vorverfahren über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf erfolglos geblieben sei. Dem lag zu Grunde, dass das zur Kostenerstattung verpflichtete Finanzamt (FA) mit Steueransprüchen gegen den Mandanten der Klägerin aufgerechnet und die Klägerin dem widersprochen hatte. Ein Abrechnungsbescheid ist nicht ergangen. Die diesbezügliche Zahlungsklage, die die Klägerin beim Landgericht (LG) gegen das Land X erhoben hatte, verwies das LG an das FG.
- 2
-
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Zwar sei zwischenzeitlich der materielle Anspruch erledigt, da das FA den streitigen Betrag ausgezahlt habe, die formale Beschwer der Klägerin bestehe aber fort, da es durch die finanzgerichtliche Entscheidung an einer Erklärung über die Erledigung der Hauptsache gehindert sei. Das stelle nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) einen ausreichenden Revisionsgrund dar (Beschluss vom 11. Dezember 1990 IX R 79/90, BFH/NV 1991, 611). Die Zulassung der Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da das FG die gesetzlich normierten Aufrechnungserfordernisse gemäß § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und die Rechtsprechung des BFH zur Wirkungslosigkeit von Aufrechnungen gegenüber Altgläubigern bei Forderungsabtretung nicht beachtet habe; außerdem habe es sich mit seiner Wertung, dass der Rechtsweg gegeben sei, rechtsfehlerhaft auf die Entscheidung des BFH vom 20. Februar 1968 (VII 327/64, BFHE 91, 518, BStBl II 1968, 384 berufen.
- 3
-
Der Beklagte hält die Beschwerde mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes für unzulässig.
Entscheidungsgründe
- 4
-
II. Die Beschwerde ist unzulässig, da die Klägerin einen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht hinreichend dargelegt hat, wie es nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich ist.
- 5
-
1. Die Zulässigkeit der Beschwerde scheitert nicht schon daran, dass sich die Hauptsache des finanzgerichtlichen Rechtsstreits durch Verrechnung bzw. Auszahlung des FA an den von der Klägerin benannten Zessionar nach Ergehen des angefochtenen Urteils erledigt hat. Denn ebenso wie in einem solchen Fall gegebenenfalls ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse noch im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden kann (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2011 VIII B 51/10, BFH/NV 2011, 761) kann auch die Erledigung der Hauptsache noch erklärt werden (zum aus diesem Grunde sich ergebenden Rechtsschutzbedürfnis für eine vom FG zugelassene Revision BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 611).
- 6
-
2. Die Klägerin hat allerdings keine Erledigungserklärung abgegeben, sondern will die Zulassung der Revision zur vermeintlich erforderlichen Sicherung der Rechtsprechungseinheit und wegen schwerwiegender Rechtsfehler des FG erreichen. Ungeachtet dessen, ob sie das dafür allgemein gebotene Fortsetzungsfeststellungsinteresse darlegen könnte, hat sie jedenfalls die erforderlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO nicht dargelegt.
- 7
-
a) Wenn das Beschwerdevorbringen als Rüge eines Verfahrensfehlers zu verstehen sein sollte, weil das FG die Zulässigkeit der Klage nicht am Fehlen eines Verwaltungsakts (Abrechnungsbescheids) habe scheitern lassen dürfen, so kann dem nicht gefolgt werden. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entscheidung über den an die Klägerin abgetretenen Zahlungsanspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss wegen der vom FA wiederholt erklärten Aufrechnung mit Steuerrückständen des Zedenten gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung durch Abrechnungsbescheid getroffen werden muss. Da ein solcher Abrechnungsbescheid nach den Urteilsfeststellungen von der Klägerin zwar beantragt, vom FA aber nicht erlassen worden ist, hätte die Klägerin beim FG Verpflichtungsantrag nach § 40 Abs. 1 Alternative 2, § 101 FGO stellen müssen (Klein/Rüsken AO, 10. Aufl., § 218 Rz 11). Das ist nach Aktenlage aber nicht geschehen. Die Klägerin hat vielmehr den beim LG gestellten Klageantrag auf Zahlung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Beklagten nach Verweisung an das FG trotz entsprechenden Hinweises weder auf das FA als Beklagten umgestellt noch hinsichtlich des Klageziels angepasst. Da die Klägerin unter Verletzung ihrer prozessualen Mitwirkungspflichten auch nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, in der eine Richtigstellung noch hätte vorgenommen werden können, hatte das FG auch bei Beachtung der richterlichen Fürsorgepflicht keine Veranlassung, von Amts wegen den Klageantrag in einen Verpflichtungsantrag umzudeuten.
- 8
-
b) Soweit sich die Klägerin gegen Ausführungen des FG zur Zulässigkeit des Rechtswegs zum FG wendet, erübrigt sich eine revisionsrechtliche Überprüfung schon deshalb, weil der Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.V.m. § 155 FGO mit bindender Wirkung --wie die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren zutreffend erkannt hat-- an das FG verwiesen worden ist. Im Übrigen ist das Revisionsgericht von Gesetzes wegen gehindert zu prüfen, ob der einmal beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 17a Abs. 5 GVG).
- 9
-
c) Die Zulassung der Revision, weil eine höchstrichterliche Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung notwendig sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), erfordert ebenso wie die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) regelmäßig auch substantiierte Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der angeblich klärungsbedürftigen Rechtsfrage (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 59, m.w.N.). An der Klärungsfähigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn das FG die Klage als unzulässig abgewiesen hat und die streitige Rechtsfrage die Begründetheit der Klage betrifft (BFH-Beschlüsse vom 1. Oktober 2002 VII B 85/02, juris, und vom 9. März 1999 VIII B 76/98, BFH/NV 1999, 1058).
- 10
-
So verhält es sich im Streitfall. Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Fragen, ob das FG die gesetzlich normierten Aufrechnungserfordernisse gemäß § 387 BGB und die Rechtsprechung des BFH zur Wirkungslosigkeit von Aufrechnungen gegenüber Altgläubigern bei Forderungsabtretung nicht beachtet habe, beziehen sich allein auf die materielle Wirksamkeit der Aufrechnung des FA. Über diese Fragen wäre in einem allein die Unzulässigkeitsentscheidung des FG überprüfenden Revisionsverfahren nicht zu befinden (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Februar 2001 VI B 35/99, BFH/NV 2001, 1032).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.
(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine weitere (dritte) Sendezeit für Wahlwerbung vor der Europawahl am 07. Juni 2009 zuzuteilen, hat ebenso wenig Erfolg wie der Antrag, mindestens zwei Sendezeiten seiner Wahlwerbespots auf die Zeiten ca. 19:20 Uhr und ca. 20:55 Uhr/21:10 Uhr zu legen.
- 2
Mit dem vorliegenden Eilantrag begehrt der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung das, was er auch in einem Hauptsacheverfahren erlangen könnte. Eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht und die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären. Dies ist hier nicht der Fall.
- 3
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers ist § 11 Abs. 1 S. 2 des ZDF-Staatsvertrages vom 31. August 1991 in der Fassung des 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (in Kraft seit 01. September 2008). Danach haben Parteien und sonstige politische Vereinigungen während ihrer Beteiligung an den Wahlen der Abgeordneten aus der Bundesrepublik Deutschland für das europäische Parlament Anspruch auf angemessene Sendezeit, wenn mindestens ein Wahlvorschlag für sie zugelassen wurde.
- 4
Der Antragsgegner hat bei der Zuweisung der Sendezeit den in Art. 3 Abs. 1 und 3 i. V. m. Art. 21 GG und § 5 Abs. 1 S. 1 Parteiengesetz – ParteiG – verankerten Grundsatz auf Chancengleichheit der politischen Parteien zu berücksichtigen. Wie das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 13.September 2005, m.w.N., NVwZ 2006, 109 f) ausgeführt hat, gebietet dieser Grundsatz, jeder Partei möglichst gleiche Chancen im Wettbewerb um Wählerstimmen durch grundsätzlich gleiche Werbemöglichkeiten im Wahlkampf einzuräumen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass allen Parteien gleiche Sendezeiten gewährleistet werden müssen. Vielmehr erfordert das Gebot der Gleichbehandlung nach Maßgabe der Bedeutung der Parteien abgestufte Sendezeiten. Kleinere Parteien, insbesondere Splittergruppen, dürfen dabei nicht genauso behandelt werden wie große, etablierte Parteien, weil damit der Wähler über die wahre Bedeutung und das parteipolitische Kräfteverhältnis getäuscht würde (BVerfGE 7, 99; 34, 160; 48, 271). Dabei geht die gefestigte Rechtsprechung von folgenden Verteilungsgrundsätzen aus: Die bei der Zuerkennung von Sendezeiten maßgeblichen Untergrenzen ergeben sich daraus, dass auch der kleinsten Partei das Mindestmaß an Sendezeit zur Verfügung zu stellen ist, das erforderlich ist, um den mit der Ausstrahlung einer Sendung angestrebten Werbeeffekt erreichen zu können. Die Vergünstigungen, die einer mit Fraktionsstärke im Bundestag vertretenen Partei gewährt werden, müssen dem Umfang nach mindestens halb so groß wie bei jeder anderen und damit auch der größten Partei sein (§ 5 Abs. 1 S. 4 ParteiG). Außerdem darf die Sendezeit, die einer großen Partei von der Rundfunkanstalt zugebilligt wird, das vier- bis fünffache der einer kleinen Partei zuerkannten Sendezeit nicht überschreiten. Dabei bemisst sich die Bedeutung einer Partei insbesondere auch nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen zu Volksvertretungen (§ 5 Abs. 1 S. 2, 3 ParteiG). Insoweit ist insbesondere das Wahlergebnis der letzten gleichartigen Wahl maßgeblich, denn der Partei kann auf Bundes-, Landes- oder Europaebene durchaus unterschiedliche Bedeutung zukommen. Weitere Kriterien, um die Bedeutung einer Partei zu ermitteln, sind die Vertretung der Partei im Parlament, ihre Beteiligung an Regierungen, die Dauer ihres Bestehens, die Kontinuität ihrer Betätigung, die Zahl ihrer Mitglieder sowie Umfang und Ausbau ihres Organisationsgrades (so OVG Rheinland-Pfalz a. a. O.).
- 5
Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat der Antragsteller weder glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch auf Zuteilung von weiteren Sendezeiten noch auf Zuweisung bestimmter Ausstrahlungszeiten seiner Wahlwerbespots zusteht.
- 6
Zunächst ist nach derzeitigem Erkenntnisstand davon auszugehen, dass die Zuteilung von zwei Sendeterminen für Wahlwerbung im Programm des Antragsgegners der gegenwärtigen Bedeutung des Antragstellers angemessen ist. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben erst am 26. Juni 2004, also nach der letzten Europawahl, gegründet worden. Er ist derzeit in keinem Parlament auf Bundes- oder Landesebene vertreten. Bei der Bundestagswahl 2005 hat er ausweislich der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zur Bundestagswahl 2005 (Heft 5, Seite 61), 10536 Zweitstimmen erhalten, was einem Anteil von knapp 0,1 % entspricht. Bei der Landtagswahl in Brandenburg am 19. September 2004 erzielte er ausweislich der Bekanntmachung des Landeswahlleiters vom 16. Februar 2005 11875 der Zweitstimmen, was einem Anteil von 1 % der abgegebenen Stimmen entspricht. Auch die Organisationsstrukturen scheinen noch nicht sehr verfestigt zu sein. So existiert neben dem Landesverband in Brandenburg und dem 2006 gegründeten Bundesvorstand nur ein weiterer Landesverband in Bayern. Über die Zahl der Mitglieder liegen dem Gericht keine Erkenntnisse vor. Damit handelt es sich bei dem Antragsteller um eine Partei, deren Gewicht sich deutlich am unteren Rand der Bedeutung von politischen Parteien befindet.
- 7
Soweit der Antragsteller vorträgt, bei der abgestuften Chancengleichheit sei nicht nur die Zahl der gewährten Sendetermine, sondern auch die übrige Berichterstattung, wie z. B. in Talkshows, Nachrichtensendungen und Interviews, bei der den Bundestagsparteien ausgiebig Gelegenheit zur Selbstdarstellung gegeben werde, zu berücksichtigen, um „eine gesamtheitliche Inhalts- und Mengenkontrolle der medialen Macht herbeizuführen“, führt dies zu keiner anderen Beurteilung seines Begehrens. Eine Gleichstellung der redaktionell gestalteten Sendungen der Rundfunkanstalt mit den nach § 11 ZDF-Staatsvertrag an die Parteien zu vergebenden Sendezeiten für Wahlwerbespots verbietet sich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen. Denn die Rundfunkanstalten sind im Hinblick auf die redaktionell gestalteten Sendungen durch die in Art. 5 Abs. 1 GG verankerte Programmgestaltungsfreiheit als Ausfluss der Rundfunkfreiheit insoweit geschützt. Ein Ausgleich mangelnder redaktionell erfolgter Berichterstattung durch vermehrte Sendezeiten bei den Wahlwerbespots – wie es dem Antragsteller offenbar vorschwebt (vermehrte Sendezeiten für die „Kleinen“) – sieht § 11 Abs. 1 ZDF-Staatsvertrag gerade nicht vor und ein solcher Anspruch wäre schlechterdings auch mit der Bedeutung des Antragstellers nicht vereinbar. Er würde die abgestufte Chancengleichheit vielmehr ins Gegenteil verkehren.
- 8
Darüber hinaus hat der Antragsteller auch einen Anspruch auf die Zuteilung bestimmter, günstigerer Sendezeiten (19:30 Uhr bzw. 20:55 Uhr/21:10 Uhr) für die Ausstrahlung seiner Wahlwerbespots nicht glaubhaft gemacht.
- 9
Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass es einen „originären“, nicht durch den Gleichheitssatz vermittelten verfassungsrechtlichen Anspruch auf Einräumung von Sendezeiten nicht gibt (BVerfG, Beschluss vom 09. September 1993, NJW 1994, 40). Vielmehr ist dem Antragsgegner durch § 11 Abs. 1 S. 2 ZDF-Staatsvertrag auferlegt, angemessene Sendezeiten zur Verfügung zu stellen, d. h. einen in sich ausgewogenen Sendeplan zu erstellen, der das Interesse der Parteien an einer möglichst wirksamen Wahlwerbung berücksichtigt und die abgestufte Chancengleichheit der konkurrierenden Parteien gewährleistet. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Anzahl wie auch der Zeiten der auszustrahlenden Wahlwerbespots. Ein Anspruch auf die Einräumung von bestimmten Sendezeiten lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. Schon deshalb geht der Antrag des Antragstellers, die ihm zugewiesenen Sendezeiten auf die im Antrag genannten Sendezeiten zu verlegen, ins Leere. Dies würde zu einer Veränderung des gesamten Sendeschemas und damit zu einer unangemessenen gleichheitswidrigen Begünstigung des Antragstellers führen. Aber auch einen denkbaren Anspruch auf Neuerstellung des Sendeplans durch den Antragsgegner – etwa wegen willkürlicher, gleichheitswidriger Zuteilung der Sendezeiten - hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr erweisen sich sowohl die vom Antragsgegner gewählten Zeiten im Hinblick auf seine eigenen Interessen an einer publikumswirksamen Programmgestaltung wie auch im Hinblick auf die Chancengleichheit als angemessen. Nach § 11 Abs. 1 S. 2 ZDF-Staatsvertrag hat der Antragsgegner im Rahmen einer komplexen Planungsentscheidung einen in sich ausgewogenen Sendeplan zu erstellen, der Festlegungen zum einen über die Zeiten, die überhaupt für Wahlwerbespots zur Verfügung gestellt werden und zum anderen über die Verteilung der Zeiten unter den zur Wahl angetretenen Parteien trifft. Hinsichtlich der Zeiten, die der Antragsgegner für Wahlwerbespots zur Verfügung stellt, ist seine Entscheidung gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Sie ist im Spannungsfeld zwischen Rundfunkfreiheit und Wahlrecht anzusiedeln. Bei der Planung der Sendezeiten für die Wahlwerbung kann sich der Antragsgegner auf die in Art. 5 Abs. 1 GG als Ausfluss der Rundfunkfreiheit verankerte Programmgestaltungsfreiheit stützen und damit auch seinen eigenen Interessen an einer publikumswirksamen Gestaltung seines Programms Rechnung tragen. Gewährleistet werden muss dabei allerdings, um auch das Interesse der Parteien an einer möglichst wirksamen Wahlwerbung zu berücksichtigen (vgl. OVG Hamburg, NJW 1994, S. 68), die Sehbeteiligung einer hinreichenden Anzahl wahlberechtigter Bürger. Daraus folgt, dass der Antragsgegner die Sendetermine für die Wahlwerbespots insgesamt im Rahmen seiner Einschätzung festlegen kann, soweit er sicherstellt, dass eine hinreichende Zuschauerquote erreicht wird. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass der – im Übrigen selbst in Konkurrenz mit anderen Sendeanstalten stehende – Antragsgegner im Rahmen dieser Entscheidung bestimmte Tage innerhalb des Gesamtzeitraums (Sonn- und Feiertage) ausgelassen hat bzw. aufgrund des jeweiligen Programmumfelds (politische Formate wie „Maybrit Illner“, „Frontal21“, „Neues aus der Anstalt“) keinen Werbespot platziert hat. Ebenso sind die vom Antragsteller gerügten nicht ausgeschöpften Möglichkeiten zu den von ihm bezeichneten „objektiv besten Sendezeiten 19:20 Uhr und 20:55 Uhr/21:10 Uhr“ im Rahmen seiner Entscheidung nicht zu rügen, da insoweit 90minütige Programmangebote, die um 20:15 Uhr beginnen, vorgesehen sind, die nicht durch einen Wahlwerbespot unterbrochen werden sollen. Wie der vorgelegte Plan der Sendetermine ergibt, liegen die Ausstrahlungszeiten insgesamt in einem Zeitraum von 17:10 Uhr und 23:35 Uhr und damit zu Zeiten, in denen eine hinreichende Einschaltquote wahlberechtigter Bürger zu erwarten ist.
- 10
Dies gilt umso mehr für die dem Antragsteller eingeräumten Ausstrahlungstermine. Für das Sendeintervall am Freitag von 17:50 Uhr bis 17:55 Uhr ist nach der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Leiters der Hauptabteilung Programmplanung M. B. vom 05. Mai 2009 von einer durchschnittlichen Zuschauerzahl von 2,7 Millionen auszugehen, für das Zeitintervall am Mittwoch zwischen 23:05 Uhr und 23:10 Uhr liegt sie – zwischen „Auslandsjournal“ und „Johannes B. Kerner“ - danach durchschnittlich bei 1,42 Millionen.
- 11
Insbesondere hinsichtlich der Entscheidung über die Verteilung der eingeräumten Zeiten unter den zur Wahl angetretenen Parteien hat der Antragsgegner nach § 11 Abs. 1 S. 2 ZDF-Staatsvertrag einen in sich ausgewogenen Sendeplan zu erstellen, der die abgestufte Chancengleichheit der konkurrierenden Parteien gewährleistet. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Anzahl wie auch der Sendezeiten der auszustrahlenden Wahlwerbespots, denn auch was die Zeiten der gesendeten Werbespots betrifft, darf der Wähler über die wahre Bedeutung und das politische Kräfteverhältnis der Parteien nicht getäuscht werden. Dabei versteht sich von selbst, dass absolut gleichwertige Sendezeiten für alle Parteien nicht zu gewährleisten sind. Bei der Verteilung der Sendezeiten unter Berücksichtigung der Chancengleichheit aller Parteien steht dem Antragsgegner ein Spielraum zu, der ebenfalls nur eingeschränkt gerichtlich zu überprüfen ist. Insoweit muss insbesondere eine willkürliche Benachteiligung oder Bevorzugung einzelner Parteien auszuschließen sein.
- 12
Die vom Antragsgegner vorgenommene Verteilung der Sendezeiten ist auch mit der konkreten Platzierung der sechs im Bundestag vertretenen Parteien und der damit verbundenen Zuteilung von insgesamt gesehen besseren Sendezeiten nach diesen Grundsätzen nicht zu beanstanden.
- 13
Der Antragsgegner hat vorgetragen, die im Bundestag vertretenen Parteien seien konkret platziert worden; die erfolgte Festlegung der jeweils zwei Sendetermine, die den 26 kleineren Parteien zugelost worden seien, sei paarweise und abstrakt erfolgt und zwar nach folgenden Maßgaben:
- 14
Die Kombinationen von jeweils 2 Werbespots sollten innerhalb des möglichen Sendezeitraums von vier Wochen in vergleichbaren zeitlichen Abständen erfolgen. Jedes Spotpaar sollte an unterschiedlichen Tagen und auf unterschiedlichen Zeitschienen platziert werden. Jedes Spotpaar sollte eine frühere und eine spätere Sendeschiene erhalten. An bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeitpunkten sollten aufgrund des jeweiligen Programmumfelds keine Spots platziert werden. Bei 90-minütigen Programmangeboten sollte keine Unterbrechung durch Wahlwerbespots erfolgen.
- 15
Nach Darstellung des Antragsgegners haben diese Maßgaben dazu geführt, dass den kleineren Parteien/politischen Vereinigungen um 19:20 Uhr sieben Sendeplätze zur Verfügung gestellt werden konnten; die übrigen zur Verfügung stehenden sieben Sendeplätze wurden den im Bundestag vertretenen Parteien zugewiesen. Zur Sicherung dieses Gleichgewichts seien die weiteren vier potenziellen Sendeplätze von der Verlosung für die kleineren Parteien ausgeschlossen worden. Zugleich sei davon abgesehen worden, diese noch den im Bundestag vertretenen Parteien zuzuweisen, um daraus resultierende etwaige Bevorzugungen zu vermeiden. Darüber hinaus korrelierten die auf der Sendezeitschiene 17:50 Uhr/18:00 Uhr gelegenen Werbespots mit der Zeitschiene um ca. 22:40 Uhr/23:35 Uhr als jeweilige Sendetermine. Für den Zeitraum zwischen 20:55 Uhr/21:10 Uhr hätten insgesamt 7 Sendeplätze zur Verfügung gestanden. Davon hätten die im Bundestag vertretenen sechs Parteien unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung jeweils einen Sendeplatz erhalten, der verbleibende Sendeplatz sei in das Kontingent der Sendeplätze aufgenommen worden, die an die kleineren Parteien verlost worden seien.
- 16
Diese intensiven und nach der unterschiedlichen Bedeutung der Parteien ausgerichteten Überlegungen des Antragsgegners bei der Verteilung der Sendezeiten und Erstellung des Sendeplans, die sich auch aus dem vom Antragsgegner vorgelegten Protokoll vom 22. April 2009 der Wahlspotplatzierung am 15. April 2009 ergeben, weisen im Hinblick auf die abgestufte Chancengleichheit der Parteien keine Ermessensfehler auf. Gerade unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedeutung der Bundestagsparteien einerseits und der 26 anderen kleineren Parteien sind bei der Handhabung des Antragsgegners keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Zuteilung von Sendezeiten ersichtlich.
- 17
Damit war der Eilantrag mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG. Da der Antragsteller vorliegend bereits im Wege der einstweiligen Anordnung im Wesentlichen das begehrt, was er auch im Hauptsacheverfahren erlangen könnte, war der volle Betrag des Auffangwertes für seine beiden Begehren anzusetzen.
Gründe
- 1
-
Die Kläger wurden bei der Kommunalwahl vom 30. August 2009 als Direktkandidaten in den Rat der beklagten Stadt D. gewählt. Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen den Beschluss des Rates der Beklagten, die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten zu wiederholen. Das Verwaltungsgericht hat den Beschluss des Rates aufgehoben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.
- 2
-
Die dagegen erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Klage richte sich gegen die Stadt D. und nicht gegen deren Rat, steht im Einklang mit dem Prozessrecht (1.). Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (2.) und eines Verfahrensmangels (3.) liegen nicht vor.
- 3
-
1. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Klage richte sich gegen die Stadt D. und nicht gegen deren Rat, steht im Einklang mit dem Prozessrecht.
- 4
-
Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts sind Klagen von Organen oder Organteilen, mit denen deren Befugnisse oder Kompetenzen gegenüber einem anderen Organ oder Organteil desselben öffentlichen Rechtsträgers geltend gemacht werden (sog. Innenrechtsstreit oder Kommunalverfassungsstreit), gegenüber diesem anderen Organ oder Organteil selbst und nicht gegenüber dem Rechtsträger zu erheben (etwa OVG Münster, Urteil vom 24. April 2009 - 15 A 981/06 - OVGE 52, 82 = NVwZ-RR 2009, 819 m.w.N.; vgl. allgemein Rennert, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Auflage 2010, Rn. 15 f. zu § 40 VwGO m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht hat aber den vorliegenden Rechtsstreit, der der gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung des Rates einer Stadt im Wahlprüfungsverfahren dient, nicht als Organstreitigkeit in diesem Sinne angesehen. Es hat hierfür angeführt, dass die Beteiligten nicht um Rechte und Pflichten von Kommunalverfassungsorganen im Verhältnis zu anderen Organen oder Organteilen streiten, sondern darum, ob die Kläger überhaupt Mitglied eines Kommunalorgans geworden sind. Das lässt einen Verstoß gegen Prozessrecht nicht erkennen.
- 5
-
Ohne Erfolg berufen sich die Kläger demgegenüber auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juli 1993 - 2 BvR 1130/03 - (NVwZ 1994, 56). Dieser Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort ging es um die Vorverlegung eines Wahltermins und die damit verbundene Verkürzung der Wahlperiode; die dortigen Kläger verteidigten den Fortbestand ihrer Rechte als Mandatsträger. Hier hingegen verteidigen die Kläger ihre Rechte aus der Wahl, also ihre Rechte auf das Mandat. Sie leiten ihre Rechte mittelbar aus ihrem passiven Wahlrecht her, das ein subjektives Recht eines jeden Bürgers ist, das gegenüber seiner Gemeinde besteht.
- 6
-
2. Der Rechtssache kommt die von den Klägern behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Das ist hier nicht der Fall.
- 7
-
a) Das Berufungsgericht hat die Wahl des Rates wegen einer unzulässigen amtlichen Wahlbeeinflussung durch den damaligen Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin der Beklagten für fehlerhaft gehalten. Es ist hierbei in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass ein Wahlfehler nach nordrhein-westfälischem Kommunalwahlrecht auch im Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen liegen kann, ohne dass es einer bewussten, zielgerichteten Täuschung bedürfe; schon die objektiv unrichtige Information sei eine unzulässige Wahlbeeinflussung (UA S. 17, 19).
- 8
-
Die Kläger werfen in diesem Zusammenhang in erster Linie die Frage auf, ob ein solcher Fehler schon dann vorliegt, wenn der Wähler durch objektiv unrichtige Angaben über die seiner Beurteilung unterliegenden und für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse unzutreffend informiert wird, ohne dass es darauf ankommt, ob sich der informierende Amtswalter der Unrichtigkeit seiner Angaben bewusst ist. Das verleiht dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen; denn auch wenn sie - gemäß der Ansicht der Kläger - zu verneinen sein sollte, könnte die Revision keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der damalige Oberbürgermeister und die Kämmerin der Beklagten auf eine Anfrage eines Ratsmitglieds das Vorliegen von Auffälligkeiten beim Haushaltsvollzug am 24. und am 26. August 2009 verneint haben, obwohl sie bereits zwei Wochen zuvor - am 11. August 2009 - den Erlass einer Haushaltssperre mit Wirkung vom 1. September 2009 intern beschlossen und die nötigen Schritte zu deren Vorbereitung eingeleitet hatten. Das Berufungsgericht hat damit Umstände festgestellt, die zu dem Schluss zwingen, dass dem damaligen Oberbürgermeister und der Kämmerin die Unrichtigkeit ihrer Auskunft vom 24. bzw. 26. August 2009 bewusst war. Dass es diesen Schluss auch selbst gezogen hat, wird zusätzlich dadurch belegt, dass es die gegenteiligen Bekundungen des Oberbürgermeisters und der Kämmerin bei ihrer Zeugenvernehmung vor dem Verwaltungsgericht als bloße Schutzbehauptungen gewürdigt hat.
- 9
-
Bei dieser Sachlage aber kann offen bleiben, ob eine amtliche Äußerung eines Bürgermeisters oder Beigeordneten einer Gemeinde im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Kommunalwahl, die auf der Grundlage der dem Bürgermeister oder Beigeordneten im Zeitpunkt der Äußerung verfügbaren Daten objektiv unrichtig war, als Wahlfehler schon dann in Betracht kommt, wenn sie geeignet war, die Wählerentscheidung zu beeinflussen, oder erst dann, wenn sie im Sinne einer manipulativen Einwirkung dazu auch bestimmt war. Zur Klarstellung sei lediglich darauf hingewiesen, dass die Frage - entgegen der Ansicht der Kläger - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bislang nicht in ihrem Sinne geklärt ist. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 8. April 2003 - BVerwG 8 C 14.02 - (BVerwGE 118, 101 = Buchholz 160 WahlR Nr. 49) ausgesprochen, dass eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung auch in einer bewussten Täuschung durch Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen liegen kann (a.a.O. S. 106). Damit ist jedoch nicht entschieden, ob und ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen auch eine unbewusst unrichtige amtliche Äußerung einen Wahlfehler begründen kann. Über eine solche Fallgestaltung hatte der Senat nicht zu befinden. Die dortige Vorinstanz hatte eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit durch hauptamtliche Magistratsmitglieder festgestellt (a.a.O. S. 102), weshalb der Senat vom Tatbestand einer manipulativen Einwirkung ausgehen musste (vgl. a.a.O. S. 108).
- 10
-
b) Mit ihrer zweiten Frage möchten die Kläger geklärt wissen, ob eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung schon dann vorliegt, wenn der Wähler durch objektiv unrichtige amtliche Angaben über die seiner Beurteilung unterliegenden und für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse unzutreffend informiert wird, ohne dass es darauf ankommt, ob der informierende Amtswalter gegen ihm obliegende gesetzliche Pflichten verstoßen hat.
- 11
-
Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der gestellten allgemeinen Form ist sie in sich widersprüchlich; eine amtliche Information kann nur dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung sein, wenn der informierende Amtsträger gegen ihm obliegende gesetzliche Pflichten, nämlich gegen die Pflicht zur Wahrung der Neutralität verstoßen hat. Allerdings haben die Kläger zusätzliche spezifische gesetzliche Informationspflichten des Bürgermeisters gegenüber dem Rat der Gemeinde im Auge, mit denen sich das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil des Näheren auseinandergesetzt und deren Verletzung es im vorliegenden Fall verneint hat. In dieser konkreteren Form war die Frage jedoch für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich. Ihm kam es auf das Bestehen einer besonderen gesetzlichen Offenbarungspflicht nur für den Fall an, dass die unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung in einem Unterlassen des Amtsträgers zu sehen sein soll. Im vorliegenden Fall aber steht eine aktive Information durch den Amtsträger in Rede (UA S. 19).
- 12
-
c) Schließlich werfen die Kläger die Frage auf, ob eine Gemeinderatswahl wegen eines Wahlfehlers schon dann für ungültig erklärt werden darf, wenn die reale Möglichkeit einer anderen Sitzverteilung bei ordnungsgemäßem Ablauf der Wahl besteht, oder erst dann, wenn ein Forbestand der fehlerhaft gewählten Vertretung unerträglich erschiene.
- 13
-
Auch diese Frage begründet keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache; denn sie ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt.
- 14
-
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Blick auf eine Landtagswahl entschieden, dass Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern an die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats bindet. Dieses sog. Homogenitätsprinzip gibt den Ländern kraft des Demokratiegebots auf, ein Verfahren zur Prüfung ihrer Parlamentswahlen einzurichten; auch hierfür sind die in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG aufgeführten Wahlrechtsgrundsätze verbindlich. Innerhalb dieses Rahmens genießen die Länder jedoch Autonomie. Einem Land, das sich entschließt, das materielle Wahlprüfungsrecht gesetzlich zu regeln, steht dementsprechend eine umfangreiche Gestaltungsfreiheit zu. Deren Grenzen wären auf der einen Seite überschritten, wenn schwerwiegende Verstöße gegen die Grundsätze der Freiheit oder der Gleichheit der Wahl wie fortlaufende gravierende Verletzungen des Verbots der amtlichen Wahlbeeinflussung als mögliche Wahlfehler von vornherein außer Betracht blieben. Andererseits schließt das Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung, das seine rechtliche Grundlage im Demokratiegebot findet, es zumindest aus, Wahlbeeinflussungen einfacher Art und ohne jedes Gewicht schlechthin zum Wahlungültigkeitsgrund zu erheben. Der Eingriff in die Zusammensetzung einer gewählten Volksvertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung muss vor diesem Bestandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden. Je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den dieser Eingriff gestützt wird (BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/00 - BVerfGE 103, 111 <134 f.>).
- 15
-
Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang offen gelassen, ob diese Grundsätze für das kommunale Wahlprüfungsverfahren übernommen werden müssen; besonders bei der Direktwahl des Bürgermeisters komme dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes der durchgeführten Wahl eine andere - geringere - Bedeutung zu als bei der Wahl der Gemeindevertretung (Urteil vom 8. April 2003 a.a.O. S. 104 f.). Auch der vorliegende Rechtsstreit nötigt nicht zu einer abschließenden Stellungnahme. Selbst wenn die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht für die Wahlprüfung bei Landtagen aufgestellt hat, auf die Wahlprüfung bei Gemeindevertretungen zu übertragen sind, so ist der Regelungsspielraum, den das Bundesverfassungsrecht dem Landesgesetzgeber lässt, hier doch keinesfalls geringer als bei Landtagswahlen. Auch hier muss der Eingriff in die Zusammensetzung der gewählten Gemeindevertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung mithin vor dem Bestandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden, das seine rechtliche Grundlage im Demokratiegebot findet; je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den der Eingriff gestützt wird (vgl. Urteil vom 8. April 2003 a.a.O. S. 105). Weitergehende Anforderungen lassen sich dem Bundesverfassungsrecht nicht entnehmen. Namentlich lässt sich ihm nicht entnehmen, dass eine Gemeinderatswahl erst dann für ungültig erklärt werden dürfte, wenn ein erheblicher Wahlfehler von solchem Gewicht vorliegt, dass ein Fortbestand der in dieser Weise gewählten Vertretung unerträglich erschiene. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Rechtssatz im Wege der Auslegung lediglich dem hessischen Landesverfassungsrecht, nämlich Art. 78 Abs. 2 HV entnommen (Urteil vom 8. Februar 2001 a.a.O. S. 133, 134 unter 1.), nicht jedoch dem Bundesverfassungsrecht (ebd. S. 134 ff. unter 2.).
- 16
-
Das Berufungsgericht hat sich von den vorstehenden Grundsätzen leiten lassen. Es ist fraglos davon ausgegangen, dass die von ihm festgestellte Unregelmäßigkeit wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der unmittelbar bevorstehenden Wahl und wegen der besonderen Relevanz von Haushaltsfragen im Wahlkampf für die Willensbildung der Wähler von gravierender, wenn nicht gar herausragender Bedeutung war. Insofern hat es sich von der Überzeugung leiten lassen, dass nicht jede derartige Unregelmäßigkeit eine Ungültigerklärung der Wahl rechtfertigen kann, sondern nur eine von hinlänglichem Gewicht. Die Kläger zeigen nicht auf, inwiefern diese Grundsätze aus Anlass des vorliegenden Falles einer Überprüfung oder weitergehenden Klärung bedürften.
- 17
-
3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor. Die Kläger meinen, das Berufungsgericht habe bei seiner Überzeugungsbildung weder die Ergebnisse der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme noch das Ergebnis der wiederholten Bürgermeisterwahl berücksichtigt und seine Entscheidung damit entgegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen. Dieser Vortrag lässt einen Verfahrensmangel nicht erkennen.
- 18
-
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es gehört hiernach zur Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung seine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Dem hat es das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Wie es seine Überzeugung bildet, wie es also die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise würdigt, unterliegt seiner "Freiheit". Die Einhaltung der daraus entstehenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigen oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Die "Freiheit" des Gerichts ist erst dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen; diese Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 17. Mai 2011 - BVerwG 8 B 88.10 - juris und vom 28. März 2012 - BVerwG 8 B 76.11 - m.w.N.).
- 19
-
Dass das Berufungsgericht Schlüsse gezogen habe, die gegen die Denkgesetze verstoßen, behaupten die Kläger nicht; es ist auch nicht ersichtlich. Ebenso wenig aber ergibt sich aus ihrem Beschwerdevorbringen ein Anhaltspunkt für die Annahme, das Berufungsgericht habe Akteninhalt, der nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Umstände betrifft, übergangen oder umgekehrt aktenwidrige Tatsachen angenommen.
- 20
-
Bei seiner Sachwürdigung, der damalige Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin der Beklagten hätten bei ihren amtlichen Äußerungen vom 24. bzw. 26. August 2009 objektiv unrichtige Angaben gemacht, die zudem im Widerspruch zu ihrem bereits gefassten Entschluss gestanden hätten, unmittelbar nach der Wahl eine Haushaltssperre zu verhängen, hat das Berufungsgericht durchaus das Ergebnis der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme berücksichtigt (vgl. UA S. 11, 23 ff.). Dabei ist es auch auf die von den Klägern in den Vordergrund gerückten Prognoseungenauigkeiten eingegangen und hat betont, dass es den Zeugen unbenommen gewesen wäre, das vorzulegende Datenmaterial zu kommentieren und auf entsprechende Unsicherheiten hinzuweisen (UA S. 24). Damit ist das Berufungsgericht der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt, das eine Verletzung der von ihm angenommenen Wahrheitspflicht auskunftspflichtiger Amtswalter erst dann annehmen wollte, wenn die erteilte Auskunft auch bei Berücksichtigung bestehender Prognoseungenauigkeiten keinesfalls mehr als vertretbar erscheine; es hat dem die Auffassung entgegengestellt, die Wahrheitspflicht gebiete, dass der Amtswalter auf bestehende Prognoseungenauigkeiten als solche hinweise. Die Kläger wenden sich im Gewande einer Verfahrensrüge eigentlich gegen die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung. Damit aber kann eine Verfahrensrüge nicht begründet werden.
- 21
-
Ebenso wenig hat das Berufungsgericht bei seiner Annahme, der von ihm angenommene Wahlfehler sei für das Wahlergebnis erheblich gewesen, aktenwidrig Tatsachen übergangen oder angenommen. Es hat ausführlich dargelegt, weshalb es zu der Überzeugung gelangt ist, dass bei voller Kenntnis der Haushaltslage der Stadt die Wahlteilnahme und die Wahlentscheidung einer nicht bestimmbaren Zahl von Wählern möglicherweise anders ausgefallen wäre und dass dies jedenfalls auf die Sitzzuteilung aus der Reserveliste möglicherweise von Einfluss gewesen wäre (UA S. 26 ff.). Inwiefern dies auf aktenwidrigen Annahmen beruht, legen die Kläger nicht dar. Ebenso wenig machen sie deutlich, inwiefern sich die Sachwürdigung des Berufungsgerichts bei Berücksichtigung ihres Hinweises, dass der Kandidat ihrer Partei bei der bereits aus demselben Grund wiederholten Oberbürgermeisterwahl erneut gewählt wurde, hätte verbieten sollen. Der Bürgermeister wird durch Mehrheitswahl gewählt. Dem ließe sich bei der Wahl des Stadtrats allenfalls die Wahl der Direktbewerber in den Wahlkreisen vergleichen. Das Berufungsgericht hat seine Annahme, dass der festgestellte Wahlfehler mandatsrelevant sei, aber ausdrücklich auf die Sitzzuteilung aus den Reservelisten gestützt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.