Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 19. März 2015 - AN 11 K 14.1539

bei uns veröffentlicht am19.03.2015

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Abweichend hiervon trägt der Beklagte die aussonderbaren Kosten des Termins vom 25. Februar 2015 einschließlich der hierfür angefallenen, außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger und der Beklagte können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der jeweils festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweils andere oder die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Durch einen mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen, dem Kläger mit am 19. August 2015 zur Post gegebenen Übergabeeinschreiben zugestellten Bescheid des Landratsamtes … (im Folgenden: Landratsamt) vom 15. August 2014 wurde der Beigeladenen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach §§ 4, 19 BImSchG nach Maßgabe der im Bescheid enthaltenen Nebenbestimmungen zur Errichtung und dem Betrieb von vier Windkraftanlagen (WKA) mit einer Gesamthöhe von jeweils 199,5 m auf den FlNr. …, … und … der Gemarkung …, Markt … und der FlNr. … der Gemarkung …, Stadt …, erteilt. Auf den Gesamtinhalt dieses Bescheids wird Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Kläger mit am 22. September 2014 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Schreiben die vorliegende Klage. Zur Begründung führte er mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2014 aus, dass er einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschafte, in dessen Rahmen auch die FlNr. … der Gemarkung …bewirtschaftet werde. Für die Errichtung von zwei Mastschweineställen und einer Maschinenhalle auf dem nördlichen Teil der FlNr. …, angrenzend an den Weg mit FlNr. …, habe er am 8. März 2014 eine Bauvoranfrage gestellt. Diese sei zwischenzeitlich mit Bescheid vom 4. September 2014 durch das Landratsamt genehmigt worden. Das Bauvorhaben umfasse auch einen Büroarbeitsplatz. Dies sei dem Landratsamt gegenüber mit Fax vom 21. Juli 2014 klargestellt worden. Die FlNr. … liege nicht im betreffenden Windvorranggebiet. Das Landratsamt habe ihm mit Schreiben vom 18. August 2014, das ausweislich des Poststempels am 19. August 2014 zur Post gegeben worden sei, eine unvollständige Abschrift der Genehmigung übermittelt. Die übermittelte Abschrift sei unvollständig, weil

– kein genehmigter Lageplan samt des genehmigten Erschließungswegs für die Windkraftanlagen enthalten sei,

– allgemein die unter III auf Seite 2 und 3 genannten Unterlagen, die zugleich Bestandteil des Genehmigungsbescheids seien, nicht enthalten seien,

– die auf Seite 23 unter Nr. 1. - 10. genannten Unterlagen dem Genehmigungsbescheid nicht beigefügt seien,

– die von Trägern öffentlicher Belange laut Seite 24 des Genehmigungsbescheids vorgebrachten Auflagen, Bedingungen und Hinweise nicht dargelegt seien,

– die auf Seite 25 des Genehmigungsbescheids im letzten Absatz genannte gutachterliche Stellungnahme bzw. die Raumnutzungsanalyse nicht enthalten sei,

– die vom Landratsamt als Genehmigungsbehörde im Hinblick auf den Denkmalschutz bzw. die Beeinträchtigung des Stadtbildes selbst erstellte Visualisierung der Ortsansicht der Stadt … nicht beigefügt sei.

Die übermittelte Ausfertigung des Bescheids sei insbesondere wegen der nicht ersichtlichen Lage der genehmigten Standorte, aber auch wegen der genannten fehlenden Unterlagen inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und damit unwirksam. Gegen die Erteilung der Genehmigung sei zumindest eine Petition beim Bayerischen Landtag anhängig. Durch die Erteilung der Genehmigung werde das verfassungsrechtliche Grundrecht auf Eingaben und Beschwerden verletzt und ein Verfassungsorgan missachtet. Auf Seite 9 werde unter 2.5.3 zutreffend festgestellt,

dass Arbeits- und Büroräume schutzwürdige Räume darstellten. In dem beschriebenen Bauvorhaben seien sowohl Arbeits- als auch Büroräume enthalten. Dies sei dem Landratsamt vor Erteilung der angefochtenen Genehmigung auch bekannt gewesen. Trotzdem sei der Standort seiner Bauvorhaben in den auf Seite 6 dargestellten Immissionsorten nicht enthalten. Das Bauvorhaben liege wesentlich näher an den WKA, zum Teil wohl unter 100 m vom Mast der Anlagen entfernt, genaue Angaben seien mangels Kenntnis der genehmigten Standorte nicht möglich, als alle anderen festgelegten Immissionsorte. Die immissionsschutzrechtliche Überprüfung sei somit in einem wesentlichen Teil unvollständig. Der Bescheid sei wegen fehlender Betriebsauflagen für die WKA im Bezug auf den Standort der Bauvorhaben rechtswidrig, weil die für Ar-beits- und Büroräume einzuhaltenden Grenzwerte im Normalbetrieb, d.h. insoweit ohne jegliche einschränkenden Auflagen nicht eingehalten werden könnten, wenn schon für die um ein Mehrfaches entfernt liegenden Immissionsorte Betriebsauflagen notwendig gewesen seien. Anzumerken sei noch, dass die Arbeits- und Büroräume auf Grund des Arbeitens mit Tieren zu jeder Tages- und Nachtzeit genutzt werden könnten. Beispielsweise erfordere ein Ausfall der Lüftungsanlage ein sofortiges Eingreifen, da ansonsten innerhalb kurzer Zeit die Schweine verenden könnten. Aber auch auf die Behandlung von Krankheiten im Sinne einer artgerechten Tierhaltung oder auch der meist in den Nachtstunden erfolgende Abtransport der schlachtreifen Schweine werde verwiesen. Zudem bestehe durch die dem Vernehmen nach wohl bis fast an die Grundstücksgrenze heranreichenden Flügelspitzen der nächstgelegenen WKA für den Kläger und ggf. Familienangehörige eine Gefahr an Leib und Leben beim Aufenthalt im Bereich des Bauvorhabens durch Eisschlag. Einer entsprechenden, erheblichen Gefährdung seien auch Gebäude, Maschinen, Tiere und Betriebsvorrichtungen ausgesetzt. Diese Aspekte seien im Genehmigungsverfahren nicht geprüft worden. Auf den Beschluss der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. September 2014 im Zusammenhang mit der Hettstadter Windkraftanlage werde hingewiesen. Analoges gelte auch für die von herabfallenden, z.B, nach Blitzschlag brennenden Rotorteilen, herabfallenden, gebrochenen Rotorteilen bzw. vom Umsturz des ganzen Windrads ausgehende Gefährdung. Die Satzung des Marktes … vom 22. November 2013 zur Reduzierung der Abstandsflächen gelte nach der beigefügten Karte nur im Gemeindegebiet … Demnach sei die Reduzierung der Abstandsflächen aus dieser Satzung nur auf dem Gemeindegebiet … wirksam. Für das Stadtgebiet … bzw. die Fläche des klägerischen Bauvorhabens sei die ungeminderte Abstandsfläche einzuhalten. Eine Genehmigungsfähigkeit setze auch die Erschließung des Bauvorhabens voraus. Im Genehmigungsbescheid werde dies lediglich festgestellt, ohne darzulegen, warum dies der Fall sein solle. Dem Vernehmen nach solle die Erschließung über einen Grünweg, der im Eigentum der Stadt … stehe und teilweise als landwirtschaftliche Fläche verpachtet sei, erfolgen. Dieser sei nicht für Lkws ausgelegt und könne die enormen Lasten für den Aushubabtransport, den Beton für das Fundament, die Durchfahrt der Baumaschinen und Kräne etc. nicht tragen. Eine ausreichende Erschließung sei daher nicht gewährleistet. Das Landesamt für Denkmalpflege habe eine ablehnende Stellungnahme zur Genehmigungsfähigkeit der Windräder abgegeben, die im Genehmigungsbescheid nicht erwähnt sei. Die in den Räumen des Landratsamtes angesiedelte Untere Denkmalschutzbehörde habe sich darüber offensichtlich hinweggesetzt. In der angefochtenen Genehmigung seien nach Luftverkehrsrecht unter 3.1 und 3.2 für die Tages- und Nachtkennzeichnung dem Zweck entsprechend besonders auffällige aktive und passive Kennzeichnungen der WKA auferlegt worden. Diese auffallende und kontrastreiche Farbgestaltung in Verbindung mit der aktiven Beleuchtung auch der Rotorblätter, führe zu einer besonders auffälligen Bauausführung. Verstärkt werde dieser Effekt dadurch, dass auch die Rotorblätter als bewegliche Teile der Windkraftanlagen entsprechend aktiv und passiv gekennzeichnet werden sollten. Wie eine derartige Gestaltung der Windkraftanlagen mit dem Schutz des Denkmalensembles der Stadt … in Einklang gebracht werden könne, lasse der Genehmigungsbescheid offen. Die Genehmigung sei insoweit zumindest nicht hinreichend begründet, wahrscheinlich aber auch deswegen rechtswidrig. Die vorgenannte auffällige Bauweise führe allgemein zu einem erhöhten Abstandsbedarf. Da das Luftfahrtbundesamt dem Vernehmen nach zunächst keine Zustimmung habe geben wollen und im Sommer 2014 doch zugestimmt habe, aber auf der auferlegten auffälligen Kennzeichnung bestanden habe, könnten die vorher von verschiedenen Gutachtern erstellten Gutachten noch nicht auf Basis der jetzt festgelegten Bauausführung erstellt worden sein. Insofern seien die Gutachten allesamt zu verwerfen. Die auffällige Bauweise führe speziell in Bezug auf das klägerische Bauvorhaben mit den dort enthaltenen Arbeits- und Büroräumen zu einem erhöhten Abstandsbedarf. Verwiesen werde auf den allgemein üblichen und in der Genehmigung der Bauvoranfrage enthaltenen Hinweis, nach der je nach Bauart des Stalles eine Fensterfläche von mindestens 1,5 bis 3 Prozent der Stallgrundfläche mit gleichmäßiger Verteilung verpflichtend sei. Daraus folge, dass die auffällige Bauart, insbesondere der aktiv beleuchteten Rotoren, im Stallbereich für die Tiere sichtbar sein würde. Neben der dadurch entstehenden Unruhe im Stall mit deren wirtschaftlichen Einbußen stufe er die rotierenden Lichter nicht unter eine artgerechte Tierhaltung ein. Zudem seien bei der in Erwägung gezogenen Produktion von Bio-Schweinen Freilaufflächen unter freien Himmel erforderlich, in denen auch die Schweine den verschiedensten Immissionen der WKA im Nahbereich ausgesetzt werden. Außerdem stünden dem Vorhaben öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB entgegen, namentlich sei das Orts- und Landschaftsbild der Stadt … verunstaltet, Belange des Denkmalschutzes stünden entgegen (vgl. oben), der Erholungswert der Landschaft werde beeinträchtigt sowie evtl. auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, soweit sich aus den dem Kläger wie dargestellt nicht zur Verfügung gestellten Unterlagen entsprechende Punkte ergeben sollten. Aus einer ihm zugänglichen älteren Karte ergebe sich, dass zumindest ein Windrad deutlich außerhalb des Windvorranggebiets geplant gewesen sei. Ob dies auch Gegenstand der Genehmigung sei, sei ihm, wie bereits dargestellt, nicht bekannt. Sollte dies der Fall sein, wäre die Genehmigung auch diesbezüglich rechtswidrig. Das betroffene Windvorranggebiet sei erst vor wenigen Jahren im Zeitalter digitaler Karten ausgewiesen worden. Eine sachliche Rechtfertigung für einen Unschärfebereich von zum Teil 100 bis 150 m Breite gebe es im Zeitalter digital erstellter Karten nicht. Eine rechtliche Grundlage hierfür gebe es ohnehin nicht.

Der Beklagte beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass die erteilte Genehmigung keine subjektiven, nachbarschützenden Rechte des Klägers verletze. Insbesondere verstoße sie nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme und verursache keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Kläger bzw. den auf FlNr. … Gemarkung … geplanten Mastschweinestall des Klägers. Die Genehmigung sei verfahrensfehlerfrei ergangen. Auch die Zustellung einer rechtsmittelfähigen Bescheidsausfertigung sei ordnungsgemäß erfolgt. Eine Ausfertigung des vollständigen Genehmigungsbescheids sei per Übergabeeinschreiben mit Einlieferungsdatum 19. August 2014 zur Post gegeben worden. Die Übermittlung sämtlicher Antragsunterlagen und Fachstellungnahmen an den Kläger sei nicht erforderlich und vom Gesetzgeber auch nicht vorgesehen, auf § 10 Abs. 7 Satz 1 BImSchG werde verwiesen. Eine Herausgabe von beispielsweise Gutachten sei urheberrechtlich auch nicht zulässig. Darüber hinaus sei dem Kläger mehrfach Akteneinsicht angeboten worden, die er jedoch nicht wahrgenommen habe. Dies sei im Aktenordner „Einwendungen“ unter Abschnitt … nachvollziehbar dokumentiert. Der Genehmigungsbescheid sei auch hinreichend konkret und bestimmt. Die exakten Anlagenstandorte seien in den Genehmigungsunter lagen und unter „IV. Konzentrationswirkung“ im Genehmigungsbescheid kon-kret festgelegt. Bereits mit Schreiben vom 13. Februar 2014 sei dem Kläger auch ein Übersichtsplan, auf dem die Standorte der Windkraftanlagen eingetragen seien, übersandt worden. Auf eine immissions-schutzrechtliche Genehmigung bestehe bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch. Etwaige Petitionen hätten keine aufschiebende Wirkung. Das Landratsamt habe das Bayerische Wirtschaftsministerium als Kontaktbehörde zum Petitionsausschuss stets über den Sachstand und auch die beabsichtigte Erteilung der Genehmigung informiert. Zwischenzeitlich sei auch der Vorbescheid zu der Bauvoranfrage des Klägers für einen Mastschweinestall und eine Halle auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung …erteilt worden (Bescheid vom 4.9.2014). Der Kläger sei somit durch die WKA in seinen Planungen nicht eingeschränkt worden, eine Beeinträchtigung eigener Rechte des Klägers sei diesbezüglich nicht gegeben. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die WKA sei beim Landratsamt … am 17. Dezember 2013 beantragt und mit Bescheid vom 15. August 2014 erteilt worden. Die Bauvoranfrage des Klägers sei hingegen erst am 13. März 2014 im Landratsamt eingegangen, der Bauvorbescheid sei am 4. September 2014 ergangen. Dadurch, dass die Windkraftanlagengenehmigung vor dem Vorbescheid beantragt bzw. ausgesprochen wurde, würden die vom Kläger behaupteten schädlichen Umwelteinwirkungen in der Konsequenz gerade nicht zur Unzulässigkeit des Windkraftprojekts führen, sondern hätten allenfalls Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des später erteilten Vorbescheids für den Schweinestall. Abgesehen davon, dass nach Ansicht des Landratsamtes generell keine Rechte des Klägers durch die Windkraftgenehmigung verletzt seien, hätten jedenfalls zum Zeitpunkt der Erteilung der Windkraftgenehmigung keine entsprechenden Rechte des Klägers bestanden. Es sei zu diesem Zeitpunkt auf der fraglichen FlNr. weder ein Stall vorhanden noch genehmigt gewesen. Der Kläger könne die vorgetragenen Bedenken ohne weiteres durch einen entsprechend geänderten Bauantrag ausräumen, der bisher noch nicht gestellt worden sei. Dass er gleichwohl den Klageweg beschreite, sei insofern unverständlich und vermittle den Eindruck, dass das Stallprojekt lediglich als Verhinderungsplanung gegen den Windpark dienen solle. Dieser Eindruck verfestige sich dadurch, dass der Kläger den Stall in der Bauvoranfrage in den der WKA nächstliegenden Bereich des Baugrundstücks FlNr. … platziert habe, obwohl das Grundstück groß sei und ausreichend Raum für ein Abrücken von der WKA biete. Aktuell führe der Kläger nur einen kleinen Nebenerwerbsbetrieb mit 19,67 ha bewirtschafteter Fläche und - zum Stand 1. März 2014 - 31 Rindern bzw. Kälbern. Der Betrieb befinde sich am Standort … in … und werde bisher nicht in ökologischer Wirtschaftsweise betrieben, die bishe rige Betriebsweise unterscheide sich also ganz grundlegend von der nun vorgebrachten Erweiterungsplanung. Ein schlüssiges Konzept bzw. eine nachvollziehbare Verknüpfung lasse sich darin nicht erkennen. Auch dies sei ein deutliches Indiz für das Vorliegen einer Verhinderungsplanung. Es erscheine damit fraglich, ob der Kläger überhaupt klagebefugt sei. Die Abstandsflächensatzung des Marktes … sei einer Prüfung durch die Genehmigungsbehörde mangels Normverwerfungskompetenz nicht zugänglich. Auch ohne die Satzung hätten entsprechende Abweichungen nach Art. 63 BayBO erteilt werden können. Es fehle daher an der Entscheidungserheblichkeit. Die Abstandsflächensatzung sehe insbesondere vor, dass die Tiefe der Abstandsfläche 0,4 H betrage. Der Inhalt der Satzung sei von Art. 6 Abs. 7 BayBO gedeckt und somit materiell-rechtlich zulässig. Das Gesetz stelle für die Bestimmung der Abstandsflächen maßgeblich auf den Standort der baulichen Anlage ab, nicht jedoch darauf, wo die Abstandsflächen zu liegen kommen. Werde eine Anlage in der Nähe einer Gemeindegrenze errichtet, so könne eine Abstandsfläche auch auf dem Gebiet einer Nachbargemeinde zu liegen kommen. Der Markt … habe ausschließlich für das eigene Gemeindegebiet eine entsprechende Abstandsflächensatzung erlassen. Es sei unschädlich, dass die volle Abstandsfläche von 1 H auch auf dem Gebiet der Stadt … zu liegen gekommen wäre. Durch die Satzungsregelung fielen die Abstandsflächen nur noch auf das Gemeindegebiet des Marktes … Derartige Konstellationen seien vom Gesetzgeber nicht gesondert geregelt worden, weshalb sie hinzunehmen seien. Durch die Satzung des Marktes … und auf Grund des Standortes der WKA 2 sei das Grundstück des Klägers von der Abstandsfläche nicht betroffen. Insofern stünde diese auch keiner Genehmigung von landwirtschaftlich genutzten Gebäuden auf der FlNr. … entgegen.

Das Gebot der Rücksichtnahme führe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur zur Pflichtigkeit dessen, der Belästigungen verbreite, sondern auch zu einer Duldungspflicht derer, die sich in der Nähe von solchen Belästigungsquellen ansiedeln. Es begründe also gegenseitige Duldungs- und Handlungspflichten. So sei es möglich und dem Kläger auch zumutbar, im Rahmen der konkreten Ausführungsplanung und Realisierung des Stallprojekts entsprechende bauliche Vorkehrungen zu treffen, um eventuelle Belästigungen durch die WKA zu minimieren (z.B. durch Situierung des Büroraums an der dem Windpark abgewandten Seite und/oder Verschiebung des Stalles nach Süden und damit Vergrößerung des Abstandes zur WKA). Bei den Windkraftanlagen handele es sich um im Außenbereich privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, die in dem im Regionalplan der Region … verbindlich ausgewiesenen Vorranggebiet WK * lägen. Ca. 400 bis 500 m östlich befänden sich be reits drei Windräder mit einer Gesamthöhe von jeweils 99,8 m. Das Windkraftprojekt entspreche somit dem regional/landesplanerischen und naturschutzfachlichen Ziel einer Konzentration der Windkraftnutzung und damit einhergehender Vermeidung einer „Verspargelung“ der Landschaft durch Einzelwindräder. Hinsichtlich des regionalplanerischen Unschärfebereichs werde auf die „Richtlinien für die zeichnerischen Darstellungen im Regionalplan“ sowie den „Planzeichenkatalog für die Regionalplanung“ verwiesen. Dort sei einerseits festgelegt, dass Regionalpläne bzw. dessen Teilpläne im Maßstab 1:100.000 zu erstellen seien. Dieser Maßstab lasse keine Parzellengenauigkeit zu (wird ausgeführt). Diese Unschärfe sei auch gerichtlich so bestätigt (z.B. VG Bayreuth, U.v. 15.7.2004, B 2 S 04.527, Rn. 57). Die Konkretisierung der Unschärfe obliege den Kommunen mittels der Bauleitplanung. Was die Gefahr „Eiswurf“ angehe, werde auf Ziffer 8.2.10 des Bayerischen Windkrafterlasses hingewiesen. Vorliegend sei in den Antragsunterlagen, die zugleich Bestandteil der erteilten Genehmigung seien, eine entsprechende Eiserkennung und Abschalteinrichtung vorgesehen (Kapitel 4.3). Zudem sei mit der Nebenbestimmung Nr. 2.4.1 explicit festgesetzt worden, dass die dort vorgesehenen Maßnahmen auszuführen seien. Der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Eiswurf sei damit hinreichend sichergestellt. Gleiches gelte zur Thematik Standsicherheit und Blitzschutz. Auch hier sei durch entsprechende Vorkehrungen und Prüfungen, die in den Antrags- bzw. Genehmigungsunterlagen enthalten und durch entsprechende Nebenbestimmungen zusätzlich eingefordert seien, der Schutz der Allgemeinheit und Nachbarschaft ausreichend gewährleistet. Für den Kläger bestehe zudem die Möglichkeit, im Rahmen eines Bauantrags einen von den WKA weiter entfernten Standort zu wählen. Hierzu sei er nach dem Gebot der Rücksichtnahme sogar verpflichtet. Die zitierte Entscheidung des VG Würzburg betreffe einen anderen Fall, da dort eine WKA zu einem bereits vorhandenen Stall hinzugekommen sei. Hier sei es gerade umgekehrt. Zum Thema „Immissionsschutz/schädliche Umwelteinwirkungen“ wurde ausgeführt, dass nach Auffassung des Landratsamtes es sich bei dem geplanten Schweinestall mit Büro des Klägers nicht um einen maßgeblichen Immissionsort handele. Unter den Hinweisen in Nr. 2.5 der Nebenbestimmungen seien im angefochtenen Bescheid die gemäß Nr. 2.3 und A 1.3 der TA Lärm in Verbindung mit der DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) als schutzwürdige Räume grundsätzlich in Frage kommenden Bereiche angeführt. Hier sei bei den Arbeits- und Büroräumen jedoch zu differenzieren zwischen regelmäßig sowie mit einer gewissen Dauerhaftigkeit genutzten Räumen und nur gelegentlich sowie kurzzeitig genutzten Arbeitsräumen bzw. Büros - wie vorliegend der Fall. Ein moderner Schweinestall funktioniere weitgehend vollautomatisch (Fütterung, Entmistung bzw. Gülleableitung etc.) und bedürfe keiner längerfristigen Anwesenheit des Betriebsleiters. Die vom Betriebsleiter vorzunehmenden Kontrollgänge und sonstigen Aufgaben im Stallbereich seien nur von kurzer Dauer. Der Schweinestall sei nur in einem sehr untergeordneten Umfang als Arbeitsplatz anzusehen und daher nach Auffassung des Landratsamtes kein maßgeblicher Immissionsort. Selbst wenn man ihn als Immissionsort ansehen müsste, lägen keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärm vor, da eine überschlägige Berechnung der Immissionsschutzfachkraft des Landratsamtes ergeben habe, dass die Tagesrichtwerte (bis 22:00 Uhr und ab 6.00 Uhr, Nr. 6.4 TA Lärm) nach Nr. 6.1 der TA Lärm deutlich unterschritten würden und dies bereits an der Grundstücksgrenze des Baugrundstücks des Klägers. Was den Schattenwurf angehe, so wurde unter Bezugnahme auf die Quelle www.windenergie-hand-buch.de ausgeführt, dass die zulässige Beschattungsdauer auf die Wohnnutzung zugeschnitten sei. Nach der bisherigen Rechtsprechung könnten die Beurteilungsmaßstäbe, die für den Wohnbereich angelegt würden, nicht unmittelbar auf arbeitende Menschen übertragen werden, sondern das zumutbare Maß müsse auch unter Berücksichtigung von zumutbaren Ausweichund Anpassungsmaßnahmen der Betroffenen anhand einer Einzelfallentscheidung festgelegt werden. Die Rechtsprechung sehe keine fundierten Zweifel an der Verträglichkeit von WKA und landwirtschaftlichen Betrieben, da beide gleichberechtigt im Außenbereich privilegiert seien, so dass Schattenwurf auch für arbeitende Menschen auf landwirtschaftlichen Flächen grundsätzlich zumutbar sei (unter Bezugnahme auf OVG Hamburg, 2 Bs 180/00). Insoweit werde auch auf die zahlreichen Nebenbestimmungen zur Reduzierung etwaiger Belästigungswirkungen hingewiesen. Weder der LAI noch der Windenergieerlass hätten bisher konkrete Vorgaben zur Berücksichtigung von Schattenwurfauswirkungen auf Nutztiere gemacht, so dass im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung eine Abwägung des Gebots der Rücksichtnahme zweier im Außenbereich privilegierter, konkurrierender Nutzungen erforderlich sei (unter Bezugnahme auf OVG NRW, 7 B 665/02 vom 17.5.2002). Es gebe keine wissenschaftlichen Untersuchungen über die Wirkung von Schattenwurf auf Tierbestände der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Die bisherige Praxiserfahrung aus Regionen mit intensiver Tierhaltung und WKA zeige jedoch keine Probleme auf. Zu beachten sei außerdem, dass viele Stallbauten keine Fenster oder Lichtbänder und die Tiere meist keinen Zugang zu Freiluftbereichen hätten, so dass die Tiere in diesen Fällen gar nicht vom Schattenwurf betroffen sein könnten. Das Veterinäramt des Landratsamtes habe hierzu mitgeteilt, dass gemäß Tierschutznutztierverordnung § 26 Abs. 3 Ziffer 2 in Schweineställen ein Geräuschpegel von 85 dB(A) nicht dauerhaft überschritten werden dürfe. Bezüglich anderweitiger Einflüsse wie Blinklicht, Schlagschatten oder Discoeffekt gebe es keine gesetzlichen Vorgaben. Erfahrungsgemäß seien Schweine und Rinder jedoch in der Lage, sich schnell an regelmäßig wiederkehrende äußere Einflüsse zu gewöhnen. Diese würden dann in aller Regel nicht mehr als bedrohlich oder störend empfunden. Schweine, die einen Zugang zum Freien hätten, könnten sich zudem wahlweise im Stall oder im Freien aufhalten, sich also bei störenden Einflüssen in den Stall zurückziehen. Laut überschlägiger Berechnung der Immissionsschutzfachkraft des Landratsamtes würden die 85 dB(A) sehr deutlich unterschritten. Der Lärmwert liege demnach am Schweinestall unter 60 dB(A). Tierschutzbelange und die geplante Tierhaltung des Klägers seien damit nicht beeinträchtigt. Was die klägerseits geltend gemachten Belange von Natur und Artenschutz, Denkmalschutz, Erschließung und Erholungswert angehe, so handele es sich dabei nicht um drittschützende Rechte, die der Kläger im Klageverfahren geltend machen könne. Es fehle insoweit bereits an der Klagebefugnis.

Die Beigeladene führte aus, dass die gesamte Planung des Klägers einzig dazu diene, um zur Abwehr der ungeliebten Windenergienutzung vermeintlich ein Baunachbarrecht zu generieren. Hiervon zeuge neben der Dimension der zur Vorbescheidung gestellten landwirtschaftlichen Nutzung in Relation zum bisherigen Nebenerwerb des Klägers auch und gerade der Vorhabensstandort, welcher auf der bislang gänzlich unbebauten Koppelfläche ohne Not, aber mit Kalkül nächstmöglich an den inkriminierten Windenergieanlagenstandort heranrücke. Der Kläger hätte daher ein etwaiges Baunachbarrecht, unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbräuchlichkeit verwirkt. Letzten Endes komme es hierauf nicht an, da das genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen gegenüber dem Kläger mitnichten das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletze, da tatsächlich keineswegs schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB hervorgerufen wurden. Die auf der Grundlage der TA Lärm beachtlichen Immissionsgrenzwerte würden, wie der Beklagte zutreffend ausführe, im Hinblick auf das behauptete Bauvorhaben des Klägers sogar deutlich unterschritten, so dass die genehmigte Windenergieanlage der Beigeladenen letzterem gegenüber selbst dann nicht als rücksichtslos zu qualifizieren wäre, wenn das Bauvorhaben des Klägers schutzbedürftig wäre. Dies sei jedoch aus zweierlei Gründen nicht der Fall. Einerseits stelle das vom Kläger vorgeblich geplante „Büro“ keinen maßgeblichen Immissionsort im Sinne der Nr. 2.3 der TA Lärm dar, welcher nach der Nr. A.1.3 des Anhangs der TA Lärm zu ermitteln sei. Letztere stelle auf schutzbedürftige Räume ab, welche sich ihrerseits nach der Anmerkung 1 zu Abschnitt 4.1 der DIN 4109 definierten als „Aufenthaltsräume, soweit sie gegen Geräusche zu schützen seien“. Einen solchen stelle das sogenannte Büro nicht dar. Zwar könnten im Grunde auch Büroräume (ausgenommen Großraumbüros) als schützenswerte Aufenthaltsräume im Sinne der Anmer kung 1 zu Abschnitt 4.1 der DIN 4109 zu qualifizieren sein (unter Verweis auf VG München, U. v. 30.9.2013, M 8 K 09.6028). Dies gelte allerdings nur für eine Büronutzung im eigentlichen Begriffssinne, welche hier nicht im Raum stehe. Entscheidend komme es auf die konkrete Nutzung der betreffenden Räumlichkeit an. Bei einer derartigen funktionalen Betrachtungsweise erweise sich der klägerseits beschriebene Raum nicht als Aufenthaltsraum, welcher gegen Geräusche zu schützen wäre. Es fehle bereits an der ansonsten bürotypischen Dauerhaftigkeit der Benutzung des betreffenden Raums, welcher in Ansehung der vollen Automatisierung des Schweinestalls allenfalls gelegentlich aufgesucht werde. Auf der anderen Seite sei es dem Kläger grundsätzlich verwehrt, sich auf das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme zu berufen, da dessen zur Vorbescheidung gestellte Bauvorhaben weder genehmigt noch in der Örtlichkeit vorhanden seien. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei anerkannt, dass etwaige künftige Entwicklungen in der Nachbarschaft eines Bauvorhabens nur insofern berücksichtigt werden könnten, wie sie im vorhandenen baulichen Bestand bereits ihren Niederschlag gefunden hätten (BVerwG, 4 C 19.90 u. 4 B 56/00). Nur eine tatsächlich ausgeübte Nutzung löse eine Rücksichtnahmepflicht aus (BVerwG, 4 C 19/90). Nur in diesem Fall könne das Abwehrinteresse des Nachbarn zu einem Abwehrrecht erstarken (BVerwG, 4 B 56/00). Dieser Ansatz werde auch durch die Kommentarliteratur bestätigt (unter Verweis auf Brüggel-mann/Dürr, BauGB, § 35 Randziff. 190). Insoweit werde auch auf einen Beschluss der 9. Kammer des VG Ansbach vom 22. März 1990 (AN 9 S 98.0185) verwiesen.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 24. Februar 2015 gegen die vorgenannten Stellungnahmen der übrigen Beteiligten. Er stellte zunächst klar, dass er kein Windkraftgegner sei und machte geltend, dass der Familienbetrieb tatsächlich im regionalen Vergleich nicht klein sei. Dementsprechend sei auch das Betriebserweiterungskonzept durchaus ernsthaft. Ein ernsthaftes Investitionsinteresse bestünde tatsächlich ebenso wie auch der gewählte Standort auf dem Flurstück … nicht mutwillig zur Erreichung einer Verhinderungsplanung erfolgt gewählt sei (wird im Einzelnen ausgeführt). Die Standortwahl erfolge auch nicht rücksichtslos. Unmittelbar vor der Genehmigung seiner Bauvorhaben sei eine Bearbeitungspause von rund sechs Wochen eingelegt worden, um zuvor die Windkraftanlagen zu genehmigen. Durch ein derart willkürliches Verwaltungshandeln könne keine irgendwie geartete Rechtsfolge Bestand haben. Die Belästigungen in Bezug auf die klägerischen Investitionen seien durch Nebenbestimmungen nicht berücksichtigt. Dies ergebe sich daraus, dass der von ihm gewählte Standort erst gar nicht als relevanter Standort geprüft worden sei. Für die klägerische Tierhaltung ergäben sich von den verschiedenen Windkraftanlagen noch weitere, unzulässige negative Auswirkungen anderer Art, wie zum Beispiel Schattenwurf, Infraschall, Lichtreflektionen usw., auf die das Landratsamt nicht eingehe. Bei ökologischer Wirtschaftsweise müsse den Tieren Aufenthalt im Freien möglich sein. Daneben ergäben sich auch unzulässige negative Einwirkungen auf die Tiergesundheit, die eigene Gesundheit des Klägers sowie auf die Gesundheit der Mitarbeiter. Neben der Bestandsplanung seien die Windkraftanlagen in der jetzt genehmigten Form auch ein unzulässiges Entwicklungshemmnis in Bezug auf weitere Betriebserweiterungen und auch hinsichtlich der Errichtung einer Betriebsleiterwohnung. Zum Thema Eiswurf sei entgegen der Ausführungen des Landratsamtes in den Nebenbestimmungen unter Ziffer 2.4.1 der Eiswurf nicht namentlich erwähnt. In den Antragsunterlagen sei nur eine Option eines Eis-Detektors beschrieben, eine verbindliche Festlegung sei nicht erfolgt. Auch sonst seien die Maßnahmen zur Eiserkennung und Eiswurfvermeidung in den Antragsunterlagen eher vage beschrieben. Daneben werde nochmals auf die Ausführungen des VG Würzburg im Beschluss vom 17. September 2014 verwiesen. Daneben werde darauf hingewiesen, dass für die Frage des Einflusses von WKA auf die Wirtschaftlichkeit der Nutztierhaltung nicht das Veterinäramt, sondern das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zuständig wäre. Daneben sei der vom Veterinäramt genannte Fall mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Die Satzung des Marktes … sei mittlerweile durch eine Normenkontrollklage der Stadt … angefochten. Damit sei die Wirksamkeit der Satzung in Frage gestellt. Im Übrigen seien rechtsfehlerhaft auch nicht alle Nachbarn ohne Abstandsflächenübernahmeerklärung innerhalb 1 H durch Bescheidübermittlung am Verfahren beteiligt worden. Daneben wurde die Argumentation zu den Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO wiederholt. Im Rahmen der brandschutzrechtlichen Prüfung sei vorgetragen worden, dass die Feuerwehr sich im Brandfall auf den Schutz der umliegenden Flächen im Rahmen eines kontrollierten Abbrands beschränke. Dies bedeute, dass für die klägerischen Bauvorhaben die konkrete Gefahr des Herabfallens brennender Rotorteile gegeben sei. Auch sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt worden. Gründe hierfür seien nicht ersichtlich. Außerdem seien verschiedene Unterlagen und Gutachten erst nach dem 4. Februar 2014 bei der Genehmigungsbehörde eingegangen. Insofern sei an diesem Tag kein vollständiger Bauantrag vorgelegen. Nach Art. 83 Abs. 1 i.V.m. Art. 82 Abs. 1 und 2 BayBO bestehe wegen Nichteinhaltung der 10 H keine Genehmigungsmöglichkeit.

Mit Ergänzungsbescheid vom 24. Februar 2015 wurde der streitgegenständliche Bescheid vom 15. August 2014 im Tenorpunkt V „Abweichung Abstandsflächen“ um die Zulassung einer Ab weichung von Art. 6 BayBO hinsichtlich mehrerer, im Einzelnen genau bezeichneter Wegeflächen im Umgriff der Windkraftanlagen ergänzt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Ergänzungsbescheid Bezug genommen. Da er dem Kläger erst am Tag der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2015 zur Kenntnis gebracht wurde, wurde die Verhandlung an diesem Tag vertagt und auf den 19. März 2015, 10:00 Uhr umgeladen.

Der Kläger übergab am 19. März 2015 um 9:50 Uhr einen mehrseitigen Schriftsatz, in dem er geltend machte, dass auch der Ergänzungsbescheid vom 24. Februar 2015 rechtswidrig sei (wird ausgeführt). Daneben vertiefte er seine Ausführungen zur Belastung durch Lärm und Schattenwurf. Konkret drohe auch für sein Grundstück durch die Windkraftanlagen eine Beeinträchtigung auf Grund Infraschalls (wird ausgeführt). Von den WKA gehe eine „meine Ansiedlung“ erdrückende Wirkung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB für Mensch und Tier aus. Daneben sei nicht für alle Flächen eine Abstandsflächenverringerung beantragt und ausgesprochen worden. So sei jedenfalls die FlNr. … ohne eine Abstandsflächenübernahmeerklärung für 0,4 h geblieben. Daneben wurde die bisherige Argumentation zur Regelung des Art. 82 BayBO n. F. und zu den Abstandsflächen vertieft. Wegen grundsätzlicher Bedeutung werde die Zulassung der Revision beantragt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den genannten Schriftsatz Bezug genommen.

Der Kläger beantragte in der mündlichen Verhandlung, den Genehmigungsbescheid in der Fassung des Ergänzungsbescheides aufzuheben, hilfsweise, die Unwirksamkeit festzustellen.

Die Beigeladene beantragt

Klageabweisung.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Behördenakten einschließlich der vom Gericht beigezogenen Bauakten hinsichtlich der vom Kläger gestellten Bauvoranfragen und die Niederschrift über die mündlichen Verhandlungen vom 25. Februar 2015 und vom 19. März 2015 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet.

Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft und auch innerhalb der Klagefrist erhoben, da die für den Kläger bestimmte Ausfertigung des streitgegenständlichen Bescheids vom 15. August 2014 ausweislich der Behördenakten am 19. August 2014 mit Übergabeeinschreiben zur Post gegeben wurde. Damit gilt der Bescheid nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 VwZVG am 22. August 2014 als zugestellt, die Klageerhebung am 22. September 2014 erfolgte daher fristgerecht. Entgegen der Ausführungen des Beklagten liegt für die Klage insgesamt auch die nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis vor. Insoweit kommt es nämlich im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung für die Frage, ob der Kläger durch den streitgegenständlichen Bescheid möglicherweise in eigenen Rechten verletzt ist, allein auf den Streitgegenstand als solchen an, nicht auf einzelne von Seiten des Klägers reklamierte materielle Kontexte. Die Klagebefugnis liegt daher bereits vor, wenn auch nur auf Grund eines einzigen materiellen Kontextes die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte des Klägers gegeben ist. Dies ist hier bereits auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (Nachbarschutz) der Fall. Ob tatsächlich durch den streitgegenständlichen Bescheid eine Verletzung in eigenen Rechten des Klägers erfolgt, wird dann eingehend im Rahmen der Begründetheit geprüft.

Ebenfalls zulässig ist die im Hilfsantrag begehrte Feststellung der Unwirksamkeit des streitgegenständlichen Bescheides. Dieser Antrag ist sachgerecht dahingehend auszulegen, dass damit einerseits die Feststellung der Unwirksamkeit des Bescheids auf Grund mangelhafter Bekanntgabe des Verwaltungsakts, andererseits die Unwirksamkeit auf Grund Nichtigkeit geltend gemacht wird. In beiden Varianten liegt das nach § 43 Abs. 1 VwGO notwendige Feststellungsinteresse vor. Für die zweite Variante ergibt sich dies bereits aus § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Aber auch für die Feststellungsklage wegen geltend gemachter unwirksamer Bekanntgabe liegt das allgemeine Feststellungsinteresse vor. Vertiefte Ausführungen erübrigen sich jedoch auf Grund der Tatsache, dass auch die im Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage unbegründet ist (hier zu 2.).

Die im Hauptantrag erhobene (Nachbar-) Anfechtungsklage ist unbegründet.

Im Bereich der hier vorliegenden Nachbarklage ist die Erfolgsaussicht der Klage daran zu messen, ob der Dritte durch den von ihm angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten im Sinn des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt wird. Beim Nachbarschutz ist darauf abzustellen, ob nachbarschützende Vorschriften beachtet wurden, das Gebot der Rücksichtnahme eingehalten und das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG nicht schwer und unerträglich beeinträchtigt wird (Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 98 ff.). Für das hier streitgegenständliche Immissionsschutzrecht ist zu beachten, dass Nachbarn nur Personen sind, die eine besondere persönliche oder sachliche Bindung zu einem Ort im Einwirkungsbereich der Anlage aufweisen. Hierzu zählen zunächst die Grundstückseigentümer und sonstige Bewohner, aber auch Eigentümer von Tieren, Pflanzen oder Sachen dort sowie alle Personen, die im Einwirkungsbereich der Anlage arbeiten, letztere unter der Voraussetzung, dass sich der Arbeitsplatz selbst und nicht nur ein beliebiger Teil des Betriebs im Einwirkungsbereich der Anlage befindet (Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 34 ff.). In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass (nur) die Schutzund Gefahrenabwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) mit ihren Konkretisierungen für den Nachbarn drittschützend ist (allgemeine Meinung, Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 120). Verstöße gegen das Verwaltungsverfahrensrecht können eine Rechtsverletzung von Nachbarn nur begründen, wenn so genannte absolute Verfahrensrechte betroffen sind (Kopp/Schenke, § 113 VwGO, Rn. 58 und § 42, Rn. 95 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Rahmen einer Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung grundsätzlich der Zeitpunkt der Behördenentscheidung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich (BVerwG, B. v. 11.1.1991, 7 B 102/90, BayVBl 1991, 375). Dies ist vorliegend das Datum der angefochtenen Genehmigung des Landratsamts …, also der 15. August 2014. Hieran ändert sich durch die Ergänzung der streitgegenständlichen Genehmigung durch den Ergänzungsbescheid vom 24. Februar 2015 hinsichtlich sämtlicher in der Genehmigung geregelter Komplexe mit Ausnahme des Aspekts, der im Ergänzungsbescheid vom 24. Februar 2015 geregelt ist, nichts. Insbesondere wird der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachund Rechtslage hinsichtlich der gesamten Genehmigung dadurch nicht nach hinten verschoben. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Dass bei Anfechtungsklagen eines Nachbarn im Immissionsschutzrecht grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen ist, wird, soweit ersichtlich, in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig betont (vgl. nur BayVGH, U. v. 15.12.2008, 22 B 07.143; OVG Koblenz, U. v. 12.5.2011, 1 A 11186/08; VGH Mannheim, B. v. 7.8.2014, 10 S 1853/13, jeweils juris). Nur in den Fällen, in denen nachträglich eine Änderung eingetreten ist, die sich insgesamt zugunsten des Vorhabens auswirkt, wird von einem Teil der Rechtsprechung dieser Grundsatz dahingehend ergänzt, dass diese Änderung zu berücksichtigen ist (BayVGH, U. v. 15.12.2008, 22 B 07.143; OVG Koblenz, U. v. 12.5.2011, 1 A 11186/08, juris). Zur Begründung wird sinngemäß die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Baurecht (BVerwG v. 23.4.1998, NVwZ 1998, 1179 m.w.N.) herangezogen, die unter dem Schlagwort „Meistbegünstigungstheorie zugunsten des Bauherrn“ (so Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 119 m.w.N.) zusammengefasst werden kann: Es wäre mit der nach der Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht zu vereinbaren, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn müssten außer Betracht bleiben (Wolff a.a.O.).

Demgegenüber ist nach der Rechtsprechung insbesondere des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (B. v. 7.8.2014, 10 S 1853/13; U. v. 14.5.2012, 10 S 2693/09, jeweils juris) gerade nicht danach zu differenzieren, ob etwaige Rechtsänderungen zugunsten oder zu Ungunsten des Anlagenbetreibers nach Bundesimmissionsschutzrecht eingetreten sind. In jedem Fall sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich. Denn die im Baurecht geltenden Grundsätze seien auf das Immissionsschutzrecht nicht zu übertragen (ebenso VG Gießen, U. v. 23.7.1999, 8 E 1215.98, juris; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 29.6.2011, OVG 10 N 39, 08, juris). Nach dieser Rechtsprechung ist also die Frage, ob sich die Sachlage hier zugunsten oder zu Lasten der Beigeladenen verändert hat, irrelevant. Aber auch nach der zuvor dargestellten, aus dem Baurecht übernommenen Rechtsauffassung bleibt es im vorliegenden Fall bei der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids, hier also am 15. August 2014: Denn wie bereits dargestellt, zielt diese Rechtsprechung darauf ab, zu verhindern, dass bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung es dazu käme, dass zunächst durch Urteil des Verwaltungsgerichts ein Bescheid aufgehoben werden müsste, der in der Folgezeit auf Grund der nun zugunsten des Bauherrn bzw. Anlagenbetreibers erfolgten Rechtsänderung sofort erneut ergehen müsste. Ei ne derartige Sachlage liegt hier aber gar nicht vor. Denn es liegt eine Änderung der Rechtslage zugunsten des Vorhabenträgers gerade nicht vor. Vorliegend hat sich nämlich durch die zwischen Bescheiderlass und Entscheidung des Gerichts erfolgte Einfügung des Art. 82 BayBO in das zu prüfende Recht eine Änderung zu Lasten des Vorhabenträgers ergeben. Diese wäre auch nach den vorstehend genannten baurechtlichen Grundsätzen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

Mithin ist also maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich des im Ergänzungsbescheid vom 24. Februar 2015 geregelten Aspekts die zu diesem Zeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, im Übrigen, also bezüglich aller anderen Aspekte, die Sachund Rechtslage vom 15. August 2014.

Dass dieses Ergebnis sachgerecht ist, zeigt auch ein Vergleich mit einer denkbaren, und im Parallelfall der Klage der Stadt … auch erfolgten prozessualen Fallgestaltung: Denn der Kläger hätte, anstatt wie vorliegend den Ergänzungsbescheid in die bereits erhobene Klage einzubeziehen, auch entsprechend der dem Ergänzungsbescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:isoliert Klage gegen diesen erheben können. Diese zweite Klage wäre dann ganz regulär nach der Sach- und Rechtslage bei Erlass des Ergänzungsbescheides beurteilt worden. Die Tatsache, dass hier ein anderes prozessuales Vorgehen gewählt wurde, kann aber nicht dazu führen, dass dann ein anderer Bezugspunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gelten würde. Ansonsten wären die durch die Rechtsprechung zu findenden Ergebnisse dem Vorwurf der Beliebigkeit und Willkür ausgesetzt.

Eine weitere Stütze findet das gefundene Ergebnis auch im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. August 2014 (22 CS 14.1597, juris). Dort erfolgte ähnlich wie im vorliegenden Fall während des gerichtlichen Verfahrens eine Ergänzung der streitgegenständlichen Genehmigung durch einen Ergänzungsbescheid, der insbesondere auch eine Abweichung nach Art. 63 BayBO vorsah. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof musste in der im Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluss nach § 123 VwGO ergangenen Entscheidung zwar mangels einer hier relevanten Änderung der Rechtslage nicht zum in derartigen Konstellationen maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage Stellung nehmen. Jedoch führt er zutreffend aus, dass bei der Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO der Nachbar keinen Anspruch darauf habe, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht mit allen objektiv zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen übereinstimme. Vielmehr seien nur diejenigen öffentlichen Belange in die Abwägung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO einzustellen, die mit der die Abweichung auslösenden konkreten Maßnahme in einem funktionalen Zusammenhang stehen (BayVGH a.a.O., juris, Rn. 20 m.w.N.). Dementsprechend geht auch die Kammer davon aus, dass die bloße Tatsache, dass hier ein Ergänzungsbescheid bezüglich Art. 63 BayBO erging, nicht dazu führen kann, dass nun die gesamte immissionsschutzrechtli-che Genehmigung vom 15. August 2014 an der Rechtslage zum 24. Februar 2015 zu messen ist.

a) Der Bescheid vom 15. August 2014 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 24. Februar 2015 ist formell rechtmäßig.

Soweit der Kläger geltend macht, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht durchgeführt worden sei, ist anzumerken, dass nach der Anlage 1 zum UVPG, Ziffer 1.6.2 für Errichtung und Betrieb einer Windfarm mit Anlagen in einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m mit 6 bis weniger als 20 Windkraftanlagen eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c Satz 1 UVPG notwendig ist. Diese wurde ausweislich der Behördenakten durchgeführt und das Ergebnis entsprechend § 3 a Satz 2 UVPG im Amtsblatt vom 2. April 2014 ortsüblich bekanntgemacht (Ordner Schriftverkehr, Genehmigungsverfahren, Bl. 265). Ansatzpunkte für einen diesbezüglichen Rechtsverstoß sind nicht erkennbar. Insbesondere substantiiert der Kläger auch nicht, worin eine Rechtsverletzung liegen sollte.

Soweit klägerseits beanstandet wird, er habe im Verfahren lediglich unvollständige Informationen erhalten, ist festzuhalten, dass ausweislich der Behördenakten das Landratsamt die einschlägigen Vorgaben der 9. BImSchV und des BImSchG eingehalten hat. Dem Kläger wurde auch mit Schreiben des Landratsamts vom 11. September 2014 (Ordner Einwendungen, Bl. 243) ausdrücklich Akteneinsicht angeboten. Da die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen eingehalten wurden, kommt es hierauf jedoch nicht an. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass das beklagtenseits angeführte Schreiben vom 13. Februar 2014 (Bl. 218 des Ordners Einwendungen), mit dem ein Übersichtslageplan übersandt wurde, nicht an den Kläger, sondern an dessen Vater gerichtet war.

Soweit der Kläger geltend macht, dass durch die Erteilung der Genehmigung das verfassungsrechtliche Grundrecht auf Eingaben und Beschwerden verletzt worden sei, ist zunächst anzumerken, dass die Einlegung einer Petition nach Art. 17 GG ein Genehmigungsverfahren nicht unterbricht und auch die Erteilung einer Genehmigung nicht verhindert. Im Übrigen ist es vollkommen ausgeschlossen, dass der Kläger insoweit in eigenen Rechten verletzt ist, da er selbst auch nach seinem eigenen Vortrag keine Petition angestrengt hat.

Weitere formelle Fehler, die zu einer Rechtsverletzung des Klägers führen könnten, sind weder ersichtlich noch klägerseits vorgetragen.

b) Der Bescheid vom 15. August 2014 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 24. Februar 2015 ist auch materiell rechtmäßig.

Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass das klägerische Grundstück FlNr. … der Gemarkung … im maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage (siehe oben) ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück im Außenbereich darstellte. Auf diesem Grundstück befindet sich weder ein Schweinestall noch eine landwirtschaftliche Maschinenhalle geschweige denn der vom Kläger in seinen Schriftsätzen immer wieder angeführte Aufenthaltsraum bzw. Büroarbeitsplatz. Entgegen der wiederholten Ausführungen des Klägers in seinen Schriftsätzen hatte er auch weder bei Erlass der Genehmigung am 15. August 2014 noch bei Erlass des Ergänzungsbescheides am 24. Februar 2015 noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlungen vom 25. Februar und vom 19. März 2015 „Baurecht“. Ihm war einzig und allein auf Grund seiner am 13. März 2014 beim Landratsamt eingegangenen Bauvoranfrage am 4. September 2014 ein Bauvorbescheid erteilt worden. Dieser stellt nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 71 BayBO jedoch nur eine verbindliche Äußerung der Baugenehmigungsbehörde zu einzelnen Fragen eines Bauvorhabens dar. Das (präventive) Bauverbot nach Art. 55 BayBO wird dadurch aber nicht außer Kraft gesetzt. Die Gründe, warum der Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung, die allein das für den hier vorliegenden Außenbereich nach § 35 BauGB geltende Bauverbot aufheben würde, nicht gestellt hat, sind unerheblich: So mag es auf Grund des Prozessrisikos durchaus nachvollziehbar sein, dass der Kläger den Ausgang des vorliegenden Verwaltungsstreitverfahrens zunächst abwarten will. Dies ändert aber nichts da ran, dass im maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ein Baurecht des Klägers nicht bestanden hat.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte liegt eine materielle Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Genehmigung, die zu einer Verletzung des Klägers in eigenen Rechten führen würde, nicht vor.

(1) Die eine Genehmigungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bildende nachbarschützende Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (Jarass, BImSchG, § 5, Rn. 120; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 BImSchG, Rn. 114; Kopp/Schenke, VwGO, § 42, Rn. 105), wonach genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen nicht hervorgerufen werden können, ist nicht verletzt.

Dabei können schädliche Umwelteinwirkungen durch den Normalbetrieb der Anlage ebenso wie durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder durch Störfälle verursacht werden (Jarass, § 5, Rn. 12; einschränkender Landmann/Rohmer a.a.O., § 5 BImSchG, Rn. 96). Dem Immissionsbegriff entsprechend ist auf eine Gesamtbelastung am Einwirkungsort abzustellen, sofern der Mitverursachungsanteil mehr als unerheblich ist (Landmann/Rohmer, § 3 BImSchG, Rn. 20 c und § 50 BImSchG, Rn. 57). Schädliche Umwelteinwirkungen im vorgenannten Sinn sind nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BImSchG dabei solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (für Geräusche Nr. 2.1 TA Lärm). Auch die Licht-Schatten-Wirkung von Windkraftanlagen, nämlich der periodische Schattenwurf und der so genannte Discoeffekt dürften als (positive und nicht nur negative) Immission einzustufen sein, da es nicht nur um die reine Verschattung geht, sondern vielmehr durch den Rhythmus der Rotorbewegungen vorgegeben eine qualitative Veränderung der natürlichen Lichtverhältnisse stattfindet (Jarass, § 3 BImSchG, Rn. 7 a; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3 BImSchG, Rn. 20 o und § 22 BImSchG, Rn. 13 f; OVG NRW, B. v. 3.9.1999, 10 B 1283/99; OVG Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 8.3.1999, 3 M 85/98; OVG Niedersachsen, B. v. 15.3.2004, 1 ME 45/02, jeweils juris). Niederfrequente Schwingungen fester Körper, wie insbesondere der so genannte Infraschall, stellen, soweit sie hörbar sind, Geräusche und im Übrigen Erschütterungen (so Jarass, § 3 BImSchG, Rn. 3; Landmann/Rohmer, § 3 BImSchG, Rn. 20 i) oder ähnliche Erscheinungen dar und können daher schädliche Umwelteinwirkungen sein. Die Gefährdung durch Eiswurf zählt zu den sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder Belästigungen für die Nachbarschaft (OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 12.5.2011, 1 A11186/08, juris). Welche Beeinträchtigungen dabei als erheblich einzustufen sind, bemisst sich danach, was die Betroffenen an Immissionen nicht mehr hinzunehmen brauchen, weil sie unzumutbar sind (Jarass, § 3 BImSchG, Rn. 47). Dabei sind die auch die Gebietsart und Vorbelastungen von Bedeutung (Jarass, § 3 BImSchG, Rn. 55 und 58). Insoweit ist auf die baupla-nungsrechtlich geprägte objektive Grundstückssituation abzustellen. Technische Regelwerke bieten für die Zumutbarkeit von erheblich schädlichen Belästigungen Orientierungswerte oder Richtwerte (Jarass, § 48 BImSchG, Rn. 14). Auch die durch den Betrieb von Windenergieanlagen hervorgerufenen Geräusche sind nach den allgemeinen immissionsschutzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen, insbesondere ist die auf der Ermächtigungsgrundlage in § 48 BImSchG beruhende TA Lärm vom 26. August 1998 (GMBl S. 503) als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift grundsätzlich anwendbar (BVerwG, U. v. 29.8.2007, 4 C 2/07; BayVGH, B. v. 31.10.2008, 22 CS 08.2369 und B. v. 14.1.2009, 22 ZB 08.1715, jeweils juris; Ohms DVBl 2003, 958/960; Middeke DVBl 2008, 292/296). In den Hinweisen zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) vom März 2005 werden die Anforderungen der TA Lärm an die Durchführung von Immissionsprognosen weiter konkretisiert und Empfehlungen für Nebenbestimmungen der Genehmigung gegeben (vgl. auch Nr. 5.1.1 des Windenergieerlasses NRW vom 21.10.2005, MBl. NRW 2005, 1288, Nr. 8.2.4.1 der Bayerischen Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen vom 20.12.2011 (Windkrafterlass Bayern)). Bezüglich des anlagetypischen periodischen Schattenwurfs und des Lichteffekts können die Hinweise zur Ermittlung und Beurteilung der optischen Immissionen von Windenergieanlagen (WEA-Schattenwurf-Hinweise) des LAI vom Mai 2002 (vgl. auch Nr. 5.1.2 des Windenergieerlasses NRW; Nr. 8.2.9 des Windkrafterlasses Bayern) zur Orientierung herangezogen werden (OVG Mecklenburg-Vorpommern und OVG Niedersachsen a.a.O.; Middeke a.a.O. S. 297; Ohms a.a.O. S. 962). Wird aber durch Einhaltung der vorstehend maßgeblichen Immissionswerte der Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG genügt, steht aus immissionsschutzrechtlicher Sicht gleichzeitig fest, dass insoweit auch kein Verstoß gegen ein bauplanungsrechtlich zu verstehendes Rücksichtnahmegebot vorliegt, da sie nur dessen spezialgesetzliche Ausformung darstellt. Der öffentliche Belang, dass ein privilegiertes Vorhaben wie die Nutzung der Windenergie im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen darf, bemisst sich seinerseits nämlich gerade nach § 3 Abs. 1 BImSchG (BVerwG a.a.O.). Unter die drittschützende Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG fallen auch betriebsbedingte Gefahren (Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 13 und 27), also Gefahren, deren Auswirkungen im direkten Umfeld sich der Anlage konkret zuordnen lassen, wozu Gefahren aus abgebrochenen Rotorblättern oder auch durch Eisabwurf gehören (Rectanus NVwZ 2009, 871/873; OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 19.1.2006, 1 A 10845/05, juris; Nr. 8.2.10 des Bayerischen Windkrafterlasses). Ein Vorhaben, das diese immissionsschutzrechtlichen Grenzen einhält, ist also weder rücksichtslos noch stellt es einen schweren und unerträglichen Eigentumseingriff auch nicht unter dem Aspekt des Eigentumsgrundrechts dar.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hinsichtlich des von den genehmigten Windkraftanlagen ausgehenden Lärms festzuhalten, dass die Frage, ob auf dem Grundstück des Klägers die nach der TA Lärm geltenden Grenzwerte für ein Dorfgebiet (MD von tagsüber 60 dB(A) und von nachts 45 dB(A) eingehalten würden, irrelevant ist, da im maßgeblichen Zeitpunkt am 15. August 2014 auf diesem Grundstück kein zum Aufenthalt von Menschen geeigneter oder vorgesehener Raum vorhanden war. Der Beklagte musste daher entgegen dem klägerischen Bekunden das Grundstück des Klägers nicht als maßgeblichen Immissionsort nach Ziffer 2.3 der TA Lärm berücksichtigen.

Im Wesentlichen das Gleiche gilt auch für die klägerseits geltend gemachte Belastung durch Infraschall, Schattenwurf und Lichtreflexionen. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, inwiefern für das im maßgeblichen Zeitpunkt landwirtschaftlich genutzte Grundstück derartige Umwelteinwirkungen (im Sinne von § 3 Abs. 2 BImSchG) - unterstellt, sie lägen tatsächlich vor - schädlich sein sollten. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen (ohne dass es für die Entscheidung darauf ankäme), dass es nach den Ausführungen des Bayerischen Windkrafterlasses durch Infraschall ab einer Entfernung von 250 m zur Windkraftanlage keinerlei messbare Auswirkungen mehr gebe. Da der vom Kläger geplante Schweinestall zu den bereits genehmigten Windkraftanlagen hinzukäme, wäre ein entsprechendes Abrücken von den Windkraftanlagen auf dem klägerischen Grundstück grundsätzlich möglich. Dass dies aus den vom Kläger angeführten Gründen weniger wünschenswert wäre, ist insoweit unerheblich, da, wie bereits, das klägerische Bauvorhaben zu den bereits genehmigten Windkraftanlagen hinzutreten würde. Soweit der Kläger Beeinträchtigungen durch den von den Windkraftanlagen ausgehenden Schattenwurf geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass die Richtwerte für den Schattenwurf auf die Wohnnutzung durch Menschen zugeschnitten sind. Eine unmittelbare Übertragung dieser Grundsätze auf Arbeitsplätze kann nicht erfolgen (OVG Hamburg, 2 Bs 180/00, juris). Der vom Kläger geltend gemachte Arbeitsplatz ist zum maßgeblichen Zeitpunkt vollkommen unkonkret: Insbesondere in den vom Gericht beigezogenen Unterlagen des baurechtlichen Verfahrens zur Erteilung des Vorbescheids finden sich insoweit praktisch keine Angaben des Klägers. Jedenfalls muss aber davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um einen nicht dauerhaft genutzten Arbeitsplatz handelt. Etwas anderes lässt sich jedenfalls den baurechtlichen Unterlagen nicht entnehmen. Daher sind negative Auswirkungen durch Schattenwurf auf in dem Schweinestall arbeitende Menschen nicht erkennbar. Ähnliches gilt für die klägerseits geltend gemachten Auswirkungen auf die von ihm zu haltenden Schweine. Insoweit führt der Kläger aus, dass diese ökologisch gehalten werden sollten. Auch dieses lässt sich den baurechtlichen Unterlagen nicht entnehmen. Aber auch wenn es sich diesen entnehmen ließe, würde es, da der Kläger bisher nur einen Vorbescheid erhalten hat, nicht der streitgegenständlichen Genehmigung entgegenstehen. Im Übrigen sind die von ihm geltend gemachten und befürchteten Auswirkungen auf die ökologische Haltung von Schweinen rein spekulativ, wie sich der entgegengesetzten Stellungnahme des Veterinäramts des Landratsamts entnehmen lässt. Hinsichtlich der befürchteten Auswirkungen von Lichtreflexionen ist anzumerken, dass diese durch im Bescheid enthaltene Auflagen bereits eingeschränkt sind. Eine Relevanz dieser für in dem Schweinestall arbeitende Menschen ist ebenso wenig ersichtlich wie bezüglich der dort zu haltenden Tiere. Vertiefte Ausführungen sind hierzu nicht erforderlich, da, wie bereits eingangs ausgeführt, es sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück ohne Bebauung handelt.

Hinsichtlich der Gefahr von Eisschlag gilt, dass bereits in den Antragsunterlagen unter Ziffer 4.3 eine Eiserkennung und eine Abschalteinrichtung vorgesehen sind. In der Nebenbestimmung Ziffer 2.4.1 des Bescheides vom 15. August 2014 werden alle in Ziffer 4.3 der Antragsunterlagen vorgesehenen Maßnahmen vom Beklagten für verbindlich erklärt. Damit sind auch die in den Antragsunterlagen als optional genannten Maßnahmen für verbindlich erklärt. Die Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom 24. Februar 2015, dass der Eisdetektor von der Beigeladenen nur optional angeboten werde, trifft auch ungeachtet dieser Nebenbestimmung 2.4.1 schon nicht zu. Denn bereits auf Seite 1 (Rückseite) von Ziffer 4.3 der Antragsunterlagen erklärt die Beigeladene, dass alle vier Anlagen mit einer Eiserkennung mit Abschaltautomatik ausgerüstet werden. Damit wird die in den beigefügten Unterlagen des Anlagenherstellers nur als optional angegebene Eiserkennung automatisch bereits vom Beigeladenen als vorgesehen festgelegt.

Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass die vom Kläger angeführte Entscheidung des VG Würzburg vom 17. September 2014 (tatsächlich drei im Wesentlichen gleichlautende Entscheidungen mit den Az. W 4 S 14.896, W 4 S 14.895, W 4 S 14.882) mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar sind. Wie das VG Würzburg in den genannten Entscheidungen (dort Rn. 30 bis 37) jeweils ausführt, waren in den dortigen Fällen die Antragsunterlagen, insbesondere die „technische Beschreibung E. Eiserkennung-Leistungskurvenverfahren“ vom 28. Oktober 2010 abstrakt gehalten und enthielten keine konkreten Regelungen für den Einzelfall (Rn. 34 a.a.O.). Daher hätten im streitgegenständlichen Bescheid dort Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden müssen (a.a.O. Rn. 35). Im vorliegenden Fall war in den Antragsunterlagen einerseits eine allgemeine Beschreibung „Maßnahmen bei Eisansatz - gültig für alle Nordex-Windenergieanlagen“ vom 11. April 2013 (Ordner Planunterlagen I, Bl. 343 bis 346), andererseits aber auch eine konkrete Regelung zum Problem „Eisabwurf“ (Ordner Planunterlagen I, Rückseite Bl. 334) enthalten. In der allgemeinen Unterlage zu „Maßnahmen bei Eisansatz“ findet sich unter Ziffer 2 „Stoppen der WEA bei Eisansatz - warum?“ zunächst die Feststellung, dass Objekte, deren Entfernung von der Windenergieanlage geringer ist als 1,5 mal der Summe von Nabenhöhe und Rotordurchmesser durch weggeschleudertes Eis gefährdet werden können. Der Betreiber habe bei entsprechender Wetterlage den Zustand der Windenergieanlage zu überwachen. Durch den Betreiber der Anlage seien Hinweisschilder „Achtung Eisabwurf“ im Umkreis von 300 m um die Anlage aufzustellen. Unter Ziffer 3 „Möglichkeiten der Eiserkennung“ wird zunächst festgestellt, dass die Windenergieanlage Eisansatz anhand der Standard-Sensorik indirekt erkennen könne (Erkennung von Unwuchten und Vibrationen, Erkennung von nicht plausiblen Betriebsparametern und Erkennung von unterschiedlichen Messwerten der Windsensoren). Trete einer dieser drei Zustände auf, werde die Windenergieanlage gestoppt und der Fehler automatisch der Fernüberwachung gemeldet. Daneben könne ein optionaler Eisdetektor (so Ziffer 3.2) Eis erkennen. Dieser werde auf dem Maschinenhaus angebracht, messe die Temperatur und die induzierten Schwingungen eines Sensordrahtes. Bei Überschreitung bestimmter Grenzwerte werde Eisalarm ausgelöst und die Windenergieanlage durch die Betriebsführung gestoppt. Nach einem Stopp wegen direkter Erkennung von Eisansatz (Option Eisdetektor) könne die Windenergieanlage nur manuell vor Ort wieder gestartet werden und es müsse eine persönliche Begutachtung erfolgen. Bei der indirekten Erkennung (Ziffer 3.1) sei ein Wiederanfahren aus der Fernwartung möglich (so Ziffer 4). Weiterhin bestehe die Möglichkeit, bei Erkennung von Eisansatz die Windenergieanlage in eine vorgegebene Parkposition zu drehen. So werde verhindert, dass sich die Rotorblätter z. B. über Verkehrswegen befänden (Ziffer 4). Darüber hinaus wird in den konkreten Regelungen zum Eisabwurf (Ordner Planunterlagen I, Bl. 334 Rückseite) geregelt, dass alle vier Anlagen mit einer Eiserkennung mit Abschaltautomatik ausgerüstet werden. Im ruhenden Zustand befänden sich die Rotorblätter nicht über öffentlichen Feldwegen, so dass diese Gefahr nur noch auf den jeweiligen Privatgrundstücken bestehe. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die in der allgemeinen Unterlage lediglich als Möglichkeit vorgesehene Option, dass die Windenergieanlage in eine Parkposition gedreht werde bei Eisansatz, grundsätzlich vom Anlagenbetreiber vorgesehen ist. Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid diesen Möglichkeiten zur Verhinderung von Eisabwurf durch die Nebenbestimmung 2.4.1 ausreichend Rechnung getragen, indem er alle in Ziffer 4.3 der Antragsunterlagen vorgesehenen Maßnahmen für verbindlich erklärt hat. Damit hat der Beklagte das Risiko von Eisabwurf auf ein Restrisiko minimiert, das dem allgemeinen Lebensrisiko entspricht (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 12.5.2011, 1 A 11186/08, juris, insbesondere Rn. 70 ff.). Für das klägerische Grundstück besteht auch deswegen keine erhebliche Beeinträchtigung, als es sich im maßgeblichen Zeitpunkt um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück handelt, auf dem ein dauerhafter Aufenthalt von Menschen nicht stattfindet.

Soweit der Kläger die von herabfallenden, z. B. nach Blitzschlag brennenden Rotorteilen oder gebrochenen Rotorteilen bzw. vom Umsturz des ganzen Windrads oder einem Brand des Windrads ausgehenden Gefahren geltend macht, ist zunächst wiederum darauf hinzuweisen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt das klägerische Grundstück ausschließlich landwirtschaftlich genutzt ist und es nicht dem dauerhaften Aufenthalt von Menschen dient. Der Gefährdung durch brennende Rotorteile kann daher sehr einfach entgangen werden. Im Übrigen werden im Bescheid durch die Nebenbestimmungen Ziffer 1.2 und 1.3 Anforderungen an die Betriebssicherheit und die Standsicherheit der Windkraftanlagen gestellt. Eine Gefährdung wird dadurch soweit als möglich ausgeschlossen.

Die streitgegenständliche Genehmigung verstößt auch nicht gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Dieses ist als so genannter ungeschriebener Belang in § 35 BauGB geregelt und nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG im immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu prüfen.

Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die dabei vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Berechtigte Belange muss er nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu schonen. Dagegen muss er es hinnehmen, dass Beeinträchtigungen, die von einem legal genutzten vorhandenen Bestand ausgehen, bei der Interessenabwägung als Vorbelastungen berücksichtigt werden, die seine Schutzwürdigkeit mindern (BVerwG, U. v. 14.1.1993, 4 C 19/90, juris, Rn. 20 m.w.N.). Welches Maß an Rücksichtnahme das Rücksichtnahmegebot dem Bauinteressenten (hier also der Beigeladenen) abverlangt, richtet sich nach dem in der Umgebung tatsächlich Vorhandenen nach Maßgabe des rechtlich Zulässigen (BVerwG a.a.O., Rn. 25). Insoweit ist wiederum zunächst festzuhalten, dass im maßgeblichen Zeitpunkt auf dem klägerischen Grundstück ein Baubestand nicht vorhanden ist. Das Vorhaben des Klägers auf diesem Grundstück ist im maßgeblichen Zeitpunkt über das Konkretisierungsstadium des Vorbescheids noch nicht hinausgekommen. Aus welchen Gründen dies der Fall ist und ob diese legitim oder missbräuchlich sind, ist insoweit gleichgültig.

Was das rechtlich Zulässige angeht, so ist festzuhalten, dass beide Vorhaben, sowohl das der Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB als auch des Klägers nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässig sind. Damit liegen zwei konkurrierende, jeweils im Außenbereich privilegierte Vorhaben vor, von denen keines im maßgeblichen Zeitpunkt bereits tatsächlich realisiert ist. Allerdings befand sich das klägerische Vorhaben im maßgeblichen Zeitpunkt erst im Stadium eines Antrags auf Erteilung eines Vorbescheides (die Gründe hierfür sind wiederum im vorliegenden Verfahren gleichgültig). Demgegenüber war das Vorhaben der Beigeladenen zu diesem Zeitpunkt genehmigt. Auf Grund der geringeren Konkretisierung ist das klägerische Vorhaben daher entsprechend der oben genannten Grundsätze weniger schutzbedürftig (vgl. auch BVerwG, B. v. 5.11.2002, 9 VR 14/02, juris: sog. Prioritätsgrundsatz).

Darüber hinaus hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 1. Dezember 2014 (22 ZB 14.1594, erster Leitsatz, Rn. 17 bis 20, juris) entschieden, dass eine im Außenbereich ausgeübte Wohnnutzung nicht das Maß an Rücksichtnahme gegenüber einer ebenfalls im Außenbereich geplanten Windkraftanlage verlangen könne wie eine Wohnnutzung im Innenbereich. Wer im Außenbereich wohne, müsse grundsätzlich mit der Errichtung von Windkraftanlagen und deren optischen Auswirkungen rechnen. Gleiches muss aber auch für einen Schweinestall im Außenbereich, wie ihn der Kläger nach seinen Bekundungen errichten will, gelten: Auch dieser muss in der Planungsphase, in der sich das klägerische Vorhaben ja im maßgeblichen Zeitpunkt befand, damit rechnen, dass ein ebenfalls privilegiertes Vorhaben, wie eine Windkraftanlage, in seiner Nähe errichtet wird. Denn der Kläger wohnt ja nicht einmal im Außenbereich, umso mehr muss der aus der genannten Entscheidung des VGH abgeleitete Grundsatz für den Fall des Klägers gelten. Im Übrigen hat auch das Bundesverwaltungsgericht in der oben genannten Entscheidung zu erkennen gegeben, dass der in der Umgebung tatsächlich vorhandene Bestand für das Maß der Rücksichtnahme maßgeblich ist. Daraus folgt zwangsweise, dass derjenige, der als erster eine Genehmigung hat und diese auch umsetzt, im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme einen rechtlichen Vorteil erzielt.

Im Ergebnis ist es dem Kläger daher im maßgeblichen Zeitpunkt zumutbar, dass die streitgegenständlichen Windkraftanlagen, konkret die WKA 2, in unmittelbarer Nähe seines Grundstücks errichtet wird. Seine Rechtsposition gegenüber der Errichtung der Windkraftanlagen ist von einer relativ geringen Schutzwürdigkeit geprägt, da es sich bei den WKA um eine im Außenbereich privilegierte Nutzung handelt, mit der im Außenbereich zu rechnen ist. Demgegenüber wird der Kläger in der Nutzung seines Grundstücks durch die streitgegenständliche Genehmigung nur gering eingeschränkt: Die im maßgeblichen Zeitpunkt aktuelle Nutzung als landwirtschaftliches Grundstück wird nicht unmöglich gemacht. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand dürfte auch die geplante Nutzung des Grundstücks für einen Mastschweinestall nicht von vornherein ausgeschlossen sein: Nach der im Rahmen von Vorplanungen nach Ziffer A.2.1 der TA Lärm anzustellenden überschlägigen Prognose wird am Tage am vom Kläger geplanten Stall ein Lärmwert von 57 dB(A) eingehalten. Damit wird der Richtwert für ein Dorfgebiet (MD) von 60 dB(A) mit einem Sicherheitszuschlag von 3 dB(A) unterschritten. Überschritten wird allein der Richtwert eines Dorfgebiets für die Nacht von 45 dB(A) mit einem Wert laut der überschlägigen Berechnung von 55,1 dB(A). Diese Richtwertüberschreitung könnte aber gegebenenfalls durch ein Abrücken des geplanten Stalles von der WKA 2 oder jedenfalls auch des ge planten Arbeitsraumes Weg von dieser Windkraftanlage unterschritten werden. Die für die Haltung von Tieren maßgeblichen Lärmgrenzwerte nach der Tierschutz-Nnutztier-VO (§ 26 Abs. 3, Ziffer 2) von 85 dB(A) würden bereits jetzt grundsätzlich eingehalten. Nach dem Rücksichtnahmegebot wäre der Kläger als derjenige, der zu der dann bereits vorhandenen Windkraftnutzung hinzutritt, auch zu einer entsprechenden Umplanung verpflichtet. Dem steht auch nicht der bisherige Konkretisierungsgrad laut dem Vorbescheid des Landratsamts … entgegen: Darin ist weder die Betriebsart (lt. Kläger ökologische Schweinehaltung) noch die genaue Lage des Arbeitsplatzes geregelt.

(3) Schließlich sind auch die bauordnungsrechtlich bei der Errichtung von Windenergieanlagen einzuhaltenden Abstandsflächenvorschriften nachbarschützend. Diese sind hier über § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu prüfen. Eine Verletzung dieser Abstandsflächenvorschriften liegt jedoch nicht vor.

Denn die WKA 1, 2 und 4 liegen im Geltungsbereich der Abstandsflächensatzung des Marktes … Würde der WKA 2 eine Abstandsfläche von 1 H zugrunde gelegt, so würde diese Abstandsfläche auf dem Grundstück des Klägers zu liegen kommen. Tatsächlich ist dies aber nicht der Fall, da durch die genannte Abstandsflächensatzung die Tiefe der Abstandsfläche auf 0,4 h festgelegt wurde.

Dagegen ist entgegen der Bekundungen des Klägers rechtlich nichts einzuwenden. Der Markt … ist zum Erlass der Abstandsflächensatzung nach Art. 6 Abs. 7 BayBO zuständig. Maßgeblich ist insoweit, dass das jeweilige Bauvorhaben auf dem Gebiet der jeweiligen Gemeinde liegt. Unerheblich ist insoweit, wo die Abstandsfläche von 1 h zu liegen käme. Dementsprechend überschreitet der Markt … beim Erlass dieser Satzung auch nicht seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich. Das Gericht verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung, Seite 4.

Anhaltspunkte dafür, dass die Abstandsflächensatzung des Marktes … rechtswidrig und damit unwirksam wäre, liegen nicht vor und werden klägerseits auch nicht vorgetragen. Die bloße Tatsache, dass ein Antrag auf Normenkontrolle nach § 47 VwGO beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht wurde, führt für sich genommen nicht dazu, dass die Abstandsflä chensatzung als unwirksam zu betrachten ist. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht zu einer Inzidentkontrolle der Abstandsflächensatzung befugt. Nachdem aber, wie bereits festgestellt, Gründe für die Rechtswidrigkeit weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich sind, führt diese Inzidentprüfung nicht zu dem Ergebnis, dass die Abstandsflächensatzung unwirksam wäre.

(4) Soweit der Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung des als Ensemble denkmalschutzrechtlich geschützten Altstadtbereichs der Stadt …, des Orts- und Landschaftsbildes, des Erholungswertes der Landschaft sowie von Naturschutz und Landschaftspflege geltend macht, handelt es sich dabei um allein im öffentlichen Interesse stehende Aspekte, aus denen er eine Verletzung in eigenen Rechten im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht ableiten kann. Weitere Ausführungen erübrigen sich daher.

Gleiches gilt, soweit er die fehlende Erschließung der für die Errichtung der WKA notwendigen Grundstücke geltend macht. Auch dabei handelt es sich um eine nur im öffentlichen Interesse bestehende Genehmigungsvoraussetzung, die nicht nachbarschützend ist. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass diese Anforderung nur die Erschließung für Fahrten während des Betriebs der Windkraftanlagen, nicht jedoch während der Bauphase betrifft (BayVGH, 22 CS 12.2297, juris, m.w.N.). Für die notwendigen Fahrten während des Betriebs der Windkraftanlagen reichen jedoch die vorhandenen Feldwege aus.

Mangels einer denkbaren Rechtsverletzung kann der Kläger sich auch nicht auf eine etwaige Rechtswidrigkeit des Ergänzungsbescheides vom 24. Februar 2015 berufen: Denn darin wird ausschließlich für Flächen, die nicht in seinem Eigentum stehen, eine Abweichung von Art. 6 BayBO nach Art. 63 BayBO zugelassen. Auch wenn diese Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften rechtswidrig wäre, könnte daraus eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten nicht resultieren. Gleiches gilt für den in dem am 19. März 2015 übergebe-nen Schriftsatz beanstandeten Aspekt, dass für das nicht im Eigentum des Klägers stehende Grundstück FlurNr. … eine Reduzierung der Abstandsflächen nicht erfolgt sei. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich daher.

Ohne Bedeutung ist vorliegend auch die neu eingeführte Bestimmung des Art. 82 BayBO (so genannte 10H-Regelung). Diese wurde erst mit Wirkung vom 21.November 2014 eingeführt und war damit im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gültigen Zeitpunkt noch nicht wirksam. Daran ändert auch die nach diesem Zeitpunkt erfolgte Ergänzung des Bescheids vom 15. August 2014 durch den Ergänzungsbescheid vom 24. Februar 2015 nichts, da diese sich allein auf eine Abweichung nach Art. 63 BayBO von den Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO beschränkte. Wie bereits oben ausgeführt wurde führt eine derartige Ergänzung aber nicht dazu, dass im Rahmen der Abweichungsentscheidung eine erneute Prüfung aller objektiv zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen an das Vorhaben erfolgen müsse (BayVGH, B.v. 19. August 2014, 22 CS 14.1597, juris, Rn. 20). Da es sich bei Art. 82 BayBO, wie sich bereits aus dem in dessen Absatz 1 enthaltenen Verweis auf die bauplanungsrechtliche Vorschrift des § 35 BauGB ergibt, nicht um eine Abstandsflächenbestimmung im Sinne von Art. 6 BayBO handelt (vgl. hierzu auch Fundstelle, Heft 4 2015, Nr. 48, S. 135) war dieser bei der Abweichungsentscheidung auch nicht zu berücksichtigen.

2. Die im Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage ist unbegründet. Denn die streitgegenständlichen Bescheide sind wirksam geworden (hierzu a)) und sie sind auch nicht nichtig (hierzu b)).

a) Der Bescheid vom 15. August 2014 wurde dem Kläger mit am 19. August 2014 zur Post gegebenem Übergabeeinschreiben zugestellt entsprechend § 10 Abs. 7 S. 1 BImSchG. Der Ergänzungsbescheid vom 24. Februar 2015 wurde ihm am 25. Februar 2015 in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts übergeben. Beide Bescheide sind ihm gegenüber damit wirksam geworden, Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG.

Daran ändern auch die Einwände des Klägers, bestimmte im Einzelnen aufgeführte Unterlagen seien den Bescheiden nicht beigefügt gewesen, nichts. Denn die nach § 21 der 9. BImSchV erforderlichen Angaben sind in den Bescheiden jeweils enthalten: so ist insbesondere der genaue Standort der WKA in Ziff. IV. des Bescheids vom 15. August 2014 genau bezeichnet (mit den jeweiligen Koordinaten), § 21 Abs. 1 Nr. 3 9. BImSchV. Die Beifügung sämtlicher klägerseits geforderter Unterlagen ist nach der geltenden Rechtslage nicht vorgesehen. Falls ein Betroffener Interesse an den im Verfahren erstellten Unterlagen haben sollte, steht ihm die Möglichkeit der Akteneinsicht offen, worauf der Kläger hier mit Schreiben des Landratsamts vom 11. September 2014 (Bl. 243 des Ordners Einwendungen) hingewiesen wurde.

Was den Ergänzungsbescheid angeht, so ist es für dessen Wirksamkeit ebenfalls nicht erforderlich, den zugrundeliegenden Antrag beizufügen. Daneben wird darauf hingewiesen, dass der Ergänzungsbescheid ausschließlich Flächen betrifft, die nicht im Eigentum des Klägers stehen, weshalb er durch diesen auch nicht in seinen Rechten verletzt sein kann.

b) Der Bescheid vom 15. August 2014 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 24. Februar 2015 ist auch nicht nichtig. Dies wäre der Fall, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leiden würde und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig wäre, Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG.

Wie bereits oben zu 1. ausgeführt wurde, ist der Bescheid nicht aus Gründen, die zu einer Verletzung des Klägers in eigenen Rechen führen könnten, rechtswidrig. Ebenso wenig liegen aber anderweitige schwerwiegende Rechtsfehler vor, die zu einer offenkundigen Rechtswidrigkeit führen würden, wie sie Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG verlangt. Offenkundig ist ein Sachverhalt, wenn er - ggf unter rechtlicher Würdigung - für den Beteiligten klar erkennbar ist, ihm gleichsam „ins Auge springt“, wobei es auf die Erkenntnismöglichkeit eines „Verständigen“ ankommt (Schemmer in: Beck'scher Online-Kommentar VwVfG, § 44 RN 16.1 zum lt. RN 15 bedeutungsgleichen, im VwVfG des Bundes verwendeten Begriff „offensichtlich“). Derartige offenkundige Rechtsfehler liegen hier nicht vor.

Die Klage ist daher auch im Hilfsantrag unbegründet.

Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich die Beigeladene durch Stellung eines Antrags auf Klageabweisung in der mündlichen Verhandlung am Prozessrisiko beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es nach § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

Nach § 155 Abs. 4 VwGO können Kosten, die durch ein Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Das Gericht sieht es als ermessensgerecht an, dem Beklagten die aussonderbaren Kosten des gerichtlichen Termins vom 25. Februar 2015 aufzuerlegen, da es dieser versäumt hat, das Gericht von seiner Absicht, einen Ergänzungsbescheid zur Ge nehmigung von 15.August 2014 zu erlassen, in Kenntnis zu setzen. Aufgrund der Tatsache, dass die Beigeladene diesen Ergänzungsbescheid mit Antrag vom 11. Februar 2014 beantragte, war dem Beklagten die Notwendigkeit eines Ergänzungsbescheids mit ausreichender Vorlaufzeit bekannt. Dabei drängte es sich auf, dass die Beteiligten über einen Bescheid, dessen Inhalt ihnen erst am Vortag bekannt wird, nicht am darauffolgenden Tag verhandeln werden.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angeregte Zulassung der Berufung war nicht auszusprechen, da die vorliegende Streitsache weder im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat noch im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von einer obergerichtlichen Entscheidung abgewichen wird. Die zuvor schriftsätzlich beantragte Zulassung der Revision scheidet von vornherein aus, da für die insoweit einzig denkbare Sprungrevision nach § 134 VwGO die Zustimmung des Beklagten fehlt. Im Übrigen besteht auch für die Zulassung der Revision aus den bereits zur Zulassung der Berufung genannten Gründen kein Anlass.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es1.einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Bet

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(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt 1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigu

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(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn 1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeit

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 4 Genehmigung


(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gef

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(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwi

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 10 Genehmigungsverfahren


(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 48 Verwaltungsvorschriften


(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften,

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 50 Planung


Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU in B

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(1) Durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 kann vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von dies

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(1) Gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 2) steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Kläger und der Beklagte der Einlegung der Sprungrevision schriftlich zustimmen und wenn sie von dem Verw

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Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

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(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen einer Genehmigung. Mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigung nur, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen); in der Rechtsverordnung kann auch vorgesehen werden, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn eine Anlage insgesamt oder in ihren in der Rechtsverordnung bezeichneten wesentlichen Teilen der Bauart nach zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bauartzulassung errichtet und betrieben wird. Anlagen nach Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2010/75/EU sind in der Rechtsverordnung nach Satz 3 zu kennzeichnen.

(2) Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen bedürfen der Genehmigung nach Absatz 1 nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedürfen Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen.

(1) Durch Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 3 kann vorgeschrieben werden, dass die Genehmigung von Anlagen bestimmter Art oder bestimmten Umfangs in einem vereinfachten Verfahren erteilt wird, sofern dies nach Art, Ausmaß und Dauer der von diesen Anlagen hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vereinbar ist. Satz 1 gilt für Abfallentsorgungsanlagen entsprechend.

(2) In dem vereinfachten Verfahren sind § 10 Absatz 2, 3, 3a, 4, 6, 7 Satz 2 und 3, Absatz 8 und 9 sowie die §§ 11 und 14 nicht anzuwenden.

(3) Die Genehmigung ist auf Antrag des Trägers des Vorhabens abweichend von den Absätzen 1 und 2 nicht in einem vereinfachten Verfahren zu erteilen.

(4) Die Genehmigung einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, kann nicht im vereinfachten Verfahren erteilt werden, wenn durch deren störfallrelevante Errichtung und Betrieb der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten unterschritten wird oder durch deren störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. In diesen Fällen ist das Verfahren nach § 10 mit Ausnahme von Absatz 4 Nummer 3 und Absatz 6 anzuwenden. § 10 Absatz 3 Satz 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur die Personen Einwendungen erheben können, deren Belange berührt sind oder Vereinigungen, welche die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Bei störfallrelevanten Änderungen ist § 16 Absatz 3 entsprechend anzuwenden. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits auf Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.

(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.

(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.

(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.

(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.

(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist

1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind;
2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen;
3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden;
4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.

(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.

(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:

1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt.
2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind.
3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.

(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.

(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.

(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.

(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.

(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:

1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie
2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
Soweit der Genehmigungsbescheid Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthält, sind die entsprechenden Stellen unkenntlich zu machen. Absatz 8 Satz 3, 5 und 6 gilt entsprechend.

(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.

(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.


Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der die Vollstreckung betreffende Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren – nachdem der Rechtsstreit bezüglich weiterer Windkraftanlagen durch Urteil des Senates vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) abgeschlossen ist und das Verfahren bezüglich der Windkraftanlage T2 des Beigeladenen zu 2) von den vorliegenden Verfahren abgetrennt worden ist – über die Rechtmäßigkeit der den beiden Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen des Beklagten zur Errichtung und zum Betrieb von insgesamt vier Windkraftanlagen.

2

Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Parzellen Nrn. ..., ..., ., ...... und ... in Flur ... der Gemarkung G... . Die Grundstücke liegen im Außenbereich. Zum Teil sind es Waldflächen, zum Teil Wiesenflächen. Nach den Angaben des Klägers handelt es sich dabei um renaturierte Biotopflächen, die zur Jagdausübung genutzt werden. Die streitigen Windkraftanlagen, die inzwischen errichtet worden und in Betrieb sind, stehen ausweislich der vorliegenden Unterlagen zwischen 90 und 290 m von den verschiedenen Grundstücken des Klägers entfernt. Die der Parzelle Nr. ... am nächsten stehende Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) steht in einer Entfernung von ca. 90 m von diesem Grundstück.

3

Mit einem am 17. November 2004 eingegangenem Schreiben vom 22. Oktober 2004 beantragte die Beigeladene zu 1) die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von insgesamt fünf Windkraftanlagen in der Gemarkung G..., zu denen auch die im vorliegenden Verfahren streitigen Windkraftanlagen Nrn. 3, 5 und 8 zählen. Mit am 5. Januar 2005 eingegangenen Schreiben vom 27. Dezember 2004 beantragte der Beigeladene zu 2) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb zweier weiterer Windkraftanlagen in der Nähe der Grundstücke des Klägers, darunter die vorgenannten Windkraftanlage T 2, über die in einem weiteren Verfahren gestritten wird. Im weiteren Umfeld der den Beigeladenen genehmigten Anlagen befanden sich seinerzeit - nördlich der Ortsgemeinde K... - andere Windkraftanlagen. Die - ursprünglich - zur Genehmigung gestellten Windkraftanlagen des Typs GE Wind Energy 2.3 sollten eine Nabenhöhe von 100 m und einen Rotordurchmesser von 94 m, also eine Gesamthöhe von 147 m haben.

4

Das Genehmigungsverfahren wurde zunächst auf der Grundlage des § 10 BImSchG mit der danach erforderlichen Offenlage der Antrags- und Planungsunterlagen durchgeführt. Im Rahmen der in diesem Zusammenhang durchgeführten Behördenbeteiligung wandte sich die untere Landespflegebehörde mit Schreiben vom 7. Juli 2005 gegen die Vorhaben. Darin führte sie aus, wegen der von ihr angenommenen nachteiligen Auswirkungen auf den Bestand des Rotmilans in diesem Gebiet gelange sie zu dem Ergebnis, dass die Windkraftanlagen dort nicht zugelassen werden könnten. In der Folgezeit konnte darüber, ob tatsächlich solche nachteiligen Auswirkungen zu erwarten stehen, verwaltungsintern zwischen der unteren Landespflegebehörde und der unteren Immissionsschutzbehörde keine Einigkeit hergestellt werden. Die zur Klärung dieses Streites eingeschaltete staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland teilte unter dem 27. September 2005 mit, dass für eine abschließende Bewertung des Rotmilanvorkommens im östlichen Landkreis Altenkirchen eine erneute Erfassung im kommenden Frühjahr auf größerer Fläche erforderlich sei.

5

Aufgrund der Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juni 2005 trat am 1. Juli 2005 eine Rechtsänderung ein, die der Beklagte zum Anlass nahm, nunmehr ein sog. vereinfachtes Verfahren gemäß § 19 BImSchG durchzuführen. Am 1. Oktober 2005 erfolgte daraufhin eine öffentliche Bekanntmachung, in der mitgeteilt wurde, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei, weil nach der durchgeführten Vorprüfung keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten stünden. Hiergegen wandte sich mit Schreiben vom 11. Oktober und vom 18. Oktober 2005 die untere Landespflegebehörde, nach deren Ansicht die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich war.

6

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 1) und mit Bescheid vom 17. November 2005 dem Beigeladenen zu 2) unter gleichzeitiger Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im vereinfachten Verfahren jeweils die immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Hierin wurde u.a. ausgeführt, nach Mitteilung aller zu beteiligenden Fachbehörden und Stellen habe die durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3c Abs. 1 Satz 1 UVPG ergeben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen gewesen sei, weil erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht zu erwarten stünden. Das sei gemäß § 3a Abs. 2 UVPG auch am 1. Oktober 2005 öffentlich bekannt gemacht worden. Den Bescheiden waren verschiedene Nebenbestimmungen beigefügt. Insbesondere hatte die Beigeladene danach vor Baubeginn nachzuweisen, durch welche Maßnahmen eine Gefährdung durch Eiswurf verhindert werden solle.

7

Nachdem die Beigeladene zu 1) im Rahmen eines Änderungsantrages den ursprünglichen Anlagentyp durch den Typ Nordex N 90 mit einer Leistung von ebenfalls 2300 kW, gleichbleibender Nabenhöhe und einem Rotordurchmesser von nunmehr reduzierten 90 m ersetzt hatte, erließ der Beklagte ihr gegenüber unter dem 19. Januar 2006 eine entsprechende Änderungsgenehmigung. Bezüglich des Beigeladenen zu 2) erging unter dem 23. Januar 2006 eine entsprechende Änderungsgenehmigung.

8

Da gegen die Genehmigungen Widerspruch eingelegt worden war, beantragten die Beigeladenen die Anordnung des Sofortvollzuges der Genehmigungen, dem der Beklagte bezüglich der ursprünglichen Genehmigungen unter dem 22. Februar 2006 und bezüglich der Änderungsgenehmigungen unter dem 2. März 2006 nachkam.

9

Am 9. März 2006 legte der Kläger sodann gegen die ihm nicht bekannt gegebenen Genehmigungen Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen vortrug, aufgrund des grundsätzlich drittschützenden hier aber fehlerhaft durchgeführten Verfahrensablaufs ohne Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit gemäß § 10 BImSchG in seinen Rechten verletzt zu sein. Ein förmliches Genehmigungsverfahren habe hier durchgeführt werden müssen, da erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen im Hinblick auf Belange des Naturschutzes und der Landespflege bzw. des Landschaftsbildes zu erwarten stünden. Dabei ergebe sich die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung namentlich aus naturschutzrechtlicher Sicht, da die Belange des Vogelschutzes erheblich beeinträchtigt würden. Im Kreisgebiet und somit auch im G... Raum sei der besondere schutzwürdige Rotmilan ansässig. In die Genehmigungen diesbezüglich aufgenommene Nebenbestimmungen hätten lediglich eine Alibifunktion. Außerdem sei er wegen nicht ausreichender Schutzvorkehrungen gegen die Gefahr des Eisabwurfs in seinen Rechten verletzt. Die hierzu erlassene Nebenbestimmung sei zu unbestimmt und deshalb ungeeignet und unwirksam. Einen gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerichteten Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2006 (1 L 633/06.KO) mit der Begründung ab, drittschützende Beteiligungsrechte seien nicht verletzt. Eine subjektive Rechtsverletzung aufgrund fehlender, jedoch gebotener Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG könne nicht festgestellt werden. Unter Berücksichtigung der eingeholten Stellungnahmen zum Vogelschutz und zum Landschaftsschutz sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seiner überschlägigen Prüfung die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für nicht erforderlich und daher die Erteilung einer Genehmigung nach § 19 BImSchG im vereinfachten Verfahren als ausreichend erachtet habe. Darüber hinaus sei die behauptete Eiswurfgefahr angesichts der in die Genehmigungen aufgenommenen Nebenbestimmungen ausgeschlossen.

10

Die vom Kläger eingelegte Beschwerde, mit der er u.a. die Verletzung europarechtlicher Bestimmungen geltend machte, wies der Senat durch Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10561/06.OVG) zurück. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger auch in Ansehung der einschlägigen europarechtlichen Vorschriften und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine seiner Ansicht nach fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG nicht rügen könne, weil Verfahrensvorschriften grundsätzlich keine drittschützende Wirkung hätten. Auch im Hinblick auf die UVP-Änderungsrichtlinie 2003/35/EG spreche entgegen der im Eilbeschluss des 7. Senats des Gerichts vom 25. Januar 2005 (ZfBR 2005, 487) vertretenen Auffassung mehr dafür, dass das Europarecht in Fällen der vorliegenden Art kein Abweichen von dem der deutschen Rechtsordnung zugrunde liegenden Individualrechtsschutz gebiete. Jedenfalls in seinem konkreten Fall seien keine nachteiligen Beeinträchtigungen von erheblichem Gewicht zu befürchten. Eine Verletzung von sonstigen drittschützenden Vorschriften sei im Übrigen nicht zu erkennen.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2006 wies der Kreisrechtsausschuss des Landkreises Altenkirchen den Widerspruch zurück und stellte darin darauf ab, dass die Bestimmung des § 10 BImSchG weder drittschützend, noch wegen fehlender Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt verletzt sei. Die vom Kläger erneut vorgetragene Eiswurfgefahr sei ebenso wenig gegeben wie die sonstigen von ihm geltend gemachten Beeinträchtigungen. Eine Rechtsverletzung des Klägers sei daher nicht ersichtlich.

12

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben, mit der er sein bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft hat. Insbesondere hat er daran festgehalten, dass nach Art. 10a der Richtlinie 2003/35/EG vom 25. Juni 2003 nunmehr eine Genehmigung bereits dann aufgehoben werden müsse, wenn sie verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei, was hier der Fall sei. Darüber hinaus verstoße die Genehmigung, die der Beigeladenen zu 1) erteilt worden sei, bezüglich der Windkraftanlage Nr. 8 gegen § 8 LBauO, weil die diesbezügliche, sich nach den Vorgaben der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ergebende Abstandsfläche bei dem von dem Beklagten selbst festgelegten Abstand von 0.32H bezüglich der Parzelle Nr. ... nicht eingehalten sei. Die Genehmigungsunterlagen gingen lediglich von einem mit der maßgeblichen Höhe zu multiplizierenden Multiplikator von 0,25 aus. Zudem sei auch der von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildete Raum fehlerhaft ermittelt worden.

13

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. Juni 2007 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne nicht geltend machen, in eigenen Rechten deshalb verletzt zu sein, weil im vorliegenden Verfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG nicht stattgefunden habe, die wegen der Notwendigkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung aber habe stattfinden müssen. Die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 2 VwGO ziele auf die Geltendmachung von Individualrechtsschutz. Verfahrensvorschriften vermittelten in diesem Zusammenhang grundsätzlich keine selbständig durchsetzbare Rechtsposition, auch wenn das Verfahrensrecht auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruhe, wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entscheide, worauf auch der erkennende Senat bereits in seinem Eilbeschluss vom 23. Juni 2006 hingewiesen habe. Der Kläger habe danach keinen allgemeinen Anspruch auf Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG. Weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen im Hinblick auf die geltend gemachten natur- und landschaftsrechtlichen Belange ergäben sich auch nicht aus der von dem Kläger angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Zwar seien die zuständigen Behörden danach verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projektes im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG vom 27. Juni 1985 (UVP-Richtlinie) abzuhelfen. Die Einzelheiten des hierbei anwendbaren Verfahrens seien jedoch nach dem Grundsatz der Verfassungsautonomie der Mitgliedstaaten Sache der nationalen Rechtsordnung. Insbesondere räume Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 keinen umfassenden Rechtsschutz gegen eine Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften ein. Hiernach stellten die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die (a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ (b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. das Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteilichen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Was als ausreichendes Interesse oder als Rechtsverletzung gelte, bestimmten die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zum Gericht zu gewähren. Hiernach hätten die Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten. Sie könnten den Individualrechtsschutz davon abhängig machen, dass ein ausreichendes Interesse des Rechtsschutzsuchenden besteht, oder aber davon, dass eine Rechtsverletzung geltend gemacht werde. Die Mitgliedstaaten könnten somit zwischen dem (französischen) Modell der Interessentenklage oder dem (in Deutschland herkömmlichen) Modell des Individualrechtsschutzes wählen. Die Klagebefugnis des Einzelnen könne also weiterhin davon abhängig gemacht werden, dass eine Rechtsverletzung vorliege. Was eine Rechtsverletzung sei, bestimme der jeweilige Mitgliedstaat. Weder die UVP-Richtlinie noch die Aarhus-Konvention zwängen zur Aufgabe der Schutznormtheorie im Bereich des Individualrechtsschutzes in Umweltangelegenheiten. Selbst dann jedoch, wenn man im vorliegenden Fall einer anderen Auffassung folgen sollte und eine drittschützende Wirkung des § 10 BImSchG zugunsten des Klägers unterstellen würde, ergäbe sich keine andere Betrachtung, da eine Umweltverträglichkeitsprüfung als Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung hier nicht erforderlich gewesen sei. Ein Verstoß gegen eine sonstige drittschützende Norm, die den Kläger begünstige, liege ebenfalls nicht vor. Gefährdungen und unzumutbare Beeinträchtigungen durch Eiswurf und die Entstehung von Bränden seien nicht zu befürchten.

14

Durch Beschluss vom 17. Dezember 2007 hat der Senat die Berufung hiergegen zugelassen. Bezüglich der der Beigeladenen zu 1) genehmigten Windkraftanlagen Nrn. 4 und 6 hat er die Berufung durch Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es spreche hier zwar einiges dafür, dass eine unzureichende Vorprüfung des Einzelfalles erfolgt sei und eine sachgerechte Vorprüfung zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Gleichwohl könne der Kläger hieraus eine Verletzung eigener Rechte nicht ableiten, wenn ihm durch ein derart fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten tatsächlich die Mitwirkungsrechte in einem Verfahren nach § 10 BImSchG genommen worden sein sollten. Durch die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG statt in einem Verfahren nach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung würden Dritte nämlich nicht in ihren eigenen Rechten verletzt. Gegenteiliges folge auch nicht aus europarechtlichen Vorgaben, insbesondere nicht aus Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie). Die Klage Dritter führe deshalb nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung, wenn das fehlerhafte Verfahren zu einer Verletzung deren materieller Rechte geführt habe, was bezüglich der genannten Windkraftanlagen indes nicht der Fall sei. Diese verstießen nämlich nicht gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 1 BImSchG, die nachbarschützend sei. Die von dem Kläger geltend gemachte Gefährdung durch Eiswurf sei im vorliegenden Fall aufgrund der Entfernung seiner Grundstücke von den genannten Windkraftanlagen nicht zu erwarten. Diese lägen nämlich soweit von den Grundstücken entfernt, dass nach menschlichem Ermessen auszuschließen sei, dass sie von Eisstücken getroffen werden könnten, die von den genannten Windkraftanlagen abgeworfen werden könnten. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.

15

Zur Begründung seiner Berufung gegen die der Beigeladenen zu 1) genehmigten Windkraftanlagen Nrn. 3, 5 und 8 und die dem Beigeladenen zu 2) genehmigte Windkraftanlage T1 wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen, dass hier eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen sei und damit ein Verfahren gemäß § 10 BImSchG hätte durchgeführt werden müssen, was er auch rügen könne. Darüber hinaus sei er in seinen Rechten verletzt, weil die den Beigeladenen erteilten Genehmigungen in der Fassung der Änderungsgenehmigungen keine ausreichenden Regelungen gegen die Gefahr durch Eiswurf enthielten. Im vorliegenden Fall seien konkrete Regelungen erforderlich gewesen. Das ergebe sich schon daraus, dass die streitigen Windkraftanlagen in einem Gebiet errichtet werden sollten, in dem aufgrund der klimatischen Gegebenheiten mit Eisansatz an den Rotoren zu rechnen sei. Dass für ihn auch tatsächlich die Gefahr bestehe, durch von den Windkraftrotoren abgeworfene Eisstücke getroffen zu werden, habe sich im Dezember 2007 vor Ort gezeigt, wo er solche Eisstücke gefunden habe. Die hierzu geregelten Nebenbestimmungen in den Genehmigungen sowie in den Änderungsgenehmigungen seien zu unbestimmt und daher ungeeignet, dieser Gefahr zu begegnen. Die von den Beigeladenen eingebauten Sensoren stellten eine wirksame Maßnahme gegen die Eiswurfgefahr nicht dar. Alle drei Sicherheitssysteme würden den Eisansatz möglicherweise erst mit einiger Verzögerung anzeigen. Des Weiteren sei auch kein ausreichender Brandschutz geregelt.

16

Der Kläger beantragt,

17

unter Abänderung des dem Kläger am 11.07.2007 zugestellten Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26.06.2007 (1 K 1792/06.KO)

18

1. die der Beigeladenen zu 1.) erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen vom 26.10.2005 zur Errichtung und zum Betrieb von Windenergieanlagen in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 19.01.2006, des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 02.11.2006 und der nachträglichen Auflage vom 29.10.2008 insoweit aufzuheben, als auf den Grundstücken Flur ., Flurstücke ./. und … die Errichtung und der Betrieb von drei Windkraftanlagen (Nrn. 3,5 und 8) genehmigt wird,

19

2. die dem Beigeladenen zu 2.) erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen des Beklagten vom 17.11.2005 in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 23.01.2006, des Widerspruchs-bescheides vom 02.11.2006 und der nachträglichen Auflage vom 29.10.2008 insoweit aufzuheben, als auf dem Grundstück Flur …, Parzelle ... die Errichtung und der Betrieb der Windenergieanlage T1 genehmigt wird.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er trägt vor, der Kläger könne eine Verletzung eigener Rechte nicht dadurch geltend machen, dass er sich auf die angebliche Verletzung von Verfahrensvorschriften berufe. Diesen komme keine drittschützende Wirkung zu. Eine Gefährdung der klägerischen Grundstücke durch Eiswurf stehe nicht zu befürchten. Diese von ihm behauptete Gefährdung sei durch ausreichende Nebenbestimmungen ausgeschlossen. Zudem hätten die Beigeladenen inzwischen dem Stand der Technik entsprechende Sensoren eingebaut. Hierbei handele es sich um marktübliche geprüfte Bauteile, deren tatsächliche Funktionsfähigkeit überprüft worden sei. Brandschutzvorkehrungen seien durch Auflagen geregelt, die aus forstfachlicher Sicht ausreichend seien.

23

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Sie tragen vor, aus dem von ihm geltend gemachten Verstoß gegen die immissionsrechtlichen Verfahrensvorschriften könne der Kläger eine Verletzung seiner eigenen Rechte nicht ableiten, weil diese Vorschriften keinen Drittschutz vermittelten. Gegenteiliges folge auch nicht aus dem Umweltrechtsbehelfsgesetz, das das Recht, die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend zu machen, lediglich Vereinigungen zubillige. Eine Klagebefugnis bestehe selbst nach der - von ihnen nicht geteilten - Auffassung des 7. Senates des erkennenden Gerichtes nur dann bei einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn der „betroffene Dritte“ dadurch in seinen materiellen Belangen berührt werde. Das sei hier jedoch erkennbar nicht der Fall, soweit sich der Kläger auf die Gefährdung eines Rotmilanvorkommens berufe. Darüber hinaus seien im vorliegenden Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung auch nicht erforderlich gewesen, weil Vorkommen des Rotmilans gar nicht beeinträchtigt würden. Eine Gefährdung des Klägers durch Eiswurf bestehe nicht. Seine Angaben zu potentiellen Eiswurfweiten seien deutlich überzogen. Eine Eisbildung an den Rotoren könne ohnehin nur bei seltenen Extremwetterlagen eintreten. Die Auflagen in den Genehmigungsbescheiden zur Vermeidung einer diesbezüglichen Gefährdung seien ausreichend. Schließlich entsprächen die genehmigten Windkraftanlagen in Bezug auf den Brandschutz dem Stand der Technik.

26

In der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 hat der Beklagte die Nebenbestimmungen der angefochtenen Genehmigungen durch weitere Auflagen ergänzt, wonach Eissensoren der Firma L... (LID-3210 C) eingebaut werden sollen, ein automatisches Abschalten der Rotoren bei Eisansatz gewährleistet werden soll und eine Wiederinbetriebnahme der Windkraftanlagen erst nach vollständigem Abtauen des Eises an den Rotorblättern erfolgen darf. Die Beigeladenen haben auf Rechtsmittel gegen diese Auflagen verzichtet.

27

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 29. Oktober 2008 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben darüber, ob die in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 den Bescheiden des Beklagten vom 26. Oktober 2006 bzw. 17. November 2005 beigefügten Auflagen sicherstellen, dass die Grundstücke des Klägers nicht durch Eiswurf von den Windkraftanlagen der Beteiligten getroffen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 13. Dezember 2010, die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 24. Januar 2011 sowie auf die Niederschrift der Ausführungen des Dipl.-Ing. R... von der GL G... H... Deutschland GmbH, Hamburg, in der in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 Bezug genommen.

28

Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme trägt der Kläger vor, die in der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2008 gemachten weiteren Auflagen seien nicht geeignet, das Eigentum des Klägers zu schützen. Der Sachverständige konstatiere nämlich, dass hierdurch kein vollständiger Schutz gewährleistet werde. Dabei gehe es vorliegend nicht darum, dass die den Beigeladenen aufgegebenen und von diesen eingebauten Eissensoren aufgrund eines technischen Versagens unter Umständen ausfallen könnten. Vielmehr sei dieser Sensortyp konstruktionsbedingt nicht geeignet, jedweden Eisansatz an den Rotorblättern sicher zu erkennen. Inzwischen gebe es geeignetere Sicherheitssysteme, die den Eisansatz unmittelbar an den Rotoren und damit rechtzeitig feststellen könnten. Die von den Beigeladenen eingebauten Sensoren gewährleisteten ein rechtzeitiges Abschalten der Rotoren aber auch deshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit, weil sie auf Nabenhöhe und damit deutlich unterhalb des höchsten Punktes, den die Rotorblätter erreichten, angebracht worden seien und zudem in unmittelbarer Nähe zu der Gondel, wo höhere Temperaturen zu erwarten stünden als an den Rotorblattspitzen. Sie seien somit an einer Stelle angebracht, wo es am wärmsten sei und wo eine Vereisung also zuletzt auftrete. Erforderlich, um die nötige Sicherheit zu gewährleisten, sei vielmehr eine Messung an den Rotorblättern selbst, was technisch möglich sei. Entsprechende Sicherheitssysteme gebe es bereits. Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden, dass seine Grundstücke nicht zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt seien. Das sei unerheblich, weil er als Eigentümer seine Grundstücke immer betreten können müsse, um dort erforderliche Arbeiten durchzuführen.

29

Der Beklagte trägt zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor, der Sachverständige habe bestätigt, dass ein äußerst geringes Risiko bestehe, dass eine Person auf den Grundstücken des Klägers durch einen von den streitigen Windkraftanlagen abgeworfenen Eisbrocken getroffen werden könne. Dieses geringe Restrisiko erfordere keine weiteren Nebenbestimmungen in den Genehmigungen.

30

Die Beigeladenen halten dem Vorbringen des Klägers zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme entgegen, der Sachverständige habe die grundsätzliche Tauglichkeit der ihnen aufgegebenen technischen Einrichtungen bestätigt. Jedes System könne einmal versagen, das stelle aber dessen grundsätzliche Eignung nicht in Frage. Zudem seien die in der Nähe der Windkraftanlagen gelegenen Grundstücke des Klägers nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt. Es handele sich um Außenbereichsgrundstücke.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (10 Ordner, 1 Hefter) und die Gerichtsakte 1 L 633/06.KO Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

32

Die Berufung hat keinen Erfolg.

33

Der Kläger wird durch die den Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 26. Oktober 2005 bzw. vom 17. November 2005 in der Gestalt der Änderungsgenehmigungen vom 19. Januar 2006 bzw. vom 23. Januar 2006, jeweils in der Fassung der weiteren Abänderung in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008, nicht in seinen Recht verletzt. Der Kläger kann sich nämlich weder auf eine Verletzung immissionsschutzrechtlicher Verfahrensvorschriften berufen, noch auf eine Verletzung sonstiger drittschützender Vorschriften, weshalb das Verwaltungsgericht seine Klage zu Recht abgewiesen hat. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger keinen allgemeinen Anspruch auf Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG hat und deshalb nur eine Verletzung eigener materieller Rechte geltend machen kann. Solche eigene Rechtspositionen des Klägers werden hier jedoch ersichtlich nicht verletzt, weil die von ihm angefochtenen Genehmigungen – nunmehr – Nebenbestimmungen enthalten, die den Beigeladenen in einem an den konkreten Umständen des Einzelfalles ausgerichteten Maß Sicherheitseinrichtungen aufgeben mit dem Ziel, Gefährdungen von Personen auf den Grundstücken des Klägers durch Eiswurf von den Rotoren der Windkraftanlagen zu verhindern. Ebenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass die Regelungen zum Brandschutz in den Genehmigungen unzureichend wären.

34

Ausgangspunkt für den zwischen den Beteiligten bestehenden Streit darüber, ob Verfahrensvorschriften verletzt worden sind, ist der Umstand, dass der Beklagte das nach der Antragstellung durch die Beigeladenen zunächst eingeleitete Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung abgebrochen und nach Inkrafttreten der 4. BImSchV in ihrer nunmehr geltenden Fassung im Jahre 2005 das vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG durchgeführt und in diesem Verfahren die angefochtenen Genehmigungen erteilt hat. Voraussetzung für diese – geänderte – Vorgehensweise war, dass nach der Ansicht des Beklagten eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung in diesem Genehmigungsverfahren nicht notwendig wurde. Insoweit stützte sich der Beklagte auf das Ergebnis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3 c UVPG. Ob diese sachgerecht durchgeführt wurde, begegnet indessen erheblichen Zweifeln, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) ausgeführt hat. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass eine sachgerechte Vorprüfung zu dem Ergebnis gelangt wäre, eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung sei durchzuführen.

35

Gleichwohl kann der Kläger, sollte sich seine Einschätzung als richtig erweisen, dass wegen zu erwartender erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen sei, hieraus auch dann keine Verletzung eigener Rechte ableiten, wenn ihm durch ein derart fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten tatsächlich die Mitwirkungsrechte in einem Verfahren nach § 10 BImSchG genommen worden sein sollten. Die Verfahrensvorschrift des § 10 BImSchG ist nämlich nicht drittschützend, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat. Hierzu hat der Senat in seinem vorgenannten Urteil vom 29. Oktober 2008 folgendes ausgeführt:

36

Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Frage, ob Verfahrensvorschriften, wie hier die des § 10 BImSchG, eigene wehrfähige Rechte Dritter begründen können, im Schrifttum mit Blick auf europarechtliche Vorgaben diskutiert und auch in der Kommentarliteratur zum Bundesimmissionsschutzgesetz unterschiedlich beantwortet wird. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist diese Frage − mit Ausnahme des Eilbeschlusses des 7. Senats des Gerichts vom 25. Januar 2005 (7 B 12114/04.OVG, NVwZ 2005, 1208), auf den sich der Kläger ausdrücklich stützt − durchweg verneint worden. Dies gilt auch für die dem Beschluss des 7. Senats des erkennenden Gerichts zeitlich nachfolgende obergerichtliche Rechtsprechung. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat seine bisherige gefestigte Rechtsprechung ersichtlich nicht aufgegeben, wonach die Geltendmachung einer Verletzung von Verfahrensvorschriften der Klage eines durch ein verfahrensfehlerhaft gestattetes Projekt Betroffenen nicht zum Erfolg verhelfen kann, sondern dass vielmehr die Verletzung eigener materieller Rechte durch die angegriffene Zulassung eines Vorhabens festgestellt werden muss. Hieran hält das Bundesverwaltungsgericht, wie in seinem Beschluss vom 21. Januar 2008 (ZfBR 2008, 278 ff.) zum Ausdruck kommt, auch mit Blick auf die von dem Kläger angesprochenen europarechtlichen Vorgaben, jedenfalls bezüglich solcher Projekte fest, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2003/35/EG genehmigt worden sind, wozu die streitgegenständlichen Windkraftanlagen zählen. Angesichts dessen hält der Senat weiterhin an seiner bereits in dem Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10591/06.OVG) zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung fest, wonach Verfahrensvorschriften, von wenigen Ausnahmen − wie z.B. im Atomrecht − abgesehen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung entfalten. Die Ausführungen des Klägers geben keinen Anlass, diese Rechtsauffassung zu ändern.

37

Der Senat hat bereits in dem Beschluss vom 23. Juni 2006 in diesem Zusammenhang auf seine eigene ständige Rechtsprechung zum Wasserrecht (vgl. Urteil vom 5. November 1998 – 1 A 10007/96.OVG – und Beschluss vom 6. Oktober 2004 – 1 A 11478/04.OVG -) sowie auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Immissionsschutz- und Fachplanungsrecht (vgl. Urteil vom 29. Mai 1981, NJW 1981, 2769; Beschluss vom 16. November 1998, NVwZ-RR 1999, 429; Urteil vom 5. Oktober 1990, NVwZ 1991, 369; Urteil vom 25. Januar 1996, BVerwGE 100, 238) und auch auf die Rechtsprechung anderer Obergerichte (vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 7. Januar 2004, NVwZ-RR 2004, 408 und vom 15. September 2005, NuR 2006, 251; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. September 2004 in juris) verwiesen. Das Verwaltungsgericht hat diese Ausführungen in seinem Urteil durch weitere Hinweise auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der hier streitigen Frage (vgl. Urteile vom 21.März 1996, NVwZ 1996, 1016; vom 19. März 2003, NVwZ 2003, 1120; und vom 18. November 2004, NVwZ 2005, 442) und durch Hinweise auf weitere Rechtsprechung (vgl. OVG Münster, Urteile vom 27. Oktober, NuR 2006, 320, und vom 2 März 2006, NuR 2006, 801; VG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Januar 2007 in juris) ergänzt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. An dieser gefestigten Rechtsprechung, wonach grundsätzlich nur die Verletzung eigener materieller Rechte, nicht aber die Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann, ist auch unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben, auf die sich der Kläger ausdrücklich bezieht, weiterhin festzuhalten. Gegen diese Rechtsprechung wendet sich der Kläger unter Hinweis auf Teile der Kommentarliteratur zum Bundesimmissionsschutzgesetz und den Eilbeschluss des 7. Senats des Gerichts vom 25. Januar 2005 (a.a.O.) sowie die hierin zitierten EU-Richtlinien und die dort ebenfalls zitierte sog. Wells-Entscheidung des EuGH vom 7. Januar 2004 (NVwZ 2004, 593 ff.). Diese Ausführungen überzeugen indessen nicht.

38

Die Kommentarliteratur zum Bundesimmissionsschutzgesetz, auf die sich der Kläger insbesondere stützt (so bereits in der Widerspruchsbegründung unter Hinweis auf Jarass, Bundesimmissionsschutzgesetz, 7. Aufl., § 10 BImSchG, Rn. 132) vermittelt ein eher uneinheitliches Bild (Drittschutz bejahend: Jarass, a.a.O. und Kortulla, Bundesimmissionsschutzgesetz, § 19 Rn. 49; Drittschutz verneinend: Storost in Ule/Laubinger, Bundesimmissionsschutzgesetz, § 19 BImSchG, Rn. F1 f.). Allerdings erweisen sich die Kommentierungen bei näherer Betrachtung als durchaus ambivalent, weil die Annahme einer drittschützenden Wirkung von Verfahrensvorschriften keineswegs konsequent in der jeweiligen Kommentierung durchgehalten wird (s. Jarass, a.a.O. Rn. 134, wonach ein Verstoß gegen eine drittschützende Verfahrensnorm zur Aufhebung führt, wenn er sich auf die Einhaltung materieller Normen (mit drittschützendem Charakter) ausgewirkt haben könnte und lediglich eine zu restriktive Handhabung der Kausalitätsanforderung für bedenklich gehalten wird; Kortulla, § 10 BImSchG, Rn. 192 ff., wonach Verfahrensvorschriften einem potentiell Betroffenen Drittschutz daher „nur im Hinblick auf die bestmögliche Verwirklichung seiner materiellen Rechtsposition“ gewähren, und auf die unlösbare Verbindung des Verfahrensrechts zum materiellen Recht verwiesen wird).

39

Soweit in der Kommentarliteratur zur Begründung der drittschützenden Wirkung des § 10 BImSchG auf die Rechtsprechung zum Atomrecht (so Jarass, a.a.O., Rn. 132) verwiesen wird, ist anzumerken, worauf der Senat bereits in dem Beschluss vom 23. Juni 2006 hingewiesen hat, dass die Rechtsprechung insoweit zwar eine drittschützende Wirkung von Verfahrensvorschriften annimmt. Diese Besonderheit ist aber nicht ohne weiteres auf das Immissionsschutzrecht und die hier in Rede stehenden Genehmigung von Windkraftanlagen übertragbar. Insoweit folgt der Senat auch nicht dem Ansatz des 7. Senats des erkennenden Gerichts in dem Beschluss vom 25. Januar 2005 (a.a.O.), auf das sich der Kläger zur Begründung seiner Rechtsauffassung stützt. Darin ist die Parallelität zur Situation im Atomrecht bezüglich immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen mit der Überlegung begründet worden, dass nach europäischem Recht bei komplexen Umweltentscheidungen dem Verfahren eine eigenständige Bedeutung zukomme, wobei sich diese Überlegungen auf die bereits genannte „Wells-Entscheidung“ des EuGH und europäische Richtlinien, insbesondere die Änderungsrichtlinie 2203/35/EG vom 26. Mai 2003 stützt. Diesen Überlegungen folgt der erkennende Senat jedoch nicht.

40

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil (Urteilsabdruck S. 9) bereits eingehend dargelegt, dass die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 7. Januar 2004 (a.a.O.), der sog. Wells-Entscheidung, die Auffassung nicht zu stützen vermögen, hieraus könne die drittschützende Wirkung von Verfahrensvorschriften abgeleitet werden. Das sieht der Senat ebenso. Diese Entscheidung des EuGH, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die zuständigen Behörden verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projektes i.S. von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG vom 27. Juni 1985 (UVP-Richtlinie) abzuhelfen, und ob und inwieweit der einzelne (Betroffene) dies durchsetzen kann, betont ausdrücklich und mehrfach (s. Rn. 67 und Rn. 70), dass nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaates ist, die Einzelheiten des Verfahrens zu regeln. Demnach geht auch der EuGH nicht davon aus, dass es ein unmittelbares, europarechtlich begründetes Individualrecht des Einzelnen gibt, die Verletzung von Verfahrensvorschriften als die Verletzung eigener Rechte im Rahmen seiner nationalen Rechtsordnung geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ergeben sich demnach lediglich Schranken für die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung, die darin bestehen, dass die Einzelheiten des Verfahrens bezüglich einer fehlerhaft unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip) und dass sie die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsprinzip). Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO und deren grundsätzliche Klärung durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diesen Anforderungen nicht genügen würde, sind nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich aus den von dem Kläger in Bezug genommenen europarechtlichen Richtlinien nicht ableiten, dass die Gemeinschaftsrechtsordnung dem Einzelnen über das Recht, die Verletzung eigener materieller Rechte geltend zu machen, hinaus das Recht verleihen würde, als eigenes Recht auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen zu können.

41

Die Richtlinie 85/373/EWG vom 27. Juni 1986 (UVP-Richtlinie) regelt zwar in Art. 6 die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Genehmigung von Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, in Art. 8 die Berücksichtigung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren und in Art. 9 die Benachrichtigung der betroffenen Öffentlichkeit über die getroffenen Entscheidung. Anhaltspunkte dafür, dass diese Richtlinie dem einzelnen Betroffenen aber auch das Recht verleihen sollte, die Verletzung von Verfahrensvorschriften als eigene Rechte geltend zu machen, lassen sich ihr indessen nicht entnehmen. Solches trägt der Kläger auch nicht vor. Derartige Anhaltspunkte können auch der vorgenannten „Wells-Entscheidung“ des EuGH nicht entnommen werden. Stattdessen stützt sich der Kläger auf das „Aahus-Übereinkommen“ vom 25. Juni 1998 (ABl. der EU, L 124 vom 17.05.2005 S. 0004 bis 0020) und die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. der EU, 2003 L 156/17).

42

Das Aarhus-Übereinkommen selbst enthält in seinem Art. 9 zwar Ausführungen über den Zugang zu Gerichten und verweist in seinen Eingangserwägungen auch auf die Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung, fordert in dem genannten Art. 9 in Abs. 3 indessen lediglich, „dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmung ihres innerstaatlichen Rechtes verstoßen“ und in Abs. 4 des Art. 9 die Gewährleistung eines „angemessenen und effektiven Rechtsschutzes“. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch europarechtlich gezwungen wäre, von den geltenden prozessrechtlichen Vorschriften - dem Individualrechtsschutzmodell und seiner Anwendung durch das Bundesverwaltungsgericht - abzugehen. Auch dieses Modell gewährleistet bei der bestehenden hohen Kontrolldichte zweifellos einen angemessenen und effektiven Rechtsschutz.

43

Auch der durch Art. 7 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 neu in die Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie) eingefügte Art. 10 a regelt, wie das Verwaltungsgericht bereits im Einzelnen dargelegt hat, keinen umfassenden Rechtsschutz gegen eine Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften. Der genannte Art. 10 a der UVP-Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Sicherstellung des Zugangs der betroffenen Öffentlichkeit zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht nämlich zwei unterschiedliche Alternativen ein, wobei in der Formulierung dieses Artikels ausdrücklich hervorgehoben wird, dass es sich um Alternativen handelt. Danach ist Zugangsvoraussetzung entweder ein „ausreichendes Interesse“ oder alternativ die Geltendmachung einer Rechtsverletzung, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert. Weiterhin legt Art. 10 a der genannten Richtlinie fest, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt. Diese Formulierung des Art. 10 a der UVP-Richtlinie ist, worauf das Verwaltungsgericht schon hingewiesen hat, nahezu wortgleich mit Art. 9 Abs. 2 des durch Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. EU 2005 L 124/1) ratifizierten Aarhus-Übereinkommens. Daher kann entgegen der Auffassung des Klägers auch unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 5, 7 und 9 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003, die auf die Ziele und insbesondere auf Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens Bezug nehmen, aus dem neu eingefügten Artikel 10 a der UVP-Richtlinie kein weiterer Regelungsgehalt herausgelesen werden, als er in seinem Wortlaut zum Ausdruck kommt. Demnach haben die Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten bei der Umsetzung dieser Richtlinie. Sie können den Individualrechtsschutz davon abhängig machen, dass ein ausreichendes Interesse des Rechtsschutzsuchenden besteht, also das französische Modell der Interessentenklage wählen. Sie könnten aber auch dem in Deutschland herkömmlichen Modell des Individualrechtsschutzes folgen. Für die Bundesrepublik Deutschland folgt daher aus Art. 10 a der UVP-Richtlinie nicht die Notwendigkeit, ihr herkömmliches Rechtsschutzsystems zu ändern, das den Zugang zum Gericht von der Geltendmachung der Verletzung eigener materieller Rechte abhängig macht.

44

Soweit sich der Kläger demgegenüber zur Untermauerung seiner Rechtsauffassung auf das Schrifttum stützt, tragen die dortigen Ausführungen seine Auffassung indes – deutlich überwiegend − nicht. Hierin wird vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, dass weder das Aarhus-Übereinkommen noch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 ein einheitliches Rechtsschutzkonzept vorgeben, sondern vielmehr die unterschiedlichen Konzepte der Vertragsparteien über Rechtsschutzmöglichkeiten der Öffentlichkeit alternativ nebeneinanderstellen, aus denen die Mitgliedstaaten bzw. die Vertragsparteien des Aarhus-Übereinkommens wählen können, wozu das deutsche Modell des Individualrechtsschutzes gehört (vgl. von Dannwitz, NVwZ 2004, 272 ff.; Lechler, NVwZ 2005, 1156 ff.; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489 ff.; Schröder, NVwZ 2006, 389 ff.; Ziekow, NVwZ 2007, 259 ff.). Dementsprechend wird auch im Schrifttum speziell zum Immissionsschutzrecht (Sellner/Reith/Ohms, Immissionsschutzrecht, 3. Aufl., NJW Praxis, S. 227 f., Rn. 79 ff.) der Rechtsauffassung, die Verletzung von Verfahrensvorschriften könne als Verletzung eigener Rechte geltend gemacht werden, ausdrücklich mit dem Hinweis entgegengetreten, dass weder die verfassungsrechtlichen noch die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen dazu zwingen, bei Verfahrensfehlern im Anlagenzulassungsverfahren gänzlich auf Kausalitätserwägungen, so wie sie auch in anderen Bereichen anzutreffen seien, zu verzichten. Hierzu wird ausgeführt:

45

„Die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie unterscheidet zwischen der (allgemeinen) Öffentlichkeit einerseits und der betroffenen Öffentlichkeit andererseits. Nur Letzterer ist Zugang zu einem (gerichtlichen) Überprüfungsverfahren zu geben, wenn ein ausreichendes Interesse besteht oder aber eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, sofern das nationale Recht dies verlangt. Was als ausreichendes Interesse oder als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedsstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu den Gerichten zu gewährleisten (Art. 10 a der durch die Richtlinie 2003/35/EG – Öffentlichkeitsrichtlinie − geänderten UVP-Richtlinie). Sowohl der Begriff der Betroffenheit als auch auf das Abstellen auf ein ausreichendes Interesse oder eine Rechtsverletzung machen deutlich, dass Art. 10 a der UVP-Richtlinie durchaus Kausalitätserwägungen zulässt. Denn wenn die getroffene Sachentscheidung (offensichtlich) einen Dritten nicht in seinen Rechten verletzt, insbesondere also bei Einhaltung exakt festgelegter materieller Standards mit drittschützendem Charakter, wird man ihn nicht ohne weiteres als betroffen ansehen können. Er kann dann zwar gleichwohl ein ausreichendes Interesse daran haben, überhaupt eine gerichtliche Überprüfung herbeizuführen. Dies bedeutet allerdings nicht zugleich, dass aufgrund dieser im Rahmen einer Anfechtungsklage stattfindenden gerichtlichen Überprüfung eine ihn offensichtlich nicht in eigenen Rechten materiell verletzende Entscheidung allein wegen eines Verfahrensfehlers zwingend aufgehoben werden muss. Für den Grundrechtsschutz nach Maßgabe des nationalen Verfassungsrechts gilt dies in gleicher Weise.“

46

Das sieht die obergerichtliche Rechtsprechung ersichtlich ebenso (vgl. Urteile des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 21. Januar 2005, DVBl. 2005, 720; und vom 21. Mai 2008 − 8 A 10911/07.OVG −; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2007 in juris). Selbst der Kläger räumt ein, dass bislang kein anderes Obergericht der von dem 7. Senat des erkennenden Gerichts in dem Beschluss vom 25. Januar 2005 (a.a.O.) vertretenen Rechtsauffassung gefolgt ist, auf die er sich stützt. Auch der Senat sieht keinen Anlass, seine bisherige, im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung stehende diesbezügliche Rechtsauffassung zu ändern und der in dem genannten Beschluss geäußerten Rechtsmeinung zu folgen.

47

Soweit in dem von dem Kläger zur Stützung seiner Rechtsauffassung zitierten Schrifttum eine gegenteilige Auffassung vertreten wird (Kment, NVwZ 2007, 274 ff.; Schlacke, NuR 2007, ff.), behandelt dieses Schrifttum die Rechtslage nach Inkrafttreten des Umweltrechtsbehelfsgesetzes − URG −. Allerdings wird auch darin hervorgehoben, dass es Beteiligten nach § 61 Nrn. 1 und 2 VwGO erst seit Erlass dieses Gesetzes möglich sei, die Verletzung von Verfahrensfehlern nach § 4 Abs. 1 URG gerichtlich geltend zu machen (so Kment, a.a.O. S. 279). Indessen kann der Kläger aus dem URG im vorliegenden Verfahren Rechte nicht ableiten, weil gemäß § 5 URG dieses Gesetz für Verfahren, wie das vorliegende Genehmigungsverfahren, nur dann gilt, wenn diese nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind. Im vorliegenden Fall ist das Genehmigungsverfahren jedoch mit Eingang des Antrags der Beigeladenen vom 22. Oktober 2004 bei dem Beklagten am 17. November 2004 eingeleitet worden. Damit findet das URG für das vorliegende Verfahren keine Anwendung. Hieran ändert auch der Abänderungsantrag der Beigeladenen vom 2. Dezember 2005 nichts, mit dem − bei gleichbleibenden Standorten und gleichbleibender Nabenhöhe der streitigen Windkraftanlagen − eine Änderungsgenehmigung bezüglich des Rotordurchmessers begehrt wurde, der entsprechend dem ursprünglichen Antrag reduziert werden sollte. Hierdurch stellte sich die Genehmigungsfrage nicht erneut. Durch die Änderung werden die Auswirkungen der Windkraftanlagen nämlich allenfalls reduziert. Vor diesem Hintergrund bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Klärung, ob, wie die Beigeladene meint, das Umweltrechtsbehelfsgesetz lediglich den in § 2 URG genannten Vereinigungen das Recht gibt, Verfahrensverletzungen gerichtlich anzugreifen oder ob auch einzelne Betroffene aufgrund der Formulierung in § 4 Abs. 3 URG hierzu befugt sind (so Kment, a.a.O.).

48

Auch das Bundesverwaltungsgericht weist in seinem Beschluss vom 21. Januar 2008 (ZfBR 2008, 289 ff.) darauf hin, dass das Umweltrechtsbehelfsgesetz nur für Verfahren gilt, die nach dem 25. Juni 2005, also nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2003/35/EG eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen. Aus dieser Entscheidung wird aber zugleich deutlich, dass das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung ist, dass auch das Gemeinschaftsrecht nicht gebietet, die Genehmigung von Projekten, für die das Genehmigungsverfahren vor Ablauf der Frist vor Umsetzung der genannten Richtlinie eingeleitet wurde, wegen des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften aufzuheben (Rn. 12 des Beschlusses). In diesem Zusammenhang weist das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich auf den von dem EuGH in seinem Urteil vom 7. Januar 2004 (a.a.O.) ausdrücklich hervorgehobenen Grundsatz der Verfahrensautonomie (Rnrn. 13 ff.), deren Grenzen nicht überschritten seien, wenn das deutsche Recht es nicht ermöglicht, dass bloße Verfahrensfehler, die nicht zu einer Verletzung materieller Rechte des Betroffenen führen, zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung führen. Aufgrund der vorstehend dargelegten Überlegungen ist es also nicht zu beanstanden, sondern steht vielmehr in Einklang mit der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ausgeführt hat, dass die Geltendmachung eines Verfahrensverstoßes allein die Aufhebung der angefochtenen Genehmigung nicht rechtfertigen kann, sondern dass die Anfechtungsklage nur dann Erfolg haben kann, wenn der geltend gemachte Verfahrensfehler auch zu einer Verletzung der eigenen materiellen Rechte des Klägers geführt hat, was hier jedoch nicht der Fall ist.

49

Daran hält der Senat nach wie vor fest. Dem ist der Kläger im vorliegenden Verfahren auch nicht weiter entgegengetreten. Damit stellt sich im vorliegenden Verfahren lediglich noch die Frage, ob die streitgegenständlichen Windkraftanlagen gegen sonstige - drittschützende - Vorschriften verstoßen, die den Kläger begünstigen.

50

Insoweit macht der Kläger einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 1 BImSchG geltend, die nachbarschützend ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2008, ZfBR 2008, 278 ff.; Jarass, BImSchG, § 5, Rn. 21). Im vorliegenden Fall stehen nicht schädliche Umwelteinwirkungen, sondern sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 BImSchG in Rede, zu denen die von dem Kläger geltend gemachte Gefährdung durch Eiswurf zu zählen ist. Darüber hinaus macht der Kläger einen Verstoß gegen die ebenfalls drittschützende Vorschrift des § 8 LBauO geltend. Eine Verletzung der genannten Vorschriften ist nach der Überzeugung des Senats jedoch nicht gegeben.

51

Die Nebenbestimmungen zum Ausschluss einer Gefährdung Dritter durch Eiswurf in den angefochtenen Genehmigungen in der Gestalt, die sie letztendlich durch die Auflagen erhalten haben, die der Beklagte den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 gemacht hat, erachtet der Senat unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles als ausreichend, um der von dem Kläger angesprochenen Gefährdung durch Eiswurf zu begegnen. Ein Verstoß gegen § 8 LBauO durch die Genehmigung der Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) ist nach den vorliegenden Unterlagen ebenfalls mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Allein diese Windkraftanlage steht mit einer Entfernung von 90 m so nah zu dem Grundstück des Klägers Parzelle Nr. ..., dass die Einhaltung des § 8 LBauO insoweit überhaupt zu prüfen ist. Alle anderen im vorliegenden Verfahren streitigen Windkraftanlagen stehen so weit von seinen Grundstücken entfernt, dass eine Verletzung von § 8 LBauO bezogen auf diese Grundstücke von vornherein ausscheidet. Über die näher zu den vorgenannten Grundstück des Klägers stehende Windkraftanlage T 2 des Beigeladenen zu 2) wird in dem aus dem vorliegenden Verfahren abgetrennten Verfahren (1 A 10597/11.OVG) zu entscheiden sein.

52

Die Gefahr des Eiswurfs bei Standorten von Windkraftanlagen in Mittelgebirgshöhenlagen, wie sie hier bezüglich der streitgegenständlichen Standorte gegeben sind, ist zwischen den Beteiligten wohl nicht grundsätzlich streitig. Sie wird heute ersichtlich auch von den Planern derartiger Anlagen grundsätzlich anerkannt, was im vorliegenden Fall dadurch dokumentiert wird, dass die Beigeladenen selbst in ihren jeweiligen Antragsunterlagen (vgl. bezüglich der Beigeladenen zu 1., Ordner IV, Bl. 49 ff.) hierauf eingehen und die schon von Antragstellerseite von vornherein vorgesehenen Sicherungseinrichtungen darstellen. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten unter Ziffer 2.1 (S. 3 des Gutachtens vom 13. Dezember 2010) ausgeführt hat auch das Deutsche Institut für Bautechnik in der Musterliste der technischen Baubestimmungen Vorgaben formuliert, wie der Gefahr des Eisabwurfs zu begegnen ist (Fassung März 2004). In Rheinland-Pfalz hat das zuständige Fachministerium diese Gefahr zum Anlass genommen, in der Verwaltungsvorschrift vom 28. April 2003 (MinBl. 2003, 357 ff., 369 ff.), in der nachfolgenden Verwaltungsvorschrift vom 15. Oktober 2004 (MinBl. 2004, 374 ff., 396) und in dem gemeinsamen Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums des Innern und für Sport, des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau und des Ministeriums für Umwelt und Forsten vom 30. Januar 2006 (Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen, MinBl. S. 64 ff.) hierzu Aussagen zu machen. In dem letztgenannten Rundschreiben heißt es unter IV.4 „Eisabwurf“:

53

Windenergieanlagen sind generell so zu errichten und zu betreiben, dass es nicht zu einer Gefährdung durch Eisabwurf kommt. Um eine solche Gefährdung zu vermeiden, bestimmt die durch Verwaltungsvorschrift als technische Baubestimmung eingeführte Richtlinie für Windenergieanlagen, dass geeignete betriebliche bzw. technische Vorkehrungen gegen Eisabwurf zu treffen sind (Verwaltungsvorschrift vom 15. Oktober 2004, MinBl., S. 374, 396, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 22. November 2005, MinBl., S. 350).

54

Da Eisstücke über mehrere 100 m weit geschleudert werden können, ist die Einhaltung entsprechend größerer Abstände bei kleinparzellierten Grundstücken kaum möglich. Die Abstände nach § 8 LBauO berücksichtigen die Eisabwurfproblematik nicht. Deshalb kommen in erster Linie technische Vorkehrungen oder geeignete betriebliche Maßnahmen in Betracht, wie zum Beispiel, dass

55

- sich die Anlage bei Eisansatz aufgrund entsprechender technischer Vorkehrungen (z.B. Detektoren) selbst stilllegt,

        

- der Eisansatz durch technische Maßnahmen (Beheizung und/oder wasserabweisende Beschichtung der Rotorblätter) auf Dauer vermieden wird.

56

Die Frage entsprechender Regelungen in Genehmigungsbescheiden stellt sich in Bezug auf die Eigentümer von den Windkraftanlagen benachbarten Grundstücken nur dann und die vorgenannten Eigentümer können auch nur dann durch das Fehlen entsprechender Regelungen in den jeweiligen Genehmigungsbescheiden in ihren eigenen Rechten verletzt sein, wenn die jeweils streitigen Windkraftanlagen in einer Entfernung von ihren Grundstücken genehmigt worden sind, die geringer ist als die potentielle Eiswurfweite gemessen von dem Standort der jeweiligen Windkraftanlage. Wie diese potentielle Eiswurfweite zu ermitteln ist, hat der Senat in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) unter Bezugnahme auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 9. Februar 2006 (in juris) im Einzelnen ausgeführt.

57

Zugrunde zu legen sind dabei die Ergebnisse des EU-Forschungsprojektes „Windenergy Produktion in Cold Climates“, des sogenannten „WECU-Projektes“. Als Ergebnis durchgeführter Simulationen und der bisherigen Beobachtungen empfiehlt das „WECU-Gutachten“ deshalb für Standorte, an denen mit hoher Wahrscheinlichkeit an mehreren Tagen im Jahr mit Vereisung gerechnet werden muss, einen Abstand von 1,5 x (Nabenhöhe + Durchmesser) zu den nächsten gefährdeten Objekten einzuhalten. Diesen Richtwert haben auch die Beigeladenen in ihren Antragsunterlagen (s. bezüglich der Beigeladenen zu 1., Ordner IV, Bl. 51) zugrunde gelegt. Soweit in der mündlichen Verhandlung seitens des Klägers vorgetragen worden ist, die genaue Ermittlung dieser Faustformel für potentielle Eiswurfweiten sei unklar, genaue Berechnungsergebnisse dafür lägen nicht vor und Eisstücke könnten auch weiter fliegen, muss dem im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht nachgegangen werden. Die hier streitigen Windkraftanlagen der Beigeladenen sind nämlich jeweils so nahe zu den Grundstücken des Klägers genehmigt worden, dass sie nach der vorstehend erläuterten Faustformel von Eisstücken getroffen werden könnten, die von den den Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen abgeworfen werden. Durch die vorgenannte Formel würde sich nämlich unter Berücksichtigung der Nabenhöhe von 100 m und des Rotordurchmessers von 90 m eine potentielle Eiswurfweite von 285 m errechnen. Das ist in etwa auf die Entfernung der Windkraftanlage Nr. 3 der Beigeladenen zu 1) von dem nächstgelegenen Grundstück des Klägers. Alle übrigen im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Windkraftanlagen sind in einer geringeren Entfernung zu Grundstücken des Klägers genehmigt worden. Den Bedenken des Klägers, die vorstehend erläuterte Formel zur Ermittlung der potentiellen Eiswurfweite von Windkraftanlagen sei unzutreffend, müsste allein dann nachgegangen werden, wenn die streitigen Windkraftanlagen so weit von den Grundstücken des Klägers entfernt stünden, dass diese Grundstücke unter Zugrundelegung der vorgenannten Faustformel nicht mehr von Eisbrocken getroffen werden könnten, die von den Windkraftanlagen abgeworfen werden. Nur dann käme der Frage Relevanz zu, ob diese Faustformel zu einem zutreffenden Ergebnis führt oder ob größere Eiswurfweiten anzunehmen wären.

58

Liegen die klägerischen Grundstücke somit innerhalb der potentiellen Eiswurfweite der den Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen und könnte der Kläger, sofern er sich auf seinen Grundstücken aufhält, dort möglicherweise von Eisbrocken getroffen werden, die von den Rotoren der Windkraftanlagen abgeworfen werden, so waren hier im Rahmen der erteilten Genehmigungen - was auch der Beklagte selbst so gesehen hat - Regelungen zu treffen, die die genannte Gefährdung hinreichend sicher vermeiden. Das gänzliche Fehlen entsprechender Regelungen oder deren Unwirksamkeit – sei es wegen mangelnder Bestimmtheit oder wegen ihrer Ungeeignetheit – kann der Kläger auch geltend machen, weil die Regelung des § 5 BImSchG, woraus sich diese Verpflichtung für den Beklagten ergibt, drittschützend ist. Die der Beigeladenen zu 1) erteilte Genehmigung vom 26. Oktober 2005 sowie die dem Beigeladenen zu 2) erteilte Genehmigung vom 17. November 2005 genügten diesen Anforderungen indessen nicht, weil sie nicht hinreichend bestimmt waren.

59

Die diesbezügliche Regelung in dem Bescheid vom 26. Oktober 2005 auf Seite 12 des Bescheides erschöpft sich in dem Passus:

60

Da im vorliegenden Fall keine ausreichend großen Sicherheitsabstände zu gefährdeten Objekten (…) eingehalten werden, müssen geeignete betriebliche bzw. technische Vorkehrungen gegen Eiswurf getroffen werden.

61

Eine im Wesentlichen gleichlautende (nicht aussagekräftigere) Nebenbestimmung enthält der Bescheid vom 17. November 2005 unter Nr. 11. Die Änderungsbescheide vom 19. Januar 2006 und vom 23. Januar 2006 wiederholen diese Formulierung lediglich in ihren Nebenbestimmungen unter Nr. 11. Der vorgenannten Formulierung ist jedoch nicht zu entnehmen, was aus der Sicht des Beklagten denn nun eine geeignete Vorkehrung sein könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bislang offensichtlich weder ein technisches Regelwerk noch einen allgemeinen anerkannten Stand der Technik gibt, aus dem die Beigeladenen als Genehmigungsadressaten zweifelsfrei hätten entnehmen können, was von ihnen hierdurch verlangt wird. Zwar kann es im Einzelfall sinnvoll sein, dass eine Behörde mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einem Genehmigungsadressaten verschiedene Möglichkeiten eröffnet, einer Nebenbestimmung nachzukommen, sofern sie gleichermaßen geeignet sind, das mit der Regelung verfolgte Ziel zu erreichen. Das setzt aber voraus, dass sie entweder eindeutig benannt werden oder von den Betroffenen ohne weiteres ermittelt werden können. Hier hat es der Beklagte indessen den Beigeladenen als Genehmigungsadressaten überlassen, letztlich durch Versuch und Irrtum herauszufinden, was aus der Sicht der Behörde geeignete Vorkehrungen sein könnten. Das genügt nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes.

62

Eine entsprechende Konkretisierung war im vorliegenden Fall auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Beigeladenen von sich aus – nach Erteilung der Genehmigungen – Eissensoren eingebaut und deren Funktionsfähigkeit durch Gutachten nachgewiesen hatten. Im vorliegenden Verfahren geht es nämlich nicht darum, ob der Beklagte gegenüber den Beigeladenen tätig werden muss, um ausreichende Sicherheitseinrichtungen durchzusetzen, was entbehrlich wäre, wenn diese schon von sich aus entsprechend tätig geworden wären. Vielmehr sind Streitgegenstand ausschließlich die erteilten Genehmigungen, die ihrerseits unabhängig davon, was die Beigeladenen von sich aus - aber nicht durch bestandkräftige Bescheide verpflichtet - getan haben, ausreichende und bestimmte Regelungen enthalten müssen.

63

Eine solche ausreichende und bestimmte Regelung ist vorliegend auch nicht mit Blick auf die weitere Regelung in den genannten Genehmigungsbescheiden entbehrlich, wonach die Beigeladenen vor Baubeginn nachzuweisen hatten, durch welche Maßnahmen eine Gefährdung durch Eiswurf verhindert werden solle. Das ist nichts anderes als die Aufgabe einer Berichtspflicht und ersetzt nicht die Präzisierung dessen, was eine geeignete technische Vorkehrung sein soll.

64

Entsprechende konkrete Regelungen waren des Weiteren auch nicht deshalb entbehrlich, weil von den Beigeladenen als Antragstellern in den zur Genehmigung eingereichten Antragsunterlagen zwei Einrichtungen als von vornherein vorgesehene Sicherungseinrichtungen angesprochen werden, die damit zum Bestandteil der jeweiligen Genehmigungen geworden sind (s. bezüglich der Beigeladenen zu 1), Ordner IV, Bl. 49 ff.). Das ist zum einen die Überwachung der Leistungskennlinie für den Fall einer gleichmäßigen Vereisung der Rotorblätter und eine Schwingungsüberwachung für den Fall einer unsymmetrischen Vereisung der Rotorblätter. Hierzu hat der Sachverständige in seinem Gutachten vom 13. Dezember 2010 auf S. 3 ff. ausgeführt, dass diese beiden Überwachungseinrichtungen einen Eisansatz an den Rotorblättern während des Betriebes einer Windkraftanlage zwar feststellen können, dass dies aber ein gewisses Maß von Eisansatz an den Rotorblättern voraussetzt, weshalb letztlich die Möglichkeit gegeben ist, dass sich Eis von den Rotorblättern löst, bevor eine diese Überwachungseinrichtungen den Eisansatz erkennt.

65

Zwar wird in den Antragsunterlagen (s. bezüglich der Beigeladenen zu 1, a.a.O., S. 51) auch der Einbau eines Eisdetektors angesprochen. Hierbei sollte es sich indessen nicht um die zur Genehmigung gestellte Standardausrüstung der Windkraftanlagen handeln. Es wurde lediglich erwähnt, dass die Herstellerfirma „optional auf Wunsch“ ihre Windenergieanlagen mit einem solchen Detektor ausstatten könne. Diese - weitere - Sicherheitsvorkehrung war deshalb durch die Genehmigungen, die jeweils hierauf nicht eingehen, nicht mit erfasst.

66

Allerdings hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 die bisherigen – unbestimmten – Regelungen bezüglich des Eisabwurfes in den Bescheiden vom 26. Oktober und 17. November 2005 ergänzt und nunmehr jeweils den Einbau eines Eissenors der Firma L… (LIT-3.210 C) angeordnet. Diese ergänzende Regelung ist bestandskräftig geworden. Zwar ist im Falle einer Anfechtungsklage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Indessen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Falle der Klage eines Dritten gegen einen gegenüber einem Bauherrn ergangenen begünstigenden Bescheid eine nachträgliche, auch noch im gerichtlichen Verfahren erfolgende Behebung von Mängeln durch einen ergänzenden Bescheid zu berücksichtigen ist, weil es letztlich keinen Sinn machen würde, einen Bescheid aufzuheben, der in der – inzwischen - geänderten Fassung in gleicher Weise wieder erteilt werden müsste. So liegt der Fall hier. Die Genehmigungsbescheide in der geänderten Fassung, die sie durch die Abänderung in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 erhalten haben, sind nunmehr nicht allein hinreichend bestimmt sondern verletzen den Kläger auch nicht - mehr - in seinen eigenen Rechten, weil hierdurch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles inzwischen mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des Klägers durch Eiswurf beim Betreten seiner Grundstücke ausgeschlossen wird, wie die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats ergeben hat.

67

Gegen die Eignung des genannten Eissenors führt der Kläger im Wesentlichen drei Argumente ins Feld. Zum einen verweist er darauf, dass der Eissensor in Höhe der Gondel und damit 45 m unterhalb der Höhe angebracht werden soll und von den Beigeladenen jeweils schon angebracht worden ist, die die Rotorblattspitzen erreichen. Zum anderen macht er in diesem Zusammenhang geltend, dass durch die Abwärme von der Gondel an dieser Stelle eine höhere Temperatur herrsche, als sie an den Rotorblattspitzen zu erwarten stehe. Und schließlich trägt er vor, es gebe – inzwischen - geeignetere Überwachungsmöglichkeiten an den Rotorblättern selbst bezüglich eines Eisansatzes. Die Beweisaufnahme auf zwar das Vorbringen des Klägers teilweise bestätigt. Sie hat aber zugleich deutlich gemacht, dass das hiernach nicht 100 % auszuschließende Restrisiko derart gering ist, dass der Beklagte weitergehende Sicherungsvorkehrungen von den Beigeladenen zu fordern nicht verpflichtet ist und die angefochtenen Genehmigungen den Kläger daher nicht in seinen eigenen Rechten verletzen.

68

Zutreffend ist danach die Argumentation des Klägers, dass es Situationen geben kann, in denen eine Vereisung an den Rotorblättern auftritt, ohne dass der am Wettermast der Gondel angebrachte Sensor bereits eine Vereisung feststellt. Das hat der Sachverständige in seinem Gutachten auf S. 4 im Einzelnen erläutert. Dass unterschiedliche Temperaturen im Bereich des Sensors und an den Rotorblättern auftreten können, hat auch der in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 angehörte Dipl.-Ing. R... bestätigt. Damit ist festzuhalten, dass nicht jedweder Eisansatz an den Rotorblättern 100 %ig ohne jede Verzögerung zugleich von dem in der ergänzenden Nebenbestimmung geregelten Eissensor festgestellt wird. Dass hier unter Umständen in besonderen Einzelfällen ein Zeitfenster zwischen einem relevanten Eisansatz an den Rotorblättern und einem Erkennen desselben durch den Eissensor auftreten kann, wird im Übrigen bereits in den Antragsunterlagen der Beigeladenen (vgl. bezüglich der Beigeladenen zu 1), Ordner IV, S. 52) angesprochen. Um dieses Zeitfenster, aus dem der Kläger eine ihm unzumutbare Gefährdung ableitet, geht es ihm letztlich. Dem kann auch nicht, wie die Beigeladenen vorgetragen haben, entgegengehalten werden, dass jede technische Einrichtung einmal versagen könne. Hierbei geht es nämlich nicht um ein technisches Versagen, sondern um einen Umstand, der in der technischen Konzeption dieser Sicherheitseinrichtung angelegt ist.

69

Hieraus folgt indessen nicht, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, anstelle des in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 den Beigeladenen aufgegebenen Einbaues der genannten Eissensoren eine andere technische Sicherheitseinrichtung aufzugeben, wie der Kläger sie favorisiert. Dabei ist anzumerken, dass es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht darauf ankommen kann, ob und wie die technische Entwicklung inzwischen fortgeschritten ist oder gar, welche Sicherheitsvorkehrungen möglicherweise erst für die Zukunft konzipiert werden. Der Beklagte konnte sich in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Ergänzung der Nebenbestimmungen in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 nämlich nur an dem orientieren, was seinerzeit tatsächlich auf dem Markt und hinreichend erprobt war. Etwas darüber hinaus Gehendes konnte von ihm nicht verlangt werden. Zwar gibt es inzwischen auch das mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörterte System „BLADE control“. Allerdings ist dieses System, wie der genannte Dipl-Ing. R... in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, zum einen erst wenige Jahre auf dem Markt. Und zum anderen sind ihm nach seinen Erkenntnissen auch keinerlei belegte Ausarbeitungen über die Zuverlässigkeit der verschiedenen Eiserkennungssysteme bekannt, aus denen sich die größere Eignung des letztgenannten Systems gegenüber dem System ergeben würde, dass den Beigeladenen anzubringen aufgegeben worden ist. Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte den Beigeladenen die Anbringung des vorerwähnten Eissensors aufgeben hat.

70

Erweisen sich die hier bezüglich einer Gefährdung durch Eiswurf getroffenen Regelungen des Beklagten in den Nebenbestimmungen der den Beigeladenen erteilten Genehmigungen somit nicht bereits schon deshalb als fehlerhaft, weil diesen ein geeigneteres Sicherheitssystem anzubringen hätte aufgegeben werden müssen, dann stellt sich im vorliegenden Verfahren letztlich die Frage, ob der Beklagte zulässigerweise eine Regelung treffen durfte, bei der ein – wenn auch äußerst geringes – Restrisiko einer Gefährdung verbleibt. Das ist vorliegend zu bejahen.

71

Der Begriff des – verbleibenden – Restrisikos, der von der – zu regelnden – Schadensvorsorge zu unterscheiden ist, wird von dem Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Atom- wie auch zum Bergrecht verwandt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. August 2006, NVwZ 2007, 88 ff., Rn. 12 f., Urteil vom 10. April 2008, NVwZ 2008, 1012, Rn. 25, 30 und 32, und Urteil vom 29. April 2010, Beck, RS 2010, 49, 1416). Danach ist unter diesem Begriff dasjenige Risiko zu verstehen, welches von einer Anlage ausgeht, nachdem sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden und das sinnvollerweise (nach dem Maßstab „praktische Vernunft“) nicht mehr minimierbar ist (vgl. auch Roller, Drittschutz im Atom- und Immissionsschutzrecht, NVwZ 2010, 990 ff.). Die der im vorliegenden Fall bezüglich der Regelung, einen bestimmten Eissensor einzubauen, zugrunde liegende Risikoabschätzung des Beklagten, wonach ein nicht mehr weiter minimierbares Restrisiko verbleibt, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu beanstanden.

72

Maßgeblich sind insoweit die von dem Kläger nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 13. Dezember 2010 unter Ziffer 3.5 zu der relativen Häufigkeit von Eisablagerungsbedingen an den Standorten der Windkraftanlagen und unter Ziffer 3.1 zu der Wahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses auf den Grundstücken des KIägers. Danach ist in dem hier allein in Betracht zu ziehenden Zeitraum von November bis Februar mit Vereisungsbedingungen im Betriebsbereich der Windkraftanlagen an 1,7 bis 6 Tagen zu rechnen. An diesen Tagen müssten aber noch weitere Umstände eintreten, damit es zu einer Schädigung des Klägers auf seinen Grundstücken kommen könnte. Es müsste eine ausreichende Windgeschwindigkeit an den Windkraftanlagenstandorten vorhanden sein, damit die Windkraftanlagen überhaupt in Betrieb wären. Zusätzlich müsste keines der drei Systeme zur Eiserkennung den Eisansatz rechtzeitig erkennen und die Windkraftanlage abschalten, bevor es zum relevanten Eisansatz kommt. Darüber hinaus müsste außerdem Eis auf eine der Parzellen des Klägers geschleudert werden und letztlich müsste dieser bzw. eine andere Person sich zum Zeitpunkt des Aufschlages an der Stelle befinden, an der der Eisabwurf auftrifft. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger oder eine andere sich auf seinen Grundstücken aufhaltende Person von Eisbrocken getroffen werden könnte, die von den Rotoren der genehmigten Windkraftanlagen weggeschleudert werden, wird noch zusätzlich dadurch minimiert, dass nicht nur Windverhältnisse herrschen müssten, bei denen die Rotoren laufen, sondern dass auch noch die Windrichtung dergestalt sein müsste, dass von den Rotoren abgeworfene Eisstücke in Richtung auf die Grundstücke des Klägers geworfen werden können. Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es sich bei den Grundstücken des Klägers um im Außenbereich gelegene Parzellen handelt, auf denen sich Personen zu dieser Jahreszeit jedenfalls nicht regelmäßig aufhalten dürften und bezüglich derer der Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen hat, sich dort zwangsläufig und regelmäßig zur Durchführung konkret benannter Arbeiten aufhalten zu müssen.

73

All das zusammengenommen verdeutlicht, dass hier ein derart geringes Risiko in Rede steht, dass von dem Beklagten – orientiert an dem Maßstab „praktischer Vernunft“ – nicht mehr verlangt werden kann gegenüber den Beigeladenen weitere Regelungen zu treffen, um dieses Risiko noch weiter zu minimieren. Angesichts dessen erachtet der Senat die Nebenbestimmungen in den angefochtenen Genehmigungen zum Ausschluss einer Gefährdung Dritter durch Eisabwurf von den Windkraftanlagen der Beigeladenen für ausreichend, weshalb der Kläger durch diese Genehmigungen insoweit nicht in seinen eigenen Rechten verletzt wird.

74

Entgegen der Auffassung des Klägers verstoßen die den Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen auch nicht gegen die drittschützende Vorschrift des § 8 LBauO, nach der vor baulichen Anlagen Abstandsflächen freizuhalten sind. Einer näheren Überprüfung bedarf im vorliegenden Fall lediglich die der Beigeladenen zu 1) genehmigte Windkraftanlage Nr. 8 in Bezug auf das Grundstück des Klägers Parzelle Nr. 54. Alle übrigen streitgegenständlichen Windkraftanlagen stehen zwischen 180 und ca. 290 m von Grundstücken des Klägers entfernt, so dass insoweit – ungeachtet aller Streitigkeiten zwischen den Beteiligten, wie die erforderliche Abstandsfläche genau zu berechnen ist – eine Verletzung von § 8 LBauO von vornherein ausscheidet.

75

Die Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) ist nach den vorliegenden Unterlagen in einem Abstand von 90 m zum Grundstück Parzelle Nr. ... genehmigt worden. Zwar gehen der Kläger, der Beklagte und die Beigeladenen letztlich von den gleichen Überlegungen bezüglich der Ermittlung einer Abstandsfläche bei Windkraftanlagen aus. Streitig ist indessen, ob in die jeweilige Berechnung die zutreffenden Maße eingeflossen sind, woraus sich, je nachdem, welcher Auffassung zu folgen ist, eine unterschiedliche, aber nicht stark differenzierende Tiefe der einzuhaltenden Abstandsfläche ergeben kann. Auch dann, wenn man die – letztlich im Grundsatz wohl zutreffenden – Überlegungen des Klägers zur Ermittlung der Abstandsfläche berücksichtigt, ergibt sich im vorliegenden Fall bei einer überschlägigen Ermittlung ungeachtet aller damit verbundenen Ungenauigkeiten, dass der Abstand der Windkraftanlage Nr. 8 zu der vorgenannten Parzelle des Klägers zweifellos ausreichend ist.

76

Die Ermittlung einer bezüglich Windkraftanlagen erforderlichen Abstandsfläche regelt § 8 LBauO lediglich hinsichtlich einer einzigen Komponente, nämlich hinsichtlich des Multiplikators, mit dem die – nach den anderen Regelungen in § 8 LBauO – zu ermittelnde Wandhöhe H zu multiplizieren ist. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO nämlich festgelegt, dass bei Windkraftanlagen in nicht bebauten Gebieten eine Tiefe der Abstandsfläche bis zu 0,25 H zugelassen werden kann. Eine spezifische Regelung über die Ermittlungen der maßgeblichen Wandhöhe H für Windkraftanlagen hat der Gesetzgeber jedoch nicht formuliert. Gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO sind für bauliche Anlagen, von denen Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen, die Absätze 1 bis 7 des § 8 LBauO entsprechend anzuwenden.

77

Mit der Frage, wie § 8 Abs. 4 LBauO bezüglich Windkraftanlagen umzusetzen ist, hat sich der 8. Senat des erkennenden Gerichts an seinem Beschluss vom 10. September 1999 (8 B 11689/99.OVG) auseinandergesetzt, dem auch der erkennende Senat folgt und an dem sich die Beteiligten selbst von Anfang an orientiert haben. Hiernach ist die Berechnung der Wandhöhe H in Anlehnung an die Sonderregelung für Giebelflächen in § 8 Abs. 4 Sätze 3 bis 6 LBauO vorzunehmen. Die sich danach ergebende Berechnungsformel hat der 8. Senat in der vorgenannten Entscheidung wie folgt definiert:

78

H = Masthöhe + (0,4637 x Rotorradius)

79

Mit der zweiten Komponente dieser Formel – 0,4637 x Rotorradius – soll die Wirkung des sich drehenden Rotors oberhalb der Nabenhöhe – die gedankliche Parallele zur in § 8 Abs. 4 LBauO geregelten Giebelfläche - erfasst werden. Danach ist in Entsprechung der Regelungen des § 8 Abs. 4 Satz 3 bis 6 LBauO die Höhe bis zur Nabenhöhe in vollem Umfang wie bei einem Gebäude die Wand unterhalb des Giebels zu berücksichtigen und die oberhalb davon von dem Rotor überstrichene halbrunde Fläche einem Giebel entsprechend in einem geringeren Umfang bezüglich ihrer Höhe hinzuzurechnen.

80

Über diese Komponente der Berechnung streiten die Beteiligten nur insoweit, als die Formel auf den Rotorradius zurückgreift, der nach Auffassung des Klägers – geringfügig – größer ist als von dem Beklagten angenommen. Das ist wohl, wie die Anhörungen des Dipl.-Ing. R... in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 ergeben hat, beim Betrieb einer Windkraftanlage gegenüber einem stillstehenden Rotor tatsächlich der Fall. Der Berechnung der Abstandsfläche durch den Beklagten liegt der Rotordurchmesser im Ruhezustand des Rotors zugrunde. Beim Betrieb kann sich dieser Rotordurchmesser, wie Dipl.-Ing. R... erläutert hat, durch den Winddruck deshalb im geringen Umfang vergrößern, weil die Rotorblätter nicht gerade geformt sondern, wie sich aus der Zeichnung Bl. 197 im Ordner X (Änderungsgenehmigung) ergibt, leicht nach vorne in den anströmenden Wind hineingebogen sind. Auf diesen Umstand hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 24. Mai 2007 unter Hinweis auf die vorstehend erläuterte „Vorbiegung“ der Rotorblätter verwiesen und ausgeführt, dass sich der Rotorbetriebsdurchmesser hierdurch auf 90,90 m vergrößere, woraus sich ein Radius von 45,45 m ergebe, also eine Vergrößerung des Rotorradius um 1 %. Ob die Veränderung in dieser Größenordnung liegt, vermochte der Dipl.-Ing. R... auf Befragen des Gerichtes nicht zu bestätigen. Davon, dass sich beim Betrieb der Rotordurchmesser und damit auch der Rotorradius verändert, geht aber auch er aus. Da den Beigeladenen aber nicht etwa Windkraftanlagen mit lediglich stehenden Rotoren genehmigt worden sind, sondern natürlich auch deren Betrieb, muss sachgerechter Weise bei der Abstandsflächenberechnung auf der Grundlage der vorstehend erläuterten Formel der Radius des Rotors im Betrieb zugrunde gelegt werden. Geht man von der von dem Kläger angenommenen Vergrößerung des Rotorradius um 1 % aus, dann ergibt sich vorliegend eine maßgebliche Wandhöhe H, die sich errechnet aus der – unstrittigen – Höhe bis zur Naben von 100 m und der weiteren Höhe von 21,075 m, die sich aus der Multiplikation des Rotorradius von 45,45 m mit 0,4637 ergibt. Danach beträgt die maßgebliche Wandhöhe H 121,075 m.

81

Nach § 8 Abs. 6 LBauO, der gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 entsprechend anzuwenden ist, beträgt die Tiefe der Abstandsfläche 0,4 H. Allerdings hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO eine Sonderregelung für Windkraftanlagen geschaffen, wonach diese Abstandsfläche auf bis zu 0,25 H verringert werden kann. Hierzu hat der Senat bereits in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10591/06.OVG) ausgeführt:

82

„…Insbesondere handelt es sich bei der vom Gesetz vorgesehenen Entscheidung über die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen auf bis zu 0,25 H um eine vom Gesetzgeber durch die Einführung des Satzes 2 in § 8 Abs. 10 LBauO ausdrücklich gewollte Erleichterung für die Errichtung von Windenergieanlagen im unbebauten Außenbereich (s.a. Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 13. Februar 1999, auszugsweise abgedruckt in Oppermann/Wieseler/Friedt, Die Neue Bauordnung für Rheinland-Pfalz, S. 25), so dass wegen des daraus resultierenden intendierten Ermessens regelmäßig nur 0,25 H bei der Berechnung der Abstandsflächen zugrunde zu legen ist, solang keine erheblichen Nachbarbelange hierdurch beeinträchtigt werden….“

83

Hieran hat sich der Beklagte indessen, wie er in seinem Schriftsatz vom 28. April 2006 (Bl. 129 Gerichtsakte 1 L 633/06.KO) dargelegt hat, dergestalt orientiert, dass er unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles entschieden hat, sein ihm durch die genannte Vorschrift eingeräumtes Ermessen dahingehend auszuüben, eine Reduzierung der Abstandsflächen - so auch für die Windkraftanlage Nr. 8 - auf 0,32 H vorzunehmen. Diese in etwa zu einem Mittelwert zwischen der nach § 8 Abs. 6 LBauO regelmäßig einzuhaltenden Abstandsfläche von 0,4 H und der nach § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO größtmöglichen Reduzierung der Abstandsfläche auf 0,25 H führende Ermessenausübung des Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, da Anhaltspunkte dafür, dass eine größere Abstandsfläche hätte erforderlich sein können, weder ersichtlich noch von dem Kläger substantiiert vorgetragen worden sind. Seine hierzu vorgetragenen Bedenken erschöpfen sich nämlich im pauschalen Aussagen. Unter Berücksichtigung der von dem Beklagten vorgenommenen Festlegung der Abstandsfläche auf 0,32 H ergibt sich danach eine Tiefe der Abstandsfläche für die Windkraftanlage Nr. 8 von 38,74 m.

84

Die vorgenannte Entscheidung des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 10. September 1999 (8 B 11689/99.OVG) erläutert des Weiteren, wo die so ermittelte Abstandsfläche in Richtung auf das Grundstück des jeweiligen Nachbarn anzusetzen ist. Die Entscheidung geht von der Überlegung aus, dass der von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildete Raum einem gegenüber dem Mast vortretenden Bauteil entspricht. Nach § 8 Abs. 5 S.1 LBauO, der gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 entsprechend anzuwenden ist, sind die Abstandsflächen für vortretende Wandteile gesondert zu ermitteln, sofern sie nicht nach § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO unberücksichtigt bleiben können, was hier angesichts der in Rede stehenden Maße zweifellos ausscheidet. Danach ist die Abstandsfläche am Rand des durch die Projektion des vorstehend erläuterten Raums auf die Geländeoberfläche anzusetzen (vgl. Jeromin, Kommentar zur LBauO, § 8 LBauO, Abbildung 61). Daher sind die von dem Kläger im vorliegenden Verfahren getragenen Bedenken, ob der Umfang des Mastes zutreffend ermittelt worden ist, ohne Belang.

85

Welchen Radius diese Projektion vom Mastmittelpunkt aus gemessen hat, ist zwischen den Beteiligten indessen streitig. Der Beklagte und die Beigeladenen gehen bezüglich des von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildeten Raumes ersichtlich von einer auf dem Mastmittelpunkt ruhenden vollkommenen Kugel aus, weshalb der Radius der vorgenannten Projektion dem Rotorradius gleichzusetzen sei. Das ist indessen unzutreffend. Tatsächlich handelt es sich bei dem vorgenannten Raum eher um eine leicht abgeflachte Kugel, was seine Ursache darin hat, dass der Rotor nicht im Mastmittelpunkt, wo er bei der ersten Drehung bereits zerschellen würde, sondern einige Meter seitlich davon an der Gondelspitze befestigt ist. Somit dreht sich nicht der Rotor um den Mastmittelpunkt sondern die vorgenannte Konstruktion bestehend aus Gondel und daran befestigtem Rotor. Diese Konstruktion dreht sich allerdings mit einem geringfügig größeren Radius um den Mastmittelpunkt, als der Rotor um seinen Mittelpunkt. Der Radius dieser nicht mit dem Rotor gleichzusetzenden Gesamtkonstruktion ist allerdings maßgebend für die Projektion des durch die Drehung des Rotors gebildeten Raumes auf die Geländeoberfläche.

86

Der danach maßgebliche Radius lässt sich ungeachtet der Ungenauigkeiten, die in der Vorbiegung der Rotorblätter begründet sein mögen, mit hinreichender Genauigkeit annähernd ermitteln. Vereinfacht kann hierzu gedanklich ein rechtwinkliges Dreieck zugrunde gelegt werden, dessen Seite a durch den Rotorradius und dessen weitere, den rechten Winkel bildende Seite b durch die Auskragung der Gondel über den Mastmittelpunkt hinaus gebildet wird. Die Grundseite c dieses Dreiecks bildet dann der Radius der sich insgesamt um den Mastmittelpunkt drehenden Konstruktion.

87

Unter Zugrundelegung der Formel: a² + b² = c² lässt sich dann durch Rückrechnung annähernd der maßgebliche Radius für die Projektion auf die Geländeoberfläche ermitteln. Legt man hier entsprechend den Angaben des Klägers bezüglich der Seite a an den Rotorradius von 45,45 m zugrunde, errechnet sich hieraus a² = 2.065,70. Die Auskragung des Rotors, gemessen vom Mastmittelpunkt bis zum Rotorblatt, beträgt nach der Zeichnung Bl. 197 in Ordner X (Änderungsgenehmigung) 3,96 m, woraus sich b² = 15,68 errechnet. Hieraus ergibt sich c² = 2.081,38. Zurückgerechnet – durch Wurzelziehen – auf c ergibt sich danach – annäherungsweise – ein zugrunde zu legender Radius von 45,62 m, an dem die vorstehend erläuterte Abstandsfläche in Richtung auf das Grundstück des Klägers anzusetzen ist.

88

Hieraus ergibt sich, dass die Abstandsfläche gemessen vom Mastmittelpunkt aus in Richtung auf das Grundstück des Klägers in einer Entfernung von 84,36 m (Radius der Projektion von 45,62 m + Abstandsfläche von 38,74 m) vom Mastmittelpunkt endet. Angesichts der von dem Kläger nicht substantiiert bestrittenen Entfernung von 90 m bezüglich der Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) von seinem Grundstück Parzelle Nr. 54 kann danach ausgeschlossen werden, dass bei einer exakten Ermittlung des Rotorradius im Betrieb und des Radius, der sich um den Mastmittelpunkt drehenden Konstruktion ergeben könnte der Abstand von 90 m nicht ausreicht.

89

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Dabei entsprach es vorliegend der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten bei der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil diese einen eigenen Antrag gestellt und damit ein eigenes Kostenrisiko übernommen haben.

90

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

91

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

92

Beschluss

93

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG).

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Juli 2013 - 6 K 2711/12 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der fristgerecht gestellte und begründete, auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19.07.2013 hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der vom Antragsteller dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838 f.; Senatsbeschluss vom 03.05.2011 - 10 S 354/11 - VBlBW 2011, 442); sie sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/08 - juris), es sei denn, es lässt sich schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtssache im Ergebnis richtig entschieden und die angestrebte Berufung werde deshalb voraussichtlich keinen Erfolg haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004, a.a.O.), wenn nicht ihrerseits die anderen Gründe wiederum auf einen anderen Zulassungsgrund hinführen würden. Zur Darlegung ernstlicher Zweifel (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich.
Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren nicht. Aus den in der Antragsbegründung dargelegten Gründen erweist sich die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht als ernstlich zweifelhaft.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts vom 12.08.2011 für die Errichtung und den Betrieb eines Masthähnchenstalles sowie weiterer Anlagen im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger werde durch die Genehmigung nicht in eigenen Rechten verletzt. Er mache überwiegend die Verletzung von umweltrechtlichen Vorschriften geltend, die keine drittschützende Wirkung hätten. Er werde auch keinen schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärm-, Geruchs- und Schadstoffimmissionen ausgesetzt. Nach der vorliegenden Geruchsimmissionsprognose vom 06.05.2011 des Ingenieursbüros K. werde der für Dorfgebiete geltende Immissionswert der GIRL von 15 % Jahresgeruchsstunden eingehalten; am Ortseingang von B. liege die zu erwartende Geruchsbelastung einschließlich Vorbelastung bei 8 % bis 13 %. Nach dem Schallgutachten vom 25.04.2011 würden die nach der TA Lärm zulässigen Immissionsrichtwerte tags um mehr als 6 dB(A) unterschritten. Bei Durchführung bestimmter lärmmindernder Maßnahmen, zu denen sich die Beigeladene verpflichtet habe, gelte dies auch zur Nachtzeit. Die Richtigkeit der Gutachten sei nicht erschüttert worden. Für seine Absicht, auf dem ca. 50 m vom Baugrundstück entfernt liegenden Flurstück Nr. 628/1 ein Wohnhaus zu errichten, sei der Kläger einen Nachweis schuldig geblieben.
Der Einwand des Zulassungsantrags, die Möglichkeit einer Bebauung des Flurstücks Nr. 628/1 sei zu Unrecht außer Betracht geblieben, greift nicht durch.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend der Erlass der letzten Behördenentscheidung, mithin des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2012. Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklagen für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich, ohne dass danach zu differenzieren ist, ob etwaige Rechtsänderungen zu Gunsten oder zu Ungunsten des Anlagenbetreibers eingetreten sind. Die für nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen entwickelten Grundsätze können auf immissionsschutzrechtliche Drittanfechtungsklagen nicht übertragen werden (vgl. Senatsurteil vom 14.05.2012 - 10 S 2693/09 - VBlBW 2012, 431).
Zum maßgeblichen Zeitpunkt war der Kläger keinen schädlichen Umwelteinwirkungen durch die umstrittene Anlage ausgesetzt. Der Kläger wohnt nach Aktenlage in der Ortsmitte von B. ca. 800 m vom Standort der Anlage entfernt. Nach den vorliegenden, auch im Zulassungsantrag nicht substantiiert in Frage gestellten Geruchs- und Schallimmissionsgutachten sind bereits an den ca. 400 - 500 m entfernten Immissionsorten 1 bis 3 am Ortseingang von B. keine schädlichen Geruchs- und Lärmimmissionen mehr zu erwarten. Fehl geht der Einwand des Zulassungsantrags, dass die Lärmgrenzwerte nachts am Dorfrand ohne zusätzliche Lärmminderungsmaßnahmen überschritten seien. Das Lärmgutachten führt insoweit vielmehr aus, dass bei Einsatz eines elektrischen Gabelstaplers der maßgebliche Immissionsrichtwert um 6 dB(A) unterschritten werde, so dass von der Ermittlung der Vorbelastung abgesehen werden könne (vgl. Ziff. 3.2.1 Abs. 2 und 3 TA Lärm).
Das vom Kläger angeführte Bauvorhaben auf dem Grundstück Flst.-Nr. 628/1 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es gibt keinen belastbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger auf diesem Grundstück tatsächlich wohnen oder auf Dauer arbeiten wird. Der Kläger hatte im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zwar einen Bauantrag für die Errichtung eines Wohnhauses auf diesem Grundstück eingereicht; dem Bauantrag waren aber keine Bauvorlagen beigefügt. Der Aufforderung der Baubehörde, seinen Antrag zu vervollständigen, ist er trotz mehrfacher Fristverlängerung bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids (und bis heute) nicht nachgekommen. Mittlerweile ist der Bauantrag mit baurechtlicher Entscheidung der Stadt Aalen aus formellen Gründen abgelehnt worden. Darüber hinaus wäre ein Wohnhaus auf dem im Außenbereich gelegenen Grundstück Flst.-Nr. 628/1 auch materiell-rechtlich nicht genehmigungsfähig gewesen; ein Privilegierungstatbestand ist nicht erkennbar (vgl. § 35 Abs. 1 BauGB). Der am 22.07.2013 gestellte Bauantrag für eine landwirtschaftliche Halle ist nach dem oben Gesagten nicht mehr zu berücksichtigen, zumal auch diesbezüglich die Zulässigkeit des Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB fraglich ist, weil der Kläger nach Aktenlage kein Landwirt ist.
Der Einwand des Zulassungsantrags, das zu berücksichtigende nachbarliche Interesse setze nicht notwendig eigene aktuelle Bauabsichten voraus, sondern umfasse auch zukünftige Nutzungsmöglichkeiten, greift demgegenüber nicht durch. Die vom Zulassungsantrag in Bezug genommene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 25.05.2011 - 4 A 485.09 - juris) betraf die Verletzung von Abstandsflächenvorschriften zu Lasten eines verpachteten Nachbargrundstücks, mithin die Ausübung des grundrechtlich geschützten Eigentumsrechts durch Verpachtung. Vorliegend geht es hingegen um die Frage, ob die Anlage im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nach den konkreten Umständen des gesamten Falles schädliche Umwelteinwirkungen, d.h. Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen, hervorruft, was maßgeblich am Maßstab der Zumutbarkeit für die Betroffenen zu beurteilen ist. Ein völlig ungewisses, nach dem oben Gesagten nicht einmal theoretisch denkbares Betroffensein ist in diese Abwägung nicht einzustellen (vgl. zum baurechtlichen Gebot der Rücksichtnahme: BVerwG, Beschluss vom 05.09.2000 - 4 B 56.00 - juris). Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, inwieweit eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung an nachträgliche Änderungen der Rechtslage ggf. anzupassen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 7 C 14.08 - juris).
10 
Auch der Einwand des Zulassungsantrags, der Masthähnchenstall sei nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert und habe nicht ohne förmliche Bauleitplanung verwirklicht werden können, ermöglicht nicht die Zulassung der Berufung.
11 
Allerdings trifft es zu, dass die am 20.09.2013 in Kraft getretene Neufassung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB die umstrittene Massentierhaltungsanlage im Ergebnis einem Planerfordernis unterwirft. Denn die Neuregelung nimmt gewerbliche Anlagen zur Tierhaltung, die - wie hier - einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, von der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB aus. Solche Anlagen sollen nur nach Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans errichtet werden können (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 17/11468 S. 15; vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2014 - 5 S 203/13 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Rechtslage dürfte die Anlage jedoch noch gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB alter Fassung privilegiert gewesen sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.06.1983 - 4 B 206.82 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 02.06.2009 - 8 B 572.09 - juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Planungserfordernis einem im Außenbereich privilegiert zulässigen Einzelvorhaben aber grundsätzlich nicht als öffentlicher Belang entgegengehalten werden, weil privilegierte Vorhaben dem Außenbereich vom Gesetzgeber planartig zugewiesen sind (BVerwG, Beschluss vom 27.06.1983 - 4 B 206.82 - a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 11.08.2004 - 4 B 55.04 - juris).
12 
Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung - wie der Zulassungsantrag geltend macht - schon vor der Änderung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht mehr aufrechterhalten werden konnte (a.A. aber OVG NRW, Beschluss vom 02.06.2009 - 8 B 572/09 - a.a.O.). Denn selbst wenn objektiv-rechtlich ein Planungserfordernis bestünde, könnte der Kläger hieraus keine eigenen Rechte herleiten.
13 
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat ein Dritter Anspruch auf Rechtsschutz gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur dann, wenn sie ihn in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Welche Abwehrrechte ein Nachbar gegen ein im Außenbereich ausgeführtes Bauvorhaben hat, bestimmt sich nach § 35 BauGB. Zu den nicht benannten öffentlichen Belangen im Sinne des § 35 Ab. 3 Satz 1 BauGB gehört zwar auch das Erfordernis einer förmlichen Planung (BVerwG, Beschl. v. 11.08.2004 - 4 B 55/04 - juris; BVerwG, Urt. v. 01.08.2002 - 4 C 5.01 - juris). Dies bedeutet aber nicht, dass ein Dritter aus dem Planerfordernis einen Abwehranspruch gegen ein Bauvorhaben ableiten könnte. Das Planerfordernis steht in engem Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 und Abs. 6 BauGB. Danach entscheidet die Gemeinde auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 BauGB, ob sie eine Bauleitplanung durchführt; § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB schließt jeglichen Rechtsanspruch auf Bauleitplanung aus. Daher bietet das Recht des Nachbarn, sich gegen ein Vorhaben im Außenbereich zur Wehr zu setzen, grundsätzlich keine Handhabe, auf die Aufstellung eines Bebauungsplans hinzuwirken; umgekehrt kann einem Außenbereichsvorhaben ein eventuell bestehendes objektiv-rechtliches Planungsgebot grundsätzlich nicht entgegengehalten werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.08.1982 - 4 B 145/82 - juris; BVerwG, Beschluss vom 24.04.1997 - 4 B 65.97 - juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.03.2011 - 1 LA 2/09 - juris; anders nur ausnahmsweise für einen Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot: BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5.01 - juris, und für den Umweltrechtsbehelf: OVG NRW, Urteil vom 12.06.2012 - 8 D 38/08.AK - juris).
14 
Auch die im Zulassungsverfahren aufgeworfene Frage, ob das Vorhaben der Beigeladenen noch einen singulären Charakter im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB a.F. hat oder wegen einer Vielzahl von entsprechenden Bauwünschen eine Bauleitplanung erforderlich ist, vermag dem Zulassungsantrag daher nicht zum Erfolg zu verhelfen.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese einen Antrag gestellt und ausführlich begründet hat.
16 
Die Streitwertfestsetzung findet ihrer Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 1 GKG. Nach Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist im Immissionsschutzrecht bei der Klage eines drittbetroffenen Privaten für Eigentumsbeeinträchtigungen der Betrag der Wertminderung des Grundstücks, höchstens jedoch 50 % des geschätzten Verkehrswertes, und für sonstige Beeinträchtigungen, wozu die hier geltend gemachten Verstöße gegen § 5 BImSchG zählen, für das Hauptsacheverfahren ein Betrag von 15.000,-- EUR als Streitwert anzusetzen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.09.2009 - 4 B 46.09 - juris; Senatsbeschluss vom 03.01.2013 - 10 S 2421/12 - m.w.N.).
17 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der die Vollstreckung betreffende Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren – nachdem der Rechtsstreit bezüglich weiterer Windkraftanlagen durch Urteil des Senates vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) abgeschlossen ist und das Verfahren bezüglich der Windkraftanlage T2 des Beigeladenen zu 2) von den vorliegenden Verfahren abgetrennt worden ist – über die Rechtmäßigkeit der den beiden Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen des Beklagten zur Errichtung und zum Betrieb von insgesamt vier Windkraftanlagen.

2

Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Parzellen Nrn. ..., ..., ., ...... und ... in Flur ... der Gemarkung G... . Die Grundstücke liegen im Außenbereich. Zum Teil sind es Waldflächen, zum Teil Wiesenflächen. Nach den Angaben des Klägers handelt es sich dabei um renaturierte Biotopflächen, die zur Jagdausübung genutzt werden. Die streitigen Windkraftanlagen, die inzwischen errichtet worden und in Betrieb sind, stehen ausweislich der vorliegenden Unterlagen zwischen 90 und 290 m von den verschiedenen Grundstücken des Klägers entfernt. Die der Parzelle Nr. ... am nächsten stehende Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) steht in einer Entfernung von ca. 90 m von diesem Grundstück.

3

Mit einem am 17. November 2004 eingegangenem Schreiben vom 22. Oktober 2004 beantragte die Beigeladene zu 1) die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von insgesamt fünf Windkraftanlagen in der Gemarkung G..., zu denen auch die im vorliegenden Verfahren streitigen Windkraftanlagen Nrn. 3, 5 und 8 zählen. Mit am 5. Januar 2005 eingegangenen Schreiben vom 27. Dezember 2004 beantragte der Beigeladene zu 2) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb zweier weiterer Windkraftanlagen in der Nähe der Grundstücke des Klägers, darunter die vorgenannten Windkraftanlage T 2, über die in einem weiteren Verfahren gestritten wird. Im weiteren Umfeld der den Beigeladenen genehmigten Anlagen befanden sich seinerzeit - nördlich der Ortsgemeinde K... - andere Windkraftanlagen. Die - ursprünglich - zur Genehmigung gestellten Windkraftanlagen des Typs GE Wind Energy 2.3 sollten eine Nabenhöhe von 100 m und einen Rotordurchmesser von 94 m, also eine Gesamthöhe von 147 m haben.

4

Das Genehmigungsverfahren wurde zunächst auf der Grundlage des § 10 BImSchG mit der danach erforderlichen Offenlage der Antrags- und Planungsunterlagen durchgeführt. Im Rahmen der in diesem Zusammenhang durchgeführten Behördenbeteiligung wandte sich die untere Landespflegebehörde mit Schreiben vom 7. Juli 2005 gegen die Vorhaben. Darin führte sie aus, wegen der von ihr angenommenen nachteiligen Auswirkungen auf den Bestand des Rotmilans in diesem Gebiet gelange sie zu dem Ergebnis, dass die Windkraftanlagen dort nicht zugelassen werden könnten. In der Folgezeit konnte darüber, ob tatsächlich solche nachteiligen Auswirkungen zu erwarten stehen, verwaltungsintern zwischen der unteren Landespflegebehörde und der unteren Immissionsschutzbehörde keine Einigkeit hergestellt werden. Die zur Klärung dieses Streites eingeschaltete staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland teilte unter dem 27. September 2005 mit, dass für eine abschließende Bewertung des Rotmilanvorkommens im östlichen Landkreis Altenkirchen eine erneute Erfassung im kommenden Frühjahr auf größerer Fläche erforderlich sei.

5

Aufgrund der Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juni 2005 trat am 1. Juli 2005 eine Rechtsänderung ein, die der Beklagte zum Anlass nahm, nunmehr ein sog. vereinfachtes Verfahren gemäß § 19 BImSchG durchzuführen. Am 1. Oktober 2005 erfolgte daraufhin eine öffentliche Bekanntmachung, in der mitgeteilt wurde, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei, weil nach der durchgeführten Vorprüfung keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten stünden. Hiergegen wandte sich mit Schreiben vom 11. Oktober und vom 18. Oktober 2005 die untere Landespflegebehörde, nach deren Ansicht die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich war.

6

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 1) und mit Bescheid vom 17. November 2005 dem Beigeladenen zu 2) unter gleichzeitiger Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im vereinfachten Verfahren jeweils die immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Hierin wurde u.a. ausgeführt, nach Mitteilung aller zu beteiligenden Fachbehörden und Stellen habe die durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3c Abs. 1 Satz 1 UVPG ergeben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen gewesen sei, weil erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht zu erwarten stünden. Das sei gemäß § 3a Abs. 2 UVPG auch am 1. Oktober 2005 öffentlich bekannt gemacht worden. Den Bescheiden waren verschiedene Nebenbestimmungen beigefügt. Insbesondere hatte die Beigeladene danach vor Baubeginn nachzuweisen, durch welche Maßnahmen eine Gefährdung durch Eiswurf verhindert werden solle.

7

Nachdem die Beigeladene zu 1) im Rahmen eines Änderungsantrages den ursprünglichen Anlagentyp durch den Typ Nordex N 90 mit einer Leistung von ebenfalls 2300 kW, gleichbleibender Nabenhöhe und einem Rotordurchmesser von nunmehr reduzierten 90 m ersetzt hatte, erließ der Beklagte ihr gegenüber unter dem 19. Januar 2006 eine entsprechende Änderungsgenehmigung. Bezüglich des Beigeladenen zu 2) erging unter dem 23. Januar 2006 eine entsprechende Änderungsgenehmigung.

8

Da gegen die Genehmigungen Widerspruch eingelegt worden war, beantragten die Beigeladenen die Anordnung des Sofortvollzuges der Genehmigungen, dem der Beklagte bezüglich der ursprünglichen Genehmigungen unter dem 22. Februar 2006 und bezüglich der Änderungsgenehmigungen unter dem 2. März 2006 nachkam.

9

Am 9. März 2006 legte der Kläger sodann gegen die ihm nicht bekannt gegebenen Genehmigungen Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen vortrug, aufgrund des grundsätzlich drittschützenden hier aber fehlerhaft durchgeführten Verfahrensablaufs ohne Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit gemäß § 10 BImSchG in seinen Rechten verletzt zu sein. Ein förmliches Genehmigungsverfahren habe hier durchgeführt werden müssen, da erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen im Hinblick auf Belange des Naturschutzes und der Landespflege bzw. des Landschaftsbildes zu erwarten stünden. Dabei ergebe sich die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung namentlich aus naturschutzrechtlicher Sicht, da die Belange des Vogelschutzes erheblich beeinträchtigt würden. Im Kreisgebiet und somit auch im G... Raum sei der besondere schutzwürdige Rotmilan ansässig. In die Genehmigungen diesbezüglich aufgenommene Nebenbestimmungen hätten lediglich eine Alibifunktion. Außerdem sei er wegen nicht ausreichender Schutzvorkehrungen gegen die Gefahr des Eisabwurfs in seinen Rechten verletzt. Die hierzu erlassene Nebenbestimmung sei zu unbestimmt und deshalb ungeeignet und unwirksam. Einen gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerichteten Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2006 (1 L 633/06.KO) mit der Begründung ab, drittschützende Beteiligungsrechte seien nicht verletzt. Eine subjektive Rechtsverletzung aufgrund fehlender, jedoch gebotener Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG könne nicht festgestellt werden. Unter Berücksichtigung der eingeholten Stellungnahmen zum Vogelschutz und zum Landschaftsschutz sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seiner überschlägigen Prüfung die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für nicht erforderlich und daher die Erteilung einer Genehmigung nach § 19 BImSchG im vereinfachten Verfahren als ausreichend erachtet habe. Darüber hinaus sei die behauptete Eiswurfgefahr angesichts der in die Genehmigungen aufgenommenen Nebenbestimmungen ausgeschlossen.

10

Die vom Kläger eingelegte Beschwerde, mit der er u.a. die Verletzung europarechtlicher Bestimmungen geltend machte, wies der Senat durch Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10561/06.OVG) zurück. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger auch in Ansehung der einschlägigen europarechtlichen Vorschriften und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine seiner Ansicht nach fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG nicht rügen könne, weil Verfahrensvorschriften grundsätzlich keine drittschützende Wirkung hätten. Auch im Hinblick auf die UVP-Änderungsrichtlinie 2003/35/EG spreche entgegen der im Eilbeschluss des 7. Senats des Gerichts vom 25. Januar 2005 (ZfBR 2005, 487) vertretenen Auffassung mehr dafür, dass das Europarecht in Fällen der vorliegenden Art kein Abweichen von dem der deutschen Rechtsordnung zugrunde liegenden Individualrechtsschutz gebiete. Jedenfalls in seinem konkreten Fall seien keine nachteiligen Beeinträchtigungen von erheblichem Gewicht zu befürchten. Eine Verletzung von sonstigen drittschützenden Vorschriften sei im Übrigen nicht zu erkennen.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2006 wies der Kreisrechtsausschuss des Landkreises Altenkirchen den Widerspruch zurück und stellte darin darauf ab, dass die Bestimmung des § 10 BImSchG weder drittschützend, noch wegen fehlender Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt verletzt sei. Die vom Kläger erneut vorgetragene Eiswurfgefahr sei ebenso wenig gegeben wie die sonstigen von ihm geltend gemachten Beeinträchtigungen. Eine Rechtsverletzung des Klägers sei daher nicht ersichtlich.

12

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben, mit der er sein bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft hat. Insbesondere hat er daran festgehalten, dass nach Art. 10a der Richtlinie 2003/35/EG vom 25. Juni 2003 nunmehr eine Genehmigung bereits dann aufgehoben werden müsse, wenn sie verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei, was hier der Fall sei. Darüber hinaus verstoße die Genehmigung, die der Beigeladenen zu 1) erteilt worden sei, bezüglich der Windkraftanlage Nr. 8 gegen § 8 LBauO, weil die diesbezügliche, sich nach den Vorgaben der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ergebende Abstandsfläche bei dem von dem Beklagten selbst festgelegten Abstand von 0.32H bezüglich der Parzelle Nr. ... nicht eingehalten sei. Die Genehmigungsunterlagen gingen lediglich von einem mit der maßgeblichen Höhe zu multiplizierenden Multiplikator von 0,25 aus. Zudem sei auch der von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildete Raum fehlerhaft ermittelt worden.

13

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. Juni 2007 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne nicht geltend machen, in eigenen Rechten deshalb verletzt zu sein, weil im vorliegenden Verfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG nicht stattgefunden habe, die wegen der Notwendigkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung aber habe stattfinden müssen. Die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 2 VwGO ziele auf die Geltendmachung von Individualrechtsschutz. Verfahrensvorschriften vermittelten in diesem Zusammenhang grundsätzlich keine selbständig durchsetzbare Rechtsposition, auch wenn das Verfahrensrecht auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruhe, wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entscheide, worauf auch der erkennende Senat bereits in seinem Eilbeschluss vom 23. Juni 2006 hingewiesen habe. Der Kläger habe danach keinen allgemeinen Anspruch auf Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG. Weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen im Hinblick auf die geltend gemachten natur- und landschaftsrechtlichen Belange ergäben sich auch nicht aus der von dem Kläger angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Zwar seien die zuständigen Behörden danach verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projektes im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG vom 27. Juni 1985 (UVP-Richtlinie) abzuhelfen. Die Einzelheiten des hierbei anwendbaren Verfahrens seien jedoch nach dem Grundsatz der Verfassungsautonomie der Mitgliedstaaten Sache der nationalen Rechtsordnung. Insbesondere räume Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 keinen umfassenden Rechtsschutz gegen eine Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften ein. Hiernach stellten die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die (a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ (b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. das Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteilichen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Was als ausreichendes Interesse oder als Rechtsverletzung gelte, bestimmten die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zum Gericht zu gewähren. Hiernach hätten die Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten. Sie könnten den Individualrechtsschutz davon abhängig machen, dass ein ausreichendes Interesse des Rechtsschutzsuchenden besteht, oder aber davon, dass eine Rechtsverletzung geltend gemacht werde. Die Mitgliedstaaten könnten somit zwischen dem (französischen) Modell der Interessentenklage oder dem (in Deutschland herkömmlichen) Modell des Individualrechtsschutzes wählen. Die Klagebefugnis des Einzelnen könne also weiterhin davon abhängig gemacht werden, dass eine Rechtsverletzung vorliege. Was eine Rechtsverletzung sei, bestimme der jeweilige Mitgliedstaat. Weder die UVP-Richtlinie noch die Aarhus-Konvention zwängen zur Aufgabe der Schutznormtheorie im Bereich des Individualrechtsschutzes in Umweltangelegenheiten. Selbst dann jedoch, wenn man im vorliegenden Fall einer anderen Auffassung folgen sollte und eine drittschützende Wirkung des § 10 BImSchG zugunsten des Klägers unterstellen würde, ergäbe sich keine andere Betrachtung, da eine Umweltverträglichkeitsprüfung als Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung hier nicht erforderlich gewesen sei. Ein Verstoß gegen eine sonstige drittschützende Norm, die den Kläger begünstige, liege ebenfalls nicht vor. Gefährdungen und unzumutbare Beeinträchtigungen durch Eiswurf und die Entstehung von Bränden seien nicht zu befürchten.

14

Durch Beschluss vom 17. Dezember 2007 hat der Senat die Berufung hiergegen zugelassen. Bezüglich der der Beigeladenen zu 1) genehmigten Windkraftanlagen Nrn. 4 und 6 hat er die Berufung durch Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es spreche hier zwar einiges dafür, dass eine unzureichende Vorprüfung des Einzelfalles erfolgt sei und eine sachgerechte Vorprüfung zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Gleichwohl könne der Kläger hieraus eine Verletzung eigener Rechte nicht ableiten, wenn ihm durch ein derart fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten tatsächlich die Mitwirkungsrechte in einem Verfahren nach § 10 BImSchG genommen worden sein sollten. Durch die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG statt in einem Verfahren nach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung würden Dritte nämlich nicht in ihren eigenen Rechten verletzt. Gegenteiliges folge auch nicht aus europarechtlichen Vorgaben, insbesondere nicht aus Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie). Die Klage Dritter führe deshalb nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung, wenn das fehlerhafte Verfahren zu einer Verletzung deren materieller Rechte geführt habe, was bezüglich der genannten Windkraftanlagen indes nicht der Fall sei. Diese verstießen nämlich nicht gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 1 BImSchG, die nachbarschützend sei. Die von dem Kläger geltend gemachte Gefährdung durch Eiswurf sei im vorliegenden Fall aufgrund der Entfernung seiner Grundstücke von den genannten Windkraftanlagen nicht zu erwarten. Diese lägen nämlich soweit von den Grundstücken entfernt, dass nach menschlichem Ermessen auszuschließen sei, dass sie von Eisstücken getroffen werden könnten, die von den genannten Windkraftanlagen abgeworfen werden könnten. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.

15

Zur Begründung seiner Berufung gegen die der Beigeladenen zu 1) genehmigten Windkraftanlagen Nrn. 3, 5 und 8 und die dem Beigeladenen zu 2) genehmigte Windkraftanlage T1 wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen, dass hier eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen sei und damit ein Verfahren gemäß § 10 BImSchG hätte durchgeführt werden müssen, was er auch rügen könne. Darüber hinaus sei er in seinen Rechten verletzt, weil die den Beigeladenen erteilten Genehmigungen in der Fassung der Änderungsgenehmigungen keine ausreichenden Regelungen gegen die Gefahr durch Eiswurf enthielten. Im vorliegenden Fall seien konkrete Regelungen erforderlich gewesen. Das ergebe sich schon daraus, dass die streitigen Windkraftanlagen in einem Gebiet errichtet werden sollten, in dem aufgrund der klimatischen Gegebenheiten mit Eisansatz an den Rotoren zu rechnen sei. Dass für ihn auch tatsächlich die Gefahr bestehe, durch von den Windkraftrotoren abgeworfene Eisstücke getroffen zu werden, habe sich im Dezember 2007 vor Ort gezeigt, wo er solche Eisstücke gefunden habe. Die hierzu geregelten Nebenbestimmungen in den Genehmigungen sowie in den Änderungsgenehmigungen seien zu unbestimmt und daher ungeeignet, dieser Gefahr zu begegnen. Die von den Beigeladenen eingebauten Sensoren stellten eine wirksame Maßnahme gegen die Eiswurfgefahr nicht dar. Alle drei Sicherheitssysteme würden den Eisansatz möglicherweise erst mit einiger Verzögerung anzeigen. Des Weiteren sei auch kein ausreichender Brandschutz geregelt.

16

Der Kläger beantragt,

17

unter Abänderung des dem Kläger am 11.07.2007 zugestellten Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26.06.2007 (1 K 1792/06.KO)

18

1. die der Beigeladenen zu 1.) erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen vom 26.10.2005 zur Errichtung und zum Betrieb von Windenergieanlagen in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 19.01.2006, des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 02.11.2006 und der nachträglichen Auflage vom 29.10.2008 insoweit aufzuheben, als auf den Grundstücken Flur ., Flurstücke ./. und … die Errichtung und der Betrieb von drei Windkraftanlagen (Nrn. 3,5 und 8) genehmigt wird,

19

2. die dem Beigeladenen zu 2.) erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen des Beklagten vom 17.11.2005 in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 23.01.2006, des Widerspruchs-bescheides vom 02.11.2006 und der nachträglichen Auflage vom 29.10.2008 insoweit aufzuheben, als auf dem Grundstück Flur …, Parzelle ... die Errichtung und der Betrieb der Windenergieanlage T1 genehmigt wird.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

22

Er trägt vor, der Kläger könne eine Verletzung eigener Rechte nicht dadurch geltend machen, dass er sich auf die angebliche Verletzung von Verfahrensvorschriften berufe. Diesen komme keine drittschützende Wirkung zu. Eine Gefährdung der klägerischen Grundstücke durch Eiswurf stehe nicht zu befürchten. Diese von ihm behauptete Gefährdung sei durch ausreichende Nebenbestimmungen ausgeschlossen. Zudem hätten die Beigeladenen inzwischen dem Stand der Technik entsprechende Sensoren eingebaut. Hierbei handele es sich um marktübliche geprüfte Bauteile, deren tatsächliche Funktionsfähigkeit überprüft worden sei. Brandschutzvorkehrungen seien durch Auflagen geregelt, die aus forstfachlicher Sicht ausreichend seien.

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Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie tragen vor, aus dem von ihm geltend gemachten Verstoß gegen die immissionsrechtlichen Verfahrensvorschriften könne der Kläger eine Verletzung seiner eigenen Rechte nicht ableiten, weil diese Vorschriften keinen Drittschutz vermittelten. Gegenteiliges folge auch nicht aus dem Umweltrechtsbehelfsgesetz, das das Recht, die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend zu machen, lediglich Vereinigungen zubillige. Eine Klagebefugnis bestehe selbst nach der - von ihnen nicht geteilten - Auffassung des 7. Senates des erkennenden Gerichtes nur dann bei einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn der „betroffene Dritte“ dadurch in seinen materiellen Belangen berührt werde. Das sei hier jedoch erkennbar nicht der Fall, soweit sich der Kläger auf die Gefährdung eines Rotmilanvorkommens berufe. Darüber hinaus seien im vorliegenden Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung auch nicht erforderlich gewesen, weil Vorkommen des Rotmilans gar nicht beeinträchtigt würden. Eine Gefährdung des Klägers durch Eiswurf bestehe nicht. Seine Angaben zu potentiellen Eiswurfweiten seien deutlich überzogen. Eine Eisbildung an den Rotoren könne ohnehin nur bei seltenen Extremwetterlagen eintreten. Die Auflagen in den Genehmigungsbescheiden zur Vermeidung einer diesbezüglichen Gefährdung seien ausreichend. Schließlich entsprächen die genehmigten Windkraftanlagen in Bezug auf den Brandschutz dem Stand der Technik.

26

In der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 hat der Beklagte die Nebenbestimmungen der angefochtenen Genehmigungen durch weitere Auflagen ergänzt, wonach Eissensoren der Firma L... (LID-3210 C) eingebaut werden sollen, ein automatisches Abschalten der Rotoren bei Eisansatz gewährleistet werden soll und eine Wiederinbetriebnahme der Windkraftanlagen erst nach vollständigem Abtauen des Eises an den Rotorblättern erfolgen darf. Die Beigeladenen haben auf Rechtsmittel gegen diese Auflagen verzichtet.

27

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 29. Oktober 2008 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben darüber, ob die in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 den Bescheiden des Beklagten vom 26. Oktober 2006 bzw. 17. November 2005 beigefügten Auflagen sicherstellen, dass die Grundstücke des Klägers nicht durch Eiswurf von den Windkraftanlagen der Beteiligten getroffen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 13. Dezember 2010, die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 24. Januar 2011 sowie auf die Niederschrift der Ausführungen des Dipl.-Ing. R... von der GL G... H... Deutschland GmbH, Hamburg, in der in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 Bezug genommen.

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Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme trägt der Kläger vor, die in der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2008 gemachten weiteren Auflagen seien nicht geeignet, das Eigentum des Klägers zu schützen. Der Sachverständige konstatiere nämlich, dass hierdurch kein vollständiger Schutz gewährleistet werde. Dabei gehe es vorliegend nicht darum, dass die den Beigeladenen aufgegebenen und von diesen eingebauten Eissensoren aufgrund eines technischen Versagens unter Umständen ausfallen könnten. Vielmehr sei dieser Sensortyp konstruktionsbedingt nicht geeignet, jedweden Eisansatz an den Rotorblättern sicher zu erkennen. Inzwischen gebe es geeignetere Sicherheitssysteme, die den Eisansatz unmittelbar an den Rotoren und damit rechtzeitig feststellen könnten. Die von den Beigeladenen eingebauten Sensoren gewährleisteten ein rechtzeitiges Abschalten der Rotoren aber auch deshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit, weil sie auf Nabenhöhe und damit deutlich unterhalb des höchsten Punktes, den die Rotorblätter erreichten, angebracht worden seien und zudem in unmittelbarer Nähe zu der Gondel, wo höhere Temperaturen zu erwarten stünden als an den Rotorblattspitzen. Sie seien somit an einer Stelle angebracht, wo es am wärmsten sei und wo eine Vereisung also zuletzt auftrete. Erforderlich, um die nötige Sicherheit zu gewährleisten, sei vielmehr eine Messung an den Rotorblättern selbst, was technisch möglich sei. Entsprechende Sicherheitssysteme gebe es bereits. Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden, dass seine Grundstücke nicht zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt seien. Das sei unerheblich, weil er als Eigentümer seine Grundstücke immer betreten können müsse, um dort erforderliche Arbeiten durchzuführen.

29

Der Beklagte trägt zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor, der Sachverständige habe bestätigt, dass ein äußerst geringes Risiko bestehe, dass eine Person auf den Grundstücken des Klägers durch einen von den streitigen Windkraftanlagen abgeworfenen Eisbrocken getroffen werden könne. Dieses geringe Restrisiko erfordere keine weiteren Nebenbestimmungen in den Genehmigungen.

30

Die Beigeladenen halten dem Vorbringen des Klägers zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme entgegen, der Sachverständige habe die grundsätzliche Tauglichkeit der ihnen aufgegebenen technischen Einrichtungen bestätigt. Jedes System könne einmal versagen, das stelle aber dessen grundsätzliche Eignung nicht in Frage. Zudem seien die in der Nähe der Windkraftanlagen gelegenen Grundstücke des Klägers nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt. Es handele sich um Außenbereichsgrundstücke.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (10 Ordner, 1 Hefter) und die Gerichtsakte 1 L 633/06.KO Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat keinen Erfolg.

33

Der Kläger wird durch die den Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 26. Oktober 2005 bzw. vom 17. November 2005 in der Gestalt der Änderungsgenehmigungen vom 19. Januar 2006 bzw. vom 23. Januar 2006, jeweils in der Fassung der weiteren Abänderung in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008, nicht in seinen Recht verletzt. Der Kläger kann sich nämlich weder auf eine Verletzung immissionsschutzrechtlicher Verfahrensvorschriften berufen, noch auf eine Verletzung sonstiger drittschützender Vorschriften, weshalb das Verwaltungsgericht seine Klage zu Recht abgewiesen hat. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger keinen allgemeinen Anspruch auf Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG hat und deshalb nur eine Verletzung eigener materieller Rechte geltend machen kann. Solche eigene Rechtspositionen des Klägers werden hier jedoch ersichtlich nicht verletzt, weil die von ihm angefochtenen Genehmigungen – nunmehr – Nebenbestimmungen enthalten, die den Beigeladenen in einem an den konkreten Umständen des Einzelfalles ausgerichteten Maß Sicherheitseinrichtungen aufgeben mit dem Ziel, Gefährdungen von Personen auf den Grundstücken des Klägers durch Eiswurf von den Rotoren der Windkraftanlagen zu verhindern. Ebenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass die Regelungen zum Brandschutz in den Genehmigungen unzureichend wären.

34

Ausgangspunkt für den zwischen den Beteiligten bestehenden Streit darüber, ob Verfahrensvorschriften verletzt worden sind, ist der Umstand, dass der Beklagte das nach der Antragstellung durch die Beigeladenen zunächst eingeleitete Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung abgebrochen und nach Inkrafttreten der 4. BImSchV in ihrer nunmehr geltenden Fassung im Jahre 2005 das vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG durchgeführt und in diesem Verfahren die angefochtenen Genehmigungen erteilt hat. Voraussetzung für diese – geänderte – Vorgehensweise war, dass nach der Ansicht des Beklagten eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung in diesem Genehmigungsverfahren nicht notwendig wurde. Insoweit stützte sich der Beklagte auf das Ergebnis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3 c UVPG. Ob diese sachgerecht durchgeführt wurde, begegnet indessen erheblichen Zweifeln, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) ausgeführt hat. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass eine sachgerechte Vorprüfung zu dem Ergebnis gelangt wäre, eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung sei durchzuführen.

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Gleichwohl kann der Kläger, sollte sich seine Einschätzung als richtig erweisen, dass wegen zu erwartender erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen sei, hieraus auch dann keine Verletzung eigener Rechte ableiten, wenn ihm durch ein derart fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten tatsächlich die Mitwirkungsrechte in einem Verfahren nach § 10 BImSchG genommen worden sein sollten. Die Verfahrensvorschrift des § 10 BImSchG ist nämlich nicht drittschützend, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat. Hierzu hat der Senat in seinem vorgenannten Urteil vom 29. Oktober 2008 folgendes ausgeführt:

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Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Frage, ob Verfahrensvorschriften, wie hier die des § 10 BImSchG, eigene wehrfähige Rechte Dritter begründen können, im Schrifttum mit Blick auf europarechtliche Vorgaben diskutiert und auch in der Kommentarliteratur zum Bundesimmissionsschutzgesetz unterschiedlich beantwortet wird. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist diese Frage − mit Ausnahme des Eilbeschlusses des 7. Senats des Gerichts vom 25. Januar 2005 (7 B 12114/04.OVG, NVwZ 2005, 1208), auf den sich der Kläger ausdrücklich stützt − durchweg verneint worden. Dies gilt auch für die dem Beschluss des 7. Senats des erkennenden Gerichts zeitlich nachfolgende obergerichtliche Rechtsprechung. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat seine bisherige gefestigte Rechtsprechung ersichtlich nicht aufgegeben, wonach die Geltendmachung einer Verletzung von Verfahrensvorschriften der Klage eines durch ein verfahrensfehlerhaft gestattetes Projekt Betroffenen nicht zum Erfolg verhelfen kann, sondern dass vielmehr die Verletzung eigener materieller Rechte durch die angegriffene Zulassung eines Vorhabens festgestellt werden muss. Hieran hält das Bundesverwaltungsgericht, wie in seinem Beschluss vom 21. Januar 2008 (ZfBR 2008, 278 ff.) zum Ausdruck kommt, auch mit Blick auf die von dem Kläger angesprochenen europarechtlichen Vorgaben, jedenfalls bezüglich solcher Projekte fest, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2003/35/EG genehmigt worden sind, wozu die streitgegenständlichen Windkraftanlagen zählen. Angesichts dessen hält der Senat weiterhin an seiner bereits in dem Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10591/06.OVG) zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung fest, wonach Verfahrensvorschriften, von wenigen Ausnahmen − wie z.B. im Atomrecht − abgesehen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung entfalten. Die Ausführungen des Klägers geben keinen Anlass, diese Rechtsauffassung zu ändern.

37

Der Senat hat bereits in dem Beschluss vom 23. Juni 2006 in diesem Zusammenhang auf seine eigene ständige Rechtsprechung zum Wasserrecht (vgl. Urteil vom 5. November 1998 – 1 A 10007/96.OVG – und Beschluss vom 6. Oktober 2004 – 1 A 11478/04.OVG -) sowie auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Immissionsschutz- und Fachplanungsrecht (vgl. Urteil vom 29. Mai 1981, NJW 1981, 2769; Beschluss vom 16. November 1998, NVwZ-RR 1999, 429; Urteil vom 5. Oktober 1990, NVwZ 1991, 369; Urteil vom 25. Januar 1996, BVerwGE 100, 238) und auch auf die Rechtsprechung anderer Obergerichte (vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 7. Januar 2004, NVwZ-RR 2004, 408 und vom 15. September 2005, NuR 2006, 251; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. September 2004 in juris) verwiesen. Das Verwaltungsgericht hat diese Ausführungen in seinem Urteil durch weitere Hinweise auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der hier streitigen Frage (vgl. Urteile vom 21.März 1996, NVwZ 1996, 1016; vom 19. März 2003, NVwZ 2003, 1120; und vom 18. November 2004, NVwZ 2005, 442) und durch Hinweise auf weitere Rechtsprechung (vgl. OVG Münster, Urteile vom 27. Oktober, NuR 2006, 320, und vom 2 März 2006, NuR 2006, 801; VG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Januar 2007 in juris) ergänzt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. An dieser gefestigten Rechtsprechung, wonach grundsätzlich nur die Verletzung eigener materieller Rechte, nicht aber die Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann, ist auch unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben, auf die sich der Kläger ausdrücklich bezieht, weiterhin festzuhalten. Gegen diese Rechtsprechung wendet sich der Kläger unter Hinweis auf Teile der Kommentarliteratur zum Bundesimmissionsschutzgesetz und den Eilbeschluss des 7. Senats des Gerichts vom 25. Januar 2005 (a.a.O.) sowie die hierin zitierten EU-Richtlinien und die dort ebenfalls zitierte sog. Wells-Entscheidung des EuGH vom 7. Januar 2004 (NVwZ 2004, 593 ff.). Diese Ausführungen überzeugen indessen nicht.

38

Die Kommentarliteratur zum Bundesimmissionsschutzgesetz, auf die sich der Kläger insbesondere stützt (so bereits in der Widerspruchsbegründung unter Hinweis auf Jarass, Bundesimmissionsschutzgesetz, 7. Aufl., § 10 BImSchG, Rn. 132) vermittelt ein eher uneinheitliches Bild (Drittschutz bejahend: Jarass, a.a.O. und Kortulla, Bundesimmissionsschutzgesetz, § 19 Rn. 49; Drittschutz verneinend: Storost in Ule/Laubinger, Bundesimmissionsschutzgesetz, § 19 BImSchG, Rn. F1 f.). Allerdings erweisen sich die Kommentierungen bei näherer Betrachtung als durchaus ambivalent, weil die Annahme einer drittschützenden Wirkung von Verfahrensvorschriften keineswegs konsequent in der jeweiligen Kommentierung durchgehalten wird (s. Jarass, a.a.O. Rn. 134, wonach ein Verstoß gegen eine drittschützende Verfahrensnorm zur Aufhebung führt, wenn er sich auf die Einhaltung materieller Normen (mit drittschützendem Charakter) ausgewirkt haben könnte und lediglich eine zu restriktive Handhabung der Kausalitätsanforderung für bedenklich gehalten wird; Kortulla, § 10 BImSchG, Rn. 192 ff., wonach Verfahrensvorschriften einem potentiell Betroffenen Drittschutz daher „nur im Hinblick auf die bestmögliche Verwirklichung seiner materiellen Rechtsposition“ gewähren, und auf die unlösbare Verbindung des Verfahrensrechts zum materiellen Recht verwiesen wird).

39

Soweit in der Kommentarliteratur zur Begründung der drittschützenden Wirkung des § 10 BImSchG auf die Rechtsprechung zum Atomrecht (so Jarass, a.a.O., Rn. 132) verwiesen wird, ist anzumerken, worauf der Senat bereits in dem Beschluss vom 23. Juni 2006 hingewiesen hat, dass die Rechtsprechung insoweit zwar eine drittschützende Wirkung von Verfahrensvorschriften annimmt. Diese Besonderheit ist aber nicht ohne weiteres auf das Immissionsschutzrecht und die hier in Rede stehenden Genehmigung von Windkraftanlagen übertragbar. Insoweit folgt der Senat auch nicht dem Ansatz des 7. Senats des erkennenden Gerichts in dem Beschluss vom 25. Januar 2005 (a.a.O.), auf das sich der Kläger zur Begründung seiner Rechtsauffassung stützt. Darin ist die Parallelität zur Situation im Atomrecht bezüglich immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen mit der Überlegung begründet worden, dass nach europäischem Recht bei komplexen Umweltentscheidungen dem Verfahren eine eigenständige Bedeutung zukomme, wobei sich diese Überlegungen auf die bereits genannte „Wells-Entscheidung“ des EuGH und europäische Richtlinien, insbesondere die Änderungsrichtlinie 2203/35/EG vom 26. Mai 2003 stützt. Diesen Überlegungen folgt der erkennende Senat jedoch nicht.

40

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil (Urteilsabdruck S. 9) bereits eingehend dargelegt, dass die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 7. Januar 2004 (a.a.O.), der sog. Wells-Entscheidung, die Auffassung nicht zu stützen vermögen, hieraus könne die drittschützende Wirkung von Verfahrensvorschriften abgeleitet werden. Das sieht der Senat ebenso. Diese Entscheidung des EuGH, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die zuständigen Behörden verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projektes i.S. von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG vom 27. Juni 1985 (UVP-Richtlinie) abzuhelfen, und ob und inwieweit der einzelne (Betroffene) dies durchsetzen kann, betont ausdrücklich und mehrfach (s. Rn. 67 und Rn. 70), dass nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaates ist, die Einzelheiten des Verfahrens zu regeln. Demnach geht auch der EuGH nicht davon aus, dass es ein unmittelbares, europarechtlich begründetes Individualrecht des Einzelnen gibt, die Verletzung von Verfahrensvorschriften als die Verletzung eigener Rechte im Rahmen seiner nationalen Rechtsordnung geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ergeben sich demnach lediglich Schranken für die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung, die darin bestehen, dass die Einzelheiten des Verfahrens bezüglich einer fehlerhaft unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip) und dass sie die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsprinzip). Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO und deren grundsätzliche Klärung durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diesen Anforderungen nicht genügen würde, sind nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich aus den von dem Kläger in Bezug genommenen europarechtlichen Richtlinien nicht ableiten, dass die Gemeinschaftsrechtsordnung dem Einzelnen über das Recht, die Verletzung eigener materieller Rechte geltend zu machen, hinaus das Recht verleihen würde, als eigenes Recht auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen zu können.

41

Die Richtlinie 85/373/EWG vom 27. Juni 1986 (UVP-Richtlinie) regelt zwar in Art. 6 die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Genehmigung von Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, in Art. 8 die Berücksichtigung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren und in Art. 9 die Benachrichtigung der betroffenen Öffentlichkeit über die getroffenen Entscheidung. Anhaltspunkte dafür, dass diese Richtlinie dem einzelnen Betroffenen aber auch das Recht verleihen sollte, die Verletzung von Verfahrensvorschriften als eigene Rechte geltend zu machen, lassen sich ihr indessen nicht entnehmen. Solches trägt der Kläger auch nicht vor. Derartige Anhaltspunkte können auch der vorgenannten „Wells-Entscheidung“ des EuGH nicht entnommen werden. Stattdessen stützt sich der Kläger auf das „Aahus-Übereinkommen“ vom 25. Juni 1998 (ABl. der EU, L 124 vom 17.05.2005 S. 0004 bis 0020) und die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. der EU, 2003 L 156/17).

42

Das Aarhus-Übereinkommen selbst enthält in seinem Art. 9 zwar Ausführungen über den Zugang zu Gerichten und verweist in seinen Eingangserwägungen auch auf die Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung, fordert in dem genannten Art. 9 in Abs. 3 indessen lediglich, „dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmung ihres innerstaatlichen Rechtes verstoßen“ und in Abs. 4 des Art. 9 die Gewährleistung eines „angemessenen und effektiven Rechtsschutzes“. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch europarechtlich gezwungen wäre, von den geltenden prozessrechtlichen Vorschriften - dem Individualrechtsschutzmodell und seiner Anwendung durch das Bundesverwaltungsgericht - abzugehen. Auch dieses Modell gewährleistet bei der bestehenden hohen Kontrolldichte zweifellos einen angemessenen und effektiven Rechtsschutz.

43

Auch der durch Art. 7 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 neu in die Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie) eingefügte Art. 10 a regelt, wie das Verwaltungsgericht bereits im Einzelnen dargelegt hat, keinen umfassenden Rechtsschutz gegen eine Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften. Der genannte Art. 10 a der UVP-Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Sicherstellung des Zugangs der betroffenen Öffentlichkeit zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht nämlich zwei unterschiedliche Alternativen ein, wobei in der Formulierung dieses Artikels ausdrücklich hervorgehoben wird, dass es sich um Alternativen handelt. Danach ist Zugangsvoraussetzung entweder ein „ausreichendes Interesse“ oder alternativ die Geltendmachung einer Rechtsverletzung, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert. Weiterhin legt Art. 10 a der genannten Richtlinie fest, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt. Diese Formulierung des Art. 10 a der UVP-Richtlinie ist, worauf das Verwaltungsgericht schon hingewiesen hat, nahezu wortgleich mit Art. 9 Abs. 2 des durch Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. EU 2005 L 124/1) ratifizierten Aarhus-Übereinkommens. Daher kann entgegen der Auffassung des Klägers auch unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 5, 7 und 9 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003, die auf die Ziele und insbesondere auf Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens Bezug nehmen, aus dem neu eingefügten Artikel 10 a der UVP-Richtlinie kein weiterer Regelungsgehalt herausgelesen werden, als er in seinem Wortlaut zum Ausdruck kommt. Demnach haben die Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten bei der Umsetzung dieser Richtlinie. Sie können den Individualrechtsschutz davon abhängig machen, dass ein ausreichendes Interesse des Rechtsschutzsuchenden besteht, also das französische Modell der Interessentenklage wählen. Sie könnten aber auch dem in Deutschland herkömmlichen Modell des Individualrechtsschutzes folgen. Für die Bundesrepublik Deutschland folgt daher aus Art. 10 a der UVP-Richtlinie nicht die Notwendigkeit, ihr herkömmliches Rechtsschutzsystems zu ändern, das den Zugang zum Gericht von der Geltendmachung der Verletzung eigener materieller Rechte abhängig macht.

44

Soweit sich der Kläger demgegenüber zur Untermauerung seiner Rechtsauffassung auf das Schrifttum stützt, tragen die dortigen Ausführungen seine Auffassung indes – deutlich überwiegend − nicht. Hierin wird vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, dass weder das Aarhus-Übereinkommen noch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 ein einheitliches Rechtsschutzkonzept vorgeben, sondern vielmehr die unterschiedlichen Konzepte der Vertragsparteien über Rechtsschutzmöglichkeiten der Öffentlichkeit alternativ nebeneinanderstellen, aus denen die Mitgliedstaaten bzw. die Vertragsparteien des Aarhus-Übereinkommens wählen können, wozu das deutsche Modell des Individualrechtsschutzes gehört (vgl. von Dannwitz, NVwZ 2004, 272 ff.; Lechler, NVwZ 2005, 1156 ff.; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489 ff.; Schröder, NVwZ 2006, 389 ff.; Ziekow, NVwZ 2007, 259 ff.). Dementsprechend wird auch im Schrifttum speziell zum Immissionsschutzrecht (Sellner/Reith/Ohms, Immissionsschutzrecht, 3. Aufl., NJW Praxis, S. 227 f., Rn. 79 ff.) der Rechtsauffassung, die Verletzung von Verfahrensvorschriften könne als Verletzung eigener Rechte geltend gemacht werden, ausdrücklich mit dem Hinweis entgegengetreten, dass weder die verfassungsrechtlichen noch die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen dazu zwingen, bei Verfahrensfehlern im Anlagenzulassungsverfahren gänzlich auf Kausalitätserwägungen, so wie sie auch in anderen Bereichen anzutreffen seien, zu verzichten. Hierzu wird ausgeführt:

45

„Die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie unterscheidet zwischen der (allgemeinen) Öffentlichkeit einerseits und der betroffenen Öffentlichkeit andererseits. Nur Letzterer ist Zugang zu einem (gerichtlichen) Überprüfungsverfahren zu geben, wenn ein ausreichendes Interesse besteht oder aber eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, sofern das nationale Recht dies verlangt. Was als ausreichendes Interesse oder als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedsstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu den Gerichten zu gewährleisten (Art. 10 a der durch die Richtlinie 2003/35/EG – Öffentlichkeitsrichtlinie − geänderten UVP-Richtlinie). Sowohl der Begriff der Betroffenheit als auch auf das Abstellen auf ein ausreichendes Interesse oder eine Rechtsverletzung machen deutlich, dass Art. 10 a der UVP-Richtlinie durchaus Kausalitätserwägungen zulässt. Denn wenn die getroffene Sachentscheidung (offensichtlich) einen Dritten nicht in seinen Rechten verletzt, insbesondere also bei Einhaltung exakt festgelegter materieller Standards mit drittschützendem Charakter, wird man ihn nicht ohne weiteres als betroffen ansehen können. Er kann dann zwar gleichwohl ein ausreichendes Interesse daran haben, überhaupt eine gerichtliche Überprüfung herbeizuführen. Dies bedeutet allerdings nicht zugleich, dass aufgrund dieser im Rahmen einer Anfechtungsklage stattfindenden gerichtlichen Überprüfung eine ihn offensichtlich nicht in eigenen Rechten materiell verletzende Entscheidung allein wegen eines Verfahrensfehlers zwingend aufgehoben werden muss. Für den Grundrechtsschutz nach Maßgabe des nationalen Verfassungsrechts gilt dies in gleicher Weise.“

46

Das sieht die obergerichtliche Rechtsprechung ersichtlich ebenso (vgl. Urteile des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 21. Januar 2005, DVBl. 2005, 720; und vom 21. Mai 2008 − 8 A 10911/07.OVG −; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2007 in juris). Selbst der Kläger räumt ein, dass bislang kein anderes Obergericht der von dem 7. Senat des erkennenden Gerichts in dem Beschluss vom 25. Januar 2005 (a.a.O.) vertretenen Rechtsauffassung gefolgt ist, auf die er sich stützt. Auch der Senat sieht keinen Anlass, seine bisherige, im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung stehende diesbezügliche Rechtsauffassung zu ändern und der in dem genannten Beschluss geäußerten Rechtsmeinung zu folgen.

47

Soweit in dem von dem Kläger zur Stützung seiner Rechtsauffassung zitierten Schrifttum eine gegenteilige Auffassung vertreten wird (Kment, NVwZ 2007, 274 ff.; Schlacke, NuR 2007, ff.), behandelt dieses Schrifttum die Rechtslage nach Inkrafttreten des Umweltrechtsbehelfsgesetzes − URG −. Allerdings wird auch darin hervorgehoben, dass es Beteiligten nach § 61 Nrn. 1 und 2 VwGO erst seit Erlass dieses Gesetzes möglich sei, die Verletzung von Verfahrensfehlern nach § 4 Abs. 1 URG gerichtlich geltend zu machen (so Kment, a.a.O. S. 279). Indessen kann der Kläger aus dem URG im vorliegenden Verfahren Rechte nicht ableiten, weil gemäß § 5 URG dieses Gesetz für Verfahren, wie das vorliegende Genehmigungsverfahren, nur dann gilt, wenn diese nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind. Im vorliegenden Fall ist das Genehmigungsverfahren jedoch mit Eingang des Antrags der Beigeladenen vom 22. Oktober 2004 bei dem Beklagten am 17. November 2004 eingeleitet worden. Damit findet das URG für das vorliegende Verfahren keine Anwendung. Hieran ändert auch der Abänderungsantrag der Beigeladenen vom 2. Dezember 2005 nichts, mit dem − bei gleichbleibenden Standorten und gleichbleibender Nabenhöhe der streitigen Windkraftanlagen − eine Änderungsgenehmigung bezüglich des Rotordurchmessers begehrt wurde, der entsprechend dem ursprünglichen Antrag reduziert werden sollte. Hierdurch stellte sich die Genehmigungsfrage nicht erneut. Durch die Änderung werden die Auswirkungen der Windkraftanlagen nämlich allenfalls reduziert. Vor diesem Hintergrund bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Klärung, ob, wie die Beigeladene meint, das Umweltrechtsbehelfsgesetz lediglich den in § 2 URG genannten Vereinigungen das Recht gibt, Verfahrensverletzungen gerichtlich anzugreifen oder ob auch einzelne Betroffene aufgrund der Formulierung in § 4 Abs. 3 URG hierzu befugt sind (so Kment, a.a.O.).

48

Auch das Bundesverwaltungsgericht weist in seinem Beschluss vom 21. Januar 2008 (ZfBR 2008, 289 ff.) darauf hin, dass das Umweltrechtsbehelfsgesetz nur für Verfahren gilt, die nach dem 25. Juni 2005, also nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2003/35/EG eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen. Aus dieser Entscheidung wird aber zugleich deutlich, dass das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung ist, dass auch das Gemeinschaftsrecht nicht gebietet, die Genehmigung von Projekten, für die das Genehmigungsverfahren vor Ablauf der Frist vor Umsetzung der genannten Richtlinie eingeleitet wurde, wegen des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften aufzuheben (Rn. 12 des Beschlusses). In diesem Zusammenhang weist das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich auf den von dem EuGH in seinem Urteil vom 7. Januar 2004 (a.a.O.) ausdrücklich hervorgehobenen Grundsatz der Verfahrensautonomie (Rnrn. 13 ff.), deren Grenzen nicht überschritten seien, wenn das deutsche Recht es nicht ermöglicht, dass bloße Verfahrensfehler, die nicht zu einer Verletzung materieller Rechte des Betroffenen führen, zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung führen. Aufgrund der vorstehend dargelegten Überlegungen ist es also nicht zu beanstanden, sondern steht vielmehr in Einklang mit der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ausgeführt hat, dass die Geltendmachung eines Verfahrensverstoßes allein die Aufhebung der angefochtenen Genehmigung nicht rechtfertigen kann, sondern dass die Anfechtungsklage nur dann Erfolg haben kann, wenn der geltend gemachte Verfahrensfehler auch zu einer Verletzung der eigenen materiellen Rechte des Klägers geführt hat, was hier jedoch nicht der Fall ist.

49

Daran hält der Senat nach wie vor fest. Dem ist der Kläger im vorliegenden Verfahren auch nicht weiter entgegengetreten. Damit stellt sich im vorliegenden Verfahren lediglich noch die Frage, ob die streitgegenständlichen Windkraftanlagen gegen sonstige - drittschützende - Vorschriften verstoßen, die den Kläger begünstigen.

50

Insoweit macht der Kläger einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 1 BImSchG geltend, die nachbarschützend ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2008, ZfBR 2008, 278 ff.; Jarass, BImSchG, § 5, Rn. 21). Im vorliegenden Fall stehen nicht schädliche Umwelteinwirkungen, sondern sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 BImSchG in Rede, zu denen die von dem Kläger geltend gemachte Gefährdung durch Eiswurf zu zählen ist. Darüber hinaus macht der Kläger einen Verstoß gegen die ebenfalls drittschützende Vorschrift des § 8 LBauO geltend. Eine Verletzung der genannten Vorschriften ist nach der Überzeugung des Senats jedoch nicht gegeben.

51

Die Nebenbestimmungen zum Ausschluss einer Gefährdung Dritter durch Eiswurf in den angefochtenen Genehmigungen in der Gestalt, die sie letztendlich durch die Auflagen erhalten haben, die der Beklagte den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 gemacht hat, erachtet der Senat unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles als ausreichend, um der von dem Kläger angesprochenen Gefährdung durch Eiswurf zu begegnen. Ein Verstoß gegen § 8 LBauO durch die Genehmigung der Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) ist nach den vorliegenden Unterlagen ebenfalls mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Allein diese Windkraftanlage steht mit einer Entfernung von 90 m so nah zu dem Grundstück des Klägers Parzelle Nr. ..., dass die Einhaltung des § 8 LBauO insoweit überhaupt zu prüfen ist. Alle anderen im vorliegenden Verfahren streitigen Windkraftanlagen stehen so weit von seinen Grundstücken entfernt, dass eine Verletzung von § 8 LBauO bezogen auf diese Grundstücke von vornherein ausscheidet. Über die näher zu den vorgenannten Grundstück des Klägers stehende Windkraftanlage T 2 des Beigeladenen zu 2) wird in dem aus dem vorliegenden Verfahren abgetrennten Verfahren (1 A 10597/11.OVG) zu entscheiden sein.

52

Die Gefahr des Eiswurfs bei Standorten von Windkraftanlagen in Mittelgebirgshöhenlagen, wie sie hier bezüglich der streitgegenständlichen Standorte gegeben sind, ist zwischen den Beteiligten wohl nicht grundsätzlich streitig. Sie wird heute ersichtlich auch von den Planern derartiger Anlagen grundsätzlich anerkannt, was im vorliegenden Fall dadurch dokumentiert wird, dass die Beigeladenen selbst in ihren jeweiligen Antragsunterlagen (vgl. bezüglich der Beigeladenen zu 1., Ordner IV, Bl. 49 ff.) hierauf eingehen und die schon von Antragstellerseite von vornherein vorgesehenen Sicherungseinrichtungen darstellen. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten unter Ziffer 2.1 (S. 3 des Gutachtens vom 13. Dezember 2010) ausgeführt hat auch das Deutsche Institut für Bautechnik in der Musterliste der technischen Baubestimmungen Vorgaben formuliert, wie der Gefahr des Eisabwurfs zu begegnen ist (Fassung März 2004). In Rheinland-Pfalz hat das zuständige Fachministerium diese Gefahr zum Anlass genommen, in der Verwaltungsvorschrift vom 28. April 2003 (MinBl. 2003, 357 ff., 369 ff.), in der nachfolgenden Verwaltungsvorschrift vom 15. Oktober 2004 (MinBl. 2004, 374 ff., 396) und in dem gemeinsamen Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums des Innern und für Sport, des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau und des Ministeriums für Umwelt und Forsten vom 30. Januar 2006 (Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen, MinBl. S. 64 ff.) hierzu Aussagen zu machen. In dem letztgenannten Rundschreiben heißt es unter IV.4 „Eisabwurf“:

53

Windenergieanlagen sind generell so zu errichten und zu betreiben, dass es nicht zu einer Gefährdung durch Eisabwurf kommt. Um eine solche Gefährdung zu vermeiden, bestimmt die durch Verwaltungsvorschrift als technische Baubestimmung eingeführte Richtlinie für Windenergieanlagen, dass geeignete betriebliche bzw. technische Vorkehrungen gegen Eisabwurf zu treffen sind (Verwaltungsvorschrift vom 15. Oktober 2004, MinBl., S. 374, 396, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 22. November 2005, MinBl., S. 350).

54

Da Eisstücke über mehrere 100 m weit geschleudert werden können, ist die Einhaltung entsprechend größerer Abstände bei kleinparzellierten Grundstücken kaum möglich. Die Abstände nach § 8 LBauO berücksichtigen die Eisabwurfproblematik nicht. Deshalb kommen in erster Linie technische Vorkehrungen oder geeignete betriebliche Maßnahmen in Betracht, wie zum Beispiel, dass

55

- sich die Anlage bei Eisansatz aufgrund entsprechender technischer Vorkehrungen (z.B. Detektoren) selbst stilllegt,

        

- der Eisansatz durch technische Maßnahmen (Beheizung und/oder wasserabweisende Beschichtung der Rotorblätter) auf Dauer vermieden wird.

56

Die Frage entsprechender Regelungen in Genehmigungsbescheiden stellt sich in Bezug auf die Eigentümer von den Windkraftanlagen benachbarten Grundstücken nur dann und die vorgenannten Eigentümer können auch nur dann durch das Fehlen entsprechender Regelungen in den jeweiligen Genehmigungsbescheiden in ihren eigenen Rechten verletzt sein, wenn die jeweils streitigen Windkraftanlagen in einer Entfernung von ihren Grundstücken genehmigt worden sind, die geringer ist als die potentielle Eiswurfweite gemessen von dem Standort der jeweiligen Windkraftanlage. Wie diese potentielle Eiswurfweite zu ermitteln ist, hat der Senat in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) unter Bezugnahme auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 9. Februar 2006 (in juris) im Einzelnen ausgeführt.

57

Zugrunde zu legen sind dabei die Ergebnisse des EU-Forschungsprojektes „Windenergy Produktion in Cold Climates“, des sogenannten „WECU-Projektes“. Als Ergebnis durchgeführter Simulationen und der bisherigen Beobachtungen empfiehlt das „WECU-Gutachten“ deshalb für Standorte, an denen mit hoher Wahrscheinlichkeit an mehreren Tagen im Jahr mit Vereisung gerechnet werden muss, einen Abstand von 1,5 x (Nabenhöhe + Durchmesser) zu den nächsten gefährdeten Objekten einzuhalten. Diesen Richtwert haben auch die Beigeladenen in ihren Antragsunterlagen (s. bezüglich der Beigeladenen zu 1., Ordner IV, Bl. 51) zugrunde gelegt. Soweit in der mündlichen Verhandlung seitens des Klägers vorgetragen worden ist, die genaue Ermittlung dieser Faustformel für potentielle Eiswurfweiten sei unklar, genaue Berechnungsergebnisse dafür lägen nicht vor und Eisstücke könnten auch weiter fliegen, muss dem im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht nachgegangen werden. Die hier streitigen Windkraftanlagen der Beigeladenen sind nämlich jeweils so nahe zu den Grundstücken des Klägers genehmigt worden, dass sie nach der vorstehend erläuterten Faustformel von Eisstücken getroffen werden könnten, die von den den Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen abgeworfen werden. Durch die vorgenannte Formel würde sich nämlich unter Berücksichtigung der Nabenhöhe von 100 m und des Rotordurchmessers von 90 m eine potentielle Eiswurfweite von 285 m errechnen. Das ist in etwa auf die Entfernung der Windkraftanlage Nr. 3 der Beigeladenen zu 1) von dem nächstgelegenen Grundstück des Klägers. Alle übrigen im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Windkraftanlagen sind in einer geringeren Entfernung zu Grundstücken des Klägers genehmigt worden. Den Bedenken des Klägers, die vorstehend erläuterte Formel zur Ermittlung der potentiellen Eiswurfweite von Windkraftanlagen sei unzutreffend, müsste allein dann nachgegangen werden, wenn die streitigen Windkraftanlagen so weit von den Grundstücken des Klägers entfernt stünden, dass diese Grundstücke unter Zugrundelegung der vorgenannten Faustformel nicht mehr von Eisbrocken getroffen werden könnten, die von den Windkraftanlagen abgeworfen werden. Nur dann käme der Frage Relevanz zu, ob diese Faustformel zu einem zutreffenden Ergebnis führt oder ob größere Eiswurfweiten anzunehmen wären.

58

Liegen die klägerischen Grundstücke somit innerhalb der potentiellen Eiswurfweite der den Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen und könnte der Kläger, sofern er sich auf seinen Grundstücken aufhält, dort möglicherweise von Eisbrocken getroffen werden, die von den Rotoren der Windkraftanlagen abgeworfen werden, so waren hier im Rahmen der erteilten Genehmigungen - was auch der Beklagte selbst so gesehen hat - Regelungen zu treffen, die die genannte Gefährdung hinreichend sicher vermeiden. Das gänzliche Fehlen entsprechender Regelungen oder deren Unwirksamkeit – sei es wegen mangelnder Bestimmtheit oder wegen ihrer Ungeeignetheit – kann der Kläger auch geltend machen, weil die Regelung des § 5 BImSchG, woraus sich diese Verpflichtung für den Beklagten ergibt, drittschützend ist. Die der Beigeladenen zu 1) erteilte Genehmigung vom 26. Oktober 2005 sowie die dem Beigeladenen zu 2) erteilte Genehmigung vom 17. November 2005 genügten diesen Anforderungen indessen nicht, weil sie nicht hinreichend bestimmt waren.

59

Die diesbezügliche Regelung in dem Bescheid vom 26. Oktober 2005 auf Seite 12 des Bescheides erschöpft sich in dem Passus:

60

Da im vorliegenden Fall keine ausreichend großen Sicherheitsabstände zu gefährdeten Objekten (…) eingehalten werden, müssen geeignete betriebliche bzw. technische Vorkehrungen gegen Eiswurf getroffen werden.

61

Eine im Wesentlichen gleichlautende (nicht aussagekräftigere) Nebenbestimmung enthält der Bescheid vom 17. November 2005 unter Nr. 11. Die Änderungsbescheide vom 19. Januar 2006 und vom 23. Januar 2006 wiederholen diese Formulierung lediglich in ihren Nebenbestimmungen unter Nr. 11. Der vorgenannten Formulierung ist jedoch nicht zu entnehmen, was aus der Sicht des Beklagten denn nun eine geeignete Vorkehrung sein könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bislang offensichtlich weder ein technisches Regelwerk noch einen allgemeinen anerkannten Stand der Technik gibt, aus dem die Beigeladenen als Genehmigungsadressaten zweifelsfrei hätten entnehmen können, was von ihnen hierdurch verlangt wird. Zwar kann es im Einzelfall sinnvoll sein, dass eine Behörde mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einem Genehmigungsadressaten verschiedene Möglichkeiten eröffnet, einer Nebenbestimmung nachzukommen, sofern sie gleichermaßen geeignet sind, das mit der Regelung verfolgte Ziel zu erreichen. Das setzt aber voraus, dass sie entweder eindeutig benannt werden oder von den Betroffenen ohne weiteres ermittelt werden können. Hier hat es der Beklagte indessen den Beigeladenen als Genehmigungsadressaten überlassen, letztlich durch Versuch und Irrtum herauszufinden, was aus der Sicht der Behörde geeignete Vorkehrungen sein könnten. Das genügt nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes.

62

Eine entsprechende Konkretisierung war im vorliegenden Fall auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Beigeladenen von sich aus – nach Erteilung der Genehmigungen – Eissensoren eingebaut und deren Funktionsfähigkeit durch Gutachten nachgewiesen hatten. Im vorliegenden Verfahren geht es nämlich nicht darum, ob der Beklagte gegenüber den Beigeladenen tätig werden muss, um ausreichende Sicherheitseinrichtungen durchzusetzen, was entbehrlich wäre, wenn diese schon von sich aus entsprechend tätig geworden wären. Vielmehr sind Streitgegenstand ausschließlich die erteilten Genehmigungen, die ihrerseits unabhängig davon, was die Beigeladenen von sich aus - aber nicht durch bestandkräftige Bescheide verpflichtet - getan haben, ausreichende und bestimmte Regelungen enthalten müssen.

63

Eine solche ausreichende und bestimmte Regelung ist vorliegend auch nicht mit Blick auf die weitere Regelung in den genannten Genehmigungsbescheiden entbehrlich, wonach die Beigeladenen vor Baubeginn nachzuweisen hatten, durch welche Maßnahmen eine Gefährdung durch Eiswurf verhindert werden solle. Das ist nichts anderes als die Aufgabe einer Berichtspflicht und ersetzt nicht die Präzisierung dessen, was eine geeignete technische Vorkehrung sein soll.

64

Entsprechende konkrete Regelungen waren des Weiteren auch nicht deshalb entbehrlich, weil von den Beigeladenen als Antragstellern in den zur Genehmigung eingereichten Antragsunterlagen zwei Einrichtungen als von vornherein vorgesehene Sicherungseinrichtungen angesprochen werden, die damit zum Bestandteil der jeweiligen Genehmigungen geworden sind (s. bezüglich der Beigeladenen zu 1), Ordner IV, Bl. 49 ff.). Das ist zum einen die Überwachung der Leistungskennlinie für den Fall einer gleichmäßigen Vereisung der Rotorblätter und eine Schwingungsüberwachung für den Fall einer unsymmetrischen Vereisung der Rotorblätter. Hierzu hat der Sachverständige in seinem Gutachten vom 13. Dezember 2010 auf S. 3 ff. ausgeführt, dass diese beiden Überwachungseinrichtungen einen Eisansatz an den Rotorblättern während des Betriebes einer Windkraftanlage zwar feststellen können, dass dies aber ein gewisses Maß von Eisansatz an den Rotorblättern voraussetzt, weshalb letztlich die Möglichkeit gegeben ist, dass sich Eis von den Rotorblättern löst, bevor eine diese Überwachungseinrichtungen den Eisansatz erkennt.

65

Zwar wird in den Antragsunterlagen (s. bezüglich der Beigeladenen zu 1, a.a.O., S. 51) auch der Einbau eines Eisdetektors angesprochen. Hierbei sollte es sich indessen nicht um die zur Genehmigung gestellte Standardausrüstung der Windkraftanlagen handeln. Es wurde lediglich erwähnt, dass die Herstellerfirma „optional auf Wunsch“ ihre Windenergieanlagen mit einem solchen Detektor ausstatten könne. Diese - weitere - Sicherheitsvorkehrung war deshalb durch die Genehmigungen, die jeweils hierauf nicht eingehen, nicht mit erfasst.

66

Allerdings hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 die bisherigen – unbestimmten – Regelungen bezüglich des Eisabwurfes in den Bescheiden vom 26. Oktober und 17. November 2005 ergänzt und nunmehr jeweils den Einbau eines Eissenors der Firma L… (LIT-3.210 C) angeordnet. Diese ergänzende Regelung ist bestandskräftig geworden. Zwar ist im Falle einer Anfechtungsklage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Indessen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Falle der Klage eines Dritten gegen einen gegenüber einem Bauherrn ergangenen begünstigenden Bescheid eine nachträgliche, auch noch im gerichtlichen Verfahren erfolgende Behebung von Mängeln durch einen ergänzenden Bescheid zu berücksichtigen ist, weil es letztlich keinen Sinn machen würde, einen Bescheid aufzuheben, der in der – inzwischen - geänderten Fassung in gleicher Weise wieder erteilt werden müsste. So liegt der Fall hier. Die Genehmigungsbescheide in der geänderten Fassung, die sie durch die Abänderung in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 erhalten haben, sind nunmehr nicht allein hinreichend bestimmt sondern verletzen den Kläger auch nicht - mehr - in seinen eigenen Rechten, weil hierdurch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles inzwischen mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des Klägers durch Eiswurf beim Betreten seiner Grundstücke ausgeschlossen wird, wie die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats ergeben hat.

67

Gegen die Eignung des genannten Eissenors führt der Kläger im Wesentlichen drei Argumente ins Feld. Zum einen verweist er darauf, dass der Eissensor in Höhe der Gondel und damit 45 m unterhalb der Höhe angebracht werden soll und von den Beigeladenen jeweils schon angebracht worden ist, die die Rotorblattspitzen erreichen. Zum anderen macht er in diesem Zusammenhang geltend, dass durch die Abwärme von der Gondel an dieser Stelle eine höhere Temperatur herrsche, als sie an den Rotorblattspitzen zu erwarten stehe. Und schließlich trägt er vor, es gebe – inzwischen - geeignetere Überwachungsmöglichkeiten an den Rotorblättern selbst bezüglich eines Eisansatzes. Die Beweisaufnahme auf zwar das Vorbringen des Klägers teilweise bestätigt. Sie hat aber zugleich deutlich gemacht, dass das hiernach nicht 100 % auszuschließende Restrisiko derart gering ist, dass der Beklagte weitergehende Sicherungsvorkehrungen von den Beigeladenen zu fordern nicht verpflichtet ist und die angefochtenen Genehmigungen den Kläger daher nicht in seinen eigenen Rechten verletzen.

68

Zutreffend ist danach die Argumentation des Klägers, dass es Situationen geben kann, in denen eine Vereisung an den Rotorblättern auftritt, ohne dass der am Wettermast der Gondel angebrachte Sensor bereits eine Vereisung feststellt. Das hat der Sachverständige in seinem Gutachten auf S. 4 im Einzelnen erläutert. Dass unterschiedliche Temperaturen im Bereich des Sensors und an den Rotorblättern auftreten können, hat auch der in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 angehörte Dipl.-Ing. R... bestätigt. Damit ist festzuhalten, dass nicht jedweder Eisansatz an den Rotorblättern 100 %ig ohne jede Verzögerung zugleich von dem in der ergänzenden Nebenbestimmung geregelten Eissensor festgestellt wird. Dass hier unter Umständen in besonderen Einzelfällen ein Zeitfenster zwischen einem relevanten Eisansatz an den Rotorblättern und einem Erkennen desselben durch den Eissensor auftreten kann, wird im Übrigen bereits in den Antragsunterlagen der Beigeladenen (vgl. bezüglich der Beigeladenen zu 1), Ordner IV, S. 52) angesprochen. Um dieses Zeitfenster, aus dem der Kläger eine ihm unzumutbare Gefährdung ableitet, geht es ihm letztlich. Dem kann auch nicht, wie die Beigeladenen vorgetragen haben, entgegengehalten werden, dass jede technische Einrichtung einmal versagen könne. Hierbei geht es nämlich nicht um ein technisches Versagen, sondern um einen Umstand, der in der technischen Konzeption dieser Sicherheitseinrichtung angelegt ist.

69

Hieraus folgt indessen nicht, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, anstelle des in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 den Beigeladenen aufgegebenen Einbaues der genannten Eissensoren eine andere technische Sicherheitseinrichtung aufzugeben, wie der Kläger sie favorisiert. Dabei ist anzumerken, dass es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht darauf ankommen kann, ob und wie die technische Entwicklung inzwischen fortgeschritten ist oder gar, welche Sicherheitsvorkehrungen möglicherweise erst für die Zukunft konzipiert werden. Der Beklagte konnte sich in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Ergänzung der Nebenbestimmungen in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 nämlich nur an dem orientieren, was seinerzeit tatsächlich auf dem Markt und hinreichend erprobt war. Etwas darüber hinaus Gehendes konnte von ihm nicht verlangt werden. Zwar gibt es inzwischen auch das mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörterte System „BLADE control“. Allerdings ist dieses System, wie der genannte Dipl-Ing. R... in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, zum einen erst wenige Jahre auf dem Markt. Und zum anderen sind ihm nach seinen Erkenntnissen auch keinerlei belegte Ausarbeitungen über die Zuverlässigkeit der verschiedenen Eiserkennungssysteme bekannt, aus denen sich die größere Eignung des letztgenannten Systems gegenüber dem System ergeben würde, dass den Beigeladenen anzubringen aufgegeben worden ist. Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte den Beigeladenen die Anbringung des vorerwähnten Eissensors aufgeben hat.

70

Erweisen sich die hier bezüglich einer Gefährdung durch Eiswurf getroffenen Regelungen des Beklagten in den Nebenbestimmungen der den Beigeladenen erteilten Genehmigungen somit nicht bereits schon deshalb als fehlerhaft, weil diesen ein geeigneteres Sicherheitssystem anzubringen hätte aufgegeben werden müssen, dann stellt sich im vorliegenden Verfahren letztlich die Frage, ob der Beklagte zulässigerweise eine Regelung treffen durfte, bei der ein – wenn auch äußerst geringes – Restrisiko einer Gefährdung verbleibt. Das ist vorliegend zu bejahen.

71

Der Begriff des – verbleibenden – Restrisikos, der von der – zu regelnden – Schadensvorsorge zu unterscheiden ist, wird von dem Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Atom- wie auch zum Bergrecht verwandt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. August 2006, NVwZ 2007, 88 ff., Rn. 12 f., Urteil vom 10. April 2008, NVwZ 2008, 1012, Rn. 25, 30 und 32, und Urteil vom 29. April 2010, Beck, RS 2010, 49, 1416). Danach ist unter diesem Begriff dasjenige Risiko zu verstehen, welches von einer Anlage ausgeht, nachdem sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden und das sinnvollerweise (nach dem Maßstab „praktische Vernunft“) nicht mehr minimierbar ist (vgl. auch Roller, Drittschutz im Atom- und Immissionsschutzrecht, NVwZ 2010, 990 ff.). Die der im vorliegenden Fall bezüglich der Regelung, einen bestimmten Eissensor einzubauen, zugrunde liegende Risikoabschätzung des Beklagten, wonach ein nicht mehr weiter minimierbares Restrisiko verbleibt, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu beanstanden.

72

Maßgeblich sind insoweit die von dem Kläger nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 13. Dezember 2010 unter Ziffer 3.5 zu der relativen Häufigkeit von Eisablagerungsbedingen an den Standorten der Windkraftanlagen und unter Ziffer 3.1 zu der Wahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses auf den Grundstücken des KIägers. Danach ist in dem hier allein in Betracht zu ziehenden Zeitraum von November bis Februar mit Vereisungsbedingungen im Betriebsbereich der Windkraftanlagen an 1,7 bis 6 Tagen zu rechnen. An diesen Tagen müssten aber noch weitere Umstände eintreten, damit es zu einer Schädigung des Klägers auf seinen Grundstücken kommen könnte. Es müsste eine ausreichende Windgeschwindigkeit an den Windkraftanlagenstandorten vorhanden sein, damit die Windkraftanlagen überhaupt in Betrieb wären. Zusätzlich müsste keines der drei Systeme zur Eiserkennung den Eisansatz rechtzeitig erkennen und die Windkraftanlage abschalten, bevor es zum relevanten Eisansatz kommt. Darüber hinaus müsste außerdem Eis auf eine der Parzellen des Klägers geschleudert werden und letztlich müsste dieser bzw. eine andere Person sich zum Zeitpunkt des Aufschlages an der Stelle befinden, an der der Eisabwurf auftrifft. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger oder eine andere sich auf seinen Grundstücken aufhaltende Person von Eisbrocken getroffen werden könnte, die von den Rotoren der genehmigten Windkraftanlagen weggeschleudert werden, wird noch zusätzlich dadurch minimiert, dass nicht nur Windverhältnisse herrschen müssten, bei denen die Rotoren laufen, sondern dass auch noch die Windrichtung dergestalt sein müsste, dass von den Rotoren abgeworfene Eisstücke in Richtung auf die Grundstücke des Klägers geworfen werden können. Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es sich bei den Grundstücken des Klägers um im Außenbereich gelegene Parzellen handelt, auf denen sich Personen zu dieser Jahreszeit jedenfalls nicht regelmäßig aufhalten dürften und bezüglich derer der Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen hat, sich dort zwangsläufig und regelmäßig zur Durchführung konkret benannter Arbeiten aufhalten zu müssen.

73

All das zusammengenommen verdeutlicht, dass hier ein derart geringes Risiko in Rede steht, dass von dem Beklagten – orientiert an dem Maßstab „praktischer Vernunft“ – nicht mehr verlangt werden kann gegenüber den Beigeladenen weitere Regelungen zu treffen, um dieses Risiko noch weiter zu minimieren. Angesichts dessen erachtet der Senat die Nebenbestimmungen in den angefochtenen Genehmigungen zum Ausschluss einer Gefährdung Dritter durch Eisabwurf von den Windkraftanlagen der Beigeladenen für ausreichend, weshalb der Kläger durch diese Genehmigungen insoweit nicht in seinen eigenen Rechten verletzt wird.

74

Entgegen der Auffassung des Klägers verstoßen die den Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen auch nicht gegen die drittschützende Vorschrift des § 8 LBauO, nach der vor baulichen Anlagen Abstandsflächen freizuhalten sind. Einer näheren Überprüfung bedarf im vorliegenden Fall lediglich die der Beigeladenen zu 1) genehmigte Windkraftanlage Nr. 8 in Bezug auf das Grundstück des Klägers Parzelle Nr. 54. Alle übrigen streitgegenständlichen Windkraftanlagen stehen zwischen 180 und ca. 290 m von Grundstücken des Klägers entfernt, so dass insoweit – ungeachtet aller Streitigkeiten zwischen den Beteiligten, wie die erforderliche Abstandsfläche genau zu berechnen ist – eine Verletzung von § 8 LBauO von vornherein ausscheidet.

75

Die Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) ist nach den vorliegenden Unterlagen in einem Abstand von 90 m zum Grundstück Parzelle Nr. ... genehmigt worden. Zwar gehen der Kläger, der Beklagte und die Beigeladenen letztlich von den gleichen Überlegungen bezüglich der Ermittlung einer Abstandsfläche bei Windkraftanlagen aus. Streitig ist indessen, ob in die jeweilige Berechnung die zutreffenden Maße eingeflossen sind, woraus sich, je nachdem, welcher Auffassung zu folgen ist, eine unterschiedliche, aber nicht stark differenzierende Tiefe der einzuhaltenden Abstandsfläche ergeben kann. Auch dann, wenn man die – letztlich im Grundsatz wohl zutreffenden – Überlegungen des Klägers zur Ermittlung der Abstandsfläche berücksichtigt, ergibt sich im vorliegenden Fall bei einer überschlägigen Ermittlung ungeachtet aller damit verbundenen Ungenauigkeiten, dass der Abstand der Windkraftanlage Nr. 8 zu der vorgenannten Parzelle des Klägers zweifellos ausreichend ist.

76

Die Ermittlung einer bezüglich Windkraftanlagen erforderlichen Abstandsfläche regelt § 8 LBauO lediglich hinsichtlich einer einzigen Komponente, nämlich hinsichtlich des Multiplikators, mit dem die – nach den anderen Regelungen in § 8 LBauO – zu ermittelnde Wandhöhe H zu multiplizieren ist. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO nämlich festgelegt, dass bei Windkraftanlagen in nicht bebauten Gebieten eine Tiefe der Abstandsfläche bis zu 0,25 H zugelassen werden kann. Eine spezifische Regelung über die Ermittlungen der maßgeblichen Wandhöhe H für Windkraftanlagen hat der Gesetzgeber jedoch nicht formuliert. Gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO sind für bauliche Anlagen, von denen Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen, die Absätze 1 bis 7 des § 8 LBauO entsprechend anzuwenden.

77

Mit der Frage, wie § 8 Abs. 4 LBauO bezüglich Windkraftanlagen umzusetzen ist, hat sich der 8. Senat des erkennenden Gerichts an seinem Beschluss vom 10. September 1999 (8 B 11689/99.OVG) auseinandergesetzt, dem auch der erkennende Senat folgt und an dem sich die Beteiligten selbst von Anfang an orientiert haben. Hiernach ist die Berechnung der Wandhöhe H in Anlehnung an die Sonderregelung für Giebelflächen in § 8 Abs. 4 Sätze 3 bis 6 LBauO vorzunehmen. Die sich danach ergebende Berechnungsformel hat der 8. Senat in der vorgenannten Entscheidung wie folgt definiert:

78

H = Masthöhe + (0,4637 x Rotorradius)

79

Mit der zweiten Komponente dieser Formel – 0,4637 x Rotorradius – soll die Wirkung des sich drehenden Rotors oberhalb der Nabenhöhe – die gedankliche Parallele zur in § 8 Abs. 4 LBauO geregelten Giebelfläche - erfasst werden. Danach ist in Entsprechung der Regelungen des § 8 Abs. 4 Satz 3 bis 6 LBauO die Höhe bis zur Nabenhöhe in vollem Umfang wie bei einem Gebäude die Wand unterhalb des Giebels zu berücksichtigen und die oberhalb davon von dem Rotor überstrichene halbrunde Fläche einem Giebel entsprechend in einem geringeren Umfang bezüglich ihrer Höhe hinzuzurechnen.

80

Über diese Komponente der Berechnung streiten die Beteiligten nur insoweit, als die Formel auf den Rotorradius zurückgreift, der nach Auffassung des Klägers – geringfügig – größer ist als von dem Beklagten angenommen. Das ist wohl, wie die Anhörungen des Dipl.-Ing. R... in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 ergeben hat, beim Betrieb einer Windkraftanlage gegenüber einem stillstehenden Rotor tatsächlich der Fall. Der Berechnung der Abstandsfläche durch den Beklagten liegt der Rotordurchmesser im Ruhezustand des Rotors zugrunde. Beim Betrieb kann sich dieser Rotordurchmesser, wie Dipl.-Ing. R... erläutert hat, durch den Winddruck deshalb im geringen Umfang vergrößern, weil die Rotorblätter nicht gerade geformt sondern, wie sich aus der Zeichnung Bl. 197 im Ordner X (Änderungsgenehmigung) ergibt, leicht nach vorne in den anströmenden Wind hineingebogen sind. Auf diesen Umstand hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 24. Mai 2007 unter Hinweis auf die vorstehend erläuterte „Vorbiegung“ der Rotorblätter verwiesen und ausgeführt, dass sich der Rotorbetriebsdurchmesser hierdurch auf 90,90 m vergrößere, woraus sich ein Radius von 45,45 m ergebe, also eine Vergrößerung des Rotorradius um 1 %. Ob die Veränderung in dieser Größenordnung liegt, vermochte der Dipl.-Ing. R... auf Befragen des Gerichtes nicht zu bestätigen. Davon, dass sich beim Betrieb der Rotordurchmesser und damit auch der Rotorradius verändert, geht aber auch er aus. Da den Beigeladenen aber nicht etwa Windkraftanlagen mit lediglich stehenden Rotoren genehmigt worden sind, sondern natürlich auch deren Betrieb, muss sachgerechter Weise bei der Abstandsflächenberechnung auf der Grundlage der vorstehend erläuterten Formel der Radius des Rotors im Betrieb zugrunde gelegt werden. Geht man von der von dem Kläger angenommenen Vergrößerung des Rotorradius um 1 % aus, dann ergibt sich vorliegend eine maßgebliche Wandhöhe H, die sich errechnet aus der – unstrittigen – Höhe bis zur Naben von 100 m und der weiteren Höhe von 21,075 m, die sich aus der Multiplikation des Rotorradius von 45,45 m mit 0,4637 ergibt. Danach beträgt die maßgebliche Wandhöhe H 121,075 m.

81

Nach § 8 Abs. 6 LBauO, der gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 entsprechend anzuwenden ist, beträgt die Tiefe der Abstandsfläche 0,4 H. Allerdings hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO eine Sonderregelung für Windkraftanlagen geschaffen, wonach diese Abstandsfläche auf bis zu 0,25 H verringert werden kann. Hierzu hat der Senat bereits in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10591/06.OVG) ausgeführt:

82

„…Insbesondere handelt es sich bei der vom Gesetz vorgesehenen Entscheidung über die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen auf bis zu 0,25 H um eine vom Gesetzgeber durch die Einführung des Satzes 2 in § 8 Abs. 10 LBauO ausdrücklich gewollte Erleichterung für die Errichtung von Windenergieanlagen im unbebauten Außenbereich (s.a. Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 13. Februar 1999, auszugsweise abgedruckt in Oppermann/Wieseler/Friedt, Die Neue Bauordnung für Rheinland-Pfalz, S. 25), so dass wegen des daraus resultierenden intendierten Ermessens regelmäßig nur 0,25 H bei der Berechnung der Abstandsflächen zugrunde zu legen ist, solang keine erheblichen Nachbarbelange hierdurch beeinträchtigt werden….“

83

Hieran hat sich der Beklagte indessen, wie er in seinem Schriftsatz vom 28. April 2006 (Bl. 129 Gerichtsakte 1 L 633/06.KO) dargelegt hat, dergestalt orientiert, dass er unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles entschieden hat, sein ihm durch die genannte Vorschrift eingeräumtes Ermessen dahingehend auszuüben, eine Reduzierung der Abstandsflächen - so auch für die Windkraftanlage Nr. 8 - auf 0,32 H vorzunehmen. Diese in etwa zu einem Mittelwert zwischen der nach § 8 Abs. 6 LBauO regelmäßig einzuhaltenden Abstandsfläche von 0,4 H und der nach § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO größtmöglichen Reduzierung der Abstandsfläche auf 0,25 H führende Ermessenausübung des Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, da Anhaltspunkte dafür, dass eine größere Abstandsfläche hätte erforderlich sein können, weder ersichtlich noch von dem Kläger substantiiert vorgetragen worden sind. Seine hierzu vorgetragenen Bedenken erschöpfen sich nämlich im pauschalen Aussagen. Unter Berücksichtigung der von dem Beklagten vorgenommenen Festlegung der Abstandsfläche auf 0,32 H ergibt sich danach eine Tiefe der Abstandsfläche für die Windkraftanlage Nr. 8 von 38,74 m.

84

Die vorgenannte Entscheidung des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 10. September 1999 (8 B 11689/99.OVG) erläutert des Weiteren, wo die so ermittelte Abstandsfläche in Richtung auf das Grundstück des jeweiligen Nachbarn anzusetzen ist. Die Entscheidung geht von der Überlegung aus, dass der von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildete Raum einem gegenüber dem Mast vortretenden Bauteil entspricht. Nach § 8 Abs. 5 S.1 LBauO, der gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 entsprechend anzuwenden ist, sind die Abstandsflächen für vortretende Wandteile gesondert zu ermitteln, sofern sie nicht nach § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO unberücksichtigt bleiben können, was hier angesichts der in Rede stehenden Maße zweifellos ausscheidet. Danach ist die Abstandsfläche am Rand des durch die Projektion des vorstehend erläuterten Raums auf die Geländeoberfläche anzusetzen (vgl. Jeromin, Kommentar zur LBauO, § 8 LBauO, Abbildung 61). Daher sind die von dem Kläger im vorliegenden Verfahren getragenen Bedenken, ob der Umfang des Mastes zutreffend ermittelt worden ist, ohne Belang.

85

Welchen Radius diese Projektion vom Mastmittelpunkt aus gemessen hat, ist zwischen den Beteiligten indessen streitig. Der Beklagte und die Beigeladenen gehen bezüglich des von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildeten Raumes ersichtlich von einer auf dem Mastmittelpunkt ruhenden vollkommenen Kugel aus, weshalb der Radius der vorgenannten Projektion dem Rotorradius gleichzusetzen sei. Das ist indessen unzutreffend. Tatsächlich handelt es sich bei dem vorgenannten Raum eher um eine leicht abgeflachte Kugel, was seine Ursache darin hat, dass der Rotor nicht im Mastmittelpunkt, wo er bei der ersten Drehung bereits zerschellen würde, sondern einige Meter seitlich davon an der Gondelspitze befestigt ist. Somit dreht sich nicht der Rotor um den Mastmittelpunkt sondern die vorgenannte Konstruktion bestehend aus Gondel und daran befestigtem Rotor. Diese Konstruktion dreht sich allerdings mit einem geringfügig größeren Radius um den Mastmittelpunkt, als der Rotor um seinen Mittelpunkt. Der Radius dieser nicht mit dem Rotor gleichzusetzenden Gesamtkonstruktion ist allerdings maßgebend für die Projektion des durch die Drehung des Rotors gebildeten Raumes auf die Geländeoberfläche.

86

Der danach maßgebliche Radius lässt sich ungeachtet der Ungenauigkeiten, die in der Vorbiegung der Rotorblätter begründet sein mögen, mit hinreichender Genauigkeit annähernd ermitteln. Vereinfacht kann hierzu gedanklich ein rechtwinkliges Dreieck zugrunde gelegt werden, dessen Seite a durch den Rotorradius und dessen weitere, den rechten Winkel bildende Seite b durch die Auskragung der Gondel über den Mastmittelpunkt hinaus gebildet wird. Die Grundseite c dieses Dreiecks bildet dann der Radius der sich insgesamt um den Mastmittelpunkt drehenden Konstruktion.

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Unter Zugrundelegung der Formel: a² + b² = c² lässt sich dann durch Rückrechnung annähernd der maßgebliche Radius für die Projektion auf die Geländeoberfläche ermitteln. Legt man hier entsprechend den Angaben des Klägers bezüglich der Seite a an den Rotorradius von 45,45 m zugrunde, errechnet sich hieraus a² = 2.065,70. Die Auskragung des Rotors, gemessen vom Mastmittelpunkt bis zum Rotorblatt, beträgt nach der Zeichnung Bl. 197 in Ordner X (Änderungsgenehmigung) 3,96 m, woraus sich b² = 15,68 errechnet. Hieraus ergibt sich c² = 2.081,38. Zurückgerechnet – durch Wurzelziehen – auf c ergibt sich danach – annäherungsweise – ein zugrunde zu legender Radius von 45,62 m, an dem die vorstehend erläuterte Abstandsfläche in Richtung auf das Grundstück des Klägers anzusetzen ist.

88

Hieraus ergibt sich, dass die Abstandsfläche gemessen vom Mastmittelpunkt aus in Richtung auf das Grundstück des Klägers in einer Entfernung von 84,36 m (Radius der Projektion von 45,62 m + Abstandsfläche von 38,74 m) vom Mastmittelpunkt endet. Angesichts der von dem Kläger nicht substantiiert bestrittenen Entfernung von 90 m bezüglich der Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) von seinem Grundstück Parzelle Nr. 54 kann danach ausgeschlossen werden, dass bei einer exakten Ermittlung des Rotorradius im Betrieb und des Radius, der sich um den Mastmittelpunkt drehenden Konstruktion ergeben könnte der Abstand von 90 m nicht ausreicht.

89

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Dabei entsprach es vorliegend der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten bei der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil diese einen eigenen Antrag gestellt und damit ein eigenes Kostenrisiko übernommen haben.

90

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

91

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

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Beschluss

93

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG).

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. Juli 2013 - 6 K 2711/12 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der fristgerecht gestellte und begründete, auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19.07.2013 hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der vom Antragsteller dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838 f.; Senatsbeschluss vom 03.05.2011 - 10 S 354/11 - VBlBW 2011, 442); sie sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/08 - juris), es sei denn, es lässt sich schon im Zulassungsverfahren zuverlässig sagen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtssache im Ergebnis richtig entschieden und die angestrebte Berufung werde deshalb voraussichtlich keinen Erfolg haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004, a.a.O.), wenn nicht ihrerseits die anderen Gründe wiederum auf einen anderen Zulassungsgrund hinführen würden. Zur Darlegung ernstlicher Zweifel (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich.
Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren nicht. Aus den in der Antragsbegründung dargelegten Gründen erweist sich die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht als ernstlich zweifelhaft.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts vom 12.08.2011 für die Errichtung und den Betrieb eines Masthähnchenstalles sowie weiterer Anlagen im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger werde durch die Genehmigung nicht in eigenen Rechten verletzt. Er mache überwiegend die Verletzung von umweltrechtlichen Vorschriften geltend, die keine drittschützende Wirkung hätten. Er werde auch keinen schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärm-, Geruchs- und Schadstoffimmissionen ausgesetzt. Nach der vorliegenden Geruchsimmissionsprognose vom 06.05.2011 des Ingenieursbüros K. werde der für Dorfgebiete geltende Immissionswert der GIRL von 15 % Jahresgeruchsstunden eingehalten; am Ortseingang von B. liege die zu erwartende Geruchsbelastung einschließlich Vorbelastung bei 8 % bis 13 %. Nach dem Schallgutachten vom 25.04.2011 würden die nach der TA Lärm zulässigen Immissionsrichtwerte tags um mehr als 6 dB(A) unterschritten. Bei Durchführung bestimmter lärmmindernder Maßnahmen, zu denen sich die Beigeladene verpflichtet habe, gelte dies auch zur Nachtzeit. Die Richtigkeit der Gutachten sei nicht erschüttert worden. Für seine Absicht, auf dem ca. 50 m vom Baugrundstück entfernt liegenden Flurstück Nr. 628/1 ein Wohnhaus zu errichten, sei der Kläger einen Nachweis schuldig geblieben.
Der Einwand des Zulassungsantrags, die Möglichkeit einer Bebauung des Flurstücks Nr. 628/1 sei zu Unrecht außer Betracht geblieben, greift nicht durch.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend der Erlass der letzten Behördenentscheidung, mithin des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 31.10.2012. Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklagen für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich, ohne dass danach zu differenzieren ist, ob etwaige Rechtsänderungen zu Gunsten oder zu Ungunsten des Anlagenbetreibers eingetreten sind. Die für nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen entwickelten Grundsätze können auf immissionsschutzrechtliche Drittanfechtungsklagen nicht übertragen werden (vgl. Senatsurteil vom 14.05.2012 - 10 S 2693/09 - VBlBW 2012, 431).
Zum maßgeblichen Zeitpunkt war der Kläger keinen schädlichen Umwelteinwirkungen durch die umstrittene Anlage ausgesetzt. Der Kläger wohnt nach Aktenlage in der Ortsmitte von B. ca. 800 m vom Standort der Anlage entfernt. Nach den vorliegenden, auch im Zulassungsantrag nicht substantiiert in Frage gestellten Geruchs- und Schallimmissionsgutachten sind bereits an den ca. 400 - 500 m entfernten Immissionsorten 1 bis 3 am Ortseingang von B. keine schädlichen Geruchs- und Lärmimmissionen mehr zu erwarten. Fehl geht der Einwand des Zulassungsantrags, dass die Lärmgrenzwerte nachts am Dorfrand ohne zusätzliche Lärmminderungsmaßnahmen überschritten seien. Das Lärmgutachten führt insoweit vielmehr aus, dass bei Einsatz eines elektrischen Gabelstaplers der maßgebliche Immissionsrichtwert um 6 dB(A) unterschritten werde, so dass von der Ermittlung der Vorbelastung abgesehen werden könne (vgl. Ziff. 3.2.1 Abs. 2 und 3 TA Lärm).
Das vom Kläger angeführte Bauvorhaben auf dem Grundstück Flst.-Nr. 628/1 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es gibt keinen belastbaren Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger auf diesem Grundstück tatsächlich wohnen oder auf Dauer arbeiten wird. Der Kläger hatte im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zwar einen Bauantrag für die Errichtung eines Wohnhauses auf diesem Grundstück eingereicht; dem Bauantrag waren aber keine Bauvorlagen beigefügt. Der Aufforderung der Baubehörde, seinen Antrag zu vervollständigen, ist er trotz mehrfacher Fristverlängerung bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids (und bis heute) nicht nachgekommen. Mittlerweile ist der Bauantrag mit baurechtlicher Entscheidung der Stadt Aalen aus formellen Gründen abgelehnt worden. Darüber hinaus wäre ein Wohnhaus auf dem im Außenbereich gelegenen Grundstück Flst.-Nr. 628/1 auch materiell-rechtlich nicht genehmigungsfähig gewesen; ein Privilegierungstatbestand ist nicht erkennbar (vgl. § 35 Abs. 1 BauGB). Der am 22.07.2013 gestellte Bauantrag für eine landwirtschaftliche Halle ist nach dem oben Gesagten nicht mehr zu berücksichtigen, zumal auch diesbezüglich die Zulässigkeit des Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB fraglich ist, weil der Kläger nach Aktenlage kein Landwirt ist.
Der Einwand des Zulassungsantrags, das zu berücksichtigende nachbarliche Interesse setze nicht notwendig eigene aktuelle Bauabsichten voraus, sondern umfasse auch zukünftige Nutzungsmöglichkeiten, greift demgegenüber nicht durch. Die vom Zulassungsantrag in Bezug genommene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 25.05.2011 - 4 A 485.09 - juris) betraf die Verletzung von Abstandsflächenvorschriften zu Lasten eines verpachteten Nachbargrundstücks, mithin die Ausübung des grundrechtlich geschützten Eigentumsrechts durch Verpachtung. Vorliegend geht es hingegen um die Frage, ob die Anlage im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nach den konkreten Umständen des gesamten Falles schädliche Umwelteinwirkungen, d.h. Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen, hervorruft, was maßgeblich am Maßstab der Zumutbarkeit für die Betroffenen zu beurteilen ist. Ein völlig ungewisses, nach dem oben Gesagten nicht einmal theoretisch denkbares Betroffensein ist in diese Abwägung nicht einzustellen (vgl. zum baurechtlichen Gebot der Rücksichtnahme: BVerwG, Beschluss vom 05.09.2000 - 4 B 56.00 - juris). Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, inwieweit eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung an nachträgliche Änderungen der Rechtslage ggf. anzupassen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 7 C 14.08 - juris).
10 
Auch der Einwand des Zulassungsantrags, der Masthähnchenstall sei nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert und habe nicht ohne förmliche Bauleitplanung verwirklicht werden können, ermöglicht nicht die Zulassung der Berufung.
11 
Allerdings trifft es zu, dass die am 20.09.2013 in Kraft getretene Neufassung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB die umstrittene Massentierhaltungsanlage im Ergebnis einem Planerfordernis unterwirft. Denn die Neuregelung nimmt gewerbliche Anlagen zur Tierhaltung, die - wie hier - einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, von der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB aus. Solche Anlagen sollen nur nach Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans errichtet werden können (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 17/11468 S. 15; vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2014 - 5 S 203/13 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Nach der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids geltenden Rechtslage dürfte die Anlage jedoch noch gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB alter Fassung privilegiert gewesen sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.06.1983 - 4 B 206.82 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 02.06.2009 - 8 B 572.09 - juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Planungserfordernis einem im Außenbereich privilegiert zulässigen Einzelvorhaben aber grundsätzlich nicht als öffentlicher Belang entgegengehalten werden, weil privilegierte Vorhaben dem Außenbereich vom Gesetzgeber planartig zugewiesen sind (BVerwG, Beschluss vom 27.06.1983 - 4 B 206.82 - a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 11.08.2004 - 4 B 55.04 - juris).
12 
Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung - wie der Zulassungsantrag geltend macht - schon vor der Änderung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht mehr aufrechterhalten werden konnte (a.A. aber OVG NRW, Beschluss vom 02.06.2009 - 8 B 572/09 - a.a.O.). Denn selbst wenn objektiv-rechtlich ein Planungserfordernis bestünde, könnte der Kläger hieraus keine eigenen Rechte herleiten.
13 
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat ein Dritter Anspruch auf Rechtsschutz gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur dann, wenn sie ihn in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Welche Abwehrrechte ein Nachbar gegen ein im Außenbereich ausgeführtes Bauvorhaben hat, bestimmt sich nach § 35 BauGB. Zu den nicht benannten öffentlichen Belangen im Sinne des § 35 Ab. 3 Satz 1 BauGB gehört zwar auch das Erfordernis einer förmlichen Planung (BVerwG, Beschl. v. 11.08.2004 - 4 B 55/04 - juris; BVerwG, Urt. v. 01.08.2002 - 4 C 5.01 - juris). Dies bedeutet aber nicht, dass ein Dritter aus dem Planerfordernis einen Abwehranspruch gegen ein Bauvorhaben ableiten könnte. Das Planerfordernis steht in engem Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 und Abs. 6 BauGB. Danach entscheidet die Gemeinde auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 BauGB, ob sie eine Bauleitplanung durchführt; § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB schließt jeglichen Rechtsanspruch auf Bauleitplanung aus. Daher bietet das Recht des Nachbarn, sich gegen ein Vorhaben im Außenbereich zur Wehr zu setzen, grundsätzlich keine Handhabe, auf die Aufstellung eines Bebauungsplans hinzuwirken; umgekehrt kann einem Außenbereichsvorhaben ein eventuell bestehendes objektiv-rechtliches Planungsgebot grundsätzlich nicht entgegengehalten werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.08.1982 - 4 B 145/82 - juris; BVerwG, Beschluss vom 24.04.1997 - 4 B 65.97 - juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.03.2011 - 1 LA 2/09 - juris; anders nur ausnahmsweise für einen Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot: BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5.01 - juris, und für den Umweltrechtsbehelf: OVG NRW, Urteil vom 12.06.2012 - 8 D 38/08.AK - juris).
14 
Auch die im Zulassungsverfahren aufgeworfene Frage, ob das Vorhaben der Beigeladenen noch einen singulären Charakter im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB a.F. hat oder wegen einer Vielzahl von entsprechenden Bauwünschen eine Bauleitplanung erforderlich ist, vermag dem Zulassungsantrag daher nicht zum Erfolg zu verhelfen.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese einen Antrag gestellt und ausführlich begründet hat.
16 
Die Streitwertfestsetzung findet ihrer Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 1 GKG. Nach Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist im Immissionsschutzrecht bei der Klage eines drittbetroffenen Privaten für Eigentumsbeeinträchtigungen der Betrag der Wertminderung des Grundstücks, höchstens jedoch 50 % des geschätzten Verkehrswertes, und für sonstige Beeinträchtigungen, wozu die hier geltend gemachten Verstöße gegen § 5 BImSchG zählen, für das Hauptsacheverfahren ein Betrag von 15.000,-- EUR als Streitwert anzusetzen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.09.2009 - 4 B 46.09 - juris; Senatsbeschluss vom 03.01.2013 - 10 S 2421/12 - m.w.N.).
17 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - geändert. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Rastatt vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 werden aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Sprengstofflagers.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ... Straße ... in ... ... Das Grundstück liegt nördlich der Kreisstraße K ... ... ... und grenzt im Westen an die B ... an, die im fraglichen Bereich erhöht auf einem Damm verläuft. Auf dem Grundstück betrieb die Firma ... GmbH jedenfalls bis Mitte des Jahres 2010 eine Fabrik zur Herstellung von Holzspanplatten gemäß Ziff. 6.3 Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV; seitdem ruht die Betriebstätigkeit. Bis zum 01.04.2001 wurde das Spanplattenwerk von der Firmengruppe ... ... ... betrieben. Das Grundstück der Klägerin liegt im Geltungsbereich des früheren rechtsverbindlichen Bebauungsplans „...“ der Gemeinde ... vom 21.03.1983, der für das Grundstück eine Nutzung als Industriegebiet und Gewerbegebiet ausweist. Mit Wirkung zum 20.05.2005 ersetzte die Gemeinde ... den vorhandenen Bebauungsplan durch den Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk (Gebiete ..., ... ... ... ... ... ...“. Für das Grundstück der Klägerin wurde ein Sondergebiet (SO 1) festgesetzt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB wurde zudem in dem der B 462 nächstgelegenen Teil A die Nutzung „Silos für Sägespäne“, im Teil B „Spanplattenwerk Lagerhaltung, Veredelung (einschließlich Schleifen), Vertrieb und Verwaltung“ und im Übrigen „Spanplattenwerk Lagerflächen, einschließlich Hacker- und Förderanlagen, Lkw-Parkplatz-Anlage, einschließlich Waage und Gebäude mit Sanitär- und Aufenthaltsräumen, Pförtnerloge“ festgesetzt. Der Bebauungsplan enthält in dem Teil C. den folgenden Hinweis:
„7. Schutzmaßnahmen gegen Explosivstoffe
Auf den Grundstücken Nr. ... und ... der Gemarkung ..., ... Weg, Gewann ..., befindet sich ein Lager für explosionsgefährliche Stoffe. Von diesem Sprengstofflager sind u.U. auch in Teilbereichen des Plangebiets nach der 2. Sprengstoffverordnung für die Aufbewahrung explosionsgefährlicher Stoffe Schutzabstände für gewerbliche Bebauung mit der Einrichtung von ständigen Arbeitsplätzen einzuhalten. Ein entsprechender Nachweis ist im jeweiligen Genehmigungsverfahren zu erbringen.“
Die Beigeladene betreibt seit dem 01.01.2005 auf den Grundstücken mit den Flst.Nrn. ... und ..., Gewann ..., ... Weg, ... ..., ein Sprengstofflager, das bis dahin von der Firma ... ... KG betrieben wurde. Das Grundstück liegt westlich der B ... und nordwestlich des Grundstücks der Klägerin. Die Entfernung zur B ... beträgt ca. 266,62 m. Der für An- und Ablieferungen genutzte ... Weg schließt sich südöstlich an das Grundstück an. Der Abstand zur nächstgelegenen Grenze des Grundstücks der Klägerin beträgt ca. 300 m.
Unter dem 10.08.1995 erteilte das Landratsamt ... auf Antrag der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der Firma ... ... KG, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Sprengstoffbunkern zur Lagerung von je 25 Tonnen Explosivstoffen und Gegenständen mit Explosivstoffen der Lagergruppen 1.1, 1.3 sowie 1.4. Beide Bunker sind mit 137,3 qm bzw. 171 qm Grundfläche im Abstand von ca. 20 m parallel in Ostrichtung ausgerichtet. Decke, Nord-, Ost- und Südseite der Bunker sind mit Erdreich bedeckt, das an den Seiten zu einer bis zu 5 m starken Böschung aufgeschüttet ist. Die Erdüberschüttung der Betondecke ist ca. 0,6 m mächtig. Nicht mit Erdreich bedeckt sind lediglich die vom Grundstück der Klägerin abgewandten Westseiten der Bunker, wo diese durch Stahltore beschickt werden. Den vom Sprengstofflager in Richtung des Grundstücks der Klägerin einzuhaltenden Schutzabstand zu Wohneinheiten setzte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung (Punkt A Ziff. 2 bzw. Nebenbestimmung I.2) unter Bezug auf eine Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung - BAM - vom 24.04.1995 im Rahmen einer Ausnahme nach § 3 Abs. 2 der 2. SprengV mit 395 m fest. Die für die Einhaltung des Schutzabstands maßgebliche Stellungnahme der BAM berücksichtigte die im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich vorhandene Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin, wobei von einem eingehaltenen Abstand von 500 m ausgegangen wird. Mit Anzeige gemäß § 15 BImSchG vom 10.10.2005 verpflichtete sich die Beigeladene, die Menge der eingelagerten Explosivstoffe auf insgesamt 49.850 kg für die Lagerklassen 1.1, 1.3 und 1.4 zu begrenzen.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde im vereinfachten Verfahren erteilt und der Klägerin nicht zugestellt oder anderweitig bekannt gegeben.
Mit Schriftsatz vom 10.05.2004 (eingegangen am 11.05.2004) legte die Klägerin gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sie habe erst durch ein Schreiben der Gemeinde ... vom 19.04.2004 im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ Kenntnis von der der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangt. Mangels Bekanntgabe der Genehmigung an die Klägerin sei die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Zudem sei die Befugnis zur Einlegung des Widerspruchs nicht verwirkt, da es an besonderen Umständen fehle, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Die Klägerin habe weder erkannt noch erkennen müssen, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung der Sprengstoffbunker erteilt worden sei. Aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten habe die Klägerin nicht erkennen können, dass Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen durchgeführt worden seien. Die Grundstücke befänden sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft, auch sei bereits zum Zeitpunkt des Baus das Grundstück der Firma ... KG durch die in Dammlage verlaufende B ... sowie durch zahlreiche Obstbäume verdeckt worden. Der Baustellenverkehr sei über den vom Grundstück der Klägerin abgewandten ... Weg abgewickelt worden. Die Genehmigung sei unter Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG erteilt worden, da der nach Ziff. 2.1 der Anlage zum Anhang und Ziff. 3.2.2 Abs. 3 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV zu ermittelnde Schutzabstand von ca. 643 m nicht eingehalten sei. Entgegen der Annahme der Genehmigungsbehörde lägen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 3 Abs. 2 der 2. SprengV nicht vor. Der erforderliche Abstand zur Grenze des Bebauungsplanes bzw. zu der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze werde nicht eingehalten.
Die Beigeladene machte im Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 31.08.2005 geltend, der eingelegte Widerspruch sei wegen Verfristung und Verwirkung unzulässig. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zumindest kennen müssen. Zum Zeitpunkt des Baubeginns für das Sprengstofflager im November 1995 habe eine Sichtverbindung zwischen dem Grundstück der Beigeladenen und dem Grundstück der Klägerin bestanden, da die Obstbäume unbelaubt gewesen seien. Auch habe der Bau massive Erdaushubarbeiten, das Setzen der Fundamentplatten, Einschalen der Wände und Decken, Schalgerüste erstellen, Kranarbeiten sowie Einbau der Tresortüren durch den Kran, Betonieren von Bodenplatten vor dem Lager, Erdüberdeckung der Bunker sowie massive Aufschüttungen erfordert. Die Baumaßnahmen hätten sich von November 1995 bis September 1996 hingezogen. Während der gesamten Zeit habe ein Baukran mit 25 m Höhe auf dem Grundstück der Beigeladenen gestanden und sei deshalb sowohl vom Grundstück der Klägerin als auch von der Bundesstraße B 462 aus weithin sichtbar gewesen. Es seien enorme Betonmassen erforderlich gewesen, so dass die Anlieferung des Betons durch dreiachsige Betonmischer für das erforderliche Volumen allein 130 Fahrten verursacht habe. Daher habe einem durchschnittlichen Betrachter nicht entgangen sein können, dass auf dem Feldweg massive An- und Abfahrten von Betonmischfahrzeugen über einen längeren Zeitraum stattgefunden hätten. Darüber hinaus sei die Errichtung des Sprengstofflagers am 16.06.1995 im gemeinsamen Amtsblatt der Gemeinden ... und ... als Tagesordnungspunkt der Sitzung des Technischen Ausschusses bekannt gemacht worden. Schließlich habe auch der Betrieb des Sprengstofflagers einem durchschnittlichen Betrachter nicht entgehen können, da ein erheblicher Lkw-Fahrbetrieb zu dem Lager auf den Feldwegen stattgefunden habe. Der Anlieferverkehr betrage jährlich ca. 200 An- und Abfahrten über Feldwege. Ferner hätten spätestens im Jahre 2001 und 2003 die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter eigene Kenntnis von der Genehmigung und Existenz des Sprengstofflagers erlangen müssen. Denn zu diesem Zeitpunkt hätten sie in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde ... an der Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2015 bzw. der Bebauungsplanänderung mitgewirkt und Akteneinsicht in die Planungsakten gehabt bzw. beantragen können. In der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 26.01.2004 sei ausweislich des Protokolls auf das Sprengstofflager hingewiesen worden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 03.03.2004 an die Gemeinde ... habe die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen nochmals Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung der sprengstoffrechtlich erforderlichen Schutzabstände vorgebracht.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2006 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch der Klägerin als unzulässig zurück. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus, dass hier die einjährige Widerspruchsfrist mangels Bekanntgabe an die Klägerin zu dem Zeitpunkt zu laufen beginne, in dem sie von der erteilten Genehmigung Kenntnis erlangt habe oder hätte erlangen müssen. Im konkreten Fall habe die Frist nach Auffassung des Regierungspräsidiums bereits mit Erkennbarkeit der Aufnahme von Baumaßnahmen Ende November 1995 zu laufen begonnen. Das Betriebsgrundstück der Klägerin und das Grundstück der Beigeladenen hätten zwar keine gemeinsame Grenze; die kürzeste Entfernung zwischen den beiden Grundstücken betrage ca. 300 m. Aus den von der Beigeladenen vorgelegten Fotos zur Bauphase im Jahre 1995 ergebe sich jedoch, dass der Rechtsvorgängerin der Klägerin trotz der topographischen Gegebenheiten die Bautätigkeit für das Sprengstofflager nicht entgangen sein könne. Der auf der Baustelle aufgestellte ca. 25 m hohe Kran sowie die Anlieferung von großen Mengen Beton hätten insbesondere in der Winterzeit mangels Belaubung der zwischen den Grundstücken stehenden Bäume auffallen müssen. Hinzu komme, dass der sich an die Baumaßnahme anschließende Betrieb einem durchschnittlichen Betrachter nicht habe entgehen können, weil sich ein erheblicher Lkw-Fahrbetrieb zu dem Lager auf Feldwegen abgespielt habe. Ob die Klägerin im Rahmen der Flächennutzungsplanfortschreibung 2015 oder der Bebauungsplanänderung vor April 2004 von der Genehmigung erfahren habe, lasse sich nicht ermitteln und sei für die Entscheidung über den Widerspruch letztlich nicht entscheidend.
11 
Die Klägerin hat am 01.09.2006 Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und beantragt, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamtes ... vom 10.08.1995 für die Errichtung und den Betrieb des Sprengstofflagers auf den Grundstücken Flst.Nrn. ... und ... der Gemarkung ... in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 aufzuheben. Zur Begründung hat die Klägerin ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, das Regierungspräsidium überspanne die Anforderungen an die Erkundigungspflichten des Nachbarn im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis. Die bloße Erkennbarkeit von Baumaßnahmen reiche jedenfalls dann nicht aus, wenn diese in größerer Entfernung stattfänden und die aus der Nutzung des Grundstücks resultierenden Beeinträchtigungen nicht erkennbar seien. Die Widerspruchsbehörde verkenne, dass vom Grundstück der Klägerin aus die Baumaßnahmen zur Errichtung der Sprengstoffbunker nicht erkennbar gewesen seien. Dies werde bestätigt durch die von Mitarbeitern des Regierungspräsidiums Karlsruhe am 20.07.2005 durchgeführte Ortsbesichtigung. Die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums hätten in einem Aktenvermerk vom 04.08.2005 selbst festgehalten, dass das Lager von der Böschungsoberkante der Bundesstraße aus wegen des dichten Bewuchses nicht ausgemacht werden könne. Die Genehmigung sei rechtswidrig erteilt worden, da sie den Festsetzungen des Bebauungsplans aus dem Jahre 1983 widerspreche; ferner greife der Schutzabstand in die mit dem Bebauungsplan vom 20.05.2005 als Sondergebiet SO 1 „Spanplattenwerk“ festgesetzte Fläche ein. Die Errichtung ständiger Arbeitsplätze sei in diesem Bereich wegen des Schutzabstandes nicht mehr möglich. Die Beigeladene habe bereits im laufenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Änderung der von der Firma ... GmbH betriebenen Holzspanplattenfabrik unter Hinweis auf ihre eigene immissionsschutzrechtliche Genehmigung Einwendungen geltend gemacht.
12 
Mit Urteil vom 07.07.2009 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die streitgegenständliche Genehmigung sei in Bestandskraft erwachsen, da der Widerspruch der Klägerin verwirkt sei. Zwar sei die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht zugestellt worden, so dass die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht zur Anwendung gelange. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 25.01.1974 (IV C 2.72) und vom 28.08.1987 (4 N 3.86) aufgestellten Grundsätzen komme hier die Verwirkung des verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts und eine Unzulässigkeit des Widerspruchs nach Treu und Glauben in Betracht. Nach Überzeugung der Kammer sei davon auszugehen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin, deren Verhalten sich diese zurechnen lassen müsse, schon Ende November 1995 von den Bauarbeiten für das Sprengstofflager zuverlässige Kenntnis erlangen musste und deshalb für diese Anlass bestanden habe, sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen. Aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich, dass nicht nur ein als Einverständnis zu wertendes, sondern auch ein rein passives Verhalten des Nachbarn zur Verwirkung des Rechts zur Einlegung des Widerspruchs führen könne. Trotz der topographischen Gegebenheiten lasse sich aus den vorgelegten Fotos und der Erklärung des Mitarbeiters der Firma ... KG, Herrn ... ..., vom 17.08.2005 entnehmen, dass in der Winterzeit 1995/1996 massive Bauarbeiten stattgefunden hätten. Insbesondere der eingesetzte Baukran habe weithin sichtbar während der einjährigen Bauphase auf dem Grundstück gestanden, was der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht entgangen sein könne. Auch habe der Bau massive Erdaushubarbeiten und Erdbewegungen erfordert.
13 
Unerheblich sei, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin auch habe erkennen können, dass auf dem Grundstück der Beigeladenen ein Sprengstofflager mit 395 m weit reichenden Abstandserfordernissen verwirklicht werde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordere ein „Kennen müssen“ in diesem Zusammenhang lediglich, dass sich dem betroffenen Nachbarn das Vorliegen einer bau- bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung habe aufdrängen müssen und es ihm zumutbar gewesen sei, sich hierüber durch Anfrage bei dem Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Dagegen erfordere ein „Kennenmüssen“ nicht, dass die nachteilige Betroffenheit vom Nachbarn tatsächlich subjektiv erkannt worden sei. Es bestehe die Obliegenheit für Nachbarn, nach Kenntnis von Baumaßnahmen die tatsächliche nachbarliche Betroffenheit zu ermitteln. Dies wäre ebenso bei Zustellung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erforderlich gewesen. Ansonsten würden an das Merkmal des „Kennenmüssens“ derart hohe Anforderungen gestellt, dass diese praktisch nie nachweislich erfüllt wären. Dies gelte erst recht, wenn wie hier ein Bauvorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB errichtet werde, da dieser grundsätzlich von Bebauung freizuhalten sei. Daher habe die Klägerin - insbesondere auch aufgrund des Baukrans - nicht von einem gewöhnlichen Bauvorhaben ausgehen dürfen. Im Übrigen seien Vorhaben, die aufgrund ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich errichtet werden dürfen, grundsätzlich geeignet, im nachbarschaftlichen Verhältnis gesteigerte Konflikte auszulösen. Ferner handle es sich bei dem Betrieb der Klägerin selbst um ein Unternehmen, das erhebliche Immissionen mit sich bringe und daher das Konfliktpotential im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis verstärke. Aufgrund dieser Umstände sei hier die Klägerin in besonderem Maße gehalten gewesen, sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung für das Bauvorhaben auf dem Grundstück der Beigeladenen zu erkundigen. Nach alldem hätte die Rechtsvorgängerin der Klägerin, deren Verhalten sich diese zurechnen lassen müsse, bei Anwendung der notwendigen Sorgfalt bis spätestens zum Abschluss der Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen im September 1996 Kenntnis von der streitigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und deren Anfechtbarkeit erlangen müssen. Der Widerspruch der Klägerin sei jedoch nicht innerhalb eines Jahres, d. h. spätestens bis Ende September 1997 eingelegt worden, so dass die Genehmigung in Bestandskraft erwachsen sei.
14 
Mit Beschluss vom 07.12.2009 - der Klägerin zugestellt am 17.12.2009 - hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassen. Die Klägerin hat mit einem bei dem Verwaltungsgerichtshof am 05.03.2010 eingegangenen Schriftsatz die Berufung unter Stellung eines Antrages innerhalb der vom Senat bis zum 08.03.2010 verlängerten Frist begründet.
15 
Die Klägerin macht geltend, sie habe entgegen der entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichts weder bereits im Jahre 1995 Kenntnis von der Errichtung der Bunker erlangt noch die besonderen Auswirkungen dieses Vorhabens auf ihre eigene Rechtsstellung erkennen können. Vielmehr habe sie erst durch das Schreiben der Gemeinde ... vom 19.04.2004 im Rahmen des Änderungsverfahrens für den Bebauungsplan Kenntnis vom Vorhaben der Beigeladenen erhalten. Aufgrund der konkreten topographischen Gegebenheiten sei die Bauausführung im Jahre 1995/1996 vom Grundstück der Klägerin aus nicht wahrnehmbar gewesen. Beide Grundstücke seien mehr als 300 m entfernt; zwischen ihnen verlaufe die auf einem Damm geführte Bundesstraße B ... und lägen mit Obstbäumen bewachsene Flächen. Niedrige Bauwerke wie die einschließlich der Schornsteine weniger als 7 m hohen Sprengstoffbunker und die entsprechenden Baumaßnahmen würden durch die Obstbäume verdeckt; die Baufläche liege von dem Grundstück der Klägerin aus gesehen „im toten Winkel“ hinter dem Bundesstraßendamm.
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Das Verwaltungsgericht habe die konkreten topographischen Gegebenheiten verkannt und ohne Ortsbesichtigung oder sonstige Beweisaufnahme angenommen, dass der Baukran vom Grundstück der Klägerin aus sichtbar gewesen sei. Die vom Verwaltungsgericht entscheidungstragend herangezogene schriftliche Erklärung des Mitarbeiters der Beigeladenen, Herrn ... ..., stelle kein taugliches Beweismittel nach der Zivilprozessordnung dar. Dem Verwaltungsgericht habe sich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht die Einnahme eines Augenscheins oder die Vernehmung des Zeugen ... aufdrängen müssen. Ferner wiesen die Art der Bauarbeiten und das Aufstellen eines Krans auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht auf die Errichtung eines Sprengstofflagers mit besonderen Abstandserfordernissen hin. Auch ließen sich aus der Tatsache, dass das Bauvorhaben im Außenbereich gemäß § 35 BauGB errichtet worden sei, nicht weitreichende nachbarliche Beeinträchtigungen entnehmen. Denn es hätte sich ebenso um ein Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3, 5 und 6 BauGB ohne besonderes Konfliktpotential und tatsächliche Beeinträchtigungen für die Klägerin handeln können.
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Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sei es nach der in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich, dass der Nachbar die mit der Genehmigung verbundene subjektive Beeinträchtigung erkennen könne. Voraussetzung für eine Verwirkung sei das Erkennen und damit auch die Erkennbarkeit einer Beeinträchtigung durch das Bauvorhaben. Nur in diesem Falle treffe den Nachbarn die Obliegenheit, durch Anfrage beim Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde sich Gewissheit über das Vorliegen einer Baugenehmigung zu verschaffen. Im Übrigen sei der Nachbar nicht kraft Treu und Glaubens verpflichtet, jede Bautätigkeit in seiner Umgebung zu beobachten und zu allen ihm erkennbaren Bautätigkeiten vorsorglich Erkundigungen einzuholen. Selbst wenn die Klägerin Bauarbeiten wahrgenommen hätte, habe für sie keine Veranlassung bestanden, Erkundigungen über das Vorliegen einer Genehmigung einzuholen, da die konkrete Beeinträchtigung durch den Sprengstoffbunker und die daraus resultierenden Abstandserfordernisse nicht erkennbar gewesen sei.
18 
Die Klägerin sei mit ihrem Betriebsgrundstück nur deshalb Nachbar der Beigeladenen im baurechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Sinne, weil das Vorhaben der Beigeladenen besonders weitreichende Abstandsanforderungen nach sich ziehe. Das Nachbarschaftsverhältnis sei für die Klägerin jedoch nicht erkennbar gewesen, sodass ihr auch nach Treu und Glauben keine besonderen Erkundigungspflichten auferlegt werden könnten. Fehl gehe der Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass der Nachbar auch nach Zustellung der Genehmigung prüfen müsse, ob er subjektiv beeinträchtigt werde. Bei Zustellung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hätte die Klägerin als Nachbarin erkennen können, dass ein Sprengstoffbunker mit besonders weitreichenden Abstandsanforderungen errichtet werde. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts laufe darauf hinaus, dass die Klägerin im gesamten Einwirkungsbereich entsprechend Nr. 4.6.2.5 der TA Luft - hier also im Umkreis von 4 km - zur Beobachtung der Nachbarschaft und zur Nachfrage bei Behörden über das Bestehen etwaiger Baugenehmigungen verpflichtet werde. Das Verwaltungsgericht habe zudem nicht festgestellt, dass der Bauherr infolge der Untätigkeit auf den Bestand der Genehmigung vertrauen durfte, hierauf auch tatsächlich vertraut habe und sich daher durch Maßnahmen und Vorkehrungen so eingerichtet habe, dass ihm durch die verspätete Rechtsdurchsetzung ein unzumutbarer Nachteil entstehe. Die Ausführung des Bauvorhabens stehe mit dem Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung in keinem Kausalzusammenhang. Denn die Firma ... ... KG habe die Bauarbeiten unabhängig von der Haltung der Klägerin ausgeführt und das Vorhaben noch vor Ablauf der Jahresfrist für den Widerspruch fertiggestellt. Bereits aus diesem Grunde scheide eine Verwirkung des Widerspruchsrechts der Klägerin aus.
19 
Die zulässige Klage sei auch begründet, da die angefochtene Genehmigung gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG und § 17 SprengG verstoße. Zur Konkretisierung der nachbarschützenden Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG seien die Bestimmungen der 2. SprengV heranzuziehen, die auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Nr. 4 SprengG erlassen worden sei. Eine wesentliche Genehmigungsvoraussetzung sei nach der 2. SprengV die Einhaltung der erforderlichen Schutz- und Sicherheitsabstände. Gemäß Ziff. 3.2.2 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV müssten Lager von Wohnbereichen mindestens die in Anlage 3 der Verordnung genannten Schutzabstände einhalten. Die Bundesanstalt für Materialforschung habe auf dieser Grundlage in ihrer für die Genehmigung maßgeblichen Stellungnahme vom 24.04.1995 den Schutzabstand für das Sprengstofflager der Beigeladenen zu Wohnbereichen in östlicher Richtung zum Grundstück der Klägerin unter Annahme einer Ausnahme nach § 3 der 2. SprengV mit 395 m festgesetzt. Der in der Genehmigung festgesetzte Schutzabstand von 395 m reiche jedoch auf das Grundstück der Klägerin und schränke dort die maßgebliche durch den Bebauungsplan festgesetzte Nutzbarkeit ein. Unzumutbar und damit erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG seien die Immissionen und sonstigen Gefahren, die mit den für den Einwirkungsort geltenden Festsetzungen des Bebauungsplans im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung unvereinbar seien.
20 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums komme es deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin das Grundstück bei Erteilung der angefochtenen Genehmigung bzw. im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut und genutzt habe. Denn mit Inkrafttreten des Bebauungsplans habe die Klägerin das Recht erlangt, von den Festsetzungen des Bebauungsplans Gebrauch zu machen. Auf dieses durch den Bebauungsplan begründete Nutzungsrecht habe die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Rücksicht zu nehmen. Der bei Erteilung der angefochtenen Genehmigung rechtsverbindliche maßgebliche Bebauungsplan „...“ vom 19.07.1983 habe für den westlichen Teil des Baugrundstücks der Klägerin, welcher innerhalb des festgelegten Schutzabstandes liege, ein Industriegebiet festgesetzt. Damit sei die Errichtung von Industriegebäuden mit ständigen Arbeitsplätzen zulässig; die Festsetzung begründe einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung von Vorhaben, welche die Verwirklichung der im Industriegebiet zulässigen Nutzungen gefährdeten bzw. unmöglich machten. Nichts anderes gelte im Ergebnis, wenn man auf den mit Wirkung zum 20.05.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ abstelle, welcher für den maßgeblichen Bereich ein Sondergebiet „Spanplattenwerk“ festsetze. Auch die nach den Festsetzungen dieses Bebauungsplans zulässigen Nutzungen könnten bei Einhaltung des Schutzabstands nur ohne Einrichtung ständiger Arbeitsplätze verwirklicht werden. Eine dem Bebauungsplan entsprechende bestimmungsgemäße Nutzung sei dadurch ausgeschlossen. Davon gehe im Übrigen auch die Beigeladene aus, welche im beantragten Änderungsgenehmigungsverfahren für die Spanplattenfabrik mit Schreiben vom 18.09.2006 Einwendungen unter Hinweis auf die Anforderungen der 2. SprengV geltend gemacht habe. Schließlich werde der Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 17 SprengG nicht durch den Hinweis im Bebauungsplan vom 20.05.2005 im Abschnitt C Ziff. 7 „Schutzmaßnahmen gegen Explosivstoffe“ ausgeräumt. Schon nach dem Wortlaut handle es sich lediglich um einen Hinweis des Plangebers, nicht um eine rechtsverbindliche Festsetzung des Bebauungsplans. Daher modifiziere der Hinweis weder die festgesetzten Baugrenzen noch die überbaubaren Grundstücksflächen sowie die dort zulässige Art der Nutzung. Rechtliche Bedeutung könne der Hinweis allenfalls bei Anwendung von § 15 BauNVO haben, was belege, dass die angefochtene Genehmigung die Ausnutzung der Festsetzungen des Bebauungsplans vom 20.05.2005 gefährde.
21 
Die Klägerin beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - zu ändern und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 10.08.1995 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 aufzuheben.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend unter Würdigung der konkreten örtlichen Verhältnisse davon ausgegangen, dass die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgänger Kenntnis von den Baumaßnahmen hätten erlangen müssen. Die von dem Regierungspräsidium durchgeführte Ortsbesichtigung habe im Sommer stattgefunden und lasse entgegen der Auffassung der Klägerin keine Rückschlüsse auf die Sichtverhältnisse in der maßgeblichen Bauphase im Winter 1995/1996 zu. Ferner könne das fertig gestellte Bauwerk nicht mit der Erkennbarkeit eines 25 m hohen Krans gleichgestellt werden. Es sei einem Nachbarn zuzumuten, ein Vorhaben nach Kenntnisnahme der Baumaßnahme im Hinblick auf die nachbarliche Betroffenheit zu prüfen und sich über das Vorliegen von Beeinträchtigungen und ihre Qualität zu erkundigen. Gerade aufgrund einer möglichen Verschärfung der im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis angelegten Konfliktsituation zweier immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Betriebe hätten sich der Klägerin Erkundigungen aufdrängen müssen. Ansonsten könnten im Verfahren nach § 19 BImSchG erteilte Genehmigungen keine Bestandskraft erlangen, da für alle im Einwirkungsbereich Betroffenen eine eigene Widerspruchsfrist liefe. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe nicht zu einer allgemeinen Belastung von Nachbarn im Umkreis von mehreren Kilometern, Nachforschungen über die bestehenden Genehmigungen anzustellen, denn das Verwaltungsgericht habe sich mit den konkreten Umständen des Einzelfalles auseinandergesetzt. Der Firma ... ... ... als Rechtsvorgängerin der Klägerin sei aus Anlass verschiedener Gespräche bei der Gemeinde ..., die sie im eigenen Interesse zum Erhalt einer direkten Betriebszufahrt geführt habe, bekannt gewesen, dass das Sprengstofflager der Beigeladenen zum Ausbau der Bundesstraße B ... verlegt werden müsse. Die Firma ... ... ... sei über die Vorgänge informiert gewesen, habe jedoch damals keine Notwendigkeit zum störungspräventiven Vorgehen gegen das Vorhaben der Beigeladenen gesehen; dieses Unterlassen müsse sich die Klägerin als Rechtsnachfolgerin zurechnen lassen. Unerheblich sei deshalb, dass die Klägerin ihre subjektive Betroffenheit durch die Genehmigung erst im Mai 2004 erkannt habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da die Genehmigung der Sprengstoffbunker nicht rechtswidrig erfolgt sei. In dem Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 sei in Abschnitt C auf den erforderlichen Schutzabstand hingewiesen worden. Eine Beeinträchtigung der Klägerin scheide ferner deswegen aus, weil ihr Grundstück seit jeher situationsvorbelastet durch die vormalige Sprengstofflageranlage im Gewann „... ...“ gewesen sei.
26 
Die Beigeladene beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren, wonach die Klägerin bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt Kenntnis von den Baumaßnahmen und der erteilten Genehmigung hätte haben müssen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Klägerin als Grundstückseigentümerin auch von einer etwa rechtswidrigen Genehmigung nicht subjektiv-rechtlich betroffen sei. In eigenen Rechten verletzt könne allenfalls die Firma ... GmbH als Rechtsnachfolgerin der Firma ... ... ... sein, da sie Inhaberin der entsprechenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zum Betrieb des Spanplattenwerkes sei. Im Übrigen müsse sich die Klägerin das Nichtstun ihrer Rechtsvorgängerin zurechnen lassen. Ferner habe die Gemeinde ... auf Initiative der Klägerin den bisher gültigen Bebauungsplan „...“ durch den neuen Bebauungsplan vom 20.05.2005 ersetzt, welcher unter Abschnitt C „Hinweise“ Schutzmaßnahmen gegen Explosivstoffe vorsehe. Durch diese Planänderung und Planaufhebung seien möglicherweise vorher bestehende schützenswerte Rechtspositionen der Klägerin unwirksam geworden, so dass der alte Bebauungsplan „...“ keine Auswirkungen auf das Ergebnis der gerichtlichen Prüfung entfalten könne. Im Übrigen scheide eine Beeinträchtigung der Klägerin als Grundstückseigentümerin durch die geltend gemachten Schutzabstände aus, da die Ausnutzbarkeit des Grundstücks nach Stellungnahme der sachkundigen Bundesanstalt für Materialforschung nicht eingeschränkt werde.
29 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten sowie eine Ausfertigung des Bebauungsplans „...“ und des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ der Gemeinde ... vor. Der Senat hat die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum ergänzenden Planfeststellungsverfahren über den vierspurigen Ausbau der B ... zwischen ... und dem Anschluss an die BAB 5 beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
30 
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2011 einen Augenschein auf dem Grundstück der Klägerin und dem der Beigeladenen zur Klärung der Sichtbeziehungen eingenommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Niederschrift sowie ergänzend auf die gefertigten Lichtbilder verwiesen. Ferner hat der Senat in der weiteren mündlichen Verhandlung am 14.05.2012 den Bürgermeister der Gemeinde ..., Herrn ... ..., als Zeugen vernommen; wegen der dabei getätigten Angaben wird auf die Anlage zur Niederschrift über diese Sitzung verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
31 
Die von dem Senat wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassene Berufung der Klägerin ist innerhalb der bis zum 08.03.2010 verlängerten Frist begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 VwGO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat darüber hinaus in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klage zulässig (dazu unter 1.) und begründet (dazu unter 2.).
32 
1.1 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 nicht bereits deshalb in Bestandskraft erwachsen ist, weil erstmals am 11.05.2004 hiergegen Widerspruch eingelegt wurde und deshalb die Frist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht gewahrt ist. Die streitgegenständliche Genehmigung wurde im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt, so dass eine förmliche Zustellung gemäß § 10 Abs. 7 BImSchG an Dritte und eine anderweitige förmliche Bekanntgabe der Genehmigung durch die Behörde an die Klägerin unterblieben ist. Demzufolge wurde die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht in Gang gesetzt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass im Jahre 1995 eine Bekanntgabe der Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erfolgte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Bekanntgabe einer Baugenehmigung - nichts anderes gilt für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung - an den Bauherrn als ihren Adressaten nicht zugleich die Rechtsbehelfsfristen auch für den Nachbarn als beteiligten Nichtadressaten in Lauf (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 14.02.1969 - IV C 82.66 - DVBl. 1969, 362; sowie Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294). Zu Recht weist die Klägerin im Übrigen darauf hin, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 41 LVwVfG den Willen der Behörde voraussetzt, den Bescheid dem Bekanntgabeadressaten zur Kenntnis zu bringen; zufällige Kenntnisnahme, etwa der Nachbarn auf Grund Information seitens des Bauherrn, reicht regelmäßig nicht aus (vgl. hierzu Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., RdNr. 4 zu § 70 VwGO). Daher stellt auch das Schreiben der Gemeinde ... an die Klägerin vom 19.04.2004 keine Bekanntgabe der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dar.
33 
1.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führt auch der den Bestimmungen der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO zu entnehmende Rechtsgedanke hier nicht zur Bestandskraft der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
34 
1.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Widerspruchsfrist regelmäßig nach den Vorschriften der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182). Die vom Bundesverwaltungsgericht ursprünglich für das Baurecht bei unmittelbar benachbarten Grundstücken entwickelten Grundsätze werden aus dem zwischen Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist, hergeleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.). Dieses verpflichtet den Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen möglichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten; der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat.
35 
Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass diese Grundsätze für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gleichermaßen Geltung beanspruchen, da auch das Immissionsschutzrecht von einem Raumbezug geprägt ist und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 Satz 1 BImSchG im Rahmen der materiellen Konzentrationswirkung die Baugenehmigung ersetzt.
36 
Nach dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO ist der Nachbar regelmäßig so zu behandeln, als ob ihm die Genehmigung ohne Rechtsbehelfsbelehrung amtlich bekannt gemacht worden wäre. Es läuft daher grundsätzlich eine Widerspruchsfrist von einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Nachbar sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87). Maßgeblich ist dabei nicht das Erkennen, sondern die Erkennbarkeit der Genehmigung bzw. der hierdurch verursachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und dem Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Kenntnisnahme ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen hat (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - juris).
37 
1.2.2 Zutreffend weist die Klägerin aber darauf hin, dass sich die Kenntnis bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beziehen muss, sondern es auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn ankommt. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht in entscheidungstragender Weise unter Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 06.10.2005 - M 11 K 04.2630 - juris) davon aus, dass allein auf die Kenntnisnahme bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Baugenehmigung abzustellen ist, unabhängig davon, ob der Nachbar seine nachteilige Beeinträchtigung bei Ausnutzung der Genehmigung erkannt hat oder diese hätte erkennen müssen. Dies ergibt sich bereits mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut der herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, daneben aber auch aus den Ableitungszusammenhängen der oben dargestellten Rechtsprechung.
38 
So hebt das Bundesverwaltungsgericht in seinem grundlegenden Urteil vom 25.01.1974 (IV C 2.72 - a.a.O. - RdNr. 24 des Urteilsabdrucks bei juris) ausdrücklich auf ein Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen durch den Nachbarn ab. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind. Dafür spricht auch das Leitbild des § 58 Abs. 2 VwGO, da dem Nachbarn im dort ausdrücklich geregelten Fall die Baugenehmigung wegen der erfolgten Bekanntgabe vorliegt, wenn auch ohne die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung. Fehl geht die vom Verwaltungsgericht angestellte Erwägung, dass der Nachbar bei Bekanntgabe der Genehmigung ebenfalls innerhalb der Jahresfrist Widerspruch einlegen muss, auch wenn er seine subjektive Beeinträchtigung daraus nicht erkennen kann. Das Verwaltungsgericht übersieht dabei, dass die Position des Nachbarn bei Bekanntgabe der Genehmigung deutlich besser als im hier in Rede stehenden Fall ist. Zum einen ist bereits die bloße förmliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mit einer gewissen Warnfunktion verbunden und gibt dem Mitteilungsempfänger Anlass, sich über eine hierdurch etwa ausgelöste nachteilige Betroffenheit zu informieren. Zum anderen kann - wie gerade auch der Inhalt der hier erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zeigt - der Nachbar aus der Begründung regelmäßig ohne großen Aufwand seine potentielle Beeinträchtigung unschwer erkennen.
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Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht erforderlich, dass der Nachbar die negative Beeinträchtigung tatsächlich erkannt hat; es genügt ebenfalls das „Kennenmüssen“. Davon ist zum einen auszugehen, wenn sich das Vorliegen der Genehmigung (einschließlich der subjektiven Beeinträchtigung) aufdrängt. Ferner ist ausreichend, wenn es dem Nachbarn möglich und zumutbar war, sich über diese Umstände Gewissheit zu verschaffen, etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder der Behörde (vgl. näher Dolde/Porsch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Ergänzungslieferung April 2006, RdNr. 21 zu § 70 VwGO). Der Umfang der einem Nachbarn obliegenden Sorgfaltsanforderungen lässt sich dabei nicht abstrakt ermitteln. Insbesondere lässt sich ein Maßstab für die Ermittlungspflichten des Nachbarn nicht den Bestimmungen der §§ 58 Abs. 2, 70 VwGO entnehmen. Zwar läuft einerseits bei einer Bekanntgabe ohne Rechtsbehelfsbelehrung (d.h. bei Kenntnis von der Beeinträchtigung) eine Rechtsmittelfrist von einem Jahr, während andererseits dem Nachbarn trotz fehlender Kenntnis von der subjektiven Beeinträchtigung ebenfalls eine Jahresfrist eingeräumt und zudem die Erkundigung und Ermittlung vorausgesetzt wird. Dies gebietet es jedoch nicht zwingend, die Anforderungen an die Ermittlungspflicht generell gering anzusetzen. Denn die Einjahresfrist markiert im Rechtsbehelfsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich - abgesehen von Unmöglichkeit der Rechtsbehelfseinlegung - eine absolute Grenze, vgl. §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3, 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Somit kann dieser Zeitraum in jedem Fall sachgerecht auf Drittwidersprüche übertragen werden. Da die Verwaltungsgerichtsordnung den Fall des Nachbarwiderspruchs nicht regelt, muss es vielmehr maßgeblich auf die Herleitung der Rechtsgrundsätze aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ankommen. Daraus folgt, dass auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen ist und sich der Umfang der Treuepflicht nach den jeweiligen rechtlichen und tatsächlichen Umständen richtet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - a.a.O.; sowie vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Wann ein Nachbar Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, hängt deshalb allein von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und ist aufgrund einer umfassenden Sachverhaltswürdigung zu beurteilen. Dabei ist maßgeblich auf die Sicht des Nachbarn abzuheben, lediglich untergeordnet kann auf die Interessen des Bauherrn abgestellt werden. Eine Ermittlungspflicht des Nachbarn besteht etwa, wenn sich eine Beeinträchtigung anhand des sichtbaren Baugeschehens aufdrängt. Ferner besteht eine Ermittlungspflicht, wenn eine Beeinträchtigung des Nachbarn aufgrund der Nutzung des eigenen Grundstücks wahrscheinlich ist. Je einfacher Informationen über das Bauvorhaben zugänglich sind, desto eher ist dem Nachbarn die Erkundigung zuzumuten. So hat die Rechtsprechung es teilweise ausreichen lassen, dass der Nachbar durch eine Mitteilung über die Erteilung der Baugenehmigung und den sichtbaren Beginn der Bauarbeiten Kenntnis über einen möglichen Eingriff in die zu schützende Rechtspositionen erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C.89 - a.a.O.). Auch bei deutlich wahrnehmbaren Bauarbeiten solle es Anlass geben, der Frage nach der eigenen Beeinträchtigung nachzugehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - a.a.O; ebenso OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - LKV 2001, 466).
41 
1.2.3 Entgegen der Auffassung der Berufung ist für den Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, außer der Untätigkeit des Nachbarn kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich; unerheblich ist mithin, ob der Bauherr ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und dieses schutzwürdig ist. Hierfür spricht bereits, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - anders als in der Kommentarliteratur häufig behauptet - streng zwischen dem Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen auf der einen Seite und der Verwirkung des Widerspruchsrechts oder gar des materiellen Abwehranspruchs auf der andern Seite unterscheidet (so ausdrücklich bereits BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; ferner Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 77; Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Der Verlust des verfahrensmäßigen Rechts aufgrund von Zeitablauf und die Verwirkung des Widerspruchsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit des Widerspruchs), auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen. So kommt eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nach den Umständen des Einzelfalles auch bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Betracht; eine Verwirkung hat jedoch zusätzlich zur Voraussetzung, dass der Genehmigungsempfänger aus aktivem Tun des Nachbarn oder einer ihm gleichzusetzenden Duldung auf dessen Einverständnis schließen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin können diese vom Bundesverwaltungsgericht für die Verwirkung aufgestellten zusätzlichen Anforderungen an die Vertrauensbetätigung des Bauherrn nicht auf die hier in Rede stehende Problematik der entsprechenden Anwendung von §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO übertragen werden. Gegenteiliges kann insbesondere nicht dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.1991 (4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182) entnommen werden; die von der Klägerin herangezogenen Passagen des Urteils beziehen sich nach ihrer systematischen Stellung eindeutig auf die Verwirkung des materiellen nachbarlichen Abwehrrechts. Die Auffassung der Klägerin beruht auf einer Vermischung der Voraussetzungen für Verlust des Widerspruchsrechts allein aufgrund von Zeitablauf in entsprechender Anwendung von §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO und den Voraussetzungen für eine Verwirkung entweder des verfahrensmäßigen Widerspruchsrechts oder des nachbarlichen Abwehranspruchs. Sie hätte darüber hinaus zur Folge, dass es kaum jemals zum Verlust des Widerspruchsrechts des Nachbarn kommen könnte. Denn die Berufung will dem Nachbarn in entsprechender Anwendung von § 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsmöglichkeit binnen Jahresfrist ab Erkennbarkeit der Baumaßnahmen einräumen und fordert darüber hinaus, dass der Bauherr gerade aufgrund der Untätigkeit des Nachbarn ein entsprechendes Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung entwickelt und auch betätigt hat, mithin die Untätigkeit des Nachbarn kausal für den Baufortschritt sein muss. Wie jedoch der vorliegende Fall zeigt, kann binnen eines Jahres auch ein umfangreiches Bauvorhaben fertiggestellt sein.
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1.2.4 Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Widerspruch der Klägerin nicht verfristet. Es steht aufgrund der durchgeführten Beweiserhebungen durch Einnahme eines Augenscheins sowie durch Zeugenvernehmung des Bürgermeisters der Gemeinde ... fest, dass die Klägerin erstmals im April 2004 Kenntnis von der Beeinträchtigung durch das genehmigte Sprengstofflager erlangt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen musste die Klägerin auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt im oben dargestellten Sinne nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der erteilten Genehmigung und der durch ihre Ausnutzung eintretenden Beeinträchtigungen erlangen.
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1.2.4.1 Fehl geht die Auffassung der Beigeladenen, dass die Klägerin bereits vor Beginn der Baumaßnahmen im Jahre 1995 Kenntnis von der geplanten Errichtung der Bunkeranlage erlangt habe bzw. hätte erlangen müssen. Wie oben näher dargestellt, setzt die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ebenso wie die verfahrensrechtliche Verwirkung voraus, dass zuvor eine Genehmigung erteilt worden ist. Die maßgebliche Jahresfrist kann deshalb erst mit Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen am 10.08.1995 zu laufen beginnen. Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage einer Kenntniserlangung der Klägerin bereits im Jahre 1993 unter Hinweis auf einen Aktenvermerk des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23.09.1993 stellt sich deshalb nicht. Im Übrigen weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sich diesem Aktenvermerk (Anlage A 9 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 31.08.2005 im Widerspruchsverfahren) keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass Vertreter oder Mitarbeiter der Klägerin an der maßgeblichen Besprechung teilgenommen haben. Aus zeitlichen Gründen kann auch nicht auf die Veröffentlichung im gemeinsamen Mitteilungsblatt der Gemeinden ... und ... vom 16.06.1995 abgehoben werden, in der unter Ziff. 13 auf eine Sitzung des Technischen Ausschusses in ... zur Behandlung eines Antrags auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Sprengstoffbunkers auf den maßgeblichen Flurstücken ... und ... im Gewann ... hingewiesen wurde. Auch diese Sitzung fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Genehmigung noch nicht erteilt war und noch nicht über die Genehmigungsvoraussetzungen entschieden worden ist. Allenfalls bot diese amtliche Mitteilung im Zusammenhang mit weiteren tatsächlichen Gesichtspunkten Anlass, sich bei der veröffentlichenden Gemeinde oder der zuständigen Immissionsschutzbehörde über den weiteren Verlauf des Verfahrens und eine etwa in der Erteilung befindliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erkundigen (vgl. zur Relevanz von Pressemitteilungen auch OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - a.a.O.). Dies setzt jedoch voraus, dass die Klägerin aufgrund tatsächlicher Wahrnehmung von Baumaßnahmen Anlass gehabt hätte, weitergehende Erkundigungen zu einer etwa erteilten Genehmigung und deren Umfang anzustellen.
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1.2.4.2 Aufgrund der durchgeführten Beweiserhebung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin auch nicht mit Baubeginn des Bunkers im November 1995 von der erteilten Genehmigung und deren Auswirkungen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Bei der nach dem oben Gesagten anzustellenden umfassenden Sachverhaltswürdigung ist aus der Sphäre des Bauherrn in erster Linie die Wahrnehmbarkeit des Baugeschehens zu berücksichtigen. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen befinden sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft; sie sind durch die B ... und eine Ansammlung von Laubbäumen voneinander getrennt. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2011 durchgeführten Augenscheins steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bereits zu Beginn der Baumaßnahmen in der 48. Kalenderwoche des Jahres 1995 nur eine sehr eingeschränkte Sichtverbindung zwischen dem Grundstück der Klägerin und dem Baugrundstück der Beigeladenen bestand, so dass die eigentlichen Baumaßnahmen und der Baufortschritt nicht zu erkennen waren. Wie im Termin am 15.11.2011 festgestellt und zwischen den Beteiligten im Einzelnen nicht mehr umstritten, bestand von der Geländeoberfläche des Grundstücks der Klägerin zum Zeitpunkt des Augenscheins keine Sichtbeziehung zum auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten Sprengstoffbunker. Selbst in direkter Blickrichtung vom Betriebsgelände der Klägerin in Richtung Westen war der Sprengstoffbunker nicht zu sehen, da die dazwischenliegenden Grundstücke jenseits der Bundesstraße mit hochstämmigen Streuobstbäumen sowie mit Büschen bepflanzt sind; die Streuobstbäume und Büsche waren zu diesem Zeitpunkt nur noch gering belaubt. Diese Sichtbeziehungen waren auch zum maßgeblichen Zeitpunkt im November 1995 nicht wesentlich anders. Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Streuobstbäume zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihre heutige Höhe erreicht haben dürften. Angesichts des Alters dieser Bäume von mehreren Jahrzehnten kann jedoch von ähnlichen Sichtverhältnissen ausgegangen werden, zumal die Sichtbeeinträchtigung bereits durch die Vielzahl der Baumstämme und nicht durch die konkrete Höhe der Bäume bedingt war. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Bundesstraße ... in ihrer heutigen Gestalt erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt im Jahre 1995 fertiggestellt wurde. Zum einen ist die erst später vierspurig ausgebaute Bundesstraße auch im Herbst 1995 bereits in Dammlage verlaufen. Dies lässt sich etwa den vom Regierungspräsidium im Widerspruchsverfahren eingeholten Querschnitten der Straßenbauverwaltung und den vom Senat beigezogenen Planfeststellungsakten entnehmen. Im Übrigen lässt sich die damalige Straßenführung auch anhand des von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 21.11.2005 vorgelegten Lichtbildes Nr. 4 nachvollziehen. Unabhängig hiervon ist die konkrete Trassenlage der B ... und die Frage einer Führung in Dammlage für die Sichtbeziehungen nicht erheblich, da der Sprengstoffbunker bei dem Augenschein selbst von dem Höhenniveau der Bundesstraße aus nicht zu erkennen war.
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Aufgrund des bei dem Augenschein gewonnenen Eindruckes und der von der Beigeladenen vorgelegten Lichtbilder steht deshalb fest, dass während der einjährigen Bauphase im wesentlichen lediglich der auf dem Grundstück der Beigeladenen aufstehende Kran zu sehen gewesen ist. Ferner spricht vieles dafür, dass vom Grundstück der Klägerin aus der Anfahrtsverkehr zur Baustelle, insbesondere die Anlieferung von Beton, wahrnehmbar war. Wie die Beigeladene unwidersprochen vorträgt, wurden auf dem dem Grundstück der Klägerin zugewandten ... Weg insgesamt 130 Fahrten mit Betonmischfahrzeugen abgewickelt; diese dürften vom Grundstück der Klägerin aus - wenn auch nur eingeschränkt - wahrnehmbar gewesen sein. Diese während der Bauphase bestehenden Beobachtungsmöglichkeiten führen entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde und der Beigeladenen nicht dazu, von einer fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin auszugehen. Zum einen ist die Anstoßwirkung dieser Maßnahmen hier aufgrund der konkreten topographischen Verhältnisse bereits deshalb erheblich reduziert, weil vom Grundstück der Klägerin aus gesehen nicht auszuschließen war, dass der Kran und der Baustellenverkehr von einer etwaigen Baustelle im südwestlich gelegenen Industriegebiet von ... herrührten. Zum anderen lassen sich aus den genannten Umständen nicht ausreichende Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung der Klägerin entnehmen. Die Masse des angelieferten Betons und die einjährige Benutzung eines üblichen Baukrans deuten allerdings auf ein ungewöhnlich großes Bauvorhaben hin. Da sich das Baugrundstück zudem im Außenbereich befindet, war es aus Sicht des Nachbarn naheliegend, dass ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 BauGB mit potenziell weitgehenden Beeinträchtigungen der Nachbarschaft errichtet wird. All diese Umstände geboten jedoch auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt für die Klägerin nicht den Schluss, dass ein immissionsschutzrechtlich genehmigter Sprengstoffbunker mit mehreren 100 Meter weit reichenden Abstandserfordernissen errichtet wurde. Je weniger ein Vorhaben dem üblichen Erwartungshorizont entspricht, d.h. je exotischer der verfolgte Nutzungszweck ist und je ungewöhnlicher das Ausmaß der Abstandsanforderungen an die Nachbarschaft sind, um so höher sind die Anforderungen an die Annahme anzusetzen, der von dem Vorhaben Betroffene müsste sich gleichwohl von sich aus die Kenntnis von der Natur des Vorhabens verschaffen. Von daher liegt es ungeachtet der grundsätzlichen Zulässigkeit der Genehmigungserteilung im vereinfachten Verfahren im wohlverstandenen eigenen Interesse der Genehmigungsbehörde und des Vorhabenträgers zur Vermeidung etwaiger - wie hier - erst viel später auftretender Konflikte um die Bestandskraft der Genehmigung jedenfalls die erkennbar unmittelbar betroffene Nachbarschaft über das Vorhaben zu informieren. Dem entspricht auf Seiten der Nachbarschaft eine gewisse berechtigte Erwartung einer wenigstens formlosen Unterrichtung über ein solches Vorhaben. Deshalb durfte die Klägerin gerade auch aufgrund des Umstandes, dass sie im Genehmigungsverfahren weder förmlich beteiligt noch angehört wurde, davon ausgehen, dass etwa wahrgenommene Baumaßnahmen sie nicht in eigenen Belangen tangieren können.
47 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Errichtung des Sprengstoffbunkers jedenfalls von den höher gelegenen Betriebseinrichtungen auf dem Grundstück der Klägerin zu erkennen gewesen sein dürfte. Zum Zeitpunkt der Augenscheinseinnahme im Jahre 2011 war der Bunker ab einem Höhenniveau von etwa 15 m zu erkennen; zur Zeit der Errichtung dürfte die Erkennbarkeit eher noch besser gewesen sein. Zwar bestand nach dem Vortrag der Klägerin eine vergleichbare Möglichkeit zur Begehung von Betriebseinrichtungen auch bereits im Jahre 1995. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, der mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang steht, werden derartige hochgelegenen Betriebseinrichtungen jedoch lediglich in größeren Intervallen von untergeordnetem technischen Personal betreten, woraus keine Erkenntnismöglichkeit für die maßgeblichen Bediensteten und insbesondere die vertretungsberechtigten Organe der Klägerin hergeleitet werden kann.
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1.2.4.3 Aus ähnlichen Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin auch nicht mit Beginn des Betriebs des Sprengstofflagers im Herbst 1996 Kenntnis von der Genehmigung erlangt hat bzw. diese hätte erlangen müssen. Zwar wurden die Aufschüttungen der Bunkerwände erst im November 1996 besät, so dass bei Aufnahme des Betriebs die später gewachsene Begrünung die Sicht auf den Bunker wohl noch nicht verdeckt haben dürfte und die hellen Bunkerwände deutlicher als zum Zeitpunkt des Augenscheins in Erscheinung getreten sind. Zudem liefern nach dem Vortrag der Beigeladenen rote bzw. orangefarbene Lastwagen die eingelagerten Sprengstoffe mit jährlich ca. 200 An- und Abfahrten an. Da aber die vorhandenen Bauten maximal eine Höhe von ca. 5 m erreichen, sind die Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter aus Sicht der Klägerin geringer als während der Bauphase. Auch verläuft der für die An- und Abfahrten genutzte ... Weg vom Grundstück der Klägerin aus gesehen weitgehend verdeckt durch die Bäume der Streuobstwiese bzw. durch die in Dammlage geführte B ... Daraus folgt, dass für den Betrieb des Sprengstofflagers erst recht nicht von der Kenntnis der Klägerin ausgegangen werden kann, wenn das Kennenmüssen für die Bauphase wie oben verneint wird.
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1.2.4.4 Zu Unrecht geht die Beigeladene davon aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung im Planfeststellungsverfahren zur Erweiterung der B ... Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bzw. dem Sprengstofflager erlangt hat. Den vom Senat beigezogenen Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum ergänzenden Planfeststellungsverfahren über den vierspurigen Ausbau der B ... zwischen ... und dem Anschluss an die BAB 5 lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Behauptung der Beigeladenen entnehmen, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang Kenntnis von dem neuen Standort des Bunkers erlangt haben könnte. Ausweislich der Planfeststellungsakten kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin aktiv am Verfahren beteiligt oder Einsicht in die entsprechenden Unterlagen genommen hat. Im Übrigen lässt sich den Planfeststellungsakten lediglich entnehmen, dass die neu geplante Trassenführung Flächen des ursprünglichen Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ in Anspruch nimmt, ohne dass freilich in den Vorgängen der ins Auge gefasste neue Standort des Bunkers erwähnt wird. Weitergehende Anhaltspunkte für eine Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... ließen sich auch nicht durch die in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2012 durchgeführte Befragung des Bürgermeisters der Gemeinde ..., Herrn ... ..., als Zeugen gewinnen. Vielmehr ließ sich der Zeuge in jeder Hinsicht glaubhaft und nachvollziehbar dahingehend ein, dass er im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... zwar mehrfach Gespräche mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der Klägerin geführt habe. Im Mittelpunkt dieser Gespräche habe jedoch das von der Gemeinde verfolgte Anliegen gestanden, eine neue Nordzufahrt zu dem Grundstück der Klägerin zu schaffen, wogegen die Klägerin vor allem aus erschließungsbeitragsrechtlichen Gründen Einwände erhoben habe. Zwar habe er in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Verlegung des bestehenden Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ am Rande hingewiesen; er könne jedoch mit hoher Sicherheit ausschließen, dass er gegenüber Organen oder Mitarbeitern der Klägerin den Zielstandort erwähnt habe. Ebenso führte der Zeuge überzeugend aus, dass in der öffentlichen Diskussion in ... zum fraglichen Zeitpunkt die Verlegung des Sprengstoffbunkers keine bedeutende Rolle gespielt habe, nicht zuletzt in Anbetracht wesentlich öffentlichkeitswirksamerer raum- und umweltbezogener Vorhabenplanungen.
50 
1.2.4.5 Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass Organe bzw. Mitarbeiter der Klägerin oder der Firma ... ... ... aufgrund der Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der Gemeinde ... vom 04.11.1996 Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangt haben. Den vorliegenden Behördenakten lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags das in der Vergangenheit genehmigte Sprengstofflager eine Rolle gespielt hat. Dies wurde durch die Zeugenvernehmung des Bürgermeisters ... in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Zeuge hat sich auch in diesem Zusammenhang glaubhaft dahingehend eingelassen, dass er gegenüber Organen und Mitarbeitern der Firma ... ... ... lediglich auf die Notwendigkeit einer Verlegung des Sprengstofflagers hingewiesen, nicht aber dessen neuen Standort thematisiert habe. Im Übrigen hat auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der diese bereits damals bei den Vertragsverhandlungen vertreten hat, versichert, dass ihm gegenüber die Existenz der Genehmigungen nicht erwähnt worden sei. Diese Versicherung des Prozessbevollmächtigten steht dabei nicht im Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen ..., da dieser glaubhaft angegeben hat, dass der Prozessbevollmächtigte an den ersten Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht beteiligt gewesen sei. Da der Senat von der Richtigkeit der Erklärungen des Prozessbevollmächtigten überzeugt ist, war dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag auf Zeugenvernehmung nicht mehr nachzugehen.
51 
1.2.4.6 Auch kann entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Mitwirkung im Verfahren über die Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ sowie über die parallele Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2015 ... ... ... im Jahre 2001 von dem Sprengstofflager und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 10.08.1995 Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Insbesondere das von der Beigeladenen erwähnte Einwendungsschreiben und das Schreiben der IHK vom 12.11.2001 sind nicht an die Klägerin, sondern an die Stadt ... bzw. an die Firma ... ... ... gerichtet. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt von diesen Schreiben Kenntnis erlangt hat. Auch die Beigeladene legt nicht näher dar, dass der Klägerin diese Schreiben zugegangen sein könnten oder sie im Bebauungsplanverfahren anderweitige Kenntnis von der erteilten Genehmigung für den Sprengstoffbunker erlangt hat. Die von der Beigeladenen erwähnte abstrakt bestehende Möglichkeit, Einsicht in die Bebauungsplanakten zu nehmen und dadurch Kenntnis von der Baugenehmigung erhalten zu können, begründet noch keine entsprechende Nachforschungspflicht.
52 
Wie sich einem in der Widerspruchsakte befindlichen Schreiben der Firma ... GmbH vom 12.11.2001 entnehmen lässt, hat ein Mitarbeiter dieser Firma sich im Zuge des Flächennutzungsplanänderungsverfahrens beteiligt und auf ein am 06.11.2001 stattgefundenes Gespräch mit dem Bürgermeister der Gemeinde ... Bezug genommen. Die dabei von den Vertretern der Firma ... unterbreiteten konkreten Änderungsvorschläge bzw. Nachfragen zum Bebauungsplan deuten darauf hin, dass diese die Planunterlagen eingesehen und sich eingehend mit ihnen auseinandergesetzt haben. Dem Anschreiben lassen sich indes keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, dass die Mitarbeiter der Firma ... dabei einen Hinweis auf die Existenz des bestehenden Bunkers und die erteilte Genehmigung erlangt haben. In Übereinstimmung hiermit hat der Zeuge ... in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, im Zuge des Bebauungsplanänderungsverfahrens in ständigem Kontakt mit Mitarbeitern der Firma ... bzw. der Klägerin gestanden zu haben; dabei seien die Belange der Klägerin auch anhand von Planauszügen erörtert worden. Auf entsprechende Nachfrage konnte der Zeuge ... jedoch bestätigen, dass Mitarbeiter der Klägerin bzw. der Firma ... oder deren Rechtsvorgängerin nicht Einsicht in die vollständigen Planunterlagen auf der Gemeindeverwaltung genommen haben.
53 
Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweiserhebungen ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin - wie von ihr vorgetragen - erstmals im April 2004 Kenntnis von der erteilten Genehmigung des Sprengstofflagers und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen erlangt hat. Der am 11.05.2004 gegen die Genehmigung eingelegte Widerspruch ist nach dem oben Gesagten rechtzeitig erfolgt, da er die Jahresfrist des §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO wahrt.
54 
1.3 Aus diesen Darlegungen folgt zugleich, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Klägerin ihr verfahrensmäßiges Recht zur Widerspruchseinlegung nicht verwirkt hat. Denn die Verwirkung dieses verfahrensmäßigen Rechts setzt jedenfalls die Erkennbarkeit der Baumaßnahmen voraus. Daneben muss nach dem oben Gesagten ein entsprechendes Umstandsmoment auf der Seite der Beigeladenen bestehen, das die verspätete Wahrnehmung des Rechts als Verstoß gegen Treue und Glauben erscheinen lässt. Letzteres bedarf hier keiner weiteren Klärung, da es bereits an der entsprechenden Erkennbarkeit der Baumaßnahmen und der dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen für die Klägerin fehlt.
55 
1.4 Entgegen der Annahme der Beigeladenen fehlt der Klägerin nicht die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.
56 
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist erforderlich, dass eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten geltend gemacht wird. Die erteilte Genehmigung muss gegen eine Norm verstoßen, die zumindest auch rechtliche Interessen der Klägerin zu schützen bestimmt ist. Ausreichend ist dabei, wenn die Verletzung der drittschützenden Norm durch den angefochtenen Verwaltungsakt möglich erscheint. Die Pflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist nach ständiger Rechtsprechung für Nachbarn drittschützend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.09.1988 - 4 N 1/87 - BVerwGE 80, 184; BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329; Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 BImSchG RdNr. 87 f.). Deren Belange müssen in einer allgemeinen Güterabwägung bei Erteilung der Genehmigung berücksichtigt werden. Nachbar im immissionsschutzrechtlichen Sinne ist, wer sich im Einwirkungsbereich der Anlage, d.h. in einem Bereich, in dem die Immissionen nach Art und Umfang einzelne Personen hervorgehoben treffen können, ständig aufhält oder Rechte an dort befindlichen Sachen inne hat (BVerwG, Urteil vom 22.10.1982 - 7 C 50.78 - NJW 1983, 1507). Der wegen der Sprengstofflager einzuhaltende Schutzabstand zu Wohngebäuden bzw. zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden überschneidet sich zum Teil mit dem Grundstücksbereich der Klägerin, auf dem bauplanungsrechtlich eine Nutzung als Sondergebiet festgesetzt ist. Bei dieser Betrachtung ist es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin danach grundsätzlich zur Überbauung des gesamten Grundstücks berechtigt wäre.
57 
Fehl geht der Einwand der Beigeladenen, wonach die Klägerin als Grundstückseigentümerin nicht klagebefugt sei, sondern allenfalls sich die Firma ... ... ... als Inhaberin der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in einer wehrfähigen Rechtsposition befinde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Bauplanungsrecht wie auch im Immissionsschutzrecht grundsätzlich der Eigentümer klagebefugt, soweit er sich auf drittschützende Normen berufen kann. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob darüber hinaus auch die Firma ... als Rechtsnachfolgerin der Firma ... ... ... als Inhaberin einer möglicherweise verletzten anderweitigen Genehmigung klagebefugt ist (vgl. zu diesem Problemkreis m.w.N. Happ in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, a.a.O., RdNr. 121 zu § 42 VwGO). Nicht zu folgen vermag der Senat auch der von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren geäußerten Auffassung, dass die Klägerin aufgrund der Vorbelastung ihres Grundstücks durch die im Jahre 1953 bzw. 1958 erteilten Genehmigungen für den Vorgängersprengstoffbunker im Gewann „... ...“ in der Ausnutzbarkeit ihrer Grundstücke der Gestalt eingeschränkt sei, dass eine eigene Rechtsverletzung auszuschließen ist. An die Möglichkeit einer Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO sind nach ständiger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215; Happ in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 93 zu § 42 VwGO - m.w.N.). Davon kann angesichts der komplexen Problematik der Auswirkungen einer etwa bestehenden Vorbelastung aufgrund der in den 60iger Jahren genehmigten Altanlage keine Rede sein.
58 
1.5 Der Klägerin steht auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse für die erhobene Anfechtungsklage gegen die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu, obwohl der Betrieb des Spanplattenwerkes im Jahre 2010 eingestellt wurde. Zum einen lässt die Einstellung des Betriebs den Bestand der für die Spanplattenfabrik erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unberührt. Denn diese erlischt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erst dann, wenn die Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben wurde. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind die Klägerin bzw. die Firma ... GmbH deshalb noch in der Lage, von der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Gebrauch zu machen. Zum anderen ergibt sich das fortbestehende Rechtsschutzinteresse der Klägerin aus den Festsetzungen des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“, der für die von dem Sicherheitsabstand überdeckten Flächen eine bauplanungsgemäße Nutzung ermöglicht. Das allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlt indes nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann; die Nutzlosigkeit muss also eindeutig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1). Danach hat die Klägerin hier ein schutzwürdiges Interesse an der verfolgten Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Sprengstoffbunker unabhängig davon, ob das genehmigte Spanplattenwerk derzeit betrieben wird.
59 
Nach alldem ist die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig.
60 
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in eigenen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens der letzten Behördenentscheidung (dazu unter 2.1). Zu diesem Zeitpunkt richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeinen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, nicht nach speziellerem Sprengstoffrecht (dazu unter 2.2). Die erteilte Genehmigung für das Sprengstofflager steht mit den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 4 BImSchG und den in diesem Zusammenhang zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht in Einklang (dazu unter 2.3). Schließlich ist der materiell-rechtliche Abwehranspruch der Klägerin gegen das Vorhaben nicht verwirkt (dazu unter 2.4).
61 
2.1 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der Erlass der letzten Behördenentscheidung, mithin des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006.
62 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Im Zweifel ist bei Anfechtungsklagen der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (im Grundsatz ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 - DVBl. 2000, 1614). Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei der hier in Rede stehenden Drittanfechtungsklage gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgeblich. Entgegen einer in der verwaltungsprozessualen Literatur weithin vertretenen Auffassung (vgl. so etwa Jörg Schmidt in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 58 zu § 113 VwGO) können die für nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen entwickelten Grundsätze nicht auf immissionsschutzrechtliche Drittanfechtungsklagen übertragen werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Baunachbarklage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung unter Ausschluss der Berücksichtigung späterer Änderungen zu Gunsten des Nachbarn, selbst vor Ergehen des Widerspruchsbescheides (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 08.11.2010 - 4 B 43.10 - BauR 2011, 499 - m.w.N.). Angesichts der andersartigen Funktion des Immissionsschutzrechts gegenüber dem Baugenehmigungsverfahren sind diese baurechtlichen Grundsätze auf das Immissionsschutzrecht nicht übertragbar (vgl. etwa VG Gießen, Urteil vom 23.07.1999 - 8 E 1215.98 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.06.2011 - OVG 10 N 39.08 - juris; ähnlich BVerwG, Beschluss vom 10.01.1991 - 7 B 102.90 - NVwZ-RR 1991, 236). Dem Immissionsschutzrecht ist die Abwehr qualitativ andersartiger und schwerer wiegender Gefahrenlagen als im Baurecht eigen. Zudem werden in § 5 BImSchG dynamische Grundpflichten statuiert, die dem Ziel dienen, den Anlagenbetreiber nicht auf die Pflichten zu beschränken, die er im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hatte. Ferner gibt es im Immissionsschutzrecht - im Gegensatz zum Baurecht - keinen Grundsatz dahingehend, dass einem Antragsteller eingeräumte Rechtspositionen trotz Rechtsänderung im Allgemeinen zu belassen oder nur gegen Entschädigung zu entziehen sind (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.05.1982 - 7 C 42.80 - BVerwGE 65, 313). Die baurechtlichen Grundsätze können daher auch dann nicht auf das Immissionsschutzrecht übertragen werden, wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit einer Anlage - wie hier - vornehmlich an baurechtlichen Normen zu prüfen ist. Abzustellen ist deshalb auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006, ohne dass danach zu differenzieren ist, ob etwaige Rechtsänderungen zu Ungunsten der Beigeladenen eingetreten sind. Dies hat insbesondere zur Konsequenz, dass nachfolgend auch das Inkrafttreten des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 zu berücksichtigen ist.
63 
2.2 Zum nach dem oben Gesagten maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums am 02.08.2006 richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeineren Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. Ziff. 9.35 - Spalte 2 - des Anhangs zur 4. BImSchV, nicht nach der spezielleren Norm des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG (in der Fassung vom 15.06.2005, BGBl. I S. 1626). Das Verhältnis zwischen der immissionsschutzrechtlichen und der sprengstoffrechtlichen Genehmigung regelt § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG a.F. nur partiell. Danach ist die sprengstoffrechtliche Genehmigung für solche Sprengstofflager subsidiär, die Bestandteil einer Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind. Es handelt sich vorliegend indes um ein selbständiges Lager und nicht um Bestandteile einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist die ungeregelte Kollision der Genehmigungsverfahren nicht entsprechend der konkurrierende Planfeststellungserfordernisse regelnden Bestimmung des § 78 Abs. 2 LVwVfG zu lösen. Danach ist die Genehmigung mit dem weitesten Prüfungsumfang vorrangig (vgl. etwa Odendahl, NVwZ 2002, 686, 687; offengelassen etwa von OVG Berlin, Beschluss vom 20.10.2000 - 2 S 9.00 - juris). Richtigerweise muss § 17 Abs. 1 Satz 3 BImSchG erst recht gelten, wenn das Lager selbst immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig ist (so etwa auch Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 13 RdNr. 6 a). Der Zuständigkeitsabgrenzung in § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass die Prüfung sprengstoffrechtlicher Gefährdungen durch die umfassendere Prüfung im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens besser erfasst wird. Dieser Auffassung entspricht auch die novellierte Fassung von § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG mit Wirkung zum 01.03.2010 (Gesetz vom 11.08.2009, BGBl. I, S. 2723). Die Änderung ist ausweislich der Gesetzesmaterialien als bloße Klarstellung zu verstehen (Gesetzentwurf zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU - BT-Drs. 16/12277, S. 11). Somit ist dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 4 BImSchG Priorität einzuräumen.
64 
2.3 Die Voraussetzungen für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 4 BImSchG lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Zwar war das vereinfachte Genehmigungsverfahren gemäß § 19 BImSchG zulässig, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. c i.V.m. Nr. 9.35 Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV sowie § 3 b Abs. 1 UVPG, Ziff. 10.1 und 10.2 Anhang I). Die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen lagen indes nicht vor. Die Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn die sich aus § 5 ergebenden Anforderungen erfüllt sind und dem nicht andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Danach - ferner auch in Folge der Konzentrationswirkung des § 13 Satz 1 BImSchG - erstreckt sich die immissionsschutzrechtliche Prüfung auch auf Normen des Sprengstoffgesetzes (dazu unter 2.3.1) und des Baugesetzbuchs (dazu unter 2.3.2).
65 
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG muss sichergestellt sein, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG müssen genehmigungsbedürftige Anlagen so errichtet und betrieben werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Aus dem Begriff der Erheblichkeit folgt, dass unzumutbare Beeinträchtigungen vermieden werden sollen. Es ist eine Abwägung von Rechtsgütern des Anlagenbetreibers einerseits und der Nachbarschaft andererseits vorzunehmen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist, soweit er die „Nachbarschaft“ vor schädlichen Umwelteinwirkungen schützt, daher eine spezielle gesetzliche Ausprägung des Rücksichtnahmegebots (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Folglich entspricht der Schutz des Nachbarn durch Bauplanungsrecht dem durch die immissionsschutzrechtlichen Normen vermittelten Schutz (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Soweit sich ein Nachbar auf sprengstoffrechtliche Vorschriften berufen kann, ist dies in gleicher Weise im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Regelungen des Baugesetzbuchs oder Sprengstoffgesetzes bedingt folglich zugleich einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.
66 
2.3.1 Die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstößt bei isolierter Betrachtung nicht gegen die Anforderungen des Sprengstoffgesetzes.
67 
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 SprengG ist eine sprengstoffrechtliche Genehmigung zu versagen, wenn keine Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Maßnahmen, getroffen werden. Was in Bezug auf die Aufbewahrung von explosionsgefährdeten Stoffen Stand der Technik ist, wird nach § 6 Abs. 2 SprengG durch den Anhang zu § 2 der 2. SprengV (i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.09.2002, BGBl. I, S. 3543) bestimmt, vgl. §§ 1, 2 Abs. 1 SprengV.
68 
Welche - für den Nachbarschutz relevanten - Schutzabstände einzuhalten sind, regelt Ziff. 2.2.2 Absatz 1 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV. Für Abstände zu Wohnbereichen und Verkehrswegen verweist die Vorschrift auf die Anlage 1 zum Anhang. Gemäß Ziff. 1.12 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV stehen Gebäude und Anlagen mit Räumen, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Personen bestimmt und geeignet sind, bewohnten Gebäuden gleich. Gemäß Ziff. 2.1 der Anlage 1 zum Anhang ist für die Lagergruppe 1.1 betreffend der Abstände zu Wohneinheiten die Formel E = 22 x M1/3 und zu Verkehrswegen die Formel E = 15 x M1/3 einzuhalten. E bezeichnet den kürzesten Abstand in Meter, M die Lagermenge in Kilogramm. Nach der ursprünglich erteilten Genehmigung dürfen in den Lagerbunkern jeweils 25 t Explosivstoffe und Gegenstände mit Explosivstoffen der Lagergruppen 1.1, 1.3 und 1.4 eingelagert werden. Da die Lagergruppe 1.1 von den genannten den größten Sicherheitsabstand erfordert, ist gemäß Ziff. 2.2.2 Abs. 4 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV die Formel für diese auf die Gesamtmasse anzuwenden. Somit ist ein Sicherheitsabstand von 643,28 m (Abstand zu Wohngebäuden) und von 438,6 m (Abstand zu Verkehrsflächen) einzuhalten.
69 
Jedoch hat die Immissionsschutzbehörde eine Ausnahme nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der 2. SprengV (a.F.) in der Genehmigung des Vorhabens zugelassen. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde auf schriftlichen Antrag Ausnahmen von den Vorschriften des Anhangs zu dieser Verordnung zulassen, wenn eine andere, ebenso wirksame Maßnahme getroffen wird. Aus der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 05.10.2005 sowie der ergänzenden Auskunft vom 24.01.2007 ergibt sich, dass Grundlage der oben genannten Formel die Annahme ist, die Druckwelle bei einer etwaigen Explosion werde sich gleichmäßig ausbreiten. Durch Seiten- und Rückwände aus Stahlbeton oder eine Erdüberschüttung der Bunker ließen sich jedoch die Auswirkungen einer Detonation vermindern. Da diese Ausführung aber nicht bei der Bemessung des gesetzlichen Schutzabstandes herangezogen wurde, könne die Formel K = 13,5 x M1/3 angewendet werden. Daraus ergibt sich ein Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden. Auf diese Formel stützt sich bereits das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.04.1995 (S. 5); zugleich wurde zu Verkehrswegen mit dem Faktor 9,2 ein Schutzabstand von 269 m errechnet. Dass die Genehmigungsbehörde sich zunächst auf § 3 Abs. 2 der 2. SprengV ( a.F.) berufen hatte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich. Denn das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung wurde ausdrücklich zum Bestandteil der Genehmigung gemacht. Diesem Gutachten lag aber bereits die genannte Formel mit einem Faktor von 13,5 zugrunde, so dass der Genehmigung die notwendigen Erwägungen für die Gestattung einer Ausnahme zugrunde liegen. Dadurch sind die nach dem Stand der Technik erforderlichen Schutzabstände zu den tatsächlich auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Gebäuden gewahrt. Die Genehmigung steht insoweit mit § 17 Abs. 1 SprengG in Einklang.
70 
2.3.2 Die Genehmigung verstößt jedoch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
71 
2.3.2.1 Welche Immissionen für Nachbarn im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zumutbar sind, ergibt sich nicht primär aus den tatsächlichen Gegebenheiten des Gebiets, sondern vor allem aus infolge von planungsrechtlichen Vorgaben möglichen Nutzungen (BVerwG, Urteil vom 22.03.1985 - 4 C 63.80 - BVerwGE 71, 150; Urteil vom 24.04.1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143; BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246). Unzumutbar und damit erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind die Immissionen und sonstigen Gefahren, die mit den für den Einwirkungsort geltenden nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans unvereinbar sind. Mit dem Inkrafttreten des maßgeblichen Bebauungsplans erlangen die Eigentümer der Grundstücke im Plangebiet eine Position, aufgrund derer sie darauf vertrauen können, dass eine nachfolgende heranrückende bauliche Nutzung auf Nachbargrundstücken auf die nach dem Bebauungsplan einmal gegebene Nutzbarkeit ihrer Grundstücke Rücksicht nehmen muss. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Grundstücke später tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut und genutzt werden, oder ob für die Bebauung und Nutzungen Ausnahmen und Befreiungen erteilt worden sind, denn der Eigentümer eines Grundstücks in einem festgesetzten Bebauungsplangebiet kann allgemein darauf vertrauen, dass spätere Planungen und Baugenehmigungserteilungen die erforderliche Rücksicht auf das - insgesamt schutzbedürftige und schutzwürdige - festgesetzte Baugebiet nehmen werden. Mit der Anerkennung des Bebauungsplans als normative Bestimmung der Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft im Einwirkungsbereich emittierender Anlagen gewährleistet das Immissionsschutzrecht, dass der Bebauungsplan die ihm in § 1 BauGB zugedachte Aufgabe erfüllen kann, eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu erreichen und dauerhaft zu sichern. Würde das Immissionsschutzrecht die Schutzwürdigkeit im Regelfall nach der tatsächlichen baulichen Nutzung bestimmen, stünde dies im Widerspruch zu den Zielen des Baugesetzbuchs (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Entscheidend ist deshalb, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 Festsetzungen von Bebauungsplänen verletzt. Da nach dem oben Gesagten maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Drittanfechtungsklage der der letzten Verwaltungsentscheidung ist, kommt es - soweit dieser wirksam ist - auf den am 20.05.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ an.
72 
2.3.2.2 Der Bebauungsplan setzt für das Grundstück der Klägerin ein Sondergebiet (SO1) im Sinne von § 9 a BauGB, § 11 Abs. 2 BauNVO fest. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB wurden zudem in dem der B... nächstgelegenen Teil A die Nutzung „Silos für Sägespäne“, im Teil B „Spanplattenwerk Lagerhaltung, Veredelung (einschließlich Schleifen), Vertrieb und Verwaltung“ und im Übrigen „Spanplattenwerk Lagerflächen, einschließlich Hacker- und Förderanlagen, Lkw-Parkplatz-Anlage, einschließlich Waage und Gebäude mit Sanitär- und Aufenthaltsräumen, Pförtnerloge“ festgesetzt. Der sprengstoffrechtlich erforderliche Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden verhindert jedenfalls die nach dem Bebauungsplan zulässige Nutzung des Grundstücksteils B für Vertrieb und Verwaltung, soweit ständige Arbeitsplätze eingerichtet werden sollen. Wie sich der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.01.2007 entnehmen lässt, ist nach der Auffassung der Fachbehörde auch eine bebauungsplangerechte Nutzung des als Teil A bezeichneten Geländes erheblich eingeschränkt.
73 
Der Umfang der zulässigen Bebauung wird durch den Hinweis unter C. Ziff. 7 im Bebauungsplan nicht eingeschränkt. Denn rechtsverbindliche Wirkung haben lediglich Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB, wohingegen der Begründung des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 8 BauGB) kein Satzungscharakter zukommt (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 97. Ergänzungslieferung 2010, § 9 RdNr. 6). Während die Festsetzungen die zulässigen Vorhaben rechtsverbindlich einschränken und konkretisieren, dient die Begründung lediglich der Erläuterung und der Überprüfbarkeit des Abwägungsprozesses. Der Hinweis enthält jedoch keine Regelung zur Umschreibung der zulässigen Bauvorhaben. Er verweist lediglich auf Beschränkungen, die sich aus Umständen ergeben, welche außerhalb des Bebauungsplans liegen. Der Hinweis steht daher der Erläuterung und Begründung näher. Die Begründung kann aber nicht die rechtsverbindlichen Bebauungsplanfestsetzungen aushebeln. Folglich schränkt die Genehmigung des Sprengstofflagers die grundsätzlich zulässige Nutzung des Grundstücks der Klägerin ein.
74 
2.3.2.3 Der maßgebliche Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 ist wirksam; er verstößt weder gegen das Gebot der Erforderlichkeit der Planung noch gegen das Abwägungsgebot.
75 
Der Bebauungsplan ist nicht wegen Verstoßes gegen das in § 1 Abs. 3 BauGB normierte Gebot der Erforderlichkeit nichtig. Die Gemeinde darf keinen Bebauungsplan aufstellen, der aus Rechtsgründen nicht vollzugsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Davon ist auszugehen, wenn die Realisierung des Bebauungsplans zwangsläufig an rechtlichen Hindernissen scheitern müsste. Demgegenüber ist der Bebauungsplan vollzugsfähig und wirksam, wenn die Konflikte durch angemessene Auflagen oder sonstige Beschränkungen überwunden werden können. Die Festsetzung des Gebiets scheitert nicht in ihrer Gesamtheit. Lediglich ein Teilabschnitt der Fläche, die als Sondergebiet ausgewiesen ist, kann nicht wie im Bebauungsplan vorgesehen ausgenutzt werden. Es handelt sich somit um eine Beschränkung und nicht um eine Aufhebung der Vollzugsfähigkeit. Daher bleibt die Festsetzung im Bebauungsplan erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB.
76 
Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Dies wäre der Fall, wenn im Rahmen der planerischen Abwägung die Schutzwürdigkeit der auf dem Grundstück der Klägerin zulässigen Bebauung verkannt und damit falsch beurteilt worden ist. Die Schutzabstände des Sprengstofflagers waren auch dann zu berücksichtigen, wenn dessen Genehmigung rechtswidrig erfolgt sein sollte. Denn für die Bauleitplanung sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich (vgl. Söfker, a.a.O., § 1 RdNr. 193). Die Unvereinbarkeit von zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden im Gebiet SO1 und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Beigeladenen wurde zwar im Bebauungsplanverfahren behandelt. Dieser Umstand hat jedoch in den rechtsverbindlichen Festsetzungen keinen Eingang gefunden. Die Konfliktlage spiegelt sich nicht im Abwägungsergebnis wieder.
77 
Es ist jedoch in Grenzen zulässig, die Lösung von Konflikten nachfolgenden Genehmigungsverfahren zu überlassen (Konfliktverlagerung). Die planende Gemeinde darf auf eine abschließende Konfliktlösung im Bebauungsplan verzichten, wenn diese außerhalb des Planverfahrens im Rahmen der Verwirklichung der Planung sichergestellt und zu erwarten ist. Dafür muss jedoch eine sachgerechte Konfliktlösung durch die Behörde hinreichend sicher abschätzbar sein. Bleibt das Problem zu Lasten des Betroffenen ungelöst, ist das Gebot der umfassenden Konfliktlösung verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.03.1988 - 4 C 56.84 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30; Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - BVerwGE 69, 30). Dem liegt zugrunde, dass eine Überfrachtung des Bebauungsplans vermieden werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - a.a.O.). Wie sich aus dem vorgenannten Hinweis C im Bebauungsplan ergibt, ging die Gemeinde ... aufgrund der Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamts ... per E-Mail vom 26.04.2004 davon aus, dass dem Schutzabstand uneingeschränkt Vorrang einzuräumen ist. Dieser sei sodann im Genehmigungsverfahren wegen § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu berücksichtigen. Folglich durfte die Gemeinde damit rechnen, dass der Konflikt sachgemäß im Genehmigungsverfahren zu lösen ist. Ferner hat die Gemeinde durch den Verzicht auf die Festsetzung eines Schutzabstands dem Vertrauensschutz der Klägerin Rechnung getragen. Zwar besteht kein Anspruch auf Aufstellung und Bewahrung eines Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB); jedoch hat die vorherige Überplanung der Grundstücke durch den Bebauungsplan von 1983 in den Abwägungsvorgang nach § 1 Abs. 7 BauGB Eingang zu finden. Der Bebauungsplan ist somit nicht wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot unwirksam.
78 
2.3.2.4 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Beklagten werden die durch den Bebauungsplan eingeräumten Rechte zu Gunsten der Klägerin nicht infolge einer Vorbelastung ihres Grundstücks eingeschränkt. Der im Gesetz unerwähnte Begriff der Vorbelastung wurde zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der unzumutbaren Beeinträchtigung entwickelt (BVerwG, Urteil vom 21.05.1976 - IV C 80.74 - BVerwGE 51, 15). Aufgrund bestehender Umwelteinflüsse kann sich das Maß des für Nachbarn Zumutbaren verändern. Vorliegend könnte daran gedacht werden, dass das Grundstück der Klägerin schon immer mit den Schutzabständen zu den Sprengstoffbunkern belastet war. Wie die Beigeladene im Widerspruchsverfahren darlegte, betrieb sie in der Vergangenheit auf der Grundlage von Gestattungen aus dem Jahre 1953 bzw. 1957 ein Sprengstofflager im Gewann „... ...“, welches ebenfalls mit erheblichen Abstandsanforderungen verbunden gewesen sein dürfte. Somit dürfte die Ausnutzbarkeit des Grundstücks der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vorgängerbebauungsplanes aus dem Jahre 1983 eingeschränkt gewesen sein.
79 
Selbst wenn der Bebauungsplan im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der zu dem ehemaligen Sprengstofflager einzuhaltenden Abstände an einem Abwägungsfehler litte, wäre dieser jedoch unbeachtlich. Nach § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB finden die derzeit geltenden Vorschriften zur Planerhaltung grundsätzlich rückwirkend auf Bebauungspläne Anwendung, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. BBauG in Kraft getreten sind. Darüber hinaus sind gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden. Daraus folgt, dass insbesondere bei Abwägungsmängeln nicht nur die §§ 214, 215 BauGB in ihrer derzeitigen Fassungen gelten, sondern dass frühere Regelungen fortgelten.
80 
Maßgeblich für die vor dem Inkrafttreten des Baugesetzbuches zum 01.07.1987 bekannt gemachten Bebauungspläne bleibt daher die Überleitungsvorschrift des § 244 Abs. 2 BauGB 1978 (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.1998 - 4 BN 50.98 - Buchholz 406.11 § 244 BauGB Nr. 3). Nach dieser Vorschrift sind Mängel der Abwägung von Flächennutzungsplänen und Satzungen, die vor dem 01.07.1987 bekannt gemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren nach dem 01.07.1987 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, wobei der Sachverhalt, der die Mängel begründen soll, darzulegen ist. Dem steht nicht entgegen, dass § 244 Abs. 2 BauGB 1987 durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG - gestrichen wurde. Die Aufhebung der Vorschrift erfolgte, da sie nach Auffassung des Gesetzgebers ihren Zweck erfüllt hatte. Der Geltungsanspruch der Vorschrift sollte nicht rückwirkend entfallen. Dies ergibt sich im Übrigen aus § 233 Abs. 3 BauGB, wonach auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. des BBauG wirksame oder übergeleitete Pläne, Satzungen und Entscheidungen fortgelten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1999 - 8 S 1625/99 - VBlBW 2000, 394). Für den vor dem 01.07.1987 bekanntgemachten Bebauungsplan „...-...“ sind danach nur Abwägungsmängel beachtlich, die vor dem 01.07.1994 geltend gemacht worden sind. Da die von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren behauptete Nichtberücksichtigung der Sicherheitsabstände zu dem ehemaligen Sprengstofflager bisher nicht gegenüber der planenden Gemeinde geltend gemacht worden ist, wäre ein entsprechender Abwägungsmangel gemäß § 244 Abs. 2 BauGB a.F. i.V.m. § 233 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BauGB unbeachtlich und würde nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führen.
81 
Unabhängig hiervon war zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Vorbelastung durch etwa einzuhaltende Sicherheitsabstände zum ehemaligen Sprengstofflager im Gewann „... ...“ entfallen. Denn dessen Genehmigung erlosch gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, weil die Vorgängeranlage nach Verlegung an den heutigen Standort für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben worden war.
82 
2.4 Nach dem oben unter 1.2 Ausgeführten scheidet hier die materiell-rechtliche Verwirkung des nachbarschützenden Abwehranspruchs gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG aus (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - a.a.O.). Dieses Rechtsinstitut setzt neben einem Zeitablauf seit der Entstehung des Rechts voraus, dass besondere Umstände die Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Eine materiell-rechtliche Verwirkung scheidet hier bereits deshalb aus, weil nach dem oben Gesagten die Klägerin auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt keine Kenntnis von dem Bauvorhaben und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen hat erlangen müssen.
83 
Nach alldem hat die Berufung der Klägerin auch in der Sache Erfolg.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
85 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Insbesondere ist in der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallübergreifend abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen sich ein Nachbar in Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO so behandeln lassen muss, als ob ihm eine Genehmigung zugestellt worden wäre.

Gründe

 
31 
Die von dem Senat wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassene Berufung der Klägerin ist innerhalb der bis zum 08.03.2010 verlängerten Frist begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 VwGO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat darüber hinaus in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klage zulässig (dazu unter 1.) und begründet (dazu unter 2.).
32 
1.1 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 nicht bereits deshalb in Bestandskraft erwachsen ist, weil erstmals am 11.05.2004 hiergegen Widerspruch eingelegt wurde und deshalb die Frist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht gewahrt ist. Die streitgegenständliche Genehmigung wurde im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt, so dass eine förmliche Zustellung gemäß § 10 Abs. 7 BImSchG an Dritte und eine anderweitige förmliche Bekanntgabe der Genehmigung durch die Behörde an die Klägerin unterblieben ist. Demzufolge wurde die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht in Gang gesetzt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass im Jahre 1995 eine Bekanntgabe der Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erfolgte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Bekanntgabe einer Baugenehmigung - nichts anderes gilt für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung - an den Bauherrn als ihren Adressaten nicht zugleich die Rechtsbehelfsfristen auch für den Nachbarn als beteiligten Nichtadressaten in Lauf (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 14.02.1969 - IV C 82.66 - DVBl. 1969, 362; sowie Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294). Zu Recht weist die Klägerin im Übrigen darauf hin, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 41 LVwVfG den Willen der Behörde voraussetzt, den Bescheid dem Bekanntgabeadressaten zur Kenntnis zu bringen; zufällige Kenntnisnahme, etwa der Nachbarn auf Grund Information seitens des Bauherrn, reicht regelmäßig nicht aus (vgl. hierzu Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., RdNr. 4 zu § 70 VwGO). Daher stellt auch das Schreiben der Gemeinde ... an die Klägerin vom 19.04.2004 keine Bekanntgabe der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dar.
33 
1.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führt auch der den Bestimmungen der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO zu entnehmende Rechtsgedanke hier nicht zur Bestandskraft der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
34 
1.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Widerspruchsfrist regelmäßig nach den Vorschriften der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182). Die vom Bundesverwaltungsgericht ursprünglich für das Baurecht bei unmittelbar benachbarten Grundstücken entwickelten Grundsätze werden aus dem zwischen Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist, hergeleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.). Dieses verpflichtet den Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen möglichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten; der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat.
35 
Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass diese Grundsätze für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gleichermaßen Geltung beanspruchen, da auch das Immissionsschutzrecht von einem Raumbezug geprägt ist und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 Satz 1 BImSchG im Rahmen der materiellen Konzentrationswirkung die Baugenehmigung ersetzt.
36 
Nach dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO ist der Nachbar regelmäßig so zu behandeln, als ob ihm die Genehmigung ohne Rechtsbehelfsbelehrung amtlich bekannt gemacht worden wäre. Es läuft daher grundsätzlich eine Widerspruchsfrist von einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Nachbar sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87). Maßgeblich ist dabei nicht das Erkennen, sondern die Erkennbarkeit der Genehmigung bzw. der hierdurch verursachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und dem Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Kenntnisnahme ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen hat (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - juris).
37 
1.2.2 Zutreffend weist die Klägerin aber darauf hin, dass sich die Kenntnis bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beziehen muss, sondern es auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn ankommt. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht in entscheidungstragender Weise unter Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 06.10.2005 - M 11 K 04.2630 - juris) davon aus, dass allein auf die Kenntnisnahme bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Baugenehmigung abzustellen ist, unabhängig davon, ob der Nachbar seine nachteilige Beeinträchtigung bei Ausnutzung der Genehmigung erkannt hat oder diese hätte erkennen müssen. Dies ergibt sich bereits mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut der herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, daneben aber auch aus den Ableitungszusammenhängen der oben dargestellten Rechtsprechung.
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So hebt das Bundesverwaltungsgericht in seinem grundlegenden Urteil vom 25.01.1974 (IV C 2.72 - a.a.O. - RdNr. 24 des Urteilsabdrucks bei juris) ausdrücklich auf ein Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen durch den Nachbarn ab. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind. Dafür spricht auch das Leitbild des § 58 Abs. 2 VwGO, da dem Nachbarn im dort ausdrücklich geregelten Fall die Baugenehmigung wegen der erfolgten Bekanntgabe vorliegt, wenn auch ohne die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung. Fehl geht die vom Verwaltungsgericht angestellte Erwägung, dass der Nachbar bei Bekanntgabe der Genehmigung ebenfalls innerhalb der Jahresfrist Widerspruch einlegen muss, auch wenn er seine subjektive Beeinträchtigung daraus nicht erkennen kann. Das Verwaltungsgericht übersieht dabei, dass die Position des Nachbarn bei Bekanntgabe der Genehmigung deutlich besser als im hier in Rede stehenden Fall ist. Zum einen ist bereits die bloße förmliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mit einer gewissen Warnfunktion verbunden und gibt dem Mitteilungsempfänger Anlass, sich über eine hierdurch etwa ausgelöste nachteilige Betroffenheit zu informieren. Zum anderen kann - wie gerade auch der Inhalt der hier erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zeigt - der Nachbar aus der Begründung regelmäßig ohne großen Aufwand seine potentielle Beeinträchtigung unschwer erkennen.
39 
Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht erforderlich, dass der Nachbar die negative Beeinträchtigung tatsächlich erkannt hat; es genügt ebenfalls das „Kennenmüssen“. Davon ist zum einen auszugehen, wenn sich das Vorliegen der Genehmigung (einschließlich der subjektiven Beeinträchtigung) aufdrängt. Ferner ist ausreichend, wenn es dem Nachbarn möglich und zumutbar war, sich über diese Umstände Gewissheit zu verschaffen, etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder der Behörde (vgl. näher Dolde/Porsch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Ergänzungslieferung April 2006, RdNr. 21 zu § 70 VwGO). Der Umfang der einem Nachbarn obliegenden Sorgfaltsanforderungen lässt sich dabei nicht abstrakt ermitteln. Insbesondere lässt sich ein Maßstab für die Ermittlungspflichten des Nachbarn nicht den Bestimmungen der §§ 58 Abs. 2, 70 VwGO entnehmen. Zwar läuft einerseits bei einer Bekanntgabe ohne Rechtsbehelfsbelehrung (d.h. bei Kenntnis von der Beeinträchtigung) eine Rechtsmittelfrist von einem Jahr, während andererseits dem Nachbarn trotz fehlender Kenntnis von der subjektiven Beeinträchtigung ebenfalls eine Jahresfrist eingeräumt und zudem die Erkundigung und Ermittlung vorausgesetzt wird. Dies gebietet es jedoch nicht zwingend, die Anforderungen an die Ermittlungspflicht generell gering anzusetzen. Denn die Einjahresfrist markiert im Rechtsbehelfsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich - abgesehen von Unmöglichkeit der Rechtsbehelfseinlegung - eine absolute Grenze, vgl. §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3, 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Somit kann dieser Zeitraum in jedem Fall sachgerecht auf Drittwidersprüche übertragen werden. Da die Verwaltungsgerichtsordnung den Fall des Nachbarwiderspruchs nicht regelt, muss es vielmehr maßgeblich auf die Herleitung der Rechtsgrundsätze aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ankommen. Daraus folgt, dass auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen ist und sich der Umfang der Treuepflicht nach den jeweiligen rechtlichen und tatsächlichen Umständen richtet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - a.a.O.; sowie vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Wann ein Nachbar Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, hängt deshalb allein von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und ist aufgrund einer umfassenden Sachverhaltswürdigung zu beurteilen. Dabei ist maßgeblich auf die Sicht des Nachbarn abzuheben, lediglich untergeordnet kann auf die Interessen des Bauherrn abgestellt werden. Eine Ermittlungspflicht des Nachbarn besteht etwa, wenn sich eine Beeinträchtigung anhand des sichtbaren Baugeschehens aufdrängt. Ferner besteht eine Ermittlungspflicht, wenn eine Beeinträchtigung des Nachbarn aufgrund der Nutzung des eigenen Grundstücks wahrscheinlich ist. Je einfacher Informationen über das Bauvorhaben zugänglich sind, desto eher ist dem Nachbarn die Erkundigung zuzumuten. So hat die Rechtsprechung es teilweise ausreichen lassen, dass der Nachbar durch eine Mitteilung über die Erteilung der Baugenehmigung und den sichtbaren Beginn der Bauarbeiten Kenntnis über einen möglichen Eingriff in die zu schützende Rechtspositionen erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C.89 - a.a.O.). Auch bei deutlich wahrnehmbaren Bauarbeiten solle es Anlass geben, der Frage nach der eigenen Beeinträchtigung nachzugehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - a.a.O; ebenso OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - LKV 2001, 466).
41 
1.2.3 Entgegen der Auffassung der Berufung ist für den Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, außer der Untätigkeit des Nachbarn kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich; unerheblich ist mithin, ob der Bauherr ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und dieses schutzwürdig ist. Hierfür spricht bereits, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - anders als in der Kommentarliteratur häufig behauptet - streng zwischen dem Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen auf der einen Seite und der Verwirkung des Widerspruchsrechts oder gar des materiellen Abwehranspruchs auf der andern Seite unterscheidet (so ausdrücklich bereits BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; ferner Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 77; Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Der Verlust des verfahrensmäßigen Rechts aufgrund von Zeitablauf und die Verwirkung des Widerspruchsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit des Widerspruchs), auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen. So kommt eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nach den Umständen des Einzelfalles auch bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Betracht; eine Verwirkung hat jedoch zusätzlich zur Voraussetzung, dass der Genehmigungsempfänger aus aktivem Tun des Nachbarn oder einer ihm gleichzusetzenden Duldung auf dessen Einverständnis schließen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin können diese vom Bundesverwaltungsgericht für die Verwirkung aufgestellten zusätzlichen Anforderungen an die Vertrauensbetätigung des Bauherrn nicht auf die hier in Rede stehende Problematik der entsprechenden Anwendung von §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO übertragen werden. Gegenteiliges kann insbesondere nicht dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.1991 (4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182) entnommen werden; die von der Klägerin herangezogenen Passagen des Urteils beziehen sich nach ihrer systematischen Stellung eindeutig auf die Verwirkung des materiellen nachbarlichen Abwehrrechts. Die Auffassung der Klägerin beruht auf einer Vermischung der Voraussetzungen für Verlust des Widerspruchsrechts allein aufgrund von Zeitablauf in entsprechender Anwendung von §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO und den Voraussetzungen für eine Verwirkung entweder des verfahrensmäßigen Widerspruchsrechts oder des nachbarlichen Abwehranspruchs. Sie hätte darüber hinaus zur Folge, dass es kaum jemals zum Verlust des Widerspruchsrechts des Nachbarn kommen könnte. Denn die Berufung will dem Nachbarn in entsprechender Anwendung von § 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsmöglichkeit binnen Jahresfrist ab Erkennbarkeit der Baumaßnahmen einräumen und fordert darüber hinaus, dass der Bauherr gerade aufgrund der Untätigkeit des Nachbarn ein entsprechendes Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung entwickelt und auch betätigt hat, mithin die Untätigkeit des Nachbarn kausal für den Baufortschritt sein muss. Wie jedoch der vorliegende Fall zeigt, kann binnen eines Jahres auch ein umfangreiches Bauvorhaben fertiggestellt sein.
43 
1.2.4 Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Widerspruch der Klägerin nicht verfristet. Es steht aufgrund der durchgeführten Beweiserhebungen durch Einnahme eines Augenscheins sowie durch Zeugenvernehmung des Bürgermeisters der Gemeinde ... fest, dass die Klägerin erstmals im April 2004 Kenntnis von der Beeinträchtigung durch das genehmigte Sprengstofflager erlangt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen musste die Klägerin auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt im oben dargestellten Sinne nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der erteilten Genehmigung und der durch ihre Ausnutzung eintretenden Beeinträchtigungen erlangen.
44 
1.2.4.1 Fehl geht die Auffassung der Beigeladenen, dass die Klägerin bereits vor Beginn der Baumaßnahmen im Jahre 1995 Kenntnis von der geplanten Errichtung der Bunkeranlage erlangt habe bzw. hätte erlangen müssen. Wie oben näher dargestellt, setzt die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ebenso wie die verfahrensrechtliche Verwirkung voraus, dass zuvor eine Genehmigung erteilt worden ist. Die maßgebliche Jahresfrist kann deshalb erst mit Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen am 10.08.1995 zu laufen beginnen. Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage einer Kenntniserlangung der Klägerin bereits im Jahre 1993 unter Hinweis auf einen Aktenvermerk des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23.09.1993 stellt sich deshalb nicht. Im Übrigen weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sich diesem Aktenvermerk (Anlage A 9 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 31.08.2005 im Widerspruchsverfahren) keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass Vertreter oder Mitarbeiter der Klägerin an der maßgeblichen Besprechung teilgenommen haben. Aus zeitlichen Gründen kann auch nicht auf die Veröffentlichung im gemeinsamen Mitteilungsblatt der Gemeinden ... und ... vom 16.06.1995 abgehoben werden, in der unter Ziff. 13 auf eine Sitzung des Technischen Ausschusses in ... zur Behandlung eines Antrags auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Sprengstoffbunkers auf den maßgeblichen Flurstücken ... und ... im Gewann ... hingewiesen wurde. Auch diese Sitzung fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Genehmigung noch nicht erteilt war und noch nicht über die Genehmigungsvoraussetzungen entschieden worden ist. Allenfalls bot diese amtliche Mitteilung im Zusammenhang mit weiteren tatsächlichen Gesichtspunkten Anlass, sich bei der veröffentlichenden Gemeinde oder der zuständigen Immissionsschutzbehörde über den weiteren Verlauf des Verfahrens und eine etwa in der Erteilung befindliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erkundigen (vgl. zur Relevanz von Pressemitteilungen auch OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - a.a.O.). Dies setzt jedoch voraus, dass die Klägerin aufgrund tatsächlicher Wahrnehmung von Baumaßnahmen Anlass gehabt hätte, weitergehende Erkundigungen zu einer etwa erteilten Genehmigung und deren Umfang anzustellen.
45 
1.2.4.2 Aufgrund der durchgeführten Beweiserhebung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin auch nicht mit Baubeginn des Bunkers im November 1995 von der erteilten Genehmigung und deren Auswirkungen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Bei der nach dem oben Gesagten anzustellenden umfassenden Sachverhaltswürdigung ist aus der Sphäre des Bauherrn in erster Linie die Wahrnehmbarkeit des Baugeschehens zu berücksichtigen. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen befinden sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft; sie sind durch die B ... und eine Ansammlung von Laubbäumen voneinander getrennt. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2011 durchgeführten Augenscheins steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bereits zu Beginn der Baumaßnahmen in der 48. Kalenderwoche des Jahres 1995 nur eine sehr eingeschränkte Sichtverbindung zwischen dem Grundstück der Klägerin und dem Baugrundstück der Beigeladenen bestand, so dass die eigentlichen Baumaßnahmen und der Baufortschritt nicht zu erkennen waren. Wie im Termin am 15.11.2011 festgestellt und zwischen den Beteiligten im Einzelnen nicht mehr umstritten, bestand von der Geländeoberfläche des Grundstücks der Klägerin zum Zeitpunkt des Augenscheins keine Sichtbeziehung zum auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten Sprengstoffbunker. Selbst in direkter Blickrichtung vom Betriebsgelände der Klägerin in Richtung Westen war der Sprengstoffbunker nicht zu sehen, da die dazwischenliegenden Grundstücke jenseits der Bundesstraße mit hochstämmigen Streuobstbäumen sowie mit Büschen bepflanzt sind; die Streuobstbäume und Büsche waren zu diesem Zeitpunkt nur noch gering belaubt. Diese Sichtbeziehungen waren auch zum maßgeblichen Zeitpunkt im November 1995 nicht wesentlich anders. Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Streuobstbäume zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihre heutige Höhe erreicht haben dürften. Angesichts des Alters dieser Bäume von mehreren Jahrzehnten kann jedoch von ähnlichen Sichtverhältnissen ausgegangen werden, zumal die Sichtbeeinträchtigung bereits durch die Vielzahl der Baumstämme und nicht durch die konkrete Höhe der Bäume bedingt war. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Bundesstraße ... in ihrer heutigen Gestalt erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt im Jahre 1995 fertiggestellt wurde. Zum einen ist die erst später vierspurig ausgebaute Bundesstraße auch im Herbst 1995 bereits in Dammlage verlaufen. Dies lässt sich etwa den vom Regierungspräsidium im Widerspruchsverfahren eingeholten Querschnitten der Straßenbauverwaltung und den vom Senat beigezogenen Planfeststellungsakten entnehmen. Im Übrigen lässt sich die damalige Straßenführung auch anhand des von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 21.11.2005 vorgelegten Lichtbildes Nr. 4 nachvollziehen. Unabhängig hiervon ist die konkrete Trassenlage der B ... und die Frage einer Führung in Dammlage für die Sichtbeziehungen nicht erheblich, da der Sprengstoffbunker bei dem Augenschein selbst von dem Höhenniveau der Bundesstraße aus nicht zu erkennen war.
46 
Aufgrund des bei dem Augenschein gewonnenen Eindruckes und der von der Beigeladenen vorgelegten Lichtbilder steht deshalb fest, dass während der einjährigen Bauphase im wesentlichen lediglich der auf dem Grundstück der Beigeladenen aufstehende Kran zu sehen gewesen ist. Ferner spricht vieles dafür, dass vom Grundstück der Klägerin aus der Anfahrtsverkehr zur Baustelle, insbesondere die Anlieferung von Beton, wahrnehmbar war. Wie die Beigeladene unwidersprochen vorträgt, wurden auf dem dem Grundstück der Klägerin zugewandten ... Weg insgesamt 130 Fahrten mit Betonmischfahrzeugen abgewickelt; diese dürften vom Grundstück der Klägerin aus - wenn auch nur eingeschränkt - wahrnehmbar gewesen sein. Diese während der Bauphase bestehenden Beobachtungsmöglichkeiten führen entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde und der Beigeladenen nicht dazu, von einer fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin auszugehen. Zum einen ist die Anstoßwirkung dieser Maßnahmen hier aufgrund der konkreten topographischen Verhältnisse bereits deshalb erheblich reduziert, weil vom Grundstück der Klägerin aus gesehen nicht auszuschließen war, dass der Kran und der Baustellenverkehr von einer etwaigen Baustelle im südwestlich gelegenen Industriegebiet von ... herrührten. Zum anderen lassen sich aus den genannten Umständen nicht ausreichende Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung der Klägerin entnehmen. Die Masse des angelieferten Betons und die einjährige Benutzung eines üblichen Baukrans deuten allerdings auf ein ungewöhnlich großes Bauvorhaben hin. Da sich das Baugrundstück zudem im Außenbereich befindet, war es aus Sicht des Nachbarn naheliegend, dass ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 BauGB mit potenziell weitgehenden Beeinträchtigungen der Nachbarschaft errichtet wird. All diese Umstände geboten jedoch auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt für die Klägerin nicht den Schluss, dass ein immissionsschutzrechtlich genehmigter Sprengstoffbunker mit mehreren 100 Meter weit reichenden Abstandserfordernissen errichtet wurde. Je weniger ein Vorhaben dem üblichen Erwartungshorizont entspricht, d.h. je exotischer der verfolgte Nutzungszweck ist und je ungewöhnlicher das Ausmaß der Abstandsanforderungen an die Nachbarschaft sind, um so höher sind die Anforderungen an die Annahme anzusetzen, der von dem Vorhaben Betroffene müsste sich gleichwohl von sich aus die Kenntnis von der Natur des Vorhabens verschaffen. Von daher liegt es ungeachtet der grundsätzlichen Zulässigkeit der Genehmigungserteilung im vereinfachten Verfahren im wohlverstandenen eigenen Interesse der Genehmigungsbehörde und des Vorhabenträgers zur Vermeidung etwaiger - wie hier - erst viel später auftretender Konflikte um die Bestandskraft der Genehmigung jedenfalls die erkennbar unmittelbar betroffene Nachbarschaft über das Vorhaben zu informieren. Dem entspricht auf Seiten der Nachbarschaft eine gewisse berechtigte Erwartung einer wenigstens formlosen Unterrichtung über ein solches Vorhaben. Deshalb durfte die Klägerin gerade auch aufgrund des Umstandes, dass sie im Genehmigungsverfahren weder förmlich beteiligt noch angehört wurde, davon ausgehen, dass etwa wahrgenommene Baumaßnahmen sie nicht in eigenen Belangen tangieren können.
47 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Errichtung des Sprengstoffbunkers jedenfalls von den höher gelegenen Betriebseinrichtungen auf dem Grundstück der Klägerin zu erkennen gewesen sein dürfte. Zum Zeitpunkt der Augenscheinseinnahme im Jahre 2011 war der Bunker ab einem Höhenniveau von etwa 15 m zu erkennen; zur Zeit der Errichtung dürfte die Erkennbarkeit eher noch besser gewesen sein. Zwar bestand nach dem Vortrag der Klägerin eine vergleichbare Möglichkeit zur Begehung von Betriebseinrichtungen auch bereits im Jahre 1995. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, der mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang steht, werden derartige hochgelegenen Betriebseinrichtungen jedoch lediglich in größeren Intervallen von untergeordnetem technischen Personal betreten, woraus keine Erkenntnismöglichkeit für die maßgeblichen Bediensteten und insbesondere die vertretungsberechtigten Organe der Klägerin hergeleitet werden kann.
48 
1.2.4.3 Aus ähnlichen Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin auch nicht mit Beginn des Betriebs des Sprengstofflagers im Herbst 1996 Kenntnis von der Genehmigung erlangt hat bzw. diese hätte erlangen müssen. Zwar wurden die Aufschüttungen der Bunkerwände erst im November 1996 besät, so dass bei Aufnahme des Betriebs die später gewachsene Begrünung die Sicht auf den Bunker wohl noch nicht verdeckt haben dürfte und die hellen Bunkerwände deutlicher als zum Zeitpunkt des Augenscheins in Erscheinung getreten sind. Zudem liefern nach dem Vortrag der Beigeladenen rote bzw. orangefarbene Lastwagen die eingelagerten Sprengstoffe mit jährlich ca. 200 An- und Abfahrten an. Da aber die vorhandenen Bauten maximal eine Höhe von ca. 5 m erreichen, sind die Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter aus Sicht der Klägerin geringer als während der Bauphase. Auch verläuft der für die An- und Abfahrten genutzte ... Weg vom Grundstück der Klägerin aus gesehen weitgehend verdeckt durch die Bäume der Streuobstwiese bzw. durch die in Dammlage geführte B ... Daraus folgt, dass für den Betrieb des Sprengstofflagers erst recht nicht von der Kenntnis der Klägerin ausgegangen werden kann, wenn das Kennenmüssen für die Bauphase wie oben verneint wird.
49 
1.2.4.4 Zu Unrecht geht die Beigeladene davon aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung im Planfeststellungsverfahren zur Erweiterung der B ... Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bzw. dem Sprengstofflager erlangt hat. Den vom Senat beigezogenen Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum ergänzenden Planfeststellungsverfahren über den vierspurigen Ausbau der B ... zwischen ... und dem Anschluss an die BAB 5 lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Behauptung der Beigeladenen entnehmen, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang Kenntnis von dem neuen Standort des Bunkers erlangt haben könnte. Ausweislich der Planfeststellungsakten kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin aktiv am Verfahren beteiligt oder Einsicht in die entsprechenden Unterlagen genommen hat. Im Übrigen lässt sich den Planfeststellungsakten lediglich entnehmen, dass die neu geplante Trassenführung Flächen des ursprünglichen Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ in Anspruch nimmt, ohne dass freilich in den Vorgängen der ins Auge gefasste neue Standort des Bunkers erwähnt wird. Weitergehende Anhaltspunkte für eine Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... ließen sich auch nicht durch die in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2012 durchgeführte Befragung des Bürgermeisters der Gemeinde ..., Herrn ... ..., als Zeugen gewinnen. Vielmehr ließ sich der Zeuge in jeder Hinsicht glaubhaft und nachvollziehbar dahingehend ein, dass er im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... zwar mehrfach Gespräche mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der Klägerin geführt habe. Im Mittelpunkt dieser Gespräche habe jedoch das von der Gemeinde verfolgte Anliegen gestanden, eine neue Nordzufahrt zu dem Grundstück der Klägerin zu schaffen, wogegen die Klägerin vor allem aus erschließungsbeitragsrechtlichen Gründen Einwände erhoben habe. Zwar habe er in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Verlegung des bestehenden Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ am Rande hingewiesen; er könne jedoch mit hoher Sicherheit ausschließen, dass er gegenüber Organen oder Mitarbeitern der Klägerin den Zielstandort erwähnt habe. Ebenso führte der Zeuge überzeugend aus, dass in der öffentlichen Diskussion in ... zum fraglichen Zeitpunkt die Verlegung des Sprengstoffbunkers keine bedeutende Rolle gespielt habe, nicht zuletzt in Anbetracht wesentlich öffentlichkeitswirksamerer raum- und umweltbezogener Vorhabenplanungen.
50 
1.2.4.5 Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass Organe bzw. Mitarbeiter der Klägerin oder der Firma ... ... ... aufgrund der Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der Gemeinde ... vom 04.11.1996 Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangt haben. Den vorliegenden Behördenakten lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags das in der Vergangenheit genehmigte Sprengstofflager eine Rolle gespielt hat. Dies wurde durch die Zeugenvernehmung des Bürgermeisters ... in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Zeuge hat sich auch in diesem Zusammenhang glaubhaft dahingehend eingelassen, dass er gegenüber Organen und Mitarbeitern der Firma ... ... ... lediglich auf die Notwendigkeit einer Verlegung des Sprengstofflagers hingewiesen, nicht aber dessen neuen Standort thematisiert habe. Im Übrigen hat auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der diese bereits damals bei den Vertragsverhandlungen vertreten hat, versichert, dass ihm gegenüber die Existenz der Genehmigungen nicht erwähnt worden sei. Diese Versicherung des Prozessbevollmächtigten steht dabei nicht im Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen ..., da dieser glaubhaft angegeben hat, dass der Prozessbevollmächtigte an den ersten Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht beteiligt gewesen sei. Da der Senat von der Richtigkeit der Erklärungen des Prozessbevollmächtigten überzeugt ist, war dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag auf Zeugenvernehmung nicht mehr nachzugehen.
51 
1.2.4.6 Auch kann entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Mitwirkung im Verfahren über die Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ sowie über die parallele Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2015 ... ... ... im Jahre 2001 von dem Sprengstofflager und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 10.08.1995 Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Insbesondere das von der Beigeladenen erwähnte Einwendungsschreiben und das Schreiben der IHK vom 12.11.2001 sind nicht an die Klägerin, sondern an die Stadt ... bzw. an die Firma ... ... ... gerichtet. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt von diesen Schreiben Kenntnis erlangt hat. Auch die Beigeladene legt nicht näher dar, dass der Klägerin diese Schreiben zugegangen sein könnten oder sie im Bebauungsplanverfahren anderweitige Kenntnis von der erteilten Genehmigung für den Sprengstoffbunker erlangt hat. Die von der Beigeladenen erwähnte abstrakt bestehende Möglichkeit, Einsicht in die Bebauungsplanakten zu nehmen und dadurch Kenntnis von der Baugenehmigung erhalten zu können, begründet noch keine entsprechende Nachforschungspflicht.
52 
Wie sich einem in der Widerspruchsakte befindlichen Schreiben der Firma ... GmbH vom 12.11.2001 entnehmen lässt, hat ein Mitarbeiter dieser Firma sich im Zuge des Flächennutzungsplanänderungsverfahrens beteiligt und auf ein am 06.11.2001 stattgefundenes Gespräch mit dem Bürgermeister der Gemeinde ... Bezug genommen. Die dabei von den Vertretern der Firma ... unterbreiteten konkreten Änderungsvorschläge bzw. Nachfragen zum Bebauungsplan deuten darauf hin, dass diese die Planunterlagen eingesehen und sich eingehend mit ihnen auseinandergesetzt haben. Dem Anschreiben lassen sich indes keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, dass die Mitarbeiter der Firma ... dabei einen Hinweis auf die Existenz des bestehenden Bunkers und die erteilte Genehmigung erlangt haben. In Übereinstimmung hiermit hat der Zeuge ... in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, im Zuge des Bebauungsplanänderungsverfahrens in ständigem Kontakt mit Mitarbeitern der Firma ... bzw. der Klägerin gestanden zu haben; dabei seien die Belange der Klägerin auch anhand von Planauszügen erörtert worden. Auf entsprechende Nachfrage konnte der Zeuge ... jedoch bestätigen, dass Mitarbeiter der Klägerin bzw. der Firma ... oder deren Rechtsvorgängerin nicht Einsicht in die vollständigen Planunterlagen auf der Gemeindeverwaltung genommen haben.
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Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweiserhebungen ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin - wie von ihr vorgetragen - erstmals im April 2004 Kenntnis von der erteilten Genehmigung des Sprengstofflagers und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen erlangt hat. Der am 11.05.2004 gegen die Genehmigung eingelegte Widerspruch ist nach dem oben Gesagten rechtzeitig erfolgt, da er die Jahresfrist des §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO wahrt.
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1.3 Aus diesen Darlegungen folgt zugleich, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Klägerin ihr verfahrensmäßiges Recht zur Widerspruchseinlegung nicht verwirkt hat. Denn die Verwirkung dieses verfahrensmäßigen Rechts setzt jedenfalls die Erkennbarkeit der Baumaßnahmen voraus. Daneben muss nach dem oben Gesagten ein entsprechendes Umstandsmoment auf der Seite der Beigeladenen bestehen, das die verspätete Wahrnehmung des Rechts als Verstoß gegen Treue und Glauben erscheinen lässt. Letzteres bedarf hier keiner weiteren Klärung, da es bereits an der entsprechenden Erkennbarkeit der Baumaßnahmen und der dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen für die Klägerin fehlt.
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1.4 Entgegen der Annahme der Beigeladenen fehlt der Klägerin nicht die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.
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Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist erforderlich, dass eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten geltend gemacht wird. Die erteilte Genehmigung muss gegen eine Norm verstoßen, die zumindest auch rechtliche Interessen der Klägerin zu schützen bestimmt ist. Ausreichend ist dabei, wenn die Verletzung der drittschützenden Norm durch den angefochtenen Verwaltungsakt möglich erscheint. Die Pflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist nach ständiger Rechtsprechung für Nachbarn drittschützend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.09.1988 - 4 N 1/87 - BVerwGE 80, 184; BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329; Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 BImSchG RdNr. 87 f.). Deren Belange müssen in einer allgemeinen Güterabwägung bei Erteilung der Genehmigung berücksichtigt werden. Nachbar im immissionsschutzrechtlichen Sinne ist, wer sich im Einwirkungsbereich der Anlage, d.h. in einem Bereich, in dem die Immissionen nach Art und Umfang einzelne Personen hervorgehoben treffen können, ständig aufhält oder Rechte an dort befindlichen Sachen inne hat (BVerwG, Urteil vom 22.10.1982 - 7 C 50.78 - NJW 1983, 1507). Der wegen der Sprengstofflager einzuhaltende Schutzabstand zu Wohngebäuden bzw. zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden überschneidet sich zum Teil mit dem Grundstücksbereich der Klägerin, auf dem bauplanungsrechtlich eine Nutzung als Sondergebiet festgesetzt ist. Bei dieser Betrachtung ist es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin danach grundsätzlich zur Überbauung des gesamten Grundstücks berechtigt wäre.
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Fehl geht der Einwand der Beigeladenen, wonach die Klägerin als Grundstückseigentümerin nicht klagebefugt sei, sondern allenfalls sich die Firma ... ... ... als Inhaberin der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in einer wehrfähigen Rechtsposition befinde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Bauplanungsrecht wie auch im Immissionsschutzrecht grundsätzlich der Eigentümer klagebefugt, soweit er sich auf drittschützende Normen berufen kann. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob darüber hinaus auch die Firma ... als Rechtsnachfolgerin der Firma ... ... ... als Inhaberin einer möglicherweise verletzten anderweitigen Genehmigung klagebefugt ist (vgl. zu diesem Problemkreis m.w.N. Happ in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, a.a.O., RdNr. 121 zu § 42 VwGO). Nicht zu folgen vermag der Senat auch der von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren geäußerten Auffassung, dass die Klägerin aufgrund der Vorbelastung ihres Grundstücks durch die im Jahre 1953 bzw. 1958 erteilten Genehmigungen für den Vorgängersprengstoffbunker im Gewann „... ...“ in der Ausnutzbarkeit ihrer Grundstücke der Gestalt eingeschränkt sei, dass eine eigene Rechtsverletzung auszuschließen ist. An die Möglichkeit einer Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO sind nach ständiger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215; Happ in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 93 zu § 42 VwGO - m.w.N.). Davon kann angesichts der komplexen Problematik der Auswirkungen einer etwa bestehenden Vorbelastung aufgrund der in den 60iger Jahren genehmigten Altanlage keine Rede sein.
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1.5 Der Klägerin steht auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse für die erhobene Anfechtungsklage gegen die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu, obwohl der Betrieb des Spanplattenwerkes im Jahre 2010 eingestellt wurde. Zum einen lässt die Einstellung des Betriebs den Bestand der für die Spanplattenfabrik erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unberührt. Denn diese erlischt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erst dann, wenn die Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben wurde. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind die Klägerin bzw. die Firma ... GmbH deshalb noch in der Lage, von der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Gebrauch zu machen. Zum anderen ergibt sich das fortbestehende Rechtsschutzinteresse der Klägerin aus den Festsetzungen des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“, der für die von dem Sicherheitsabstand überdeckten Flächen eine bauplanungsgemäße Nutzung ermöglicht. Das allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlt indes nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann; die Nutzlosigkeit muss also eindeutig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1). Danach hat die Klägerin hier ein schutzwürdiges Interesse an der verfolgten Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Sprengstoffbunker unabhängig davon, ob das genehmigte Spanplattenwerk derzeit betrieben wird.
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Nach alldem ist die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig.
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2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in eigenen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens der letzten Behördenentscheidung (dazu unter 2.1). Zu diesem Zeitpunkt richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeinen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, nicht nach speziellerem Sprengstoffrecht (dazu unter 2.2). Die erteilte Genehmigung für das Sprengstofflager steht mit den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 4 BImSchG und den in diesem Zusammenhang zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht in Einklang (dazu unter 2.3). Schließlich ist der materiell-rechtliche Abwehranspruch der Klägerin gegen das Vorhaben nicht verwirkt (dazu unter 2.4).
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2.1 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der Erlass der letzten Behördenentscheidung, mithin des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Im Zweifel ist bei Anfechtungsklagen der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (im Grundsatz ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 - DVBl. 2000, 1614). Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei der hier in Rede stehenden Drittanfechtungsklage gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgeblich. Entgegen einer in der verwaltungsprozessualen Literatur weithin vertretenen Auffassung (vgl. so etwa Jörg Schmidt in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 58 zu § 113 VwGO) können die für nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen entwickelten Grundsätze nicht auf immissionsschutzrechtliche Drittanfechtungsklagen übertragen werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Baunachbarklage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung unter Ausschluss der Berücksichtigung späterer Änderungen zu Gunsten des Nachbarn, selbst vor Ergehen des Widerspruchsbescheides (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 08.11.2010 - 4 B 43.10 - BauR 2011, 499 - m.w.N.). Angesichts der andersartigen Funktion des Immissionsschutzrechts gegenüber dem Baugenehmigungsverfahren sind diese baurechtlichen Grundsätze auf das Immissionsschutzrecht nicht übertragbar (vgl. etwa VG Gießen, Urteil vom 23.07.1999 - 8 E 1215.98 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.06.2011 - OVG 10 N 39.08 - juris; ähnlich BVerwG, Beschluss vom 10.01.1991 - 7 B 102.90 - NVwZ-RR 1991, 236). Dem Immissionsschutzrecht ist die Abwehr qualitativ andersartiger und schwerer wiegender Gefahrenlagen als im Baurecht eigen. Zudem werden in § 5 BImSchG dynamische Grundpflichten statuiert, die dem Ziel dienen, den Anlagenbetreiber nicht auf die Pflichten zu beschränken, die er im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hatte. Ferner gibt es im Immissionsschutzrecht - im Gegensatz zum Baurecht - keinen Grundsatz dahingehend, dass einem Antragsteller eingeräumte Rechtspositionen trotz Rechtsänderung im Allgemeinen zu belassen oder nur gegen Entschädigung zu entziehen sind (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.05.1982 - 7 C 42.80 - BVerwGE 65, 313). Die baurechtlichen Grundsätze können daher auch dann nicht auf das Immissionsschutzrecht übertragen werden, wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit einer Anlage - wie hier - vornehmlich an baurechtlichen Normen zu prüfen ist. Abzustellen ist deshalb auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006, ohne dass danach zu differenzieren ist, ob etwaige Rechtsänderungen zu Ungunsten der Beigeladenen eingetreten sind. Dies hat insbesondere zur Konsequenz, dass nachfolgend auch das Inkrafttreten des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 zu berücksichtigen ist.
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2.2 Zum nach dem oben Gesagten maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums am 02.08.2006 richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeineren Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. Ziff. 9.35 - Spalte 2 - des Anhangs zur 4. BImSchV, nicht nach der spezielleren Norm des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG (in der Fassung vom 15.06.2005, BGBl. I S. 1626). Das Verhältnis zwischen der immissionsschutzrechtlichen und der sprengstoffrechtlichen Genehmigung regelt § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG a.F. nur partiell. Danach ist die sprengstoffrechtliche Genehmigung für solche Sprengstofflager subsidiär, die Bestandteil einer Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind. Es handelt sich vorliegend indes um ein selbständiges Lager und nicht um Bestandteile einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist die ungeregelte Kollision der Genehmigungsverfahren nicht entsprechend der konkurrierende Planfeststellungserfordernisse regelnden Bestimmung des § 78 Abs. 2 LVwVfG zu lösen. Danach ist die Genehmigung mit dem weitesten Prüfungsumfang vorrangig (vgl. etwa Odendahl, NVwZ 2002, 686, 687; offengelassen etwa von OVG Berlin, Beschluss vom 20.10.2000 - 2 S 9.00 - juris). Richtigerweise muss § 17 Abs. 1 Satz 3 BImSchG erst recht gelten, wenn das Lager selbst immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig ist (so etwa auch Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 13 RdNr. 6 a). Der Zuständigkeitsabgrenzung in § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass die Prüfung sprengstoffrechtlicher Gefährdungen durch die umfassendere Prüfung im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens besser erfasst wird. Dieser Auffassung entspricht auch die novellierte Fassung von § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG mit Wirkung zum 01.03.2010 (Gesetz vom 11.08.2009, BGBl. I, S. 2723). Die Änderung ist ausweislich der Gesetzesmaterialien als bloße Klarstellung zu verstehen (Gesetzentwurf zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU - BT-Drs. 16/12277, S. 11). Somit ist dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 4 BImSchG Priorität einzuräumen.
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2.3 Die Voraussetzungen für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 4 BImSchG lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Zwar war das vereinfachte Genehmigungsverfahren gemäß § 19 BImSchG zulässig, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. c i.V.m. Nr. 9.35 Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV sowie § 3 b Abs. 1 UVPG, Ziff. 10.1 und 10.2 Anhang I). Die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen lagen indes nicht vor. Die Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn die sich aus § 5 ergebenden Anforderungen erfüllt sind und dem nicht andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Danach - ferner auch in Folge der Konzentrationswirkung des § 13 Satz 1 BImSchG - erstreckt sich die immissionsschutzrechtliche Prüfung auch auf Normen des Sprengstoffgesetzes (dazu unter 2.3.1) und des Baugesetzbuchs (dazu unter 2.3.2).
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Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG muss sichergestellt sein, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG müssen genehmigungsbedürftige Anlagen so errichtet und betrieben werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Aus dem Begriff der Erheblichkeit folgt, dass unzumutbare Beeinträchtigungen vermieden werden sollen. Es ist eine Abwägung von Rechtsgütern des Anlagenbetreibers einerseits und der Nachbarschaft andererseits vorzunehmen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist, soweit er die „Nachbarschaft“ vor schädlichen Umwelteinwirkungen schützt, daher eine spezielle gesetzliche Ausprägung des Rücksichtnahmegebots (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Folglich entspricht der Schutz des Nachbarn durch Bauplanungsrecht dem durch die immissionsschutzrechtlichen Normen vermittelten Schutz (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Soweit sich ein Nachbar auf sprengstoffrechtliche Vorschriften berufen kann, ist dies in gleicher Weise im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Regelungen des Baugesetzbuchs oder Sprengstoffgesetzes bedingt folglich zugleich einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.
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2.3.1 Die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstößt bei isolierter Betrachtung nicht gegen die Anforderungen des Sprengstoffgesetzes.
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Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 SprengG ist eine sprengstoffrechtliche Genehmigung zu versagen, wenn keine Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Maßnahmen, getroffen werden. Was in Bezug auf die Aufbewahrung von explosionsgefährdeten Stoffen Stand der Technik ist, wird nach § 6 Abs. 2 SprengG durch den Anhang zu § 2 der 2. SprengV (i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.09.2002, BGBl. I, S. 3543) bestimmt, vgl. §§ 1, 2 Abs. 1 SprengV.
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Welche - für den Nachbarschutz relevanten - Schutzabstände einzuhalten sind, regelt Ziff. 2.2.2 Absatz 1 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV. Für Abstände zu Wohnbereichen und Verkehrswegen verweist die Vorschrift auf die Anlage 1 zum Anhang. Gemäß Ziff. 1.12 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV stehen Gebäude und Anlagen mit Räumen, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Personen bestimmt und geeignet sind, bewohnten Gebäuden gleich. Gemäß Ziff. 2.1 der Anlage 1 zum Anhang ist für die Lagergruppe 1.1 betreffend der Abstände zu Wohneinheiten die Formel E = 22 x M1/3 und zu Verkehrswegen die Formel E = 15 x M1/3 einzuhalten. E bezeichnet den kürzesten Abstand in Meter, M die Lagermenge in Kilogramm. Nach der ursprünglich erteilten Genehmigung dürfen in den Lagerbunkern jeweils 25 t Explosivstoffe und Gegenstände mit Explosivstoffen der Lagergruppen 1.1, 1.3 und 1.4 eingelagert werden. Da die Lagergruppe 1.1 von den genannten den größten Sicherheitsabstand erfordert, ist gemäß Ziff. 2.2.2 Abs. 4 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV die Formel für diese auf die Gesamtmasse anzuwenden. Somit ist ein Sicherheitsabstand von 643,28 m (Abstand zu Wohngebäuden) und von 438,6 m (Abstand zu Verkehrsflächen) einzuhalten.
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Jedoch hat die Immissionsschutzbehörde eine Ausnahme nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der 2. SprengV (a.F.) in der Genehmigung des Vorhabens zugelassen. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde auf schriftlichen Antrag Ausnahmen von den Vorschriften des Anhangs zu dieser Verordnung zulassen, wenn eine andere, ebenso wirksame Maßnahme getroffen wird. Aus der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 05.10.2005 sowie der ergänzenden Auskunft vom 24.01.2007 ergibt sich, dass Grundlage der oben genannten Formel die Annahme ist, die Druckwelle bei einer etwaigen Explosion werde sich gleichmäßig ausbreiten. Durch Seiten- und Rückwände aus Stahlbeton oder eine Erdüberschüttung der Bunker ließen sich jedoch die Auswirkungen einer Detonation vermindern. Da diese Ausführung aber nicht bei der Bemessung des gesetzlichen Schutzabstandes herangezogen wurde, könne die Formel K = 13,5 x M1/3 angewendet werden. Daraus ergibt sich ein Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden. Auf diese Formel stützt sich bereits das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.04.1995 (S. 5); zugleich wurde zu Verkehrswegen mit dem Faktor 9,2 ein Schutzabstand von 269 m errechnet. Dass die Genehmigungsbehörde sich zunächst auf § 3 Abs. 2 der 2. SprengV ( a.F.) berufen hatte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich. Denn das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung wurde ausdrücklich zum Bestandteil der Genehmigung gemacht. Diesem Gutachten lag aber bereits die genannte Formel mit einem Faktor von 13,5 zugrunde, so dass der Genehmigung die notwendigen Erwägungen für die Gestattung einer Ausnahme zugrunde liegen. Dadurch sind die nach dem Stand der Technik erforderlichen Schutzabstände zu den tatsächlich auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Gebäuden gewahrt. Die Genehmigung steht insoweit mit § 17 Abs. 1 SprengG in Einklang.
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2.3.2 Die Genehmigung verstößt jedoch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
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2.3.2.1 Welche Immissionen für Nachbarn im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zumutbar sind, ergibt sich nicht primär aus den tatsächlichen Gegebenheiten des Gebiets, sondern vor allem aus infolge von planungsrechtlichen Vorgaben möglichen Nutzungen (BVerwG, Urteil vom 22.03.1985 - 4 C 63.80 - BVerwGE 71, 150; Urteil vom 24.04.1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143; BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246). Unzumutbar und damit erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind die Immissionen und sonstigen Gefahren, die mit den für den Einwirkungsort geltenden nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans unvereinbar sind. Mit dem Inkrafttreten des maßgeblichen Bebauungsplans erlangen die Eigentümer der Grundstücke im Plangebiet eine Position, aufgrund derer sie darauf vertrauen können, dass eine nachfolgende heranrückende bauliche Nutzung auf Nachbargrundstücken auf die nach dem Bebauungsplan einmal gegebene Nutzbarkeit ihrer Grundstücke Rücksicht nehmen muss. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Grundstücke später tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut und genutzt werden, oder ob für die Bebauung und Nutzungen Ausnahmen und Befreiungen erteilt worden sind, denn der Eigentümer eines Grundstücks in einem festgesetzten Bebauungsplangebiet kann allgemein darauf vertrauen, dass spätere Planungen und Baugenehmigungserteilungen die erforderliche Rücksicht auf das - insgesamt schutzbedürftige und schutzwürdige - festgesetzte Baugebiet nehmen werden. Mit der Anerkennung des Bebauungsplans als normative Bestimmung der Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft im Einwirkungsbereich emittierender Anlagen gewährleistet das Immissionsschutzrecht, dass der Bebauungsplan die ihm in § 1 BauGB zugedachte Aufgabe erfüllen kann, eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu erreichen und dauerhaft zu sichern. Würde das Immissionsschutzrecht die Schutzwürdigkeit im Regelfall nach der tatsächlichen baulichen Nutzung bestimmen, stünde dies im Widerspruch zu den Zielen des Baugesetzbuchs (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Entscheidend ist deshalb, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 Festsetzungen von Bebauungsplänen verletzt. Da nach dem oben Gesagten maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Drittanfechtungsklage der der letzten Verwaltungsentscheidung ist, kommt es - soweit dieser wirksam ist - auf den am 20.05.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ an.
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2.3.2.2 Der Bebauungsplan setzt für das Grundstück der Klägerin ein Sondergebiet (SO1) im Sinne von § 9 a BauGB, § 11 Abs. 2 BauNVO fest. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB wurden zudem in dem der B... nächstgelegenen Teil A die Nutzung „Silos für Sägespäne“, im Teil B „Spanplattenwerk Lagerhaltung, Veredelung (einschließlich Schleifen), Vertrieb und Verwaltung“ und im Übrigen „Spanplattenwerk Lagerflächen, einschließlich Hacker- und Förderanlagen, Lkw-Parkplatz-Anlage, einschließlich Waage und Gebäude mit Sanitär- und Aufenthaltsräumen, Pförtnerloge“ festgesetzt. Der sprengstoffrechtlich erforderliche Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden verhindert jedenfalls die nach dem Bebauungsplan zulässige Nutzung des Grundstücksteils B für Vertrieb und Verwaltung, soweit ständige Arbeitsplätze eingerichtet werden sollen. Wie sich der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.01.2007 entnehmen lässt, ist nach der Auffassung der Fachbehörde auch eine bebauungsplangerechte Nutzung des als Teil A bezeichneten Geländes erheblich eingeschränkt.
73 
Der Umfang der zulässigen Bebauung wird durch den Hinweis unter C. Ziff. 7 im Bebauungsplan nicht eingeschränkt. Denn rechtsverbindliche Wirkung haben lediglich Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB, wohingegen der Begründung des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 8 BauGB) kein Satzungscharakter zukommt (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 97. Ergänzungslieferung 2010, § 9 RdNr. 6). Während die Festsetzungen die zulässigen Vorhaben rechtsverbindlich einschränken und konkretisieren, dient die Begründung lediglich der Erläuterung und der Überprüfbarkeit des Abwägungsprozesses. Der Hinweis enthält jedoch keine Regelung zur Umschreibung der zulässigen Bauvorhaben. Er verweist lediglich auf Beschränkungen, die sich aus Umständen ergeben, welche außerhalb des Bebauungsplans liegen. Der Hinweis steht daher der Erläuterung und Begründung näher. Die Begründung kann aber nicht die rechtsverbindlichen Bebauungsplanfestsetzungen aushebeln. Folglich schränkt die Genehmigung des Sprengstofflagers die grundsätzlich zulässige Nutzung des Grundstücks der Klägerin ein.
74 
2.3.2.3 Der maßgebliche Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 ist wirksam; er verstößt weder gegen das Gebot der Erforderlichkeit der Planung noch gegen das Abwägungsgebot.
75 
Der Bebauungsplan ist nicht wegen Verstoßes gegen das in § 1 Abs. 3 BauGB normierte Gebot der Erforderlichkeit nichtig. Die Gemeinde darf keinen Bebauungsplan aufstellen, der aus Rechtsgründen nicht vollzugsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Davon ist auszugehen, wenn die Realisierung des Bebauungsplans zwangsläufig an rechtlichen Hindernissen scheitern müsste. Demgegenüber ist der Bebauungsplan vollzugsfähig und wirksam, wenn die Konflikte durch angemessene Auflagen oder sonstige Beschränkungen überwunden werden können. Die Festsetzung des Gebiets scheitert nicht in ihrer Gesamtheit. Lediglich ein Teilabschnitt der Fläche, die als Sondergebiet ausgewiesen ist, kann nicht wie im Bebauungsplan vorgesehen ausgenutzt werden. Es handelt sich somit um eine Beschränkung und nicht um eine Aufhebung der Vollzugsfähigkeit. Daher bleibt die Festsetzung im Bebauungsplan erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB.
76 
Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Dies wäre der Fall, wenn im Rahmen der planerischen Abwägung die Schutzwürdigkeit der auf dem Grundstück der Klägerin zulässigen Bebauung verkannt und damit falsch beurteilt worden ist. Die Schutzabstände des Sprengstofflagers waren auch dann zu berücksichtigen, wenn dessen Genehmigung rechtswidrig erfolgt sein sollte. Denn für die Bauleitplanung sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich (vgl. Söfker, a.a.O., § 1 RdNr. 193). Die Unvereinbarkeit von zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden im Gebiet SO1 und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Beigeladenen wurde zwar im Bebauungsplanverfahren behandelt. Dieser Umstand hat jedoch in den rechtsverbindlichen Festsetzungen keinen Eingang gefunden. Die Konfliktlage spiegelt sich nicht im Abwägungsergebnis wieder.
77 
Es ist jedoch in Grenzen zulässig, die Lösung von Konflikten nachfolgenden Genehmigungsverfahren zu überlassen (Konfliktverlagerung). Die planende Gemeinde darf auf eine abschließende Konfliktlösung im Bebauungsplan verzichten, wenn diese außerhalb des Planverfahrens im Rahmen der Verwirklichung der Planung sichergestellt und zu erwarten ist. Dafür muss jedoch eine sachgerechte Konfliktlösung durch die Behörde hinreichend sicher abschätzbar sein. Bleibt das Problem zu Lasten des Betroffenen ungelöst, ist das Gebot der umfassenden Konfliktlösung verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.03.1988 - 4 C 56.84 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30; Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - BVerwGE 69, 30). Dem liegt zugrunde, dass eine Überfrachtung des Bebauungsplans vermieden werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - a.a.O.). Wie sich aus dem vorgenannten Hinweis C im Bebauungsplan ergibt, ging die Gemeinde ... aufgrund der Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamts ... per E-Mail vom 26.04.2004 davon aus, dass dem Schutzabstand uneingeschränkt Vorrang einzuräumen ist. Dieser sei sodann im Genehmigungsverfahren wegen § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu berücksichtigen. Folglich durfte die Gemeinde damit rechnen, dass der Konflikt sachgemäß im Genehmigungsverfahren zu lösen ist. Ferner hat die Gemeinde durch den Verzicht auf die Festsetzung eines Schutzabstands dem Vertrauensschutz der Klägerin Rechnung getragen. Zwar besteht kein Anspruch auf Aufstellung und Bewahrung eines Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB); jedoch hat die vorherige Überplanung der Grundstücke durch den Bebauungsplan von 1983 in den Abwägungsvorgang nach § 1 Abs. 7 BauGB Eingang zu finden. Der Bebauungsplan ist somit nicht wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot unwirksam.
78 
2.3.2.4 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Beklagten werden die durch den Bebauungsplan eingeräumten Rechte zu Gunsten der Klägerin nicht infolge einer Vorbelastung ihres Grundstücks eingeschränkt. Der im Gesetz unerwähnte Begriff der Vorbelastung wurde zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der unzumutbaren Beeinträchtigung entwickelt (BVerwG, Urteil vom 21.05.1976 - IV C 80.74 - BVerwGE 51, 15). Aufgrund bestehender Umwelteinflüsse kann sich das Maß des für Nachbarn Zumutbaren verändern. Vorliegend könnte daran gedacht werden, dass das Grundstück der Klägerin schon immer mit den Schutzabständen zu den Sprengstoffbunkern belastet war. Wie die Beigeladene im Widerspruchsverfahren darlegte, betrieb sie in der Vergangenheit auf der Grundlage von Gestattungen aus dem Jahre 1953 bzw. 1957 ein Sprengstofflager im Gewann „... ...“, welches ebenfalls mit erheblichen Abstandsanforderungen verbunden gewesen sein dürfte. Somit dürfte die Ausnutzbarkeit des Grundstücks der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vorgängerbebauungsplanes aus dem Jahre 1983 eingeschränkt gewesen sein.
79 
Selbst wenn der Bebauungsplan im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der zu dem ehemaligen Sprengstofflager einzuhaltenden Abstände an einem Abwägungsfehler litte, wäre dieser jedoch unbeachtlich. Nach § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB finden die derzeit geltenden Vorschriften zur Planerhaltung grundsätzlich rückwirkend auf Bebauungspläne Anwendung, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. BBauG in Kraft getreten sind. Darüber hinaus sind gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden. Daraus folgt, dass insbesondere bei Abwägungsmängeln nicht nur die §§ 214, 215 BauGB in ihrer derzeitigen Fassungen gelten, sondern dass frühere Regelungen fortgelten.
80 
Maßgeblich für die vor dem Inkrafttreten des Baugesetzbuches zum 01.07.1987 bekannt gemachten Bebauungspläne bleibt daher die Überleitungsvorschrift des § 244 Abs. 2 BauGB 1978 (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.1998 - 4 BN 50.98 - Buchholz 406.11 § 244 BauGB Nr. 3). Nach dieser Vorschrift sind Mängel der Abwägung von Flächennutzungsplänen und Satzungen, die vor dem 01.07.1987 bekannt gemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren nach dem 01.07.1987 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, wobei der Sachverhalt, der die Mängel begründen soll, darzulegen ist. Dem steht nicht entgegen, dass § 244 Abs. 2 BauGB 1987 durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG - gestrichen wurde. Die Aufhebung der Vorschrift erfolgte, da sie nach Auffassung des Gesetzgebers ihren Zweck erfüllt hatte. Der Geltungsanspruch der Vorschrift sollte nicht rückwirkend entfallen. Dies ergibt sich im Übrigen aus § 233 Abs. 3 BauGB, wonach auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. des BBauG wirksame oder übergeleitete Pläne, Satzungen und Entscheidungen fortgelten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1999 - 8 S 1625/99 - VBlBW 2000, 394). Für den vor dem 01.07.1987 bekanntgemachten Bebauungsplan „...-...“ sind danach nur Abwägungsmängel beachtlich, die vor dem 01.07.1994 geltend gemacht worden sind. Da die von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren behauptete Nichtberücksichtigung der Sicherheitsabstände zu dem ehemaligen Sprengstofflager bisher nicht gegenüber der planenden Gemeinde geltend gemacht worden ist, wäre ein entsprechender Abwägungsmangel gemäß § 244 Abs. 2 BauGB a.F. i.V.m. § 233 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BauGB unbeachtlich und würde nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führen.
81 
Unabhängig hiervon war zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Vorbelastung durch etwa einzuhaltende Sicherheitsabstände zum ehemaligen Sprengstofflager im Gewann „... ...“ entfallen. Denn dessen Genehmigung erlosch gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, weil die Vorgängeranlage nach Verlegung an den heutigen Standort für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben worden war.
82 
2.4 Nach dem oben unter 1.2 Ausgeführten scheidet hier die materiell-rechtliche Verwirkung des nachbarschützenden Abwehranspruchs gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG aus (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - a.a.O.). Dieses Rechtsinstitut setzt neben einem Zeitablauf seit der Entstehung des Rechts voraus, dass besondere Umstände die Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Eine materiell-rechtliche Verwirkung scheidet hier bereits deshalb aus, weil nach dem oben Gesagten die Klägerin auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt keine Kenntnis von dem Bauvorhaben und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen hat erlangen müssen.
83 
Nach alldem hat die Berufung der Klägerin auch in der Sache Erfolg.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
85 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Insbesondere ist in der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallübergreifend abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen sich ein Nachbar in Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO so behandeln lassen muss, als ob ihm eine Genehmigung zugestellt worden wäre.

Tenor

I.

Nrn. I und II des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. Juli 2014 werden geändert. Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die Beigeladene wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die vom Verwaltungsgericht verfügte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Landratsamts W. vom 26. September 2013 (in der derzeitigen Fassung), mit dem der Beigeladenen Bau und Betrieb einer Windkraftanlage genehmigt wurden und der mit Bescheid vom 1. Juli 2014 für sofort vollziehbar erklärt worden war.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke FlNrn. 16000 und 1917 der Gemarkung O. sowie FlNr. 19000 der Gemarkung H. Die Grundstücke FlNrn. 1917 und 16000 liegen nördlich bzw. nordwestlich des Grundstücks FlNr. 3548 der Gemarkung H. (Baugrundstück) und sind nur durch einen Flurweg von diesem getrennt. Das Grundstück FlNr. 19000 schließt sich im Westen des Baugrundstücks, von diesem ebenfalls durch einen Feldweg getrennt, auf eine Länge von ca. 70 m an. Das Baugrundstück ist in Nord-Süd-Richtung ca. 400 m lang und zwischen 155 m (im Norden) und 250 m (im Süden) breit. Ein Teil des ca. 8,2 ha großen Baugrundstücks ist im Flächennutzungsplan der Gemeinde H. als Sondergebiet für Windkraftanlagen dargestellt.

Der Turm der genehmigten Windkraftanlage soll am Mastfuß einen Durchmesser von 10,73 m haben, an der Nabe 135 m hoch und die Windkraftanlage insgesamt - bei einem Rotordurchmesser von 101 m - ca. 186 m hoch sein (mit dem Änderungsbescheid vom 5.3.2014 wurde eine Erhöhung des Fundaments um ca. 1 m genehmigt). Der Abstand von der Rotorspitze bis zum Mittelpunkt des Mastes beträgt 6 m. In Nr. III der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, welche die Baugenehmigung einschließt (Nr. II des Bescheids), wird „die Abweichung von den Abstandsflächen [wird] gemäß Art. 63 BayBO zugelassen“. Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wurde - außer zwei Gemeinden als Eigentümer der angrenzenden Flurwege - keiner der Grundstücksnachbarn beteiligt, eine Ausfertigung der Genehmigung wurde ihnen nicht zugestellt; die Antragstellerin erhielt auf Anforderung am 27. Juni 2014 eine solche Ausfertigung.

Die streitgegenständliche Windkraftanlage wird derzeit errichtet; die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Gegen die Genehmigung vom 26. September 2013 hat die Antragstellerin am 1. Juli 2014 Anfechtungsklage erhoben (W 4 K 14.604), über die noch nicht entschieden worden ist.

Nachdem sich die Antragstellerin zunächst außergerichtlich gegenüber der Beigeladenen und dem Landratsamt gegen die Windkraftanlage gewandt hatte, ordnete das Landratsamt auf Antrag der Beigeladenen vom 30. Juni 2014 mit Bescheid vom 1. Juli 2014 die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 26. September 2013 an. Hiergegen begehrte die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 1. Juli 2014.

2. Mit Beschluss vom 10. Juli 2014 gab das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung statt und führte hierzu im Wesentlichen aus: Die Begründung der Sofortvollzugsanordnung im Bescheid vom 1. Juli 2014 sei rechtlich bedenklich, weil sie praktisch nur in der Übernahme der von der Beigeladenen vorgebrachten Antragsbegründung bestehe und keine auf den Einzelfall bezogenen, konkreten Erwägungen für die Entscheidung, den Suspensiveffekt auszuschließen, enthalte. Zudem spreche viel dafür, dass die streitgegenständliche Genehmigung gegen nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts verstoße. Die notwendigen Abstandsflächen mit einer Tiefe von 191,5 m (185,5 m + 6,0 m ab dem Mastmittelpunkt) kämen am geplanten Standort nach allen Seiten (ausgenommen nach Süden) auf fremden Grundstücken zu liegen. Die vom Landratsamt unter Nr. III der Genehmigung erteilte Abweichung von den gesetzlichen Abstandsflächen sei wohl zu unbestimmt, weil insbesondere für die Grundstücksnachbarn nicht verständlich sei, gegenüber welchem Grundstück bzw. welchen Grundstücken und in welchem Ausmaß eine Abweichung von den gesetzlichen Abstandsflächen zugelassen werde. Zudem sei angesichts des großen Grundstücks (ca. 8,2 ha) fraglich, ob die für die Erteilung einer Abweichung erforderliche Atypik vorliege. Jedenfalls aber sei die Ermessensausübung des Landratsamts bei der Zulassung von Abweichungen von den Abstandsflächen ungenügend und gehe insbesondere auf die Belange der Antragstellerin nicht ein, die westlich und nördlich des Baugrundstücks keine „einfachen“ Landwirtschaftsflächen habe, sondern dort - nur 80 m von der Windkraftanlage entfernt - auf größeren Flächen Spalierobst anbaue und u. a. geltend mache, der Ernteertrag werde durch die von der Windkraftanlage ausgehenden Beeinträchtigungen gemindert und die Obstplantage könne - z. B. bei einem Unfall der Windkraftanlage - gefährdet werden. Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankomme, sei - im Hinblick auf in den Akten vorhandene diesbezügliche Unterlagen und Stellungnahmen - auch zweifelhaft, ob die Genehmigung mit den Belangen des Naturschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) im Allgemeinen und mit dem artenschutzrechtlichen Tötungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) im Speziellen vereinbar sei und ob Beeinträchtigungen der Belange der Wasserwirtschaft (Standort der Anlage im Fallbereich der Fernwasserleitung) dem Vorhaben entgegenstünden.

Einen Antrag der Beigeladenen auf Änderung des Beschlusses vom 10. Juli 2014 nach § 80 Abs. 7 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. Juli 2014 ab.

3. Die Beigeladene hat Beschwerde eingelegt und beantragt, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. Juli 2014 zu ändern und (sinngemäß) den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin abzulehnen. Nach Einlegung der Beschwerde hat das Landratsamt mit Bescheid vom 31. Juli 2014 die streitgegenständliche Genehmigung vom 26. September 2013 in Nr. III und Nr. IV des Tenors sowie in Nr. II.6 der Begründung ergänzt.

4. Der Antragsgegner hat sich mit Schriftsatz vom 11. August 2014 geäußert, aber keinen Antrag gestellt. Die Antragstellerin verteidigt den Beschluss des Verwaltungsgerichts und hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsverfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist begründet.

Sie betrifft im Kern die Frage, ob die sofortige Vollziehung der die Beigeladene begünstigenden, die Antragstellerin - als sog. „Dritte“ - nach ihrem Vortrag aber belastenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zu Recht fortbestehen kann. Bei Drittanfechtungsklagen stehen sich i.d.R. konkrete Rechtspositionen Privater gegenüber, die grundsätzlich gleichrangig sind. Die Frage, wer hier bis zur Hauptsacheentscheidung das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen tragen muss, bestimmt sich in erster Linie nach dem materiellen Recht, also den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs. Art. 19 Abs. 4 GG lässt sich nicht entnehmen, dass hier eine der beiden Rechtspositionen bevorzugt wäre oder dass für ihre sofortige Ausnutzung zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse vorliegen müsste. Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs im Eilrechtsschutzverfahren kommt es indes nicht allein auf die objektive Rechtswidrigkeit an. Vielmehr sichert Art. 19 Abs. 4 GG dem Einzelnen (nur) Rechtsschutz für die Verletzung seiner Rechte durch die öffentliche Gewalt und erlaubt dem Bürger gerade keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwaltung, sondern trifft eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz (BayVGH, B.v. 4.9.2013 - 22 AS 13.40052 - NVwZ-RR 2014, 36; BVerfG, B.v. 1.10.2008 - 1 BvR 2466/08 - BayVBl 2009, 398, juris Rn. 21 und 22, m. w. N.).

Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet im Beschwerdeverfahren nach denselben Regeln wie im erstinstanzlichen Verfahren (allerdings mit der thematischen Beschränkung auf die dargelegten Gründe gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), nach eigener Interessenabwägung auf der Grundlage der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens darüber, ob der Beschluss des Verwaltungsgerichts aufrechtzuerhalten oder zu ändern ist (BayVGH, B.v. 15.10.2012 - 22 CS 12.2110 u. a., juris Rn. 6, m. w. N.). Vorliegend können die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage noch nicht abschließend beurteilt werden. Die gebotene Interessenabwägung führt dazu, vorläufig den Belangen der Beigeladenen den Vorzug zu geben und dementsprechend den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.

1. Die vom Landratsamt gegebene Begründung für die mit Bescheid vom 1. Juli 2014 angeordnete sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 26. September 2013 ist ausreichend. Das Verwaltungsgericht weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Begründung besondere, auf den Einzelfall bezogene konkrete Gründe erfordert, welche die anordnende Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen; dies bezweckt unter anderem, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen zu führen und sie zu veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen (Warnfunktion), ob wirklich ein besonderes öffentliches - oder auch privates - Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (BayVGH, B.v. 24.3.1999 - 10 CS 99.27 - BayVBl 1999, 465). Andererseits dürfen - was das Verwaltungsgericht gleichfalls erkannt hat - an die Begründung keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere handelt es sich im Falle von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur um ein formelles Begründungserfordernis, so dass im Rechtsbehelfsverfahren das Gericht nicht die inhaltliche Tragfähigkeit der für die Anordnung des Sofortvollzugs gegebenen Begründung hinterfragt, sondern - nach den oben dargelegten Grundsätzen - prüft, ob der konkrete Einzelfallbezug gegeben ist. Übernimmt - wie vorliegend - die Behörde weitestgehend eine vom Genehmigungsinhaber vorformulierte Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung, so rechtfertigt dies nicht ohne weiteres die Folgerung, die Behörde sei sich des Ausnahmecharakters der Sofortvollzugsanordnung nicht bewusst gewesen und habe deren Erforderlichkeit nicht hinreichend geprüft. Maßgebend war im konkreten Fall die Einschätzung des Landratsamts, der angefochtene Genehmigungsbescheid sei offensichtlich rechtmäßig und die Anfechtungsklage der Antragstellerin sei demgemäß offensichtlich ohne Erfolgsaussicht. Dass dem ein Verfahrensfehler vorausgegangen war, weil das Landratsamt den Kreis der immissionsschutzrechtlich und baurechtlich als „Nachbarn“ anzusehenden Grundstückseigentümer zu klein gezogen hatte, wirkt sich möglicherweise auf die inhaltliche Richtigkeit der Begründung, aber nicht darauf aus, dass dem Erfordernis einer formellen Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt ist.

2. Bedenken gegen die hinreichende inhaltliche Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) der angegriffenen Genehmigung bestehen nicht (mehr). Streitgegenständlich ist nunmehr der Bescheid vom 26. September 2013 in der Fassung, die er (außer durch den Änderungsbescheid vom 5.3.2014 auch) durch den Ergänzungsbescheid vom 31. Juli 2014 erhalten hat. Mit diesem Bescheid hat das Landratsamt die von den Abweichungen betroffenen Grundstücke und das Ausmaß der zugelassenen Abweichungen genau bezeichnet (Nr. III des Bescheidstenors vom 26.9.2013; Nr. I des Ergänzungsbescheids: Verringerung der - grds. gesetzlich gebotenen - Abstandsflächentiefe von 192,7 m um den Mastmittelpunkt auf einen Radius von nunmehr 52,0 m); es hat der Antragstellerin zudem (wie der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 11.8.2014 unwidersprochen vorgetragen hat) den Abstandsflächenplan - da eine Übermittlung per Telefax nicht möglich gewesen sei - per Post übersandt.

3. Entscheidungserhebliche Fehler des Verwaltungsverfahrens bestehen wohl nicht mehr. Zwar hat das Landratsamt rechtsfehlerhaft die Antragstellerin nicht am Genehmigungsverfahren beteiligt. Es war offensichtlich, dass durch das genehmigte Vorhaben nachbarschützende Abstandsflächenvorschriften nicht eingehalten werden und dass durch die zugelassenen Abweichungen demgemäß subjektiv-öffentliche Rechte der Antragstellerin geschmälert werden. Damit war es geboten, die Antragstellerin vor der Zulassung von Abweichungen von den Abstandsflächen anzuhören (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG); die verfahrensrechtlichen Anforderungen nach Art. 66 BayBO dagegen gelten entgegen der Ansicht der Antragstellerin aufgrund der formellen Konzentrationswirkung (§ 13 BImSchG) der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht (Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 9; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 13 Rn. 18). Die unterlassene Anhörung der Antragstellerin ist vorliegend aber dadurch geheilt worden, dass das Landratsamt das Antrags- und Klagevorbringen der Antragstellerin zur Kenntnis genommen und dieses mit einer zusätzlichen Begründung im Ergänzungsbescheid vom 31. Juli 2014 gewürdigt hat (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG).

[4] Die vom Verwaltungsgericht angezweifelte Atypik, die für ein Abweichen von den gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen nach Art. 63 BayBO erforderlich ist, dürfte bei summarischer Prüfung aufgrund der zwischenzeitlichen Erkenntnisse im Beschwerdeverfahren zu bejahen sein. Das Verwaltungsgericht hat im Ansatz zutreffend erkannt, dass die vom Verwaltungsgerichtshof (U.v. 28.7.2009 - 22 BV 08.3427 - NVwZ-RR 2009, 992) angesprochene atypische Fallgestaltung bei Windkraftanlagen im Außenbereich unter anderem darauf beruht, dass derart große Abstandsflächen, wie sie bei Windkraftanlagen neuester Art mit Gesamthöhen von annähernd 200 m erforderlich sind, nach Größe und Zuschnitt der Außenbereichsgrundstücke regelmäßig kaum nach allen Seiten eingehalten werden können (dies gilt jedenfalls in weiten Teilen Bayerns mit den hierzulande üblichen verhältnismäßig kleinen landwirtschaftlichen Grundstücken). Dies nötigt aber nicht dazu, bei verhältnismäßig großen Grundstücken wie im vorliegenden Fall die Atypik in Frage zu stellen. Diese ergibt sich nämlich auch aus der Eigenart der Windkraftanlage als Bauwerk (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2009 - 22 BV 08.3427 - a. a. O., Rn. 30). Vielmehr bietet die Ermessensausübung bei der Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO ein geeignetes Instrument, trotz grundsätzlich bejahter Atypik mit den jeweils betroffenen Belangen sachgerecht umzugehen.

5. Soweit die Ermessensausübung bei der Zulassung von Abweichungen von den Abstandsflächen betroffen ist, geht der Verwaltungsgerichtshof nach summarischer Prüfung davon aus, dass vorliegend die Ergänzung der Abweichungsentscheidung (Nrn. I.1 und I.2 des Ergänzungsbescheids vom 31.7.2014) sowie der Begründung für die Ermessensentscheidung (Nr. I.3) materiell-rechtlich zulässig ist und sich im Rahmen dessen hält, was nach § 114 Satz 2 VwGO prozessual zu berücksichtigen ist. Inwieweit Ermessenserwägungen ergänzt werden können, bestimmt das materielle Recht. Hierzu gehören zunächst Erfordernisse in Bezug auf die Eindeutigkeit und Klarheit der Begründung sowie die sorgfältige Trennung zwischen zusätzlichen Begründungsteilen einerseits und prozessualem Verteidigungsvorbringen der Behörde andererseits (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2011 - 1 C 14/10 - juris Rn. 18). Diesen Anforderungen genügt vorliegend die Handhabung des Antragsgegners, der zur Ergänzung der Begründung einen förmlichen Bescheid erlassen hat. Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern vorliegend die Ergänzung der Begründung für die Zulassung von Abweichungen den Verwaltungsakt in seinem Wesen verändert oder für die Antragstellerin die Rechtsverteidigung erschwert haben sollte (vgl. zu diesem Erfordernis ebenfalls BVerwG, U.v. 13.12.2011, a. a. O., juris Rn. 18, m. w. N.). Die rechtlichen Grenzen für das Nachschieben von Ermessenserwägungen sind in den Fällen überschritten, in denen das Ermessen überhaupt noch nicht ausgeübt oder wesentliche Teile der Ermessenserwägungen ausgetauscht oder erst nachträglich nachgeschoben wurden (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 114 Rn. 50 m. w. N.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Denn vorliegend wurden mit dem Ergänzungsbescheid vom 31. Juli 2014 keine wesentlichen Ermessenserwägungen ausgetauscht oder nachgeholt. Das Landratsamt hat - wie sich aus der Formulierung der ursprünglichen Nr. 6 der Bescheidsbegründung ergibt - zweifelsfrei erkannt, dass es bei der Zulassung von Abweichungen von den Abstandsflächen eine Einzelfallentscheidung treffen und hierbei sein Ermessen ausüben muss. Defizitär war dagegen die Begründung in Bezug auf die - nach Erlass des Bescheids von der Antragstellerin vorgebrachten speziellen Belange der Antragstellerin im Hinblick auf den Anbau von Sonderkulturen. Die Antragstellerin macht insofern geltend, sie baue im Einwirkungsbereich der Windkraftanlage solches Obst an, das erstens besonders hochwertig und zweitens besonders empfindlich sei und - insbesondere durch Schattenwurf und etwaige unfallbedingte Gefahren - vor allem während der Reifung, aber auch zu anderen Jahreszeiten infolge seiner Einbindung in ein ökologisches, Tiere wie Pflanzen konzeptionell einschließendes Umfeld von den Einwirkungen der Windkraftanlage gestört werden könne. Das Landratsamt war hingegen von üblicher landwirtschaftlicher Nutzung ausgegangen und hatte der strittigen Windkraftanlage insofern unter Berücksichtigung der Zwecke der Abstandsfläche (hier insbesondere der Besonnung der betroffenen Grundstücke, vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2009 - 22 BV 08.3427 - a. a. O., Rn. 32 ff.) keine besondere Störwirkung beigemessen. Ein Eingehen auf Sonderkulturen ist zwar nicht erfolgt, die Thematik war jedoch dieselbe.

6. Ob die ergänzenden Ermessenserwägungen des Landratsamts rechtlich haltbar sind, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Ob überhaupt und in welchem Ausmaß durch die Zwecke der Abstandsflächenvorschriften geschützte Belange der Antragstellerin vorliegend betroffen sind, vermag der Verwaltungsgerichtshof im summarischen Verfahren nicht abschließend zu beurteilen. Die Stellungnahme des Fachberaters für Gartenkultur und Landespflege des Landratsamts vom 14. Juli 2014 hat insofern wohl keine genügende Aussagekraft. Diese spezielle Fachberater-Stellungnahme ist in Bezug auf etwaige Beschattungseffekte nicht nur weniger ausführlich als die (gleichfalls dem Verwaltungsgericht vorgelegte) Einschätzung des Umweltamts am Landratsamt vom 14. Juli 2014, sondern enthält auch einen sachlichen Fehler insofern, als darin von Obstkulturen südwestlich der Windkraftanlage auf dem Grundstück FlNr. 16000 der Gemarkung H. die Rede ist. FlNr. 16000 befindet sich aber in der Gemarkung O. und liegt nordwestlich der Windkraftanlage; zur Gemarkung H. dagegen gehört FlNr. 19000 und liegt - wie in der Stellungnahme des Umweltamts vom 14. Juli 2014 richtig beschrieben - eher westlich als südwestlich der Windkraftanlage. Überdies könnte sich empfehlen, zur Frage etwaiger Ertragseinbußen bei den Sonderkulturen der Antragstellerin durch die von der Windkraftanlage ausgehenden Wirkungen die Einschätzung einer unabhängigen Fachkraft (etwa von der Bayer. Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim) einzuholen. Insoweit räumt die Antragstellerin im Schriftsatz vom 5. August 2014 (S. 20) in anderem Zusammenhang allerdings ein, dass wissenschaftlich noch völlig ungeklärt sei, welche Auswirkungen eine Windkraftanlage auf eine Spalierobstanlage habe, so dass sich möglicherweise keine konkreten Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung feststellen lassen. Es bedarf weiter der Prüfung im Hauptsacheverfahren, ob die mit dem Ergänzungsbescheid vom 31. Juli 2014 nachgeholte Ermessensbegründung in Bezug auf die konkret genehmigte Position der Windkraftanlage innerhalb des Baugrundstücks rechtens ist oder ob ohne Nachteil für das konkrete Vorhaben und die Windenergienutzung im betreffenden Sondergebiet 2 ohne Weiteres ein von den Grundstücken der Antragstellerin weiter entfernter Standort hätte gewählt werden können. Es ist dabei auch zu beachten, dass in dem Sondergebiet 2 (Bereich K.) nach Nr. 6.2 des Erläuterungsberichts (vom 25.6.2004, Stand 8.4.2004) nicht nur eine, sondern zwei Windkraftanlagen untergebracht werden sollen. Außerdem muss der horizontale Mindestabstand zwischen Rotorblattspitze in ungünstigster Stellung und äußerstem ruhenden Leiter nach DIN EN 50341-3-4 - VDE 0210-12 - bei Freileitungen mit Schwingungsschutzmaßnahmen größer als der Rotordurchmesser sein.

Ob die von der Antragstellerin geltend gemachten Belange des Natur- und Artenschutzes und der Trinkwasserversorgung bei der Entscheidung über die Zulassung von Abweichungen von den Abstandsflächen überhaupt berücksichtigt werden können, obwohl sie nicht zu den Zwecken des Abstandsflächenrechts gehören, braucht vorliegend im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls gilt Eines: Bei der Zulassung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO hat der Nachbar keinen Anspruch darauf, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht mit allen objektiv zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen übereinstimmt. Vielmehr sind nur diejenigen öffentlichen Belange in die Abwägung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO einzustellen, die mit der die Abweichung auslösenden konkreten Maßnahme in einem funktionalen Zusammenhang stehen (Simon/Busse, BayBO, Art. 63 Rn. 35; vgl. auch Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 63 Rn. 15 bis 18). Als die Abweichung auslösende konkrete Maßnahme in diesem Sinn dürfte vorliegend die Positionierung der Windkraftanlage innerhalb des Baugrundstücks anzusehen sein, nicht aber der Bau der Windkraftanlage schlechthin.

Bezüglich der von der Antragstellerin geltend gemachten Gefahren für die Trinkwasserversorgung infolge unzureichender Standsicherheit der Anlage fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass trotz der auf die Standsicherheit bezogenen Nebenbestimmungen unter Nr. VI der angefochtenen Genehmigung (z. B. Nrn. 3.2, 3.3., 3.4., 3.11 und 3.14) derartige Gefahren tatsächlich bestehen.

7. Soweit die Antragstellerin geltend macht, von der strittigen Windkraftanlage gingen schädliche Umwelteinwirkungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) in Gestalt von tieffrequenten Geräuschen oder sonstige Gefahren im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (insb. Brandgefahr, Eiswurfgefahr) aus, hat sie nur die abstrakte Möglichkeit solcher Gefahren aufgezeigt, aber keine konkreten Anhaltspunkte dafür benannt, dass derartigen Gefahren nicht durch die Konzeption der Anlage und den Genehmigungsbescheid ausreichend vorgebeugt werden könnte.

8. Angesichts der nicht abschließend zu beurteilenden Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage sind vorliegend im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die gegensätzlichen Interessen abzuwägen. Zu betrachten ist einerseits die Möglichkeit, dass die sofortige Vollziehbarkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wiederhergestellt würde und die Beigeladene demnach weiterbauen dürfte, sich aber im Klageverfahren die immissionsschutzrechtliche Genehmigung oder die Zulassung der Abweichung von den Abstandsflächen (insgesamt oder zumindest im vorliegend bewilligten Ausmaß) als rechtswidrig erweisen würde. Zu betrachten ist andererseits die Möglichkeit, dass die Verwirklichung des Vorhabens vorläufig gestoppt, sich dann aber im Klageverfahren die Genehmigung als rechtmäßig erweisen würde.

Zu berücksichtigen ist hierbei, dass - wie von den Beteiligten vorgetragen wurde und auf den von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 5. August 2014 vorgelegten Luftbildern zu sehen ist - der Bau der Windkraftanlage schon weit fortgeschritten ist: Der Mast einschließlich der Gondel oder eines wesentlichen Teils der Gondel, an der noch der Rotor zu befestigen ist, steht bereits. Ein erheblicher Anteil der Kosten für die Errichtung der Anlage ist deshalb bereits angefallen. Würde sich im Klageverfahren die streitgegenständliche Genehmigung als rechtswidrig erweisen und würde - im Extremfall - ein Abbau der Windkraftanlage notwendig werden, so wären die Kosten hierfür nach Fertigstellung der Anlage zwar höher, als wenn die Anlage im gegenwärtigen, nahezu fertigen Ausbauzustand zurückgebaut werden müsste. Die durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts ermöglichten weiteren Investitionen wären aber geringer als bei einem vollständigen Neubau. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Fällen, in denen mit dem Bau der strittigen Windkraftanlage noch nicht begonnen worden ist. Die Schaffung vollendeter Tatsachen wird nur in geringerem Umfang ermöglicht.

Die für die Beigeladene entstehenden finanziellen Einbußen bei einer weiteren Verzögerung des Vorhabens mit der Folge, dass die Anlage später als geplant oder gar nicht mehr im Jahr 2014 in Betrieb genommen werden kann, sind beträchtlich und treten mit jedem Tag der Verzögerung ein. Die Beigeladene hat dies unter Nr. B.II ihrer Beschwerdebegründung vom 22. Juli 2014 anschaulich und nachvollziehbar geschildert; die Gründe dafür sind - soweit sie auf den rechtlichen Rahmenbedingungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz beruhen - auch gerichtsbekannt. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Beeinträchtigungen (Minderung des Ertrags ihrer Spalierobstanlagen und Holunderanlagen) würden sich noch nicht im Jahr 2014 (allenfalls in geringerem Ausmaß), sondern erst ab dem Frühjahr 2015 einstellen, weil bei den von der Antragstellerin angebauten Äpfeln die Wachstumsphase abgeschlossen oder fast abgeschlossen ist, im Jahr 2014 also „nur“ noch die Reifephase des Obstes ansteht und ein neuer Vegetationszyklus erst nach dem Winter beginnt. Bis dahin aber kann mit einem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens gerechnet werden. Keinesfalls kann angenommen werden, dass sich die von der Antragstellerin geltend gemachte Existenzgefährdung - wenn überhaupt - infolge der Beeinträchtigungen ihres Obstanbaus durch die Windkraftanlage bis zu diesem Zeitpunkt einstellen könnte. Mit dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens aber hingen die Rechtsfolgen vom Ergebnis des Hauptsacheverfahrens und nicht mehr dem Ergebnis des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ab.

Die Abwägung der - je nach Ausgang des Klageverfahrens eintretenden - Vorteile oder Nachteile für die Antragstellerin bzw. die Beigeladene (als wirtschaftlich betroffene Beteiligte) führt deshalb dazu, vorerst die weitere Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens zuzulassen.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 i. V. m. § 154 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG; Nr. 1.5, Nr. 19.2 i. V. m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalog 2013 (wie Vorinstanz).

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn

1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.

(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber

1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird,
2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden,
3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und
4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete, insbesondere öffentlich genutzte Gebiete, wichtige Verkehrswege, Freizeitgebiete und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete und öffentlich genutzte Gebäude, so weit wie möglich vermieden werden. Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in Gebieten, in denen die in Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte und Zielwerte nicht überschritten werden, ist bei der Abwägung der betroffenen Belange die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität als Belang zu berücksichtigen.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Tenor


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über

1.
Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen,
2.
Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist,
3.
das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen,
4.
die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Absatz 2 oder 3 vorgesehen werden können, unter Berücksichtigung insbesondere der dort genannten Voraussetzungen,
5.
äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen zu Emissionswerten,
6.
angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5c.
Bei der Festlegung der Anforderungen sind insbesondere mögliche Verlagerungen von nachteiligen Auswirkungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu berücksichtigen; ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt ist zu gewährleisten.

(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionswerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen.

(1b) Abweichend von Absatz 1a

1.
können in der Verwaltungsvorschrift weniger strenge Emissionswerte festgelegt werden, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
2.
kann in der Verwaltungsvorschrift bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann, wenn
a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder
b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Emissionswerte und Emissionsbegrenzungen nach Satz 1 dürfen die in den Anhängen der Richtlinie 2010/75/EU festgelegten Emissionsgrenzwerte nicht überschreiten.

(2) (weggefallen)

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 29. August 2014 gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Landratsamts Würzburg vom 26. September 2013 i. d. F. des Änderungsbescheids vom 30. Juli 2014 wird wiederhergestellt.

II.

Die Kosten des Verfahrens haben der Antragsgegner und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Bau einer Windkraftanlage, die das Landratsamt Würzburg mit Bescheid vom 26. September 2013 erteilt und für die es mit Bescheid vom 1. Juli 2014 die sofortige Vollziehung angeordnet hat.

1. Die Antragstellerin ist bei der Firma G. ... GmbH & Co. Betriebs- KG beschäftigt, die u. a. Eigentümerin der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke Fl.Nrn. 160... und ...17 der Gemarkung O. sowie der Fl.Nr. 190... der Gemarkung H. ist und hier eine Spalierobstanlage betreibt. Die Grundstücke Fl.Nrn. ...17 und 160... der Gemarkung O. befinden sich nördlich bzw. nordwestlich des Grundstücks Fl.Nr. ...48 der Gemarkung H. (Baugrundstück) und sind nur durch einen Flurweg von diesem getrennt. Das Grundstück Fl.Nr. 190... schließt sich im Westen des Baugrundstücks, ebenfalls nur durch einen Feldweg getrennt, mit einer Länge von ca. 70 m an dieses an. Das Baugrundstück weist in Nord-Süd-Richtung eine Länge von ca. 400 m und eine Breite zwischen 155 m (im Norden) und 250 m (im Süden) auf.

Die Antragstellerin verrichtet auf den vg. Grundstücken des Guts ihre Arbeiten im Obstbau, nämlich Arbeiten im Rahmen der Ernte, der Sortierung, Kontrolle der Tröpfchenbewässerung, Reinigung der Vogelnistkästen, Zerkleinern von Schnittgut, Kontrolle und Ergänzung des Verbissschutzes an den Apfelbäumen, Formierarbeiten, Laubrechen, Fallobst entfernen und andere Tätigkeiten nach Bedarf.

2. Auf Antrag der Beigeladenen vom 6. Februar 2013 führte das Landratsamt Würzburg ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durch, an dem - außer den Gemeinden H. und L. als Eigentümer der angrenzenden Flurwege - keiner der Grundstücksnachbarn beteiligt wurde.

Mit Bescheid vom 26. September 2013 erteilte das Landratsamt Würzburg der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage des Typs Enercon E 101 mit einer Nennleistung von 3 Megawatt (Ziffer I). Der Turm soll am Mastfuß einen Durchmesser von 10,73 m haben. Die Nabenhöhe beträgt 135 m, der Rotor-Durchmesser 101 m, so dass die Gesamthöhe der Anlage bis zur Spitze der senkrecht stehenden Rotorblätter ab Geländeoberkante sich auf 185,50 m errechnet. Der Abstand der Rotorspitze vom Mittelpunkt des Mastes beträgt 6 m. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung beinhaltet gleichzeitig die Baugenehmigung (Ziffer II). Der Bescheid enthält unter Ziffer III folgende Regelung: „Die Abweichung von den Abstandsflächen wird gemäß Art. 63 BayBO zugelassen.“ Der Antragstellerin - wie auch den übrigen Nachbarn - wurde keine Ausfertigung des Genehmigungsbescheids zugestellt. Eine Nebenbestimmung zur Regelung des Eisabwurfs ist in der Genehmigung nicht enthalten. Gemäß Ziffer IV.19 des Tenors sind Bestandteil des Bescheids die „Angaben zur Eiserkennung“.

Auf den Antrag der Beigeladenen vom 30. Juni 2014 ordnete das Landratsamt Würzburg mit Bescheid vom 1. Juli 2014 die sofortige Vollziehung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids vom 26. September 2013 an. Nachdem die Kammer dem Antrag der G. ... GmbH & Co. Betriebs-KG auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage mit Beschluss vom 10. Juli 2014 stattgegeben hatte (W 4 S 14.613), ergänzte das Landratsamt mit Bescheid vom 31. Juli 2014 die streitgegenständliche Genehmigung in Nrn. III und IV des Tenors sowie in der Begründung. Daraufhin änderte der Bayer. Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19. August 2014 (22 CS 14.1597) den Beschluss der Kammer ab und lehnte den Antrag ab.

3. Die Antragstellerin ließ am 29. August 2014 durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben (W 4 K 14.880) und am gleichen Tag beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Landratsamts Würzburg vom 26. September 2013 wiederherzustellen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen deutlich überwiege, da die streitgegenständliche Genehmigung rechtswidrig sei und die Antragstellerin in ihren Rechten verletze. Der Genehmigungsbescheid sei bereits rechtswidrig, weil die Anlage keine Nebenbestimmungen hinsichtlich der Vorhaltung entsprechender Schutzvorrichtungen vor Eisabwurf enthalte. Sie lasse sämtliche sonstige Gefahren für Leib und Leben der in unmittelbarer Nähe der Anlage regelmäßig arbeitenden Menschen, also auch der Antragstellerin, die sich im Oktober ca. 120 Arbeitsstunden, im November ca. 10-20 Arbeitsstunden, im März mindestens 20 - 30 Arbeitsstunden und im April ca. 10-20 Arbeitsstunden in den Obstbauanlagen im Gefahrenbereich der Anlage aufhalte, außer Acht. Der Bericht des TÜV Nord über die Plausibilitätsprüfung am System zur Erkennung von Eisansatz von Windkraftanlagen sei völlig abstrakt und schon nicht auf die vorliegende Anlage bezogen. Die Konzeption der Anlage sei nicht geeignet, Eiswurf zu vermeiden. So funktioniere die Abschaltung schon nach der vorgelegten Konzeption nicht bei einem Stillstand der Windkraftanlage. Des Weiteren bestehe im Falle eines Brandes die konkrete Gefahr, dass die in den Obstbauanlagen tätige Antragstellerin von brennenden herabfallenden Anlagenteilen getroffen werde.

4. Das Landratsamt Würzburg beantragte für den Antragsgegner,

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag stelle sich bereits als rechtsmissbräuchlich dar. Mit dem Beginn der Baumaßnahme, die weithin sichtbar sei, sei bereits vor Monaten begonnen worden. Durch ein rechtzeitiges Nachsuchen um einstweiligen Rechtsschutz hätte die Gefahr der Entwertung der von der Beigeladenen getätigten Investitionen vermieden werden können. Erhebliche, konkrete und akute Gefahren bzgl. Eiswurfes seien nicht gegeben. In den Antragsunterlagen, die Bestandteil der Genehmigung seien, seien detaillierte Angaben vorhanden, wie die Anlage konzipiert sei und betrieben werde, um Eiswurf zu vermeiden. Auflagen im Genehmigungsbescheid bzgl. Eiswurfs seien deshalb nicht notwendig. Nach eigenen Angaben arbeite die Antragstellerin in den Wintermonaten (Dezember, Januar, Februar) nicht auf den Obstplantagen, so dass eine konkrete Gefährdung ausscheide. Ein verbleibendes Restrisiko sei hinzunehmen. Gleiches gelte für die Brandgefahr.

5. Die Beigeladene ließ durch ihren Bevollmächtigten beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragstellerin könne keine Verletzung drittschützender Rechte geltend machen. Insbesondere sei kein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG gegeben. Denn bei dem potentiellen Brandfall und den hierdurch behaupteten Gefahren handele es sich um keine Emissionen im Sinne des BImSchG. Selbst für den Fall, dass ein Brandereignis eintreten würde, bestünde keine konkrete Gefahr für Leib oder Leben. Ebenso sei keine Gefährdung der Antragstellerin durch Eisabwurfereignisse zu befürchten. Der Genehmigungsbescheid enthalte den Bericht über die Plausibilitätsprüfung am System zur Erkennung von Eisansatz und der daraus folgenden Abschaltung von Windenergieanlagen der Firma Enercon vom 3. Januar 2008. Dieses System sei auch in der streitgegenständlichen Anlage verbaut worden. Entsprechend dem Bayerischen Windkrafterlass werde mithin ein Eiserkennungssystem vorgehalten. Die von Antragstellerseite vorgebrachten Bedenken gegen die Funktionalität dieses Systems seien nicht haltbar. Vielmehr habe dieses System bereits einer gerichtlichen Prüfung unterlegen, wobei keine Bedenken gegen deren Funktionalität geäußert worden seien.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Der Antrag ist zulässig.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 26. September 2013 i. d. F. des Änderungsbescheids vom 30. Juli 2014 entfällt, weil das Landratsamt Würzburg auf Antrag der Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Juli 2014 nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat und der hiergegen gerichtete Antrag der Firma G. ... GmbH & Co. Betriebs-KG auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 19. August 2014 (22 CS 14.1597) abgelehnt wurde. In einem solchen Fall kann das Gericht gemäß § 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen.

Der Antragstellerin steht auch die erforderliche Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO entsprechend) zu. Insbesondere sind als Nachbarn i. S. d. BImSchG alle Personen einzustufen, die im Einwirkungsbereich der Anlage arbeiten (BVerwG, U. v. 26.5.2004 - 9 A 6/03 - BVerwGE 121, 57). Dies trifft auf die Antragstellerin zu, die ihren Arbeitsplatz im Bereich der Spalierobstanlage und damit im Einwirkungsbereich der streitgegenständlichen Windkraftanlage hat.

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners stellt sich der Antrag auch nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes - mit der Folge, dass das Rechtsschutzinteresse fehlt - ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger bzw. Antragsteller seinen Rechtsschutz durch eine gegen Treu und Glauben verstoßende Verzögerung der Klageerhebung verwirkt hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Vorb. § 40 Rn. 53 unter Verweis auf BVerwG, U. v. 10.8.2000 - 4 A 11/99 - NVwZ 2001, 206). Der Vortrag des Antragsgegners, dass mit dem Beginn der Baumaßnahme, die weithin sichtbar sei, bereits vor Monaten begonnen worden sei und dass durch ein rechtzeitiges Nachsuchen um einstweiligen Rechtsschutz die Gefahr der Entwertung der von der Beigeladenen getätigten Investitionen vermieden hätte werden können, kann eine Verwirkung nicht begründen. Denn es fehlt hier bereits an einem längeren Zeitraum, während dessen die Möglichkeit bestanden hat, einen Rechtsbehelf einzulegen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 10.8.2000 - 4 A 11/99 - NVwZ 2001, 206). Bei der Nichtbekanntgabe eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung kann Verwirkung wohl kaum vor der in der VwGO mehrfach erwähnten Frist von einem Jahr (§ 58 Abs. 2, § 60 Abs. 3 VwGO), die als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens angesehen werden muss, eintreten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 74 Rn. 20 m. w. N.). Im Übrigen muss die Klageerhebung gerade deshalb gegen Treu und Glauben verstoßen, weil der Berechtigte trotz vorhandener Kenntnis oder der ihm zuzurechnenden Möglichkeit der Kenntnis erst zu einem derart späten Zeitpunkt Klage erhebt, zu dem die nunmehr beklagte Behörde nicht mehr mit einer Klageerhebung rechnen musste (BVerwG, U. v. 10.8.2000 - 4 A 11/99 - NVwZ 2001, 206). Auch hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn die Behörde - wie hier - den streitgegenständlichen Bescheid dem Betroffenen nicht zur Kenntnis bringt.

2. Der Antrag ist begründet.

Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Der Antragsgegner muss das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids ausreichend und schriftlich begründet haben (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Im Übrigen trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Das Interesse der Beigeladenen an einer sofortigen Ausnutzung der Genehmigung ist mit den Interessen der Antragstellerin an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Hierbei sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache von maßgeblicher Bedeutung (vgl. BayVGH, B. v. 17.9.1987 - 26 CS 87.01144 - BayVBl. 1988, 369; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68). Denn es besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Die Genehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig ist und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen sind, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen.

Die Kammer ist aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass die Klage der Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg hat, da sich die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Würzburg vom 26. September 2013 i. d. F. des Änderungsbescheids vom 30. Juli 2014 voraussichtlich als rechtswidrig erweist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ein Nachbar, der eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) anficht, kann mit seiner Klage nur Erfolg haben, wenn er durch die Genehmigung in eigenen (subjektiven) Rechten verletzt wird. Solche eigenen Rechte vermitteln nachbarschützende Normen oder das baurechtliche Rücksichtnahmegebot. Bei einem eventuellen Verstoß gegen andere, aber nicht nachbarschützende Vorschriften darf das Verwaltungsgericht auch eine objektiv-rechtswidrige Genehmigung auf eine Nachbarklage hin nicht aufheben (vgl. z. B. BVerwG vom 30.9.1983 - DÖV 1984, 173; vom 5.10.1990 - DÖV 1991, 279).

Es spricht hier vieles dafür, dass die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung gegen die eine Genehmigungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bildende nachbarschützende (vgl. Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 71. Erg.Lief. 2014, § 5 BImSchG Rn. 114) Schutz- und Gefahrenabwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verstößt.

Nach dieser Vorschrift sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Dabei können schädliche Umwelteinwirkungen durch den Normalbetrieb der Anlage ebenso wie durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder durch Störfälle verursacht werden (vgl. Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 5 Rn. 12). Schädliche Umwelteinwirkungen im vorgenannten Sinn sind nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BImSchG dabei solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Die Gefährdung durch Eiswurf zählt zu den sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder Belästigungen für die Nachbarschaft (BayVGH, B. v. 31.10.2008 - 22 CS 08.2369; B. v. 9.2.2010 - 22 CS 09.3168 - beide juris; OVG Koblenz, U. v. 12.5.2011 - 1 A 11186/08 - NVwZ-RR 2011, 759).

Die Erfüllung der in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG normierten Grundpflichten ist i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG „sichergestellt“, wenn schädliche Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen mit hinreichender, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sind. Davon kann ausgegangen werden, wenn auf der Grundlage der Genehmigung und der zu ihren Bestandteilen gemachten (Antrags-)Unterlagen kein ernstlicher Zweifel daran bestehen kann, dass der Anlagenbetreiber die ihm obliegenden Pflichten erfüllen wird. Die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen nach §§ 5 und 6 BImSchG ist nicht erst dann „sichergestellt“, wenn jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von schädlichen Umwelteinwirkungen ausgeschlossen ist. Ob Emissionen bzw. Immissionen geeignet sind, die genannten Beeinträchtigungen herbeizuführen, richtet sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung, insbesondere nach dem Stand der Wissenschaft. Risiken, die als solche erkannt sind, müssen (nur) mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein (vgl. OVG Münster, U. v. 3.12.2008 - 8 D 19/07.AK - juris, unter Hinweis auf BVerwG, U. v. 17.2.1978 - 1 C 102.76 - BVerwGE 55, 250).

Wann durch Eiswurf von Windkraftanlagen ausgehende sonstige Gefahren als relevant und deshalb als unzumutbar zu qualifizieren sind, ist im BImSchG sowie in den aufgrund des BImSchG erlassenen Verordnungen nicht geregelt. Die Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen - Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der Finanzen, für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, für Umwelt und Gesundheit sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - vom 20. Dezember 2011 (Windkrafterlass Bayern) haben zwar keinen rechtsverbindlichen Charakter. Sie sind aber als Verwaltungsvorschriften von den Genehmigungsbehörden bei der Entscheidung über die Genehmigung von Windkraftanlagen zugrunde zu legen und können auch im gerichtlichen Verfahren bei der Untersuchung der Erheblichkeit von Gefahren herangezogen werden, weil sie auf sachverständigen Erkenntnissen beruhen und von einer entsprechend besetzten Kommission erarbeitet wurden (vgl. BayVGH, U. v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 zur Anlage 6 des Windkrafterlasses Bayern und VG Minden, B. v. 13.12.2012 - 11 L 529/12 - beide juris).

Eine ausdrücklich auf die von Windkraftanlagen ausgehende Gefährdung durch Eiswurf bezogene Vorgabe enthält Ziffer 8.2.10 des Windkrafterlasses Bayern. Danach sind Windkraftanlagen generell so zu errichten und zu betreiben, dass es nicht zu einer Gefährdung durch Eisabwurf kommt. Zugrunde zu legen sind dabei auch die Ergebnisse des EU-Forschungsprojektes „Windenergy Production in Cold Climates“, des sog. „WECU-Projektes“. Dieses empfiehlt als Ergebnis durchgeführter Simulationen und der bisherigen Beobachtungen für Standorte, an denen mit hoher Wahrscheinlichkeit an mehreren Tagen im Jahr mit Vereisung gerechnet werden müsse, die Einhaltung eines Abstands von 1,5 x (Nabenhöhe + Durchmesser) zu gefährdeten Objekten. Können keine ausreichend großen Sicherheitsabstände zu gefährdeten Objekten eingehalten werden, müssen - so die Ausführungen im Windkrafterlass Bayern - geeignete betriebliche bzw. technische Vorkehrungen gegen Eiswurf wie z. B. Eiserkennungssysteme getroffen werden, die die Windkraftanlage bei Eisanhang anhalten oder die Rotorblätter abtauen.

Diesen Vorgaben wird aber im streitgegenständlichen Bescheid nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Antragsgegner hat offensichtlich hinsichtlich der Frage des von der Anlage ausgehenden Eiswurfs keinerlei Prüfung durchgeführt. Jedenfalls findet sich im streitgegenständlichen Bescheid hierzu kein Ansatzpunkt. Auch in den beigezogenen Behördenakten findet sich hierzu nichts. Lediglich in Ziffer IV des Bescheidtenors werden unter Unterziffer 19 die „Angaben zur Eiserkennung“ zum Bestandteil des Bescheids gemacht, was aber im vorliegenden Fall nicht ausreichend ist. Im Einzelnen:

Eine entsprechende Konkretisierung durch Nebenbestimmungen - wie dies in der behördlichen Praxis bei der Genehmigung von Windkraftanlagen üblich ist - war hier nicht deshalb entbehrlich, weil von der Beigeladenen als Antragstellerin in den zur Genehmigung gestellten Antragsunterlagen ein Eiserkennungssystem als Sicherungseinrichtung angesprochen wurde, die damit - wie der Antragsgegner insoweit zutreffend ausführt - zum Bestandteil der Genehmigung geworden sind.

In den vg. Antragsunterlagen, genauer in der „Technische Beschreibung Enercon Eiserkennung Leistungskurvenverfahren“ ist das Eiserkennungssystem der Fa. Enercon als Leistungskurvenverfahren beschrieben. Danach messe die Steuerung der Windkraftanlage über zwei voneinander unabhängige Temperaturfühler die Außenlufttemperatur auf der Gondel und unten am Turmfuß und könne damit feststellen, ob Vereisungsbedingungen vorliegen. Diese aktuellen Betriebsdaten würden dann mit vorgegebenen anlagenspezifischen Betriebsdaten verglichen und bei Erreichen des vordefinierten Status wie Rotor Leistungsmessung, Anemometer Leistungsmessung, Rotor Blattwinkelmessung und Anemometer Blattwinkelmessung werde die Anlage dann regelmäßig innerhalb einer halben Stunde gestoppt. Ein automatischer Neustart der Anlage sei erst wieder nach dem Abtauen des Eises möglich, wobei in Abhängigkeit von der Außentemperatur die erforderliche Abtauzeit vorgegeben werde. Ein manuelles vorzeitiges Wiedereinschalten sei nur direkt an der Anlage nach entsprechender Sichtkontrolle möglich. Die Betriebssicherheit dieses Systems sei sehr hoch und gegenüber anderen Systemen wie beispielsweise Eissensoren im Vorteil. Nach dem Bericht des TÜV NORD Systems vom 11. Januar 2008 „über die Plausibilitätsprüfung am System zur Erkennung von Eisansatz und der daraus erfolgenden Abschaltung von Windenergieanlagen Firma Enercon“ wurde dieses System als plausibel und seit Jahren erprobt bewertet.

Allerdings werden im vorliegenden Fall die Anforderungen des Schutzes vor Eisabwurf im angefochtenen Bescheid bescheidsmäßig nicht sichergestellt. Eine solche Festschreibung seitens der Genehmigungsbehörde erscheint unter dem Aspekt der Gefahrbeherrschung einerseits als ausreichend (BayVGH, B. v. 31.10.2008 - 22 CS 08.2369 - juris und OVG Koblenz, U. v. 12.5.2011 - 1 A 11168/08 - NVwZ-RR 2011, 759), im vorliegenden Fall andererseits aber auch notwendig, zumal von Seiten der Antragstellerin substanziierte Einwendungen erhoben wurden. Im Einzelnen:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Bericht des TÜV NORD Systems vom 11. Januar 2008 nicht auf die hier vorliegende Windkraftanlage Enercon E 101 bezogen ist. Dieser Bericht bezieht sich definitiv auf die „den jeweiligen Anlagen angepassten Versionen“ (vgl. Bericht vom 11.1.2008 unter Ziffer 2.) und damit nicht auf den Typus der streitgegenständlichen Windkraftanlage, dessen Markteinführung erst im Jahr 2010 erfolgte. Des Weiteren sind beide Antragsunterlagen, also sowohl der Bericht des TÜV NORD Systems vom 11. Januar 2008 als auch die „Technische Beschreibung Enercon Eiserkennung Leistungskurvenverfahren“ vom 28. Oktober 2010 abstrakt gehalten und enthalten keine konkreten Regelungen für den Einzelfall. Insbesondere wird nicht klar geregelt, wie das Eiserkennungssystem betrieben und vor allem wann die Rotorblätter gestoppt und ob diese automatisch oder erst nach Sichtkontrolle (also manuell gesteuert) wieder anlaufen können. Schließlich ergibt sich aus der von der Beigeladenen vorgelegten Technischen Beschreibung selbst, dass „dieses Verfahren nicht im Stillstand funktionieren“ (Bl. 6 unter Ziffer „5 Grenzen“) kann, weil sich der Rotor für das Leistungskennverfahren drehen muss. Darüber hinaus reduziert sich bei niedrigen Windgeschwindigkeiten (unter 3 m/s) „die Empfindlichkeit der Eisansatzerkennung“, so dass in diesen Fallkonstellationen „ein Eiswurf nicht vollständig ausgeschlossen werden“ kann. Schutzmaßnahmen für diese Fälle sehen die Antragsunterlagen aber nicht vor. Obwohl derartige Schutzmaßnahmen von der Behörde hätten angeordnet werden können - wie der Kammer auch aus mehreren anderen Fällen bekannt ist - hat der Antragsgegner hier davon abgesehen. Wenn er in seiner Antragserwiderung davon ausgeht, dass bereits sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden und man sich deshalb auf der Ebene des sog. Restrisikos bewege, verkennt er, dass mögliche Sicherungsmaßnahmen gerade noch nicht angeordnet wurden.

Solche wären hier aber angesichts der im vorliegenden Fall gegebenen Gefährdung erforderlich gewesen. Die Antragstellerin hat glaubhaft vorgetragen, dass sie auf den westlich des Baugrundstücks, lediglich in einem Abstand von ca. 90 m, gelegenen Grundstücken des Guts ihre Arbeiten in den Spalierobstanlagen, nämlich solche im Rahmen der Ernte, der Sortierung, Kontrolle der Tröpfchenbewässerung, Reinigung der Vogelnistkästen, Zerkleinern von Schnittgut, Kontrolle und Ergänzung des Verbissschutzes an den Apfelbäumen, Formierarbeiten, Laubrechen, Fallobst entfernen und andere Tätigkeiten nach Bedarf durchführe. Der Arbeitsplatz der Antragstellerin befindet sich auch während einiger Wintermonate in den betroffenen Obstbauanlagen. Denn die Antragstellerin hat hierzu - ohne dass dies substanziiert bestritten worden wäre - vorgebracht, dass sie im Oktober mit ca. 120 Stunden schwerpunktmäßig mit Ernte-, Sortier- und Kontrollarbeiten in den im Gefahrenbereich der Windkraftanlage gelegenen Obstanlagen beschäftigt sei. Im November entfielen auf sie ca. 10-20 Arbeitsstunden bei der Kontrolle und Ergänzung des Verbissschutzes an den Obstbäumen sowie beim Laubrechen und in den Monaten März und April mindestens 20 - 30 Stunden bzw. 10-20 Stunden bei Hackarbeiten, bei Formierarbeiten und dem Ausbringen von Gesteinsmehl und biologischem Düngemittel. Wesentlich für die Gefahrerhöhung im Bereich der Obstanlagen ist, dass die streitgegenständliche Windkraftanlage unter Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften der Bayerischen Bauordnung so weit an die westliche Grundstücksgrenze und damit an den Arbeitsplatz der Antragstellerin „herangeschoben“ wurde, dass die Rotorblätter nahezu die Grundstücksgrenze berühren und nur noch wenige Meter von der Spalierobstanlage des G. ... entfernt liegen. Hierdurch wurde aber auch die Gefahr erhöht, dass bei stillstehenden oder sich nur langsam drehenden Rotorblättern Eisbrocken in den Arbeitsbereich der Antragstellerin fallen können.

Eine entsprechende Konkretisierung durch Nebenbestimmungen war hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Beigeladene von sich aus - nach Erteilung der Genehmigung - eine Erklärung abgegeben hat, wonach das gegenständliche Eisabwurfsystem auch im Anlagentyp Enercon E 101 verbaut werde und dies auch bei der streitgegenständlichen Anlage erfolgt sei. Im vorliegenden Verfahren geht es nämlich nicht darum, ob der Antragsgegner gegenüber der Beigeladenen tätig werden muss, um ausreichende Sicherheitseinrichtungen durchzusetzen. Vielmehr ist Streitgegenstand ausschließlich die erteilte Genehmigung, die ihrerseits unabhängig davon, was die Beigeladene von sich aus - aber nicht durch bestandkräftige Bescheide verpflichtet - getan hat, ausreichende und bestimmte Regelungen enthalten muss (vgl. auch OVG Koblenz, U. v. 12.5.2011 - 1 A 11186/08 - NVwZ-RR 2011, 759).

Unter Berücksichtigung dessen kann im vorliegenden Fall nicht mehr von einem verbleibenden Restrisiko, also von einem Risiko, welches von der Anlage ausgeht, nachdem sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden und das sinnvoller Weise, nämlich nach dem Maßstabe praktischer Vernunft nicht mehr minimierbar ist, (vgl. hierzu ausführlich OVG Koblenz, U. v. 12.5.2011 - 1 A 11186/08 - NVwZ-RR 2011, 759) gesprochen werden.

Nach allem kam es auf die von der Antragstellerin problematisierte Frage der Brandgefahr nicht mehr an.

Nachdem die Klage der Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird, musste hier die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO durchzuführende Interessenabwägung bereits aus diesem Grund eindeutig zulasten des Antragsgegners und der Beigeladenen ausgehen. Es bleibt daher bei der vom Gesetzgeber als Regelfall vorgesehenen aufschiebenden Wirkung der Klage.

4. Als Unterlegene haben der Antragsgegner und die Beigeladene die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen (§ 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. Ziffer 19.2 i.V.m Ziffer 2.2.2. i. V. m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der die Vollstreckung betreffende Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren – nachdem der Rechtsstreit bezüglich weiterer Windkraftanlagen durch Urteil des Senates vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) abgeschlossen ist und das Verfahren bezüglich der Windkraftanlage T2 des Beigeladenen zu 2) von den vorliegenden Verfahren abgetrennt worden ist – über die Rechtmäßigkeit der den beiden Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen des Beklagten zur Errichtung und zum Betrieb von insgesamt vier Windkraftanlagen.

2

Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke Parzellen Nrn. ..., ..., ., ...... und ... in Flur ... der Gemarkung G... . Die Grundstücke liegen im Außenbereich. Zum Teil sind es Waldflächen, zum Teil Wiesenflächen. Nach den Angaben des Klägers handelt es sich dabei um renaturierte Biotopflächen, die zur Jagdausübung genutzt werden. Die streitigen Windkraftanlagen, die inzwischen errichtet worden und in Betrieb sind, stehen ausweislich der vorliegenden Unterlagen zwischen 90 und 290 m von den verschiedenen Grundstücken des Klägers entfernt. Die der Parzelle Nr. ... am nächsten stehende Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) steht in einer Entfernung von ca. 90 m von diesem Grundstück.

3

Mit einem am 17. November 2004 eingegangenem Schreiben vom 22. Oktober 2004 beantragte die Beigeladene zu 1) die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von insgesamt fünf Windkraftanlagen in der Gemarkung G..., zu denen auch die im vorliegenden Verfahren streitigen Windkraftanlagen Nrn. 3, 5 und 8 zählen. Mit am 5. Januar 2005 eingegangenen Schreiben vom 27. Dezember 2004 beantragte der Beigeladene zu 2) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb zweier weiterer Windkraftanlagen in der Nähe der Grundstücke des Klägers, darunter die vorgenannten Windkraftanlage T 2, über die in einem weiteren Verfahren gestritten wird. Im weiteren Umfeld der den Beigeladenen genehmigten Anlagen befanden sich seinerzeit - nördlich der Ortsgemeinde K... - andere Windkraftanlagen. Die - ursprünglich - zur Genehmigung gestellten Windkraftanlagen des Typs GE Wind Energy 2.3 sollten eine Nabenhöhe von 100 m und einen Rotordurchmesser von 94 m, also eine Gesamthöhe von 147 m haben.

4

Das Genehmigungsverfahren wurde zunächst auf der Grundlage des § 10 BImSchG mit der danach erforderlichen Offenlage der Antrags- und Planungsunterlagen durchgeführt. Im Rahmen der in diesem Zusammenhang durchgeführten Behördenbeteiligung wandte sich die untere Landespflegebehörde mit Schreiben vom 7. Juli 2005 gegen die Vorhaben. Darin führte sie aus, wegen der von ihr angenommenen nachteiligen Auswirkungen auf den Bestand des Rotmilans in diesem Gebiet gelange sie zu dem Ergebnis, dass die Windkraftanlagen dort nicht zugelassen werden könnten. In der Folgezeit konnte darüber, ob tatsächlich solche nachteiligen Auswirkungen zu erwarten stehen, verwaltungsintern zwischen der unteren Landespflegebehörde und der unteren Immissionsschutzbehörde keine Einigkeit hergestellt werden. Die zur Klärung dieses Streites eingeschaltete staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland teilte unter dem 27. September 2005 mit, dass für eine abschließende Bewertung des Rotmilanvorkommens im östlichen Landkreis Altenkirchen eine erneute Erfassung im kommenden Frühjahr auf größerer Fläche erforderlich sei.

5

Aufgrund der Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juni 2005 trat am 1. Juli 2005 eine Rechtsänderung ein, die der Beklagte zum Anlass nahm, nunmehr ein sog. vereinfachtes Verfahren gemäß § 19 BImSchG durchzuführen. Am 1. Oktober 2005 erfolgte daraufhin eine öffentliche Bekanntmachung, in der mitgeteilt wurde, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sei, weil nach der durchgeführten Vorprüfung keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten stünden. Hiergegen wandte sich mit Schreiben vom 11. Oktober und vom 18. Oktober 2005 die untere Landespflegebehörde, nach deren Ansicht die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich war.

6

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 1) und mit Bescheid vom 17. November 2005 dem Beigeladenen zu 2) unter gleichzeitiger Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im vereinfachten Verfahren jeweils die immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Hierin wurde u.a. ausgeführt, nach Mitteilung aller zu beteiligenden Fachbehörden und Stellen habe die durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3c Abs. 1 Satz 1 UVPG ergeben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchzuführen gewesen sei, weil erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht zu erwarten stünden. Das sei gemäß § 3a Abs. 2 UVPG auch am 1. Oktober 2005 öffentlich bekannt gemacht worden. Den Bescheiden waren verschiedene Nebenbestimmungen beigefügt. Insbesondere hatte die Beigeladene danach vor Baubeginn nachzuweisen, durch welche Maßnahmen eine Gefährdung durch Eiswurf verhindert werden solle.

7

Nachdem die Beigeladene zu 1) im Rahmen eines Änderungsantrages den ursprünglichen Anlagentyp durch den Typ Nordex N 90 mit einer Leistung von ebenfalls 2300 kW, gleichbleibender Nabenhöhe und einem Rotordurchmesser von nunmehr reduzierten 90 m ersetzt hatte, erließ der Beklagte ihr gegenüber unter dem 19. Januar 2006 eine entsprechende Änderungsgenehmigung. Bezüglich des Beigeladenen zu 2) erging unter dem 23. Januar 2006 eine entsprechende Änderungsgenehmigung.

8

Da gegen die Genehmigungen Widerspruch eingelegt worden war, beantragten die Beigeladenen die Anordnung des Sofortvollzuges der Genehmigungen, dem der Beklagte bezüglich der ursprünglichen Genehmigungen unter dem 22. Februar 2006 und bezüglich der Änderungsgenehmigungen unter dem 2. März 2006 nachkam.

9

Am 9. März 2006 legte der Kläger sodann gegen die ihm nicht bekannt gegebenen Genehmigungen Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen vortrug, aufgrund des grundsätzlich drittschützenden hier aber fehlerhaft durchgeführten Verfahrensablaufs ohne Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit gemäß § 10 BImSchG in seinen Rechten verletzt zu sein. Ein förmliches Genehmigungsverfahren habe hier durchgeführt werden müssen, da erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen im Hinblick auf Belange des Naturschutzes und der Landespflege bzw. des Landschaftsbildes zu erwarten stünden. Dabei ergebe sich die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung namentlich aus naturschutzrechtlicher Sicht, da die Belange des Vogelschutzes erheblich beeinträchtigt würden. Im Kreisgebiet und somit auch im G... Raum sei der besondere schutzwürdige Rotmilan ansässig. In die Genehmigungen diesbezüglich aufgenommene Nebenbestimmungen hätten lediglich eine Alibifunktion. Außerdem sei er wegen nicht ausreichender Schutzvorkehrungen gegen die Gefahr des Eisabwurfs in seinen Rechten verletzt. Die hierzu erlassene Nebenbestimmung sei zu unbestimmt und deshalb ungeeignet und unwirksam. Einen gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerichteten Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2006 (1 L 633/06.KO) mit der Begründung ab, drittschützende Beteiligungsrechte seien nicht verletzt. Eine subjektive Rechtsverletzung aufgrund fehlender, jedoch gebotener Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG könne nicht festgestellt werden. Unter Berücksichtigung der eingeholten Stellungnahmen zum Vogelschutz und zum Landschaftsschutz sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seiner überschlägigen Prüfung die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für nicht erforderlich und daher die Erteilung einer Genehmigung nach § 19 BImSchG im vereinfachten Verfahren als ausreichend erachtet habe. Darüber hinaus sei die behauptete Eiswurfgefahr angesichts der in die Genehmigungen aufgenommenen Nebenbestimmungen ausgeschlossen.

10

Die vom Kläger eingelegte Beschwerde, mit der er u.a. die Verletzung europarechtlicher Bestimmungen geltend machte, wies der Senat durch Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10561/06.OVG) zurück. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger auch in Ansehung der einschlägigen europarechtlichen Vorschriften und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine seiner Ansicht nach fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG nicht rügen könne, weil Verfahrensvorschriften grundsätzlich keine drittschützende Wirkung hätten. Auch im Hinblick auf die UVP-Änderungsrichtlinie 2003/35/EG spreche entgegen der im Eilbeschluss des 7. Senats des Gerichts vom 25. Januar 2005 (ZfBR 2005, 487) vertretenen Auffassung mehr dafür, dass das Europarecht in Fällen der vorliegenden Art kein Abweichen von dem der deutschen Rechtsordnung zugrunde liegenden Individualrechtsschutz gebiete. Jedenfalls in seinem konkreten Fall seien keine nachteiligen Beeinträchtigungen von erheblichem Gewicht zu befürchten. Eine Verletzung von sonstigen drittschützenden Vorschriften sei im Übrigen nicht zu erkennen.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2006 wies der Kreisrechtsausschuss des Landkreises Altenkirchen den Widerspruch zurück und stellte darin darauf ab, dass die Bestimmung des § 10 BImSchG weder drittschützend, noch wegen fehlender Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt verletzt sei. Die vom Kläger erneut vorgetragene Eiswurfgefahr sei ebenso wenig gegeben wie die sonstigen von ihm geltend gemachten Beeinträchtigungen. Eine Rechtsverletzung des Klägers sei daher nicht ersichtlich.

12

Hiergegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben, mit der er sein bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft hat. Insbesondere hat er daran festgehalten, dass nach Art. 10a der Richtlinie 2003/35/EG vom 25. Juni 2003 nunmehr eine Genehmigung bereits dann aufgehoben werden müsse, wenn sie verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei, was hier der Fall sei. Darüber hinaus verstoße die Genehmigung, die der Beigeladenen zu 1) erteilt worden sei, bezüglich der Windkraftanlage Nr. 8 gegen § 8 LBauO, weil die diesbezügliche, sich nach den Vorgaben der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ergebende Abstandsfläche bei dem von dem Beklagten selbst festgelegten Abstand von 0.32H bezüglich der Parzelle Nr. ... nicht eingehalten sei. Die Genehmigungsunterlagen gingen lediglich von einem mit der maßgeblichen Höhe zu multiplizierenden Multiplikator von 0,25 aus. Zudem sei auch der von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildete Raum fehlerhaft ermittelt worden.

13

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. Juni 2007 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne nicht geltend machen, in eigenen Rechten deshalb verletzt zu sein, weil im vorliegenden Verfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG nicht stattgefunden habe, die wegen der Notwendigkeit der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung aber habe stattfinden müssen. Die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 2 VwGO ziele auf die Geltendmachung von Individualrechtsschutz. Verfahrensvorschriften vermittelten in diesem Zusammenhang grundsätzlich keine selbständig durchsetzbare Rechtsposition, auch wenn das Verfahrensrecht auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruhe, wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entscheide, worauf auch der erkennende Senat bereits in seinem Eilbeschluss vom 23. Juni 2006 hingewiesen habe. Der Kläger habe danach keinen allgemeinen Anspruch auf Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG. Weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen im Hinblick auf die geltend gemachten natur- und landschaftsrechtlichen Belange ergäben sich auch nicht aus der von dem Kläger angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Zwar seien die zuständigen Behörden danach verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projektes im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG vom 27. Juni 1985 (UVP-Richtlinie) abzuhelfen. Die Einzelheiten des hierbei anwendbaren Verfahrens seien jedoch nach dem Grundsatz der Verfassungsautonomie der Mitgliedstaaten Sache der nationalen Rechtsordnung. Insbesondere räume Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 keinen umfassenden Rechtsschutz gegen eine Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften ein. Hiernach stellten die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die (a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ (b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. das Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteilichen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Was als ausreichendes Interesse oder als Rechtsverletzung gelte, bestimmten die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zum Gericht zu gewähren. Hiernach hätten die Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten. Sie könnten den Individualrechtsschutz davon abhängig machen, dass ein ausreichendes Interesse des Rechtsschutzsuchenden besteht, oder aber davon, dass eine Rechtsverletzung geltend gemacht werde. Die Mitgliedstaaten könnten somit zwischen dem (französischen) Modell der Interessentenklage oder dem (in Deutschland herkömmlichen) Modell des Individualrechtsschutzes wählen. Die Klagebefugnis des Einzelnen könne also weiterhin davon abhängig gemacht werden, dass eine Rechtsverletzung vorliege. Was eine Rechtsverletzung sei, bestimme der jeweilige Mitgliedstaat. Weder die UVP-Richtlinie noch die Aarhus-Konvention zwängen zur Aufgabe der Schutznormtheorie im Bereich des Individualrechtsschutzes in Umweltangelegenheiten. Selbst dann jedoch, wenn man im vorliegenden Fall einer anderen Auffassung folgen sollte und eine drittschützende Wirkung des § 10 BImSchG zugunsten des Klägers unterstellen würde, ergäbe sich keine andere Betrachtung, da eine Umweltverträglichkeitsprüfung als Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung hier nicht erforderlich gewesen sei. Ein Verstoß gegen eine sonstige drittschützende Norm, die den Kläger begünstige, liege ebenfalls nicht vor. Gefährdungen und unzumutbare Beeinträchtigungen durch Eiswurf und die Entstehung von Bränden seien nicht zu befürchten.

14

Durch Beschluss vom 17. Dezember 2007 hat der Senat die Berufung hiergegen zugelassen. Bezüglich der der Beigeladenen zu 1) genehmigten Windkraftanlagen Nrn. 4 und 6 hat er die Berufung durch Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es spreche hier zwar einiges dafür, dass eine unzureichende Vorprüfung des Einzelfalles erfolgt sei und eine sachgerechte Vorprüfung zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei. Gleichwohl könne der Kläger hieraus eine Verletzung eigener Rechte nicht ableiten, wenn ihm durch ein derart fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten tatsächlich die Mitwirkungsrechte in einem Verfahren nach § 10 BImSchG genommen worden sein sollten. Durch die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG statt in einem Verfahren nach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung würden Dritte nämlich nicht in ihren eigenen Rechten verletzt. Gegenteiliges folge auch nicht aus europarechtlichen Vorgaben, insbesondere nicht aus Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie). Die Klage Dritter führe deshalb nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung, wenn das fehlerhafte Verfahren zu einer Verletzung deren materieller Rechte geführt habe, was bezüglich der genannten Windkraftanlagen indes nicht der Fall sei. Diese verstießen nämlich nicht gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 1 BImSchG, die nachbarschützend sei. Die von dem Kläger geltend gemachte Gefährdung durch Eiswurf sei im vorliegenden Fall aufgrund der Entfernung seiner Grundstücke von den genannten Windkraftanlagen nicht zu erwarten. Diese lägen nämlich soweit von den Grundstücken entfernt, dass nach menschlichem Ermessen auszuschließen sei, dass sie von Eisstücken getroffen werden könnten, die von den genannten Windkraftanlagen abgeworfen werden könnten. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.

15

Zur Begründung seiner Berufung gegen die der Beigeladenen zu 1) genehmigten Windkraftanlagen Nrn. 3, 5 und 8 und die dem Beigeladenen zu 2) genehmigte Windkraftanlage T1 wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen, dass hier eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen sei und damit ein Verfahren gemäß § 10 BImSchG hätte durchgeführt werden müssen, was er auch rügen könne. Darüber hinaus sei er in seinen Rechten verletzt, weil die den Beigeladenen erteilten Genehmigungen in der Fassung der Änderungsgenehmigungen keine ausreichenden Regelungen gegen die Gefahr durch Eiswurf enthielten. Im vorliegenden Fall seien konkrete Regelungen erforderlich gewesen. Das ergebe sich schon daraus, dass die streitigen Windkraftanlagen in einem Gebiet errichtet werden sollten, in dem aufgrund der klimatischen Gegebenheiten mit Eisansatz an den Rotoren zu rechnen sei. Dass für ihn auch tatsächlich die Gefahr bestehe, durch von den Windkraftrotoren abgeworfene Eisstücke getroffen zu werden, habe sich im Dezember 2007 vor Ort gezeigt, wo er solche Eisstücke gefunden habe. Die hierzu geregelten Nebenbestimmungen in den Genehmigungen sowie in den Änderungsgenehmigungen seien zu unbestimmt und daher ungeeignet, dieser Gefahr zu begegnen. Die von den Beigeladenen eingebauten Sensoren stellten eine wirksame Maßnahme gegen die Eiswurfgefahr nicht dar. Alle drei Sicherheitssysteme würden den Eisansatz möglicherweise erst mit einiger Verzögerung anzeigen. Des Weiteren sei auch kein ausreichender Brandschutz geregelt.

16

Der Kläger beantragt,

17

unter Abänderung des dem Kläger am 11.07.2007 zugestellten Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26.06.2007 (1 K 1792/06.KO)

18

1. die der Beigeladenen zu 1.) erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen vom 26.10.2005 zur Errichtung und zum Betrieb von Windenergieanlagen in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 19.01.2006, des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 02.11.2006 und der nachträglichen Auflage vom 29.10.2008 insoweit aufzuheben, als auf den Grundstücken Flur ., Flurstücke ./. und … die Errichtung und der Betrieb von drei Windkraftanlagen (Nrn. 3,5 und 8) genehmigt wird,

19

2. die dem Beigeladenen zu 2.) erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen des Beklagten vom 17.11.2005 in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 23.01.2006, des Widerspruchs-bescheides vom 02.11.2006 und der nachträglichen Auflage vom 29.10.2008 insoweit aufzuheben, als auf dem Grundstück Flur …, Parzelle ... die Errichtung und der Betrieb der Windenergieanlage T1 genehmigt wird.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er trägt vor, der Kläger könne eine Verletzung eigener Rechte nicht dadurch geltend machen, dass er sich auf die angebliche Verletzung von Verfahrensvorschriften berufe. Diesen komme keine drittschützende Wirkung zu. Eine Gefährdung der klägerischen Grundstücke durch Eiswurf stehe nicht zu befürchten. Diese von ihm behauptete Gefährdung sei durch ausreichende Nebenbestimmungen ausgeschlossen. Zudem hätten die Beigeladenen inzwischen dem Stand der Technik entsprechende Sensoren eingebaut. Hierbei handele es sich um marktübliche geprüfte Bauteile, deren tatsächliche Funktionsfähigkeit überprüft worden sei. Brandschutzvorkehrungen seien durch Auflagen geregelt, die aus forstfachlicher Sicht ausreichend seien.

23

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Sie tragen vor, aus dem von ihm geltend gemachten Verstoß gegen die immissionsrechtlichen Verfahrensvorschriften könne der Kläger eine Verletzung seiner eigenen Rechte nicht ableiten, weil diese Vorschriften keinen Drittschutz vermittelten. Gegenteiliges folge auch nicht aus dem Umweltrechtsbehelfsgesetz, das das Recht, die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend zu machen, lediglich Vereinigungen zubillige. Eine Klagebefugnis bestehe selbst nach der - von ihnen nicht geteilten - Auffassung des 7. Senates des erkennenden Gerichtes nur dann bei einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn der „betroffene Dritte“ dadurch in seinen materiellen Belangen berührt werde. Das sei hier jedoch erkennbar nicht der Fall, soweit sich der Kläger auf die Gefährdung eines Rotmilanvorkommens berufe. Darüber hinaus seien im vorliegenden Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung auch nicht erforderlich gewesen, weil Vorkommen des Rotmilans gar nicht beeinträchtigt würden. Eine Gefährdung des Klägers durch Eiswurf bestehe nicht. Seine Angaben zu potentiellen Eiswurfweiten seien deutlich überzogen. Eine Eisbildung an den Rotoren könne ohnehin nur bei seltenen Extremwetterlagen eintreten. Die Auflagen in den Genehmigungsbescheiden zur Vermeidung einer diesbezüglichen Gefährdung seien ausreichend. Schließlich entsprächen die genehmigten Windkraftanlagen in Bezug auf den Brandschutz dem Stand der Technik.

26

In der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 hat der Beklagte die Nebenbestimmungen der angefochtenen Genehmigungen durch weitere Auflagen ergänzt, wonach Eissensoren der Firma L... (LID-3210 C) eingebaut werden sollen, ein automatisches Abschalten der Rotoren bei Eisansatz gewährleistet werden soll und eine Wiederinbetriebnahme der Windkraftanlagen erst nach vollständigem Abtauen des Eises an den Rotorblättern erfolgen darf. Die Beigeladenen haben auf Rechtsmittel gegen diese Auflagen verzichtet.

27

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 29. Oktober 2008 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben darüber, ob die in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 den Bescheiden des Beklagten vom 26. Oktober 2006 bzw. 17. November 2005 beigefügten Auflagen sicherstellen, dass die Grundstücke des Klägers nicht durch Eiswurf von den Windkraftanlagen der Beteiligten getroffen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 13. Dezember 2010, die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 24. Januar 2011 sowie auf die Niederschrift der Ausführungen des Dipl.-Ing. R... von der GL G... H... Deutschland GmbH, Hamburg, in der in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 Bezug genommen.

28

Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme trägt der Kläger vor, die in der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2008 gemachten weiteren Auflagen seien nicht geeignet, das Eigentum des Klägers zu schützen. Der Sachverständige konstatiere nämlich, dass hierdurch kein vollständiger Schutz gewährleistet werde. Dabei gehe es vorliegend nicht darum, dass die den Beigeladenen aufgegebenen und von diesen eingebauten Eissensoren aufgrund eines technischen Versagens unter Umständen ausfallen könnten. Vielmehr sei dieser Sensortyp konstruktionsbedingt nicht geeignet, jedweden Eisansatz an den Rotorblättern sicher zu erkennen. Inzwischen gebe es geeignetere Sicherheitssysteme, die den Eisansatz unmittelbar an den Rotoren und damit rechtzeitig feststellen könnten. Die von den Beigeladenen eingebauten Sensoren gewährleisteten ein rechtzeitiges Abschalten der Rotoren aber auch deshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit, weil sie auf Nabenhöhe und damit deutlich unterhalb des höchsten Punktes, den die Rotorblätter erreichten, angebracht worden seien und zudem in unmittelbarer Nähe zu der Gondel, wo höhere Temperaturen zu erwarten stünden als an den Rotorblattspitzen. Sie seien somit an einer Stelle angebracht, wo es am wärmsten sei und wo eine Vereisung also zuletzt auftrete. Erforderlich, um die nötige Sicherheit zu gewährleisten, sei vielmehr eine Messung an den Rotorblättern selbst, was technisch möglich sei. Entsprechende Sicherheitssysteme gebe es bereits. Ihm könne auch nicht entgegengehalten werden, dass seine Grundstücke nicht zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt seien. Das sei unerheblich, weil er als Eigentümer seine Grundstücke immer betreten können müsse, um dort erforderliche Arbeiten durchzuführen.

29

Der Beklagte trägt zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor, der Sachverständige habe bestätigt, dass ein äußerst geringes Risiko bestehe, dass eine Person auf den Grundstücken des Klägers durch einen von den streitigen Windkraftanlagen abgeworfenen Eisbrocken getroffen werden könne. Dieses geringe Restrisiko erfordere keine weiteren Nebenbestimmungen in den Genehmigungen.

30

Die Beigeladenen halten dem Vorbringen des Klägers zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme entgegen, der Sachverständige habe die grundsätzliche Tauglichkeit der ihnen aufgegebenen technischen Einrichtungen bestätigt. Jedes System könne einmal versagen, das stelle aber dessen grundsätzliche Eignung nicht in Frage. Zudem seien die in der Nähe der Windkraftanlagen gelegenen Grundstücke des Klägers nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt. Es handele sich um Außenbereichsgrundstücke.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (10 Ordner, 1 Hefter) und die Gerichtsakte 1 L 633/06.KO Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

32

Die Berufung hat keinen Erfolg.

33

Der Kläger wird durch die den Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 26. Oktober 2005 bzw. vom 17. November 2005 in der Gestalt der Änderungsgenehmigungen vom 19. Januar 2006 bzw. vom 23. Januar 2006, jeweils in der Fassung der weiteren Abänderung in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008, nicht in seinen Recht verletzt. Der Kläger kann sich nämlich weder auf eine Verletzung immissionsschutzrechtlicher Verfahrensvorschriften berufen, noch auf eine Verletzung sonstiger drittschützender Vorschriften, weshalb das Verwaltungsgericht seine Klage zu Recht abgewiesen hat. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger keinen allgemeinen Anspruch auf Durchführung eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG hat und deshalb nur eine Verletzung eigener materieller Rechte geltend machen kann. Solche eigene Rechtspositionen des Klägers werden hier jedoch ersichtlich nicht verletzt, weil die von ihm angefochtenen Genehmigungen – nunmehr – Nebenbestimmungen enthalten, die den Beigeladenen in einem an den konkreten Umständen des Einzelfalles ausgerichteten Maß Sicherheitseinrichtungen aufgeben mit dem Ziel, Gefährdungen von Personen auf den Grundstücken des Klägers durch Eiswurf von den Rotoren der Windkraftanlagen zu verhindern. Ebenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass die Regelungen zum Brandschutz in den Genehmigungen unzureichend wären.

34

Ausgangspunkt für den zwischen den Beteiligten bestehenden Streit darüber, ob Verfahrensvorschriften verletzt worden sind, ist der Umstand, dass der Beklagte das nach der Antragstellung durch die Beigeladenen zunächst eingeleitete Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung abgebrochen und nach Inkrafttreten der 4. BImSchV in ihrer nunmehr geltenden Fassung im Jahre 2005 das vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG durchgeführt und in diesem Verfahren die angefochtenen Genehmigungen erteilt hat. Voraussetzung für diese – geänderte – Vorgehensweise war, dass nach der Ansicht des Beklagten eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung in diesem Genehmigungsverfahren nicht notwendig wurde. Insoweit stützte sich der Beklagte auf das Ergebnis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles gemäß § 3 c UVPG. Ob diese sachgerecht durchgeführt wurde, begegnet indessen erheblichen Zweifeln, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) ausgeführt hat. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass eine sachgerechte Vorprüfung zu dem Ergebnis gelangt wäre, eine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung sei durchzuführen.

35

Gleichwohl kann der Kläger, sollte sich seine Einschätzung als richtig erweisen, dass wegen zu erwartender erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen sei, hieraus auch dann keine Verletzung eigener Rechte ableiten, wenn ihm durch ein derart fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten tatsächlich die Mitwirkungsrechte in einem Verfahren nach § 10 BImSchG genommen worden sein sollten. Die Verfahrensvorschrift des § 10 BImSchG ist nämlich nicht drittschützend, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat. Hierzu hat der Senat in seinem vorgenannten Urteil vom 29. Oktober 2008 folgendes ausgeführt:

36

Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Frage, ob Verfahrensvorschriften, wie hier die des § 10 BImSchG, eigene wehrfähige Rechte Dritter begründen können, im Schrifttum mit Blick auf europarechtliche Vorgaben diskutiert und auch in der Kommentarliteratur zum Bundesimmissionsschutzgesetz unterschiedlich beantwortet wird. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist diese Frage − mit Ausnahme des Eilbeschlusses des 7. Senats des Gerichts vom 25. Januar 2005 (7 B 12114/04.OVG, NVwZ 2005, 1208), auf den sich der Kläger ausdrücklich stützt − durchweg verneint worden. Dies gilt auch für die dem Beschluss des 7. Senats des erkennenden Gerichts zeitlich nachfolgende obergerichtliche Rechtsprechung. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat seine bisherige gefestigte Rechtsprechung ersichtlich nicht aufgegeben, wonach die Geltendmachung einer Verletzung von Verfahrensvorschriften der Klage eines durch ein verfahrensfehlerhaft gestattetes Projekt Betroffenen nicht zum Erfolg verhelfen kann, sondern dass vielmehr die Verletzung eigener materieller Rechte durch die angegriffene Zulassung eines Vorhabens festgestellt werden muss. Hieran hält das Bundesverwaltungsgericht, wie in seinem Beschluss vom 21. Januar 2008 (ZfBR 2008, 278 ff.) zum Ausdruck kommt, auch mit Blick auf die von dem Kläger angesprochenen europarechtlichen Vorgaben, jedenfalls bezüglich solcher Projekte fest, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2003/35/EG genehmigt worden sind, wozu die streitgegenständlichen Windkraftanlagen zählen. Angesichts dessen hält der Senat weiterhin an seiner bereits in dem Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10591/06.OVG) zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung fest, wonach Verfahrensvorschriften, von wenigen Ausnahmen − wie z.B. im Atomrecht − abgesehen, grundsätzlich keine drittschützende Wirkung entfalten. Die Ausführungen des Klägers geben keinen Anlass, diese Rechtsauffassung zu ändern.

37

Der Senat hat bereits in dem Beschluss vom 23. Juni 2006 in diesem Zusammenhang auf seine eigene ständige Rechtsprechung zum Wasserrecht (vgl. Urteil vom 5. November 1998 – 1 A 10007/96.OVG – und Beschluss vom 6. Oktober 2004 – 1 A 11478/04.OVG -) sowie auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Immissionsschutz- und Fachplanungsrecht (vgl. Urteil vom 29. Mai 1981, NJW 1981, 2769; Beschluss vom 16. November 1998, NVwZ-RR 1999, 429; Urteil vom 5. Oktober 1990, NVwZ 1991, 369; Urteil vom 25. Januar 1996, BVerwGE 100, 238) und auch auf die Rechtsprechung anderer Obergerichte (vgl. OVG Münster, Beschlüsse vom 7. Januar 2004, NVwZ-RR 2004, 408 und vom 15. September 2005, NuR 2006, 251; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20. September 2004 in juris) verwiesen. Das Verwaltungsgericht hat diese Ausführungen in seinem Urteil durch weitere Hinweise auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der hier streitigen Frage (vgl. Urteile vom 21.März 1996, NVwZ 1996, 1016; vom 19. März 2003, NVwZ 2003, 1120; und vom 18. November 2004, NVwZ 2005, 442) und durch Hinweise auf weitere Rechtsprechung (vgl. OVG Münster, Urteile vom 27. Oktober, NuR 2006, 320, und vom 2 März 2006, NuR 2006, 801; VG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Januar 2007 in juris) ergänzt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. An dieser gefestigten Rechtsprechung, wonach grundsätzlich nur die Verletzung eigener materieller Rechte, nicht aber die Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann, ist auch unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben, auf die sich der Kläger ausdrücklich bezieht, weiterhin festzuhalten. Gegen diese Rechtsprechung wendet sich der Kläger unter Hinweis auf Teile der Kommentarliteratur zum Bundesimmissionsschutzgesetz und den Eilbeschluss des 7. Senats des Gerichts vom 25. Januar 2005 (a.a.O.) sowie die hierin zitierten EU-Richtlinien und die dort ebenfalls zitierte sog. Wells-Entscheidung des EuGH vom 7. Januar 2004 (NVwZ 2004, 593 ff.). Diese Ausführungen überzeugen indessen nicht.

38

Die Kommentarliteratur zum Bundesimmissionsschutzgesetz, auf die sich der Kläger insbesondere stützt (so bereits in der Widerspruchsbegründung unter Hinweis auf Jarass, Bundesimmissionsschutzgesetz, 7. Aufl., § 10 BImSchG, Rn. 132) vermittelt ein eher uneinheitliches Bild (Drittschutz bejahend: Jarass, a.a.O. und Kortulla, Bundesimmissionsschutzgesetz, § 19 Rn. 49; Drittschutz verneinend: Storost in Ule/Laubinger, Bundesimmissionsschutzgesetz, § 19 BImSchG, Rn. F1 f.). Allerdings erweisen sich die Kommentierungen bei näherer Betrachtung als durchaus ambivalent, weil die Annahme einer drittschützenden Wirkung von Verfahrensvorschriften keineswegs konsequent in der jeweiligen Kommentierung durchgehalten wird (s. Jarass, a.a.O. Rn. 134, wonach ein Verstoß gegen eine drittschützende Verfahrensnorm zur Aufhebung führt, wenn er sich auf die Einhaltung materieller Normen (mit drittschützendem Charakter) ausgewirkt haben könnte und lediglich eine zu restriktive Handhabung der Kausalitätsanforderung für bedenklich gehalten wird; Kortulla, § 10 BImSchG, Rn. 192 ff., wonach Verfahrensvorschriften einem potentiell Betroffenen Drittschutz daher „nur im Hinblick auf die bestmögliche Verwirklichung seiner materiellen Rechtsposition“ gewähren, und auf die unlösbare Verbindung des Verfahrensrechts zum materiellen Recht verwiesen wird).

39

Soweit in der Kommentarliteratur zur Begründung der drittschützenden Wirkung des § 10 BImSchG auf die Rechtsprechung zum Atomrecht (so Jarass, a.a.O., Rn. 132) verwiesen wird, ist anzumerken, worauf der Senat bereits in dem Beschluss vom 23. Juni 2006 hingewiesen hat, dass die Rechtsprechung insoweit zwar eine drittschützende Wirkung von Verfahrensvorschriften annimmt. Diese Besonderheit ist aber nicht ohne weiteres auf das Immissionsschutzrecht und die hier in Rede stehenden Genehmigung von Windkraftanlagen übertragbar. Insoweit folgt der Senat auch nicht dem Ansatz des 7. Senats des erkennenden Gerichts in dem Beschluss vom 25. Januar 2005 (a.a.O.), auf das sich der Kläger zur Begründung seiner Rechtsauffassung stützt. Darin ist die Parallelität zur Situation im Atomrecht bezüglich immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen mit der Überlegung begründet worden, dass nach europäischem Recht bei komplexen Umweltentscheidungen dem Verfahren eine eigenständige Bedeutung zukomme, wobei sich diese Überlegungen auf die bereits genannte „Wells-Entscheidung“ des EuGH und europäische Richtlinien, insbesondere die Änderungsrichtlinie 2203/35/EG vom 26. Mai 2003 stützt. Diesen Überlegungen folgt der erkennende Senat jedoch nicht.

40

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil (Urteilsabdruck S. 9) bereits eingehend dargelegt, dass die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 7. Januar 2004 (a.a.O.), der sog. Wells-Entscheidung, die Auffassung nicht zu stützen vermögen, hieraus könne die drittschützende Wirkung von Verfahrensvorschriften abgeleitet werden. Das sieht der Senat ebenso. Diese Entscheidung des EuGH, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die zuständigen Behörden verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projektes i.S. von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG vom 27. Juni 1985 (UVP-Richtlinie) abzuhelfen, und ob und inwieweit der einzelne (Betroffene) dies durchsetzen kann, betont ausdrücklich und mehrfach (s. Rn. 67 und Rn. 70), dass nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaates ist, die Einzelheiten des Verfahrens zu regeln. Demnach geht auch der EuGH nicht davon aus, dass es ein unmittelbares, europarechtlich begründetes Individualrecht des Einzelnen gibt, die Verletzung von Verfahrensvorschriften als die Verletzung eigener Rechte im Rahmen seiner nationalen Rechtsordnung geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ergeben sich demnach lediglich Schranken für die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung, die darin bestehen, dass die Einzelheiten des Verfahrens bezüglich einer fehlerhaft unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip) und dass sie die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsprinzip). Anhaltspunkte dafür, dass die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO und deren grundsätzliche Klärung durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diesen Anforderungen nicht genügen würde, sind nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich aus den von dem Kläger in Bezug genommenen europarechtlichen Richtlinien nicht ableiten, dass die Gemeinschaftsrechtsordnung dem Einzelnen über das Recht, die Verletzung eigener materieller Rechte geltend zu machen, hinaus das Recht verleihen würde, als eigenes Recht auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machen zu können.

41

Die Richtlinie 85/373/EWG vom 27. Juni 1986 (UVP-Richtlinie) regelt zwar in Art. 6 die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Genehmigung von Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, in Art. 8 die Berücksichtigung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren und in Art. 9 die Benachrichtigung der betroffenen Öffentlichkeit über die getroffenen Entscheidung. Anhaltspunkte dafür, dass diese Richtlinie dem einzelnen Betroffenen aber auch das Recht verleihen sollte, die Verletzung von Verfahrensvorschriften als eigene Rechte geltend zu machen, lassen sich ihr indessen nicht entnehmen. Solches trägt der Kläger auch nicht vor. Derartige Anhaltspunkte können auch der vorgenannten „Wells-Entscheidung“ des EuGH nicht entnommen werden. Stattdessen stützt sich der Kläger auf das „Aahus-Übereinkommen“ vom 25. Juni 1998 (ABl. der EU, L 124 vom 17.05.2005 S. 0004 bis 0020) und die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. der EU, 2003 L 156/17).

42

Das Aarhus-Übereinkommen selbst enthält in seinem Art. 9 zwar Ausführungen über den Zugang zu Gerichten und verweist in seinen Eingangserwägungen auch auf die Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung, fordert in dem genannten Art. 9 in Abs. 3 indessen lediglich, „dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmung ihres innerstaatlichen Rechtes verstoßen“ und in Abs. 4 des Art. 9 die Gewährleistung eines „angemessenen und effektiven Rechtsschutzes“. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch europarechtlich gezwungen wäre, von den geltenden prozessrechtlichen Vorschriften - dem Individualrechtsschutzmodell und seiner Anwendung durch das Bundesverwaltungsgericht - abzugehen. Auch dieses Modell gewährleistet bei der bestehenden hohen Kontrolldichte zweifellos einen angemessenen und effektiven Rechtsschutz.

43

Auch der durch Art. 7 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 neu in die Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie) eingefügte Art. 10 a regelt, wie das Verwaltungsgericht bereits im Einzelnen dargelegt hat, keinen umfassenden Rechtsschutz gegen eine Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften. Der genannte Art. 10 a der UVP-Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Sicherstellung des Zugangs der betroffenen Öffentlichkeit zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht nämlich zwei unterschiedliche Alternativen ein, wobei in der Formulierung dieses Artikels ausdrücklich hervorgehoben wird, dass es sich um Alternativen handelt. Danach ist Zugangsvoraussetzung entweder ein „ausreichendes Interesse“ oder alternativ die Geltendmachung einer Rechtsverletzung, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert. Weiterhin legt Art. 10 a der genannten Richtlinie fest, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt. Diese Formulierung des Art. 10 a der UVP-Richtlinie ist, worauf das Verwaltungsgericht schon hingewiesen hat, nahezu wortgleich mit Art. 9 Abs. 2 des durch Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. EU 2005 L 124/1) ratifizierten Aarhus-Übereinkommens. Daher kann entgegen der Auffassung des Klägers auch unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 5, 7 und 9 der Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003, die auf die Ziele und insbesondere auf Art. 9 des Aarhus-Übereinkommens Bezug nehmen, aus dem neu eingefügten Artikel 10 a der UVP-Richtlinie kein weiterer Regelungsgehalt herausgelesen werden, als er in seinem Wortlaut zum Ausdruck kommt. Demnach haben die Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten bei der Umsetzung dieser Richtlinie. Sie können den Individualrechtsschutz davon abhängig machen, dass ein ausreichendes Interesse des Rechtsschutzsuchenden besteht, also das französische Modell der Interessentenklage wählen. Sie könnten aber auch dem in Deutschland herkömmlichen Modell des Individualrechtsschutzes folgen. Für die Bundesrepublik Deutschland folgt daher aus Art. 10 a der UVP-Richtlinie nicht die Notwendigkeit, ihr herkömmliches Rechtsschutzsystems zu ändern, das den Zugang zum Gericht von der Geltendmachung der Verletzung eigener materieller Rechte abhängig macht.

44

Soweit sich der Kläger demgegenüber zur Untermauerung seiner Rechtsauffassung auf das Schrifttum stützt, tragen die dortigen Ausführungen seine Auffassung indes – deutlich überwiegend − nicht. Hierin wird vielmehr ausdrücklich hervorgehoben, dass weder das Aarhus-Übereinkommen noch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 ein einheitliches Rechtsschutzkonzept vorgeben, sondern vielmehr die unterschiedlichen Konzepte der Vertragsparteien über Rechtsschutzmöglichkeiten der Öffentlichkeit alternativ nebeneinanderstellen, aus denen die Mitgliedstaaten bzw. die Vertragsparteien des Aarhus-Übereinkommens wählen können, wozu das deutsche Modell des Individualrechtsschutzes gehört (vgl. von Dannwitz, NVwZ 2004, 272 ff.; Lechler, NVwZ 2005, 1156 ff.; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489 ff.; Schröder, NVwZ 2006, 389 ff.; Ziekow, NVwZ 2007, 259 ff.). Dementsprechend wird auch im Schrifttum speziell zum Immissionsschutzrecht (Sellner/Reith/Ohms, Immissionsschutzrecht, 3. Aufl., NJW Praxis, S. 227 f., Rn. 79 ff.) der Rechtsauffassung, die Verletzung von Verfahrensvorschriften könne als Verletzung eigener Rechte geltend gemacht werden, ausdrücklich mit dem Hinweis entgegengetreten, dass weder die verfassungsrechtlichen noch die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen dazu zwingen, bei Verfahrensfehlern im Anlagenzulassungsverfahren gänzlich auf Kausalitätserwägungen, so wie sie auch in anderen Bereichen anzutreffen seien, zu verzichten. Hierzu wird ausgeführt:

45

„Die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie unterscheidet zwischen der (allgemeinen) Öffentlichkeit einerseits und der betroffenen Öffentlichkeit andererseits. Nur Letzterer ist Zugang zu einem (gerichtlichen) Überprüfungsverfahren zu geben, wenn ein ausreichendes Interesse besteht oder aber eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, sofern das nationale Recht dies verlangt. Was als ausreichendes Interesse oder als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedsstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu den Gerichten zu gewährleisten (Art. 10 a der durch die Richtlinie 2003/35/EG – Öffentlichkeitsrichtlinie − geänderten UVP-Richtlinie). Sowohl der Begriff der Betroffenheit als auch auf das Abstellen auf ein ausreichendes Interesse oder eine Rechtsverletzung machen deutlich, dass Art. 10 a der UVP-Richtlinie durchaus Kausalitätserwägungen zulässt. Denn wenn die getroffene Sachentscheidung (offensichtlich) einen Dritten nicht in seinen Rechten verletzt, insbesondere also bei Einhaltung exakt festgelegter materieller Standards mit drittschützendem Charakter, wird man ihn nicht ohne weiteres als betroffen ansehen können. Er kann dann zwar gleichwohl ein ausreichendes Interesse daran haben, überhaupt eine gerichtliche Überprüfung herbeizuführen. Dies bedeutet allerdings nicht zugleich, dass aufgrund dieser im Rahmen einer Anfechtungsklage stattfindenden gerichtlichen Überprüfung eine ihn offensichtlich nicht in eigenen Rechten materiell verletzende Entscheidung allein wegen eines Verfahrensfehlers zwingend aufgehoben werden muss. Für den Grundrechtsschutz nach Maßgabe des nationalen Verfassungsrechts gilt dies in gleicher Weise.“

46

Das sieht die obergerichtliche Rechtsprechung ersichtlich ebenso (vgl. Urteile des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 21. Januar 2005, DVBl. 2005, 720; und vom 21. Mai 2008 − 8 A 10911/07.OVG −; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2007 in juris). Selbst der Kläger räumt ein, dass bislang kein anderes Obergericht der von dem 7. Senat des erkennenden Gerichts in dem Beschluss vom 25. Januar 2005 (a.a.O.) vertretenen Rechtsauffassung gefolgt ist, auf die er sich stützt. Auch der Senat sieht keinen Anlass, seine bisherige, im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung stehende diesbezügliche Rechtsauffassung zu ändern und der in dem genannten Beschluss geäußerten Rechtsmeinung zu folgen.

47

Soweit in dem von dem Kläger zur Stützung seiner Rechtsauffassung zitierten Schrifttum eine gegenteilige Auffassung vertreten wird (Kment, NVwZ 2007, 274 ff.; Schlacke, NuR 2007, ff.), behandelt dieses Schrifttum die Rechtslage nach Inkrafttreten des Umweltrechtsbehelfsgesetzes − URG −. Allerdings wird auch darin hervorgehoben, dass es Beteiligten nach § 61 Nrn. 1 und 2 VwGO erst seit Erlass dieses Gesetzes möglich sei, die Verletzung von Verfahrensfehlern nach § 4 Abs. 1 URG gerichtlich geltend zu machen (so Kment, a.a.O. S. 279). Indessen kann der Kläger aus dem URG im vorliegenden Verfahren Rechte nicht ableiten, weil gemäß § 5 URG dieses Gesetz für Verfahren, wie das vorliegende Genehmigungsverfahren, nur dann gilt, wenn diese nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind. Im vorliegenden Fall ist das Genehmigungsverfahren jedoch mit Eingang des Antrags der Beigeladenen vom 22. Oktober 2004 bei dem Beklagten am 17. November 2004 eingeleitet worden. Damit findet das URG für das vorliegende Verfahren keine Anwendung. Hieran ändert auch der Abänderungsantrag der Beigeladenen vom 2. Dezember 2005 nichts, mit dem − bei gleichbleibenden Standorten und gleichbleibender Nabenhöhe der streitigen Windkraftanlagen − eine Änderungsgenehmigung bezüglich des Rotordurchmessers begehrt wurde, der entsprechend dem ursprünglichen Antrag reduziert werden sollte. Hierdurch stellte sich die Genehmigungsfrage nicht erneut. Durch die Änderung werden die Auswirkungen der Windkraftanlagen nämlich allenfalls reduziert. Vor diesem Hintergrund bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Klärung, ob, wie die Beigeladene meint, das Umweltrechtsbehelfsgesetz lediglich den in § 2 URG genannten Vereinigungen das Recht gibt, Verfahrensverletzungen gerichtlich anzugreifen oder ob auch einzelne Betroffene aufgrund der Formulierung in § 4 Abs. 3 URG hierzu befugt sind (so Kment, a.a.O.).

48

Auch das Bundesverwaltungsgericht weist in seinem Beschluss vom 21. Januar 2008 (ZfBR 2008, 289 ff.) darauf hin, dass das Umweltrechtsbehelfsgesetz nur für Verfahren gilt, die nach dem 25. Juni 2005, also nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2003/35/EG eingeleitet worden sind oder hätten eingeleitet werden müssen. Aus dieser Entscheidung wird aber zugleich deutlich, dass das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung ist, dass auch das Gemeinschaftsrecht nicht gebietet, die Genehmigung von Projekten, für die das Genehmigungsverfahren vor Ablauf der Frist vor Umsetzung der genannten Richtlinie eingeleitet wurde, wegen des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften aufzuheben (Rn. 12 des Beschlusses). In diesem Zusammenhang weist das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich auf den von dem EuGH in seinem Urteil vom 7. Januar 2004 (a.a.O.) ausdrücklich hervorgehobenen Grundsatz der Verfahrensautonomie (Rnrn. 13 ff.), deren Grenzen nicht überschritten seien, wenn das deutsche Recht es nicht ermöglicht, dass bloße Verfahrensfehler, die nicht zu einer Verletzung materieller Rechte des Betroffenen führen, zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung führen. Aufgrund der vorstehend dargelegten Überlegungen ist es also nicht zu beanstanden, sondern steht vielmehr in Einklang mit der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ausgeführt hat, dass die Geltendmachung eines Verfahrensverstoßes allein die Aufhebung der angefochtenen Genehmigung nicht rechtfertigen kann, sondern dass die Anfechtungsklage nur dann Erfolg haben kann, wenn der geltend gemachte Verfahrensfehler auch zu einer Verletzung der eigenen materiellen Rechte des Klägers geführt hat, was hier jedoch nicht der Fall ist.

49

Daran hält der Senat nach wie vor fest. Dem ist der Kläger im vorliegenden Verfahren auch nicht weiter entgegengetreten. Damit stellt sich im vorliegenden Verfahren lediglich noch die Frage, ob die streitgegenständlichen Windkraftanlagen gegen sonstige - drittschützende - Vorschriften verstoßen, die den Kläger begünstigen.

50

Insoweit macht der Kläger einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 1 BImSchG geltend, die nachbarschützend ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2008, ZfBR 2008, 278 ff.; Jarass, BImSchG, § 5, Rn. 21). Im vorliegenden Fall stehen nicht schädliche Umwelteinwirkungen, sondern sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 BImSchG in Rede, zu denen die von dem Kläger geltend gemachte Gefährdung durch Eiswurf zu zählen ist. Darüber hinaus macht der Kläger einen Verstoß gegen die ebenfalls drittschützende Vorschrift des § 8 LBauO geltend. Eine Verletzung der genannten Vorschriften ist nach der Überzeugung des Senats jedoch nicht gegeben.

51

Die Nebenbestimmungen zum Ausschluss einer Gefährdung Dritter durch Eiswurf in den angefochtenen Genehmigungen in der Gestalt, die sie letztendlich durch die Auflagen erhalten haben, die der Beklagte den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 gemacht hat, erachtet der Senat unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles als ausreichend, um der von dem Kläger angesprochenen Gefährdung durch Eiswurf zu begegnen. Ein Verstoß gegen § 8 LBauO durch die Genehmigung der Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) ist nach den vorliegenden Unterlagen ebenfalls mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Allein diese Windkraftanlage steht mit einer Entfernung von 90 m so nah zu dem Grundstück des Klägers Parzelle Nr. ..., dass die Einhaltung des § 8 LBauO insoweit überhaupt zu prüfen ist. Alle anderen im vorliegenden Verfahren streitigen Windkraftanlagen stehen so weit von seinen Grundstücken entfernt, dass eine Verletzung von § 8 LBauO bezogen auf diese Grundstücke von vornherein ausscheidet. Über die näher zu den vorgenannten Grundstück des Klägers stehende Windkraftanlage T 2 des Beigeladenen zu 2) wird in dem aus dem vorliegenden Verfahren abgetrennten Verfahren (1 A 10597/11.OVG) zu entscheiden sein.

52

Die Gefahr des Eiswurfs bei Standorten von Windkraftanlagen in Mittelgebirgshöhenlagen, wie sie hier bezüglich der streitgegenständlichen Standorte gegeben sind, ist zwischen den Beteiligten wohl nicht grundsätzlich streitig. Sie wird heute ersichtlich auch von den Planern derartiger Anlagen grundsätzlich anerkannt, was im vorliegenden Fall dadurch dokumentiert wird, dass die Beigeladenen selbst in ihren jeweiligen Antragsunterlagen (vgl. bezüglich der Beigeladenen zu 1., Ordner IV, Bl. 49 ff.) hierauf eingehen und die schon von Antragstellerseite von vornherein vorgesehenen Sicherungseinrichtungen darstellen. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten unter Ziffer 2.1 (S. 3 des Gutachtens vom 13. Dezember 2010) ausgeführt hat auch das Deutsche Institut für Bautechnik in der Musterliste der technischen Baubestimmungen Vorgaben formuliert, wie der Gefahr des Eisabwurfs zu begegnen ist (Fassung März 2004). In Rheinland-Pfalz hat das zuständige Fachministerium diese Gefahr zum Anlass genommen, in der Verwaltungsvorschrift vom 28. April 2003 (MinBl. 2003, 357 ff., 369 ff.), in der nachfolgenden Verwaltungsvorschrift vom 15. Oktober 2004 (MinBl. 2004, 374 ff., 396) und in dem gemeinsamen Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen, des Ministeriums des Innern und für Sport, des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau und des Ministeriums für Umwelt und Forsten vom 30. Januar 2006 (Hinweise zur Beurteilung der Zulässigkeit von Windenergieanlagen, MinBl. S. 64 ff.) hierzu Aussagen zu machen. In dem letztgenannten Rundschreiben heißt es unter IV.4 „Eisabwurf“:

53

Windenergieanlagen sind generell so zu errichten und zu betreiben, dass es nicht zu einer Gefährdung durch Eisabwurf kommt. Um eine solche Gefährdung zu vermeiden, bestimmt die durch Verwaltungsvorschrift als technische Baubestimmung eingeführte Richtlinie für Windenergieanlagen, dass geeignete betriebliche bzw. technische Vorkehrungen gegen Eisabwurf zu treffen sind (Verwaltungsvorschrift vom 15. Oktober 2004, MinBl., S. 374, 396, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 22. November 2005, MinBl., S. 350).

54

Da Eisstücke über mehrere 100 m weit geschleudert werden können, ist die Einhaltung entsprechend größerer Abstände bei kleinparzellierten Grundstücken kaum möglich. Die Abstände nach § 8 LBauO berücksichtigen die Eisabwurfproblematik nicht. Deshalb kommen in erster Linie technische Vorkehrungen oder geeignete betriebliche Maßnahmen in Betracht, wie zum Beispiel, dass

55

- sich die Anlage bei Eisansatz aufgrund entsprechender technischer Vorkehrungen (z.B. Detektoren) selbst stilllegt,

        

- der Eisansatz durch technische Maßnahmen (Beheizung und/oder wasserabweisende Beschichtung der Rotorblätter) auf Dauer vermieden wird.

56

Die Frage entsprechender Regelungen in Genehmigungsbescheiden stellt sich in Bezug auf die Eigentümer von den Windkraftanlagen benachbarten Grundstücken nur dann und die vorgenannten Eigentümer können auch nur dann durch das Fehlen entsprechender Regelungen in den jeweiligen Genehmigungsbescheiden in ihren eigenen Rechten verletzt sein, wenn die jeweils streitigen Windkraftanlagen in einer Entfernung von ihren Grundstücken genehmigt worden sind, die geringer ist als die potentielle Eiswurfweite gemessen von dem Standort der jeweiligen Windkraftanlage. Wie diese potentielle Eiswurfweite zu ermitteln ist, hat der Senat in dem den Beteiligten bekannten Urteil vom 29. Oktober 2008 (1 A 11330/07.OVG) unter Bezugnahme auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 9. Februar 2006 (in juris) im Einzelnen ausgeführt.

57

Zugrunde zu legen sind dabei die Ergebnisse des EU-Forschungsprojektes „Windenergy Produktion in Cold Climates“, des sogenannten „WECU-Projektes“. Als Ergebnis durchgeführter Simulationen und der bisherigen Beobachtungen empfiehlt das „WECU-Gutachten“ deshalb für Standorte, an denen mit hoher Wahrscheinlichkeit an mehreren Tagen im Jahr mit Vereisung gerechnet werden muss, einen Abstand von 1,5 x (Nabenhöhe + Durchmesser) zu den nächsten gefährdeten Objekten einzuhalten. Diesen Richtwert haben auch die Beigeladenen in ihren Antragsunterlagen (s. bezüglich der Beigeladenen zu 1., Ordner IV, Bl. 51) zugrunde gelegt. Soweit in der mündlichen Verhandlung seitens des Klägers vorgetragen worden ist, die genaue Ermittlung dieser Faustformel für potentielle Eiswurfweiten sei unklar, genaue Berechnungsergebnisse dafür lägen nicht vor und Eisstücke könnten auch weiter fliegen, muss dem im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht nachgegangen werden. Die hier streitigen Windkraftanlagen der Beigeladenen sind nämlich jeweils so nahe zu den Grundstücken des Klägers genehmigt worden, dass sie nach der vorstehend erläuterten Faustformel von Eisstücken getroffen werden könnten, die von den den Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen abgeworfen werden. Durch die vorgenannte Formel würde sich nämlich unter Berücksichtigung der Nabenhöhe von 100 m und des Rotordurchmessers von 90 m eine potentielle Eiswurfweite von 285 m errechnen. Das ist in etwa auf die Entfernung der Windkraftanlage Nr. 3 der Beigeladenen zu 1) von dem nächstgelegenen Grundstück des Klägers. Alle übrigen im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Windkraftanlagen sind in einer geringeren Entfernung zu Grundstücken des Klägers genehmigt worden. Den Bedenken des Klägers, die vorstehend erläuterte Formel zur Ermittlung der potentiellen Eiswurfweite von Windkraftanlagen sei unzutreffend, müsste allein dann nachgegangen werden, wenn die streitigen Windkraftanlagen so weit von den Grundstücken des Klägers entfernt stünden, dass diese Grundstücke unter Zugrundelegung der vorgenannten Faustformel nicht mehr von Eisbrocken getroffen werden könnten, die von den Windkraftanlagen abgeworfen werden. Nur dann käme der Frage Relevanz zu, ob diese Faustformel zu einem zutreffenden Ergebnis führt oder ob größere Eiswurfweiten anzunehmen wären.

58

Liegen die klägerischen Grundstücke somit innerhalb der potentiellen Eiswurfweite der den Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen und könnte der Kläger, sofern er sich auf seinen Grundstücken aufhält, dort möglicherweise von Eisbrocken getroffen werden, die von den Rotoren der Windkraftanlagen abgeworfen werden, so waren hier im Rahmen der erteilten Genehmigungen - was auch der Beklagte selbst so gesehen hat - Regelungen zu treffen, die die genannte Gefährdung hinreichend sicher vermeiden. Das gänzliche Fehlen entsprechender Regelungen oder deren Unwirksamkeit – sei es wegen mangelnder Bestimmtheit oder wegen ihrer Ungeeignetheit – kann der Kläger auch geltend machen, weil die Regelung des § 5 BImSchG, woraus sich diese Verpflichtung für den Beklagten ergibt, drittschützend ist. Die der Beigeladenen zu 1) erteilte Genehmigung vom 26. Oktober 2005 sowie die dem Beigeladenen zu 2) erteilte Genehmigung vom 17. November 2005 genügten diesen Anforderungen indessen nicht, weil sie nicht hinreichend bestimmt waren.

59

Die diesbezügliche Regelung in dem Bescheid vom 26. Oktober 2005 auf Seite 12 des Bescheides erschöpft sich in dem Passus:

60

Da im vorliegenden Fall keine ausreichend großen Sicherheitsabstände zu gefährdeten Objekten (…) eingehalten werden, müssen geeignete betriebliche bzw. technische Vorkehrungen gegen Eiswurf getroffen werden.

61

Eine im Wesentlichen gleichlautende (nicht aussagekräftigere) Nebenbestimmung enthält der Bescheid vom 17. November 2005 unter Nr. 11. Die Änderungsbescheide vom 19. Januar 2006 und vom 23. Januar 2006 wiederholen diese Formulierung lediglich in ihren Nebenbestimmungen unter Nr. 11. Der vorgenannten Formulierung ist jedoch nicht zu entnehmen, was aus der Sicht des Beklagten denn nun eine geeignete Vorkehrung sein könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bislang offensichtlich weder ein technisches Regelwerk noch einen allgemeinen anerkannten Stand der Technik gibt, aus dem die Beigeladenen als Genehmigungsadressaten zweifelsfrei hätten entnehmen können, was von ihnen hierdurch verlangt wird. Zwar kann es im Einzelfall sinnvoll sein, dass eine Behörde mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einem Genehmigungsadressaten verschiedene Möglichkeiten eröffnet, einer Nebenbestimmung nachzukommen, sofern sie gleichermaßen geeignet sind, das mit der Regelung verfolgte Ziel zu erreichen. Das setzt aber voraus, dass sie entweder eindeutig benannt werden oder von den Betroffenen ohne weiteres ermittelt werden können. Hier hat es der Beklagte indessen den Beigeladenen als Genehmigungsadressaten überlassen, letztlich durch Versuch und Irrtum herauszufinden, was aus der Sicht der Behörde geeignete Vorkehrungen sein könnten. Das genügt nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes.

62

Eine entsprechende Konkretisierung war im vorliegenden Fall auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Beigeladenen von sich aus – nach Erteilung der Genehmigungen – Eissensoren eingebaut und deren Funktionsfähigkeit durch Gutachten nachgewiesen hatten. Im vorliegenden Verfahren geht es nämlich nicht darum, ob der Beklagte gegenüber den Beigeladenen tätig werden muss, um ausreichende Sicherheitseinrichtungen durchzusetzen, was entbehrlich wäre, wenn diese schon von sich aus entsprechend tätig geworden wären. Vielmehr sind Streitgegenstand ausschließlich die erteilten Genehmigungen, die ihrerseits unabhängig davon, was die Beigeladenen von sich aus - aber nicht durch bestandkräftige Bescheide verpflichtet - getan haben, ausreichende und bestimmte Regelungen enthalten müssen.

63

Eine solche ausreichende und bestimmte Regelung ist vorliegend auch nicht mit Blick auf die weitere Regelung in den genannten Genehmigungsbescheiden entbehrlich, wonach die Beigeladenen vor Baubeginn nachzuweisen hatten, durch welche Maßnahmen eine Gefährdung durch Eiswurf verhindert werden solle. Das ist nichts anderes als die Aufgabe einer Berichtspflicht und ersetzt nicht die Präzisierung dessen, was eine geeignete technische Vorkehrung sein soll.

64

Entsprechende konkrete Regelungen waren des Weiteren auch nicht deshalb entbehrlich, weil von den Beigeladenen als Antragstellern in den zur Genehmigung eingereichten Antragsunterlagen zwei Einrichtungen als von vornherein vorgesehene Sicherungseinrichtungen angesprochen werden, die damit zum Bestandteil der jeweiligen Genehmigungen geworden sind (s. bezüglich der Beigeladenen zu 1), Ordner IV, Bl. 49 ff.). Das ist zum einen die Überwachung der Leistungskennlinie für den Fall einer gleichmäßigen Vereisung der Rotorblätter und eine Schwingungsüberwachung für den Fall einer unsymmetrischen Vereisung der Rotorblätter. Hierzu hat der Sachverständige in seinem Gutachten vom 13. Dezember 2010 auf S. 3 ff. ausgeführt, dass diese beiden Überwachungseinrichtungen einen Eisansatz an den Rotorblättern während des Betriebes einer Windkraftanlage zwar feststellen können, dass dies aber ein gewisses Maß von Eisansatz an den Rotorblättern voraussetzt, weshalb letztlich die Möglichkeit gegeben ist, dass sich Eis von den Rotorblättern löst, bevor eine diese Überwachungseinrichtungen den Eisansatz erkennt.

65

Zwar wird in den Antragsunterlagen (s. bezüglich der Beigeladenen zu 1, a.a.O., S. 51) auch der Einbau eines Eisdetektors angesprochen. Hierbei sollte es sich indessen nicht um die zur Genehmigung gestellte Standardausrüstung der Windkraftanlagen handeln. Es wurde lediglich erwähnt, dass die Herstellerfirma „optional auf Wunsch“ ihre Windenergieanlagen mit einem solchen Detektor ausstatten könne. Diese - weitere - Sicherheitsvorkehrung war deshalb durch die Genehmigungen, die jeweils hierauf nicht eingehen, nicht mit erfasst.

66

Allerdings hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 die bisherigen – unbestimmten – Regelungen bezüglich des Eisabwurfes in den Bescheiden vom 26. Oktober und 17. November 2005 ergänzt und nunmehr jeweils den Einbau eines Eissenors der Firma L… (LIT-3.210 C) angeordnet. Diese ergänzende Regelung ist bestandskräftig geworden. Zwar ist im Falle einer Anfechtungsklage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Indessen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Falle der Klage eines Dritten gegen einen gegenüber einem Bauherrn ergangenen begünstigenden Bescheid eine nachträgliche, auch noch im gerichtlichen Verfahren erfolgende Behebung von Mängeln durch einen ergänzenden Bescheid zu berücksichtigen ist, weil es letztlich keinen Sinn machen würde, einen Bescheid aufzuheben, der in der – inzwischen - geänderten Fassung in gleicher Weise wieder erteilt werden müsste. So liegt der Fall hier. Die Genehmigungsbescheide in der geänderten Fassung, die sie durch die Abänderung in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 erhalten haben, sind nunmehr nicht allein hinreichend bestimmt sondern verletzen den Kläger auch nicht - mehr - in seinen eigenen Rechten, weil hierdurch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles inzwischen mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des Klägers durch Eiswurf beim Betreten seiner Grundstücke ausgeschlossen wird, wie die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats ergeben hat.

67

Gegen die Eignung des genannten Eissenors führt der Kläger im Wesentlichen drei Argumente ins Feld. Zum einen verweist er darauf, dass der Eissensor in Höhe der Gondel und damit 45 m unterhalb der Höhe angebracht werden soll und von den Beigeladenen jeweils schon angebracht worden ist, die die Rotorblattspitzen erreichen. Zum anderen macht er in diesem Zusammenhang geltend, dass durch die Abwärme von der Gondel an dieser Stelle eine höhere Temperatur herrsche, als sie an den Rotorblattspitzen zu erwarten stehe. Und schließlich trägt er vor, es gebe – inzwischen - geeignetere Überwachungsmöglichkeiten an den Rotorblättern selbst bezüglich eines Eisansatzes. Die Beweisaufnahme auf zwar das Vorbringen des Klägers teilweise bestätigt. Sie hat aber zugleich deutlich gemacht, dass das hiernach nicht 100 % auszuschließende Restrisiko derart gering ist, dass der Beklagte weitergehende Sicherungsvorkehrungen von den Beigeladenen zu fordern nicht verpflichtet ist und die angefochtenen Genehmigungen den Kläger daher nicht in seinen eigenen Rechten verletzen.

68

Zutreffend ist danach die Argumentation des Klägers, dass es Situationen geben kann, in denen eine Vereisung an den Rotorblättern auftritt, ohne dass der am Wettermast der Gondel angebrachte Sensor bereits eine Vereisung feststellt. Das hat der Sachverständige in seinem Gutachten auf S. 4 im Einzelnen erläutert. Dass unterschiedliche Temperaturen im Bereich des Sensors und an den Rotorblättern auftreten können, hat auch der in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 angehörte Dipl.-Ing. R... bestätigt. Damit ist festzuhalten, dass nicht jedweder Eisansatz an den Rotorblättern 100 %ig ohne jede Verzögerung zugleich von dem in der ergänzenden Nebenbestimmung geregelten Eissensor festgestellt wird. Dass hier unter Umständen in besonderen Einzelfällen ein Zeitfenster zwischen einem relevanten Eisansatz an den Rotorblättern und einem Erkennen desselben durch den Eissensor auftreten kann, wird im Übrigen bereits in den Antragsunterlagen der Beigeladenen (vgl. bezüglich der Beigeladenen zu 1), Ordner IV, S. 52) angesprochen. Um dieses Zeitfenster, aus dem der Kläger eine ihm unzumutbare Gefährdung ableitet, geht es ihm letztlich. Dem kann auch nicht, wie die Beigeladenen vorgetragen haben, entgegengehalten werden, dass jede technische Einrichtung einmal versagen könne. Hierbei geht es nämlich nicht um ein technisches Versagen, sondern um einen Umstand, der in der technischen Konzeption dieser Sicherheitseinrichtung angelegt ist.

69

Hieraus folgt indessen nicht, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, anstelle des in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 den Beigeladenen aufgegebenen Einbaues der genannten Eissensoren eine andere technische Sicherheitseinrichtung aufzugeben, wie der Kläger sie favorisiert. Dabei ist anzumerken, dass es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht darauf ankommen kann, ob und wie die technische Entwicklung inzwischen fortgeschritten ist oder gar, welche Sicherheitsvorkehrungen möglicherweise erst für die Zukunft konzipiert werden. Der Beklagte konnte sich in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Ergänzung der Nebenbestimmungen in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2008 nämlich nur an dem orientieren, was seinerzeit tatsächlich auf dem Markt und hinreichend erprobt war. Etwas darüber hinaus Gehendes konnte von ihm nicht verlangt werden. Zwar gibt es inzwischen auch das mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörterte System „BLADE control“. Allerdings ist dieses System, wie der genannte Dipl-Ing. R... in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, zum einen erst wenige Jahre auf dem Markt. Und zum anderen sind ihm nach seinen Erkenntnissen auch keinerlei belegte Ausarbeitungen über die Zuverlässigkeit der verschiedenen Eiserkennungssysteme bekannt, aus denen sich die größere Eignung des letztgenannten Systems gegenüber dem System ergeben würde, dass den Beigeladenen anzubringen aufgegeben worden ist. Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte den Beigeladenen die Anbringung des vorerwähnten Eissensors aufgeben hat.

70

Erweisen sich die hier bezüglich einer Gefährdung durch Eiswurf getroffenen Regelungen des Beklagten in den Nebenbestimmungen der den Beigeladenen erteilten Genehmigungen somit nicht bereits schon deshalb als fehlerhaft, weil diesen ein geeigneteres Sicherheitssystem anzubringen hätte aufgegeben werden müssen, dann stellt sich im vorliegenden Verfahren letztlich die Frage, ob der Beklagte zulässigerweise eine Regelung treffen durfte, bei der ein – wenn auch äußerst geringes – Restrisiko einer Gefährdung verbleibt. Das ist vorliegend zu bejahen.

71

Der Begriff des – verbleibenden – Restrisikos, der von der – zu regelnden – Schadensvorsorge zu unterscheiden ist, wird von dem Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Atom- wie auch zum Bergrecht verwandt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. August 2006, NVwZ 2007, 88 ff., Rn. 12 f., Urteil vom 10. April 2008, NVwZ 2008, 1012, Rn. 25, 30 und 32, und Urteil vom 29. April 2010, Beck, RS 2010, 49, 1416). Danach ist unter diesem Begriff dasjenige Risiko zu verstehen, welches von einer Anlage ausgeht, nachdem sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden und das sinnvollerweise (nach dem Maßstab „praktische Vernunft“) nicht mehr minimierbar ist (vgl. auch Roller, Drittschutz im Atom- und Immissionsschutzrecht, NVwZ 2010, 990 ff.). Die der im vorliegenden Fall bezüglich der Regelung, einen bestimmten Eissensor einzubauen, zugrunde liegende Risikoabschätzung des Beklagten, wonach ein nicht mehr weiter minimierbares Restrisiko verbleibt, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu beanstanden.

72

Maßgeblich sind insoweit die von dem Kläger nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 13. Dezember 2010 unter Ziffer 3.5 zu der relativen Häufigkeit von Eisablagerungsbedingen an den Standorten der Windkraftanlagen und unter Ziffer 3.1 zu der Wahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses auf den Grundstücken des KIägers. Danach ist in dem hier allein in Betracht zu ziehenden Zeitraum von November bis Februar mit Vereisungsbedingungen im Betriebsbereich der Windkraftanlagen an 1,7 bis 6 Tagen zu rechnen. An diesen Tagen müssten aber noch weitere Umstände eintreten, damit es zu einer Schädigung des Klägers auf seinen Grundstücken kommen könnte. Es müsste eine ausreichende Windgeschwindigkeit an den Windkraftanlagenstandorten vorhanden sein, damit die Windkraftanlagen überhaupt in Betrieb wären. Zusätzlich müsste keines der drei Systeme zur Eiserkennung den Eisansatz rechtzeitig erkennen und die Windkraftanlage abschalten, bevor es zum relevanten Eisansatz kommt. Darüber hinaus müsste außerdem Eis auf eine der Parzellen des Klägers geschleudert werden und letztlich müsste dieser bzw. eine andere Person sich zum Zeitpunkt des Aufschlages an der Stelle befinden, an der der Eisabwurf auftrifft. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger oder eine andere sich auf seinen Grundstücken aufhaltende Person von Eisbrocken getroffen werden könnte, die von den Rotoren der genehmigten Windkraftanlagen weggeschleudert werden, wird noch zusätzlich dadurch minimiert, dass nicht nur Windverhältnisse herrschen müssten, bei denen die Rotoren laufen, sondern dass auch noch die Windrichtung dergestalt sein müsste, dass von den Rotoren abgeworfene Eisstücke in Richtung auf die Grundstücke des Klägers geworfen werden können. Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es sich bei den Grundstücken des Klägers um im Außenbereich gelegene Parzellen handelt, auf denen sich Personen zu dieser Jahreszeit jedenfalls nicht regelmäßig aufhalten dürften und bezüglich derer der Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen hat, sich dort zwangsläufig und regelmäßig zur Durchführung konkret benannter Arbeiten aufhalten zu müssen.

73

All das zusammengenommen verdeutlicht, dass hier ein derart geringes Risiko in Rede steht, dass von dem Beklagten – orientiert an dem Maßstab „praktischer Vernunft“ – nicht mehr verlangt werden kann gegenüber den Beigeladenen weitere Regelungen zu treffen, um dieses Risiko noch weiter zu minimieren. Angesichts dessen erachtet der Senat die Nebenbestimmungen in den angefochtenen Genehmigungen zum Ausschluss einer Gefährdung Dritter durch Eisabwurf von den Windkraftanlagen der Beigeladenen für ausreichend, weshalb der Kläger durch diese Genehmigungen insoweit nicht in seinen eigenen Rechten verletzt wird.

74

Entgegen der Auffassung des Klägers verstoßen die den Beigeladenen genehmigten Windkraftanlagen auch nicht gegen die drittschützende Vorschrift des § 8 LBauO, nach der vor baulichen Anlagen Abstandsflächen freizuhalten sind. Einer näheren Überprüfung bedarf im vorliegenden Fall lediglich die der Beigeladenen zu 1) genehmigte Windkraftanlage Nr. 8 in Bezug auf das Grundstück des Klägers Parzelle Nr. 54. Alle übrigen streitgegenständlichen Windkraftanlagen stehen zwischen 180 und ca. 290 m von Grundstücken des Klägers entfernt, so dass insoweit – ungeachtet aller Streitigkeiten zwischen den Beteiligten, wie die erforderliche Abstandsfläche genau zu berechnen ist – eine Verletzung von § 8 LBauO von vornherein ausscheidet.

75

Die Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) ist nach den vorliegenden Unterlagen in einem Abstand von 90 m zum Grundstück Parzelle Nr. ... genehmigt worden. Zwar gehen der Kläger, der Beklagte und die Beigeladenen letztlich von den gleichen Überlegungen bezüglich der Ermittlung einer Abstandsfläche bei Windkraftanlagen aus. Streitig ist indessen, ob in die jeweilige Berechnung die zutreffenden Maße eingeflossen sind, woraus sich, je nachdem, welcher Auffassung zu folgen ist, eine unterschiedliche, aber nicht stark differenzierende Tiefe der einzuhaltenden Abstandsfläche ergeben kann. Auch dann, wenn man die – letztlich im Grundsatz wohl zutreffenden – Überlegungen des Klägers zur Ermittlung der Abstandsfläche berücksichtigt, ergibt sich im vorliegenden Fall bei einer überschlägigen Ermittlung ungeachtet aller damit verbundenen Ungenauigkeiten, dass der Abstand der Windkraftanlage Nr. 8 zu der vorgenannten Parzelle des Klägers zweifellos ausreichend ist.

76

Die Ermittlung einer bezüglich Windkraftanlagen erforderlichen Abstandsfläche regelt § 8 LBauO lediglich hinsichtlich einer einzigen Komponente, nämlich hinsichtlich des Multiplikators, mit dem die – nach den anderen Regelungen in § 8 LBauO – zu ermittelnde Wandhöhe H zu multiplizieren ist. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO nämlich festgelegt, dass bei Windkraftanlagen in nicht bebauten Gebieten eine Tiefe der Abstandsfläche bis zu 0,25 H zugelassen werden kann. Eine spezifische Regelung über die Ermittlungen der maßgeblichen Wandhöhe H für Windkraftanlagen hat der Gesetzgeber jedoch nicht formuliert. Gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO sind für bauliche Anlagen, von denen Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen, die Absätze 1 bis 7 des § 8 LBauO entsprechend anzuwenden.

77

Mit der Frage, wie § 8 Abs. 4 LBauO bezüglich Windkraftanlagen umzusetzen ist, hat sich der 8. Senat des erkennenden Gerichts an seinem Beschluss vom 10. September 1999 (8 B 11689/99.OVG) auseinandergesetzt, dem auch der erkennende Senat folgt und an dem sich die Beteiligten selbst von Anfang an orientiert haben. Hiernach ist die Berechnung der Wandhöhe H in Anlehnung an die Sonderregelung für Giebelflächen in § 8 Abs. 4 Sätze 3 bis 6 LBauO vorzunehmen. Die sich danach ergebende Berechnungsformel hat der 8. Senat in der vorgenannten Entscheidung wie folgt definiert:

78

H = Masthöhe + (0,4637 x Rotorradius)

79

Mit der zweiten Komponente dieser Formel – 0,4637 x Rotorradius – soll die Wirkung des sich drehenden Rotors oberhalb der Nabenhöhe – die gedankliche Parallele zur in § 8 Abs. 4 LBauO geregelten Giebelfläche - erfasst werden. Danach ist in Entsprechung der Regelungen des § 8 Abs. 4 Satz 3 bis 6 LBauO die Höhe bis zur Nabenhöhe in vollem Umfang wie bei einem Gebäude die Wand unterhalb des Giebels zu berücksichtigen und die oberhalb davon von dem Rotor überstrichene halbrunde Fläche einem Giebel entsprechend in einem geringeren Umfang bezüglich ihrer Höhe hinzuzurechnen.

80

Über diese Komponente der Berechnung streiten die Beteiligten nur insoweit, als die Formel auf den Rotorradius zurückgreift, der nach Auffassung des Klägers – geringfügig – größer ist als von dem Beklagten angenommen. Das ist wohl, wie die Anhörungen des Dipl.-Ing. R... in der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 ergeben hat, beim Betrieb einer Windkraftanlage gegenüber einem stillstehenden Rotor tatsächlich der Fall. Der Berechnung der Abstandsfläche durch den Beklagten liegt der Rotordurchmesser im Ruhezustand des Rotors zugrunde. Beim Betrieb kann sich dieser Rotordurchmesser, wie Dipl.-Ing. R... erläutert hat, durch den Winddruck deshalb im geringen Umfang vergrößern, weil die Rotorblätter nicht gerade geformt sondern, wie sich aus der Zeichnung Bl. 197 im Ordner X (Änderungsgenehmigung) ergibt, leicht nach vorne in den anströmenden Wind hineingebogen sind. Auf diesen Umstand hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 24. Mai 2007 unter Hinweis auf die vorstehend erläuterte „Vorbiegung“ der Rotorblätter verwiesen und ausgeführt, dass sich der Rotorbetriebsdurchmesser hierdurch auf 90,90 m vergrößere, woraus sich ein Radius von 45,45 m ergebe, also eine Vergrößerung des Rotorradius um 1 %. Ob die Veränderung in dieser Größenordnung liegt, vermochte der Dipl.-Ing. R... auf Befragen des Gerichtes nicht zu bestätigen. Davon, dass sich beim Betrieb der Rotordurchmesser und damit auch der Rotorradius verändert, geht aber auch er aus. Da den Beigeladenen aber nicht etwa Windkraftanlagen mit lediglich stehenden Rotoren genehmigt worden sind, sondern natürlich auch deren Betrieb, muss sachgerechter Weise bei der Abstandsflächenberechnung auf der Grundlage der vorstehend erläuterten Formel der Radius des Rotors im Betrieb zugrunde gelegt werden. Geht man von der von dem Kläger angenommenen Vergrößerung des Rotorradius um 1 % aus, dann ergibt sich vorliegend eine maßgebliche Wandhöhe H, die sich errechnet aus der – unstrittigen – Höhe bis zur Naben von 100 m und der weiteren Höhe von 21,075 m, die sich aus der Multiplikation des Rotorradius von 45,45 m mit 0,4637 ergibt. Danach beträgt die maßgebliche Wandhöhe H 121,075 m.

81

Nach § 8 Abs. 6 LBauO, der gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 entsprechend anzuwenden ist, beträgt die Tiefe der Abstandsfläche 0,4 H. Allerdings hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO eine Sonderregelung für Windkraftanlagen geschaffen, wonach diese Abstandsfläche auf bis zu 0,25 H verringert werden kann. Hierzu hat der Senat bereits in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 23. Juni 2006 (1 B 10591/06.OVG) ausgeführt:

82

„…Insbesondere handelt es sich bei der vom Gesetz vorgesehenen Entscheidung über die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen auf bis zu 0,25 H um eine vom Gesetzgeber durch die Einführung des Satzes 2 in § 8 Abs. 10 LBauO ausdrücklich gewollte Erleichterung für die Errichtung von Windenergieanlagen im unbebauten Außenbereich (s.a. Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 13. Februar 1999, auszugsweise abgedruckt in Oppermann/Wieseler/Friedt, Die Neue Bauordnung für Rheinland-Pfalz, S. 25), so dass wegen des daraus resultierenden intendierten Ermessens regelmäßig nur 0,25 H bei der Berechnung der Abstandsflächen zugrunde zu legen ist, solang keine erheblichen Nachbarbelange hierdurch beeinträchtigt werden….“

83

Hieran hat sich der Beklagte indessen, wie er in seinem Schriftsatz vom 28. April 2006 (Bl. 129 Gerichtsakte 1 L 633/06.KO) dargelegt hat, dergestalt orientiert, dass er unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles entschieden hat, sein ihm durch die genannte Vorschrift eingeräumtes Ermessen dahingehend auszuüben, eine Reduzierung der Abstandsflächen - so auch für die Windkraftanlage Nr. 8 - auf 0,32 H vorzunehmen. Diese in etwa zu einem Mittelwert zwischen der nach § 8 Abs. 6 LBauO regelmäßig einzuhaltenden Abstandsfläche von 0,4 H und der nach § 8 Abs. 10 Satz 2 LBauO größtmöglichen Reduzierung der Abstandsfläche auf 0,25 H führende Ermessenausübung des Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, da Anhaltspunkte dafür, dass eine größere Abstandsfläche hätte erforderlich sein können, weder ersichtlich noch von dem Kläger substantiiert vorgetragen worden sind. Seine hierzu vorgetragenen Bedenken erschöpfen sich nämlich im pauschalen Aussagen. Unter Berücksichtigung der von dem Beklagten vorgenommenen Festlegung der Abstandsfläche auf 0,32 H ergibt sich danach eine Tiefe der Abstandsfläche für die Windkraftanlage Nr. 8 von 38,74 m.

84

Die vorgenannte Entscheidung des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 10. September 1999 (8 B 11689/99.OVG) erläutert des Weiteren, wo die so ermittelte Abstandsfläche in Richtung auf das Grundstück des jeweiligen Nachbarn anzusetzen ist. Die Entscheidung geht von der Überlegung aus, dass der von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildete Raum einem gegenüber dem Mast vortretenden Bauteil entspricht. Nach § 8 Abs. 5 S.1 LBauO, der gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 entsprechend anzuwenden ist, sind die Abstandsflächen für vortretende Wandteile gesondert zu ermitteln, sofern sie nicht nach § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO unberücksichtigt bleiben können, was hier angesichts der in Rede stehenden Maße zweifellos ausscheidet. Danach ist die Abstandsfläche am Rand des durch die Projektion des vorstehend erläuterten Raums auf die Geländeoberfläche anzusetzen (vgl. Jeromin, Kommentar zur LBauO, § 8 LBauO, Abbildung 61). Daher sind die von dem Kläger im vorliegenden Verfahren getragenen Bedenken, ob der Umfang des Mastes zutreffend ermittelt worden ist, ohne Belang.

85

Welchen Radius diese Projektion vom Mastmittelpunkt aus gemessen hat, ist zwischen den Beteiligten indessen streitig. Der Beklagte und die Beigeladenen gehen bezüglich des von dem Rotor durch seine horizontale und vertikale Drehung gebildeten Raumes ersichtlich von einer auf dem Mastmittelpunkt ruhenden vollkommenen Kugel aus, weshalb der Radius der vorgenannten Projektion dem Rotorradius gleichzusetzen sei. Das ist indessen unzutreffend. Tatsächlich handelt es sich bei dem vorgenannten Raum eher um eine leicht abgeflachte Kugel, was seine Ursache darin hat, dass der Rotor nicht im Mastmittelpunkt, wo er bei der ersten Drehung bereits zerschellen würde, sondern einige Meter seitlich davon an der Gondelspitze befestigt ist. Somit dreht sich nicht der Rotor um den Mastmittelpunkt sondern die vorgenannte Konstruktion bestehend aus Gondel und daran befestigtem Rotor. Diese Konstruktion dreht sich allerdings mit einem geringfügig größeren Radius um den Mastmittelpunkt, als der Rotor um seinen Mittelpunkt. Der Radius dieser nicht mit dem Rotor gleichzusetzenden Gesamtkonstruktion ist allerdings maßgebend für die Projektion des durch die Drehung des Rotors gebildeten Raumes auf die Geländeoberfläche.

86

Der danach maßgebliche Radius lässt sich ungeachtet der Ungenauigkeiten, die in der Vorbiegung der Rotorblätter begründet sein mögen, mit hinreichender Genauigkeit annähernd ermitteln. Vereinfacht kann hierzu gedanklich ein rechtwinkliges Dreieck zugrunde gelegt werden, dessen Seite a durch den Rotorradius und dessen weitere, den rechten Winkel bildende Seite b durch die Auskragung der Gondel über den Mastmittelpunkt hinaus gebildet wird. Die Grundseite c dieses Dreiecks bildet dann der Radius der sich insgesamt um den Mastmittelpunkt drehenden Konstruktion.

87

Unter Zugrundelegung der Formel: a² + b² = c² lässt sich dann durch Rückrechnung annähernd der maßgebliche Radius für die Projektion auf die Geländeoberfläche ermitteln. Legt man hier entsprechend den Angaben des Klägers bezüglich der Seite a an den Rotorradius von 45,45 m zugrunde, errechnet sich hieraus a² = 2.065,70. Die Auskragung des Rotors, gemessen vom Mastmittelpunkt bis zum Rotorblatt, beträgt nach der Zeichnung Bl. 197 in Ordner X (Änderungsgenehmigung) 3,96 m, woraus sich b² = 15,68 errechnet. Hieraus ergibt sich c² = 2.081,38. Zurückgerechnet – durch Wurzelziehen – auf c ergibt sich danach – annäherungsweise – ein zugrunde zu legender Radius von 45,62 m, an dem die vorstehend erläuterte Abstandsfläche in Richtung auf das Grundstück des Klägers anzusetzen ist.

88

Hieraus ergibt sich, dass die Abstandsfläche gemessen vom Mastmittelpunkt aus in Richtung auf das Grundstück des Klägers in einer Entfernung von 84,36 m (Radius der Projektion von 45,62 m + Abstandsfläche von 38,74 m) vom Mastmittelpunkt endet. Angesichts der von dem Kläger nicht substantiiert bestrittenen Entfernung von 90 m bezüglich der Windkraftanlage Nr. 8 der Beigeladenen zu 1) von seinem Grundstück Parzelle Nr. 54 kann danach ausgeschlossen werden, dass bei einer exakten Ermittlung des Rotorradius im Betrieb und des Radius, der sich um den Mastmittelpunkt drehenden Konstruktion ergeben könnte der Abstand von 90 m nicht ausreicht.

89

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Dabei entsprach es vorliegend der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten bei der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil diese einen eigenen Antrag gestellt und damit ein eigenes Kostenrisiko übernommen haben.

90

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

91

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

92

Beschluss

93

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG).

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn

1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.

(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber

1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird,
2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden,
3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und
4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

Tenor

I.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Antragsverfahrens je zur Hälfte.

III.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 432.400 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beklagte als Träger der Genehmigungsbehörde und die Beigeladene als Standortgemeinde wenden sich mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. Mai 2014, in dem es den Beklagten zur Erteilung der vom Kläger beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Windkraftanlage verpflichtet hat.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. ... der Gemarkung G. Am 18. Mai 2011 beantragte er eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung einer Windkraftanlage mit einer Nabenhöhe von 135,40 m und einer Gesamthöhe von 185,90 m auf diesem Grundstück. Zum Anwesen „K. 1“, einem von unbebauten Feld- und Forstflächen umgebenen Wohnhaus nördlich des geplanten Standorts, beträgt die Entfernung der Windkraftanlage 494,32 m.

Das Landratsamt stellte auf Antrag der Beigeladenen mit Bescheid vom 10. Januar 2012 (Behördenakte des Beklagten Bl. 154 ff.) den Antrag des Klägers bis zum 21. November 2012 zurück, weil die Beigeladene die Aufstellung eines sachlichen Teilflächennutzungsplans „Konzentrationszonen W.“ beschlossen hatte. Im am 17. September 2012 beschlossenen und am 15. November 2012 bekannt gemachten Plan sind drei Konzentrationszonen für Windkraftanlagen dargestellt, die das Standortgrundstück für das Vorhaben des Klägers nicht einschließen.

Das Landratsamt lehnte den Genehmigungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 8. Februar 2013 ab (Behördenakte des Beklagten Bl. 253 ff.), weil dem grundsätzlich privilegierten Vorhaben der Teilflächennutzungsplan der Beigeladenen entgegenstehe. Zudem rufe das Bauvorhaben eine optisch bedrängende Wirkung in der Nachbarschaft insbesondere beim Wohnanwesen „K. 1“ hervor.

Mit Urteil vom 13. Mai 2014 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung seines versagenden Bescheids zur Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, nachdem es einen Augenschein am Anwesen „K. 1“ durchgeführt hatte, wozu der Kläger zwei Ballons zur Demonstration der Größe der geplanten Windkraftanlage hatte aufsteigen lassen; einen in Nabenhöhe, den anderen in maximaler Rotorhöhe.

Der Beklagte und die Beigeladene haben die Zulassung der Berufung beantragt; der Kläger tritt dem entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.

II.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung bleiben ohne Erfolg, da sich aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen des Beklagten und des Beigeladenen in ihren Antragsbegründungen (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen der behaupteten Zulassungsgründe vorliegen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht dargelegt.

Solche Zweifel bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 124 Rn. 7 m. w. N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.).

Der Beklagte und die Beigeladene haben nicht dargelegt, dass dem Vorhaben Genehmigungshindernisse im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG entgegenstehen und deswegen die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigungserteilung durch das Verwaltungsgericht im Ergebnis ernstlich zweifelhaft wäre.

a) Was den bestehenden Teilflächennutzungsplan angeht, so hat das Verwaltungsgericht diesen wegen eines beachtlichen Abwägungsmangels als inhaltlich unwirksam angesehen. Er beruhe entgegen dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB nicht auf einem schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzept. Die Beigeladene habe den wesentlichen Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen verkannt, da sie auch Kriterien für harte Tabuzonen zum Teil abwägungsoffen behandelt, aber Kriterien für weiche Tabuzonen wie Kriterien für harte Tabuzonen behandelt habe. So habe sie den Mindestabstand zu Wäldern offenbar als „harte Tabuzone“ aufgefasst, ebenso die Mindestabstände zu Misch- und Dorfgebieten und zu Flächen für Gemeinbedarf, obwohl die Abstände von Windkraftanlagen zu Wäldern und auch zu Misch- und Dorfgebieten der Ebene der Abwägung zuzuordnen seien und als Kriterien für weiche Tabuzonen der Planrechtfertigung bedürften. Der Beklagte und die Beigeladene haben nicht dargelegt, dass insoweit ernstliche Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des Urteils bestehen, sondern lediglich auf die beabsichtigte Änderungsplanung der Beigeladenen verwiesen.

Dass die mit Beschluss des Gemeinderats der Beigeladenen vom 4. August 2014 beschlossene Änderung des Teilflächennutzungsplans bereits maßgeblich wäre, ergibt sich aus den Antragsbegründungen nicht. Weder ist dargelegt, dass das Planungskonzept der Beigeladenen bereits hinreichend konkretisiert sei und eine rechtlich realisierbare und damit sicherungsfähige Konzentrationsflächenplanung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB enthielte, noch ist dargelegt, dass die Beigeladene jedenfalls bis zum hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt das gesetzlich vorgesehene Sicherungsinstrument der Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB in Anspruch genommen hätte.

b) Auch soweit der Beklagte und die Beigeladene vortragen, das Verwaltungsgericht habe eine optisch bedrängende Wirkung der Windkraftanlage gegenüber dem nächst gelegenen Wohnanwesen „K. 1“ zu Unrecht verneint, sind keine ernstlichen Zweifel dargelegt.

Das Rücksichtnahmegebot schützt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen eines Bauvorhabens, wozu optisch bedrängende Wirkungen gehören können (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1.78; BVerwG, U. v. 23.5.1986 - 4 C 34.85), wie sie im Einzelfall auch von einer Windkraftanlage durch die Höhe ihres Mastes und die Breite ihrer sich drehenden Rotorblätter ausgehen können (vgl. BVerwG, B. v. 11.12.2006 - 4 B 72/06 - juris Rn. 4, 10). Dabei gilt, dass die Bewegung des Rotors umso stärker spürbar wird, je geringer die Distanz zwischen der Windkraftanlage und dem Betrachter und je größer die Dimension der Bewegung ist. Ob tatsächlich das Maß des dem Nachbarn Zumutbaren überschritten ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten. Dabei können aber bestimmte Abstände als grobe Anhaltswerte für oder gegen eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots herangezogen werden (vgl. BayVGH, U. v. 29.5.2009 - 22 B 08.1785 - juris Rn. 15, 20 ff. m. w. N.). Beträgt der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache ihrer Gesamthöhe (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser), wird in der Einzelfallprüfung eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen optisch bedrängender Wirkung in der Regel zu verneinen sein, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen; beträgt der Abstand das Zwei- bis Dreifache der Gesamthöhe, ist regelmäßig eine besonders intensive Prüfung des Einzelfalls geboten; ist der Abstand geringer als das Zweifache der Gesamthöhe, dürfte die Einzelfallprüfung regelmäßig zu einer dominanten und optisch bedrängenden Wirkung der Windkraftanlage gelangen (vgl. BayVGH a. a. O.).

Als Kriterien für eine optisch bedrängende Wirkung können auch die Lage bestimmter Räume und deren Fenster sowie von Terrassen und Ähnlichem zur Windkraftanlage, eine bestehende oder in zumutbarer Weise herstellbare Abschirmung des Wohngrundstücks in Richtung der Windkraftanlage, die Hauptwindrichtung und damit die häufigste Stellung des Rotors zu einem Wohnhaus, die topographische Situation, ein Sichtschutz durch Waldgebiete oder Gebäude, weitere Beeinträchtigungen durch bereits vorhandene Windkraftanlagen sowie die planungsrechtliche Lage des Wohnhauses herangezogen werden (vgl. BayVGH, U. v. 29.05.2009 - 22 B 08.1785 - juris Rn. 17, 23 m. w. N.).

Das Verwaltungsgericht hat ausgehend von einem Abstand zwischen der Wohnnutzung und der Windkraftanlage von 494,32 m - und damit weniger als dem Dreifachen der Gesamthöhe dieser Anlage (575,70 m), aber mehr als dem Zweifachen (371,80 m) - eine besonders intensive Einzelfallprüfung für geboten erachtet (Urteil S. 12 ff.) und sich durch Augenschein davon überzeugt, dass die geplante Windkraftanlage vom im Außenbereich liegenden Anwesen „K. 1“ in voller Höhe zu sehen sein und auf etwa gleicher Höhe zu stehen kommen werde. Weiter hat es den Schutzanspruch auf besonders intensive Einzelfallprüfung für eine im Außenbereich ausgeübte Wohnnutzung dahin vermindert angesehen, dass dem Betroffenen eher Maßnahmen zuzumuten sind, durch die er den Wirkungen der Windkraftanlage ausweiche oder sich vor ihnen schütze, etwa durch Sichtblenden oder Baumbewuchs. Wer im Außenbereich wohne, müsse grundsätzlich mit der Errichtung von in diesem Bereich privilegierten Windkraftanlagen und ihren optischen Auswirkungen rechnen.

aa) Soweit gerügt wird, das Verwaltungsgericht habe die bauplanungsrechtliche Privilegierung der Windkraftanlage unzutreffenderweise über- und den Schutzanspruch der Wohnnutzung im Außenbereich unterbewertet und dadurch den Prüfungsmaßstab von der Einzelfallprüfung hin zu einer pauschalierenden Abwägung zwischen Privilegierung und Rücksichtnahme verschoben, sind keine ernstlichen Zweifel dargelegt.

Der Beklagte und die Beigeladene verkennen, dass die o.g. Maßstäbe in der Rechtsprechung in erster Linie für diejenigen Fälle entwickelt wurden, in denen eine im Außenbereich geplante Windkraftanlage auf eine nicht im Außenbereich gelegene benachbarte Wohnnutzung trifft. Eine vergleichbare Differenzierung trifft im Übrigen -vom Sonderfall des § 35 Abs. 6 BauGB abgesehen - auch Art. 82 Abs. 1 BayBO (i. d. F. des Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Gesetzes über die behördliche Organisation des Bauwesens, des Wohnungswesens und der Wasserwirtschaft vom 17.11.2014, GVBl S. 478). Vorliegend besteht aber ein konkreter Nutzungskonflikt zwischen zwei Vorhaben im Außenbereich, unter denen nur die Windkraftanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert ist, während die Wohnnutzung außenbereichsfremd und allenfalls als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2, Abs. 4 BauGB überhaupt zulässig ist.

Das Verwaltungsgericht hat sich jener Rechtsprechung angeschlossen, wonach eine Wohnnutzung durch ihre Verwirklichung im Außenbereich ihren Anspruch auf Rücksichtnahme nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zwar nicht verliert, dieser aber sich dahin vermindert, dass den Bewohnern eher Maßnahmen zumutbar sind, um den Wirkungen von dem Außenbereich typischerweise zugewiesenen und deswegen dort planungsrechtlich nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben auszuweichen oder sich vor ihnen zu schützen. Wer im Außenbereich wohnt, muss grundsätzlich mit der Errichtung dort privilegierter Windkraftanlagen und deren optischen Auswirkungen rechnen (vgl. OVG NRW, B. v. 17.1.2007 - 8 A 2042/06 - juris Rn. 17; HessVGH, B. v. 26.9.2013 - 9 B 1674.13 - juris Rn. 11). Eine Wohnnutzung im Außenbereich kann also nicht von vornherein dieselbe Rücksichtnahme durch eine dort privilegierte Windenergienutzung verlangen wie eine Wohnnutzung im Innenbereich oder gar in ausgewiesenen Wohngebieten. Dass dieser rechtliche Ansatz fehlerhaft wäre, haben der Beklagte und die Beigeladene nicht dargelegt.

bb) Auch legen der Beklagte und die Beigeladene nicht dar, dass das Verwaltungsgericht die Grenzen richterlicher Beweiswürdigung überschritten hätte. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Trotz des besonderen Charakters der Beweiswürdigung, der dem Gericht einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht allerdings nicht gänzlich frei. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d. h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Soweit eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gerügt wird, kommt eine Zulassung der Berufung folglich nur dann in Betracht, wenn die Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (vgl. BayVGH, B. v. 14.3.2013 - 22 ZB 13.103 u. a. - Rn. 11 m. w. N.; BayVGH, B. v. 6.10.2014 - 22 ZB 14.1079 - Rn. 21). Derartige Fehler der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung haben der Beklagte und die Beigeladene nicht aufgezeigt; sie sind auch nicht erkennbar.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen vor, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Windkraftanlage nahezu in der Hauptblickrichtung der nach Süden ausgerichteten Hauptaufenthaltsräume/-flächen stehe. Ein tauglicher natürlicher oder künstlicher Sichtschutz sei kaum vorhanden und auch nicht zumutbar herstellbar, ohne dass dem Wohnanwesen nahezu die komplette Südaussicht genommen würde, zudem das Gelände vom Wohnanwesen aus zunächst abfalle und zur Windkraftanlage hin wieder ansteige.

Dazu führt das Verwaltungsgericht aus (Urteil S. 12 ff.), es habe sich durch Augenschein davon überzeugt, dass die beabsichtigte Windkraftanlage vom im Außenbereich liegenden Anwesen „K. 1“ in voller Höhe zu sehen sein und in etwa auf gleicher Höhe zu stehen kommen werde. Im Rahmen seines Augenscheins hatte es im Einzelnen festgestellt (VG-Akte Bl. 132 ff.), dass vom Wohnanwesen aus „in Richtung auf den geplanten Standort der Windenergieanlage hügeliges Gelände“ liege; dazwischen „Hopfengärten, im Hintergrund Ackerland und unmittelbar in der Mitte des Grundstücks … Getreide.“ „Hinter dem geplanten Standort ist Wald. Dieser zieht sich bis zum Grundstück K. 1 und umschließt dieses. Insgesamt ist das Gelände Richtung Süden und Südosten hügelig.“ Zum Obstbaumbestand des Anwesens wurde festgestellt: „Die Bäume stehen im Wesentlichen am Grundstücksrand, einige finden sich aber auch mitten im Grundstück.“ Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass sich aus den Geländeverhältnissen keine optisch bedrängende Wirkung von der Qualität eines entgegenstehenden öffentlichen Belangs ableiten lässt, ist vom Beklagten und der Beigeladenen nicht erschüttert worden. Das Verwaltungsgericht hat dabei die Ausrichtung der Wohnnutzung in Richtung auf die im Süden geplante strittige Windkraftanlage nicht verkannt; es hat auch keine Fehlvorstellungen im Hinblick auf die häufige Sichtbarkeit des Rotorkreises entwickelt. Das Verwaltungsgericht ist aber davon ausgegangen, dass sich die Wohnnutzung gegenüber der Windkraftanlage optisch abschirmen kann und bereits abgeschirmt hat, wie die Lichtbilder zeigen, auf denen Laubbäume zu erkennen sind. Dass ein weiterer Sichtschutz nicht herstellbar oder unzumutbar wäre, haben der Beklagte und die Beigeladene nicht dargelegt.

c) Keine ernstlichen Zweifel wirft auch der Einwand des Beklagten und der Beigeladenen auf, das Verwaltungsgericht hätte mangels Spruchreife kein Verpflichtungsurteil erlassen dürfen, denn das Genehmigungsverfahren sei nicht vollständig durchgeführt worden.

Das Verwaltungsgericht hat zwar nicht ausdrücklich, aber doch sinngemäß festgestellt, dass auch andere als die vom Landratsamt in seinem Bescheid vom 8. Februar 2013 genannten und dementsprechend auch vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil ausdrücklich behandelten öffentlichen Belange dem strittigen Vorhaben nicht entgegenstehen (Urteil S. 8 unter 1.) und dadurch die Spruchreife der Rechtssache im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO hergestellt. Der Beklagte und die Beigeladene hätten zum Zweck der Darlegung ernstlicher Zweifel Ausführungen darüber machen müssen, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so gewichtig sein könnten, dass sie der Zulassung des privilegierten Vorhabens entgegenstehen könnten, ggf. mit Hilfe des Beistands von Fachstellen und Fachbehörden. Allein die Behauptung, man habe es bisher unterlassen, dort nachzufragen oder eine förmliche Stellungnahme einzuholen, genügt nicht, die positive Feststellung der Genehmigungsfähigkeit durch das Verwaltungsgericht zu erschüttern.

aa) Soweit der Beklagte behauptet, vom Kläger vorgelegte Genehmigungsunterlagen seien unvollständig, wirft dies keine ernstlichen Zweifel an der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung zur Genehmigungserteilung auf.

Im Ablehnungsbescheid vom 8. Februar 2013 wurde ausgeführt, dass die Planunterlagen „bis Ende September 2011 vervollständigt“ worden seien (vgl. Behördenakte, Bl. 253/254). Es ist nicht nachvollziehbar, warum sie jetzt plötzlich unvollständig sein sollten.

bb) Soweit der Beklagte vorbringt, die vom Kläger vorgelegte Schallimmissions- und Schattenwurfprognose vom 23. August 2011 sei seit Erlass des Windkrafterlasses überholt, hat er keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit dargelegt.

Soweit der Beklagte eine fehlende Untersuchung der zur Nachtzeit bestehenden Lärmvorbelastung durch den Kläger rügt, hat er nicht dargelegt, dass es eine solche Vorbelastung tatsächlich geben könnte. Dazu hätte aber Anlass bestanden, denn zu den genehmigten Planunterlagen gehört auch die Schallimmissions- und Schattenwurfprognose vom 23. August 2011 mit einer ausdrücklichen Verneinung von Vorbelastungen durch andere Windkraftanlagen oder gewerbliche oder industrielle Schallquellen (Behördenakte Bl. 84 ff.). Ausgehend von einem prognostizierten Schallleistungspegel der Windkraftanlage von 106 dB(A) wurde ein Schalldruckpegel von 42,8 dB(A) zzgl. eines mit Prognoseunsicherheiten begründeten Zuschlags von 2 dB(A) und damit ein Beurteilungspegel von 44,8 dB(A) am Immissionsort „K.“ ermittelt. Unter Zugrundelegung eines Immissionsrichtwerts von 45 dB(A) wurde für die Nachtzeit keine Überschreitung prognostiziert (Behördenakte Bl. 86 f.). Dass das Vorhaben den einschlägigen Immissionsrichtwert von 45 dB(A) nicht um mehr als 6 dB(A) unterschreitet - und schon deswegen eine Vorbelastung außer Acht bleiben könnte - stellt die Nachvollziehbarkeit der Prognose nicht in Frage, da keine Vorbelastung vorgefunden und eine solche vom Beklagten auch nur ohne konkreten Hinweis, welche anderen Schallquellen am Immissionsort eine erhebliche Vorbelastung hervorriefen, behauptet worden ist.

cc) Auch soweit der Beklagte sich darauf beruft, den vom Kläger vorgelegten Genehmigungsunterlagen fehle mit Blick auf den Windkrafterlass eine fotovisuelle Untersuchung in denkmalschutzrechtlicher Hinsicht, ist kein die Genehmigungserteilung hindernder Belang und damit kein ernstlicher Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des Urteils dargelegt.

Soweit der Beklagte eine fotovisuelle Untersuchung der Sichtbeziehungen zwischen der geplanten Windkraftanlage und einem 5 km entfernten Baudenkmal fordert, fehlt bereits die Darlegung einer möglichen erheblichen Beeinträchtigung des Denkmals durch die Windkraftanlage. Dem Beklagten und der Beigeladenen ist zwar zuzugeben, dass es theoretisch denkbar ist, dass eine Windkraftanlage zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG) eines 5 km entfernten Baudenkmals führen könnte. Halbwegs wahrscheinlich ist dies allerdings nicht ohne Weiteres und schon gar nicht anzunehmen, wenn jegliche Angaben zur Bedeutung des Denkmals, seinem möglicherweise gestörten Erscheinungsbild und seiner möglicherweise gestörten künstlerischen Wirkung fehlen. Für eine solche Beeinträchtigung fehlen auch sonst alle Anhaltspunkte; der Beklagte hat sie weder im Genehmigungs- noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wo sich dies mit Blick auf den gerichtlichen Augenschein besonders angeboten hätte, noch in seiner Zulassungsbegründung thematisiert.

dd) Auch wirft der Einwand des Beklagten, die vom Kläger vorgelegte spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) vom August 2011 genüge u. a. mangels umfassender Artenkartierungen bzw. Bestandsaufnahmen vor Ort nicht den Anforderungen des Windkrafterlasses, keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des Urteils auf.

Dass das in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG enthaltene Tötungsverbot für besonders geschützte Tierarten der vom Kläger begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung entgegensteht, ist vom Beklagten nicht dargelegt worden. Weder hat er jene Tierarten benannt, deren - seiner artenschutzfachlichen Einschätzung nach unzureichende - Behandlung in der saP die Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos rechtfertigte, noch hat er konkret für Uhus oder Fledermäuse ein solches Tötungsrisiko artenschutzfachlich dargelegt. Allein der Verweis auf eine zeitlich-methodologische Überholung der saP durch den Windkrafterlass genügt hierfür nicht, solange nicht dargelegt wird, wie sich dies ausgewirkt hat.

Bei der auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkten gerichtlichen Überprüfung der artenschutzfachlichen Einschätzungen (BVerwG, U. v. 9.7.2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274/293 Rn. 59 ff. zum Fachplanungsrecht; BVerwG U. v. 21.11.2013 - 7 C 40/11 - NVwZ 2014, 524 und BVerwG, U. v. 27.06.2013 - 4 C 1/12 - zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren) ist zu beachten, dass der Gesetzgeber nicht festgelegt hat, welche Anforderungen an die Art und den Umfang der artenschutzfachlichen Bestandsaufnahme sowie die Erfassung und Bewertung der vorhabenbedingten Einwirkungen zu stellen sind. Erst recht hat der Gesetzgeber kein den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie bzw. des § 34 Abs. 1 BNatSchG vergleichbares formalisiertes Verfahren einer artenschutzrechtlichen Verträglichkeitsprüfung vorgesehen. An einer untergesetzlichen Maßstabsbildung mittels Durchführungsverordnungen oder normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften fehlt es ebenfalls (BVerwG, U. v. 21.11.2013 - 7 C 40/11 - NVwZ 2014, 524; im Anschluss BayVGH, U. v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - Rn. 45). Das Gericht ist daher verpflichtet, zu überprüfen, ob die artenschutzfachlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe im Gesamtergebnis ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu überprüfen (BVerwG, U. v. 21.11.2013 - 7 C 40/11 - NVwZ 2014, 524, 525; BayVGH, U. v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - Rn. 45). Das Verwaltungsgericht hat insofern keine Bedenken erhoben. Aus dem Vorbringen des Beklagten und der Beigeladenen ergibt sich nicht, warum dies rechtlich fehlerhaft sein sollte.

Der Beklagte führt hierzu näher aus, ein möglicherweise bestehendes signifikant erhöhtes Verletzungs-/Tötungsrisiko kollisionsgefährdeter Vogelarten nach Anlage 2 Spalten 2 und 3 des Windkrafterlasses müsse untersucht werden angesichts des Vorliegens substantiierter Nachweise solcher Arten bei der Unteren Naturschutzbehörde. Dass es solche Nachweise gebe, hat der Beklagte aber lediglich behauptet, was für eine Darlegung nicht genügt.

Für eine Darlegung muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen substantiiert dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.). Daran fehlt es hier. Wenn - wie hier nach dem Vorbringen des Beklagten - der Unteren Naturschutzbehörde substantiierte Nachweise auf Vorkommen kollisionsgefährdeter Vogelarten im Umfeld der Windkraftanlage vorliegen, ohne dass diese Hinweise im Genehmigungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aktenkundig gemacht worden sind, muss der Beklagte sie wenigstens jetzt im Zulassungsverfahren näher substantiieren, um seiner Darlegungsobliegenheit zu genügen.

Soweit der Beklagte vorbringt, der saP fehle eine umfassende Artenkartierung und Bestandsaufnahme vor Ort, trifft dies sachlich nicht zu. Ausweislich der Methodikdarstellung der saP gründet sie auf Geländebegehungen mit Erhebungen zu Fauna und Flora im August 2011, einer Luftbildauswertung zur Abschätzung des Lebensraumpotentials, der Artenschutz- und der Biotopkartierung des Landesamtes für Umwelt aus dem Jahr 2011 und weiterer Auswertungen von Datenbanken und Verbreitungsatlanten (saP, S. 1 f.). Aus dem Vorbringen des Beklagten ergibt sich nicht, dass eine umfassendere Erhebung rechtlich geboten gewesen wäre. Die Prüfung des Tötungs- und Verletzungsverbots erfordert nach ständiger Rechtsprechung nicht die Erstellung eines lückenlosen Arteninventars, sondern die Erhebung von Daten, aus denen sich die Häufigkeit und Verteilung der im Umfeld der Windkraftanlage lebenden geschützten Arten und ihrer Lebensstätten entnehmen lassen. Regelmäßig erfordert dies eine Auswertung vorhandener Erkenntnisse und eine Bestandserhebung vor Ort, deren Methodik und Intensität von den konkreten Verhältnissen im Einzelfall abhängt. Die Prüfung muss sich am Maßstab praktischer Vernunft orientieren (vgl. BVerwG, U. v. 9.7.2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 ff. Rn. 54 ff.; im Anschluss BayVGH, B. v. 30.4.2014 - 22 ZB 14.680 - Rn. 13). Der Beklagte legt nicht dar, inwiefern sich aus dem Windkrafterlass etwas Anderes ergeben könnte. Dass die vorliegende saP diesen Anforderungen nicht entsprochen hat, hat der Beklagte nicht aufgezeigt.

Für die Fledermäuse enthält die saP detaillierte Untersuchungsergebnisse, die allein durch die pauschale Behauptung ihrer Mangelhaftigkeit seitens des Beklagten und ohne nähere Substantiierung nicht in Zweifel gezogen worden sind.

2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ergeben sich aus der Antragsbegründung des Beklagten nicht.

Soweit der Beklagte meint, die Reichweite der Bindungswirkung des Windkrafterlasses berge besondere rechtliche Schwierigkeiten, hat er nicht dargelegt, in wie weit diese Frage vorliegend entscheidungserheblich sein soll. Mittlerweile ist durch die Rechtsprechung im Übrigen geklärt, dass der Windkrafterlass mangels Normcharakters nicht verbindlich ist, aber den darin enthaltenen naturschutzfachlichen Aussagen als antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität eine besondere tatsächliche Bedeutung zukommt (BayVGH, U. v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - Rn. 45; bestätigt durch BVerwG, B. v. 16.9.2014 - 4 B 48.14 - juris Rn. 4).

Hinsichtlich der Inzidentprüfung der Wirksamkeit des Teilflächennutzungsplans der Beigeladenen durch das Verwaltungsgericht hat der Beklagte keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufgezeigt.

Die notwendige Einzelfallprüfung der optisch bedrängenden Wirkung ist durch das Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt worden und birgt keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten.

4. Die Divergenzrüge ist nicht ordnungsgemäß dargelegt, weil der Beklagte nicht herausgearbeitet hat, welchem von einem Obergericht im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgestellten Rechtssatz das Verwaltungsgericht widersprochen haben soll. Ein Rechtssatz beschreibt den Inhalt einer Norm, indem er diese als abstrakten richterrechtlichen Obersatz näher konkretisiert (vgl. BVerwG, B. v. 15.4.2013 - 1 B 22/12 - NVwZ-RR 2013, 774/777 f. Rn. 23). Nicht darunter fällt die bloße Würdigung einer Tatsache oder einer Rechtslage.

Soweit der Beklagte meint, das Verwaltungsgericht habe einen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, dass bei einem Abstand von mehr als dem Zwei- aber weniger als dem Dreifachen der Gesamthöhe eines Windkraftanlage gegenüber einer Wohnnutzung im Außenbereich keine optisch bedrängende Wirkung bestehe, trifft dies nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat keinen solchen Rechtssatz aufgestellt, sondern eine von der hierzu maßgeblichen Rechtsprechung geforderte differenzierte Einzelfallprüfung bei einem Abstand von mehr als dem Zwei- aber weniger als dem Dreifachen der Gesamthöhe eines Windkraftanlage vorgenommen (vgl. Urteil S. 12 f. mit Verweis u. a. auf BayVGH, B. v.16.1.2014 - 22 ZB 13.2608 - juris Rn. 10) und im vorliegenden Einzelfall im Ergebnis eine optisch bedrängende Wirkung verneint.

Ebenso wenig hat das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, dass eine Prüfung des Natur- und Artenschutzes rechtlich nicht zu beanstanden sei, auch wenn sie ohne fachlichen Grund mit den Vorgaben des Windkrafterlasses nicht in Einklang stehe. Soweit das Verwaltungsgericht den Windkrafterlass herangezogen hat, hat es ihn nur auf Schutzabstände bezogen (Urteil S.11); zu Belangen des Natur- und Artenschutzes hat es keinen besonderen gerichtlichen Prüfungsbedarf gesehen und daher keinen Rechtssatz aufgestellt.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.

Streitwert: § 52 Abs. 1 i. V. m. § 47 Abs. 3 GKG i. V. m. Nr. 19.1.2 des Streitwertkatalogs 2013. Da die geschätzten Herstellungskosten nach insoweit unwidersprochenen Angaben im Parallelverfahren (22 C 14.1595) 4.324.000 Euro betragen, ergibt sich als Streitwert ein Zehntel, somit 432.400 Euro.

(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn

1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.

(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber

1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird,
2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden,
3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und
4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.

(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.

(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.

(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.

(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.

(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist

1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind;
2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen;
3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden;
4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.

(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.

(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:

1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt.
2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind.
3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.

(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.

(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.

(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.

(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.

(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:

1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie
2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
Soweit der Genehmigungsbescheid Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthält, sind die entsprechenden Stellen unkenntlich zu machen. Absatz 8 Satz 3, 5 und 6 gilt entsprechend.

(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.

(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 2) steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Kläger und der Beklagte der Einlegung der Sprungrevision schriftlich zustimmen und wenn sie von dem Verwaltungsgericht im Urteil oder auf Antrag durch Beschluß zugelassen wird. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich zu stellen. Die Zustimmung zu der Einlegung der Sprungrevision ist dem Antrag oder, wenn die Revision im Urteil zugelassen ist, der Revisionsschrift beizufügen.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 vorliegen. Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Die Ablehnung der Zulassung ist unanfechtbar.

(3) Lehnt das Verwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluß ab, beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung von neuem, sofern der Antrag in der gesetzlichen Frist und Form gestellt und die Zustimmungserklärung beigefügt war. Läßt das Verwaltungsgericht die Revision durch Beschluß zu, beginnt der Lauf der Revisionsfrist mit der Zustellung dieser Entscheidung.

(4) Die Revision kann nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden.

(5) Die Einlegung der Revision und die Zustimmung gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Verwaltungsgericht die Revision zugelassen hat.