Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 21. Feb. 2017 - 4 K 185/16
Gründe
I.
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Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Normenkontrollantrages die Feststellung, dass eine am 27. September 2012 beschlossene Satzung der Antragsgegnerin, mit der für einen Teil ihres Gemeindegebietes ein Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Fernwärmeversorgung angeordnet wurde, nichtig gewesen ist.
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Die Fernwärmeversorgung wird seit 1992 durch die (…)stadtwerke GmbH mit zwei Blockheizkraftwerken (BHKW) betrieben, die auch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) einsetzen; im Jahr 2011 nahm ein neues Biomasse-BHKW den Betrieb auf. Die (...)stadtwerke GmbH ist zu 75 % Tochter der (N.) GmbH und zu 25 % der (T.) AG. Die (N.) GmbH wiederum ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, ist Eigentümerin zahlreicher im Geltungsbereich der Satzung gelegener Wohngrundstücke.
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Am 15. Oktober 2012 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gegen die am 6. Oktober 2012 bekannt gemachte Satzung gestellt und beantragt, sie für unwirksam zu erklären.
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Sie hat dazu im Wesentlichen geltend gemacht, die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs zur Verbesserung des globalen Klimaschutzes sei von § 8 Nr. 2 GO LSA nicht gedeckt. § 16 EEWärmeG als einzig in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage sei verfassungswidrig. Zudem seien die Maßgaben des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG nicht erfüllt. Weiterhin sei die Satzung zur Erreichung der Satzungsziele nicht geeignet und nicht erforderlich. Auch die in der Satzung enthaltenen Befreiungsregelungen seien unzureichend. Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs sei weiterhin deshalb unverhältnismäßig, weil die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet sei. Der abgeschlossene Betreibervertrag genüge nicht den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der wirksamen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der Kommune für den Fall, dass die Versorgung auf einen zuverlässigen Dritten übertragen werde. Die Fernwärmeversorgung werde daher nicht als öffentliche Einrichtung betrieben. Im Übrigen habe es sich jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungserlasses nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt.
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Die Antragsgegnerin ist dem Antrag umfänglich entgegengetreten und hat u.a. geltend gemacht, zwischenzeitlich sei ein Betreibervertrag zwischen der (...)stadtwerke GmbH und ihr zustande gekommen, so dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sei. Im Zweifelsfall wäre der Vertrag zudem nachzubessern.
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Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2013 hat die Antragsgegnerin u.a. mehrere Gutachten und Stellungnahmen zu einem Klimaschutz- und Energiekonzept sowie einen von ihr am 7. Dezember 2012 mit der (...)stadtwerke GmbH geschlossenen Betreibervertrag vorgelegt.
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Mit Urteil vom 10. April 2014 (- 4 K 180/12 -) hat der beschließende Senat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Antrag nur hinsichtlich der der Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 11 der Satzung abgelehnt und die Satzung im Übrigen für unwirksam erklärt. Die Antragsgegnerin habe es unterlassen, einen Vergleich der vom Satzungsgebiet ausgehenden CO2-Emissionen mit und ohne Anschlusszwang an die Fernwärmeversorgung durchzuführen. Die sonstigen Einwendungen der Antragstellerin müssten daher nicht mehr abschließend geklärt werden.
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Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragsgegnerin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Mai 2015 die Revision zugelassen. Während des Revisionsverfahrens hat die Antragsgegnerin eine neue Klimasatzung beschlossen, die am 18. September 2015 in Kraft getreten ist. Gleichzeitig ist die hier streitgegenständliche Klimasatzung außer Kraft getreten.
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Mit Urteil vom 8. September 2016 (- 10 CN 1.15 -) hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Es bestehe jedenfalls mit Blick auf die erlassene Nachfolgesatzung weiterhin ein Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Frage, ob vor Erlass eines Anschluss- und Benutzungszwangs i.S.d. § 16 EEWärmeG eine Begutachtung der konkreten gesamtklimatischen Auswirkungen dieser Maßnahme geboten ist. Diese Annahme des Senats stehe mit den bundesrechtlichen Vorschriften des § 1 EEWärmeG i.V.m. Nummer VIII der Anlage nicht in Einklang. Aus diesen Vorschriften ergebe sich die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung dafür, dass Fernwärmeeinrichtungen, die den Standards der Nummer VIII der Anlage genügen, den Zwecken des Klima- und Ressourcenschutzes dienten. Ob die Fernwärmeeinrichtung der Antragsgegnerin diese Standards erfüllt habe, bedürfe ergänzender tatrichterlicher Feststellungen. Da § 16 EEWärmeG mit der Verfassung in Einklang stehe, erweist sich die Entscheidung des Senats auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
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Die Antragstellerin macht geltend, es bestehe ein Rechtsschutzinteresse, da die Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Satzung präjudizielle Wirkung für Schadensersatz-oder Entschädigungsansprüche haben könne. Zum Zeitpunkt des Satzungserlasses sei keine positive Prognose möglich gewesen, dass die durch die Fernwärmeeinrichtung verteilte Wärme im Jahresdurchschnitt dauerhaft zu mindestens 50 % aus KWK-Anlagen stamme. Dies bestätigten die seit Satzungserlass vorgelegten Testate. Da der Antragsgegnerin die Energiedaten aus dem Jahr 2011 zum Zeitpunkt des Satzungserlasses bekannt gewesen sein dürften, habe sie objektiv nicht von einer positiven Prognose ausgehen dürfen. Die von der Antragsgegnerin betriebene Fernwärmeanlage sei bereits auf Grund ihrer Strukturierung nicht geeignet, dauerhaft einen 50%igen KWK-Anteil zu erzielen. Danach müsse auf die vom TÜV-Nord verwendete Berechnungsmethode, die physikalisch nicht begründbar und „fernwärmefreundlich“ sei, nicht eingegangen werden. Zudem sei die Satzung nicht erforderlich und greife unverhältnismäßig in ihre Eigentumsgarantie ein. Darüber hinaus habe es sich bei der von der (...)stadtwerke GmbH betriebenen Fernwärmeversorgung im Zeitpunkt des Satzungserlasses nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt. Die Antragsgegnerin verfüge nur über eine mittelbare Mehrheitsbeteiligung, die ihr keinen maßgeblichen Einfluss verschaffe. Der Betreibervertrag sei erst nach Satzungsbeschluss in Kraft getreten.
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Die Antragstellerin beantragt,
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festzustellen, dass die Klimasatzung der Stadt B. vom 27. September 2012 zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme unwirksam gewesen ist.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie macht geltend, eine Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung durch Beschluss sei nicht zulässig, weil das Urteil von 2014 auf eine mündliche Verhandlung hin ergangen sei. Zudem sei der Senat schon gemäß § 144 Abs. 6 VwGO daran gehindert, dem Antrag mit dem Argument stattzugeben, dass die streitbefangene Fernwärmeversorgung keine öffentliche Einrichtung gewesen sei.
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Darüber hinaus sei die Fernwärmeversorgung bereits im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eine öffentliche Einrichtung gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Betreiber in der Rechtsform einer GmbH organisiert sei. Hinreichenden Einfluss habe die Kommune dann, wenn sie - wie sie selbst - eine Beteiligung von mehr als 50 % halte. Denn dann könne sie über § 70 Abs. 1 und 2 GB AG (gemeint wohl § 47 Abs. 1 und 2 GmbHG) ihre Position in der Gesellschafterversammlung in jedem Fall durchsetzen. Der Aufgabenkreis der Gesellschafterversammlung gem. § 46 GmbHG sei der Befugnis der Gemeinde gegenüber einem Eigenbetrieb vergleichbar. Hinzu komme, dass die (...)stadtwerke GmbH sich in § 6 des Konzessionsvertrages zur Anschluss- und Versorgungspflicht verpflichtet habe und die Fernwärmeversorgungsverträge mit dem Anschlussnehmer und Endbenutzer außerdem bundesweit einheitlich durch die AVBFernwärmeV reglementiert seien. Damit sei die pflichtgemäße Durchführung des Benutzungsrechtes und darauf basierenden Nutzungsverhältnisses, welches sie mit dem Satzungs- und damit zugleich Widmungsakt gegenüber den Benutzern eingegangen sei, garantiert.
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Es sei nicht darauf angekommen, ob der Betreibervertrag (oder eine andere adäquate rechtliche Einflussnahmemöglichkeit) mit der (...)stadtwerke GmbH zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits abgeschlossen gewesen sei. Die fehlende rechtliche Sicherung der Erfüllung könne ein Indiz gegen eine öffentliche Einrichtung sein, wenn es an einem förmlichen Widmungsakt fehle. Liege eine förmliche Widmung vor, könne diese nicht durch das Nichtvorhandensein eines Betreibervertrages oder dessen Mängel konterkariert werden. Vorliegend könne kein Zweifel bestehen, dass die Fernwärmeversorgung in B-Stadt spätestens ab Inkrafttreten der Satzung eine öffentliche Einrichtung sei. Dafür sprächen die durch Satzung ausgesprochene förmliche Widmung, die gesellschaftsrechtlich begründete Weisungsabhängigkeit der Betreiberin der Fernwärmeversorgung von ihr sowie die Zweckidentität zwischen dem Geschäftszweck der (...)stadtwerke GmbH, für die örtliche Wasser-und Energieversorgung zu sorgen, und dem typischerweise kommunalen öffentlichen Zweck der Daseinsvorsorge auf diesem Gebiet. Hinzu kämen die Pflichten aus § 6 des Konzessionsvertrages und der Umstand, dass die Fernwärmeversorgung zunächst kommunalisiert und dann in die Eigengesellschaft Stadtwerke (...)stadtwerke GmbH überführt worden sei. Eine öffentliche Einrichtung habe sogar schon spätestens seit 1992 vorgelegen. Daher sei allen an der Beschlussfassung beteiligten und diese vorbereitenden Personen klar gewesen, dass die Widmung in der Satzung insoweit deklaratorisch gewesen sei, als sie zuvor konkludent bereits erfolgt gewesen sei. Sie sei allerdings insoweit konstitutiv, als die Widmung nunmehr förmlich durch Satzung erfolgt sei. Dazu werde Zeugeneinvernahme beantragt.
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Von der Frage, ob eine Einrichtung eine öffentliche sei, sei die Frage zu unterscheiden, ob die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs unverhältnismäßig sei, wenn der Kommune hinreichende Einflussmöglichkeiten zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit fehlten. Auf Grund der bislang vorgetragenen Umstände habe sie aber über hinreichende Einflussmöglichkeiten zur Gewährung der Versorgungsmöglichkeiten verfügt. Sollte es dennoch zur Verhältnismäßigkeit der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs erforderlich gewesen sein, den Betreibervertrag zu schließen, habe die Rechtmäßigkeit der Satzung selbst davon nicht abgehangen. Vielmehr hätte gegebenenfalls nur der Anschluss- und Benutzungszwang bis Vertragsschluss nicht ausgeübt werden können. Das Fehlen des Betreibervertrages habe sich allenfalls auf den konkreten Vollzug des Anschluss- und Benutzungszwanges auswirken können.
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Im Gegensatz zur Auffassung des Senats sei der Widmungserfolg nicht nach ihrem in § 1 Abs. 5 der Satzung zum Ausdruck gekommenen Willen erst durch Abschluss des Betreibervertrages eingetreten. § 1 Abs. 1 der Satzung sei insoweit deklaratorischer Natur, als bereits zu diesem Zeitpunkt die Fernwärmeversorgung als konkludent gewidmete öffentliche Einrichtung zu betrachten gewesen sei. Wenn eine Widmung bereits erfolgt sei, habe die Satzung, die nunmehr zusätzlich auch den Anschluss- und Benutzungszwang anordne, keine aufschiebend bedingte Widmung beinhalten können. Auch der Wortlaut des § 1 Abs. 5 der Satzung gäbe dafür nichts her. Die Mitglieder des Rates hätten die Satzung beschlossen und somit die abermalige satzungsförmige Widmung als öffentliche Einrichtung gerade nicht von dem sofortigen Abschluss des Betreibervertrages abhängig gemacht. Der Beschluss sei unbedingt in der - erfüllten - Erwartung gefällt worden, dass der Abschluss des Betreibervertrages noch nachgeholt werde. Es sei darauf hingewiesen worden, dass § 1 Abs. 1 der Satzung in dem Sinne auszulegen sei, dass durch diese Bestimmung nochmals bestätigt werde, dass die bestehende Fernwärmeversorgung öffentliche Einrichtung der Stadt B. sei. Zu diesen Fragen werde jeweils Beweis angeboten und Zeugeneinvernahme beantragt.
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Im Übrigen widerspräche es dem bundesrechtlichen Rechtsstaatsprinzip, das Inkrafttreten oder Inkraftbleiben einer Satzung von dem Realakt des Betreibervertrages abhängig zu machen, dessen Abschluss zudem nicht publik werde. Dies widerspräche außerdem dem Grundsatz der Bestimmtheit. Es habe auch keinerlei Notwendigkeit dafür bestanden, das Inkrafttreten der Satzung vom Abschluss des Betreibervertrages abhängig zu machen, da bis zum Abschluss des Vertrages der satzungsmäßig angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang noch nicht in entsprechenden Anschlussverfügungen habe umgesetzt werden können.
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Die Fernwärmeeinrichtung genüge den Anforderungen der Nr. VIII der Anlage zum EEWärmeG, so dass eine unwiderlegliche Vermutung begründet sei, dass der Anschluss- und Benutzungszwang von Gebäuden an eine solche Einrichtung zum Klima- und Ressourcenschutz geeignet sei. Bei wertender Betrachtung habe der KWK-Anteil im Prinzip über 50 % gelegen und deshalb sei schon 2012 die Prognose gestattet gewesen, dass auch künftig nachhaltig der KWK Anteil über 50 % liegen werde. Selbst wenn der 50 %-Modus nicht erreicht worden sei, bestehe eine widerlegbare Vermutung der Eignung des Fernwärmenetzes. Die Differenz im Jahre 2014 sei mit rund einem Prozent so geringfügig gewesen, dass dieser einmalige Ausreißer nach unten das positive Bild der Eignung nicht infrage gestellt habe. Hinzuweisen sei auch, dass die (...)stadtwerke wesentliche Teile der Wärme mit Hilfe von Biogas erzeugten und soweit die Nr. VIII.1.a der Anlage zum EEWärmeG zur Anwendung käme.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II.
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Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er nach Anhörung der Beteiligten eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO; vgl. dazu auch BVerwG, Beschl. v. 27. Juli 2011 - 8 PKH 4.11 - und v. 31. März 2011 - 4 BN 18.10 -, zit. nach JURIS, jeweils m.w.N.). Die Sach- und Rechtslage lässt sich anhand der Akten und der gewechselten Schriftsätze abschließend beurteilen. Auch die von der Antragsgegnerin in ihren Schriftsätzen vom 31. Januar und 15. Februar 2017 erhobenen Einwendungen stehen dem nicht entgegen.
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Es besteht im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin keine Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung, weil schon einmal eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Zwar darf das Normenkontrollgericht nach Durchführung und Schließung der mündlichen Verhandlung nicht noch in das Beschlussverfahren übergehen (so BVerwG, Beschl. v. 20. Dezember 1988 - 7 NB 3.88 -, zit. nach JURIS). Im Falle der Zurückverweisung nach erfolgreichem Beschwerdeverfahren tritt dagegen eine prozessuale Zäsur ein, durch die das Normenkontrollgericht vor eine insgesamt neue Entscheidungssituation gestellt wird. Dies schließt auch eine erneute Ermessensentscheidung darüber ein, ob auf Grund der nach Zurückverweisung gegebenen Sachlage eine - erneute oder erstmalige - mündliche Verhandlung für erforderlich gehalten wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2. Januar 2001 - 4 BN 13.00 - und v. 11. September 1991 - 4 NB 24/91 -, jeweils zit. nach JURIS).
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Der Feststellungsantrag ist teilweise unzulässig (I.), aber im Rahmen seiner Zulässigkeit begründet (II.).
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I. Die Antragstellerin hat zulässigerweise nach Ablösung der streitbefangenen Klimasatzung der Stadt B. zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme vom 27. September 2012 - KS 2012 - durch eine neue Satzung einen Feststellungsantrag gestellt.
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Schon auf Grund der Bindungswirkung (§ 144 Abs. 6 VwGO) des zurückverweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2016 ist ein derartiger Antrag grundsätzlich zulässig. Denn die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die in diesem Urteil ausdrücklich bejahte Möglichkeit für eine Fortführung des Rechtsstreits trotz Außer-Kraft-Tretens der streitigen Satzung.
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Darüber hinaus bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Normenkontrollantrag zulässig, wenn ein Antragsteller - wie hier - weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Dieses Ergebnis folge unmittelbar aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. Februar 2004 - 7 CN 1.03 -, zit. nach JURIS). Weiterhin hat die Antragstellerin unwidersprochen substanziiert geltend gemacht, dass sie auf Grund der Unwirksamkeit der angegriffenen Satzung Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche im Hinblick auf die unterlassene Realisierung mehrerer Bauprojekte geltend machen wolle (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 2. September 1983 - 4 N 1.83 -, zit. nach JURIS). Dass diese Ansprüche offensichtlich ohne Erfolg sein werden, ist weder ersichtlich noch dargelegt, so dass ein Feststellungsinteresse gegeben ist.
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Auch war der bislang gestellte Normenkontrollantrag zulässig, da er fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Satzung gestellt worden ist und die Antragstellerin als Eigentümerin von Wohngrundstücken im Satzungsgebiet gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt war.
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Soweit sich der Antrag gegen § 11 KS 2012 richtet, ist er allerdings unzulässig. Danach stellt die Nichterfüllung der Pflichten aus den §§ 3 und 5 KS 2012 eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße in einer bestimmten Höhe geahndet werden. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im „Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit von bestimmten Rechtsvorschriften. Dies hat zur Folge, dass Vorschriften rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OwiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Februar 2005 - 7 CN 6.04 -, zit. nach JURIS; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22. August 2013 - 4 K 72/12 -, n.v.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29. September 2015 - OVG 9 A 7.14 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 6. Februar 2014 - 4 KN 2/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 6. Februar 2014 - 4 KN 2/13 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27. September 2011 - 6 S 707/10 - jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19. Juni 2007 - 1 BvR 1290/05 -, zit. nach JURIS). Da § 11 KS 2012 über die Festlegung als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeitenbestimmung keinen weiteren Regelungsinhalt hat, ist für seine Überprüfung der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet.
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II. Soweit er zulässig ist, ist der Antrag begründet.
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Die §§ 1 bis 10 sowie § 12 der KS 2012 sind ungültig gewesen (§ 10 AG VwGO LSA i.V.m. 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), da der mit der Satzung angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang (§§ 3, 5 KS 2012) an eine Einrichtung zur Fernwärmeversorgung mit höherrangigem Recht nicht zu vereinbaren war.
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Rechtsgrundlage des Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich der Fernwärmeversorgung ist § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. der ab 1. Juli 2014 geltende § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KVG LSA jeweils i.V.m. § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - EEWärmeG -. Gemäß § 8 Nr. 2 GO LSA kann die Gemeinde für Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung, Fernwärmeversorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienenden Einrichtungen und deren Benutzung durch Satzung vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt (Satz 1). Die Satzung kann Ausnahmen vom Anschluss- oder Benutzungszwang zulassen; sie kann ihn auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets und auf bestimmte Gruppen von Grundstücken oder Personen beschränken (Satz 2). Inhaltsgleiche Regelungen enthält § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA. Nach § 16 EEWärmeG, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit nach den Darlegungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2016 keine durchgreifenden Bedenken bestehen, können die Gemeinden und Gemeindeverbände von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen.
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1. Der in den §§ 3, 5 KS 2012 angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang war deshalb nicht mit höherrangigem Recht zu vereinbaren, weil es sich bei der von der (...)stadtwerke GmbH betriebenen Fernwärmeversorgung zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung am 6. Oktober 2012 nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt hat.
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a) Der durch eine Satzung begründete Zwang, sich an eine Einrichtung anzuschließen und diese zu benutzen, ist nur dann durch § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA gedeckt, wenn es sich um eine der Gesundheit der Bevölkerung dienende Anlage handelt. Das kann nur eine öffentliche Einrichtung i. S. von §§ 8 Nr. 1, 22 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 2, § 24 Abs. 1, § 4 Satz 2 KVG LSA sein. Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Zweck und dem systematischen Zusammenhang des § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA zu den vorgenannten Vorschriften (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008 - 4 K 95/07 -, zit. nach JURIS; vgl. auch OVG Sachsen, Beschl. v. 6. September 2011 - 5 B 205/10 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Eine Übertragung der Betriebsführung auf einen Privaten lässt die Verantwortung der Gemeinde für den Betrieb und dessen Charakter als öffentliche Einrichtung unberührt, wenn sie weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung hat. Sie muss die Zugangsansprüche des Personenkreises nach § 22 Abs. 1 GO LSA bzw. § 24 Abs. 1 KVG LSA gewährleisten sowie die Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse und die weitere betriebliche Entwicklung vorgeben können (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O., m.w.N.; Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 543, 544, m.w.N.; vgl. auch OVG Sachsen, Urt. v. 3. Juni 2003 - 4 D 373/99 -, zit. nach JURIS). Aus § 16 EEWärmeG ergibt sich nichts anderes, da diese Bestimmung voraussetzt, dass ein Anschluss- und Benutzungszwang an ein Netz deröffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung begründet wird. Auch besteht der Anschluss- und Benutzungszwang unmittelbar kraft Satzungsrechts, wenn die Voraussetzungen der §§ 3, 5 KS 2012 erfüllt sind und keine Befreiung erteilt worden ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. Juli 2012 - 4 L 114/12 -; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17. Mai 2016 - OVG 9 B 24.14 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 22. Juni 2011 - 2 L 261/06 -, jeweils zit. nach JURIS), so dass es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der §§ 3, 5 KS 2012 nicht ausreicht, ob eine öffentliche Einrichtung zeitlich später gebildet worden ist.
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Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung oblag die Durchführung der Fernwärmeversorgung in der Stadt B. nicht der Antragsgegnerin, sondern unstreitig der (...)stadtwerke GmbH, bei der es sich trotz der Beteiligung der Antragsgegnerin um ein Privatunternehmen handelt. Die Antragsgegnerin hatte zu diesem Zeitpunkt aber keinen maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der (...)stadtwerke GmbH.
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(1) Dass die Antragsgegnerin zu einem früheren Zeitpunkt die 100%ige Kontrolle über diese GmbH hatte, ist dazu ebenso wenig ausreichend wie der Umstand, dass die GmbH eine typisch kommunale Aufgabe wahrnahm und die Mindestversorgungsbedingungen gegenüber den Endkunden weitgehend durch die AVBFernwärmeV vorstrukturiert sind. Auch aus § 6 des Konzessionsvertrages ergeben sich keine Einflussnahmemöglichkeiten der Antragsgegnerin auf Fragen der Betriebsführung der GmbH. Die Regelung in § 1 Abs. 1 KS 2012, wonach die Antragsgegnerin als öffentliche Einrichtung eine Fernwärmeversorgung betreibt, ist auf Grund der vorgenommenen Übertragung der Durchführung der Fernwärmeversorgung auf einen Privaten für sich genommen nach den oben dargestellten Maßstäben ebenfalls nicht ausreichend. Welche Vorstellungen die an der Beschlussfassung beteiligten und diese vorbereitenden Personen hatten, ist daher von vornherein unerheblich, so dass die beantragte Zeugeneinvernahme nicht erfolgen musste. Zudem ist maßgebend der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende „objektivierte Wille“ des Satzungsgebers, also das, was dieser geregelt hat, nicht hingegen das, was er zu regeln meinte (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 14. Dezember 2015 - 4 ZB 15.1351 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10. November 2015 - 5 S 2590/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 11. Dezember 2013 - 14 A 1948/13 -. jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16. April 2013 - 4 L 102/12 -, zit. nach JURIS).
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Dass der Antragsgegnerin durch die gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung an der (...)stadtwerke GmbH hinreichende Einflussnahmemöglichkeiten (vgl. dazu Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 544; Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, § 16 Rdnr. 30; Arndt/Hadziefendic, Die Gemeinde SH 2011, 284, 287, jeweils m.w.N.) zur Verfügung gestanden haben, hat sie trotz einer entsprechenden Rüge der Antragstellerin und der daran zweifelnden Darlegungen in dem Urteil des Senates vom 10. April 2014 nicht substanziiert geltend gemacht. Nachdem sie sich zunächst lediglich auf den am 7. Dezember 2012 mit der (...)stadtwerke GmbH geschlossenen Betreibervertrag berufen hatte, hat sie später lediglich pauschal behauptet, dass sie durch ihre gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung bereits hinreichende Einflussnahmemöglichkeiten habe. Es wäre aber Sache der Antragsgegnerin gewesen, im Einzelnen aufzuzeigen, dass sie trotz der 25%igen Beteiligung der (T.) AG maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der (...)stadtwerke GmbH hatte (vgl. auch §§ 37 Abs. 1, 45 GmbHG). Der bloße Hinweis, sie könne auf Grund des Mehrheitsprinzips des § 47 Abs. 1 und 2 GmbHG in der Gesellschafterversammlung ihre Position in jedem Fall durchsetzen, ist schon deshalb nicht ausreichend, weil sich die Rechte der Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag bestimmen (§ 47 Abs. 1 GmbHG) und nur in Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Vorschriften der §§ 46 bis 51 GmbHG Anwendung finden (§ 47 Abs. 2 GmbHG). Aus dem von der Antragsgegnerin zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 1989 (- 7 B 184.88 -, zit. nach JURIS) ergibt sich nichts anderes, da in dem dort entschiedenen Fall ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vorlag.
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(2) Darüber hinaus und hierauf stellt der Senat selbständig tragend ab, war die Fernwärmeversorgung jedenfalls zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung auch auf Grund des § 1 Abs. 5 KS 2012 nicht als öffentliche Einrichtung anzusehen. Danach ist die Antragsgegnerin berechtigt, die Durchführung der Wärmeversorgung auf einen Betreiber zu übertragen (Satz 1). Sie hat in diesem Fall Sorge dafür zu tragen, dass der Betreiber die Wärmeversorgung in gleichem Umfang sicherstelle, als wenn sie die Wärmeversorgung selbst erbringen würde (Satz 2). Das Nähere regelt ein mit dem Betreiber zu schließender Vertrag (Satz 3).
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Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die Widmung als öffentliche Einrichtung bei Übertragung der Durchführung der Fernwärmeversorgung auf einen (privaten) Betreiber von dem Abschluss eines die Einflussmöglichkeiten der Antragsgegnerin sichernden Betreibervertrages abhängig war. Es handelte sich dabei, wie die Aufnahme dieser Vorschriften in den § 1 KS 2012, der ausdrücklich das Satzungsziel bestimmt, sowie der Regelungszusammenhang mit § 1 Abs. 1 KS 2012 zeigt, nicht um eine bloße Norm im Rahmen der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges, sondern um eine von der Satzung selbst angeordnete Vorgabe hinsichtlich der Widmung der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung. Die in § 1 Abs. 1 KS 2012 vorgenommene Widmung wird für die Fälle der Übertragung der Durchführung der Fernwärmeversorgung auf einen Dritten eingeschränkt. Nach der Klimasatzung der Antragsgegnerin selbst konnte daher nicht die nach Art. 1 Abs. 1 KS 2012 erfolgte Widmung und ihre Mehrheitsbeteiligung in der (...)stadtwerke GmbH zur Bildung einer öffentlichen Einrichtung führen, sondern erst der Abschluss des Vertrages vom 7. Dezember 2012, mit dem sie der Vorgabe des § 1 Abs. 5 Satz 2 KS 2012 erfüllen wollte.
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Die dagegen erhobenen Einwendungen der Antragsgegnerin sind nicht durchgreifend.
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Der Wortlaut des § 1 Abs. 5 KS 2012 gibt für die Frage der Bedeutung der Vorschrift für die Einordnung der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung nichts her, steht der hier vertretenen Auslegung aber jedenfalls nicht entgegen. Welche subjektiven Vorstellungen die Stadtratsmitglieder bei der Beschlussfassung der Satzung hatten, ist - wie oben dargelegt - unbeachtlich, so dass es auch nicht auf die insoweit gestellten Beweisanträge und vorgebrachten Beweisangebote ankommt.
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Die Antragsgegnerin kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 1 Abs. 1 KS 2012 lediglich deklaratorischer Natur gewesen sei, da schon eine öffentliche Einrichtung vorgelegen habe. Wenn eine Kommune in einer Satzung die ausdrückliche Widmung einer öffentlichen Einrichtung vornimmt, daran aber bestimmte Maßgaben knüpft, kommt es nicht darauf an, ob die Einrichtung nach allgemeinen Grundsätzen schon vorher als öffentlich anzusehen war.
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Die Rüge, es widerspreche dem Rechtsstaatsprinzip und dem Bestimmtheitsgrundsatz, das Inkrafttreten der Satzung von einem Realakt wie dem Abschluss eines Betreibervertrages abhängig zu machen und dazu habe - auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit - keine Notwendigkeit dafür bestanden, geht schon deshalb fehl, weil nicht das Inkrafttreten der Satzung betroffen ist, sondern allein die Einstufung der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung und daraus folgend die Rechtmäßigkeit der §§ 3, 5 KS 2012. Zudem kann eine Widmung als öffentliche Einrichtung durchaus von der Vornahme von Realakten abhängig gemacht werden und es ist nicht entscheidungserheblich, ob eine Notwendigkeit für die Regelung des § 1 Abs. 5 KS 2012 bestand.
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Soweit die Antragstellerin geltend macht, das Fehlen des Betreibervertrages habe sich allenfalls auf den konkreten Vollzug des Anschluss- und Benutzungszwanges auswirken können und bis zum Abschluss des Vertrages hätten lediglich noch keine Anschlussverfügungen erlassen werden können, verkennt sie, dass - wie oben dargelegt - der Anschluss- und Benutzungszwang unmittelbar auf der Grundlage der Klimasatzung ohne Erlass eines Verwaltungsaktes bestehen sollte.
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b) Dass sich das Urteil des beschließenden Senats nach der ausdrücklichen Feststellung in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellte, stellt kein Verfahrenshindernis für die nunmehr getroffene Entscheidung dar. Es handelte sich bei dieser Feststellung, die auf die Vereinbarkeit des § 16 EEWärmeG mit der Verfassung abstellt, nicht um eine rechtliche Beurteilung i.S.d. § 144 Abs. 6 VwGO zur Prüfung des Vorliegens einer öffentlichen Einrichtung. Zwar muss das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, seiner Entscheidung auch die rechtlichen Erwägungen zugrunde legen, deretwegen das Bundesverwaltungsgericht die anderweitige Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 144 Abs. 4 VwGO verneint hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 28. November 2012 - 8 C 21.11 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts bezog sich aber allein auf die entscheidungstragenden Erwägungen in dem aufgehobenen Urteil zur Auslegung des § 16 EEWärmeG. Da es sich bei den Ausführungen des beschließenden Senats zum Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung lediglich um nicht entscheidungstragende Erwägungen zu nicht revisiblen Fragen des Landesrechts handelte, waren sie von vornherein nicht Gegenstand der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, die für die Aufhebung des Urteils tragend gewesen sind. Dementsprechend fehlte es trotz des darauf abstellenden Vortrages der Antragstellerin auch an jeglichen rechtlichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zu diesen Fragen.
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2. Die Nichtigkeit der §§ 3, 5 KS 2012, mit denen die Antragsgegnerin den Anschluss- und Benutzungszwang begründet hat, führt zur Gesamtnichtigkeit der von dem Normenkontrollantrag zulässigerweise umfassten Vorschriften (§§ 1 bis 10, 12 KS 2012). Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 26. April 2014 - 3 CN 4.13 - und v. 3. April 2008 - 4 CN 3.07 -, zit. nach JURIS; Schneider/Schoch/Bier, VwGO, § 47 Rdnr. 110, m.w.N.) nur dann nicht deren Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Die in der Klimasatzung enthaltenen Vorschriften über die Verpflichteten (§ 7 KS 2012), die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang (§ 10 KS 2012) sowie die Übergangsregelungen (§ 9 KS 2012) bauen auf die Begründung des Anschluss- und Benutzungszwangs auf und machen ohne den nichtigen Teil keinen Sinn. Die übrigen Bestimmungen bleiben zwar ohne den nichtigen Teil der Satzung sinnvoll, weil sie den Eigentümern lediglich ein Anschluss- und Benutzungsrecht einräumen (§§ 2, 4 KS 2012) sowie allgemeine Regelungen zum Satzungsziel (§ 1 KS 2012), dem Satzungsgebiet (§ 6 KS 2012), dem Begriff des Wärmebedarfs (§ 8 KS 2012) sowie dem Inkrafttreten der Satzung (§ 12 KS 2012) enthalten, die sich auch auf diese Rechte beziehen. Ein mutmaßlicher Wille der Antragsgegnerin, ein Anschluss- und Benutzungsrecht ohne gleichzeitige Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu gewähren, ist aber nicht feststellbar.
- 48
III. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bekanntgabe von Nr. 1 Satz 1 der Entscheidungsformel folgt aus § 47 Abs. 5 Satz 2 HS 2 VwGO.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
- 50
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 21. Feb. 2017 - 4 K 185/16
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Urteil einreichenOberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 21. Feb. 2017 - 4 K 185/16 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
Tatbestand
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Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Satzung der Antragsgegnerin vom 27. September 2012, mit der für einen Teil des Gemeindegebietes ein Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Fernwärmeversorgung angeordnet wird.
- 2
Die Fernwärmeversorgung wird seit 1992 durch die (...) GmbH mit zwei Blockheizkraftwerken (BHKW) betrieben, die auch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) einsetzen; im Jahr 2011 nahm ein neues Biomasse-BHKW den Betrieb auf. Die (...) GmbH ist zu 75 % Tochter der (N...) GmbH und zu 25 % der (T...) GmbH. Die (N...) GmbH wiederum ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, ist Eigentümerin zahlreicher im Geltungsbereich der Satzung gelegener Wohngrundstücke.
- 3
Am 15. Oktober 2012 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gegen die am 6. Oktober 2012 bekannt gemachte Satzung gestellt.
- 4
Sie macht dazu im Wesentlichen geltend, die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs zur Verbesserung des globalen Klimaschutzes sei von § 8 Nr. 2 GO LSA nicht gedeckt, auf dessen Grundlage ein derartiger Zwang nur zum Schutz der Gesundheit der (örtlichen) Bevölkerung angeordnet werden könne. Der Verbesserung der örtlichen Umweltsituation solle die angegriffene Satzung aber nicht dienen. § 16 EEWärmeG als einzig in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage sei verfassungswidrig, da dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehle. Sollte man dennoch von einer Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG ausgehen, seien Gemeinden allein dann zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs ermächtigt, wenn die Wärme nach den Maßgaben des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG bereitgestellt werde. Die Fernwärmeversorgung der (...) GmbH werde aber nicht in dem dazu notwendigen Umfang aus erneuerbaren Energien oder KWK-Anlagen gespeist. Die von der Antragsgegnerin behaupteten außergewöhnlichen Stillstandzeiten würden bestritten, da diese nicht dargelegt habe, warum die zugrundeliegenden Ereignisse jeweils außergewöhnlich sein sollten. Daneben sei ein Herausrechnen solcher Zeiten unzulässig. Es komme im Rahmen der Prüfung des §7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG auch nicht darauf an, ob sie selbst neue Gebäude errichten wolle. Außerdem plane sie im Geltungsbereich der Klimasatzung Neubauten, was der Antragsgegnerin auch bekannt sei.
- 5
Weiterhin sei die Satzung zur Erreichung der Satzungsziele nicht geeignet und nicht erforderlich. Unter anderem sei die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung, einen Beitrag zum Klimaschutz durch die anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien für den Wärme- und Kälteenergiebedarf öffentlicher Gebäude zu leisten, bisher - soweit erkennbar - nicht nachgekommen. Auf Grund der gesetzlichen Vorgaben zur Wärmedämmung, zur Nutzung erneuerbarer Energien und zu Energiesparmaßnahmen würden die Eigentümer von Gebäuden schon von sich aus einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Kleinanlagen in Einfamilienhäusern seien ohnehin in der Satzung generell vom Anschluss und Benutzungszwang ausgenommen.
- 6
Bislang sei ein Anschluss- und Benutzungszwang nicht angeordnet und offensichtlich nicht für erforderlich gehalten worden. Die Satzung diene allein der Korrektur einer unternehmerischen Fehlentscheidung der (...) GmbH, nämlich der Errichtung des Biomasse-BHKW. Bestätigt werde dies durch Äußerungen von politisch Verantwortlichen. Entgegen der Angaben der Antragsgegnerin habe das Biomasse-BHKW die installierte thermische Leistung erhöht. Es sei errichtet worden, obwohl der Wärmeabsatz seit dem Jahr 1995 rückläufig sei und bis zum Jahr 2025 ein weiterer Bevölkerungsrückgang von 20 % erwartet werde. Ob ein Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen des öffentlichen Wohls erforderlich sei, habe die Antragsgegnerin nicht einmal ansatzweise geprüft. Ein Klimaschutzkonzept, das eine umfassende lokale Gesamtstrategie auf Basis einer lokalen Energie- und CO2-Bilanz voraussetze, liege nicht vor.
- 7
Sie werde in ihrer Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt, da die in der Satzung enthaltenen Befreiungsregelungen unzureichend seien. Eine Befreiung scheide nach dem Wortlaut der Satzung bereits dann aus, wenn Erdgas verbrannt werde. Diese Konsequenz führe zu widersinnigen Ergebnissen. Hinsichtlich der solarthermischen Wärmeerzeugungsanlagen könne eventuell nur hinsichtlich der von ihnen erzeugten Wärmemenge eine Teilbefreiung erfolgen. Selbst dies sei unsicher, denn die Befreiungsregelung fordere als drittes kumulatives Erfordernis, dass die Wärmeerzeugungsanlage den Bedarf des Verpflichteten vollständig decke. Auch der Vergleich des Jahresprimärenergiebedarfs unter der Prämisse einer „unveränderten Gebäudehülle“ stehe im Widerspruch zu der notwendigen Gesamtbetrachtung bei der Umsetzung der klimapolitischen Regelung. Die Übergangsfristen seien nicht ausreichend, da sie bei jeder Umstellung ihrer Anlagen auf klimafreundlichere Modelle und erneuerbare Energien gezwungen sei, sich an die Fernwärmeversorgung anzuschließen. Im Übrigen betrage die Lebensdauer ihrer bereits betriebenen Anlagen durchaus 20 Jahre und mehr.
- 8
Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs sei auch deshalb unverhältnismäßig, weil die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet sei. Der abgeschlossene Betreibervertrag genüge nicht den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der wirksamen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der Kommune für den Fall, dass die Versorgung auf einen zuverlässigen Dritten übertragen werde. Die Fernwärmeversorgung werde daher nicht als öffentliche Einrichtung betrieben. Im Übrigen habe es sich jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungserlasses nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt.
- 9
Die Antragstellerin beantragt,
- 10
die Klimasatzung der Stadt A. vom 27. September 2012 zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme für unwirksam zu erklären.
- 11
Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
- 13
Sie trägt vor, die Verbesserung der örtlichen Umweltsituation sei ein Satzungsziel, da die Luft vor verunreinigenden Schadstoffen geschützt werden solle. Für alle Anlagen, die zur Fernwärmeversorgung installiert seien, gelte die TA Luft und die Messergebnisse für die Emissionsbegrenzungen würden weit unterschritten. Der Luftumweltstandard von kleinen Einzelheizungsanlagen sei wesentlich geringer. Auf Grund der Reduzierung von CO2-Emissionen durch die Erzeugung von Wärme in zentralen BHKWs könne man davon ausgehen, dass auch andere bei der Verbrennung von Gas entstehende Luftschadstoffe in einem entsprechenden Verhältnis reduziert würden. Zudem werde durch die Fernwärmeversorgung auch das lokale Klima geschont.
- 14
Nach überwiegender Auffassung in der Literatur sei § 16 EEWärmeG verfassungskonform. Die Gesetzgebungszuständigkeit folge auf der Basis der Schwerpunktbetrachtung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 24 GG. Die von der Antragstellerin hilfsweise vorgenommene enge Auslegung des § 16 EEWärmeG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG sei nicht durchgreifend. Außerdem betreffe § 7 Nr. 3 EEWärmeG nur Eigentümer von Gebäuden, die neu errichtet würden. Die Antragstellerin könnte allenfalls dann insoweit ein Rechtschutzbedürfnis haben, wenn sie beabsichtige, innerhalb des Geltungsbereichs der Satzung neue Gebäude zu errichten. Weiterhin erfülle die Fernwärmeversorgung die Anforderungen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG. Es reiche aus, wenn die verteilte Wärme zu mindestens 50 % durch hocheffiziente KWK und erneuerbare Energien erzeugt werde. Selbst wenn man das im Biomasse-BHKW nicht verwendbare Biogas nicht mitzähle, sei diese Marke im Jahr 2012 ohne die Ausfallzeiten eines BHKW überschritten worden. Eine Nichtberücksichtigung von solchen Ausfallzeiten sei statthaft, weil Betriebsunterbrechungen durch außergewöhnliche Ereignisse nicht zu den regelmäßig wiederkehrenden Zuständen gehörten. Für das Jahr 2013 liege der vom TÜV belegte Wert infolge des überdurchschnittlich kalten Winters bei 49,7%. Ab dem 1. Januar 2014 werde schon mittels KWK mindestens 50 % der Wärme erzeugt, zudem werde dann Biomethan aus dem übergeordneten Gasnetz bezogen. Auch wenn grundsätzlich für die Rechtmäßigkeit der Satzung der Zeitpunkt ihres Erlasses maßgeblich sei, komme es hier auf die zukunftsgerichtete Konzeption der Gemeinde an. Alle Anlagen seien weiterhin hocheffizient im Sinne der gültigen europäischen Richtlinien.
- 15
Die Satzung sei nicht unverhältnismäßig.
- 16
Das von der Antragstellerin angemahnte Klimaschutzkonzept sei mittlerweile nach öffentlicher Ausschreibung erstellt. In dem Gutachten zur Integrierten Wärmenutzung würde für A-Stadt ein Energieeinsparpotenzial von 37 % ermittelt und festgestellt, dass die Fernwärme als Versorgungssystem für die CO2-Bilanz erhebliche Vorteile habe. Die Stromproduktion durch KWK senke für die Anlagen der (...) GmbH nachweislich die CO2-Emissionen. Ausweislich einer Tabelle zum durchschnittlichen Gesamtbedarf aller Sektoren nach Versorgungsart würden bei der dezentralen Verbrennung von Erdgas ca. dreimal so viel CO2 erzeugt wie bei der zentralen Verwendung von Gas bei der Erzeugung von Fernwärme. Dazu seien die Verbrauchswerte von 2009 bis 2011 ausgewertet worden. Dies verbessere sich noch durch den Einsatz von regenerativem Biogas und ab 1. Januar 2014 von Biomethan. Aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Merkblatt des Bundesumweltministeriums (BMU) ergebe sich nicht, dass ein (Teil)Klimaschutzkonzept eine umfassende lokale Gesamtstrategie auf der Basis einer lokalen Energie- oder CO2-Bilanz voraussetze. Auch seien alle inhaltlichen Anforderungen des BMU an Klimaschutz-Teilkonzepte - soweit sie die Fernwärmeversorgung beträfen - abgehandelt.
- 17
§16 EEWärmeG enthalte den Appell des Bundes, von der Ermächtigungsgrundlage auch Gebrauch zu machen, so dass der Anschluss- und Benutzungszwang stets erforderlich im Sinne eines dringenden Bedürfnisses sei, wenn es darum gehe, eine vorhandene Wärmeversorgung zu erhalten und, soweit noch nicht geschehen, entsprechend der Ziele der einschlägigen europarechtlichen Richtlinie einzusetzen. Gegenteiliges könne aus anderen Gesetzen nicht abgeleitet werden, sondern es gebe Vorschriften, die bundesrechtlich ausdrücklich eine Rücksichtnahme auf bestehende Fernwärmenetze anordneten.
- 18
Der Satzungszweck werde auch nicht verfehlt. Ihre Verpflichtung, einen Beitrag zum Klimaschutz durch die anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien für den Wärme- und Kälteenergiebedarf öffentlicher Gebäude zu leisten, greife erst, wenn in ihrem Eigentum befindliche Gebäude grundlegend renoviert würden. Der Anschluss bislang nicht angeschlossener öffentlicher Gebäude stelle keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Satzung dar. Auch trage die Antragstellerin selbst nur unsubstanziiert vor, inwieweit sie selbst bereits jetzt den Wärmebedarf teilweise mit Hilfe erneuerbarer Energien abdecke.
- 19
Grund für die Anordnung zum Anschluss- und Benutzungszwang sei nicht die Errichtung (bzw. Finanzierung) des Biomasse-BHKW gewesen. Durch den Bau sei keine Kapazitätserweiterung erfolgt, sondern es handele sich um den Bestandteil der Umstellung der Wärmeerzeugungsstruktur. Die installierte thermische Leistung sei tatsächlich vermindert worden, da ein veraltetes BHKW durch die Biogasanlage mit geringerer thermischer Leistung ersetzt worden sei. Außerdem werde die Biogasanlage für den thermischen Grundlastbereich eingesetzt. Dass aus Gründen des Klimaschutzes seit 1992 keine Satzung aufgestellt worden sei, sei irrelevant. Nach der Rechtsprechung des angerufenen Senats sei auf der Basis des § 8 GO LSA eine Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges allein aus globalen Klimaschutzgründen nicht möglich gewesen.
- 20
Soweit die Antragstellerin moniere, dass wegen der Struktur der Befreiungstatbestände alle Anlagen betroffen seien, bei denen sie in einem erheblichen Umfang erneuerbare Energien einsetze, habe sie nicht substantiiert vorgetragen, ob sie überhaupt in erheblichem Umfang ihre Gebäude, soweit sie nicht an die Fernwärme angeschlossen seien, aus erneuerbaren Energien versorge. Zudem verkenne die Antragstellerin, dass insoweit zu ihren Gunsten eine lange Übergangsfrist von 20 Jahren nach Inkrafttreten der Satzung laufe. Diese Frist sei auf die schon aus technischen Gründen erforderliche übliche Ersetzung alter Anlagen durch neue abgestimmt. Weitergehende Befreiungstatbestände seien nicht zu rechtfertigen.
- 21
Zwischenzeitlich sei ein Betreibervertrag zwischen der (...) GmbH und ihr zustande gekommen, so dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sei. Im Zweifelsfall wäre der Vertrag zudem nachzubessern.
- 22
Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2013 hat die Antragstellerin u.a. mehrere Gutachten und Stellungnahmen zu einem Klimaschutz- und Energiekonzept vorgelegt sowie einen von ihr am 7. Dezember 2012 mit der (...) GmbH geschlossenen Betreibervertrag.
- 23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
- 24
Der Normenkontrollantrag ist teilweise zulässig (I.) und insoweit auch begründet (II.).
- 25
I. Der Normenkontrollantrag ist fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der streitbefangenen Klimasatzung der Stadt A. zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme vom 27. September 2012 - KS - gestellt worden. Die Antragstellerin ist gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, da sie unstreitig als Eigentümerin von Wohngrundstücken im Satzungsgebiet von der Satzung betroffen ist. Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin im Falle einer Unwirksamkeitserklärung der angegriffenen Satzung grundsätzlich erneut eine Satzung zur Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an eine Fernwärmeversorgungseinrichtung erlassen könnte.
- 26
Soweit sich der Antrag gegen §11 KS richtet, ist er allerdings unzulässig. Danach stellt die Nichterfüllung der Pflichten aus den §§ 3 und 5 KS eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße in einer bestimmten Höhe geahndet werden. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im „Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit von bestimmten Rechtsvorschriften. Dies hat zur Folge, dass Vorschriften rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren nach §47 VwGO unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OwiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Februar 2005 - 7 CN 6.04 -, zit. nach JURIS; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22. August 2013 - 4 K 72/12 -, n.v.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 6. Februar 2014 - 4 KN 2/13 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27. September 2011 - 6 S 707/10 - jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19. Juni 2007 - 1 BvR 1290/05 -, zit. nach JURIS). Da § 11 KS über die Festlegung als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeitenbestimmung keinen weiteren Regelungsinhalt hat, ist für seine Überprüfung der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet.
- 27
II. Der Antrag ist im Rahmen seiner Zulässigkeit begründet.
- 28
Die §§ 1 bis 10 sowie § 12 der angegriffenen Satzung sind ungültig (§ 10 AG VwGO LSA i.V.m. 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), da der mit der Satzung angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang (§§ 3, 5 KS) an eine Einrichtung zur Fernwärmeversorgung mit höherrangigem Recht nicht zu vereinbaren ist.
- 29
Die Wirksamkeit des Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich der Fernwärmeversorgung beurteilt sich nach § 8 Nr. 2 GO LSA i.V.m. § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - EEWärmeG -. Gemäß § 8 Nr. 2 GO LSA kann die Gemeinde für Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung, Fernwärmeversorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienenden Einrichtungen und deren Benutzung durch Satzung vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt (Satz 1). Die Satzung kann Ausnahmen vom Anschluss- oder Benutzungszwang zulassen; sie kann ihn auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets und auf bestimmte Gruppen von Grundstücken oder Personen beschränken (Satz 2).
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Danach kann ein Bedürfnis im Hinblick auf den Umwelt- oder Klimaschutz jedoch nur gegeben sein, wenn das Ziel verfolgt wird, die lokale Umweltsituation zu verbessern. Denn mit der in § 8 Nr. 2 GO LSA geschaffenen Rechtsgrundlage für die Einführung einer Fernwärmeversorgung mit Anschluss- und Benutzungszwang durch gemeindliche Satzung hat der Landesgesetzgeber die kommunale Regelungskompetenz (nur) in diesem Bereich anerkannt (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.; so auch OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007 - 4 N 70/03 -, zit. nach JURIS zu §20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ThürKO; VG Schwerin, Urt. v. 21. September 2011 - 7 A 1085/08 -, zit. nach BeckOnline zu §15 Abs. 1 KV M-V; Kahl, ZUR 2010, 395, 398, m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23. November 2005 - 8 C 14.04 -, zit. nach JURIS). Für die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs aus Zwecken des globalen Klimaschutzes ist deshalb auf §8 Nr. 2 GO LSA i.V.m. § 16 EEWärmeG als Rechtsgrundlage zurückzugreifen. Nach §16 EEWärmeG können die Gemeinden und Gemeindeverbände von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen.
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1. Ein dringendes öffentliches Bedürfnis i.S.d. §8 Nr. 2 GO LSA für die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwanges an die Fernwärmeversorgung ist nicht hinreichend festgestellt.
- 32
Bei der Feststellung, ob ein dringendes öffentliches Bedürfnis besteht, räumt der Landesgesetzgeber der Gemeinde einen vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum ein (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008 - 4 K 95/07 -, zit. nach JURIS; Klang/Gundlach/Kirchmer, GO LSA, 3. A., § 8 Rdnr. 5; Lübking/Beck, GO LSA, § 8 Rdnr. 12, 13; vgl. weiter Ennuschat/Volino, CuR 2009, Fn. 20, m.w.N. auch zur Gegenmeinung; a.M.: Wiegand, Kommunalverfassungsrecht Sachsen-Anhalt, § 8 GO LSA, Nr. 5; zum dortigen Landesrecht OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007 - 4 N 70/03 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21. August 2002 - 2 L 30/00 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18. März 2004 - 1 S 2261/02 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; offen gelassen von OVG Sachsen, Urt. v. 18. Dezember 2007 - 4 B 541/05 -, zit. nach JURIS).
- 33
Mit der in § 8 Nr. 2 GO LSA verwendeten Formulierung „wenn sie (d. h. die Gemeinde) ein dringendes Bedürfnis… feststellt“ betont der Gesetzgeber die Kompetenz der Gemeinde zur Entscheidung dieser Frage. Weil der Rat beim Erlass der Satzung ohnehin das dringende öffentliche Bedürfnis als Voraussetzung der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu prüfen hat, kann die Betonung der Rolle der Gemeinde, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis feststellt, nur im Sinne einer Einräumung eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungsspielraumes gedeutet werden (OVG Niedersachsen, Urt. v. 8. Januar 1991 - 9 L 280/89 -; i.E. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28. November 1986 - 22 A 1206/81 -, jeweils zit. nach JURIS; vgl. weiter OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 5. November 2001 - 1 L 374/01-, n.v.). Die Vorschrift des § 8 Nr. 2 GO LSA ist der entsprechenden Vorschrift der Niedersächsischen Gemeindeordnung nachgebildet worden. Der dortige Landesgesetzgeber wollte mit der Novellierung der Vorschrift im Jahre 1991, wonach nur noch der Ortsgesetzgeber selbst das Vorliegen eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses feststellt, ausdrücklich ausschließen, dass die Verwaltungsgerichte das Merkmal „dringendes öffentliches Bedürfnis“ als unbestimmten Rechtsbegriff auslegen, welcher der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Ziel dieser Gesetzesänderung war die Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte und die Erleichterung der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs durch die Gemeinde (OVG Niedersachsen, Urt. v. 8. Januar 1991, a.a.O.). Diese Auslegung ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auf das hiesige Landesgesetz zu übertragen. Der gerichtlichen Beurteilung unterliegt demzufolge nur die Frage, ob die Gemeinde bei der Feststellung eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses nach den vorgegebenen örtlichen Verhältnissen den Sinn und Zweck der gesetzlichen Grundlage erkannt hat und die Anordnung des Zwanges nicht unverhältnismäßig erscheint (so auch schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.).
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Nach § 1 Abs. 2 KS dient die Fernwärmeversorgung in Umsetzung des Klimaschutzprogrammes 2020 des Landes Sachsen-Anhalt sowohl dem Schutz der Luft vor verunreinigenden Schadstoffen als auch dem Schutz des Klimas vor klimaschädigenden Treibhausgasen. Durch den Einsatz leistungsstarker Filter und durch Verwirklichung eines möglichst hohen Versorgungsgrads soll der Ausstoß von Luftschadstoffen im Vergleich zu einer Wärmeversorgung mit Einzelfeueranlagen verringert werden (§ 1 Abs. 3 KS). Außerdem soll durch den Einsatz hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und durch Verwirklichung eines möglichst hohen Versorgungsgrads bei globaler Betrachtung der Ausstoß von CO2-Emissionen im Vergleich zu einer Wärmeversorgung mit Einzelfeueranlagen verringert werden (§ 1 Abs. 4 KS).
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a) Ob sich ein dringendes öffentliches Bedürfnis für den Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen des Klimaschutzes i.S.d. § 16 EEWärmeG ergibt, hat die Antragsgegnerin nicht hinreichend ermittelt.
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(1) § 16 EEWärmeG ist zwar entgegen der Ansicht der Antragstellerin verfassungsgemäß.
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Auch wenn die in den Gemeindeordnungen enthaltenen Vorschriften über den Anschluss- und Benutzungszwang zu dem der ausschließlichen Regelungskompetenz der Länder unterliegenden Kommunalrecht zählen (so BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 1997 - 8 B 234.97 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Ennuschat/Volino, CuR 2009, 90, 94, m.w.N.), ergibt sich die Befugnis des Bundesgesetzgebers zum Erlass dieser Vorschrift aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geschieht die Zuordnung einer bestimmten Regelung zu einer Kompetenznorm anhand von unmittelbarem Regelungsgegenstand, Normzweck, Wirkung und Adressat der zuzuordnenden Norm sowie der Verfassungstradition. Für die Auslegung hat daher auch die bisherige Staatspraxis großes Gewicht. Bei der Zuordnung einzelner Teilregelungen eines umfassenden Regelungskomplexes zu einem Kompetenzbereich dürfen die Teilregelungen nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und für sich betrachtet werden. Kommt ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Kompetenzbereichen in Betracht, so ist aus dem Regelungszusammenhang zu erschließen, wo sie ihren Schwerpunkt haben. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, wie eng die fragliche Teilregelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden ist. Eine enge Verzahnung und ein dementsprechend geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung sprechen regelmäßig für ihre Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung (so BVerfG, Urt. v. 12. März 2008 - 2 BvF 4/03 -, zit. nach JURIS m.w.N.)
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In Anwendung dieser Grundsätze ist eine konkurrierende Kompetenz des Bundesgesetzgebers jedenfalls aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG zu bejahen (so auch VG Schwerin, Urt. v. 21. September 2011, a.a.O.; Tomerius, ER 2013, 61, 63; Kahl, ZUR 2010, 399, m.w.N.; Ekardt/Heitmann, ZNER 2009, 354; Klemm, CuR 2008, 124, 129 f.). Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG betrifft u.a. die Luftreinhaltung, also den Schutz von Mensch und Umwelt vor nachteiligen Veränderungen der Luft im Sinne von § 3 Abs. 4 BImSchG (VGH Bayern, Urt. v. 30. Januar 2014 - 22 B 13.1709 -, zit. nach JURIS; Maunz/Dürig, GG, Art. 74 Rdnr. 251; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. A., Art. 74 Rdnr. 311). Der Begriff der Luftreinhaltung umfasst nach seiner Wortbedeutung sowie seinem Sinn und Zweck auch den Klimaschutz (vgl. von Münch/Kunig, GG, 6. A., Art. 74 Rdnr. 107; Kahl, VwBlBW 2011, 55 m.w.N.) bzw. die Verhinderung des Anstiegs der CO2-Konzentration in der Luft (vgl. Ennuschat/Volino, CuR 2009, 94 m.w.N.; vgl. auch Ekardt/Heitmann, ZNER, 346, 354). Der Schwerpunkt der Regelung des § 16 EEWärmeG ist aber im Klimaschutz und nicht in der Ausgestaltung des Anschluss- und Benutzungszwang begründet (vgl. Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 542; Kahl, VwBlBW 2011, 55; Ennuschat/Volino, CuR 2009, 90, 94; vgl. auch Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, Einleitung Rdnr. 116, §16 Rdnr. 14; Wustlich, NVwZ 2008, 1041, 1045; zweifelnd: Arndt/Hadziefendic, Die Gemeinde SH, 2011, 284, 285). Denn Gegenstand des §16 EEWärmeG ist nicht der Anschluss- und Benutzungszwang als solcher. Vielmehr überlässt die Norm die Regelung der Voraussetzungen sowie der Rechtsfolge eines Anschluss- und Benutzungszwangs nach wie vor dem Kommunalrecht und damit dem Landesgesetzgeber. § 16 EEWärmeG ermöglicht allein, dass die Gemeinden auch aus Klimaschutzgründen von diesem Instrument Gebrauch machen können. Damit wird lediglich eine Regelungslücke geschlossen und eine Ergänzung zu den sonstigen im EEWärmeG enthaltenen Klimaschutzmaßnahmen (Nutzungspflichten nach den §§ 3 ff. sowie Förderregelungen in den §§ 14 ff.) geschaffen. Selbst wenn erst durch diese bundesrechtliche Vorschrift die Gemeinden aus Gründen des Klimaschutzes einen Anschluss- und Benutzungszwang anordnen dürfen, wird damit nur eine klimaschutzfreundliche Ausgestaltung dieses Instruments herbeigeführt, ohne die landesrechtlich eingeräumten Befugnisse der Gemeinden auszuhöhlen.
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Die von der Antragstellerin erhobenen Einwendungen sind nicht durchgreifend. § 16 EEWärmeG ist schon infolge seiner auch von der Antragstellerin nicht in Frage gestellten Zweckbestimmung - Klimaschutz - und seiner Ergänzungswirkung ein hinreichend eng verzahnter Teil der Gesamtregelung des EEWärmeG. Dass das Primat der Länderzuständigkeit einen Schutz der Landesgesetzgebung verlange und ein kompetenzrechtliches Rücksichtnahmegebot beinhalte, so dass die Art. 73 ff. GG eng auszulegen seien, lässt sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon nicht entnehmen. Jedenfalls wäre auch dann angesichts der eindeutigen Zielstellung des § 16 EEWärmeG keine abweichende Auslegung geboten. Dass die Norm keine Entsprechung in den Gesetzen der meisten Bundesländer hat und eine Rechtsgrundlage in der Richtlinie 2009/28/EG fehlt, steht einer Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 GG nicht entgegen. Politische Motive waren, wie die Antragstellerin es selbst feststellt, gerade nicht Teil der Gesetzesbegründung.
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Ob noch zusätzlich oder sogar vorrangig eine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gegeben ist (so Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 542; Kahl, VwBlBW 2011, 55; Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, Einleitung Rdnr. 114, 115 m.w.N. in Fn. 307; vgl. auch Ennuschat/Volino, a.a.O., Fn. 49, m.w.N.), kann danach offen bleiben.
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§ 16 EEWärmeG ist mit Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG vereinbar, wonach es dem Bund verwehrt ist, den Gemeinden und Gemeindeverbänden durch Bundesgesetz Aufgaben zu übertragen (vgl. Tomerius, ER 2013, 61, 63; Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 542; Kahl, VwBlBW 2011, 53, 56; Ennuschat/Volino, a.a.O., S. 95; Ekardt/Heitmann, ZNER 2009, 346, 354). Der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Ansicht des Bundesrates (BT-Drs 16/8149, S. 37; BR-Drs 9/08, S. 13; so auch Arndt/Hadziefendic, Die Gemeinde SH, 2011, 285), es liege eine Aufgabenübertragung im weiteren Sinn vor, da den Kommunen zumindest aufgegeben werde, verantwortungsvoll über den Gebrauch der Ermächtigung zu entscheiden und gegebenenfalls tätig zu werden, ist nicht zu folgen.
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Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG hat den Zweck, Kommunen davor zu schützen, dass ihnen der Bund Aufgaben zuweist, nicht aber die zur Erfüllung notwendigen Mittel (vgl. VGH Bayern, Urt. v. 30. Januar 2014 - 22 B 13.1709 -, zit. nach JURIS; von Münch/Kunig, GG, 6. A., Art. 84 Rdnr. 28; Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdnr. 155). Selbst wenn man den Anwendungsbereich der Norm im Hinblick auf den Aufgabenbegriff erweitert bzw. zusätzliche Regelungszwecke (Schutz der Autonomie von Ländern und Kommunen) annimmt (vgl. von Münch/Kunig, a.a.O., Art. 84 Rdnr. 28; Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 84, Rdnr. 155; Kahl, VwBlBW 2011, 53, 56 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 4. Mai 2010 - 2 BvL 8 u. 9/07 -, zit. nach JURIS zum Aufgabenbegriff nach Art. 87d Abs. 2 GG), muss es sich für eine Anwendbarkeit des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG im Kern um eine neue rechtliche Verpflichtung der Kommunen handeln. Eine solche Verpflichtung enthält § 16 EEWärmeG gerade nicht, sondern nur eine rechtliche Option für die Kommunen. Diese sind auch nicht gehalten, hinsichtlich aller ihnen zustehenden, rechtlichen Optionen eine ausdrückliche Entscheidung zu treffen, ob sie diese wahrnehmen.
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(2) Zur Feststellung eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses reicht es allerdings auch unter der Geltung des § 16 EEWärmeG nicht aus, dass in der Satzung der Klimaschutz als Ziel des Anschluss- und Benutzungszwanges lediglich benannt wird. § 16 EEWärmeG führt lediglich dazu, dass der (überörtliche) Klimaschutz in die Liste der öffentlichen Belange in der Gemeindeordnung eingereiht worden ist (vgl. Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 545; Ennuschat/Volino, CuR 2009, 94).
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Zwar ist die Fernwärmeversorgung nach derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnissen bei globaler Betrachtung und unter Einbeziehung ersparter Kraftwerksleistung an anderer Stelle generell dazu geeignet, den Schadstoffausstoß beachtlich zu verringern (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 25. Januar 2006 - 8 C 13.05 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5. Januar 2005 - 2 LB 62/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Diese Eignung beruht im Wesentlichen darauf, dass das Wärmenetz von Erneuerbare-Energie-Anlagen oder KWK-Anlagen gespeist wird (vgl. Tomerius, ER 2013, 65; Kahl, VwBlBW 2011, 54). Ob der aus globaler Sicht bestehende grundsätzliche Vorteil von mit erneuerbaren Energien oder aus KWK gespeisten Blockheizkraftwerken gegenüber Einzelfeuerungsanlagen im Satzungsgebiet auch konkret umgesetzt wird, bedarf der Darlegung der Gemeinde. Der Anschluss- und Benutzungszwang wird erst durch die möglichen Auswirkungen des Verzichts dieser Regelung auf das gesamte Satzungsgebiet gerechtfertigt. Ohne Erfolg hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, infolge der generellen Eignung einer zentralen Fernwärmeversorgung sei eine verpflichtende Emissionsermittlung von vornherein entbehrlich. Ein pauschaler Verzicht auf die dem Satzungsgeber obliegende „Feststellung“ eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses durch eine vergleichende Ermittlung der CO2-Emissionen (wie z.B. von der Stadt Querfurt für eine entsprechende Satzung veranlasst) entspricht nicht der Intention des Gesetzes. Denn es kommt entscheidend sowohl auf die konkreten Verhältnisse im Satzungsgebiet als auch die tatsächliche CO2-Bilanz der bei der Fernwärmeversorgung verwendeten zentralen Anlagen an. Es steht schon nicht von vornherein automatisch fest, dass überhaupt ein Vorteil durch einen Anschluss- und Benutzungszwang zu erwarten ist. Darüber hinaus hängt eine sachgerechte Entscheidung zur Feststellung eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses auch davon ab, in welchem Umfang Reduzierungen bei den CO2-Emissionen zu erwarten sind. Von der Gemeinde zu ermitteln ist daher, in welchem Umfang eine Fernwärmeversorgung unter der Geltung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu einer Reduzierung von CO2-Emissionen führt (so im grundsätzlichen Ansatz auch OVG Schleswig-Holstein v. 21. August 2002 - 2 L 30/00 -, zit. nach JURIS; i.E. auch Urt. v. 5. Januar 2005 - 2 LB 62/04 -, jeweils zu einer landesrechtlichen Ermächtigung; vgl. weiter Tomerius, ER 2013, 65).
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Eine vergleichende, auf die Auswirkungen des Anschluss- und Benutzungszwangs gerichtete Betrachtung der CO2-Emissionen im Satzungsgebiet hat die Antragsgegnerin nicht vorgenommen. Dies hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung letztlich eingeräumt. Solche Ermittlungen mit entsprechenden Nachweisen ergeben sich - unabhängig davon, dass sich aus deren Erstellung nach Inkrafttreten der Satzung ohnehin erhebliche Bedenken an ihrer Verwertbarkeit ergeben - auch nicht aus den vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen zu dem Klimaschutz- und Energiekonzept der Antragsgegnerin. In dem Teilkonzept „Integrierte Wärmenutzung“ wird lediglich die CO2-Bilanz der Wärmeversorgung in A-Stadt im Ist-Zustand ermittelt und allgemein eine Potentialanalyse zur Minderung des Energieverbrauchs und der CO2-Bilanz vorgenommen sowie eine Erörterung der abzuleitenden Klimaschutzziele und der Einzelmaßnahmen mit einer Darstellung der Entwicklung der CO2-Emissionen bis 2030. Eine konkrete Vergleichsberechnung fehlt. Diese findet sich auch nicht in dem „Integrierten Stadtentwicklungskonzept“ oder den sonstigen vorgelegten Unterlagen. Ohne Erfolg stellt die Antragsgegnerin darauf ab, dass ausweislich des Gutachten zur „Integrierten Wärmenutzung“ nach dem durchschnittlichen Gesamtbedarf aller Sektoren nach Nutzungsart aus der dezentralen Verbrennung von Erdgas gegenüber der zentralen Verwendung in der Fernwärmeversorgung pro 100000 Megawattstunden Wärme dreimal mehr Tonnen emittiertes CO2 resultierten. Der pauschale Vergleich zwischen der Verbrennung von Erdgas in zentralen und dezentralen Anlagen stellt ersichtlich keine Prüfung dar, in welchem Umfang eine Fernwärmeversorgung unter der Geltung des Anschluss- und Benutzungszwanges zu einer Reduzierung von CO2-Emissionen führt. Zudem bezieht sich der in dem Gutachten vorgenommene Vergleich auf das gesamte Stadtgebiet und nicht nur auf das deutlich geringere Satzungsgebiet und ist daher von vornherein unbrauchbar.
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Es gibt daher schon keine Ermittlungen und auch keinen Nachweis der Antragsgegnerin dafür, dass durch einen Anschluss- und Benutzungszwang die überörtliche CO2-Belastung durch die Fernwärmeversorgung im Vergleich zum Betrieb von Einzelfeuerungsanlagen nennenswert gesenkt werden kann. Räumt der Gesetzgeber der Behörde einen vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum ein, muss sie der damit einhergehenden besonderen Verantwortung gerecht werden. Das bedeutet, dass sie den ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt vollständig und zutreffend ermitteln muss, was vom Gericht zu überprüfen ist (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 10. Mai 2013 - 10 ME 21/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10. Juli 2013 - 1 B 44/13 -, jeweils zit. nach JURIS m.w.N.; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rdnr. 62 i.V.m. Rdnr. 7, 8). Jede auf der Grundlage eines unvollständigen oder nicht zutreffend ermittelten Sachverhaltes getroffene Beurteilungsentscheidung ist fehlerhaft und aufzuheben. Es kommt nicht darauf an, ob sie eventuell aus anderen Gründen vertretbar wäre. Das Gericht ist zu weiterer Sachverhaltsaufklärung nicht gehalten, weil es wegen des Rechts der Behörde, den vollständig ermittelten Sachverhalt zu werten, die Sache nicht spruchreif machen darf (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.).
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(3) Die weitere Frage, ob § 16 EEWärmeG dahingehend auszulegen ist, dass Gemeinden nur dann zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärmeversorgung ermächtigt sind, wenn die Wärme nach den Maßgaben von § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG bereit gestellt wird, bzw. der Anschluss- und Benutzungszwang nur dann als im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung geeignet anzusehen ist, muss hier nicht abschließend geklärt werden.
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Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG gilt die Plicht von Eigentümern neu errichteter Häuser nach § 3 Abs. 1 EEWärmeG zur Deckung ihres Wärmeenergiebedarfs durch die anteilige Nutzung von Erneuerbaren Energien als erfüllt, wenn sie Fernwärme nach Maßgabe der Nr. VIII der Anlage zu EEWärmeG beziehen und ihren Bedarf zu einem bestimmten Anteil decken. Zwar stehen einer Verknüpfung mit der Vorgabe des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG i.V.m. Nr. VIII der Anlage zum EEWärmeG der Wortlaut des §16 EEWärmeG entgegen sowie der Umstand, dass eine im Gesetzgebungsverfahren angeregte Erweiterung des § 16 EEWärmeG gerade nicht umgesetzt wurde und die Gesetzesbegründung (BT-Drs 16/8149, S. 29) ausdrücklich davon spricht, dass die Regelung „insbesondere“ für ein Netz Anwendung finden könne, in dem Endenergie anteilig aus Erneuerbaren Energien oder überwiegend aus KWK-Anlagen nach Maßgabe der Gesetzesanlage stammt (vgl. Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, § 16 Rdnr. 55, 57; Ennuschat/Volino, CuR 2009, 95). Auch wäre damit eine Einschränkung der Anwendbarkeit des § 16 EEWärmeG verbunden (Ennuschat/Volino, CuR 2009, 95). Jedoch sprechen sowohl die Gesetzessystematik des EEWärmeG als auch Sinn und Zweck der §§ 7,16 EEWärmeG für eine derartige einheitliche Auslegung bzw. eine entsprechende Verpflichtung aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, §16 Rdnr. 53, 54; Wustlich, ZUR 2008, 119; i.E. wohl auch Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 545; Dengler, KommP BY 2010, 300, 301).
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Geht man davon aus, dass die Fernwärmeeinrichtung in Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG der Vorgabe der Nr. VIII der Anlage zum EEWärmeG entsprechen muss, haben die Anlagen der (...) GmbH jedenfalls nach der Aktenlage zumindest in den Jahren 2012 und 2013 nicht die Voraussetzungen der Nr. VIII Satz 1 Buchst. c oder d der Anlage zum EEWärmeG erfüllt. Danach muss die in dem Wärmenetz insgesamt verteilte Wärme zu mindestens 50 % aus KWK-Anlagen (c) oder zu mindestens 50 % durch eine Kombination der in den Buchstaben a bis c genannten Maßnahmen stammen (d). Nach dem Gesetzeswortlaut ist auf die tatsächlich erfolgende Wärmeverteilung im Netz abzustellen und diese muss auch ständig, d.h. grundsätzlich jeden Tag, die prozentmäßigen Vorgaben erfüllen. Ausweislich der von der (...) GmbH erarbeiteten Tabelle im Verwaltungsvorgang lag im Jahr 2012 der Anteil der KWK und des in dem Biogas-BHKW verbrauchten Biogases - einen reibungslosen Betriebsablauf unterstellt - bei ca. 51%, bei zusätzlicher Berücksichtigung des in einem Kessel verwendeten Biogases bei ca. 52 %. Grundsätzlich ist es sachgerecht, die Anteile i.S.d. Nr. VIII Satz 1 der Anlage zum EEWärmeG nach den Anteilen der jeweiligen Energieart an den im Netz zur Verfügung gestellten Kilowattstunden zu bestimmen. Allerdings ergeben sich die Werte von 51 % bzw. 52% nur bei einer Gesamtbetrachtung über das ganze Jahr. In einzelnen Monaten (Januar bis März, November und Dezember) lag der maßgebliche Anteil - teilweise deutlich - unter 50 %, so dass schon deshalb die in Nr. VIII Satz 1 Buchst. c oder d der Anlage zum EEWärmeG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ohne dass die Frage geklärt werden muss, ob es auf den tatsächlichen oder einen fiktiven, reibungslosen Betriebsablauf ankommt. Für das Jahr 2013 lag der maßgebliche Wert schon nach dem Vorbringen der Antragstellerin bei lediglich 49,7 %.
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b) Es kann ebenfalls offen bleiben, ob sich die Satzung auf Grund der Regelungen in §1 Abs. 3 KS auch auf die Verbesserung der lokalen Umweltsituation richtet. Dagegen spricht die Bezeichnung der Satzung als „Klimasatzung“ und die Bezugnahme in § 1 Abs. 2 KS auf das Klimaschutzprogramm 2020 des Landes Sachsen-Anhalt. Jedenfalls aber führt schon das fehlende öffentliche Bedürfnis i.S.d. § 8 Nr. 2 GO LSA für das hauptsächliche Ziel einer Satzung oder für eines mehrerer gleichrangiger Ziele, das mit dem angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang verfolgt werden soll, zur Fehlerhaftigkeit der Satzung. Selbst wenn ein Satzungsgeber für den Anschluss- und Benutzungszwang aus verschiedenen, gleichrangigen Gründen ein dringendes öffentliches Bedürfnis annimmt, ist bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass dieses Bedürfnis nur bei Vorliegen aller Gründe besteht.
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Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin auch nicht hinreichend ermittelt, ob durch den Anschluss- und Benutzungszwang eine geringere örtliche Schadstoffbelastung in der Luft im Satzungsgebiet zu erwarten und durch den damit verbundenen Schutz der in § 8 Satz 1 Nr. 2 GO LSA genannten Gesundheit der Bevölkerung ein dringendes öffentliches Bedürfnis gegeben ist.
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Grundsätzlich kann die Fernwärmeversorgung schon auf Grund der Möglichkeit des Einsatzes von besseren Schadstofffiltern hinsichtlich der örtlichen Schadstoffbelastung einen Anschluss- und Benutzungszwang rechtfertigen (vgl. Kahl, ZUR 2010, 399, Fn. 76; Kahl/Schmidtchen, ZNER 2011, 35 ff.). Für die Annahme, dass die Fernwärmeversorgung per se dieses Ziel erreicht, bestehen allerdings keine greifbaren Anhaltspunkte. Die Senkung der Abgasemissionen hängt vielmehr von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten (z.B. Tallage oder besondere Industrieansiedlungen) ab (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18. März 2004, a.a.O.; OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007, a.a.O.; VG Schwerin, Urt. v. 21. September 2011, a.a.O.; Ennuschat/Volino, CuR 2009, 91).
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Es gibt jedoch keine Ermittlungen der Antragsgegnerin dahingehend, ob und in welchem Umfang die örtliche Luftschadstoffbelastung durch die Fernwärmeversorgungseinrichtung im Vergleich zum Betrieb von Einzelfeuerungsanlagen gesenkt werden kann. Solche Ermittlungen mit entsprechenden Nachweisen ergeben sich ebenfalls nicht aus den vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen zu dem Klimaschutz- und Energiekonzept der Antragsgegnerin. Dieses Konzept besteht wiederum aus Klimaschutz-Teilkonzepten und orientiert sich offensichtlich an Vorgaben des Bundesumweltministeriums hinsichtlich des Klimawandels durch den Ausstoß von CO2-Emissionen. Auch in der Antragserwiderung verweist die Antragsgegnerin lediglich pauschal darauf, dass für die Anlagen der (...) GmbH strengere Umweltschutzregelungen gelten würden und die Anlagen die Emissionsbegrenzungen weit unterschritten. Ihre Aussage, der Luftumweltstandard von kleineren Einzelheizungsanlagen sei wesentlich geringer, mag grundsätzlich zutreffend sein, ist aber als Nachweis nicht ausreichend. Gleiches gilt für ihr Vorbringen, infolge der Verringerung von CO2-Emissionen durch eine zentrale Erzeugung von Wärme sei davon auszugehen, dass bei der Verbrennung von Gas entstehende Luftschadstoffe in einem entsprechenden Verhältnis reduziert würden.
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2. Die Nichtigkeit der §§ 3, 5 KS, mit denen die Antragsgegnerin den Anschluss- und Benutzungszwang begründet hat, führt zur Gesamtnichtigkeit der von dem Normenkontrollantrag zulässigerweise umfassten Vorschriften (§§ 1 bis 10, 12 KS). Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 3. April 2008 - 4 CN 3.07 -, zit. nach JURIS) nur dann nicht deren Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Die in der Klimasatzung enthaltenen Vorschriften über die Verpflichteten (§7 KS), die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang (§ 10 KS) sowie die Übergangsregelungen (§ 9 KS) bauen auf die Begründung des Anschluss- und Benutzungszwangs auf und machen ohne den nichtigen Teil keinen Sinn. Die übrigen Bestimmungen bleiben zwar ohne den nichtigen Teil der Satzung sinnvoll, weil sie den Eigentümern lediglich ein Anschluss- und Benutzungsrecht einräumen (§§ 2, 4 KS) sowie allgemeine Regelungen zum Satzungsziel (§ 1 KS), dem Satzungsgebiet (§ 6 KS), dem Begriff des Wärmebedarfs (§ 8 KS) sowie dem Inkrafttreten der Satzung (§ 12 KS) enthalten, die sich auch auf diese Rechte beziehen. Ein mutmaßlicher Wille der Antragsgegnerin, ein Anschluss- und Benutzungsrecht ohne gleichzeitige Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu gewähren, ist aber nicht feststellbar.
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3. Auf die im Übrigen erhobenen Einwendungen der Antragstellerin kommt es nicht mehr an. Insoweit gibt der Senat zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten folgende Hinweise:
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a) Problematisch ist, ob es sich bei der von der (...) GmbH betriebenen Fernwärmeversorgung zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt um eine öffentliche Einrichtung gehandelt hat.
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Der durch eine Satzung begründete Zwang, sich an eine Einrichtung anzuschließen und diese zu benutzen, ist nur dann durch § 8 Nr. 2 GO LSA gedeckt, wenn es sich um eine der Gesundheit der Bevölkerung dienende Anlage handelt. Das kann nur eine öffentliche Einrichtung i. S. von §§ 8 Nr. 1, 22 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 2 GO LSA sein (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.; vgl. auch OVG Sachsen, Beschl. v. 6. September 2011 - 5 B 205/10 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Eine Übertragung der Betriebsführung auf einen Privaten lässt die Verantwortung der Gemeinde für den Betrieb und dessen Charakter als öffentliche Einrichtung unberührt, wenn sie weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung hat. Sie muss die Zugangsansprüche des Personenkreises nach § 22 Abs. 1 GO LSA gewährleisten sowie die Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse und die weitere betriebliche Entwicklung vorgeben können (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O., m.w.N.; Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 543, 544 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 6. April 2005 - 8 CN 1.04 -, zit. nach JURIS; OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007 -, a.a.O.).
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Ob der Antragsgegnerin schon durch die gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung an der (...) GmbH hinreichende Einflussnahmemöglichkeiten i. S. einer formellen Privatisierung (vgl. dazu Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 544; Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, § 16 Rdnr. 30; Arndt/Hadziefendic, Die Gemeinde SH 2011, 284, 287 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 6. April 2005, a.a.O.) zur Verfügung gestanden haben, hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht, sondern sich allein auf den am 7. Dezember 2012 mit der (...) GmbH geschlossenen Betreibervertrag berufen. Dieser Vertrag dürfte nach seiner Ausgestaltung der Antragsgegnerin zwar den maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der (...) GmbH gewährleisten. Hinsichtlich der von der Antragstellerin angesprochenen Möglichkeit der Übertragung der Versorgung auf einen zuverlässigen Dritten (§ 15 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages) ist es wohl ausreichend, dass diesem dann nach § 15 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages die Erfüllung des Vertrages aufzuerlegen ist, so dass die Antragsgegnerin ihm gegenüber die gleichen Rechte hat wie gegenüber der (...) GmbH. Zudem handelt es sich lediglich um eine rechtliche Möglichkeit, die auf die Einstufung als öffentliche Einrichtung erst dann Einfluss haben dürfte, falls es zu einer solchen Übertragung kommt.
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Fraglich ist aber, ob schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung am 6. Oktober 2012 eine öffentliche Einrichtung bestanden hat. Denn die Antragstellerin selbst sieht in §1 Abs. 5 KS vor, dass sie berechtigt sei, die Durchführung der Wärmeversorgung auf einen Betreiber zu übertragen (Satz 1). Sie habe in diesem Fall Sorge dafür zu tragen, dass der Betreiber die Wärmeversorgung in gleichem Umfang sicherstelle, als wenn sie die Wärmeversorgung selbst erbringen würde (Satz 2). Das Nähere regele ein mit dem Betreiber zu schließender Vertrag (Satz 3). Daraus könnte man schließen, dass nach dem eigenen Willen der Antragsgegnerin nicht schon die Widmung nach Art. 1 Abs. 1 KS und ihre Mehrheitsbeteiligung in der (...) GmbH zur Bildung einer öffentlichen Einrichtung geführt haben, sondern erst der Abschluss des Vertrages vom 7. Dezember 2012, mit dem sie die Durchführung der Wärmeversorgung i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 1 KS übertragen hat. Geht man davon aus, dass die mittelbare Mehrheitsbeteiligung der Antragsgegnerin ihr keinen maßgeblichen Einfluss verschafft hat, wäre die Klimasatzung ungültig, da sie jedenfalls im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens gegen § 8 Nr. 2 GO LSA verstoßen hätte. Denn der Betreibervertrag ist erst später in Kraft getreten und eine gesetzliche Heilungsregelung liegt nicht vor. Aber auch wenn man einen solchen maßgeblichen Einfluss annimmt, hat die Antragsgegnerin auf Grund der Satzungsregelungen in § 1 Abs. 5 KS den Widmungserfolg von dem Abschluss eines Betreibervertrages möglicherweise abhängig gemacht haben. Dann wäre die Satzung ebenfalls ungültig.
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b) Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs durch eine Fernwärmesatzung stellt einen Eingriff in Gestalt einer Inhalts- und Schrankenbestimmung in die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar und muss als solcher verhältnismäßig sein. Voraussetzung hierfür ist, dass sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sind und eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ergibt, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (BVerwG, Urt. v. 25. Januar 2006 - 8 C 13.05 -, zit. nach JURIS).
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(1) Hinreichende Gründe des Allgemeinwohls sind auf Grund der Verweisung auf den (überörtlichen) Klimaschutz in § 16 EEWärmeG gegeben, zudem kommt dem Klimaschutz durch Art. 191 Abs. 1 4. Spiegelstrich AEUV und Art. 20a europäischer und nationaler Verfassungsrang zu (vgl. Kahl, ZUR 2010, 399).
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(2) Sollte man ein dringendes öffentliches Bedürfnis bejahen, wäre - unterstellt die Vorgaben des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG i.V.m. Nr. VIII der Anlage zum EEWärmeG wären erfüllt - auch die generelle Eignung einer zentralen Fernwärmeversorgung gegeben.
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(3) Der Anschluss und Benutzungszwang wäre weiterhin nur dann nicht erforderlich, wenn ein gleichwirksames Mittel zur Verfügung stünde, das weniger grundrechtsbeeinträchtigend ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. Januar 2006, a.a.O.). Soweit die Antragstellerin umfangreich auf andere - vorrangig einzusetzende - Maßnahmen der Antragsgegnerin und der einzelnen Grundstückeigentümer abstellt, dürfte aber weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht sein, dass diese Mittel zu einem Anschluss- und Benutzungszwang gleich wirksam wären. Dass bislang kein Anschluss- und Benutzungszwang bestand, lässt die Zulässigkeit einer Anordnung nicht entfallen.
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(4) Die Satzungsregelungen dürften auch angemessen sein und schränken vor allem entgegen der Ansicht der Antragstellerin die Möglichkeiten zur Schaffung alternativer Wärmeversorgungsanlagen wohl nicht unangemessen zu Lasten der Bürger ein.
- 66
Die satzungsrechtliche Ausgestaltung der Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang steht nach § 8 Nr. 2 Satz 2 HS 1 GO LSA im Ermessen der Kommune. Dieses Ermessen wird durch verfassungsrechtliche Vorgaben begrenzt. So ist die Festlegung von Ausnahmen bzw. Befreiungen vom Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Grundrechtseinschränkungen der Benutzer unabdingbar. Darüber hinaus sind bei der Fernwärmeversorgung die Regelungen der AVBFernwärmeV, insbesondere § 3, zu beachten, die gem. § 35 Abs. 1 AVBFernwärmeV auf öffentlich-rechtliche Versorgungsverhältnisse entsprechend angewandt werden. Mit der Einräumung von Ausnahmen darf allerdings der - aus Gründen des öffentlichen Wohls angeordnete - Benutzungszwang und damit die Erfüllung der angestrebten öffentlichen Aufgabe nicht gefährdet werden (vgl. OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007 a.a.O.; Tomerius, ER 2013, 64; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12. Juli 1991 - 7 B 17.91, 7 B 18.91 -, zit. nach JURIS).
- 67
Die von der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen, ob die Befreiungsregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 KS sämtliche Fallgestaltungen hinreichend erfasst, könnten aller Voraussicht nach offen bleiben. Selbst wenn trotz der Einschränkung „insbesondere dann“ in § 10 Abs. 2 KSA noch Fälle bleiben, in denen aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eigentlich eine Befreiung erteilt werden müsste, § 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 KS aber nicht einschlägig ist, greift die Auffangnorm des § 10 Abs. 1 Nr. 2 KS ein. Befreiungsregelungen vom Anschluss- und Benutzungszwang dürfen unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden, die der Verwaltung keinen freien Ermessensspielraum einräumen; insbesondere ist die Formulierung „aus besonderen bzw. schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zugemutet werden kann“ nicht zu beanstanden (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 25. Januar 2011 - 4 A 598/09 -, zit. nach JURIS; Lübking/Beck, GO LSA, § 8 Rdnr. 17; Klang/Gundlach/Kirchmer, GO LSA, 3. A., § 8 Rdnr. 5a; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 31. März 2010 - 8 C 16.08 -, zit. nach JURIS). Dies gilt auch für den Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung (VGH Bayern, Urt. v. 7. März 2007 - 4 BV 05.2974 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5. Januar 2005 - 2 LB 62/04 -, jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21. Februar 2007 - 2 L 156/05 -, zit. nach JURIS).
- 68
III. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bekanntgabe von Nr. 1 Satz 1 der Entscheidungsformel folgt aus § 47 Abs. 5 Satz 2 HS 2 VwGO.
(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß.
(2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück.
(3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwaltungsgericht
- 1.
in der Sache selbst entscheiden, - 2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(5) Verweist das Bundesverwaltungsgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 49 Nr. 2 und nach § 134 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht anhängig geworden wäre.
(6) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.
(7) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit das Bundesverwaltungsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Das gilt nicht für Rügen nach § 138 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.
(1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlußfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
(2) Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme.
(3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform.
(4) Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlußfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Beschlußfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft.
Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen:
- 1.
die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses; - 1a.
die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses; - 1b.
die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses; - 2.
die Einforderung der Einlagen; - 3.
die Rückzahlung von Nachschüssen; - 4.
die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen; - 5.
die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben; - 6.
die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung; - 7.
die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb; - 8.
die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.
(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß.
(2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück.
(3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwaltungsgericht
- 1.
in der Sache selbst entscheiden, - 2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(5) Verweist das Bundesverwaltungsgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 49 Nr. 2 und nach § 134 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht anhängig geworden wäre.
(6) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.
(7) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit das Bundesverwaltungsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Das gilt nicht für Rügen nach § 138 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.
(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
- 1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs - 2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.
(2a) (weggefallen)
(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.
(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.
(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.
(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
(1) Bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entscheidet das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Der Richter beim Amtsgericht entscheidet allein.
(2) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende ist der Jugendrichter zuständig.
(3) Sind in dem Bezirk der Verwaltungsbehörde eines Landes mehrere Amtsgerichtsbezirke oder mehrere Teile solcher Bezirke vorhanden, so kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit des Amtsgerichts abweichend von Absatz 1 danach bestimmen, in welchem Bezirk
- 1.
die Ordnungswidrigkeit oder eine der Ordnungswidrigkeiten begangen worden ist (Begehungsort) oder - 2.
der Betroffene seinen Wohnsitz hat (Wohnort),
Tenor
Der Antrag des Antragstellers, die am 9. November 2012 erlassene Beherbergungsabgabensatzung der Stadt Flensburg für unwirksam zu erklären, wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Antragsteller begehrt, die Satzung der Antragsgegnerin zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe (Behebergungsabgabesatzung - BAS -) vom 8. November 2012 (Datum der Beschlussfassung) für unwirksam zu erklären.
- 2
Die Satzung hat folgenden Wortlaut:
- 3
„Satzung
zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg
(Beherbergungsabgabesatzung)
Aufgrund des § 4 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (Gemeindeordnung) in der Fassung vom 28.02.2003 (GVOBI. Schleswig-Holstein Seite 57), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.03.2012 (GVOBI. Schleswig-Holstein Seite 371, 385), sowie der §§ 1, 2 und 3 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung vom 10.01.2005 (GVOBI. Schleswig-Holstein Seite 27), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.03.2012 (GVOBI. Schleswig-Holstein Seite 371, 385) wird nach Beschlussfassung in der Ratsversammlung der Stadt Flensburg am 08. November 2012 folgende Satzung erlassen:
- 4
§1Allgemeines
Die Stadt Flensburg erhebt als örtliche Aufwandssteuer eine Beherbergungsabgabe.
- 5
§ 2 Gegenstand der Beherbergungsabgabe
Gegenstand der Beherbergungsabgabe ist der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb (Hotel, Gasthof, Pension, Privatzimmer, Jugendherberge, Ferienwohnung, Motel und ähnliche Einrichtung), der gegen Entgelt eine Beherbergungsmöglichkeit zur Verfügung stellt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen wird.
- 6
§ 3 Bemessungsgrundlage
Bemessungsgrundlage ist die Anzahl der Übernachtungen pro volljährigem Gast.
- 7
§ 4 Abgabensatz
Der Abgabensatz beträgt bei
- 8
Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben
1,50 € pro Nacht,
Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben mit der Klassifizierung von 3 Sternen
3,00 € pro Nacht,
Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben mit der Klassifizierung von 4 oder mehr Sternen
4,00 € pro Nacht.
- 9
Die Klassifizierung von Hotels erfolgt nach dem vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband e.V. betriebenen bundesweit einheitlichen Klassifizierungssystem „Deutsche Hotelklassifizierung" und den dort niedergelegten Kriterien und in Anwendung der internationalen Terminologienorm DIN EN ISO 18513 und der deutschen Touristische Informationsnorm (TIN) des Deutschen Tourismusverbandes (DTV).
- 10
§ 5 Abgabenschuldner
Abgabenschuldner ist der Betreiber des Beherbergungsbetriebes.
- 11
§ 6 Entstehung des Abgabenanspruches
Der Abgabenanspruch entsteht mit Beginn der entgeltpflichtigen Beherbergungsleistung. Er endet mit der Abreise, spätestens aber nach 14 Übernachtungen, unabhängig davon, ob sich der Übernachtungsgast länger in einem Beherbergungsbetrieb aufhält.
- 12
§ 7 Steuerbefreiung
Die Betreiberin bzw. der Betreiber eines Beherbergungsbetriebes ist von der Steuer befreit bei
1. beruflich bedingten Übernachtungen von Geschäftsreisenden,
2. Übernachtungen von Kindern und nicht volljährigen Jugendlichen
3. Übernachtungen in Kliniken und ähnlichen Einrichtungen.
- 13
§ 8 Anzeigepflicht, Festsetzung und Fälligkeit
(1) Für die Beherbergungsleistungen ist der Steuerabteilung der Stadt Flensburg bis zum
15. Tag nach Ablauf eines Kalendervierteljahres eine Abgabenerklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck einzureichen. Die Abgabenerklärung muss vom Abgabenschuldner oder seinem Vertreter unterschrieben sein.
(2) Jede Betreiberin bzw. jeder Betreiber eines Beherbergungsbetriebes ist verpflichtet, in den Fällen der Steuerbefreiung nach § 7 dieser Satzung das Vorliegen der Voraussetzung anhand geeigneter Belege nachzuweisen. Das Vorliegen beruflicher Gründe für eine Übernachtung kann unter anderem durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers nachgewiesen werden. Die Bescheinigung ist der Steuerabteilung der Stadt Flensburg mit der Abgabenerklärung nach Abs. 1 einzureichen. Der Nachweis kann innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Steuererklärung nachgereicht werden.
(3) Zur Prüfung der Angaben in der Abgabenerklärung sind der Steuerabteilung der Stadt Flensburg auf Anforderung sämtliche bzw. ausgewählte Nachweise (z. b. Rechnungen, Quittungsbelege) über die Beherbergungsleistungen für den jeweiligen Abgabenerhebungszeitraum vorzulegen.
(4) Die vorgenannten Nachweise können nach vorheriger Zustimmung der Steuerabteilung der Stadt Flensburg auch auf elektronischem Wege oder auf Datenträgern übermittelt werden.
(5) Veranlagungszeitraum ist das Kalendervierteljahr. Die Beherbergungsabgabe wird mit Bescheid festgesetzt und ist innerhalb von 7 Kalendertagen nach dessen Bekanntgabe zu entrichten.
- 14
§ 9 Vereinbarungen gemäß § 163 Abgabenordnung (AO)
Die Steuerabteilung der Stadt Flensburg kann abweichend von der Vorschrift des § 4 dieser Satzung den Abgabenbetrag mit dem Beherbergungsbetrieb vereinbaren, wenn der Nachweis der abgabenrelevanten Daten im Einzelfall besonders schwierig ist oder wenn die Vereinbarung zu einer Vereinfachung der Berechnung führt.
- 15
§ 10 Verspätungszuschlag
Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages bei Nicht- oder nicht fristgerechter Einreichung einer Abgabenerklärung erfolgt nach § 152 AO in der jeweils geltenden Fassung.
- 16
§ 11 Prüfungsrecht
(1) Die Stadt Flensburg ist berechtigt, während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zur Feststellung von Abgabentatbeständen die Geschäftsräume des Beherbergungsbetriebes zu betreten und die betreffenden Geschäftsunterlagen einzusehen.
(2) Der Beherbergungsbetrieb ist verpflichtet, mit Dienstausweis oder besonderer Vollmacht ausgestatteten Vertretern der Steuerabteilung der Stadt Flensburg zur Nachprüfung der Erklärungen, zur Feststellung von Abgabentatbeständen sowie zur Einsicht in die entsprechenden Geschäftsunterlagen Einlass zu gewähren.
- 17
§ 12 Mitwirkungspflichten
(1) Hotel- und Zimmervermittlungsagenturen sowie Dienstleistungsunternehmen ähnlicher Art sind verpflichtet, der Steuerabteilung der Stadt Flensburg die Beherbergungsbetriebe mitzuteilen, an die entgeltliche Beherbergungsleistungen vermittelt werden.
(2) Hat der Abgabenpflichtige gemäß § 8 dieser Satzung seine Verpflichtung zur Einreichung der Abgabenerklärung sowie zur Einreichung von Unterlagen nicht erfüllt oder ist er nicht zu ermitteln, sind die in Abs. 1 genannten Agenturen und Unternehmen über die Verpflichtung nach Abs. 1 hinaus auf Verlangen der Stadt Flensburg zur Mitteilung über die Person des Abgabenpflichtigen und alle zur Abgabenerhebung erforderlichen Tatsachen verpflichtet (§ 11 Abs. KAG i. V. m. § 93 AO). Unter die diesbezügliche Verpflichtung fällt insbesondere die Auskunft darüber, ob und in welchem Umfang in dem Beherbergungsbetrieb entgeltliche Beherbergungsleistungen erfolgt sind und welche Beherbergungspreise zu entrichten waren.
- 18
§13
Verarbeitung personenbezogener Daten
(1) Die Stadt Flensburg ist berechtigt, zur Durchführung der Besteuerung gemäß § 11 i.V.m. § 13 Landesdatenschutzgesetz Daten aus folgenden Unterlagen zu verarbeiten, soweit sie zur Aufgabenerfüllung nach dieser Satzung erforderlich sind:
- - Meldeauskünfte,
- Unterlagen der Grundsteuer- und der Zweitwohnungssteuerveranlagung, - Unterlagen aus dem Gewerberegister,
- Mitteilungen der Vorbesitzer.
(2) Darüber hinaus sind die Erhebung und die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten zu Kontrollzwecken zulässig, soweit es zur Aufgabenerfüllung nach dieser Satzung erforderlich ist.
(3) Die Stadt Flensburg ist befugt, auf der Grundlage von Angaben der Steuerpflichtigen und von Daten, die nach Absatz 1 anfallen, ein Verzeichnis der Steuerpflichtigen mit den für die Steuererhebung nach dieser Satzung erforderlichen Akten zu führen und diese Daten zum Zwecke der Steuererhebung nach dieser Satzung zu verwenden und zu verarbeiten.
(4) Der Einsatz von technikunterstützender Informationsverarbeitung ist zulässig.
- 19
§ 14 Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheit eines Steuerpflichtigen leichtfertig
1.1 über steuerrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
1.2 die Stadt pflichtwidrig über steuerrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile für sich oder einen anderen erlangt.
Die Strafbestimmungen bei Vorsatz des § 16 des Kommunalabgabengesetzes bleiben dabei unberührt.
- 20
(2) Ordnungswidrig handelt auch, wer vorsätzlich oder leichtfertig
2.1 Belege ausstellt, die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind,
2.2 der Anzeigepflicht nach § 8 dieser Satzung oder
2.3 der Mitwirkungspflicht nach § 12 dieser Satzung nicht nach kommt.
- 21
§ 14 Geltung von Kommunalabgabengesetz und Abgabenordnung
Soweit diese Satzung im Einzelnen nichts anderes bestimmt, sind die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und der Abgabenordnung in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
- 22
§ 15 Erstattung
Auf Antrag erhält derjenige, auf dessen Aufwand die Beherbergungsabgabe zu
Unrecht durch den Abgabenpflichtigen abgewälzt wurde, die erhobene, an die Stadt Flensburg geleistete Abgabe erstattet. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Rechnungslegung durch den Abgabepflichtigen bei der Steuerabteilung der Stadt Flensburg zu stellen.
- 23
§16
Inkrafttreten
- 24
Diese Satzung tritt zum 01.01.2013 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Satzung über die Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg vom 27. März 2012 außer Kraft.
...“
- 25
Der Antragsteller betreibt in der Stadt Flensburg eine Jugendherberge. Er macht geltend:
- 26
Die Bettensteuer sei mit einer Höhe von durchschnittlich ca. 11 % der veranschlagten Übernachtungspreise (bezogen auf den reinen Übernachtungspreis ohne Frühstück) für eine Jugendherberge wesentlich zu hoch.
- 27
Der Abgabensatz der Bettensteuer sei als Pauschale ausgestaltet und betrage pro Übernachtung 1,50 Euro, soweit es sich um einen Beherbergungsbetrieb mit einer Klassifizierung unter 3 Sternen nach der „Deutschen Hotelklassifizierung“ handele. Obwohl Jugendherbergen nicht nach diesem Maßstab eingestuft würden und somit nicht mit Hotels gleichzusetzen seien, solle auch er für die Jugendherberge in Flensburg die pauschale Bettensteuer in Höhe von 1,50 Euro pro Übernachtung entrichten. Das Ergebnis dieser Pauschale sei eine unverhältnismäßige Schlechterstellung gegenüber Hotelbetrieben mit einem deutlich höheren Übernachtungspreis.
- 28
Die Jugendherberge sei eine gemeinnützige Einrichtung, die kostendeckend arbeite und nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei. Sie sei auf staatliche Privilegierung angewiesen, insbesondere würden für sie auch steuerliche Ausnahmeregelungen gelten.
- 29
Dadurch, dass auch volljährige Gäste zu einem etwas höheren Preis aufgenommen würden, könne die Jugendherberge besonders niedrige Preise für Kinder und Jugendliche anbieten. Der Übernachtungspreis gemäß der internen Kalkulation für einen volljährigen Gast betrage 13,75 Euro (bezogen auf reine Übernachtung ohne Verpflegung - entsprechend der Bezugsgröße für die Bettensteuer). Würden die volljährigen Gäste auch in der Jugendherberge mit der pauschalen Bettensteuer belastet, so erhöhten sich ihre Kosten erheblich und die Attraktivität des Jugendherbergsangebots sinke bedeutend. In der Folge sei abzusehen, dass die Besucherzahl einer Jugendherberge rapide sinken werde, sodass die Jugendherberge die Preise für die Kinder und Jugendlichen anzuheben gezwungen sein werde, um ihre Existenz zu sichern. Damit werde nicht nur der gemeinnützige Charakter der Jugendherberge erheblich angegriffen, sondern es erscheine auch fraglich, ob sie sich bei zurückgehenden Gästezahlen überhaupt finanziell halten könne.
- 30
Soweit die gemeinnützige Einrichtung Jugendherberge aus den genannten Gründen nicht vollständig von der Bettensteuerverpflichtung befreit werden könne, wäre die einzige angemessene Lösung eine prozentual anhand der Übernachtungspreise bemessene Bettensteuer. Denn nur auf diese Weise könne gesichert werden, dass die anfallende Bettensteuer für die Jugendherberge angemessen gering ausfalle.
- 31
Gemäß § 7 Nr. 1 und 2 der BAS seien beruflich bedingte Übernachtungen von Geschäftsreisenden sowie Übernachtungen Minderjähriger von der Bettensteuer befreit. Letzteres entspreche dem Kinder- und Jugendhilferecht und sei auch mit der Idee „Jugendherberge“ als gemeinnützige Einrichtung vereinbar. Jedoch werde das Angebot der Jugendherberge auch von Schulklassen und Bildungsreisegruppen wahrgenommen, deren Mitglieder nicht mehr minderjährig seien. Als Musterbeispiel sei die Studienreise einer Abiturklasse genannt. Derartige Übernachtungen aufgrund Klassenfahrten seien als schulische Veranstaltung nach seiner Auffassung als beruflich bedingt einzustufen. Diese Übernachtungen seien aber nach den Vorgaben der Antragsgegnerin nach der BAS bettensteuerpflichtig. Dies könne nicht gewollt sein, zumal es vom Zufall abhänge, ob Schüler höherer Klassen bei einer Klassenfahrt schon das 18. Lebensjahr vollendet hätten. Damit würden auch diese Gruppen ungerechtfertigt mit höheren Kosten belastet, denen sie sich nicht entziehen könnten.
- 32
Schließlich werde er durch den mit der Bettensteuer zwingend verbundenen Mehraufwand, den Reisezweck der Gäste zu erforschen und ihn darüber hinaus der Stadt gegenüber nachweisen können zu müssen, unzumutbar belastet. Durch den zusätzlichen Aufwand entstünden ihm Kosten, die er auf die Jugendherbergsgäste umzulegen gezwungen sei, wodurch der gemeinnützige Charakter der Einrichtung weiter belastet werde.
- 33
Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass die Regelung zu einer faktischen Rückwirkung führe. Sie knüpfe nicht an die Buchung und an den daraus resultierenden Vertrag, sondern an die Durchführung der Übernachtung an. Damit seien auch Übernachtungen erfasst, die auf der Grundlage von verbindlichen Verträgen aus 2012 erfolgten.
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Der Antragsteller beantragt,
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die am 8. November 2012 erlassene Beherbergungsabgabesatzung der Stadt Flensburg für unwirksam zu erklären.
- 36
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 37
den Antrag abzuweisen.
- 38
Sie führt aus:
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Ihre Satzung über die Erhebung einer Beherbergungsabgabe sei rechtmäßig. Unter dem Begriff des Beherbergungsbetriebes würden in der beispielhaften Aufzählung in § 2 der Satzung auch Jugendherbergen genannt.
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Entgegen den Angaben des Antragstellers betrage die Abgabe grundsätzlich 1,50 Euro und sei lediglich bei einer Klassifizierung von drei und mehr Sternen abweichend geregelt. Da Jugendherbergen nicht nach der Deutschen Hotelklassifizierung eingestuft würden, falle für Übernachtungen in der Jugendherberge eine Steuer in Höhe von 1,50 Euro pro Übernachtung an. Der Betrag von 1,50 Euro sei gering, sodass die von der Antragstellerin befürchteten zurückgehenden Gästezahlen angesichts der Verteuerung des Übernachtungspreises von derzeit 20,40 Euro pro Übernachtung und Frühstück auf 21,90 Euro sich nicht nachvollziehen ließen. Dieses würde im Übrigen auch bei einer prozentualen Besteuerung greifen.
- 41
Woraus ein zusätzlicher Aufwand entstehe, der den gemeinnützigen Charakter der Einrichtung belaste, sei ebenfalls nicht ersichtlich. Auch als gemeinnützige Einrichtung sei der Antragsteller verpflichtet, die Daten der Übernachtungsgäste zu erfassen. Hier könne auch die Frage der beruflich bedingten Übernachtung gestellt werden. Der organisatorische Aufwand bestehe nach der Satzung im Übrigen darin, anhand eines bereits durch die Antragsgegnerin übermittelten Vordrucks bestimmte Erklärungen abzugeben.
- 42
Die Antragssteller berufe sich zu Unrecht darauf, dass die Regelung zu einer faktischen Rückwirkung führe. Die Diskussionen bei der Antragsgegnerin um die Einführung einer Bettensteuer liefen bereits seit längerer Zeit. Die Satzung sei zunächst bereits im Februar 2012 mit Wirkung für das Jahr 2013 beschlossen worden, die jetzt gültige Änderung sei im November 2012 erfolgt. Insoweit sei der Antragsteller in der Lage gewesen, sich auf diese Sachlage rechtzeitig einzustellen, und habe kein schutzwürdiges Interesse.
- 43
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Antrag ist teilweise unstatthaft und im Übrigen unbegründet.
- 45
Der Antrag ist unstatthaft soweit der Antragsteller auch die Feststellung der Unwirksamkeit des § 14 BAS begehrt, der Ordnungswidrigkeiten regelt. Nach § 5 AG VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im „Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit unter anderem kommunaler Abgabensatzungen. Dies hat zur Folge, dass Bestimmungen rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OwiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (BVerwG, Urt. v. 17.02.2005 - 7 CN 6.04 -, NVwZ 2005, 695).
- 46
Der im Übrigen statthafte und gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet.
- 47
Formelle Fehler hinsichtlich des Erlasses der Satzung macht der Antragsteller nicht geltend und sind für den Senat nicht ersichtlich.
- 48
Nach Art. 105 Abs. 2 a GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Der Landesgesetzgeber hat gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG die Besteuerungskompetenz und Besteuerungsbefugnis im Hinblick auf örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern auf die Kommunen übertragen, soweit sie nicht den Ländern vorbehalten sind. Die Übernachtungssteuer ist eine solche Aufwandsteuer.
- 49
Der Antragsteller wendet sich auch nicht gegen die Erhebung einer Übernachtungssteuer an sich, sondern rügt, dass bei der Planung und Ausgestaltung der Steuer der Sonderfall „Jugendherberge“ offensichtlich nicht berücksichtigt worden sei. Die Übernachtung in einer Jugendherberge ist jedoch kein Sonderfall, der von vornherein nicht der Besteuerung unterliegen kann. Der Senat hat hierzu bereits in seinem Beschluss vom 28. August 2013 (4 MR 2/13), mit dem er den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt hat, ausgeführt:
- 50
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 11.07.2012 - 9 CN 1/11 -, BVerwGE 143, 301) ist der Aufwand für eine entgeltliche Übernachtung ein Aufwand, der über die Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Wohnraum hinausgeht. Eine entgeltliche Übernachtung gehört daher - von den Sonderfällen des dauerhaften Wohnens im Hotel abgesehen - nicht zum Grundbedarf des Wohnens und indiziert Leistungsfähigkeit, sodass an den Aufwand eine Aufwandsteuer geknüpft werden kann. Für die Annahme der Leistungsfähigkeit ist lediglich ein über den Grundbedarf hinausgehender Konsum erforderlich. Dieser muss weder besonders kostspielig noch in irgendeiner Form luxuriös sein. Nicht steuerpflichtig sind dagegen berufsbedingt zwingend erforderliche entgeltliche Übernachtungen, die der Einkommenserzielung zuzuordnen sind (BVerwG, ebenda, Rn. 15 ff. bei Juris). Danach ist es nicht erforderlich, Übernachtungen in Jugendherbergen von vornherein von der Steuerbelastung auszunehmen. Im Übrigen unterliegen Übernachtungen in Jugendherbergen nur in sehr eingeschränktem Umfang der Besteuerung. Dies folgt aus §§ 3 und 7 Nr. 2 BAS. Danach sind Übernachtungen von Kindern und nicht volljährigen Jugendlichen von der Steuer befreit. Desweiteren ist der Aufwand für berufsbedingt zwingend erforderliche Übernachtungen nicht besteuerungsfähig. Dazu dürfte auch der Aufwand des Lehrpersonals für Übernachtungen anlässlich der vom Antragsteller beispielhaft genannten Klassenfahrten zählen. Ob Entsprechendes für den Übernachtungsaufwand volljähriger Schüler gilt, ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Satzung, sondern der Einordnung der Übernachtung als „berufsbedingt“ im Sinne des § 7 Nr. 1 BAS und damit der Heranziehung im Einzelfall.“
- 51
Daran ist festzuhalten.
- 52
Der pauschale Steuersatz von 1,50 Euro pro Übernachtung in Beherbergungsbetrieben gemäß § 4 Satz 1 1. Spiegelstrich BAS gilt auch für Jugendherbergen. Davon geht auch der Antragsteller aus. Ansonsten wäre der Normenkontrollantrag schon unzulässig. In § 2 BAS wird als Gegenstand der Besteuerung ausdrücklich auch die Übernachtung in einer Jugendherberge genannt. Die Regelung des § 4 Satz 2 BAS bezieht sich nur auf Beherbergungsbetriebe mit einer Klassifizierung von drei oder mehr Sternen gemäß § 4 Satz 1 2. und 3. Spiegelstrich. Dass Jugendherbergen nicht der Klassifizierung im Sinne des § 4 Satz 2 BAS unterliegen, steht der Steuerpflicht des Antragstellers somit nicht entgegen.
- 53
Ebenso wenig kann der Steuerpflichtige dem Grunde nach entgegengehalten werden, dass Jugendherbergen gemeinnützige Einrichtungen darstellen. Der Betreiber der Jugendherberge ist zwar Steuerschuldner, Steuerlastträger ist dagegen der Übernachtungsgast, dessen Aufwand besteuert wird (§ 2 BAS) und auf den die Steuer abgewälzt werden kann (siehe hierzu ausführlich Urt. des Senats v. 07.02.2013 - 4 KN 1/12 -, NordÖR 2013, 206). Dieser kann sich schon vom Ansatz her nicht auf die Gemeinnützigkeit der für die Übernachtung in Anspruch genommenen Einrichtung berufen.
- 54
Die Erhebung der Steuer als Pauschalabgabe und nicht proportional zum Übernachtungspreis ist grundsätzlich zulässig (BVerwG, Urt. v. 11.07.2012 - 9 CN 1/11 -, BVerwGE 143, 301, Rn. 34 bei Juris). Die Bildung von drei Stufen in § 4 Satz 1 BAS nach der Hotelklassifizierung entsprechend der Anzahl der Sterne im Sinne des § 4 Satz 2 BAS wahrt den erforderlichen hinreichenden Bezug zum Aufwand und genügt damit dem Gebot der Besteuerungsgleichheit. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Aufwand für Übernachtungen in Hotels sich entsprechend ihrer Klassifizierung unterscheidet und der Aufwand für Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben, die keiner Klassifizierung unterliegen, geringer ist. Eine differenziertere Ausgestaltung der Staffelung ist in Anbetracht der relativ geringen steuerlichen Belastung zwischen 1,50 Euro und maximal 4,00 Euro pro Übernachtung nicht erforderlich. Soweit innerhalb der gebildeten Stufen die Steuerbelastung - ungeachtet des unterschiedlichen Aufwandes - gleich ist, ist dies die zwangsläufige Folge der zulässigen Wahl eines Staffelmaßstabes. Die Minderbelastung des einzelnen Jugendherbergsgastes bei Anwendung eines am kalkulierten Steueraufkommen bemessenen prozentualen Steuersatzes wäre pro Übernachtung im Übrigen kaum merklich. Auch bei pauschaler Abgabenerhebung bleibt die Jugendherberge in dem in der mündlichen Verhandlung angesprochenen „unteren Segment“ der günstigste Anbieter.
- 55
Eine erdrosselnde Wirkung der Steuer kann ausgeschlossen werden. Der Antragsteller hat keine Zahlen vorgelegt, die einen signifikanten Rückgang der Übernachtungszahlen im Erhebungsjahr 2013 belegen. Von Relevanz wäre insoweit ohnehin nur der Rückgang von Übernachtungen Erwachsener, da Übernachtungen Minderjähriger gemäß § 7 Nr. 2 BAS nicht der Besteuerung unterliegen. Dass Gäste wegen der Besteuerung andere Übernachtungsmöglichkeiten nutzen werden, ist wenig wahrscheinlich, weil die Übernachtung in Jugendherbergen nach wie vor eine besonders kostengünstige ist und zudem bei Übernachtung in anderen Beherbergungsbetrieben in der Stadt Flensburg ebenfalls die Steuer anfällt. Ein Ausweichen auf Beherbergungsbetriebe in der Umgebung von Flensburg erscheint wenig sinnvoll, weil dann für den Besuch der Stadt zusätzliche Personenbeförderungskosten anfallen. Ein Verzicht auf den Besuch der Stadt Flensburg wegen der Steuer ist in Anbetracht der zu erwartenden äußerst geringfügigen Erhöhung des Übernachtungspreises, die im Bereich der üblichen Schwankungsbreite der Übernachtungskosten in Jugendherbergen liegen dürfte, ebenfalls unwahrscheinlich.
- 56
Die Ungleichbehandlung von Voll- und Minderjährigen ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich wäre es zulässig, auch den Aufwand für die Übernachtung Minderjähriger zu besteuern. Befreit die Antragsgegnerin Minderjährige von der Steuerbelastung, verzichtet sie auf Einnahmen aus sozialen Gründen. Ob Übernachtungsgäste voll- oder minderjährig sind, ist keine Frage des Zufalls, sondern des Alters. Deshalb kann der Rechtmäßigkeit der Regelung des § 7 Nr. 2 BAS nicht entgegengehalten werden, dass auch volljährige Schüler anlässlich von Klassenfahrten in Jugendherbergen übernachten. Eine andere Frage ist, ob auch eine Steuerbefreiung für Schüler und Auszubildende zulässig ist. Ein Anspruch auf eine solche Steuerbefreiung besteht allerdings nicht.
- 57
Dem Antragsteller wird auch kein unverhältnismäßiger Organisationsaufwand abverlangt. Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 28. August 2013 (a.a.O.) im Anschluss an seinen Beschluss vom 15. Februar 2012 (- 4 MR 1/12 -, NordÖR 2012, 286) ausgeführt:
- 58
„Die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Nr. 1 Satz 2 GG ist nicht in verfassungswidriger Weise tangiert (Beschl. des Senats vom 15.02.2012, a.a.O.). Die Unterscheidung zwischen privaten und berufsbedingten Übernachtungen kann im Rahmen der Anmeldung des Übernachtungsgastes getroffen werden. Entsprechendes gilt für Steuerbefreiungen wegen Minderjährigkeit. Die Nachweispflicht gegenüber der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 2 BAS bei der vierteljährlich abzugebenden Steuererklärung kann aufgrund der im Rahmen der Anmeldung abgegebenen Erklärungen der Übernachtungsgäste ohne erheblichen Mehraufwand erfüllt werden (siehe i.Ü. Beschl. des Senats v. 15.02.2012, a.a.O. und Senatsurt. v. 07.02.2013, a.a.O.).“
- 59
Auch daran ist festzuhalten.
- 60
Schließlich kann der Rechtmäßigkeit der Satzung der Antragsgegnerin nicht durchgreifend entgegengehalten werden, die Anwendung der Satzung führe zu einer faktischen Rückwirkung im Hinblick auf verbindlich im Jahre 2012 geschlossene Verträge. Eine sogenannte unechte Rückwirkung ist auch im Abgabenrecht grundsätzlich zulässig. Ein Vertrauen auf die Beibehaltung der Rechtslage ist jedenfalls ab dem Zeitpunkt nicht mehr schutzwürdig, ab dem der Steuerpflichtige mit der Regelung rechnen musste. Dies war hier spätestens zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Vorgängersatzung im Frühjahr 2012 der Fall.
- 61
Der Antragsteller wendet sich im Übrigen nicht gegen Einzelregelungen der Satzung. Hierzu sei ergänzend angemerkt:
- 62
Die Regelung des § 2 Satz 2 BAS, nach der eine Steuerpflicht unabhängig davon besteht, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen wird, steht in einem gewissen Widerspruch zu § 6 Satz 1 BAS. Nach dieser Vorschrift entsteht der Abgabenanspruch zu Beginn der entgeltpflichtigen Beherbergungsleistung. Eine Beherbergungsleitung, die nicht in Anspruch genommen wird, kann auch nicht beginnen. Allerdings wird die Steuer gemäß § 2 Satz 1 BAS für dieMöglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung erhoben. Besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme nicht mehr, weil die Reservierung storniert ist, ist die tatbestandliche Voraussetzung des § 2 Satz 1 BAS zum Zeitpunkt des (geplanten) Beginns der Beherbergungsleistung nicht mehr gegeben. Ist die Stornierung kostenfrei, fehlt es auch an einem besteuerungsfähigen Aufwand. Die Regelung des § 2 Satz 2 BAS ist deshalb dahingehend auszulegen, dass auch dann, wenn der Beherbergungsunternehmer eine entgeltliche Vorhalteleistung erbringt, diese aber nicht in Anspruch genommen wird, die Steuer entsteht.
- 63
Die Regelung des § 7 Nr. 1 BAS ist geltungserhaltend dahingehend auszulegen, dass beruflich bedingte Übernachtungen nicht von der Steuer „befreit“ sind, sondern von vornherein nicht der Steuer unterliegen (siehe hierzu Urt. des Senats v. 07.02.2013, a.a.O.).
- 64
Der Umstand, dass die Satzung zweimal den § 14 enthält, ist ein Redaktionsversehen.
- 65
Weitere Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Satzung sind für den Senat nicht ersichtlich.
- 66
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 67
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 68
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Die auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates vom 9. Februar 1972 und damit im Zusammenhang stehender Regelungen in Volkseigentum überführten Betriebe und Einrichtungen, die kommunalen Aufgaben und Dienstleistungen dienen, sind nicht in das Vermögen der Gemeinden, Städte und Landkreise zu übertragen, wenn durch die ehemaligen privaten Gesellschafter oder Inhaber oder deren Erben ein entsprechender Übernahmeantrag gestellt wurde.
(2) Sofern Betriebe und Einrichtungen, die nach den Grundsätzen dieses Gesetzes in kommunales Eigentum überführt werden müssen, bereits in Kapitalgesellschaften umgewandelt worden sind, gehen die entsprechenden ehemals volkseigenen Anteile in das Eigentum der Gemeinden und Städte über. Soweit die Summe der Beteiligungen der Gemeinden, Städte und Landkreise 49 vom Hundert des Kapitals einer Kapitalgesellschaft für die Versorgung mit leitungsgebundenen Energien überschreiten würde, werden diese Beteiligungen anteilig auf diesen Anteil gekürzt.
Gründe
- 1
Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
- 2
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat die Beklagte nicht in hinreichender Weise aufgezeigt.
- 3
Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist immer schon dann erfüllt, wenn im Zulassungsverfahren ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Schlüssige Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn mit dem Zulassungsantrag substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (so BVerfG, Beschl. v. 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, zit. nach JURIS).
- 4
Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
- 5
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die zum 1. September 2003 in Kraft getretene Änderung des Wassergesetzes Sachsen-Anhalt hinsichtlich des Anschlusszwanges an eine leitungsgebundene öffentliche Niederschlagswassereinrichtung finde auf solche Altfälle keine Anwendung, bei denen der Anschluss- und Benutzungszwang vor dem 1. September 2003 durch Verwaltungsakt bereits ausgesprochen worden sei.
- 6
Gemäß § 8 Nr. 2 Satz 1 GO LSA kann die Gemeinde im eigenen Wirkungskreis durch Satzung insbesondere für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung, Fernwärmeversorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienende Einrichtungen (Anschlusszwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen, der öffentlichen Begräbnisplätze, Bestattungseinrichtungen und Schlachthöfe (Benutzungszwang) vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt.
- 7
Der Frage, welche Rechtswirkungen ein zur Durchsetzung bzw. Konkretisierung des durch Satzung vorgeschriebenen Anschluss- und Benutzungszwangs erlassener Verwaltungsakt gegenüber einer Änderung der dazu einschlägigen Normen des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt entfaltet, muss hier aber schon deshalb nicht nachgegangen werden, weil die Beklagte das Bestehen eines solchen Verwaltungsaktes für das klägerische Grundstück nicht dargelegt hat. Nach ihrem Vorbringen sei der „Ausspruch des Anschluss- und Benutzungszwangs“ durch „Realakte“ erfolgt. Denn das streitbefangene Grundstück gehöre zur „K-siedlung, die beginnend ab dem Jahr 1933 als Reichssiedlung für Arbeitslose errichtet“ worden sei. Dabei habe die Beklagte „- gestützt von Fördermitteln des Reichsfinanzministeriums - Grund und Boden sowie Baumaterialien zur Verfügung“ gestellt, und von sämtlichen Grundstücken sei das Niederschlagswasser im Mischsystem durch Leitungen entsorgt worden. Auch die „soweit ersichtlich erste veröffentlichte“ Abwassersatzung vom 14. Februar 1994 habe den Anschluss- und Benutzungszwang für Mischwasser vorgesehen.
- 8
Abgesehen davon, dass schon nach dem Vorbringen der Beklagten im zeitlichen Anwendungsbereich der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt und einer Abwassersatzung der Beklagten kein Verwaltungsakt hinsichtlich des klägerischen Grundstücks erfolgt sein soll, erfüllten auch die von der Beklagten als „Realakte“ bezeichneten Maßnahmen in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ersichtlich nicht die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes. Es ist noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass hinsichtlich des klägerischen Grundstücks zur Regelung eines Einzelfalls von einer Behörde eine hoheitliche Maßnahme zum Anschluss- und Benutzungszwang getroffen worden ist.
- 9
2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat die Beklagte ebenfalls nicht aufgezeigt. Eine solche Bedeutung ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich und im Sinne der Rechtseinheit oder zur Fortbildung des Rechts klärungsbedürftig ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1. Februar 2008 - 2 BvR 2575/07 -; Beschl. v. 29. Juli 2010 - 1 BvR 1634/04 -; jeweils zit. nach JURIS m.w.N.).
- 10
Zu der von der Beklagten formulierten Frage, „ob die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes eine günstigere Regelung zu Gunsten des Grundstückseigentümers verhindert“, hat sie schon die Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Der bloße Hinweis, das angerufene Gericht habe „sich bislang ausschließlich mit der Frage befasst, welche Bedeutung die Neufassung des Wassergesetzes hat, ohne sich mit der Bestandskraft von Verwaltungsakten auseinanderzusetzen“, genügt nicht.
- 11
Darüber hinaus wäre eine solche Rechtsfrage in einem Berufungsverfahren nicht zu entscheiden, weil die Beklagte das Bestehen eines derartigen Verwaltungsakts - wie oben unter 1. ausgeführt - nicht hinreichend dargelegt hat.
- 12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
- 13
Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2 GKG. Für eine eigentlich gebotene Festsetzung des Streitwertes in Anlehnung an den sog. Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.) Nr. 22.4 liegen schon keine ausreichenden Angaben der Beteiligten vor. Darüber hinaus ist fraglich, ob bzw. in welcher Höhe bei einem vorhandenen Anschluss auch die entstandenen Anschlusskosten anzusetzen sind. Der Senat hält daher eine Heranziehung des Auffangstreitwertes für angemessen.
- 14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 3. Kammer - vom 13. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung zur Überlassung von auf seinem Grundstück anfallendem Abwasser und begehrt die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang.
- 2
Der Kläger ist Eigentümer des ca 1.600 m² großen, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Flurstück 80/8 der Flur 3 der Gemarkung A-Stadt, belegen im A-Straße in A-Stadt. Zur Entsorgung des in dem derzeit Zwei-Personen-Haushalt anfallenden Abwassers betreibt der Kläger auf seinem Grundstück eine biologische Kleinkläranlage. Das vom Klärschlamm getrennte und gereinigte Wasser leitet er in ein auf dem Grundstück künstlich angelegtes Feuchtbiotop; es dient zur Auffüllung des verdunsteten Wassers. Zeitweise nutzte er es zusätzlich zur Bewässerung des Gartens.
- 3
Der Beklagte hat in A-Stadt entsprechend einem Abwasserbeseitigungsplan eine zentrale Anlage zur Abwasserentsorgung errichtet und in Betrieb genommen.
- 4
Mit Schreiben vom 10. Januar 2004 beantragte der Kläger beim Beklagten die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Schmutzwasseranlage. Seine Nutzwasserrückgewinnungsanlage werde dem auch europarechtlichen Ziel zum sparsamen Umgang mit Wasser besser gerecht, als die öffentliche Schmutzwasseranlage. Die Funktionsweise der öffentlichen Anlage werde auch ohne die Zuführung des Abwassers vom Grundstück des Klägers gewährleistet bleiben.
- 5
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. April 2004 ab. Zur Begründung hieß es, es seien keine besonderen Gründe ersichtlich, die für eine Befreiung nach § 8 Abs. 1 der Satzung über die Abwasserbeseitigung des Abwasserzweckverbandes C-Stadt (ABS) sprächen. Der Befreiung stünden Gründe des Gemeinwohls wie das ordnungsgemäße Funktionieren der öffentlichen Anlage und deren allgemeine Wirtschaftlichkeit entgegen. Der Betrieb einer Nutzwasserrückgewinnungsanlage ändere daran nichts. Der Kläger sei daher nach § 7 Abs. 1 ABS verpflichtet, sein Grundstück an die betriebsfertige Anlage anzuschließen. Im Übrigen bedürfe der Bau bzw. die Erweiterung einer Grundstücksabwasseranlage einer wasserrechtlichen Erlaubnis.
- 6
Mit Schreiben vom 7. April 2004 legte der Kläger Widerspruch ein. Die Pflicht zur Abwasserbeseitigung und -überlassung - so die Widerspruchsbegründung - entfalle nach § 40 LWaG für Abwasser, das noch verwertet werden solle. Nach § 18 a WHG a.F. könne häusliches Abwasser auch durch dezentrale Anlagen beseitigt werden. § 15 KV M-V regele, dass ein dringendes öffentliches Bedürfnis nicht ausschließlich durch die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Einrichtung begründet werden könne. Die auf dem Grundstück errichtete Nutzwasserrückgewinnungsanlage und das Feuchtbiotop seien wasserdicht ausgeführt, so dass Abwasserreststoffe nicht ins Grundwasser eindringen könnten. Da keine Emissionen entstünden, sei die Befreiung geboten. Das auf dem Grundstück gesammelte Regenwasser reiche nicht aus, die auf dem Grundstück vorhandenen Gehölze und sonstigen Gewächse zu bewässern. Einer wasserrechtlichen Erlaubnis bedürfe der Kläger für seine Anlage nicht, weil der Tagesanfall weniger als 8 m³ Abwasser betrage. Die Einwohner von A-Stadt hätten frühzeitig Einwände gegen die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der zentralen Abwasseranlage geltend gemacht.
- 7
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2004, zugestellt am 11. August 2004, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ergänzend führte er aus, dass ein begründetes Interesse an einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nur dann vorliege, wenn der Anschluss- und Benutzungszwang für den Grundstückseigentümer aufgrund besonderer Einzelfallumstände unzumutbar wäre. Persönliche und wirtschaftliche Interessen des Eigentümers seien insoweit unerheblich; es komme lediglich auf besondere grundstücksbezogene Gründe an, aus denen sich die Befreiungsnotwendigkeit ergeben müsse. Atypische und außergewöhnliche Nachteile in diesem Sinne bestünden hier nicht. Es liege auch kein Verstoß gegen § 18 a WHG a.F. vor, weil dieser lediglich den Abwasserzweckverbänden, nicht jedoch den Grundstückseigentümern, die Wahlmöglichkeit zwischen zentraler und dezentraler Entsorgung von Schmutzwasser eröffne. Soweit der Kläger sich auf Art. 14 GG berufe, würden seine Rechte durch die wasserrechtlichen Bestimmungen nach § 138 LWaG eingeschränkt. Der Überlassungszwang für Abwasser bestimme den Inhalt des Eigentums am erworbenen Trinkwasser. Die Entscheidung für die Einrichtung einer zentralen Abwasserentsorgung in A-Stadt sei Ende 2002 nach Anhörung auch der Bürgerinitiative „Dezentrale Abwasserentsorgung“, deren Mitglied der Kläger war, aus Gewässerschutzgründen und nach einer Kostenbetrachtung gefallen.
- 8
Am 10. September 2004 hat der Kläger daraufhin Klage erhoben. Der Beklagte sei nicht an einem schonenden Umgang mit Wasser interessiert. Er, der Kläger, sei nach § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG schon nicht überlassungspflichtig. Im Fall der Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs wären die von ihm getätigten Investitionen in Höhe von etwa 4.000,- Euro umsonst gewesen. Die demgegenüber auf Seiten des Beklagten entstehenden Nachteile im Falle einer Befreiung des Klägers vom Anschluss- und Benutzungszwang stünden dazu in keinem Verhältnis. Die Weiterverwendung des auf seinem Grundstück anfallenden Abwassers entspreche auch dem Grundsatz des § 1 a Abs. 2 WHG (a.F.). Einer wasserrechtlichen Genehmigung bedürfe es für die Abwasserverwertung auf dem Grundstück nicht.
- 9
Der Kläger hat beantragt,
- 10
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 1. April 2004 und seines Widerspruchsbescheides vom 9. August 2004 diesen zu verpflichten, den Kläger vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien.
- 11
Der Beklagte hat beantragt,
- 12
die Klage abzuweisen.
- 13
Er hat ergänzend vorgetragen, dass dem Kläger auf seine schriftliche Anfrage bereits Ende März 2003 mitgeteilt worden sei, dass die Inbetriebnahme der zentralen Anlage zur Abwasserbeseitigung für 2004 vorgesehen sei. Es ging vorliegend nicht darum zu unterbinden, dass auf dem Grundstück anfallendes Abwasser nach seiner Aufbereitung mehrfach (z.B. zur Toilettenspülung) verwendet werde, sondern das Restwasser dem Beklagten zu überlassen.
- 14
Mit Urteil vom 13. Juni 2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 1. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2004 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Befreiung seines Grundstücks vom Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Abwasserbeseitigung zu. Die Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten sei rechtmäßig. Sie beruhe auf den §§ 15 Abs. 1, 154 KV M-V und stehe sowohl mit den Regelungen des Landeswassergesetzes, des Wasserhaushaltsgesetzes als auch mit europarechtlichen Regelungen im Einklang. Der Beklagte habe von dem ihm durch § 18 a Abs. 2 WHG a.F., § 40 Abs. 2 Satz 2 LWaG eingeräumten Ermessen, entscheiden zu können, wie das angefallene Abwasser zu überlassen ist, rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Art 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21.05.1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser begründe keinen Befreiungsanspruch des Grundstückseigentümers. Auch lägen die Voraussetzungen des § 7 ABS, der den Anschluss- und Benutzungszwang begründe, hier vor. Es falle durch den häuslichen Gebrauch Abwasser im Sinne der Satzung an. Die Pflicht des Klägers zur Abwasserüberlassung sei nicht nach § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG entfallen. Denn eine Weiterverwendung im Sinne dieser Regelung läge hier nicht zugrunde. Erforderlich sei - so das Verwaltungsgericht - die Weiterverwendung in einem geschlossenen System, da andernfalls bei jeglicher Weiterverwendung in der Form von Gartenbewässerung oder Verdunstung die Überlassungspflicht entfiele. Ein geschlossenes System im Sinne eines Kreislaufes liege bei häuslichem Abwasser nur dann vor, wenn das aufbereitete Abwasser wieder unmittelbar im Haushalt verwendet und dann, ggf. nach erneuter Klärung und Verwendung, am Ende als Abwasser dem Beseitigungspflichtigen überlassen werde. Auch § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 2. Alt. LWaG sei nicht einschlägig, weil es sich hier nicht um Abwasser, das in einem Gärtnereibetrieb angefallen sei, handele. Schließlich habe der Kläger keinen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS. Insbesondere das Vorhandensein einer funktionierenden Kleinkläranlage auf einem Privatgrundstück begründe grundsätzlich keinen Befreiungsanspruch. Die vom Beklagten getroffene Entscheidung für eine zentrale Abwasserentsorgung könne in dem zugrunde liegenden Einzelfall nicht korrigiert werden.
- 15
Gegen diese ihm am 21. Juli 2006 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 4. August 2007 die durch das Verwaltungsgericht zugelassene Berufung durch seine Prozessbevollmächtigte eingelegt.
- 16
Der Kläger macht mit der fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung geltend, dass es bereits an einer rechtmäßigen satzungsrechtlichen Grundlage für den Anschluss- und Benutzungszwang fehle. § 7 ABS sei zu unbestimmt und damit nichtig, soweit die Befreiungsmöglichkeit zur Voraussetzung habe, dass „Gründe des Gemeinwohls“ dies erforderten. § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG verlange im Einklang mit § 18 a WHG a.F. und der europarechtlichen Regelung der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 für - wie hier - abwasserfreie Grundstücke eine Befreiungsmöglichkeit. Nur dies werde dem gesetzgeberisch verfolgten Zweck an einem sparsamen Umgang mit Wasser und der Ausnutzung der Möglichkeiten der Weiterverwendung von Abwasser gerecht. Der Kläger hält insbesondere daran fest, dass eine Abwasserbeseitigungspflicht in seinem Fall nach § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG wegen der Weiterverwendung des gereinigten Abwassers entfalle. Im Übrigen wendet er sich gegen die Auslegung des Verwaltungsgerichts, dass die Überlassungspflicht nach § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG nur dann entfalle, wenn eine Weiterverwendung in einem geschlossenen System erfolge. Abwasser sei typischerweise kein Stoff, der in einem geschlossenen System verlaufe. Auch die weiteren Regelungen des § 40 LWaG ließen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber von einer ungeschriebenen Voraussetzung eines geschlossenen Systems ausgehe. Die umweltbewusste Vorgehensweise des Klägers entspreche dem Allgemeinwohl; die Sauberkeit des Grundwassers sei nicht gefährdet. Sein Grundstück sei im Ergebnis abwasserfrei. Da keine Überlassungspflicht bestehe bzw. jedenfalls ein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gegeben sei, stelle das Verhalten des Beklagten einen enteignungsgleichen Eingriff in Rechte des Klägers aus Art. 14 GG dar.
- 17
Der Kläger beantragt,
- 18
das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 3. Kammer - vom 13. Juni 2006 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 1. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2004
- 19
festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, das Grundstück Flurstück 80/8 der Flur 3 der Gemarkung A-Stadt an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen,
- 20
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, ihn - den Kläger - vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
- 23
Er verteidigt das angefochtene Urteil und ergänzt: Im Einklang mit den kommunalrechtlichen Vorschriften habe der Beklagte den generellen Anschluss- und Benutzungszwang in § 7 ABS und für atypische Fallgestaltungen in § 8 ABS Befreiungsmöglichkeiten vorgesehen. Die Befreiungstatbestände seien auch hinreichend geregelt, weil in § 8 ABS darauf abgestellt werde, dass ein begründetes Interesse an einer privaten Beseitigung oder Verwertung des Abwassers bestehen müsse und Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen dürfen. Das Grundstück des Klägers sei nicht abwasserfrei. Der Anspruch des Klägers richte sich lediglich auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung durch den Beklagten über den geltend gemachten Befreiungsanspruch. Dem habe der Beklagte Rechnung getragen.
- 24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 25
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
- 26
1. Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht fristgerecht (§ 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO) eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere entsprechend den Erfordernissen des § 124 a Abs. 3 Satz 1 bis 4 VwGO begründet worden.
- 27
Auch die in der Berufungsinstanz vorgenommene Ergänzung um die im Hauptantrag formulierte Feststellungsklage unter Beibehaltung des nunmehr hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrags stößt auf keine Bedenken. Es kann offen bleiben, ob es sich insofern um die Präzisierung des erstinstanzlich bereits deutlich gewordenen Begehrens handelte, die schon nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen wäre. Selbst wenn - mit Rücksicht auf den erstinstanzlich ausdrücklich gestellten Antrag - davon auszugehen wäre, dass erstmals in der Berufungsinstanz zusätzlich zu dem hilfsweise aufrecht erhaltenen Verpflichtungsantrag nunmehr mit dem Hauptantrag ein Feststellungsbegehren geltend gemacht wird, wäre dies zulässig. Eine solche Erweiterung des Streitgegenstandes im Berufungsverfahren und die darin enthaltene Klageänderung ist nach § 91 VwGO zulässig. Die Klageänderung in Gestalt einer nachträglichen objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) ist im Berufungsverfahren nach § 125 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO grundsätzlich statthaft (vgl. BVerwG, Urt. vom 18. August 2005 - 4 C 13.04 -, zit. nach juris). Sie ist auch im zugrunde liegenden Einzelfall sachdienlich, sofern nicht ohnehin die Einwilligung des Beklagten, der in der mündlichen Verhandlung der veränderten Antragstellung nicht widersprochen hat, angenommen werden kann. Denn in dem Fall einer nicht bestehenden Überlassungspflicht hinsichtlich des häuslichen Abwassers wäre eine Befreiung von einem dann nicht bestehenden Anschluss- und Benutzungszwang entbehrlich. Da das Verwaltungsgericht diese Thematik - in den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung - bereits behandelt hat, wird auch der Prüfungsumfang tatsächlich nicht erweitert.
- 28
2. Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg. Auch das mit dem Hilfsantrag verfolgte Klagebegehren ist vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden.
- 29
a) Die Klage hat im Hauptantrag keinen Erfolg; das auf dem Grundstück des Klägers anfallende Abwasser unterliegt der Überlassungspflicht.
- 30
aa) Die im Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage ist auch im Hinblick auf die zu beachtenden besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen statthaft. Die Beteiligten streiten um die Reichweite des Anschluss- und Benutzungszwangs in Bezug auf Abwasser und damit um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO (BVerwG, Urt. vom 24. März 2011 - 3 C 6.10 -, zit. nach juris, Rn. 13). Der Kläger ist insoweit klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Er kann geltend machen, durch die Anwendung des § 7 ABS in seinen Eigentumsrechten (Artikel 14 GG) verletzt zu sein. Dem Kläger steht auch ein Feststellungsinteresse zur Seite. Die begehrte Feststellung ist geeignet, den Rechtsstreit zwischen den Beteiligten für den Fall des Obsiegens des Klägers abschließend zu klären.
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Dem erkennenden Senat fehlt es auch nicht an der instanziellen Zuständigkeit für dieses Feststellungsbegehren. Denn da die Klageänderung, nachdem das Verwaltungsgericht das Feststellungsbegehren bereits inzident geprüft hat, in tatsächlicher Hinsicht keine Erweiterung des Prozessstoffes zur Folge hat, werden jedenfalls die Zuständigkeitsregelungen im anhängigen Berufungsverfahren insofern modifiziert, als bei bestehender Sachdienlichkeit einer Klageänderung eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Berufungsgerichte begründet wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 28. April 1999 - 4 C 4.98 -, zit. nach juris, Rn. 17; VGH Mannheim, Urt. vom 28. Mai 2009 - 1 S 1173/08 -, zit. nach juris, Rn. 22).
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Schließlich ist die Feststellungsklage hier auch nicht im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen. Der Kläger kann nicht auf eine vorrangige isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten, mit dem die vom Kläger beantragte Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang abgelehnt worden ist, verwiesen werden. Denn dieser Bescheid bezieht sich von seinem Regelungsgehalt her lediglich auf die Ablehnung des Antrags auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Hingegen kann dem Bescheid keine gesonderte Aufforderung zum Anschluss an die öffentliche Schmutzwasseranlage und zu deren Benutzung entnommen werden. Soweit im Übrigen in dem Bescheid als bloßes Begründungselement die Rechtsauffassung enthalten ist, eine Überlassungspflicht bzw. ein Benutzungszwang bestehe, weil auf dem Grundstück Abwasser anfalle, das dem Beklagten zu überlassen sei, handelt es sich nicht um einen der Bestandskraft fähigen Regelungsausspruch im Bescheid (vgl. VGH Mannheim, Urt. vom 28. Mai 2009 - 1 S 1173/08 -, a.a.O., Rn. 23 m.w.N.).
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bb) Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet. Der Kläger unterliegt mit seinem Grundstück dem Anschluss- und Benutzungszwang nach § 7 ABS.
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Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ABS ist der Eigentümer eines bebauten Grundstücks verpflichtet, sein Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, wenn es durch eine Straße erschlossen ist, in der ein betriebsfertiger Anschlusskanal zu seinem Grundstück vorhanden ist. Dabei wird der so satzungsrechtlich geregelte Anschlusszwang wirksam mit der - hier unstreitigen - ortsüblichen Bekanntgabe der betriebsfertigen Herstellung der Abwasserkanäle durch den Abwasserzweckverband (§ 7 Abs. 2 ABS). Nach § 7 Abs. 6 ABS ist der zum Anschluss Verpflichtete nach der Herstellung des betriebsfertigen Anschlusses aufgefordert, das auf dem Grundstück anfallende Abwasser in die Abwasseranlage einzuleiten (Benutzungszwang). Der Kläger ist zum Anschluss seines Grundstücks und zur Benutzung der öffentlichen Abwasseranlage in diesem Sinne kraft Satzungsrechts verpflichtet. Einer gesonderten Aufforderung durch Verwaltungsakt bedurfte es nicht.
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Der durch § 7 ABS begründete Anschluss- und Benutzungszwang ist auch als solcher rechtmäßig. Es besteht grundsätzlich die Pflicht des Klägers zur Überlassung des auf seinem Grundstück anfallenden Abwassers.
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Im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 7 ABS mit höherrangigem Recht bestehen keine Bedenken.
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Die Verpflichtung zum Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage und deren Benutzung steht in Einklang mit der gesetzlichen Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 1 KV M-V. Danach kann die Gemeinde bzw. - hier nach § 154 KV M-V - der Zweckverband für die Grundstücke des jeweiligen Gebiets durch Satzung den Anschluss an die Abwasserbeseitigungsanlage und die Benutzung dieser Einrichtung vorschreiben, wenn dafür ein dringendes öffentliches Bedürfnis besteht. Ein solches Bedürfnis ist im Falle des Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich der Abwasserbeseitigung zu bejahen. Schutzgut der öffentlichen Abwasserbeseitigung ist die Sauberkeit des Grundwassers und damit das Allgemeinwohl, insbesondere die Volksgesundheit. Durch den Anschluss- und Benutzungszwang lässt sich mit größtmöglicher Sicherheit eine Verunreinigung des Grundwassers durch Abwasser bezogen auf das Verbandsgebiet ausschließen (vgl. Beschl. des Senats vom 4. April 2011 – 2 L 190/06 -, unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschl. v. 22. Dezember 1997 – 8 B 250.97 -, zit. nach juris Rn. 2 m.w.N.; Beschlüsse des Senats vom 16. Mai 2011 - 2 L 315 und 316/06 -). Entscheidend ist insofern allein die allgemeine Gefährdung des Schutzgutes im Gebiet des Zweckverbandes. Es ist nicht erforderlich, dass sie konkret auch für das Grundstück der Kläger besteht (vgl. Beschl. des Senats vom 4. April 2011 – 2 L 190/06 -; OVG Brandenburg, Urt. v. 31. Juli 2003 - 2 A 316/02 -, zit. nach juris Rn. 36 m.w.N.).
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Auch nach der Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 31. Juli 2009 ist nach der nunmehrigen Regelung in § 55 Abs. 1 Satz 1 WHG Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Dem Wohl der Allgemeinheit kann nach § 55 Abs. 1 Satz 2 WHG auch durch die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen entsprochen werden. Die bereits zur Vorgängerfassung, dem § 18 a WHG Abs. 1 Satz 1 und 2 a.F., allgemein vertretene Auffassung, dass damit dem Grundstückseigentümer kein Wahlrecht i.S. eines gesetzlichen Rechtsanspruchs vermittelt wird, das auf seinem Grundstück anfallende Abwasser in dezentralen Abwasseranlagen beseitigen zu können, stützt sich nunmehr auf § 55 Abs. 1 Satz 2 WHG (vgl. Queitsch, in WHG, 2010, § 55 Rn. 5 ff.; BVerwG, Beschl. vom 19. Dezember 1997 - 8 B 234.97 -, zit. nach juris, Rn. 2; Sächs. OVG, Beschl. vom 16. März 2010 - 4 A 250/08 -, zit. nach juris, Rn 3). Eine inhaltliche Änderung ist durch die Neuregelung nicht erfolgt (vgl. BT-Drs. 16/1285 S. 68).
- 39
Danach stellt der durch die Satzung des Beklagten begründete Zwang, die Grundstücke im Verbandsgebiet an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen und diese zu benutzen, für den betroffenen Grundstückseigentümer grundsätzlich eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung seines Eigentums dar, die durch dessen Sozialbindung gerechtfertigt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12. Januar 1988 – 7 B 55.87, zit. nach juris, Rn. 3 m.w.N.).
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Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des § 7 ABS bestehen nicht. Diese ergeben sich auch nicht aus einer (nach klägerischer Ansicht) unzureichenden Regelung der Befreiungsgründe vom Anschluss- und Benutzungszwang in § 8 ABS. Zwar kann sich aus einem unzureichend geregelten Befreiungskatalog im Extremfall auch die Unwirksamkeit eines angeordneten Anschluss- und Benutzungszwangs ergeben; ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dies gilt insbesondere insofern, als der Kläger die Ansicht vertritt, dass der Rechtsbegriff der „Gründe des Gemeinwohls“ im § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS zu unbestimmt sei und diese Nichtigkeit auf § 7 ABS durchschlage.
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Dabei ist zunächst zu beachten, dass ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Befreiungsbegehren sich nach der Satzung des Beklagten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS nicht allein danach bestimmt, dass Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen dürfen. Zusätzliche Voraussetzung für den Anspruch des Grundstückseigentümers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde ist auf der Tatbestandsseite, dass der Eigentümer ein begründetes Interesse an einer privaten Beseitigung oder Verwertung des Abwassers geltend machen kann.
- 42
Gegen die Bestimmtheit bzw. die Bestimmbarkeit des Rechtsbegriffs des “begründeten Interesses“ i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS bestehen keine Bedenken seitens des Senats; sie sind auch vom Kläger nicht explizit geltend gemacht worden. Die Auslegung des Begriffs orientiert sich an der Schutzrichtung der Norm, die auf die geordnete Abwasserentsorgung zum Schutze des Grundwassers und der Gesundheit der Bevölkerung gerichtet ist. Ein solches „begründetes Interesse“ liegt daher immer dann vor, wenn außergewöhnliche Belange im Einzelfall vorliegen die von solchem Gewicht sind, dass ein Anschluss an und die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlage im Hinblick auf die gewichtigen Rechtsgüter, die für die zentrale Abwasserbeseitigung sprechen, den Einzelnen unzumutbar belasten würden. Es kommt weder darauf an, ob von dem konkreten Grundstück bei Nutzung einer dezentralen Abwasserbeseitigungsanlage eine Gefahr ausgeht, noch ob die Anschlussverpflichtung als solche mit den üblichen finanziellen Belastungen für den Grundstückseigentümer verbunden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20. Oktober 2009 – 9 S 16/09 -, zit. nach juris Rn. 8).
- 43
Auch bei dem Begriff der „Gründe des Gemeinwohls“ handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, der mit dem Allgemeinwohlbegriff in den §§ 55 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 3 WHG identisch ist. Der Gemeinwohlbegriff ist danach vorwiegend in wasserwirtschaftlichem Zusammenhang zu sehen (vgl. Cychowski/ Reinhardt, WHG, a.a.O., § 6 Rn. 26 ff. m.w.N.). Entsprechend der Schutzrichtung dieser Normen umfasst das Gemeinwohl unabhängig von konkreten Nutzungsabsichten oder Bewirtschaftungszielen auch die Vermeidung schädlicher Verunreinigungen oder nachteilige Veränderungen der Beschaffenheit des Wassers und damit das Ziel, das Trinkwasserreservoir als natürliche Lebensgrundlage i.S. des Art. 20 a GG auch für die Zukunft zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 1997 – 8 B 234.97 -, zit. nach juris, Rn. 3). Neben dem Grundwasserschutz als solchem sollen damit vornehmlich die Belange der Gesundheit der Bevölkerung geschützt werden (vgl. Cychowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2010, § 55 Rn. 7 f.).
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Das klägerische Grundstück ist auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht abwasserfrei. Der Begriff des Abwassers ist nunmehr (bundes-)gesetzlich definiert. Nach § 54 Abs. 1 WHG handelt es sich um Abwasser, wenn Wasser durch u.a. den häuslichen Gebrauch in seinen Eigenschaften verändert wurde (vgl. schon OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.09.2001 – 9 L 829/00 -, zit. nach juris Rn. 5, m.w.N.). Diese Definition wiederholt § 1 Abs. 2 ABS. Es ist danach insbesondere unerheblich, ob für das Abwasser - wie hier - eine weitergehende Verwertungsmöglichkeit auf dem Grundstück besteht (vgl. Cychowski/ Reinhardt, a.a.O., § 54 Rn. 8 ff.). Auch auf eine subjektive Entledigungsabsicht des Grundstückseigentümers kommt es nicht an (vgl. Berendes, WHG, a.a.O., § 54 Rn. 4). Dass derartige Veränderungen durch die Nutzung des Hausgrundstücks des Klägers geschehen, wird nicht in Abrede gestellt. Maßgeblich ist insoweit, dass das in seiner Eigenart veränderte Wasser in einem Rohrsystem gesammelt wird, um es - hier - zu einer grundstückseigenen Abwasserbehandlungsanlage zu leiten (vgl. Beschl. des Senats v. 4. April 2011 – 2 L 190/06 -, S. 6; OVG Lüneburg, Beschl. v. 17. September 2001 - 9 L 829/00 -, zit. nach juris, Rn. 5 m.w.N.; VGH München, Beschl. v. 13. August 2004 - 22 ZB 03.2823 -, zit. nach juris, Rn. 3). Ein sog. „abwasserfreies Grundstück“ gibt es daher nicht (vgl. Beschl. des Senats v. 4. April 2011 - 2 L 190/06 -, Beschlüsse des Senats v. 16. Mai 2011 - 2 L 315 und 316/06 -).
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Dem steht auch nicht die Regelung des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG entgegen. Nach § 40 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. LWaG entfällt die Pflicht zur Abwasserbeseitigung nach Absatz 1 und zur Überlassung des Abwassers nach Absatz 2 für Abwasser, das noch weiter verwendet werden soll. Nach § 40 Abs. 3 Satz 2 LWaG ist zur Beseitigung dieses Abwassers derjenige verpflichtet, bei dem das Abwasser anfällt, wobei andere Regelungen aufgrund kommunaler Satzungen möglich sind.
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Der Begriff der Verwendung bzw. Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG ist weder im Landeswasser- noch im Wasserhaushaltsgesetz gesetzlich definiert. Er ist daher unter Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln, insbesondere unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung auszulegen. Die Abwasserbeseitigungspflicht ist grundsätzlich in § 40 Abs. 1 LWaG dadurch bestimmt, dass die Gemeinden bzw. nach § 40 Abs. 4 LWaG - wie hier - besondere Zweckverbände abwasserbeseitigungspflichtig und damit auch -verantwortlich sind. Dementsprechend findet sich in § 40 Abs. 5 LWaG die Ermächtigungsgrundlage zur Regelung des Anschluss- und Benutzungszwangs durch derartige Zweckverbände. Was unter dem Begriff der Abwasserbeseitigung zu verstehen ist, wird durch § 54 Abs. 2 WHG definiert. Danach umfasst die Abwasserbeseitigung das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser sowie das Entwässern von Klärschlamm in Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung. Der Begriff der Weiterverwendung ist hiervon nicht erfasst.
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Die - wenn auch - biologische Klärung des auf dem klägerischen Grundstück anfallenden häuslichen Abwassers stellt eine Behandlung im Sinne des bundesrechtlichen Abwasserbeseitigungsbegriffs dar. Behandeln ist jedes Einwirken auf einen Stoff, um seine Eigenschaften zu verändern. Abwasser wird daher durch jeden Vorgang „behandelt“, der dazu dient, die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern, insbesondere die Schadstofffracht im Abwasser zu reduzieren (vgl. Cychowski/Reinhardt, a.a.O., § 54 Rn. 23; Berendes, a.a.O, § 54 Rn. 8). Indem der Kläger das häusliche Abwasser der auf seinem Grundstück vorhandenen Kleinkläranlage zuführt und verändert, behandelt er das Abwasser und beseitigt damit und mit dem weiteren Einleiten in das Feuchtbiotop Abwasser im Sinne der bundesrechtlichen Norm.
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Der Landesgesetzgeber hat zwar mit dem Gesetz zur Bereinigung des Landeswasserrechts v. 23. Februar 2010 (GVBl. M-V, S. 101) auch die ihm eröffneten Gesetzgebungskompetenzen insbesondere aus Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nummern 2 und 5 und Satz 3 GG ausnutzen wollen (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 5/3027 S. 1); bezogen auf den neu gefassten § 40 LWaG sollte aber lediglich von der dem Landesgesetzgeber durch § 56 Satz 2 WHG eingeräumten Möglichkeit, die Abwasserbeseitigungspflicht auf einen anderen Abwasserbeseitigungspflichtigen als die grundsätzlich zuständigen Gemeinden bzw. Zweckverbände zu verlagern, Gebrauch gemacht werden (vgl. LT Drs. 5/3027, S. 43). Eine nach dem allgemeinen Grundsatz des Art. 31 GG, konkretisiert durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG für den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Wasserhaushaltsrecht, damit unzulässige abweichende landesrechtliche Bestimmung dessen, was Abwasserbeseitigung ausmacht, sollte und konnte durch Art. 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG nicht getroffen werden. Eine Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG liegt daher immer dann nicht vor, wenn das Abwasser in seiner Zusammensetzung verändert wird. Auch unter Berücksichtigung des Wortlauts der Regelung, wonach die Abwasserbeseitigungs- und -überlassungspflicht für Abwasser entfällt, „für Abwasser, das noch verwendet werden soll“ wird damit deutlich, dass mit dieser Vorschrift nur eine zeitliche Verlagerung der Überlassungspflicht geregelt wird. Der Zeitpunkt der Überlassungspflicht für Abwasser wird hinausgeschoben; eine Veränderung des Abwassers ist nicht gemeint. Dieses Verständnis bestätigt im Übrigen auch die 2. Alternative des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG, die unter engen Voraussetzungen eine Privilegierung der Land- und Forstwirtschaft beabsichtigte. Würde jede private Abwasserbeseitigung von der Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG erfasst werden, würde der vom Gesetzgeber ersichtlich im Sinne der Volksgesundheit und zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verankerte Grundsatz der öffentlichen Abwasserbeseitigung umgekehrt und ausgehöhlt. Schließlich ist auch nur dieses enge Verständnis des Begriffs der Weiterverwendung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 18 a WHG a.F. und nunmehrigen § 55 Abs. 1 WHG in Einklang zu bringen, nach der den entsorgungspflichtigen Körperschaften ein größerer Spielraum für die Optimierung ihrer Entsorgungskonzepte eröffnet werden sollte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14. Januar 2009 - 8 B 37.08 -, zit. nach juris, Rn. 3 m.w.N.). Das bedeutet zusammenfassend, das jede physikalische, chemische aber auch biologische Veränderung des Abwassers und zwar auch dann, wenn kein Abwasser in ein Gewässer eingeleitet wird, eine Abwasserbeseitigung darstellt (vgl. Cychowski/Reinhardt, a.a.O., § 54 Rn. 3), die den landesrechtlichen Begriff der Weiterverwendung nicht mehr erfüllt.
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Dass in dem hier zugrundeliegenden Fall die Abwasserbeseitigungs- und -über-lassungspflicht auch nicht nach § 40 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1, 2. Alt. LWaG entfällt, ergibt sich schon daraus, dass es sich bei dem auf dem Grundstück des Klägers anfallenden häuslichen Abwasser nicht um solches handelt, das aufgrund land-, forstwirtschaftlicher oder gärtnerische Nutzung angefallen ist.
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Das auf dem Grundstück des Klägers nach der häuslichen Verwendung angefallene Abwasser stellt demnach bereits bevor es in die grundstückseigenen Kleinkläranlage eingeleitet wird, beiseitigungspflichtiges Abwasser dar, für das grundsätzlich der (Anschluss- und) Benutzungszwang gilt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG quasi als ungeschriebene Voraussetzung die Nutzung des Abwassers innerhalb eines „geschlossenen Systems“ voraussetze, bedarf keiner weiteren Erörterung. Denn jedenfalls findet in dem hier zur Entscheidung anstehenden Verfahren aufgrund der vom Kläger beabsichtigten und tatsächlich vorgenommenen Abwasserbeseitigung i.S. des § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG keine Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG statt.
- 51
b) Auch mit dem hilfsweisen Begehren, der Verpflichtung des Beklagten zur Befreiung des Klägers vom Anschluss- und Benutzungszwang, dringt die Berufung nicht durch.
- 52
Der klägerische Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Befreiungsantrag ist nicht verletzt, §§ 113 Abs. 5, 114 VwGO. Nach § 8 Abs. 1 ABS kann der Anschlusspflichtige unter Beachtung der Bestimmungen des § 40 Abs. 3 LWaG vom Anschluss- und Benutzungszwang widerruflich oder auf bestimmte Zeit befreit werden, wenn ein begründetes Interesse an einer privaten Beseitigung oder Verwertung des Abwassers besteht und Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen. Es fehlt bereits an einem begründeten Interesse des Klägers an der begehrten Befreiung. Jedenfalls wäre die Entscheidung des Beklagten, mit der das Befreiungsbegehren zurückgewiesen worden ist, in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid vom 9. August 2004 gefunden hat, ermessensfehlerfrei.
- 53
Entsprechend den oben bereits erwähnten Anforderungen an die besondere Gewichtung des Einzelinteresses an einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang hat der Beklagte zutreffend darauf abgestellt, dass das Betreiben einer Kleinkläranlage auf dem Grundstück keine ausreichende Besonderheit darstellt, der Wunsch, das häusliche Abwasser auf dem Grundstück zu behandeln und in das Feuchtbiotop einzuleiten bzw. zur Bewässerung zu nutzen, den Anschluss- und Benutzungszwang nicht unzumutbar macht, der Hinweis auf nur unzureichend vorhandenes Regenwasser nicht dringlich genug ist, weil Frischwasser für diese Zwecke zur Verfügung steht und sich weder aus Europarecht noch aus dem Wasserhaushaltsgesetz oder dem Landeswasserrecht ein Anspruch i.S. eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf vorrangige Nutzung einer dezentralen Abwasseranlage ergibt (vgl. Beschl. des Senats v. 4. April 2011 - 2 L 190/06 - m.w.N.). Auch bestehen keine Hinweise auf eine vom Kläger ausdrücklich auch nicht angeführte finanziell unzumutbare Belastung im Falle der Herstellung des Anschlusses und dessen Benutzung. Dass der Kläger Investitionen in die Herstellung der Abwasserbeseitigungsanlage auf seinem Grundstück, die er mit 4.000,- Euro beziffert, umsonst aufgewandt habe, übersieht in tatsächlicher Hinsicht, dass der Kläger die Anlage inzwischen rund 7 Jahre tatsächlich genutzt hat. Unabhängig davon kann der Kläger, der bereits bei der Errichtung der dezentralen Abwasserbeseitigungsanlage von der Absicht des Beklagten Kenntnis hatte, das entsprechende Abwasserbeseitigungskonzept durch den Bau einer zentralen Abwasserbeseitigungsanlage in A-Stadt umzusetzen, sich nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen, weil er die Investitionen in Kenntnis dieses Risikos errichtet hat. In diesem Zusammenhang sei darüber hinaus darauf hingewiesen, dass von anderen Obergerichten Kosten für die Herstellung des Anschlusses an eine öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage von 25.000,- Euro bzw. abhängig von dem konkreten Grundstückswert darüber liegend noch für zumutbar gehalten wurden. Bei diesen Herstellungskosten des Anschlusses sind jedenfalls die Investitionskosten für eine früher errichtete Kleinkläranlage nicht einzustellen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 14. Dezember 2010 - 15 A 1290/10 – zit. nach juris, Rn. 31 ff. m.w.N.; VGH München, Beschl. v. 15. August 2008 – 4 ZB 08.483 -, zit. nach juris, Rn. 7).
- 54
Nach alledem bestehen hier keine objektiven, grundstücksbezogenen Gründe, also solche, die sich aus den Besonderheiten der Grundstückslage oder der Grundstückssituation ergäben und die eine Befreiung im Einzelfall wegen des Vorliegens eines begründeten Interesses i.S. des § 8 Abs. 1 AWS eröffneten.
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Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die vom Kläger auf dem Grundstück betriebene Kleinkläranlage bei ordnungsgemäßem Betrieb ggf. eine bessere Klärung des Abwassers bewirken kann als die öffentliche Abwasseranlage (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17. September 2001 - 9 L 829/00 -, zit. nach juris, Rn. 6 f.). Dem Umstand, dass dezentrale Abwasserbeseitigungsanlagen grundsätzlich durchaus bessere Reinigungsleistungen erzielen können als zentrale Abwasserbeseitigungsanlagen, hat der Bundesgesetzgeber - wie gleichfalls oben ausgeführt - durch die Eröffnung des Wahlrechts nach § 55 Abs. 1 Satz 2 WHG zugunsten der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinden bzw. Zweckverbände Rechnung getragen.
- 56
Selbst soweit der Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit, zur Gartenbewässerung Trinkwasser verwenden zu können, verweist, und damit Bedenken im Hinblick auf eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung i.S. des § 1 WHG aufkommen, ist doch nichts dafür ersichtlich, dass die generellen mit der zentralen Abwasserbeseitigung verfolgten Ziele damit in Frage gestellt sein könnten.
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Soweit der Kläger schließlich meint, etwas anderes ergäbe sich hier aus § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG, der über den Verweis in § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS auch in das Satzungsrecht des Beklagten inkorporiert wurde, kann dahingestellt bleiben, ob insoweit die Regelungen des § 40 Abs. 3 LWaG zu weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 ABS gemacht werden sollten oder lediglich im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden sollen (vgl. zu sog. Kopplungsnormen bereits Urt. des Senats vom 3. Februar 2010 – 2 L 117/05, S. 13 f. UA). Denn ein Fall insbesondere des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG, wonach die Pflicht zur Überlassung des Abwassers dann entfällt, wenn es sich um Abwasser handelt, das noch weiter verwendet werden soll, liegt hier - wie oben ausgeführt - nicht vor.
- 58
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 59
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 225 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
…
II.
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit ist das angegriffene Urteil wirkungslos.
Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen.
Unter Einbeziehung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger übt in der G.------straße in Oberhausen die Tätigkeit einer gewerblichen Zimmervermietung an Prostituierte aus. Insgesamt befinden sich dort sechzehn Häuser mit etwa 230 Zimmern, die von Prostituierten angemietet werden können.
3Mit Ratsbeschluss vom 15. Dezember 2008 erließ die Stadt Oberhausen erstmalig eine Vergnügungssteuersatzung, mit der die Besteuerung des Angebots sexueller Handlungen gegen Entgelt vergnügungssteuerpflichtig wurde. Die Satzung sollte am 1. Januar 2009 in Kraft treten.
4Nach § 1 der Vergnügungssteuersatzung unterliegen die im Gebiet der Stadt Oberhausen veranstalteten nachfolgenden Vergnügungen (Veranstaltungen) der Vergnügungssteuer. In der folgenden Auflistung ist unter Nr. 6 genannt die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna-, FKK- und Swingerclubs sowie ähnlichen Einrichtungen. Steuermaßstab ist nach § 4 der Satzung hier der Flächenmaßstab. Nr. 7 betrifft das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt außerhalb der in Nr. 6 genannten Einrichtungen, zum Beispiel in Beherbergungsbetrieben, Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen mit Ausnahme von Straßenprostitution in Verrichtungsboxen. In diesem Fall beträgt die Steuer nach § 8 der Satzung für jede/n Prostituierte/n 6,00 Euro pro Veranstaltungstag.
5Mit Schreiben vom 22. Januar 2009 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass nach § 3 Abs. 2 der Vergnügungssteuersatzung auch derjenige Steuerschuldner sei, der die Räume für die Veranstaltung zur Verfügung stelle. Abweichend von der grundsätzlichen Regelung, dass jede Prostituierte eine Steueranmeldung monatlich einreichen müsse, werde ihm - dem Kläger - als gewerblichem Zimmervermieter die Möglichkeit angeboten, für den Betrieb eine zusammengefasste Steueranmeldung je Kalendermonat einzureichen. In der Folgezeit reichte der Kläger zusammengefasste Vergnügungssteueranmeldungen für die Monate Januar bis Juni 2009 ein. In den diesbezüglichen Vordrucken sind unter anderem die Namen der einzelnen Prostituierten sowie die diesen zuzurechnenden Veranstaltungstage aufgeführt.
6Gegen die Anmeldungen hat der Kläger Klage erhoben.
7Die Beklagte hob nach einem Hinweis des Verwaltungsgerichts die eingereichten Vergnügungssteueranmeldungen/Vergnügungssteuerbescheide wegen einer widersprüchlichen Fälligkeitsregelung auf.
8Durch Urteil vom 18. Juni 2009 ‑ 14 A 1577/07 ‑ hat der Senat entschieden, dass die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf sexuelle Vergnügungen der ministeriellen Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ KAG ‑ bedarf.
9Nachdem das Innenministerium und das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 10. Mai 2010 zwei Satzungen, die eine Steuer auf sexuelle Vergnügungen vorsahen, genehmigt hatten, beschloss der Rat der Beklagten am 12. Juli 2010 eine Vergnügungssteuersatzung (VS), die auch die Besteuerung sexueller Vergnügungen vorsah, erneut. Die Satzung wurde am 2. August 2010 bekanntgemacht. Sie sollte rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft treten. Diese Satzung ist, was die hier in Rede stehende Besteuerung betrifft, wortgleich mit den entsprechenden Regelungen in der Satzung vom Dezember 2008.
10Mit drei Vergnügungssteuerbescheiden vom 29. September 2010 zog die Beklagte den Kläger für die Monate Januar 2009 bis August 2010 zu einer Vergnügungssteuer in Höhe von 46.554,00 Euro für die Veranstaltungen (Angebot sexueller Handlungen in Beherbergungsbetrieben nach § 1 Nr. 7 VS) heran.
11Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat.
12Nachdem der Senat in einem zu einem Parallelverfahren gehörenden Aussetzungsverfahren die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet und einen Erörterungstermin durchgeführt hatte, hob die Beklagte die drei Vergnügungssteuerbescheide vom 29. September 2010 auf.
13Mit Schreiben vom 6. Juli 2012 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass das von ihm betriebene Bordell als ähnliche Einrichtung nach § 1 Nr. 6 VS der Vergnügungssteuersatzung vom 12. Juli 2010 nach dem Flächenmaßstab zu besteuern sei. Es wurden Verhandlungen auch über die Frage geführt, ob die Flächen der Flure in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen seien. Nachdem der Kläger angegeben hatte, er werde die Veranstaltungsfläche nicht mitteilen, zog die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 11. Dezember 2012 für den Zeitraum vom 3. August 2010 bis zum 31. Oktober 2012 für das Haus G.------straße zu einer Vergnügungssteuer in Höhe von 90.576,00 Euro heran. Hierbei legte er den Flächenmaßstab nach § 4 VS zugrunde. § 4 Abs. 1 VS ordnet die Erhebung der Steuer für Veranstaltungen unter anderem nach § 1 Nr. 6 nach der Größe der Veranstaltungsfläche an. Als Veranstaltungsfläche gelten alle für das Publikum zugänglichen Flächen mit Ausnahmen der Toiletten und Garderobenräume. Gemäß § 4 Abs. 3 VS beträgt die Steuer für die Veranstaltungen nach § 1 Nr. 6 je Veranstaltungstag für jede angefangenen 10 qm Veranstaltungsfläche 3,00 Euro. Die Beklagte schätzte die Fläche auf 367 qm. Hierbei wurden die Flure ganz berücksichtigt und die Zimmer entsprechend einer geschätzten Belegungsquote.
14Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, in dem genannten Erörterungstermin sei der Beklagten vom OVG NRW nahegelegt worden, eine neue Satzung zu erlassen. Dies sei nicht geschehen. § 1 Nr. 6 VS sei unbestimmt. Bordelle als klassische Form von Einrichtungen, in denen sexuelle Vergnügungen angeboten würden, seien in der Aufzählung gerade nicht genannt. § 1 Nr. 6 und Nr. 7 VS, im Zusammenhang betrachtet, lasse als folgerichtig erscheinen, dass der Satzungsgeber Bordelle als Beherbergungsbetriebe habe erfassen wollen. Mit Beherbergungsbetrieben seien vor allem Bordelle gemeint. Die Schätzung sei nicht nachvollziehbar. Es dürften nur die von den Prostituierten gemieteten Zimmer in Ansatz gebracht werden, weil nur diese unmittelbar dem sexuellen Vergnügen dienten.
15Der Kläger hat beantragt,
16den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2012 aufzuheben.
17Die Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie hat geltend gemacht, nach der Rechtsprechung des OVG NRW sei das Bordell als ähnliche Einrichtung nach dem einrichtungsbezogenen Steuertatbestand des § 1 Nr. 6 VS zu besteuern. Unter Beherbergungsbetrieben nach § 1 Nr. 7 VS seien Hotels und Pensionen zu verstehen. Dort stattfindende Prostitution werde auch besteuert. Der Flächenmaßstab sei als Wahrscheinlichkeitsmaßstab sachlich gerechtfertigt. Da der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 VS nicht nachgekommen sei, sei eine Schätzung notwendig geworden, wobei die Flächen aus den Bauakten ermittelt worden seien.
20Durch das angegriffene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
21Hiergegen hat der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 26. September 2013 entsprochen hat.
22Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor: Der Flächenmaßstab in Form einer Pauschbesteuerung sei kein geeignetes Kriterium, Steuergerechtigkeit herzustellen. Ein lockerer Bezug des Vergnügungsaufwands zu dem gewählten Ersatzmaßstab sei nicht feststellbar. Wenn alle Zimmer vermietet worden seien, könne der Umsatz nicht mehr steigen, auch wenn die anderen Flächen des Beherbergungsbetriebes vergrößert würden. Zu Unrecht werde der Steuertatbestand des § 1 Nr. 6 VS angewandt. Anders als bei den dort aufgezählten Clubs und sonstigen Einrichtungen stehe bei Einrichtungen, in denen das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt besteuert werden solle, nicht das Vergnügen beider im Vordergrund, sondern das Austauschgeschäft der Prostituierten mit dem Gast. Dieser Vergnügungsaufwand sei genau kalkulierbar. Es würden wegen der Besteuerung nach dem Düsseldorfer Verfahren Listen geführt, die für das Steueraufkommen von der Beklagten in der Vergangenheit auch anerkannt worden seien. Bei den in § 1 Nr. 6 VS aufgezählten Etablissements sei hingegen der Konsumaufwand schwer zu greifen, so dass hier eine pauschale Flächenbesteuerung geeignet sei. Nach dem Willen des Satzungsgebers sei ein Bordell unter Beherbergungsbetrieb im Sinne der Satzung zu subsumieren. Es komme auf den milieutypischen Sprachgebrauch an. Die Tatbestände des § 1 Nr. 6 und Nr. 7 VS seien danach abzugrenzen, ob entweder die sich Vergnügenden üblicherweise kein Entgelt für die Vergnügung entrichteten oder die sexuellen Handlungen gegen Entgelt stattfänden. Hier sei daher § 1 Nr. 7 VS anzuwenden. Da die Zimmer regelmäßig größer als 10 qm seien und auch noch die Fläche für die Flure in Ansatz gebracht worden sei, werde durch die Anwendung des falschen Tatbestands des § 1 Nr. 6 VS der in Wirklichkeit anzuwendende Steuersatz von 6 Euro nach § 8 VS regelmäßig überschritten. Jedenfalls dürften die Flure nicht mit berücksichtigt werden, da diese nicht der Kontaktaufnahme dienten. Dort finde insoweit kein Konsumaufwand statt.
23Die Steuer sei nicht abwälzbar. Da das Zimmerentgelt, die Miete, nur von den Prostituierten erhoben werde, könne die Steuer nicht auf die sich Vergnügenden abgewälzt werden. Eine mittelbare Abwälzung von ihm, dem Kläger, über die Prostituierten auf die Freier sei nur in engen Grenzen möglich. Der wirtschaftliche Vorteil bei der Vermietung der Räume an Prostituierte ergebe sich nicht aus der Beziehung zum Steuergegenstand, sondern knüpfe an die Verhältnisse des Immobilienmarkts an. Zwischen Vermieter und Freier bestünden keine vertraglichen Beziehungen, die es dem Kläger erlaubten, von dem Freier etwas zu erlangen.
24Es liege ein strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung in der Stadt Oberhausen vor. Es sei nicht richtig, dass sich aus den Gewerbeanmeldungen Rückschlüsse auf die Anzahl der Prostituierten herleiten ließen. Das Gewerbe "Prostitution" oder ähnliches werde nämlich in der Regel nicht bei einer Gewerbeanmeldung akzeptiert. Eine Liste von Wohnungsprostituierten habe die Beklagte nicht von der Kriminalpolizei erhalten. Hier werde der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt. Die Beklagte habe nichts unternommen, um eine steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten zu schaffen. Eine Steuererklärungspflicht begründe die Satzung nicht. Die Beklagte habe erst kürzlich in Erwägung gezogen, wegen illegal tätiger Prostituierten mit der Kriminalpolizei Kontakt aufzunehmen. Informationen habe die Beklagte jedoch dann nicht eingeholt. Die spärlich durchgeführten Außendienstkontrollen hätten nicht mehr als Alibiqualität. Bei einer Kalkulation des beabsichtigen zusätzlichen Steueraufkommens seien mindestens 80 bis 100 illegal tätige Prostituierte nicht berücksichtigt worden, wie sich aus der in der G.------straße tätigen Anzahl der Prostituierten und dem Steueraufkommen hierfür ergebe. Ausweislich einer Veröffentlichung in der "Welt" vom 4. November 2013 habe die Beklagte auf Anfrage der Zeitung die Anzahl der in Oberhausen tätigen Prostituierten mit 180 angegeben. Weitere Prostituierten seien nicht einkalkuliert worden und die Beklagte habe auch keine Vorkehrungen getroffen, die illegal tätigen Prostituierten zur Vergnügungssteuer heranzuziehen. Die Satzung sei ausschließlich gemacht worden, um die Vermieter in der G.------straße zur Vergnügungssteuer heranzuziehen. Auch nur diese seien zu einem Informationstreffen Anfang des Jahres 2009 eingeladen worden.
25Der Begriff "illegal" bezeichne in erster Linie solche Prostituierten, die von der Beklagten nicht zur Vergnügungssteuer herangezogen würden. Aus Sicht der Finanzverwaltung sei ein Teil dieser Prostituierten nicht als illegal anzusehen, weil sie am Düsseldorfer Verfahren teilnähmen. Andere Prostituierte hätten keine Arbeitserlaubnis oder gefälschte Ausweispapiere.
26Die Steuer habe erdrosselnde Wirkung. Die vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung zeige, dass die Überschüsse durch die Steuer aufgezehrt würden. Ein angemessener Unternehmerlohn entsprechend einem Geschäftsführergehalt im Hotelgewerbe verbleibe nicht.
27Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte einen geänderten Vergnügungssteuerbescheid für den Zeitraum vom 3. August 2010 bis 31. Oktober 2012 vom 24. September 2013 erlassen, mit dem der Kläger zu einer Vergnügungssteuer in Höhe von 75.735,00 Euro veranlagt wurde. Dieser Bescheid änderte die Steuerfestsetzung vom 11. Dezember 2012 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ‑ AO ‑. Der Bescheid berücksichtigte die nachgereichten Angaben des Klägers zu der Fläche der Zimmer, die kalendertäglich von den Prostituierten in dem oben genannten Zeitraum belegt waren.
28Der Kläger beantragt,
29das angegriffene Urteil zu ändern und den Vergnügungssteuerbescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2012 in der Gestalt des Bescheides vom 24. September 2013 aufzuheben.
30Die Beklagte beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Sie macht geltend: Eine Besteuerung nach der Veranstaltungsfläche sei zulässig, weil die Größe eines Bordells einen Rückschluss auf die Attraktivität und die Besucherzahlen zulasse. Der Vermieter der Zimmer profitiere davon, wenn dort der Prostitution nachgegangen werde. Die Miete werde nämlich deutlich gesenkt, wenn die Prostituierten nicht ihrer Arbeit nachgingen und tatsächlich vorübergehend nur dort wohnten. Da das Bordell als Ganzes besteuert werde, seien auch die Flure zu berücksichtigen. Es hätten auch sämtliche Zimmer täglich der Besteuerung unterworfen werden können. Dennoch habe sie - die Beklagte - nur die täglich konkret zum Zwecke der Prostitution vermieteten Zimmer berücksichtigt.
33Ein strukturelles Vollzugsdefizit liege nicht vor. Die Prostituierten könnten sich in der Gewerbekartei der Stadt Oberhausen anmelden. Auf diese Gewerbekartei könne zurückgegriffen werden. Die mannigfachen Suchergebnisse seien vom Fachbereich Steuern zusammengestellt worden und könnten vorgelegt werden. In der G.------straße gebe es seit jeher 18 Häuser mit einer Gesamtveranstaltungsfläche von 2.015 qm. Vor Einführung der Steuer im Jahre 2009 sei von 250 bis 300 tätigen Prostituierten im Bereich G.------straße mit rückläufiger Tendenz auszugehen. Grundlage der Erkenntnis seien Zahlen aus dem Gesundheitsamt aus Zeiten, in denen noch Untersuchungen nach dem Infektions- und Seuchenschutzgesetz für Prostituierte vorgeschrieben gewesen seien. Im Jahre 2009 seien in der G.------straße ca. 200 Prostituierte monatlich beschäftigt gewesen. Da nicht alle Prostituierten täglich arbeiteten, habe die Zahl der Aktiven pro Kalendertag zwischen 90 und 125 gelegen. Diese Zahlen hätten sich aus den ursprünglichen Steueranmeldungen ergeben. Im Jahre 2010 seien noch ca. 150 Prostituierte gemeldet gewesen. Im Zeitraum 2009 bis 2013 seien im Stadtgebiet außerhalb der G.------straße zwei weitere Bordelle erfasst gewesen, in denen jeweils durchschnittlich fünf Prostituierte monatlich beschäftigt gewesen seien. Außerdem habe es in dem Zeitraum zwei Bars mit einer Veranstaltungsfläche von 60 qm und 76 qm und drei Massagestudios mit einer Fläche von jeweils 50 qm gegeben. 2009 seien fünfzehn Prostituierte in Wohnungen gemeldet gewesen, im Zeitraum 2010 bis 2013 seien etwa zehn Wohnungsprostituierte steuerlich erfasst worden. Die Erfassung neuer Steuerfälle erfolge durch Ermittlungen im Internet durch den Fachbereich Steuern, Ermittlungen über Kontakte mit der Polizei, über Gewerbeanmeldungen und den kommunalen Ordnungsdienst. Ferner werde Hinweisen von Steuerpflichtigen und Informanten nachgegangen. Seit dem Jahr 2009 seien dem kommunalen Ordnungsdienst ca. 30 Aufträge erteilt worden, in denen Ermittlungen durchgeführt worden seien.
34Ferner hat der Senat Auskünfte zu der Anzahl der in Oberhausen vorhandenen Bordelle oder bordellähnlichen Betrieben und der in Oberhausen tätigen Prostituierten durch die Finanzverwaltung und die Kriminalpolizei erbeten. Auf die übersandten Auskünfte wird verwiesen.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe:
37Soweit die Parteien im Hinblick auf die Reduzierung der Steuerforderung von 90.576,00 Euro auf 75.735,00 Euro durch den Bescheid vom 24. September 2013 die Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen und die teilweise Unwirksamkeit des erstinstanzlichen Urteils auszusprechen.
38Die Berufung im Übrigen hat keinen Erfolg.
39Der Steuerbescheid vom 11. Dezember 2012 in der Gestalt des Bescheides vom 24. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑).
40Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 12. Juli 2010, die am 2. August 2010 bekannt gemacht worden ist, und den hier in Rede stehenden Steuerzeitraum vom 3. August 2010 bis zum 31. Oktober 2012 erfasst.
41Das von dem Kläger betriebene Bordell in der G.------straße in Oberhausen erfüllt den Steuertatbestand des § 1 Nr. 6 VS. Es handelt sich um eine Einrichtung, in der gezielt die Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen eingeräumt wird. Bordelle sind zwar in der Aufzählung in § 1 Nr. 6 VS nicht ausdrücklich genannt, sie sind aber als Bars, Sauna-, FKK- und Swingerclubs ähnliche Einrichtungen anzusehen. Entgegen der Auffassung des Klägers erfüllt hingegen der Betrieb des Bordells nicht den Steuertatbestand des § 1 Nr. 7 VS, weil dort - wie der Kläger meint - in einem Beherbergungsbetrieb sexuelle Handlungen gegen Entgelt angeboten würden. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Systematik der in § 1 Nr. 6 und 7 VS genannten, sich gegenseitig ausschließenden Steuertatbestände. § 1 Nr. 6 VS schafft einen einrichtungsbezogenen Steuergegenstand. Er erfasst das Steuergut, den Konsumaufwand des sich sexuell Vergnügenden, soweit das sexuelle Vergnügen in dafür bestimmten Einrichtungen stattfindet. § 1 Nr. 7 VS erfasst hingegen den Konsumaufwand des sich sexuell Vergnügenden, soweit das sexuelle Vergnügen auf einem Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt beruht und es nicht in den vorgenannten Einrichtungen, also einrichtungslosgelöst stattfindet. Der allgemeine Sprachgebrauch bezeichnet mit dem Begriff Beherbergungsbetrieb kein Bordell, sondern eine Unterkunft, namentlich ein Hotel.
42Vgl. zur Herkunft des Begriffs Herberge und zu seiner Verfestigung auf "Gasthaus" und "Unterkunft" Grimm, Deutsches Wörterbuch, 1877, Nachdruck 1984, Bd. 10, Sp. 1060 ff. (Stichwort: Herberge).
43So ist auch der ermäßigte Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, auf Bordelle nicht anzuwenden.
44Vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 1.6.2012 ‑ 1 K 2723/10 ‑, juris.
45Das Finanzgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt, die Prostituierten zahlten ihre "Tagesmiete" nicht für den Empfang einer Beherbergungsleistung, sondern im Wesentlichen für die Bereitstellung einer Infrastruktur zur Ausübung ihres Gewerbes (juris Rn. 24). Beherbergen sei grundsätzlich nicht nur nach allgemeinem Sprachgebrauch das Bereitstellen einer Unterkunft oder Schlafstelle und nicht die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution (juris Rn. 26). Der Einwand des Klägers, im "Milieu" sei der Begriff Beherbergungsbetrieb als Bordell zu verstehen, verfängt nicht. Es geht hier nicht um die Auslegung einer unter Bordellbetreibern und Prostituierten geäußerten Erklärung nach deren Empfängerhorizont, sondern um die Auslegung einer Satzung, also von Ortsrecht. Dafür mag ein dem Regelungsgegenstand angepasster spezieller juristischer Sprachgebrauch zu berücksichtigen sein, nicht aber der Sprachgebrauch des Rotlichtmilieus.
46Auch die Systematik der Vergnügungssteuersatzung der Stadt Oberhausen vom 12. Juli 2010 spricht gegen die Annahme, Bordelle seien Beherbergungsbetriebe im Sinne des § 1 Nr. 7 VS. Die Satzung differenziert mit den unterschiedlichen Steuertatbeständen nicht nach prostitutionsbezogenen und nicht prostitutionsbezogenen Steuergegenständen, sondern schafft in § 1 Nr. 6 VS einen einrichtungsbezogenen und in § 1 Nr. 7 VS einen einrichtungslosgelösten personenbezogenen Steuergegenstand zur Besteuerung des Aufwandes für sexuelle Vergnügungen. Die in § 1 Nr. 7 VS nur beispielhaft genannten Räumlichkeiten zeichnen sich alle dadurch aus, dass sie nicht schon von ihrer Eigenart zur Veranstaltung sexueller Vergnügungen bestimmt sind. In einem Beherbergungsbetrieb nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch mag auch Prostitution stattfinden (Hotelprostitution), aber die Prostituierten haben dort in der Regel kein Zimmer angemietet, um ihre Leistungen anzubieten. Besondere Räumlichkeiten zu einer Anbahnung der sexuellen Kontakte finden sich dort typischerweise nicht. Eine Infrastruktur zur Ausübung der Prostitution ist nicht vorhanden.
47Vgl. zu diesem Begriff, FG Düsseldorf, Urteil vom 1.6.2012, juris Rn. 24.
48Entsprechendes gilt für Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen. So können zwar Wohnwagen speziell für die Ausübung der Prostitution angeschafft und hergerichtet werden, aber üblicherweise werden Wohnwagen für Freizeitzwecke, insbesondere zum Camping genutzt. Entsprechendes gilt für Wohnungen, die auch für Zwecke der Prostitution angemietet werden, aber in der Regel der Befriedigung des allgemeinen Wohnbedürfnisses dienen. In einem Bordell wird hingegen die Prostitution erwartet, das Bordell dient von seiner Eigenart her der Ausübung der Prostitution, während die in § 1 Nr. 7 VS namentlich bezeichneten Einrichtungen eine solche begriffliche Zweckbestimmung nicht haben.
49Die Meinung des Klägers, der von § 1 Nr. 6 VS nicht prostitutionsbezogene Vergnügungen und von § 1 Nr. 7 VS prostitutionsbezogene Vergnügungen erfasst sieht, überzeugt nicht. So findet in den in § 1 Nr. 6 VS genannten Bars Prostitution und nicht etwa Sexualverkehr unter Gleichgesinnten statt. In § 1 Nr. 7 VS wird ausdrücklich Prostitution in den in Nr. 6 erwähnten Einrichtungen als nicht Nr. 7 unterfallend ausgeschlossen und damit anerkannt, dass in solchen Einrichtungen Prostitution zu erwarten ist und nur nach Nr. 6 zu besteuern ist.
50Zur Stützung seiner Meinung, der Begriff des Beherbergungsbetriebes erfasse auch Bordelle, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, der Rat der Beklagten habe bei Erlass der Satzung eine solche Einstufung vornehmen wollen, wie auch der zunächst unternommene Versuch der Verwaltung zeige, eine Besteuerung nach § 1 Nr. 7 VS für seinen Betrieb durchzusetzen. Es kommt nämlich für die Auslegung nicht auf die subjektiven Meinungen der Ratsmitglieder oder der Verwaltung an. Für den Inhalt einer Norm ist vielmehr entscheidend der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist.
51Vgl. BVerfG, Urteil vom 20.3.2002 ‑ 2 BvR 794/95 ‑, BVerfGE 105, 135 (157).
52Materialien zum Willen des historischen Gesetzgebers bei der Normsetzung, hier der Satzung, sollen mit Vorsicht, lediglich unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden, als sie auf einen objektiven Norminhalt schließen lassen. Der sogenannte Wille des Normgebers bzw. der am Normerlassverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der normgebenden Instanzen dem objektivem Norminhalt gleichzusetzen.
53Vgl. BVerfG, Urteil vom 16.2.1983 ‑ 2 BvE 1‑4/83 ‑, BVerfGE 62, 1 (45); OVG NRW, Urteil vom 15.9.2004 ‑ 15 A 4544/02 ‑, NRWE Rn. 25 ff.
54Einen solchen Niederschlag im Normtext hat die Auffassung, Bordelle seien als Beherbergungsbetriebe im Sinne der Satzung anzusehen, nicht gefunden. Im Gegenteil sprechen Wortlaut und Sinnzusammenhang gerade für die Verneinung einer solchen Einordnung. Daher kommt es auf die subjektiven Vorstellungen der am Erlass der Satzung Beteiligten nicht an.
55Die Steuer ist der Höhe nach richtig festgesetzt worden. Nach § 4 VS richtet sich die Steuer bei der gezielten Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen nach der Größe der Veranstaltungsfläche. § 4 Abs. 1 Satz 2 VS bestimmt, dass als Veranstaltungsfläche alle für das Publikum zugänglichen Flächen mit Ausnahme der Toiletten und Garderobenräume gelten. Die Steuer beträgt nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VS je Veranstaltungstag für jede angefangenen 10 qm Veranstaltungsfläche 3,00 Euro. Endet eine Veranstaltung erst am Folgetag, wird ein Veranstaltungstag für die Berechnung zugrunde gelegt (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 VS).
56Dieser Maßstab erfasst den Vergnügungsaufwand nicht genau. Eigentliches Steuergut ist der Vergnügungsaufwand des einzelnen Besuchers, weil die Steuer darauf abzielt, die mit der Einkommensverwendung für das Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu belasten. Da eine konkrete Besteuerung des Aufwandes des sich Vergnügenden, insbesondere des sich vergnügenden Freiers, (Wirklichkeitsmaßstab) praktisch nicht möglich ist,
57vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.4.2012 ‑ 14 B 1520/11 ‑, NRWE Rn. 32; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.2.2011 ‑ 2 S 196/10 ‑, KStZ 2011, 231 (233),
58kann die Steuer pauschal bei dem Veranstalter des Vergnügens erhoben werden. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss aber jedenfalls einen lockeren Bezug zum individuellen Vergnügungsaufwand haben.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.7.2011‑ 9 B 78.10 ‑, juris, Rn. 5 m. w. N.
60Der Satzungsgeber ist dabei nicht gehalten, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen, ihm steht vielmehr ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der erst dann überschritten wird, wenn ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt und die Steuererhebung daher willkürlich wäre.
61Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.2.2009 ‑ 1 BvL 8/05 ‑, NVwZ 2009, 968 (971); OVG NRW, Urteil vom 23.6.2010 ‑ 14 A 597/09 ‑, NRWE Rn. 68.
62Diesen Anforderungen genügt der hier zu beurteilende Flächenmaßstab. Er weist den erforderlichen lockeren Bezug auf, weil es wahrscheinlich ist, dass der Umfang des Vergnügungsaufwands mit der Größe eines Betriebes wächst. Zwar steht die Größe der Veranstaltungsfläche ersichtlich in keinem direkten Zusammenhang mit dem Aufwand der Besucher der Veranstaltung. Mit der Größe der Veranstaltungsfläche werden typischerweise aber die Einnahmen steigen, weil mehr Freier aufgenommen werden können und so im Regelfall insgesamt auch ein höherer Aufwand betrieben wird. Es ist einleuchtend, dass je mehr Raum für die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen zur Verfügung steht, ihn auch desto mehr Personen gleichzeitig nutzen können. Außerdem kann die Größe des zur gezielten Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen zur Verfügung gestellten Raumes auch ein Merkmal großzügig-gehobener Ausstattung sein, die sich in einem tendenziell höheren Aufwand zur Erlangung des Vergnügens niederschlägt. Die Größe des genutzten Raums ist deshalb als zulässiger Vergnügungssteuermaßstab seit langem üblich und anerkannt.
63Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2004 ‑ 9 C 3.03 ‑, BVerwGE 120, 175 (185 f.).
64Bei der Berücksichtigung der Veranstaltungsfläche hat die Beklagte zutreffend nicht nur die Zimmer, sondern auch die Flure einbezogen. Diese sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VS Veranstaltungsfläche, weil sie für das Publikum zugänglich sind. Dies ist im Sinne der grundsätzlich gestatteten Pauschalierung zulässig, auch wenn die Flure ausschließlich dem bloßen Zu- und Abgang zu und von den Zimmern dienen sollten. Feinsinnige satzungsrechtliche Unterscheidungen etwa zwischen Bettbereichen, Aufenthaltsräumen, Kontaktzonen, Ruhezonen, Fluren mit und ohne Aufenthaltsfunktion müssen nach höherrangigem Recht nicht vorgenommen werden. Im Übrigen stehen auch die Flure in Zusammenhang mit der Zimmerzahl, weil um so mehr Flure erforderlich sind, je mehr Zimmer zu erschließen sind. Damit haben die Flure grundsätzlich einen ähnlichen Bezug zum individuellen Vergnügungsaufwand wie die Zimmer selbst.
65Vgl. zur Zulässigkeit eines pauschalierenden Flächenmaßstabs VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.2.2011 ‑ 2 S 196/10 ‑, KStZ 2011, 231 (233).
66Es ist nicht erkennbar und wird von dem Kläger auch nicht gerügt, dass die Flächen unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien im konkreten Fall, also bei Berücksichtigung der je Tag genutzten Zimmer und der Flurflächen in dem Bordell, falsch berechnet worden wären. Die Beklagte hat in dem die Steuer ermäßigenden Bescheid vom 24. September 2013 entsprechend den Angaben des Klägers nur die Fläche der Zimmer in Ansatz gebracht, die tageweise an die Prostituierten vermietet und damit dem Publikum zugänglich waren. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beklagte - wie sie und das Verwaltungsgericht meinen - alle Zimmer, auch dann, wenn sie nicht an Prostituierte vermietet waren, hätte berücksichtigen dürfen. Gegen eine solche Annahme spricht, dass der Steuermaßstab (Größe der dem Publikum zugängliche Fläche) nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VS je Veranstaltungstag anzuwenden ist. Die Steuer erhöht sich nach § 4 Abs. 3 VS bei über 1.00 Uhr nachts hinausgehenden Veranstaltungen. Für mehrtägige Veranstaltungen enthält § 4 Abs. 3 VS ebenfalls eine Sonderregelung. Hiervon ausgehend dürften ‑ wie in dem Bescheid vom 24. September 2013 geschehen ‑ tägliche Einzelveranstaltungen anzunehmen sein mit der Folge, dass auch die jeweils täglich dem Publikum zugängliche, nicht etwa die für das Publikum bestimmte Fläche maßgeblich ist und damit täglich variieren kann. Dass eine solche Abhängigkeit der Steuer von nur schwer überprüfbaren Angaben des Steuerpflichtigen wenig praktikabel und zuverlässig ist, liegt auf der Hand und hat der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg zutreffend beschrieben. Die Beklagte hat sich jedoch mit ihrer Satzung für diesen Steuermaßstab entschieden.
67Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑ GG ‑ liegt nicht deshalb vor, weil Prostituierte, die nicht in einer Einrichtung nach § 1 Nr. 6 VS tätig sind, gemäß § 1 Nr. 7 VS i. V. m. § 8 VS je Person und Tag mit einem Steuersatz von 6,00 Euro veranlagt werden. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Normgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dies gilt nicht ausnahmslos, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Dabei ist dem Normgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen. Dies gilt auch für die das Steuerrecht beherrschende Ausprägung des Artikels 3 Abs. 1 GG als Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können ‑ insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen ‑ durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerliche Vorteilen der Typisierung steht. Die mit der Typisierungsbefugnis einhergehende Gestaltungsfreiheit muss der Normgeber allerdings sachgerecht ausüben. Eine von der Norm vorgenommene ungleiche Behandlung muss sich im Hinblick auf die Eigenart des zu regelenden Sachbereichs auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund zurückführen lassen. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, lässt sich nicht allgemein und abstrakt feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereichs, der geregelt wird.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.2000 ‑ 11 C 8.99 ‑, BVerwGE 110, 265 (272).
69Hier erfasst die Satzung ‑ wie dargelegt wurde ‑ einrichtungsgebundene und einrichtungslosgelöste Prostitution. Bei einer einrichtungsgebundenen Prostitution ist der Flächenmaßstab wie allgemein bei einrichtungsgebundenen Vergnügungen ein geeigneter Maßstab, während er bei einer Prostitution außerhalb von Einrichtungen nicht sinnvoll anwendbar ist. Dies rechtfertigt die Anwendung eines anderen, ebenfalls pauschalen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs, nämlich den eines festen Satzes pro Veranstaltungstag.
70Vgl. dazu, dass dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab angesichts des für unterschiedliche Prostituierte unterschiedlich hohen täglichen Aufwands ebenfalls sehr pauschal ist, OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2012 - 14 B 835/12 ‑, NRWE Rn. 36.
71Auch die weitere Voraussetzung für die Erhebung der Sexsteuer als Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, dass der Steuerschuldner die Steuer auf den sich Vergnügenden abwälzen kann, ist gegeben. Steuergegenstand (Steuerobjekt) ist das Steuergut mit dem Inhalt und Umfang der Tatbestandsverwirklichung. Steuergut ist hier der Konsumaufwand in Form des vom Steuerträger, dem sich sexuell Vergnügenden, aufgewandten Betrags zur Erlangung der Gelegenheit des sexuellen Vergnügens.
72Vgl. zum Begriff Steuergegenstand und Steuergut Seer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Auflage, § 6 Rn. 36 ff., und Hey, ebd., § 3 Rn. 52, 70 ff.
73Daraus ergibt sich, dass der Steuerschuldner (Betreiber der Einrichtung), der keinen besteuerbaren Aufwand betreibt, die Steuer grundsätzlich auf den Steuerträger abwälzen können muss. Der verfassungsrechtliche Begriff der Aufwandsteuer, soweit sie indirekt erhoben wird, gebietet somit die Abwälzbarkeit der Steuer.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.2009 ‑ 9 C 12/08 ‑, NVwZ 2010, 784 Rn. 28 ff.
75Diese Abwälzbarkeit der Steuer vom Steuerschuldner auf den Steuerträger hat aber nicht zum Inhalt, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten werden muss, er werde den als Steuer gezahlten Geldbetrag ‑ etwa wie einen durchlaufenden Posten ‑ von dem von der Steuernorm ins Auge gefassten Steuerträger auch ersetzt erhalten. Es genügt vielmehr die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerschuldner den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und die hiernach zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen ‑ Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der Kosten ‑ treffen kann. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt.
76Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.2.2009 ‑ 1 BvL 8/05 ‑ , NVwZ 2009, 968 (972)
77Die Abwälzbarkeit setzt nicht voraus, dass der Unternehmer die Steuer im Voraus exakt berechnen kann. Entscheidend ist vielmehr, dass er die abzuführende Steuer anhand langfristiger Erfahrungs- und Durchschnittswerte verlässlich kalkulieren kann.
78Vgl. BVerwGE, Urteil vom 10. Dezember 2009 ‑ 9 C 12.08 -, NVwZ 2010, 784 Rn. 30.
79Diese Überwälzung ist hier möglich, weil der Bordellbesitzer die Steuer, die er sogar im Voraus exakt berechnen kann, in den Mietpreis der Zimmer, die er den Prostituierten zur Verfügung stellt, einkalkulieren kann. Die Prostituierten ihrerseits können über eine Erhöhung der Preise für ihre Dienstleistungen die Steuer auf die Steuerträger, ihre Kunden, abwälzen. Der Bordellbetreiber kann die Steuer auch unmittelbar auf die Steuerträger abwälzen, indem er einen Eintritt für den Bordellbesuch verlangt. Das alles unterliegt der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen den drei beteiligten Personengruppen der Bordellbetreiber, der Prostituierten und der Kunden.
80Die Rechtmäßigkeit der Steuererhebung wird nicht unter dem Gesichtspunkt der Erdrosselungswirkung der Steuer in Frage gestellt. Eine erdrosselnde Steuer verletzt die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG. Das ist dann der Fall, wenn die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen.
81Vgl. BVerfG, Beschluss vom 1.4.1971 ‑ 1 BvL 22/67‑, BVerfGE 31, 8 (29); Urteil vom 22.5.1963 ‑ 1 BvR 78/56 ‑, BVerfGE 16, 147 (165).
82Daraus folgt, dass es nicht auf die wirtschaftliche Situation des Klägers ankommt, so dass dessen vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung rechtlich irrelevant ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine steuerbedingte Tendenz zum Absterben der Bordellbranche in Oberhausen erkennbar ist. Hierfür ist kein Anhaltspunkt ersichtlich. Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, ist die Zahl der Bordellbetriebe in der G.------straße seit langer Zeit unverändert. Außerhalb der G.------straße ist es zwar zu einem Rückgang bordellähnlicher Betriebe in Oberhausen gekommen. Diese Entwicklung setzte jedoch schon vor Erhebung der hier in Rede stehenden Sexsteuer ein.
83Legt man die nicht verifizierten Angaben des Klägers zu Grunde, so ergibt sich, dass die Sexsteuer in Oberhausen weit von jeder Erdrosselungswirkung entfernt ist. Veranlagt wurde der Kläger für sein Bordell zu einer Steuer von 75.735 Euro für 27 Monate. Unter Berücksichtigung der Schließungszeiten des Bordells ergibt dies eine Steuer von etwa 94 Euro pro Tag. Bei der von dem Kläger angegebenen Belegungsquote von durchschnittlich neun Zimmern folgt daraus eine Steuer von etwas mehr als zehn Euro pro Tag und Zimmer. Wird angenommen, dass durchschnittlich nur fünf Kunden eine Prostituierte aufsuchen, so beträgt die Steuer pro Kunde etwa 2,00 Euro, bewegt sich also in der Preisklasse eines Bieres. Tatsächlich dürfte die Steuer pro Kunde sogar niedriger liegen. Nach der vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung, die sicher nicht zu hohe Erlöse ausweist, erzielte der Kläger 1.108.160,50 Euro in 34 Monaten. Pro Tag wurden somit 1.086 Euro eingenommen, was bei durchschnittlich neun vermieteten Zimmern einem Mietpreis von 120 Euro pro vermietetem Zimmer und Tag entspricht. Legt man einen Preis von 30,00 Euro für die sexuelle Dienstleistung zugrunde, sind allein vier Kunden erforderlich, um überhaupt die Miete zu erwirtschaften. Hinzu kommen Umsatz- und Einkommensteuer bei Teilnahme am Düsseldorfer Verfahren, wie es hier der Fall ist.
84Vgl. dazu das Merkblatt des Finanzministeriums NRW, Grundlegende Informationen zur Besteuerung für ein verschwiegenes Gewerbe, Januar 2010.
85Dies zeigt, dass entweder mehr Kunden bedient werden oder von weniger Kunden höhere Entgelte für die sexuellen Dienstleistungen entrichtet werden. In jedem Falle ist die auf den Kunden abgewälzte Steuer bei großer Kundenanzahl absolut und bei geringer Kundenzahl relativ zum an die Prostituierte gezahlten Gesamtentgelt vernachlässigbar. Ein in das Gewand einer Steuernorm gekleidetes Berufsverbot für Bordellbetreiber ist danach mit Sicherheit auszuschließen.
86Die Steuererhebung ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil ein gleichheitswidriges strukturelles Vollzugsdefizit vorläge. Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht auch, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Die Besteuerungsgleichheit hat mithin als ihre Komponenten die Gleichheit der normativen Steuerpflicht ebenso wie die Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet.
87Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (Leitsatz 1).
88Die steuerliche Lastengleichheit fordert mithin, dass das materielle Steuergesetz die Gewähr einer regelmäßigen Durchsetzbarkeit soweit wie möglich in sich selbst trägt. Der Gesetzgeber hat demgemäß die Besteuerungstatbestände und die ihnen entsprechenden Erhebungsregelungen aufeinander abzustimmen. Führen Erhebungsregelungen dazu, dass ein gleichmäßiger Belastungserfolg prinzipiell verfehlt wird, kann die materielle Steuernorm nicht mehr gewährleisten, dass die Steuerpflichtigen nach Maßgabe gleicher Lastenzuteilung belastet werden; sie wäre dann gerade umgekehrt Anknüpfungspunkt für eine gleichheitswidrige Lastenverteilung.
89Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (271 f.).
90Regelungen, die die Durchsetzung des Steueranspruchs sichern und Steuerverkürzungen verhindern sollen, müssen auf die Eigenart des konkreten Lebensbereichs und des jeweiligen Steuertatbestands ausgerichtet werden. Wird eine Steuer nicht an der Quelle erhoben, hängt ihre Festsetzung vielmehr von der Erklärung des Steuerschuldners ab, werden erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit des Steuerpflichtigen gestellt. Der Gesetzgeber muss die Steuerehrlichkeit deshalb durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten abstützen. Im Veranlagungsverfahren bedarf das Deklarationsprinzip der Ergänzung durch das Verifikationsprinzip.
91Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 ‑ 2 BvR 1493/89 ‑, BVerfGE 84, 239 (273).
92Verfassungsrechtlich verboten ist der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregelungen. Die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen ist für die Gleichheitswidrigkeit unerheblich; erheblich wäre erst das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts.
93Vgl. BVerfG, Urteil vom 9. März 2004 ‑ 2 BvL 17/02 ‑, BVerfGE 110, 94 (113).
94Für die hier in Rede stehenden Einrichtungen ist die Steuerpflicht leicht feststellbar, da diese bekannt sind und auf Bekanntheit angewiesen sind. Für sie besteht eine Anmelde- und Anzeigepflicht nach § 12 VS. Der Kläger behauptet noch nicht einmal, dass es in Oberhausen Einrichtungen im Sinne des § 1 Nr. 6 VS gibt, die von der Beklagten nicht zur Steuer veranlagt wurden.
95Für die einrichtungslosgelöst tätigen Einzelprostituierten gilt, dass sie nach § 12 VS die Veranstaltung anmelden und nach § 8 VS die Steuer selbst errechnen müssen. Ob die Beklagte über die Begründung solcher Erklärungspflichten hinaus bezüglich der Einzelprostituierten ausreichend Kontrollen durchführt, um hinsichtlich des Kreises der Einzelprostituierten eine gleiche Besteuerung durchzusetzen, kann dahinstehen. Defizite bei der Durchsetzung gleichmäßiger Besteuerung bezüglich des Steuergegenstandes nach § 1 Nr. 7 VS können von vorneherein keine Unwirksamkeit des gleichheitsgerecht durchgesetzten einrichtungsbezogenen Steuergegenstands nach § 1 Nr. 6 VS begründen. Da der Satzungsgeber nicht verpflichtet ist, den Aufwand für jegliches sexuelle Vergnügen im Stadtgebiet der Besteuerung zu unterwerfen, könnte er sich auch auf solche in dazu bestimmten Einrichtungen beschränken, so wie es auch tatsächlich praktiziert wird.
96S. etwa § 1a der Satzung über die Erhebung einer Steuer für sexuelle Vergnügungen in der Stadt Dorsten vom 20. Mai 2010.
97Daher kann ein - unterstelltes ‑ strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von Einzelprostituierten unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zur Verfassungswidrigkeit der ‑ gleichheitsgerecht durchgesetzten ‑ Steuervorschriften führen, die die Besteuerung von zu sexuellem Vergnügen bestimmten Einrichtungen regeln.
98Der Kläger durfte gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VS als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden. Nach dieser Vorschrift ist der Unternehmer der Veranstaltung Steuerschuldner. Der Kläger ist Unternehmer der Veranstaltung "gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen" in der von ihm betriebenen, dem Steuertatbestand unterfallenden Einrichtung.
99Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 43 Satz 1 AO bestimmt die Satzung, wer Steuerschuldner ist. Dem Satzungsgeber wird damit ein Spielraum eröffnet. Allerdings ist er begrenzt: Der Satzungsgeber ist an die Grundentscheidungen des Kommunalabgabengesetzes gebunden, insbesondere daran, dass es für das Entstehen der Abgabeschuld an einen Abgabetatbestand anknüpft.
100Vgl. Holtbrügge in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: September 2013), § 2 Rn. 52; Lenz in: Hamacher u. a., KAG NRW, Loseblattsammlung (Stand: März 2013), § 2 Rn. 50 f.
101Das gilt auch für die Steuer. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG i. V. m. § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Daher muss die Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG den die Abgabe begründenden Tatbestand angeben. Diese Grundentscheidung des Kommunalabgabengesetzes, das Entstehen der Steuerschuld an die Verwirklichung eines Steuertatbestands zu knüpfen, begrenzt den Kreis der in der Satzung zu bestimmenden möglichen Steuerschuldner. Nur wem die Erfüllung des Steuertatbestands zugerechnet werden kann, darf zum Steuerschuldner bestimmt werden. Daher ist es zumindest erforderlich, dass der Steuerschuldner in einer besonderen rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand steht oder einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründenden Tatbestands leistet.
102Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.10.2013 ‑ 14 A 316/13 ‑, NRWE Rn. 121 ff. m. w. N.
103Hier geht es um den Konsumaufwand des sich in einer zu sexuellem Vergnügen bestimmten Einrichtung Vergnügenden. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger als Betreiber der Einrichtung, des Bordells, zu diesem Steuergegenstand die notwendige enge Beziehung aufweist. Das ergibt sich im übrigen auch daraus, dass er mit der Teilnahme am Düsseldorfer Verfahren die Einkommen- und Umsatzsteuer der Prostituierten abwickelt.
104Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, waren dem Kläger die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge aufzuerlegen, weil er sich trotz Aufforderung (ausdrücklich) geweigert hat, die notwendigen Angaben zur Besteuerung nach dem Flächenmaßstab zu machen. Die Beklagte war deshalb gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 162 AO zur Schätzung berechtigt, wie es geschehen ist.
105Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.
106Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Kläger wenden sich als Rechtsnachfolger gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren.
- 2
Die Beklagte erhebt Abfallgebühren im Wesentlichen getrennt nach einer behälterbezogenen Restmüllgebühr und - nur bei Wohngrundstücken - einer Personengebühr, die nach Biotonnennutzern und Eigenkompostierern aufgeteilt ist. Am 28. Januar 2009 beschloss der Stadtrat der Beklagten rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine neue Abfallgebührensatzung. In einer Anlage zur Satzung wurde die Höhe der Restmüllgebühr abhängig von der Größe des Restmüllbehälters und der Entsorgungshäufigkeit festgesetzt. Mit der ersten Satzung zur Änderung der Abfallgebührensatzung vom 25. November 2009 wurde die Höhe der Restmüllgebühr mit Wirkung zum 1. Januar 2010 wie folgt geregelt:
- 3
Entsorgung
14-täglich
wöchentlich
2 x wöchentlich
60 Liter
51,60
103,20
206,40
€/Jahr
120 Liter
81,60
163,20
326,40
€/Jahr
240 Liter
135,60
271,20
542,40
€/Jahr
770 Liter
438,00
876,00
1752,00
€/Jahr
1.100 Liter
599,40
1.198,89
2.397,60
€/Jahr
- 4
Mit Bescheid vom 25. Januar 2010 zog die Beklagte Frau A., die Mutter der Kläger, für das Jahr 2010 für ihr Wohngrundstück zu Abfallgebühren in Höhe von 87,60 € heran, die sich aus einer Personengebühr in Höhe von 36,- € sowie einer Restmüllgebühr in Höhe von 51,60 € zusammensetzten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2010 wies die Beklagte den fristgerecht erhobenen Widerspruch zurück.
- 5
Am 21. Juni 2010 hat Frau A. beim Verwaltungsgericht Halle gegen den Gebührenbescheid Anfechtungsklage erhoben.
- 6
Das Gericht hat den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 aufgehoben: Die in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 in der Fassung der ersten Änderungssatzung festgesetzten Gebührensätze verletzten das Kostenüberschreitungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA nicht, auch wenn lediglich eine Kostenunterdeckung von 403.620,41 € hätte angesetzt werden dürfen. Die hierdurch bewirkte Kostenüberschreitung verbleibe jedoch unterhalb der Bagatellgrenze von 3 %. Die Abfallgebührensatzung sei aber nichtig, weil die Staffelung der Restmüllgebühr gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA verstoße. Dieser Vorschrift sei das Gebot zu entnehmen, die Kosten für die Beseitigung des Restmülls insgesamt zusammenzufassen und linear auf die gewählten Maßstabseinheiten - etwa Behältergröße und Abfuhrrhythmus - zu verteilen. Eine degressive Staffelung sei ausgeschlossen, eine progressive Staffelung könne zulässig sein, wenn sie einen Anreiz zu umweltschonendem Verhalten schaffe. Diesen Vorgaben entspreche die streitbefangene Restmüllgebühr nicht, da sie jedenfalls überwiegend nicht linear, sondern degressiv ausgestaltet sei. Dies widerspreche weiterhin dem sowohl in § 6 Abs. 3 AbfG LSA als auch in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA niedergelegten Prinzip, dass mit dem Gebührenmaßstab Anreize zu umweltschonendem Verhalten, insbesondere zur Vermeidung und Verwertung, geschaffen werden sollten. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Vertiefung, ob die von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung der Kostenunterdeckung mit gebührenrechtlichen Grundsätzen vereinbar, insbesondere willkürfrei sei. Auf ältere Abfallgebührensatzungen könne nicht zurückgegriffen werden, weil diese mit der Regelung über das Inkrafttreten der Satzung vom 25. November 2009 - stillschweigend - aufgehoben worden seien. Die Nichtigkeit der Regelung über die Restmüllgebühr führe zur Gesamtnichtigkeit der Regelung über die Abfallgebühr, also einschließlich der Personengebühr.
- 7
Mit Beschluss vom 26. Juli 2012 hat der erkennende Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Am 12. November 2012 hat der Berichterstatter der Klägerseite eine Frist gem. § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zum 7. Dezember 2012 gesetzt.
- 8
Frau A. war am 23. Juli 2012 verstorben, ihr Prozessbevollmächtigter hat dies am 30. November 2012 angezeigt und die Unterbrechung des Verfahrens beantragt. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. Februar 2013 haben die Kläger das zuvor ausgesetzte Verfahren als Rechtsnachfolger aufgenommen.
- 9
Im Amtsblatt der Beklagten vom 13. Februar 2013 befinden sich für die Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 und die erste sowie eine weitere Änderungssatzung eine Bekanntmachung mit Bestätigungen, dass diese ordnungsgemäß ausgefertigt worden seien. Gleichzeitig ist der jeweilige Ausfertigungsvermerk (Ortsname, Datum und Unterschrift der bis Ende 2012 amtierenden Oberbürgermeisterin - sowohl handschriftlich als auch maschinenschriftlich - mit Amtsbezeichnung) nochmals veröffentlicht worden.
- 10
Die Beklagte macht zur Begründung der fristgerecht erhobenen Berufung im Wesentlichen geltend, durch § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA werde die degressive Staffelung von Abfallgebühren nicht ausgeschlossen. Nach dem 1. Halbsatz des Satzes 2 seien Ausnahmen von der linearen Staffelung sowohl bei der Abwassergebühr als auch bei der Abfallgebühr möglich. Dies ergebe sich bereits aus der Formulierung "grundsätzlich linear". Zudem beziehe sich der 1. Halbsatz von seiner Stellung im Gesetz und von seiner Systematik auf den Satz 1 des § 5 Abs. 3a KAG LSA, bei dem es sich um den leitenden Grundsatz handele. Der Runderlass benenne hierzu beispielhaft die rechtliche Zulässigkeit einer degressiven Abfallgebühr für leichter zu behandelnde Abfälle aus Großwohnanlagen oder bei Gewerben. Hingegen lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA schließen, dass eine degressive Staffelung der Abfallgebühren gänzlich unzulässig wäre. Insbesondere lasse sich dies nicht aus dem 2. Halbsatz des Satzes 2 herleiten. Der 2. Halbsatz sei nicht im ausschließlichen Zusammenhang mit dem 1. Halbsatz zu sehen. Anderenfalls wäre die dortige Benennung der grundsätzlich linear zu staffelnden Abfallgebühren ohne Sinn erfolgt. Die weitere Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA bei den Abwassergebühren ziele entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf eine Gebührendegression, die dem Äquivalenzprinzip Rechnung trage, sondern auf eine Gebührenermäßigung aus Gründen des öffentlichen Interesses. Daraus lasse sich nicht im Umkehrschluss folgern, dass die Regelung des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Gebührenstaffelung nur bei Abwassergebühren und bei vorliegendem öffentlichen Interesse, hingegen gar nicht bei Abfallgebühren zulasse. Für die Gebührenkalkulation der Abfallentsorgung habe § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA also allenfalls deklaratorischen Charakter, indem er - nach der Regelung der Ausnahme in Satz 1 - den allgemeinen Grundsatz der linearen Gebührenbemessung wiedergebe und (lediglich) für die Abwasserbeseitigung zu einer weiteren Ausnahmeregelung (HS 2) überleite. Eine Gebührendegression im Abfallgebührenrecht werde zum Teil sogar als rechtlich geboten und eine lineare Steigerung als unzulässig angesehen. Überwiegend halte jedenfalls die Rechtsprechung eine degressive Gebührenstaffelung (Mengenrabatt) gegenüber einer linearen Steigerung zwar nicht für rechtlich geboten, aber für zulässig und durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nicht für ausgeschlossen. Die Unzulässigkeit einer degressiven Gebührenstaffelung bei den Abfallgebühren ergebe sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2005. Dort würden ausschließlich Aussagen zur Gebührenstaffelung von Abwassergebühren getroffen.
- 11
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts lasse sich auch nicht mit Blick auf § 6 Abs. 3 AbfG LSA begründen. Unterhalb der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erzwungenen Obergrenze der Gebührenbemessung sei die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden könnten, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln seien, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen würden, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibe. Nach diesen Grundsätzen sei die vorliegende Gebührenstaffelung aber zulässig und verstoße deshalb auch nicht gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA. Zudem gehe das Gericht fehlerhaft davon aus, dass die Abfallgebühr pro m³ Leerungsvolumen je kleiner werde, desto größer der Behälter sowie der Entsorgungsrhythmus werde. Bereits die letzte Tatsachenfeststellung sei unzutreffend, denn die Abfallgebühr werde lediglich mit steigender Behältergröße kleiner, nicht aber beim Entsorgungsrhythmus. Wie aus einer Stellungnahme der (...) zusammenfassend hervorgehe, ergebe sich der Degressionseffekt allein durch die Gestaltung der behältergestützten Leistungsgebühr. Nicht linear seien im Wesentlichen die Kosten für Einsammeln/Transportieren/Umschlag, die Behälterkosten und die Kosten für Behälterwaschen. Ein Gebührenmaßstab mit degressiven Elementen spiegele im Abfallbereich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten den Logistikeinsatz und die daraus resultierenden Abfuhrkosten wirklichkeitsnah und kostenverursachungsgerecht wider. Die Entscheidung über die Höhe der einzelnen Degressionsstufen liege dabei weitgehend im Ermessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Seine Rechtsansicht werde in einem Runderlass des Innenministeriums vom 6. Juni 2001 geteilt. Der Runderlass interpretiere den nunmehr gesetzlich verankerten Grundsatz der linearen Bemessung von Abfallgebühren gleichsam als Wiederholung des seit jeher im Kommunalabgabenrecht platzgreifenden Äquivalenzprinzips. Eine degressive Gebührengestaltung sei regelmäßig mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, wenn sie - wie hier - einen degressiven Kostenverlauf widerspiegele. Eine Gebührendegression wirke zwar Anreizen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung entgegen und könne damit gegen die bundes- und landesrechtlichen Zielvorgaben verstoßen. Sie, die Beklagte, setze aber solche Anreize mit der Möglichkeit des Eigentümers, auf die Auswahl des vorzuhaltenden Restmüllbehälters und den Entsorgungsrhythmus - im Rahmen der angebotenen Leistungen - entsprechend der regelmäßig anfallenden Abfallmenge pro Grundstück Einfluss zu nehmen. Außerdem bestehe die Wahl zur Entscheidung für Eigenkompostierung oder Nutzung der Biotonne im Rahmen der Personengebühr. Ihr Gebührensystem werde zweifelsfrei den Anforderungen des § 6 Abs. 3 AbfG LSA gerecht, zumal für "über das normale Maß hinaus gehende Entsorgungsleistungen" Sondergebühren in Höhe der tatsächlichen Kosten erhoben würden. Gerade für die Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten, die in einer Großstadt wie Halle mit ihren unterschiedlichen Grundstücksgegebenheiten erforderlich sei, sei es geboten, wirklichkeitsnahe und kostenverursachungsgerecht kalkulierte Behältergebühren zu erheben. Mit einer linearen Behältergebühr würde man diese Kosten vereinheitlichen und den Zusammenhang von konkreter Behälterinanspruchnahme und Gebührenhöhe verwischen. Würden die Anschlusspflichtigen der größeren Mehrfamilienhäuser dann z.B. überwiegend viele kleine Abfallbehälter wählen, würde die Restmüllgebühr in der Konsequenz insgesamt auf Grund der höheren Logistikkosten steigen.
- 12
Selbst wenn die Regelung zum Gebührenmaßstab in § 3 Abs. 1 Abfallgebührensatzung nichtig sei, führe dies nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Satzung. Alle anderen Gebührentarife und deren Kalkulation blieben von der konkreten Kalkulation der "Gebühr für Restmüllbehälter" unberührt und auch ohne den bestrittenen Teil sinnvoll. Deshalb sei davon auszugehen, dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife losgelöst davon in eine Satzung zu geben und gegebenenfalls den hier strittigen Teil gesondert (auch gegebenenfalls nachträglich) zu regeln.
- 13
Weiterhin macht sie geltend, der Vortrag in der Berufungserwiderung sei wegen Verspätung zurückzuweisen und deshalb unbeachtlich.
- 14
Darüber hinaus seien die formellen Mängel bei der Bekanntmachung der Abfallgebührensatzungen inzwischen geheilt worden.
- 15
Die Beklagte beantragt,
- 16
das auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.
- 17
Die Kläger beantragen,
- 18
die Berufung zurückzuweisen.
- 19
Die Satzung vom 28. Januar 2009 und die erste Änderungssatzung seien schon nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Intention des Gesetzgebers sei von Anfang bis Ende des Verfahrens zur Änderung des § 5 KAG LSA im Jahre 2000 die Fixierung einer linearen Gebührenstaffelung gewesen. Dies ergebe sich aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens und der Intention des Entwurfsverfassers. Auch aus dem Regelungszusammenhang ergebe sich eine zwingende lineare Staffelung. Der Runderlass des Innenministeriums ändere nichts, da auch dort als grundlegender Gedanke formuliert sei, dass dem Äquivalenzprinzip entsprechend Abfallgebühren grundsätzlich linear zu staffeln sein. Soweit die Beklagte meine, eine degressive Gebührenstaffelung vornehmen zu müssen, sei allein das städtische Interesse maßgeblich. Eine degressive Staffelung führe zur Stützung größerer Sammelbehälter. Diese Container befänden sich überwiegend in alten Plattenbauten, in welchen Bürger wohnten, die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II bezögen. Dazu gehörten auch Miet- und Mietnebenkosten, die von der Kommune zu tragen sein. Unter Bezugnahme auf das Äquivalenzprinzip werde der Verursacher von Aufwendungen mit einer betriebswirtschaftlichen Kostenanalytik nur bei - aus Sicht der Beklagten passenden Stellen bis ins kleinste Detail bemüht. Zahlreiche Beispiel in anderen Bereichen der Abfallgebühren zeigten, wie auch Nichtverursacher von Leistungen/Abfällen/Abfallmengen entgegen den Vorgaben des Äquivalenzprinzips wegen linearer Kostenverteilung und daraus resultierenden Gebührenteilen belastet würden. Setze man die Abfallgebühr in ihrer Gesamtheit (Summe von Personen- und Restmüllgebühr) behältergrößenbezogen unter den Maßstab des § 5 Abs. 3a KAG LSA, so finde sich zudem in der Personengebühr ebenfalls ein Beitrag zur Degression und damit zur Nichtkonformität mit dem KAG LSA. Das rühre daher, dass die Personengebühr unabhängig von der Restabfallmenge erhoben werde und damit Viel-Abfall-Produzenten bevorzugt würden. Die Verteilung der Kostennachforderung aus dem Vorjahr sei schließlich nur willkürlich. Dies ergebe sich auch aus der Satzungsbegründung, wonach die Unterdeckung so verteilt werde, dass die Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen relativ gleichmäßig erfolge.
- 20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 21
Die zulässige Berufung ist begründet.
- 22
Der Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 25. Januar 2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
- 23
Die als Rechtsgrundlage herangezogene Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 ist, auch in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009, nichtig, da sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung verstößt gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA.
- 24
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfG LSA erheben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Leistungen der kommunalen Abfallentsorgung auf der Grundlage von Satzungen nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und unter Beachtung der nachfolgenden Absätze Gebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Nach § 6 Abs. 3 AbfG LSA sollen mit dem Gebührenmaßstab wirksame und nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung geschaffen werden. Gemäß § 5 Abs. 3a KAG LSA kann bei Einrichtungen und Anlagen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, die Benutzungsgebühr für die Leistungen so bemessen werden, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bietet (Satz 1). Die Gebühren für die Abwasserbeseitigung sowie für die Beseitigung und Verwertung von Abfällen sind grundsätzlich linear zu staffeln; die Abwassergebühren können degressiv bemessen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist (Satz 2).
- 25
§ 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA ist mit dem Verwaltungsgericht dahingehend auszulegen, dass eine degressive Staffelung von Abfallgebühren, d.h. eine Staffelung, bei der die Gebühren bei zunehmender Leistungsmenge unterproportional ansteigen, ausgeschlossen und zumindest eine lineare Staffelung vorzunehmen ist.
- 26
Zwar ist der Wortlaut der Regelung nicht eindeutig. Denn der Begriff "grundsätzlich" könnte sich zum einen allein darauf beziehen, dass in Anwendung der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG auch eine progressive Staffelung erlaubt ist und dass (nur) bei Abwassergebühren gem. § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Staffelung möglich ist. Zum anderen könnte er im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung Raum für eine degressive Staffelung der genannten Gebühren in besonderen Einzelfällen eröffnen. Auch der Wortlaut des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA lässt nicht hinreichend sicher darauf schließen, ob danach (allein) Abwassergebühren degressiv gestaffelt werden dürfen oder ob eine (eben nicht generell ausgeschlossene) degressive Staffelung bei Abwassergebühren (nur) erlaubt ist, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist.
- 27
Jedoch ergibt sich das hier vertretene Ergebnis aus der Gesetzeshistorie, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung.
- 28
Der mit Änderungsgesetz vom 15. August 2000 (GVBl. S. 526) eingeführte § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geht auf einen Gesetzentwurf der PDS vom 7. April 1999 (LT-DrS 3/1386) zurück. Zur Begründung heißt es dort: "Der Gedanke einer umweltverträglichen Wassernutzung soll sich in der Gebührenbemessung niederschlagen. Mengenrabatte auf Umweltgebrauch sollen grundsätzlich nicht zugelassen werden. Eine degressive Gebührengestaltung widerspricht diesem Anliegen und ist daher ausgeschlossen." Auch wenn der Begriff "grundsätzlich" verwendet wird und nach dem Gesetzestext bei den Abwassergebühren eine degressive Staffelung gerade nicht ausgeschlossen ist, lässt diese Begründung erkennen, dass mit der Gesetzesänderung das Ziel verfolgt werden sollte, ansonsten degressive Staffelungen generell zu untersagen.
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Die Systematik des Gesetzes spricht ebenfalls für eine solche Auslegung. § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA bestimmt als den leitenden Grundsatz, dass die Benutzungsgebühren bei Einrichtungen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, so bemessen werden dürfen, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bieten. Der Regelungszusammenhang mit dem folgenden Satz 2 macht deutlich, dass die Ermächtigung in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, die Bemessung von Benutzungsgebühren als Anreiz zu umweltschonenden Verhalten zu nutzen, durch den folgenden Satz 2 nicht eingeschränkt werden soll. Vielmehr knüpft diese Bestimmung an den Satz 1 in der Weise an, dass er die Ermächtigung im Satz 1 zu einer bindenden Verpflichtung macht, jedenfalls eine lineare Staffelung der Benutzungsgebühren vorzusehen. Dieser Mindeststandard soll nur unter den engen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA für die Abwasserbeseitigung durchbrochen und unterschritten werden dürfen (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 264/03 -, zit. nach JURIS zu einer Abwassergebühr). Der Begriff "grundsätzlich" bezieht sich danach allein auf die Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA. Dass das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt IM LSA - in seinen "Auslegungshilfen zum Kommunalabgabenrecht" (Runderlass v. 6. Juni 2001 - 33.3-10500/H) eine degressive Staffelung von Abfallgebühren in besonderen Fällen für zulässig erachtet, stellt lediglich eine abweichende Rechtsmeinung dar. Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG ist es daher nicht nur, im Sinne einer Soll-Vorschrift zu wirken, sondern eine zumindest lineare Staffelung der Abfallgebühren bindend vorzuschreiben. Dafür spricht im Abfallgebührenrecht nicht nur § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, sondern gerade auch die Regelung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA. Diese beiden Normen zielen hinsichtlich des Gebührenmaßstabes im Ergebnis darauf ab, dass für ansteigende Abfallerzeugung auch gleichermaßen ansteigende Abfallgebühren entrichtet werden. Dass eine degressive Gebührengestaltung gerade keine wirksamen und nachhaltigen Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfall setzt, sondern im Ansatz sogar den gegenteiligen Effekt hat (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 338), wird auch von der Beklagten eingeräumt.
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Sonstige Grundsätze der Gebührenbemessung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Insbesondere das von der Beklagten genannte Äquivalenzprinzip hat nicht zur Folge, dass der Landesgesetzgeber an der Untersagung einer degressiven Gebührengestaltung im Abfallrecht gehindert ist (anders wohl das IM LSA im Runderlass vom 6. Juni 2001). Das aus Verfassungsrecht herzuleitende Äquivalenzprinzip, dessen landesgesetzliche Ausprägung sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG LSA findet, besagt als Ausdruck des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich, dass eine Gebührenbemessung nicht in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stehen darf (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 6. November 2012 - 2 BvL 51/06, 2 BvL 52/06 -, jeweils zit. nach JURIS). Es darf also zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Zwar seien dem Äquivalenzprinzip Vorgaben zu entnehmen, die bei landesrechtlichen Gebührenregelungen zu beachten seien. Dem Landesrecht verblieben insoweit aber, insbesondere was die Verknüpfung der Gebührenhöhe mit den aufgewandten Kosten angehe, umfangreiche Gestaltungsspielräume (so BVerwG, Beschl. v. 27. Mai 2003 - 9 BN 3/03 -, zit. nach JURIS). Selbst wenn unbestritten bei höheren Müllmengen verbunden mit größeren Abfallbehältern eine Kostenersparnis bzw. eine Leistungsreduzierung eintritt, ist diese von vornherein nicht so erheblich, dass bei einer streng linearen Gebührenstaffelung ein das Äquivalenzprinzip verletzendes Ungleichgewicht vorliegt. Dies wird auch nicht von der Beklagten vertreten. Dementsprechend ist nach der herrschenden Meinung im Abfallgebührenrecht - bei Nichtvorliegen einer entgegengesetzten landesrechtlichen Regelung - eine degressive Gebührenstaffelung gegenüber einer linearen Steigerung nicht rechtlich geboten, sondern kann lediglich zulässig sein (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 11. Dezember 2002 - 5 D 13/02 -; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2001 - 4 N 47/96 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25. November 1999 - 12 A 12472/98 -, jeweils zit. nach JURIS; VGH Bayern, Urt. v. 6. Juni 1984 - 4 B 81 A.2310 -, BayVBl. 1985, 17, 18; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 214; 338; 754, 765; Wenzel/v. Bechtolsheim, LKV 2004, 18, 19; offen gelassen von VGH Hessen, Beschl. v. 24. August 1995 5 N 2019/92 -, jeweils zit. nach JURIS; anders VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 30. Januar 1997 - 2 S 1891/94 -, zit. nach JURIS m.w.N. für Müllgebühren je Haushaltsangehörigen bzw. je Bewohner eines Grundstücks; vgl. auch Thiem/Böttcher, KAG SH, § 6 Rdnr. 424). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat schon entschieden, dass im Benutzungsgebührenrecht weder aus dem Äquivalenzprinzip noch aus dem Gleichheitssatz ein Anspruch auf eine Gebührendegression folge (so BVerwG, Urt. v. 15. März 1983 - 8 C 167.81 -, zit. nach JURIS m.w.N.).
- 31
Die weiteren Einwendungen der Beklagten in diesem und dem Parallelverfahren sind ebenfalls nicht durchgreifend.
- 32
Aus der Verwendung der Begriffe "Beseitigung" und "Verwertung" in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA lässt sich nicht schließen, der Gesetzgeber habe bewusst nicht den Oberbegriff "Abfallentsorgung" gewählt mit der Folge, dass allenfalls für einzelne Teilleistungsbereiche ein Verbot der degressiven Gebührenstaffelung gelte. Diese beiden Begriffe hatten nach der zum Zeitpunkt der Einführung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geltenden Gesetzeslage (vgl. § 3 Abs. 7 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in der ab 11. Mai 2000 geltenden Fassung; § 12 Abs. 1 AbfG LSA vom 10. März 1998) einen umfassenden Bedeutungsgehalt und stellen daher eine Entsprechung zu dem in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA ebenfalls verwendeten Begriff "Abwasserbeseitigung" dar. Soweit die Beklagte geltend macht, die Gebührenbelastung werde bei einer linearen Gebührengestaltung auf Grund von höheren Logistikkosten insgesamt steigen, handelt es sich um eine reine Spekulation. Für die von ihr genannte Befürchtung, es werde zu einem Austausch von großen Abfallbehältern gegen (mehrere) kleinere Behälter kommen, hat sie schon keinen Anhaltspunkt genannt. Im Übrigen dürfte selbst eine solche Folge nichts an der Auslegung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA und dessen Vereinbarkeit mit sonstigen gebührenrechtlichen Grundsätzen ändern. Ob die Staffelung der Restmüllgebühr (auch) gegen die Vorgaben der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG LSA verstößt, spielt keine Rolle, weil es darauf bei einem Verstoß der Satzung gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht ankommt. Die im Übrigen von der Beklagten vorgebrachten Argumente, insbesondere die genannten Belege für eine abnehmende Kostenbelastung bzw. abnehmende Leistungserbringung bei steigenden Behältergrößen, sind zwar durchaus geeignet, auf der Ebene der Satzungsgestaltung die Einführung einer Degression zu stützen. Sie sind aber gegenüber den genannten Anhaltspunkten in der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Norm nicht ausreichend, um eine abweichende Auslegung der streitbefangenen Norm zu rechtfertigen. Angesichts der Einschränkung durch den Landesgesetzgeber ist es daher auch von vornherein unbeachtlich, dass grundsätzlich auch dem Satzungsgeber bei der Gestaltung des Gebührenmaßstabs ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt. Ob die Bestimmung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA die sachgerechteste Vorgabe für eine Gebührengestaltung beinhaltet, ist bei der Auslegung des Gesetzes schließlich nicht Gegenstand der richterlichen Prüfung. Entscheidend sind allein der objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich nach Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden darstellt, und die Untersuchung, ob die Norm in der gefundenen Auslegung wiederum mit höherrangigem (Verfassungs-)Recht vereinbar ist.
- 33
Die Regelungen zur Restmüllgebühr in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 sowie in der Abfallgebührensatzung in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009 stehen danach mit § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht in Übereinstimmung. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung ist auf Grund der Festlegung der Gebührenhöhe für die einzelnen Behältergrößen weitestgehend degressiv ausgestaltet. Die Beklagte räumt dies auch ein, und dieser Umstand wird in der von ihr vorgelegten Stellungnahme der (...) ausdrücklich bestätigt. Dass durch den Entsorgungsrhythmus keine Degression eintritt, ist danach unbeachtlich. Ob einzelne Kostenbestandteile der Restmüllgebühr je nach Behältergröße unterschiedlich hoch sind, hat für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gebührenmaßstabs von vornherein keine Bedeutung. Denn es kommt allein auf den Gebührenmaßstab bzw. die Gebührenstaffelung an und nicht auf die Gebührenkalkulation (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 3. November 2006 - 4 L 284/05 -, zit. nach JURIS).
- 34
Der aufgezeigte Mangel hat zur Folge, dass die Gebührenregelungen in der Satzung insgesamt nichtig sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt Beschl. v. 24. Februar 2012 - 9 B 80/11 -, zit. nach JURIS m.w.N.) führt die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die jeweils einzeln kalkulierten Gebührentarife blieben - jeweils für sich betrachtet - sinnvoll und ergäben eine Kostendeckung, so dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife gegebenenfalls gesondert zu regeln. Wie der erkennende Senat aber schon mehrfach entschieden hat, kann man nicht davon ausgehen, es entspreche regelmäßig dem Willen des Satzungsgebers, dass für den Fall der Unwirksamkeit eines Teils der Satzung die übrige Satzung Geltung behalte. Eine solche Regelvermutung besteht gerade nicht. Dass die Körperschaft bei Annahme einer Teilnichtigkeit befugt wäre, den nichtigen Teil der Satzung rückwirkend zu heilen, ist für die Auslegung ihres (hypothetischen) Willens ohne Bedeutung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. November 2006 - 4 L 320/06 -, Urt. v. 14. April 2008 - 4 L 181/07 - und Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 - jeweils zit. nach JURIS m.w.N.). Da die Beklagte die Abfallgebühren mit einem in sich geschlossenen und aufeinander abgestimmten Gebührensystem erhebt, dessen wesentliche Bestandteile die Personen- und Restmüllgebühr sind, ist ohne deutliche Indizien gerade nicht anzunehmen, dass bei der Nichtigkeit eines Teils dieses Gesamtgefüges der restliche Teil bestehen bleiben soll. Solche Anhaltspunkte sind aber weder substanziiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
- 35
Dass die Gebührenerhebung auf eine vorhergehende Gebührensatzung gestützt werden kann, hat die Beklagte schon nicht geltend gemacht. Es kann daher offen bleiben, ob sich die Gesamtnichtigkeit der Satzung nicht auf die Regelung über das Inkrafttreten der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 bezieht, mit der die Vorgängersatzung aufgehoben worden ist (so OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28. Januar 2009 9 A 1.07 -; VGH Bayern, Beschl. v. 26. Februar 2001 - 23 ZS 00.2999 -; Rosenzweig/Fresse, KAG Nds, § 2 Rdnr. 31 m.w.N.; a.M.: VG Potsdam, Urt. v. 8. November 2012 - 6 K 1249/11 -, jeweils zit. nach JURIS).
- 36
Nicht entschieden werden muss noch danach, ob die unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung der Kostenunterdeckung zu beanstanden ist. Da ohnehin keine Verbindung zwischen den in einem vorherigen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckungen und dem Verhalten der Gebührenpflichtigen des darauffolgenden Kalkulationszeitraums besteht (vgl. dazu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 92, 101)) und § 5 Abs. 2b Satz 2 KAG LSA nur allgemein den "Ausgleich" von Kostenunterdeckungen vorsieht, reicht es aus, wenn diese Verteilung auf die Behältergrößen nicht willkürlich erfolgt, sondern nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien vorgenommen wird, die den Gesichtspunkt der Praktikabilität einbeziehen dürfen (vgl. auch VGH Hessen, Beschl. v. 8. September 2005 - 5 N 3200/02 -, zit. nach JURIS).
- 37
Die in der Berufungserwiderung vorgebrachten Einwendungen der Kläger, die sich auf eine Verletzung des Äquivalenzprinzips beziehen, dürften dagegen von vornherein nicht durchgreifend sein. Die Kläger sehen dieses Prinzip dann als verletzt an, wenn Kosten der Abfallbeseitigung innerhalb der Personen- bzw. Restmüllgebühr auf sämtliche Gebührennutzer umgelegt werden, obwohl die entsprechenden Leistungen nicht gegenüber allen Gebührennutzern erbracht bzw. die Kosten nicht von allen Gebührennutzern verursacht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dem Satzungsgeber bei der Bestimmung des Gebührenmaßstabs für Abfallgebühren ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, dessen Grenzen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Der jeweilige Satzungsgeber kann je nach den konkreten Umständen eine Auswahl unter den verschiedensten Gebührenmodellen treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt. Zur Wahl stehen neben mengen- oder gewichtsorientierten auch personen-, haushalts- oder grundstücksbezogene Gebührenmaßstäbe; auch Kombinationen kommen in Betracht. Nach dem Äquivalenzprinzip darf nur zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Dabei verbleibt dem Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, in welcher Weise eine sachgerechte Verbindung zwischen dem Wert seiner Leistung und der auf den Anschlusspflichtigen entfallende Gebühr bewirkt werden soll, ein weiter Ermessenspielraum (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 2007 - 7 BN 6/07 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Verfassungsrechtlich geboten ist nicht, dass dem unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme staatlicher Leistung genau Rechnung getragen wird, sondern nur, dass in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit eine verhältnismäßige Belastungsgleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04 -, zit. nach JURIS). Auch sonst hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz es nicht verlangen, dass Benutzungsgebühren strikt nach dem Maß der durch die jeweilige Benutzung verursachten Kosten erhoben werden müssen. Vielmehr ist auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität hinsichtlich der Ermittlung der jeweiligen Kosten zu beachten (BVerwG, Urt. v. 7. Dezember 2000 - 11 C 7/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.). Danach ist eine pauschalierende Gebührenerhebung im Abfallrecht, die nicht strikt auf die erbrachten Leistungen bzw. entstandenen Kosten abstellt (vgl. zu einem einheitlichen Maßstab nach dem Restabfallbehältervolumen Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 765a; Rosenzweig/Freese, KAG Nds, § 5 Rdnr. 329 jeweils m.w.N.), grundsätzlich nicht zu beanstanden.
- 38
Offen bleiben kann, ob die Bekanntmachung der Ausfertigung der ersten Änderungssatzung formell ordnungsgemäß erfolgt ist. Es ist grundsätzlich unverzichtbar, dass bei einer gemeindlichen Satzung die Unterschrift des Bürgermeisters als nach der Gemeindeordnung notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens ebenso mit der Satzung veröffentlicht wird wie das Datum der Unterschriftsleistung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012 - 4 L 135/12 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Bei der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 wurde ein solcher Ausfertigungsvermerk mit der Satzung bekannt gemacht; dass die Wiedergabe der Unterschrift in Form einer "maschinengedruckten" Namensangabe erfolgte, ist ausreichend (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Dagegen genügte der bei der ersten Änderungssatzung lediglich vorgenommene Abdruck einer "Bekanntmachungsanordnung" nicht den rechtlichen Vorgaben an die Bekanntmachung eines Ausfertigungsvermerks (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Unterbleibt die Veröffentlichung des Ausfertigungsvermerks gemeinsam mit der Satzung oder ist die Veröffentlichung dieses Vermerks fehlerhaft bzw. unvollständig, kommt grundsätzlich in Betracht, dass die gesamte Satzung mit dem vollständigen Ausfertigungsvermerk im Wege einer wiederholenden Bekanntmachung nochmals veröffentlicht wird oder eine neue Ausfertigung erfolgt mit anschließender Bekanntmachung der Satzung und eines neuen Ausfertigungsvermerks. Ansonsten ist der Mangel nur dann unbeachtlich, wenn die Satzung bei der Bekanntmachung tatsächlich ausgefertigt war und die Ausfertigung der Satzung in der üblichen Form jedenfalls nachträglich bestätigt wird (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012, a.a.O.; Beschl. v. 24. November 2010 - 4 K 368/08 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 7. Juni 1978 - VII C 63.76 -, zit. nach JURIS). Eine solche Bestätigung kann einmal durch eine nachträgliche Bekanntmachung einer rechtsverbindlichen Erklärung erfolgen, dass die Satzung zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ordnungsgemäß ausgefertigt war. Diese Erklärung muss von dem zum Zeitpunkt der Erklärung amtierenden Bürgermeister abgegeben werden, weil dieser das nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA das für die Ausfertigung und Bekanntmachung von Satzungen zuständige Gemeindeorgan ist und eine derartige Erklärung eine über eine redaktionelle Berichtigung hinausgehende Ergänzung des zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts darstellt. Zum anderen kann die Bestätigung durch eine redaktionelle Berichtigung (vgl. dazu auch § 61 Abs. 3 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien) der Satzung erfolgen, mit der der - allein im Rahmen der Veröffentlichung - aufgetretene Mangel erläutert und der vollständige Ausfertigungsvermerk nochmals veröffentlicht wird. Eine derartige Berichtigung muss auch nicht durch den zum Zeitpunkt der Berichtigung amtierenden Bürgermeister unterzeichnet sein, wenngleich die Angabe der veranlassenden Verwaltung der Gemeinde zumindest als Orientierung hilfreich wäre. Die Beklagte hat in dem Amtsblatt vom 13. Februar 2013 ausdrücklich im Wege einer "Bekanntmachung" eine Erklärung zur Ordnungsgemäßheit der Ausfertigung der Satzung veröffentlicht und gleichzeitig den ursprünglichen Ausfertigungsvermerk beigefügt, ohne dass der zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung amtierende Bürgermeister die Bekanntmachung unterzeichnet hat. Es ist nach den oben dargestellten Überlegungen deshalb problematisch, ob es sich um die Bekanntmachung einer Bestätigungserklärung oder eine redaktionelle Berichtigung gehandelt hat.
- 39
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
- 40
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 41
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
- 42
Beschluss
- 43
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 87,60 € festgesetzt.
- 44
Gründe:
- 45
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
- 46
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO; 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind.
(2) Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist.
(1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlußfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
(2) Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme.
(3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform.
(4) Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlußfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Beschlußfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft.
(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß.
(2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück.
(3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwaltungsgericht
- 1.
in der Sache selbst entscheiden, - 2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(5) Verweist das Bundesverwaltungsgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 49 Nr. 2 und nach § 134 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht anhängig geworden wäre.
(6) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.
(7) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit das Bundesverwaltungsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Das gilt nicht für Rügen nach § 138 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.