Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 21. Feb. 2017 - 4 K 185/16

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2017:0221.4K185.16.0A
bei uns veröffentlicht am21.02.2017

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Normenkontrollantrages die Feststellung, dass eine am 27. September 2012 beschlossene Satzung der Antragsgegnerin, mit der für einen Teil ihres Gemeindegebietes ein Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Fernwärmeversorgung angeordnet wurde, nichtig gewesen ist.

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Die Fernwärmeversorgung wird seit 1992 durch die (…)stadtwerke GmbH mit zwei Blockheizkraftwerken (BHKW) betrieben, die auch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) einsetzen; im Jahr 2011 nahm ein neues Biomasse-BHKW den Betrieb auf. Die (...)stadtwerke GmbH ist zu 75 % Tochter der (N.) GmbH und zu 25 % der (T.) AG. Die (N.) GmbH wiederum ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, ist Eigentümerin zahlreicher im Geltungsbereich der Satzung gelegener Wohngrundstücke.

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Am 15. Oktober 2012 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gegen die am 6. Oktober 2012 bekannt gemachte Satzung gestellt und beantragt, sie für unwirksam zu erklären.

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Sie hat dazu im Wesentlichen geltend gemacht, die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs zur Verbesserung des globalen Klimaschutzes sei von § 8 Nr. 2 GO LSA nicht gedeckt. § 16 EEWärmeG als einzig in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage sei verfassungswidrig. Zudem seien die Maßgaben des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG nicht erfüllt. Weiterhin sei die Satzung zur Erreichung der Satzungsziele nicht geeignet und nicht erforderlich. Auch die in der Satzung enthaltenen Befreiungsregelungen seien unzureichend. Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs sei weiterhin deshalb unverhältnismäßig, weil die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet sei. Der abgeschlossene Betreibervertrag genüge nicht den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der wirksamen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der Kommune für den Fall, dass die Versorgung auf einen zuverlässigen Dritten übertragen werde. Die Fernwärmeversorgung werde daher nicht als öffentliche Einrichtung betrieben. Im Übrigen habe es sich jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungserlasses nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt.

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Die Antragsgegnerin ist dem Antrag umfänglich entgegengetreten und hat u.a. geltend gemacht, zwischenzeitlich sei ein Betreibervertrag zwischen der (...)stadtwerke GmbH und ihr zustande gekommen, so dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sei. Im Zweifelsfall wäre der Vertrag zudem nachzubessern.

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Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2013 hat die Antragsgegnerin u.a. mehrere Gutachten und Stellungnahmen zu einem Klimaschutz- und Energiekonzept sowie einen von ihr am 7. Dezember 2012 mit der (...)stadtwerke GmbH geschlossenen Betreibervertrag vorgelegt.

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Mit Urteil vom 10. April 2014 (- 4 K 180/12 -) hat der beschließende Senat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Antrag nur hinsichtlich der der Ordnungswidrigkeitenvorschrift des § 11 der Satzung abgelehnt und die Satzung im Übrigen für unwirksam erklärt. Die Antragsgegnerin habe es unterlassen, einen Vergleich der vom Satzungsgebiet ausgehenden CO2-Emissionen mit und ohne Anschlusszwang an die Fernwärmeversorgung durchzuführen. Die sonstigen Einwendungen der Antragstellerin müssten daher nicht mehr abschließend geklärt werden.

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Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragsgegnerin hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Mai 2015 die Revision zugelassen. Während des Revisionsverfahrens hat die Antragsgegnerin eine neue Klimasatzung beschlossen, die am 18. September 2015 in Kraft getreten ist. Gleichzeitig ist die hier streitgegenständliche Klimasatzung außer Kraft getreten.

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Mit Urteil vom 8. September 2016 (- 10 CN 1.15 -) hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Es bestehe jedenfalls mit Blick auf die erlassene Nachfolgesatzung weiterhin ein Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Frage, ob vor Erlass eines Anschluss- und Benutzungszwangs i.S.d. § 16 EEWärmeG eine Begutachtung der konkreten gesamtklimatischen Auswirkungen dieser Maßnahme geboten ist. Diese Annahme des Senats stehe mit den bundesrechtlichen Vorschriften des § 1 EEWärmeG i.V.m. Nummer VIII der Anlage nicht in Einklang. Aus diesen Vorschriften ergebe sich die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung dafür, dass Fernwärmeeinrichtungen, die den Standards der Nummer VIII der Anlage genügen, den Zwecken des Klima- und Ressourcenschutzes dienten. Ob die Fernwärmeeinrichtung der Antragsgegnerin diese Standards erfüllt habe, bedürfe ergänzender tatrichterlicher Feststellungen. Da § 16 EEWärmeG mit der Verfassung in Einklang stehe, erweist sich die Entscheidung des Senats auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

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Die Antragstellerin macht geltend, es bestehe ein Rechtsschutzinteresse, da die Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Satzung präjudizielle Wirkung für Schadensersatz-oder Entschädigungsansprüche haben könne. Zum Zeitpunkt des Satzungserlasses sei keine positive Prognose möglich gewesen, dass die durch die Fernwärmeeinrichtung verteilte Wärme im Jahresdurchschnitt dauerhaft zu mindestens 50 % aus KWK-Anlagen stamme. Dies bestätigten die seit Satzungserlass vorgelegten Testate. Da der Antragsgegnerin die Energiedaten aus dem Jahr 2011 zum Zeitpunkt des Satzungserlasses bekannt gewesen sein dürften, habe sie objektiv nicht von einer positiven Prognose ausgehen dürfen. Die von der Antragsgegnerin betriebene Fernwärmeanlage sei bereits auf Grund ihrer Strukturierung nicht geeignet, dauerhaft einen 50%igen KWK-Anteil zu erzielen. Danach müsse auf die vom TÜV-Nord verwendete Berechnungsmethode, die physikalisch nicht begründbar und „fernwärmefreundlich“ sei, nicht eingegangen werden. Zudem sei die Satzung nicht erforderlich und greife unverhältnismäßig in ihre Eigentumsgarantie ein. Darüber hinaus habe es sich bei der von der (...)stadtwerke GmbH betriebenen Fernwärmeversorgung im Zeitpunkt des Satzungserlasses nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt. Die Antragsgegnerin verfüge nur über eine mittelbare Mehrheitsbeteiligung, die ihr keinen maßgeblichen Einfluss verschaffe. Der Betreibervertrag sei erst nach Satzungsbeschluss in Kraft getreten.

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Die Antragstellerin beantragt,

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festzustellen, dass die Klimasatzung der Stadt B. vom 27. September 2012 zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme unwirksam gewesen ist.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie macht geltend, eine Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung durch Beschluss sei nicht zulässig, weil das Urteil von 2014 auf eine mündliche Verhandlung hin ergangen sei. Zudem sei der Senat schon gemäß § 144 Abs. 6 VwGO daran gehindert, dem Antrag mit dem Argument stattzugeben, dass die streitbefangene Fernwärmeversorgung keine öffentliche Einrichtung gewesen sei.

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Darüber hinaus sei die Fernwärmeversorgung bereits im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eine öffentliche Einrichtung gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Betreiber in der Rechtsform einer GmbH organisiert sei. Hinreichenden Einfluss habe die Kommune dann, wenn sie - wie sie selbst - eine Beteiligung von mehr als 50 % halte. Denn dann könne sie über § 70 Abs. 1 und 2 GB AG (gemeint wohl § 47 Abs. 1 und 2 GmbHG) ihre Position in der Gesellschafterversammlung in jedem Fall durchsetzen. Der Aufgabenkreis der Gesellschafterversammlung gem. § 46 GmbHG sei der Befugnis der Gemeinde gegenüber einem Eigenbetrieb vergleichbar. Hinzu komme, dass die (...)stadtwerke GmbH sich in § 6 des Konzessionsvertrages zur Anschluss- und Versorgungspflicht verpflichtet habe und die Fernwärmeversorgungsverträge mit dem Anschlussnehmer und Endbenutzer außerdem bundesweit einheitlich durch die AVBFernwärmeV reglementiert seien. Damit sei die pflichtgemäße Durchführung des Benutzungsrechtes und darauf basierenden Nutzungsverhältnisses, welches sie mit dem Satzungs- und damit zugleich Widmungsakt gegenüber den Benutzern eingegangen sei, garantiert.

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Es sei nicht darauf angekommen, ob der Betreibervertrag (oder eine andere adäquate rechtliche Einflussnahmemöglichkeit) mit der (...)stadtwerke GmbH zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits abgeschlossen gewesen sei. Die fehlende rechtliche Sicherung der Erfüllung könne ein Indiz gegen eine öffentliche Einrichtung sein, wenn es an einem förmlichen Widmungsakt fehle. Liege eine förmliche Widmung vor, könne diese nicht durch das Nichtvorhandensein eines Betreibervertrages oder dessen Mängel konterkariert werden. Vorliegend könne kein Zweifel bestehen, dass die Fernwärmeversorgung in B-Stadt spätestens ab Inkrafttreten der Satzung eine öffentliche Einrichtung sei. Dafür sprächen die durch Satzung ausgesprochene förmliche Widmung, die gesellschaftsrechtlich begründete Weisungsabhängigkeit der Betreiberin der Fernwärmeversorgung von ihr sowie die Zweckidentität zwischen dem Geschäftszweck der (...)stadtwerke GmbH, für die örtliche Wasser-und Energieversorgung zu sorgen, und dem typischerweise kommunalen öffentlichen Zweck der Daseinsvorsorge auf diesem Gebiet. Hinzu kämen die Pflichten aus § 6 des Konzessionsvertrages und der Umstand, dass die Fernwärmeversorgung zunächst kommunalisiert und dann in die Eigengesellschaft Stadtwerke (...)stadtwerke GmbH überführt worden sei. Eine öffentliche Einrichtung habe sogar schon spätestens seit 1992 vorgelegen. Daher sei allen an der Beschlussfassung beteiligten und diese vorbereitenden Personen klar gewesen, dass die Widmung in der Satzung insoweit deklaratorisch gewesen sei, als sie zuvor konkludent bereits erfolgt gewesen sei. Sie sei allerdings insoweit konstitutiv, als die Widmung nunmehr förmlich durch Satzung erfolgt sei. Dazu werde Zeugeneinvernahme beantragt.

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Von der Frage, ob eine Einrichtung eine öffentliche sei, sei die Frage zu unterscheiden, ob die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs unverhältnismäßig sei, wenn der Kommune hinreichende Einflussmöglichkeiten zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit fehlten. Auf Grund der bislang vorgetragenen Umstände habe sie aber über hinreichende Einflussmöglichkeiten zur Gewährung der Versorgungsmöglichkeiten verfügt. Sollte es dennoch zur Verhältnismäßigkeit der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs erforderlich gewesen sein, den Betreibervertrag zu schließen, habe die Rechtmäßigkeit der Satzung selbst davon nicht abgehangen. Vielmehr hätte gegebenenfalls nur der Anschluss- und Benutzungszwang bis Vertragsschluss nicht ausgeübt werden können. Das Fehlen des Betreibervertrages habe sich allenfalls auf den konkreten Vollzug des Anschluss- und Benutzungszwanges auswirken können.

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Im Gegensatz zur Auffassung des Senats sei der Widmungserfolg nicht nach ihrem in § 1 Abs. 5 der Satzung zum Ausdruck gekommenen Willen erst durch Abschluss des Betreibervertrages eingetreten. § 1 Abs. 1 der Satzung sei insoweit deklaratorischer Natur, als bereits zu diesem Zeitpunkt die Fernwärmeversorgung als konkludent gewidmete öffentliche Einrichtung zu betrachten gewesen sei. Wenn eine Widmung bereits erfolgt sei, habe die Satzung, die nunmehr zusätzlich auch den Anschluss- und Benutzungszwang anordne, keine aufschiebend bedingte Widmung beinhalten können. Auch der Wortlaut des § 1 Abs. 5 der Satzung gäbe dafür nichts her. Die Mitglieder des Rates hätten die Satzung beschlossen und somit die abermalige satzungsförmige Widmung als öffentliche Einrichtung gerade nicht von dem sofortigen Abschluss des Betreibervertrages abhängig gemacht. Der Beschluss sei unbedingt in der - erfüllten - Erwartung gefällt worden, dass der Abschluss des Betreibervertrages noch nachgeholt werde. Es sei darauf hingewiesen worden, dass § 1 Abs. 1 der Satzung in dem Sinne auszulegen sei, dass durch diese Bestimmung nochmals bestätigt werde, dass die bestehende Fernwärmeversorgung öffentliche Einrichtung der Stadt B. sei. Zu diesen Fragen werde jeweils Beweis angeboten und Zeugeneinvernahme beantragt.

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Im Übrigen widerspräche es dem bundesrechtlichen Rechtsstaatsprinzip, das Inkrafttreten oder Inkraftbleiben einer Satzung von dem Realakt des Betreibervertrages abhängig zu machen, dessen Abschluss zudem nicht publik werde. Dies widerspräche außerdem dem Grundsatz der Bestimmtheit. Es habe auch keinerlei Notwendigkeit dafür bestanden, das Inkrafttreten der Satzung vom Abschluss des Betreibervertrages abhängig zu machen, da bis zum Abschluss des Vertrages der satzungsmäßig angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang noch nicht in entsprechenden Anschlussverfügungen habe umgesetzt werden können.

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Die Fernwärmeeinrichtung genüge den Anforderungen der Nr. VIII der Anlage zum EEWärmeG, so dass eine unwiderlegliche Vermutung begründet sei, dass der Anschluss- und Benutzungszwang von Gebäuden an eine solche Einrichtung zum Klima- und Ressourcenschutz geeignet sei. Bei wertender Betrachtung habe der KWK-Anteil im Prinzip über 50 % gelegen und deshalb sei schon 2012 die Prognose gestattet gewesen, dass auch künftig nachhaltig der KWK Anteil über 50 % liegen werde. Selbst wenn der 50 %-Modus nicht erreicht worden sei, bestehe eine widerlegbare Vermutung der Eignung des Fernwärmenetzes. Die Differenz im Jahre 2014 sei mit rund einem Prozent so geringfügig gewesen, dass dieser einmalige Ausreißer nach unten das positive Bild der Eignung nicht infrage gestellt habe. Hinzuweisen sei auch, dass die (...)stadtwerke wesentliche Teile der Wärme mit Hilfe von Biogas erzeugten und soweit die Nr. VIII.1.a der Anlage zum EEWärmeG zur Anwendung käme.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

II.

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Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er nach Anhörung der Beteiligten eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO; vgl. dazu auch BVerwG, Beschl. v. 27. Juli 2011 - 8 PKH 4.11 - und v. 31. März 2011 - 4 BN 18.10 -, zit. nach JURIS, jeweils m.w.N.). Die Sach- und Rechtslage lässt sich anhand der Akten und der gewechselten Schriftsätze abschließend beurteilen. Auch die von der Antragsgegnerin in ihren Schriftsätzen vom 31. Januar und 15. Februar 2017 erhobenen Einwendungen stehen dem nicht entgegen.

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Es besteht im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin keine Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung, weil schon einmal eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Zwar darf das Normenkontrollgericht nach Durchführung und Schließung der mündlichen Verhandlung nicht noch in das Beschlussverfahren übergehen (so BVerwG, Beschl. v. 20. Dezember 1988 - 7 NB 3.88 -, zit. nach JURIS). Im Falle der Zurückverweisung nach erfolgreichem Beschwerdeverfahren tritt dagegen eine prozessuale Zäsur ein, durch die das Normenkontrollgericht vor eine insgesamt neue Entscheidungssituation gestellt wird. Dies schließt auch eine erneute Ermessensentscheidung darüber ein, ob auf Grund der nach Zurückverweisung gegebenen Sachlage eine - erneute oder erstmalige - mündliche Verhandlung für erforderlich gehalten wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2. Januar 2001 - 4 BN 13.00 - und v. 11. September 1991 - 4 NB 24/91 -, jeweils zit. nach JURIS).

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Der Feststellungsantrag ist teilweise unzulässig (I.), aber im Rahmen seiner Zulässigkeit begründet (II.).

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I. Die Antragstellerin hat zulässigerweise nach Ablösung der streitbefangenen Klimasatzung der Stadt B. zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme vom 27. September 2012 - KS 2012 - durch eine neue Satzung einen Feststellungsantrag gestellt.

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Schon auf Grund der Bindungswirkung (§ 144 Abs. 6 VwGO) des zurückverweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2016 ist ein derartiger Antrag grundsätzlich zulässig. Denn die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die in diesem Urteil ausdrücklich bejahte Möglichkeit für eine Fortführung des Rechtsstreits trotz Außer-Kraft-Tretens der streitigen Satzung.

28

Darüber hinaus bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Normenkontrollantrag zulässig, wenn ein Antragsteller - wie hier - weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Dieses Ergebnis folge unmittelbar aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. Februar 2004 - 7 CN 1.03 -, zit. nach JURIS). Weiterhin hat die Antragstellerin unwidersprochen substanziiert geltend gemacht, dass sie auf Grund der Unwirksamkeit der angegriffenen Satzung Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche im Hinblick auf die unterlassene Realisierung mehrerer Bauprojekte geltend machen wolle (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 2. September 1983 - 4 N 1.83 -, zit. nach JURIS). Dass diese Ansprüche offensichtlich ohne Erfolg sein werden, ist weder ersichtlich noch dargelegt, so dass ein Feststellungsinteresse gegeben ist.

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Auch war der bislang gestellte Normenkontrollantrag zulässig, da er fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Satzung gestellt worden ist und die Antragstellerin als Eigentümerin von Wohngrundstücken im Satzungsgebiet gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt war.

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Soweit sich der Antrag gegen § 11 KS 2012 richtet, ist er allerdings unzulässig. Danach stellt die Nichterfüllung der Pflichten aus den §§ 3 und 5 KS 2012 eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße in einer bestimmten Höhe geahndet werden. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im „Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit von bestimmten Rechtsvorschriften. Dies hat zur Folge, dass Vorschriften rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OwiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Februar 2005 - 7 CN 6.04 -, zit. nach JURIS; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22. August 2013 - 4 K 72/12 -, n.v.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29. September 2015 - OVG 9 A 7.14 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 6. Februar 2014 - 4 KN 2/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 6. Februar 2014 - 4 KN 2/13 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27. September 2011 - 6 S 707/10 - jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19. Juni 2007 - 1 BvR 1290/05 -, zit. nach JURIS). Da § 11 KS 2012 über die Festlegung als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeitenbestimmung keinen weiteren Regelungsinhalt hat, ist für seine Überprüfung der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet.

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II. Soweit er zulässig ist, ist der Antrag begründet.

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Die §§ 1 bis 10 sowie § 12 der KS 2012 sind ungültig gewesen (§ 10 AG VwGO LSA i.V.m. 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), da der mit der Satzung angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang (§§ 3, 5 KS 2012) an eine Einrichtung zur Fernwärmeversorgung mit höherrangigem Recht nicht zu vereinbaren war.

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Rechtsgrundlage des Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich der Fernwärmeversorgung ist § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. der ab 1. Juli 2014 geltende § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KVG LSA jeweils i.V.m. § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - EEWärmeG -. Gemäß § 8 Nr. 2 GO LSA kann die Gemeinde für Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung, Fernwärmeversorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienenden Einrichtungen und deren Benutzung durch Satzung vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt (Satz 1). Die Satzung kann Ausnahmen vom Anschluss- oder Benutzungszwang zulassen; sie kann ihn auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets und auf bestimmte Gruppen von Grundstücken oder Personen beschränken (Satz 2). Inhaltsgleiche Regelungen enthält § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA. Nach § 16 EEWärmeG, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit nach den Darlegungen in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. September 2016 keine durchgreifenden Bedenken bestehen, können die Gemeinden und Gemeindeverbände von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen.

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1. Der in den §§ 3, 5 KS 2012 angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang war deshalb nicht mit höherrangigem Recht zu vereinbaren, weil es sich bei der von der (...)stadtwerke GmbH betriebenen Fernwärmeversorgung zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung am 6. Oktober 2012 nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt hat.

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a) Der durch eine Satzung begründete Zwang, sich an eine Einrichtung anzuschließen und diese zu benutzen, ist nur dann durch § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA gedeckt, wenn es sich um eine der Gesundheit der Bevölkerung dienende Anlage handelt. Das kann nur eine öffentliche Einrichtung i. S. von §§ 8 Nr. 1, 22 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 2 GO LSA bzw. § 11 Abs. 2, § 24 Abs. 1, § 4 Satz 2 KVG LSA sein. Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem Zweck und dem systematischen Zusammenhang des § 8 Nr. 2 GO LSA bzw. des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 KVG LSA zu den vorgenannten Vorschriften (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008 - 4 K 95/07 -, zit. nach JURIS; vgl. auch OVG Sachsen, Beschl. v. 6. September 2011 - 5 B 205/10 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Eine Übertragung der Betriebsführung auf einen Privaten lässt die Verantwortung der Gemeinde für den Betrieb und dessen Charakter als öffentliche Einrichtung unberührt, wenn sie weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung hat. Sie muss die Zugangsansprüche des Personenkreises nach § 22 Abs. 1 GO LSA bzw. § 24 Abs. 1 KVG LSA gewährleisten sowie die Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse und die weitere betriebliche Entwicklung vorgeben können (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O., m.w.N.; Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 543, 544, m.w.N.; vgl. auch OVG Sachsen, Urt. v. 3. Juni 2003 - 4 D 373/99 -, zit. nach JURIS). Aus § 16 EEWärmeG ergibt sich nichts anderes, da diese Bestimmung voraussetzt, dass ein Anschluss- und Benutzungszwang an ein Netz deröffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung begründet wird. Auch besteht der Anschluss- und Benutzungszwang unmittelbar kraft Satzungsrechts, wenn die Voraussetzungen der §§ 3, 5 KS 2012 erfüllt sind und keine Befreiung erteilt worden ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. Juli 2012 - 4 L 114/12 -; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17. Mai 2016 - OVG 9 B 24.14 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 22. Juni 2011 - 2 L 261/06 -, jeweils zit. nach JURIS), so dass es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der §§ 3, 5 KS 2012 nicht ausreicht, ob eine öffentliche Einrichtung zeitlich später gebildet worden ist.

36

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung oblag die Durchführung der Fernwärmeversorgung in der Stadt B. nicht der Antragsgegnerin, sondern unstreitig der (...)stadtwerke GmbH, bei der es sich trotz der Beteiligung der Antragsgegnerin um ein Privatunternehmen handelt. Die Antragsgegnerin hatte zu diesem Zeitpunkt aber keinen maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der (...)stadtwerke GmbH.

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(1) Dass die Antragsgegnerin zu einem früheren Zeitpunkt die 100%ige Kontrolle über diese GmbH hatte, ist dazu ebenso wenig ausreichend wie der Umstand, dass die GmbH eine typisch kommunale Aufgabe wahrnahm und die Mindestversorgungsbedingungen gegenüber den Endkunden weitgehend durch die AVBFernwärmeV vorstrukturiert sind. Auch aus § 6 des Konzessionsvertrages ergeben sich keine Einflussnahmemöglichkeiten der Antragsgegnerin auf Fragen der Betriebsführung der GmbH. Die Regelung in § 1 Abs. 1 KS 2012, wonach die Antragsgegnerin als öffentliche Einrichtung eine Fernwärmeversorgung betreibt, ist auf Grund der vorgenommenen Übertragung der Durchführung der Fernwärmeversorgung auf einen Privaten für sich genommen nach den oben dargestellten Maßstäben ebenfalls nicht ausreichend. Welche Vorstellungen die an der Beschlussfassung beteiligten und diese vorbereitenden Personen hatten, ist daher von vornherein unerheblich, so dass die beantragte Zeugeneinvernahme nicht erfolgen musste. Zudem ist maßgebend der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende „objektivierte Wille“ des Satzungsgebers, also das, was dieser geregelt hat, nicht hingegen das, was er zu regeln meinte (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 14. Dezember 2015 - 4 ZB 15.1351 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10. November 2015 - 5 S 2590/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 11. Dezember 2013 - 14 A 1948/13 -. jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16. April 2013 - 4 L 102/12 -, zit. nach JURIS).

38

Dass der Antragsgegnerin durch die gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung an der (...)stadtwerke GmbH hinreichende Einflussnahmemöglichkeiten (vgl. dazu Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 544; Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, § 16 Rdnr. 30; Arndt/Hadziefendic, Die Gemeinde SH 2011, 284, 287, jeweils m.w.N.) zur Verfügung gestanden haben, hat sie trotz einer entsprechenden Rüge der Antragstellerin und der daran zweifelnden Darlegungen in dem Urteil des Senates vom 10. April 2014 nicht substanziiert geltend gemacht. Nachdem sie sich zunächst lediglich auf den am 7. Dezember 2012 mit der (...)stadtwerke GmbH geschlossenen Betreibervertrag berufen hatte, hat sie später lediglich pauschal behauptet, dass sie durch ihre gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung bereits hinreichende Einflussnahmemöglichkeiten habe. Es wäre aber Sache der Antragsgegnerin gewesen, im Einzelnen aufzuzeigen, dass sie trotz der 25%igen Beteiligung der (T.) AG maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der (...)stadtwerke GmbH hatte (vgl. auch §§ 37 Abs. 1, 45 GmbHG). Der bloße Hinweis, sie könne auf Grund des Mehrheitsprinzips des § 47 Abs. 1 und 2 GmbHG in der Gesellschafterversammlung ihre Position in jedem Fall durchsetzen, ist schon deshalb nicht ausreichend, weil sich die Rechte der Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag bestimmen (§ 47 Abs. 1 GmbHG) und nur in Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Vorschriften der §§ 46 bis 51 GmbHG Anwendung finden (§ 47 Abs. 2 GmbHG). Aus dem von der Antragsgegnerin zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juli 1989 (- 7 B 184.88 -, zit. nach JURIS) ergibt sich nichts anderes, da in dem dort entschiedenen Fall ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vorlag.

39

(2) Darüber hinaus und hierauf stellt der Senat selbständig tragend ab, war die Fernwärmeversorgung jedenfalls zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung auch auf Grund des § 1 Abs. 5 KS 2012 nicht als öffentliche Einrichtung anzusehen. Danach ist die Antragsgegnerin berechtigt, die Durchführung der Wärmeversorgung auf einen Betreiber zu übertragen (Satz 1). Sie hat in diesem Fall Sorge dafür zu tragen, dass der Betreiber die Wärmeversorgung in gleichem Umfang sicherstelle, als wenn sie die Wärmeversorgung selbst erbringen würde (Satz 2). Das Nähere regelt ein mit dem Betreiber zu schließender Vertrag (Satz 3).

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Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die Widmung als öffentliche Einrichtung bei Übertragung der Durchführung der Fernwärmeversorgung auf einen (privaten) Betreiber von dem Abschluss eines die Einflussmöglichkeiten der Antragsgegnerin sichernden Betreibervertrages abhängig war. Es handelte sich dabei, wie die Aufnahme dieser Vorschriften in den § 1 KS 2012, der ausdrücklich das Satzungsziel bestimmt, sowie der Regelungszusammenhang mit § 1 Abs. 1 KS 2012 zeigt, nicht um eine bloße Norm im Rahmen der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges, sondern um eine von der Satzung selbst angeordnete Vorgabe hinsichtlich der Widmung der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung. Die in § 1 Abs. 1 KS 2012 vorgenommene Widmung wird für die Fälle der Übertragung der Durchführung der Fernwärmeversorgung auf einen Dritten eingeschränkt. Nach der Klimasatzung der Antragsgegnerin selbst konnte daher nicht die nach Art. 1 Abs. 1 KS 2012 erfolgte Widmung und ihre Mehrheitsbeteiligung in der (...)stadtwerke GmbH zur Bildung einer öffentlichen Einrichtung führen, sondern erst der Abschluss des Vertrages vom 7. Dezember 2012, mit dem sie der Vorgabe des § 1 Abs. 5 Satz 2 KS 2012 erfüllen wollte.

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Die dagegen erhobenen Einwendungen der Antragsgegnerin sind nicht durchgreifend.

42

Der Wortlaut des § 1 Abs. 5 KS 2012 gibt für die Frage der Bedeutung der Vorschrift für die Einordnung der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung nichts her, steht der hier vertretenen Auslegung aber jedenfalls nicht entgegen. Welche subjektiven Vorstellungen die Stadtratsmitglieder bei der Beschlussfassung der Satzung hatten, ist - wie oben dargelegt - unbeachtlich, so dass es auch nicht auf die insoweit gestellten Beweisanträge und vorgebrachten Beweisangebote ankommt.

43

Die Antragsgegnerin kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 1 Abs. 1 KS 2012 lediglich deklaratorischer Natur gewesen sei, da schon eine öffentliche Einrichtung vorgelegen habe. Wenn eine Kommune in einer Satzung die ausdrückliche Widmung einer öffentlichen Einrichtung vornimmt, daran aber bestimmte Maßgaben knüpft, kommt es nicht darauf an, ob die Einrichtung nach allgemeinen Grundsätzen schon vorher als öffentlich anzusehen war.

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Die Rüge, es widerspreche dem Rechtsstaatsprinzip und dem Bestimmtheitsgrundsatz, das Inkrafttreten der Satzung von einem Realakt wie dem Abschluss eines Betreibervertrages abhängig zu machen und dazu habe - auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit - keine Notwendigkeit dafür bestanden, geht schon deshalb fehl, weil nicht das Inkrafttreten der Satzung betroffen ist, sondern allein die Einstufung der Fernwärmeversorgung als öffentliche Einrichtung und daraus folgend die Rechtmäßigkeit der §§ 3, 5 KS 2012. Zudem kann eine Widmung als öffentliche Einrichtung durchaus von der Vornahme von Realakten abhängig gemacht werden und es ist nicht entscheidungserheblich, ob eine Notwendigkeit für die Regelung des § 1 Abs. 5 KS 2012 bestand.

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Soweit die Antragstellerin geltend macht, das Fehlen des Betreibervertrages habe sich allenfalls auf den konkreten Vollzug des Anschluss- und Benutzungszwanges auswirken können und bis zum Abschluss des Vertrages hätten lediglich noch keine Anschlussverfügungen erlassen werden können, verkennt sie, dass - wie oben dargelegt - der Anschluss- und Benutzungszwang unmittelbar auf der Grundlage der Klimasatzung ohne Erlass eines Verwaltungsaktes bestehen sollte.

46

b) Dass sich das Urteil des beschließenden Senats nach der ausdrücklichen Feststellung in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellte, stellt kein Verfahrenshindernis für die nunmehr getroffene Entscheidung dar. Es handelte sich bei dieser Feststellung, die auf die Vereinbarkeit des § 16 EEWärmeG mit der Verfassung abstellt, nicht um eine rechtliche Beurteilung i.S.d. § 144 Abs. 6 VwGO zur Prüfung des Vorliegens einer öffentlichen Einrichtung. Zwar muss das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, seiner Entscheidung auch die rechtlichen Erwägungen zugrunde legen, deretwegen das Bundesverwaltungsgericht die anderweitige Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 144 Abs. 4 VwGO verneint hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 28. November 2012 - 8 C 21.11 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts bezog sich aber allein auf die entscheidungstragenden Erwägungen in dem aufgehobenen Urteil zur Auslegung des § 16 EEWärmeG. Da es sich bei den Ausführungen des beschließenden Senats zum Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung lediglich um nicht entscheidungstragende Erwägungen zu nicht revisiblen Fragen des Landesrechts handelte, waren sie von vornherein nicht Gegenstand der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, die für die Aufhebung des Urteils tragend gewesen sind. Dementsprechend fehlte es trotz des darauf abstellenden Vortrages der Antragstellerin auch an jeglichen rechtlichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zu diesen Fragen.

47

2. Die Nichtigkeit der §§ 3, 5 KS 2012, mit denen die Antragsgegnerin den Anschluss- und Benutzungszwang begründet hat, führt zur Gesamtnichtigkeit der von dem Normenkontrollantrag zulässigerweise umfassten Vorschriften (§§ 1 bis 10, 12 KS 2012). Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 26. April 2014 - 3 CN 4.13 - und v. 3. April 2008 - 4 CN 3.07 -, zit. nach JURIS; Schneider/Schoch/Bier, VwGO, § 47 Rdnr. 110, m.w.N.) nur dann nicht deren Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Die in der Klimasatzung enthaltenen Vorschriften über die Verpflichteten (§ 7 KS 2012), die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang (§ 10 KS 2012) sowie die Übergangsregelungen (§ 9 KS 2012) bauen auf die Begründung des Anschluss- und Benutzungszwangs auf und machen ohne den nichtigen Teil keinen Sinn. Die übrigen Bestimmungen bleiben zwar ohne den nichtigen Teil der Satzung sinnvoll, weil sie den Eigentümern lediglich ein Anschluss- und Benutzungsrecht einräumen (§§ 2, 4 KS 2012) sowie allgemeine Regelungen zum Satzungsziel (§ 1 KS 2012), dem Satzungsgebiet (§ 6 KS 2012), dem Begriff des Wärmebedarfs (§ 8 KS 2012) sowie dem Inkrafttreten der Satzung (§ 12 KS 2012) enthalten, die sich auch auf diese Rechte beziehen. Ein mutmaßlicher Wille der Antragsgegnerin, ein Anschluss- und Benutzungsrecht ohne gleichzeitige Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu gewähren, ist aber nicht feststellbar.

48

III. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bekanntgabe von Nr. 1 Satz 1 der Entscheidungsformel folgt aus § 47 Abs. 5 Satz 2 HS 2 VwGO.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

50

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

51

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


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Tatbestand 1 Die Antragstellerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, wendet sich gegen eine Satzung der Antragsgegnerin, mit der diese für einen Teil ihres Gemeindegebietes einen Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Fernwärmeversorgung ano

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Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Satzung der Antragsgegnerin vom 27. September 2012, mit der für einen Teil des Gemeindegebietes ein Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Fernwärmeversorgung angeordnet wird.

2

Die Fernwärmeversorgung wird seit 1992 durch die (...) GmbH mit zwei Blockheizkraftwerken (BHKW) betrieben, die auch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) einsetzen; im Jahr 2011 nahm ein neues Biomasse-BHKW den Betrieb auf. Die (...) GmbH ist zu 75 % Tochter der (N...) GmbH und zu 25 % der (T...) GmbH. Die (N...) GmbH wiederum ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, ist Eigentümerin zahlreicher im Geltungsbereich der Satzung gelegener Wohngrundstücke.

3

Am 15. Oktober 2012 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gegen die am 6. Oktober 2012 bekannt gemachte Satzung gestellt.

4

Sie macht dazu im Wesentlichen geltend, die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs zur Verbesserung des globalen Klimaschutzes sei von § 8 Nr. 2 GO LSA nicht gedeckt, auf dessen Grundlage ein derartiger Zwang nur zum Schutz der Gesundheit der (örtlichen) Bevölkerung angeordnet werden könne. Der Verbesserung der örtlichen Umweltsituation solle die angegriffene Satzung aber nicht dienen. § 16 EEWärmeG als einzig in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage sei verfassungswidrig, da dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehle. Sollte man dennoch von einer Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG ausgehen, seien Gemeinden allein dann zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs ermächtigt, wenn die Wärme nach den Maßgaben des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG bereitgestellt werde. Die Fernwärmeversorgung der (...) GmbH werde aber nicht in dem dazu notwendigen Umfang aus erneuerbaren Energien oder KWK-Anlagen gespeist. Die von der Antragsgegnerin behaupteten außergewöhnlichen Stillstandzeiten würden bestritten, da diese nicht dargelegt habe, warum die zugrundeliegenden Ereignisse jeweils außergewöhnlich sein sollten. Daneben sei ein Herausrechnen solcher Zeiten unzulässig. Es komme im Rahmen der Prüfung des §7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG auch nicht darauf an, ob sie selbst neue Gebäude errichten wolle. Außerdem plane sie im Geltungsbereich der Klimasatzung Neubauten, was der Antragsgegnerin auch bekannt sei.

5

Weiterhin sei die Satzung zur Erreichung der Satzungsziele nicht geeignet und nicht erforderlich. Unter anderem sei die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung, einen Beitrag zum Klimaschutz durch die anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien für den Wärme- und Kälteenergiebedarf öffentlicher Gebäude zu leisten, bisher - soweit erkennbar - nicht nachgekommen. Auf Grund der gesetzlichen Vorgaben zur Wärmedämmung, zur Nutzung erneuerbarer Energien und zu Energiesparmaßnahmen würden die Eigentümer von Gebäuden schon von sich aus einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Kleinanlagen in Einfamilienhäusern seien ohnehin in der Satzung generell vom Anschluss und Benutzungszwang ausgenommen.

6

Bislang sei ein Anschluss- und Benutzungszwang nicht angeordnet und offensichtlich nicht für erforderlich gehalten worden. Die Satzung diene allein der Korrektur einer unternehmerischen Fehlentscheidung der (...) GmbH, nämlich der Errichtung des Biomasse-BHKW. Bestätigt werde dies durch Äußerungen von politisch Verantwortlichen. Entgegen der Angaben der Antragsgegnerin habe das Biomasse-BHKW die installierte thermische Leistung erhöht. Es sei errichtet worden, obwohl der Wärmeabsatz seit dem Jahr 1995 rückläufig sei und bis zum Jahr 2025 ein weiterer Bevölkerungsrückgang von 20 % erwartet werde. Ob ein Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen des öffentlichen Wohls erforderlich sei, habe die Antragsgegnerin nicht einmal ansatzweise geprüft. Ein Klimaschutzkonzept, das eine umfassende lokale Gesamtstrategie auf Basis einer lokalen Energie- und CO2-Bilanz voraussetze, liege nicht vor.

7

Sie werde in ihrer Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt, da die in der Satzung enthaltenen Befreiungsregelungen unzureichend seien. Eine Befreiung scheide nach dem Wortlaut der Satzung bereits dann aus, wenn Erdgas verbrannt werde. Diese Konsequenz führe zu widersinnigen Ergebnissen. Hinsichtlich der solarthermischen Wärmeerzeugungsanlagen könne eventuell nur hinsichtlich der von ihnen erzeugten Wärmemenge eine Teilbefreiung erfolgen. Selbst dies sei unsicher, denn die Befreiungsregelung fordere als drittes kumulatives Erfordernis, dass die Wärmeerzeugungsanlage den Bedarf des Verpflichteten vollständig decke. Auch der Vergleich des Jahresprimärenergiebedarfs unter der Prämisse einer „unveränderten Gebäudehülle“ stehe im Widerspruch zu der notwendigen Gesamtbetrachtung bei der Umsetzung der klimapolitischen Regelung. Die Übergangsfristen seien nicht ausreichend, da sie bei jeder Umstellung ihrer Anlagen auf klimafreundlichere Modelle und erneuerbare Energien gezwungen sei, sich an die Fernwärmeversorgung anzuschließen. Im Übrigen betrage die Lebensdauer ihrer bereits betriebenen Anlagen durchaus 20 Jahre und mehr.

8

Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs sei auch deshalb unverhältnismäßig, weil die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet sei. Der abgeschlossene Betreibervertrag genüge nicht den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der wirksamen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten der Kommune für den Fall, dass die Versorgung auf einen zuverlässigen Dritten übertragen werde. Die Fernwärmeversorgung werde daher nicht als öffentliche Einrichtung betrieben. Im Übrigen habe es sich jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungserlasses nicht um eine öffentliche Einrichtung gehandelt.

9

Die Antragstellerin beantragt,

10

die Klimasatzung der Stadt A. vom 27. September 2012 zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme für unwirksam zu erklären.

11

Die Antragsgegnerin beantragt,

12

den Antrag abzulehnen.

13

Sie trägt vor, die Verbesserung der örtlichen Umweltsituation sei ein Satzungsziel, da die Luft vor verunreinigenden Schadstoffen geschützt werden solle. Für alle Anlagen, die zur Fernwärmeversorgung installiert seien, gelte die TA Luft und die Messergebnisse für die Emissionsbegrenzungen würden weit unterschritten. Der Luftumweltstandard von kleinen Einzelheizungsanlagen sei wesentlich geringer. Auf Grund der Reduzierung von CO2-Emissionen durch die Erzeugung von Wärme in zentralen BHKWs könne man davon ausgehen, dass auch andere bei der Verbrennung von Gas entstehende Luftschadstoffe in einem entsprechenden Verhältnis reduziert würden. Zudem werde durch die Fernwärmeversorgung auch das lokale Klima geschont.

14

Nach überwiegender Auffassung in der Literatur sei § 16 EEWärmeG verfassungskonform. Die Gesetzgebungszuständigkeit folge auf der Basis der Schwerpunktbetrachtung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 24 GG. Die von der Antragstellerin hilfsweise vorgenommene enge Auslegung des § 16 EEWärmeG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG sei nicht durchgreifend. Außerdem betreffe § 7 Nr. 3 EEWärmeG nur Eigentümer von Gebäuden, die neu errichtet würden. Die Antragstellerin könnte allenfalls dann insoweit ein Rechtschutzbedürfnis haben, wenn sie beabsichtige, innerhalb des Geltungsbereichs der Satzung neue Gebäude zu errichten. Weiterhin erfülle die Fernwärmeversorgung die Anforderungen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG. Es reiche aus, wenn die verteilte Wärme zu mindestens 50 % durch hocheffiziente KWK und erneuerbare Energien erzeugt werde. Selbst wenn man das im Biomasse-BHKW nicht verwendbare Biogas nicht mitzähle, sei diese Marke im Jahr 2012 ohne die Ausfallzeiten eines BHKW überschritten worden. Eine Nichtberücksichtigung von solchen Ausfallzeiten sei statthaft, weil Betriebsunterbrechungen durch außergewöhnliche Ereignisse nicht zu den regelmäßig wiederkehrenden Zuständen gehörten. Für das Jahr 2013 liege der vom TÜV belegte Wert infolge des überdurchschnittlich kalten Winters bei 49,7%. Ab dem 1. Januar 2014 werde schon mittels KWK mindestens 50 % der Wärme erzeugt, zudem werde dann Biomethan aus dem übergeordneten Gasnetz bezogen. Auch wenn grundsätzlich für die Rechtmäßigkeit der Satzung der Zeitpunkt ihres Erlasses maßgeblich sei, komme es hier auf die zukunftsgerichtete Konzeption der Gemeinde an. Alle Anlagen seien weiterhin hocheffizient im Sinne der gültigen europäischen Richtlinien.

15

Die Satzung sei nicht unverhältnismäßig.

16

Das von der Antragstellerin angemahnte Klimaschutzkonzept sei mittlerweile nach öffentlicher Ausschreibung erstellt. In dem Gutachten zur Integrierten Wärmenutzung würde für A-Stadt ein Energieeinsparpotenzial von 37 % ermittelt und festgestellt, dass die Fernwärme als Versorgungssystem für die CO2-Bilanz erhebliche Vorteile habe. Die Stromproduktion durch KWK senke für die Anlagen der (...) GmbH nachweislich die CO2-Emissionen. Ausweislich einer Tabelle zum durchschnittlichen Gesamtbedarf aller Sektoren nach Versorgungsart würden bei der dezentralen Verbrennung von Erdgas ca. dreimal so viel CO2 erzeugt wie bei der zentralen Verwendung von Gas bei der Erzeugung von Fernwärme. Dazu seien die Verbrauchswerte von 2009 bis 2011 ausgewertet worden. Dies verbessere sich noch durch den Einsatz von regenerativem Biogas und ab 1. Januar 2014 von Biomethan. Aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Merkblatt des Bundesumweltministeriums (BMU) ergebe sich nicht, dass ein (Teil)Klimaschutzkonzept eine umfassende lokale Gesamtstrategie auf der Basis einer lokalen Energie- oder CO2-Bilanz voraussetze. Auch seien alle inhaltlichen Anforderungen des BMU an Klimaschutz-Teilkonzepte - soweit sie die Fernwärmeversorgung beträfen - abgehandelt.

17

§16 EEWärmeG enthalte den Appell des Bundes, von der Ermächtigungsgrundlage auch Gebrauch zu machen, so dass der Anschluss- und Benutzungszwang stets erforderlich im Sinne eines dringenden Bedürfnisses sei, wenn es darum gehe, eine vorhandene Wärmeversorgung zu erhalten und, soweit noch nicht geschehen, entsprechend der Ziele der einschlägigen europarechtlichen Richtlinie einzusetzen. Gegenteiliges könne aus anderen Gesetzen nicht abgeleitet werden, sondern es gebe Vorschriften, die bundesrechtlich ausdrücklich eine Rücksichtnahme auf bestehende Fernwärmenetze anordneten.

18

Der Satzungszweck werde auch nicht verfehlt. Ihre Verpflichtung, einen Beitrag zum Klimaschutz durch die anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien für den Wärme- und Kälteenergiebedarf öffentlicher Gebäude zu leisten, greife erst, wenn in ihrem Eigentum befindliche Gebäude grundlegend renoviert würden. Der Anschluss bislang nicht angeschlossener öffentlicher Gebäude stelle keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Satzung dar. Auch trage die Antragstellerin selbst nur unsubstanziiert vor, inwieweit sie selbst bereits jetzt den Wärmebedarf teilweise mit Hilfe erneuerbarer Energien abdecke.

19

Grund für die Anordnung zum Anschluss- und Benutzungszwang sei nicht die Errichtung (bzw. Finanzierung) des Biomasse-BHKW gewesen. Durch den Bau sei keine Kapazitätserweiterung erfolgt, sondern es handele sich um den Bestandteil der Umstellung der Wärmeerzeugungsstruktur. Die installierte thermische Leistung sei tatsächlich vermindert worden, da ein veraltetes BHKW durch die Biogasanlage mit geringerer thermischer Leistung ersetzt worden sei. Außerdem werde die Biogasanlage für den thermischen Grundlastbereich eingesetzt. Dass aus Gründen des Klimaschutzes seit 1992 keine Satzung aufgestellt worden sei, sei irrelevant. Nach der Rechtsprechung des angerufenen Senats sei auf der Basis des § 8 GO LSA eine Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges allein aus globalen Klimaschutzgründen nicht möglich gewesen.

20

Soweit die Antragstellerin moniere, dass wegen der Struktur der Befreiungstatbestände alle Anlagen betroffen seien, bei denen sie in einem erheblichen Umfang erneuerbare Energien einsetze, habe sie nicht substantiiert vorgetragen, ob sie überhaupt in erheblichem Umfang ihre Gebäude, soweit sie nicht an die Fernwärme angeschlossen seien, aus erneuerbaren Energien versorge. Zudem verkenne die Antragstellerin, dass insoweit zu ihren Gunsten eine lange Übergangsfrist von 20 Jahren nach Inkrafttreten der Satzung laufe. Diese Frist sei auf die schon aus technischen Gründen erforderliche übliche Ersetzung alter Anlagen durch neue abgestimmt. Weitergehende Befreiungstatbestände seien nicht zu rechtfertigen.

21

Zwischenzeitlich sei ein Betreibervertrag zwischen der (...) GmbH und ihr zustande gekommen, so dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sei. Im Zweifelsfall wäre der Vertrag zudem nachzubessern.

22

Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2013 hat die Antragstellerin u.a. mehrere Gutachten und Stellungnahmen zu einem Klimaschutz- und Energiekonzept vorgelegt sowie einen von ihr am 7. Dezember 2012 mit der (...) GmbH geschlossenen Betreibervertrag.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

24

Der Normenkontrollantrag ist teilweise zulässig (I.) und insoweit auch begründet (II.).

25

I. Der Normenkontrollantrag ist fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der streitbefangenen Klimasatzung der Stadt A. zur öffentlichen Bereitstellung von Wärme vom 27. September 2012 - KS - gestellt worden. Die Antragstellerin ist gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, da sie unstreitig als Eigentümerin von Wohngrundstücken im Satzungsgebiet von der Satzung betroffen ist. Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin im Falle einer Unwirksamkeitserklärung der angegriffenen Satzung grundsätzlich erneut eine Satzung zur Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an eine Fernwärmeversorgungseinrichtung erlassen könnte.

26

Soweit sich der Antrag gegen §11 KS richtet, ist er allerdings unzulässig. Danach stellt die Nichterfüllung der Pflichten aus den §§ 3 und 5 KS eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße in einer bestimmten Höhe geahndet werden. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im „Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit von bestimmten Rechtsvorschriften. Dies hat zur Folge, dass Vorschriften rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren nach §47 VwGO unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OwiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Februar 2005 - 7 CN 6.04 -, zit. nach JURIS; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22. August 2013 - 4 K 72/12 -, n.v.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 6. Februar 2014 - 4 KN 2/13 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27. September 2011 - 6 S 707/10 - jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19. Juni 2007 - 1 BvR 1290/05 -, zit. nach JURIS). Da § 11 KS über die Festlegung als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeitenbestimmung keinen weiteren Regelungsinhalt hat, ist für seine Überprüfung der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet.

27

II. Der Antrag ist im Rahmen seiner Zulässigkeit begründet.

28

Die §§ 1 bis 10 sowie § 12 der angegriffenen Satzung sind ungültig (§ 10 AG VwGO LSA i.V.m. 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), da der mit der Satzung angeordnete Anschluss- und Benutzungszwang (§§ 3, 5 KS) an eine Einrichtung zur Fernwärmeversorgung mit höherrangigem Recht nicht zu vereinbaren ist.

29

Die Wirksamkeit des Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich der Fernwärmeversorgung beurteilt sich nach § 8 Nr. 2 GO LSA i.V.m. § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - EEWärmeG -. Gemäß § 8 Nr. 2 GO LSA kann die Gemeinde für Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung, Fernwärmeversorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienenden Einrichtungen und deren Benutzung durch Satzung vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt (Satz 1). Die Satzung kann Ausnahmen vom Anschluss- oder Benutzungszwang zulassen; sie kann ihn auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets und auf bestimmte Gruppen von Grundstücken oder Personen beschränken (Satz 2).

30

Danach kann ein Bedürfnis im Hinblick auf den Umwelt- oder Klimaschutz jedoch nur gegeben sein, wenn das Ziel verfolgt wird, die lokale Umweltsituation zu verbessern. Denn mit der in § 8 Nr. 2 GO LSA geschaffenen Rechtsgrundlage für die Einführung einer Fernwärmeversorgung mit Anschluss- und Benutzungszwang durch gemeindliche Satzung hat der Landesgesetzgeber die kommunale Regelungskompetenz (nur) in diesem Bereich anerkannt (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.; so auch OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007 - 4 N 70/03 -, zit. nach JURIS zu §20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ThürKO; VG Schwerin, Urt. v. 21. September 2011 - 7 A 1085/08 -, zit. nach BeckOnline zu §15 Abs. 1 KV M-V; Kahl, ZUR 2010, 395, 398, m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23. November 2005 - 8 C 14.04 -, zit. nach JURIS). Für die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs aus Zwecken des globalen Klimaschutzes ist deshalb auf §8 Nr. 2 GO LSA i.V.m. § 16 EEWärmeG als Rechtsgrundlage zurückzugreifen. Nach §16 EEWärmeG können die Gemeinden und Gemeindeverbände von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkälteversorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes Gebrauch machen.

31

1. Ein dringendes öffentliches Bedürfnis i.S.d. §8 Nr. 2 GO LSA für die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwanges an die Fernwärmeversorgung ist nicht hinreichend festgestellt.

32

Bei der Feststellung, ob ein dringendes öffentliches Bedürfnis besteht, räumt der Landesgesetzgeber der Gemeinde einen vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum ein (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008 - 4 K 95/07 -, zit. nach JURIS; Klang/Gundlach/Kirchmer, GO LSA, 3. A., § 8 Rdnr. 5; Lübking/Beck, GO LSA, § 8 Rdnr. 12, 13; vgl. weiter Ennuschat/Volino, CuR 2009, Fn. 20, m.w.N. auch zur Gegenmeinung; a.M.: Wiegand, Kommunalverfassungsrecht Sachsen-Anhalt, § 8 GO LSA, Nr. 5; zum dortigen Landesrecht OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007 - 4 N 70/03 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 21. August 2002 - 2 L 30/00 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18. März 2004 - 1 S 2261/02 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; offen gelassen von OVG Sachsen, Urt. v. 18. Dezember 2007 - 4 B 541/05 -, zit. nach JURIS).

33

Mit der in § 8 Nr. 2 GO LSA verwendeten Formulierung „wenn sie (d. h. die Gemeinde) ein dringendes Bedürfnis… feststellt“ betont der Gesetzgeber die Kompetenz der Gemeinde zur Entscheidung dieser Frage. Weil der Rat beim Erlass der Satzung ohnehin das dringende öffentliche Bedürfnis als Voraussetzung der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu prüfen hat, kann die Betonung der Rolle der Gemeinde, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis feststellt, nur im Sinne einer Einräumung eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungsspielraumes gedeutet werden (OVG Niedersachsen, Urt. v. 8. Januar 1991 - 9 L 280/89 -; i.E. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28. November 1986 - 22 A 1206/81 -, jeweils zit. nach JURIS; vgl. weiter OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 5. November 2001 - 1 L 374/01-, n.v.). Die Vorschrift des § 8 Nr. 2 GO LSA ist der entsprechenden Vorschrift der Niedersächsischen Gemeindeordnung nachgebildet worden. Der dortige Landesgesetzgeber wollte mit der Novellierung der Vorschrift im Jahre 1991, wonach nur noch der Ortsgesetzgeber selbst das Vorliegen eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses feststellt, ausdrücklich ausschließen, dass die Verwaltungsgerichte das Merkmal „dringendes öffentliches Bedürfnis“ als unbestimmten Rechtsbegriff auslegen, welcher der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Ziel dieser Gesetzesänderung war die Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte und die Erleichterung der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs durch die Gemeinde (OVG Niedersachsen, Urt. v. 8. Januar 1991, a.a.O.). Diese Auslegung ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auf das hiesige Landesgesetz zu übertragen. Der gerichtlichen Beurteilung unterliegt demzufolge nur die Frage, ob die Gemeinde bei der Feststellung eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses nach den vorgegebenen örtlichen Verhältnissen den Sinn und Zweck der gesetzlichen Grundlage erkannt hat und die Anordnung des Zwanges nicht unverhältnismäßig erscheint (so auch schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.).

34

Nach § 1 Abs. 2 KS dient die Fernwärmeversorgung in Umsetzung des Klimaschutzprogrammes 2020 des Landes Sachsen-Anhalt sowohl dem Schutz der Luft vor verunreinigenden Schadstoffen als auch dem Schutz des Klimas vor klimaschädigenden Treibhausgasen. Durch den Einsatz leistungsstarker Filter und durch Verwirklichung eines möglichst hohen Versorgungsgrads soll der Ausstoß von Luftschadstoffen im Vergleich zu einer Wärmeversorgung mit Einzelfeueranlagen verringert werden (§ 1 Abs. 3 KS). Außerdem soll durch den Einsatz hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und durch Verwirklichung eines möglichst hohen Versorgungsgrads bei globaler Betrachtung der Ausstoß von CO2-Emissionen im Vergleich zu einer Wärmeversorgung mit Einzelfeueranlagen verringert werden (§ 1 Abs. 4 KS).

35

a) Ob sich ein dringendes öffentliches Bedürfnis für den Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen des Klimaschutzes i.S.d. § 16 EEWärmeG ergibt, hat die Antragsgegnerin nicht hinreichend ermittelt.

36

(1) § 16 EEWärmeG ist zwar entgegen der Ansicht der Antragstellerin verfassungsgemäß.

37

Auch wenn die in den Gemeindeordnungen enthaltenen Vorschriften über den Anschluss- und Benutzungszwang zu dem der ausschließlichen Regelungskompetenz der Länder unterliegenden Kommunalrecht zählen (so BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 1997 - 8 B 234.97 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Ennuschat/Volino, CuR 2009, 90, 94, m.w.N.), ergibt sich die Befugnis des Bundesgesetzgebers zum Erlass dieser Vorschrift aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG.

38

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geschieht die Zuordnung einer bestimmten Regelung zu einer Kompetenznorm anhand von unmittelbarem Regelungsgegenstand, Normzweck, Wirkung und Adressat der zuzuordnenden Norm sowie der Verfassungstradition. Für die Auslegung hat daher auch die bisherige Staatspraxis großes Gewicht. Bei der Zuordnung einzelner Teilregelungen eines umfassenden Regelungskomplexes zu einem Kompetenzbereich dürfen die Teilregelungen nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und für sich betrachtet werden. Kommt ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Kompetenzbereichen in Betracht, so ist aus dem Regelungszusammenhang zu erschließen, wo sie ihren Schwerpunkt haben. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, wie eng die fragliche Teilregelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden ist. Eine enge Verzahnung und ein dementsprechend geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung sprechen regelmäßig für ihre Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung (so BVerfG, Urt. v. 12. März 2008 - 2 BvF 4/03 -, zit. nach JURIS m.w.N.)

39

In Anwendung dieser Grundsätze ist eine konkurrierende Kompetenz des Bundesgesetzgebers jedenfalls aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG zu bejahen (so auch VG Schwerin, Urt. v. 21. September 2011, a.a.O.; Tomerius, ER 2013, 61, 63; Kahl, ZUR 2010, 399, m.w.N.; Ekardt/Heitmann, ZNER 2009, 354; Klemm, CuR 2008, 124, 129 f.). Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG betrifft u.a. die Luftreinhaltung, also den Schutz von Mensch und Umwelt vor nachteiligen Veränderungen der Luft im Sinne von § 3 Abs. 4 BImSchG (VGH Bayern, Urt. v. 30. Januar 2014 - 22 B 13.1709 -, zit. nach JURIS; Maunz/Dürig, GG, Art. 74 Rdnr. 251; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. A., Art. 74 Rdnr. 311). Der Begriff der Luftreinhaltung umfasst nach seiner Wortbedeutung sowie seinem Sinn und Zweck auch den Klimaschutz (vgl. von Münch/Kunig, GG, 6. A., Art. 74 Rdnr. 107; Kahl, VwBlBW 2011, 55 m.w.N.) bzw. die Verhinderung des Anstiegs der CO2-Konzentration in der Luft (vgl. Ennuschat/Volino, CuR 2009, 94 m.w.N.; vgl. auch Ekardt/Heitmann, ZNER, 346, 354). Der Schwerpunkt der Regelung des § 16 EEWärmeG ist aber im Klimaschutz und nicht in der Ausgestaltung des Anschluss- und Benutzungszwang begründet (vgl. Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 542; Kahl, VwBlBW 2011, 55; Ennuschat/Volino, CuR 2009, 90, 94; vgl. auch Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, Einleitung Rdnr. 116, §16 Rdnr. 14; Wustlich, NVwZ 2008, 1041, 1045; zweifelnd: Arndt/Hadziefendic, Die Gemeinde SH, 2011, 284, 285). Denn Gegenstand des §16 EEWärmeG ist nicht der Anschluss- und Benutzungszwang als solcher. Vielmehr überlässt die Norm die Regelung der Voraussetzungen sowie der Rechtsfolge eines Anschluss- und Benutzungszwangs nach wie vor dem Kommunalrecht und damit dem Landesgesetzgeber. § 16 EEWärmeG ermöglicht allein, dass die Gemeinden auch aus Klimaschutzgründen von diesem Instrument Gebrauch machen können. Damit wird lediglich eine Regelungslücke geschlossen und eine Ergänzung zu den sonstigen im EEWärmeG enthaltenen Klimaschutzmaßnahmen (Nutzungspflichten nach den §§ 3 ff. sowie Förderregelungen in den §§ 14 ff.) geschaffen. Selbst wenn erst durch diese bundesrechtliche Vorschrift die Gemeinden aus Gründen des Klimaschutzes einen Anschluss- und Benutzungszwang anordnen dürfen, wird damit nur eine klimaschutzfreundliche Ausgestaltung dieses Instruments herbeigeführt, ohne die landesrechtlich eingeräumten Befugnisse der Gemeinden auszuhöhlen.

40

Die von der Antragstellerin erhobenen Einwendungen sind nicht durchgreifend. § 16 EEWärmeG ist schon infolge seiner auch von der Antragstellerin nicht in Frage gestellten Zweckbestimmung - Klimaschutz - und seiner Ergänzungswirkung ein hinreichend eng verzahnter Teil der Gesamtregelung des EEWärmeG. Dass das Primat der Länderzuständigkeit einen Schutz der Landesgesetzgebung verlange und ein kompetenzrechtliches Rücksichtnahmegebot beinhalte, so dass die Art. 73 ff. GG eng auszulegen seien, lässt sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon nicht entnehmen. Jedenfalls wäre auch dann angesichts der eindeutigen Zielstellung des § 16 EEWärmeG keine abweichende Auslegung geboten. Dass die Norm keine Entsprechung in den Gesetzen der meisten Bundesländer hat und eine Rechtsgrundlage in der Richtlinie 2009/28/EG fehlt, steht einer Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 GG nicht entgegen. Politische Motive waren, wie die Antragstellerin es selbst feststellt, gerade nicht Teil der Gesetzesbegründung.

41

Ob noch zusätzlich oder sogar vorrangig eine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gegeben ist (so Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 542; Kahl, VwBlBW 2011, 55; Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, Einleitung Rdnr. 114, 115 m.w.N. in Fn. 307; vgl. auch Ennuschat/Volino, a.a.O., Fn. 49, m.w.N.), kann danach offen bleiben.

42

§ 16 EEWärmeG ist mit Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG vereinbar, wonach es dem Bund verwehrt ist, den Gemeinden und Gemeindeverbänden durch Bundesgesetz Aufgaben zu übertragen (vgl. Tomerius, ER 2013, 61, 63; Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 542; Kahl, VwBlBW 2011, 53, 56; Ennuschat/Volino, a.a.O., S. 95; Ekardt/Heitmann, ZNER 2009, 346, 354). Der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Ansicht des Bundesrates (BT-Drs 16/8149, S. 37; BR-Drs 9/08, S. 13; so auch Arndt/Hadziefendic, Die Gemeinde SH, 2011, 285), es liege eine Aufgabenübertragung im weiteren Sinn vor, da den Kommunen zumindest aufgegeben werde, verantwortungsvoll über den Gebrauch der Ermächtigung zu entscheiden und gegebenenfalls tätig zu werden, ist nicht zu folgen.

43

Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG hat den Zweck, Kommunen davor zu schützen, dass ihnen der Bund Aufgaben zuweist, nicht aber die zur Erfüllung notwendigen Mittel (vgl. VGH Bayern, Urt. v. 30. Januar 2014 - 22 B 13.1709 -, zit. nach JURIS; von Münch/Kunig, GG, 6. A., Art. 84 Rdnr. 28; Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdnr. 155). Selbst wenn man den Anwendungsbereich der Norm im Hinblick auf den Aufgabenbegriff erweitert bzw. zusätzliche Regelungszwecke (Schutz der Autonomie von Ländern und Kommunen) annimmt (vgl. von Münch/Kunig, a.a.O., Art. 84 Rdnr. 28; Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 84, Rdnr. 155; Kahl, VwBlBW 2011, 53, 56 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 4. Mai 2010 - 2 BvL 8 u. 9/07 -, zit. nach JURIS zum Aufgabenbegriff nach Art. 87d Abs. 2 GG), muss es sich für eine Anwendbarkeit des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG im Kern um eine neue rechtliche Verpflichtung der Kommunen handeln. Eine solche Verpflichtung enthält § 16 EEWärmeG gerade nicht, sondern nur eine rechtliche Option für die Kommunen. Diese sind auch nicht gehalten, hinsichtlich aller ihnen zustehenden, rechtlichen Optionen eine ausdrückliche Entscheidung zu treffen, ob sie diese wahrnehmen.

44

(2) Zur Feststellung eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses reicht es allerdings auch unter der Geltung des § 16 EEWärmeG nicht aus, dass in der Satzung der Klimaschutz als Ziel des Anschluss- und Benutzungszwanges lediglich benannt wird. § 16 EEWärmeG führt lediglich dazu, dass der (überörtliche) Klimaschutz in die Liste der öffentlichen Belange in der Gemeindeordnung eingereiht worden ist (vgl. Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 545; Ennuschat/Volino, CuR 2009, 94).

45

Zwar ist die Fernwärmeversorgung nach derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnissen bei globaler Betrachtung und unter Einbeziehung ersparter Kraftwerksleistung an anderer Stelle generell dazu geeignet, den Schadstoffausstoß beachtlich zu verringern (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 25. Januar 2006 - 8 C 13.05 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5. Januar 2005 - 2 LB 62/07 -, jeweils zit. nach JURIS). Diese Eignung beruht im Wesentlichen darauf, dass das Wärmenetz von Erneuerbare-Energie-Anlagen oder KWK-Anlagen gespeist wird (vgl. Tomerius, ER 2013, 65; Kahl, VwBlBW 2011, 54). Ob der aus globaler Sicht bestehende grundsätzliche Vorteil von mit erneuerbaren Energien oder aus KWK gespeisten Blockheizkraftwerken gegenüber Einzelfeuerungsanlagen im Satzungsgebiet auch konkret umgesetzt wird, bedarf der Darlegung der Gemeinde. Der Anschluss- und Benutzungszwang wird erst durch die möglichen Auswirkungen des Verzichts dieser Regelung auf das gesamte Satzungsgebiet gerechtfertigt. Ohne Erfolg hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, infolge der generellen Eignung einer zentralen Fernwärmeversorgung sei eine verpflichtende Emissionsermittlung von vornherein entbehrlich. Ein pauschaler Verzicht auf die dem Satzungsgeber obliegende „Feststellung“ eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses durch eine vergleichende Ermittlung der CO2-Emissionen (wie z.B. von der Stadt Querfurt für eine entsprechende Satzung veranlasst) entspricht nicht der Intention des Gesetzes. Denn es kommt entscheidend sowohl auf die konkreten Verhältnisse im Satzungsgebiet als auch die tatsächliche CO2-Bilanz der bei der Fernwärmeversorgung verwendeten zentralen Anlagen an. Es steht schon nicht von vornherein automatisch fest, dass überhaupt ein Vorteil durch einen Anschluss- und Benutzungszwang zu erwarten ist. Darüber hinaus hängt eine sachgerechte Entscheidung zur Feststellung eines dringenden öffentlichen Bedürfnisses auch davon ab, in welchem Umfang Reduzierungen bei den CO2-Emissionen zu erwarten sind. Von der Gemeinde zu ermitteln ist daher, in welchem Umfang eine Fernwärmeversorgung unter der Geltung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu einer Reduzierung von CO2-Emissionen führt (so im grundsätzlichen Ansatz auch OVG Schleswig-Holstein v. 21. August 2002 - 2 L 30/00 -, zit. nach JURIS; i.E. auch Urt. v. 5. Januar 2005 - 2 LB 62/04 -, jeweils zu einer landesrechtlichen Ermächtigung; vgl. weiter Tomerius, ER 2013, 65).

46

Eine vergleichende, auf die Auswirkungen des Anschluss- und Benutzungszwangs gerichtete Betrachtung der CO2-Emissionen im Satzungsgebiet hat die Antragsgegnerin nicht vorgenommen. Dies hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung letztlich eingeräumt. Solche Ermittlungen mit entsprechenden Nachweisen ergeben sich - unabhängig davon, dass sich aus deren Erstellung nach Inkrafttreten der Satzung ohnehin erhebliche Bedenken an ihrer Verwertbarkeit ergeben - auch nicht aus den vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen zu dem Klimaschutz- und Energiekonzept der Antragsgegnerin. In dem Teilkonzept „Integrierte Wärmenutzung“ wird lediglich die CO2-Bilanz der Wärmeversorgung in A-Stadt im Ist-Zustand ermittelt und allgemein eine Potentialanalyse zur Minderung des Energieverbrauchs und der CO2-Bilanz vorgenommen sowie eine Erörterung der abzuleitenden Klimaschutzziele und der Einzelmaßnahmen mit einer Darstellung der Entwicklung der CO2-Emissionen bis 2030. Eine konkrete Vergleichsberechnung fehlt. Diese findet sich auch nicht in dem „Integrierten Stadtentwicklungskonzept“ oder den sonstigen vorgelegten Unterlagen. Ohne Erfolg stellt die Antragsgegnerin darauf ab, dass ausweislich des Gutachten zur „Integrierten Wärmenutzung“ nach dem durchschnittlichen Gesamtbedarf aller Sektoren nach Nutzungsart aus der dezentralen Verbrennung von Erdgas gegenüber der zentralen Verwendung in der Fernwärmeversorgung pro 100000 Megawattstunden Wärme dreimal mehr Tonnen emittiertes CO2 resultierten. Der pauschale Vergleich zwischen der Verbrennung von Erdgas in zentralen und dezentralen Anlagen stellt ersichtlich keine Prüfung dar, in welchem Umfang eine Fernwärmeversorgung unter der Geltung des Anschluss- und Benutzungszwanges zu einer Reduzierung von CO2-Emissionen führt. Zudem bezieht sich der in dem Gutachten vorgenommene Vergleich auf das gesamte Stadtgebiet und nicht nur auf das deutlich geringere Satzungsgebiet und ist daher von vornherein unbrauchbar.

47

Es gibt daher schon keine Ermittlungen und auch keinen Nachweis der Antragsgegnerin dafür, dass durch einen Anschluss- und Benutzungszwang die überörtliche CO2-Belastung durch die Fernwärmeversorgung im Vergleich zum Betrieb von Einzelfeuerungsanlagen nennenswert gesenkt werden kann. Räumt der Gesetzgeber der Behörde einen vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum ein, muss sie der damit einhergehenden besonderen Verantwortung gerecht werden. Das bedeutet, dass sie den ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt vollständig und zutreffend ermitteln muss, was vom Gericht zu überprüfen ist (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 10. Mai 2013 - 10 ME 21/13 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10. Juli 2013 - 1 B 44/13 -, jeweils zit. nach JURIS m.w.N.; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rdnr. 62 i.V.m. Rdnr. 7, 8). Jede auf der Grundlage eines unvollständigen oder nicht zutreffend ermittelten Sachverhaltes getroffene Beurteilungsentscheidung ist fehlerhaft und aufzuheben. Es kommt nicht darauf an, ob sie eventuell aus anderen Gründen vertretbar wäre. Das Gericht ist zu weiterer Sachverhaltsaufklärung nicht gehalten, weil es wegen des Rechts der Behörde, den vollständig ermittelten Sachverhalt zu werten, die Sache nicht spruchreif machen darf (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.).

48

(3) Die weitere Frage, ob § 16 EEWärmeG dahingehend auszulegen ist, dass Gemeinden nur dann zur Begründung eines Anschluss- und Benutzungszwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärmeversorgung ermächtigt sind, wenn die Wärme nach den Maßgaben von § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG bereit gestellt wird, bzw. der Anschluss- und Benutzungszwang nur dann als im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung geeignet anzusehen ist, muss hier nicht abschließend geklärt werden.

49

Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG gilt die Plicht von Eigentümern neu errichteter Häuser nach § 3 Abs. 1 EEWärmeG zur Deckung ihres Wärmeenergiebedarfs durch die anteilige Nutzung von Erneuerbaren Energien als erfüllt, wenn sie Fernwärme nach Maßgabe der Nr. VIII der Anlage zu EEWärmeG beziehen und ihren Bedarf zu einem bestimmten Anteil decken. Zwar stehen einer Verknüpfung mit der Vorgabe des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG i.V.m. Nr. VIII der Anlage zum EEWärmeG der Wortlaut des §16 EEWärmeG entgegen sowie der Umstand, dass eine im Gesetzgebungsverfahren angeregte Erweiterung des § 16 EEWärmeG gerade nicht umgesetzt wurde und die Gesetzesbegründung (BT-Drs 16/8149, S. 29) ausdrücklich davon spricht, dass die Regelung „insbesondere“ für ein Netz Anwendung finden könne, in dem Endenergie anteilig aus Erneuerbaren Energien oder überwiegend aus KWK-Anlagen nach Maßgabe der Gesetzesanlage stammt (vgl. Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, § 16 Rdnr. 55, 57; Ennuschat/Volino, CuR 2009, 95). Auch wäre damit eine Einschränkung der Anwendbarkeit des § 16 EEWärmeG verbunden (Ennuschat/Volino, CuR 2009, 95). Jedoch sprechen sowohl die Gesetzessystematik des EEWärmeG als auch Sinn und Zweck der §§ 7,16 EEWärmeG für eine derartige einheitliche Auslegung bzw. eine entsprechende Verpflichtung aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, §16 Rdnr. 53, 54; Wustlich, ZUR 2008, 119; i.E. wohl auch Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 545; Dengler, KommP BY 2010, 300, 301).

50

Geht man davon aus, dass die Fernwärmeeinrichtung in Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG der Vorgabe der Nr. VIII der Anlage zum EEWärmeG entsprechen muss, haben die Anlagen der (...) GmbH jedenfalls nach der Aktenlage zumindest in den Jahren 2012 und 2013 nicht die Voraussetzungen der Nr. VIII Satz 1 Buchst. c oder d der Anlage zum EEWärmeG erfüllt. Danach muss die in dem Wärmenetz insgesamt verteilte Wärme zu mindestens 50 % aus KWK-Anlagen (c) oder zu mindestens 50 % durch eine Kombination der in den Buchstaben a bis c genannten Maßnahmen stammen (d). Nach dem Gesetzeswortlaut ist auf die tatsächlich erfolgende Wärmeverteilung im Netz abzustellen und diese muss auch ständig, d.h. grundsätzlich jeden Tag, die prozentmäßigen Vorgaben erfüllen. Ausweislich der von der (...) GmbH erarbeiteten Tabelle im Verwaltungsvorgang lag im Jahr 2012 der Anteil der KWK und des in dem Biogas-BHKW verbrauchten Biogases - einen reibungslosen Betriebsablauf unterstellt - bei ca. 51%, bei zusätzlicher Berücksichtigung des in einem Kessel verwendeten Biogases bei ca. 52 %. Grundsätzlich ist es sachgerecht, die Anteile i.S.d. Nr. VIII Satz 1 der Anlage zum EEWärmeG nach den Anteilen der jeweiligen Energieart an den im Netz zur Verfügung gestellten Kilowattstunden zu bestimmen. Allerdings ergeben sich die Werte von 51 % bzw. 52% nur bei einer Gesamtbetrachtung über das ganze Jahr. In einzelnen Monaten (Januar bis März, November und Dezember) lag der maßgebliche Anteil - teilweise deutlich - unter 50 %, so dass schon deshalb die in Nr. VIII Satz 1 Buchst. c oder d der Anlage zum EEWärmeG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ohne dass die Frage geklärt werden muss, ob es auf den tatsächlichen oder einen fiktiven, reibungslosen Betriebsablauf ankommt. Für das Jahr 2013 lag der maßgebliche Wert schon nach dem Vorbringen der Antragstellerin bei lediglich 49,7 %.

51

b) Es kann ebenfalls offen bleiben, ob sich die Satzung auf Grund der Regelungen in §1 Abs. 3 KS auch auf die Verbesserung der lokalen Umweltsituation richtet. Dagegen spricht die Bezeichnung der Satzung als „Klimasatzung“ und die Bezugnahme in § 1 Abs. 2 KS auf das Klimaschutzprogramm 2020 des Landes Sachsen-Anhalt. Jedenfalls aber führt schon das fehlende öffentliche Bedürfnis i.S.d. § 8 Nr. 2 GO LSA für das hauptsächliche Ziel einer Satzung oder für eines mehrerer gleichrangiger Ziele, das mit dem angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang verfolgt werden soll, zur Fehlerhaftigkeit der Satzung. Selbst wenn ein Satzungsgeber für den Anschluss- und Benutzungszwang aus verschiedenen, gleichrangigen Gründen ein dringendes öffentliches Bedürfnis annimmt, ist bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass dieses Bedürfnis nur bei Vorliegen aller Gründe besteht.

52

Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin auch nicht hinreichend ermittelt, ob durch den Anschluss- und Benutzungszwang eine geringere örtliche Schadstoffbelastung in der Luft im Satzungsgebiet zu erwarten und durch den damit verbundenen Schutz der in § 8 Satz 1 Nr. 2 GO LSA genannten Gesundheit der Bevölkerung ein dringendes öffentliches Bedürfnis gegeben ist.

53

Grundsätzlich kann die Fernwärmeversorgung schon auf Grund der Möglichkeit des Einsatzes von besseren Schadstofffiltern hinsichtlich der örtlichen Schadstoffbelastung einen Anschluss- und Benutzungszwang rechtfertigen (vgl. Kahl, ZUR 2010, 399, Fn. 76; Kahl/Schmidtchen, ZNER 2011, 35 ff.). Für die Annahme, dass die Fernwärmeversorgung per se dieses Ziel erreicht, bestehen allerdings keine greifbaren Anhaltspunkte. Die Senkung der Abgasemissionen hängt vielmehr von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten (z.B. Tallage oder besondere Industrieansiedlungen) ab (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18. März 2004, a.a.O.; OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007, a.a.O.; VG Schwerin, Urt. v. 21. September 2011, a.a.O.; Ennuschat/Volino, CuR 2009, 91).

54

Es gibt jedoch keine Ermittlungen der Antragsgegnerin dahingehend, ob und in welchem Umfang die örtliche Luftschadstoffbelastung durch die Fernwärmeversorgungseinrichtung im Vergleich zum Betrieb von Einzelfeuerungsanlagen gesenkt werden kann. Solche Ermittlungen mit entsprechenden Nachweisen ergeben sich ebenfalls nicht aus den vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen zu dem Klimaschutz- und Energiekonzept der Antragsgegnerin. Dieses Konzept besteht wiederum aus Klimaschutz-Teilkonzepten und orientiert sich offensichtlich an Vorgaben des Bundesumweltministeriums hinsichtlich des Klimawandels durch den Ausstoß von CO2-Emissionen. Auch in der Antragserwiderung verweist die Antragsgegnerin lediglich pauschal darauf, dass für die Anlagen der (...) GmbH strengere Umweltschutzregelungen gelten würden und die Anlagen die Emissionsbegrenzungen weit unterschritten. Ihre Aussage, der Luftumweltstandard von kleineren Einzelheizungsanlagen sei wesentlich geringer, mag grundsätzlich zutreffend sein, ist aber als Nachweis nicht ausreichend. Gleiches gilt für ihr Vorbringen, infolge der Verringerung von CO2-Emissionen durch eine zentrale Erzeugung von Wärme sei davon auszugehen, dass bei der Verbrennung von Gas entstehende Luftschadstoffe in einem entsprechenden Verhältnis reduziert würden.

55

2. Die Nichtigkeit der §§ 3, 5 KS, mit denen die Antragsgegnerin den Anschluss- und Benutzungszwang begründet hat, führt zur Gesamtnichtigkeit der von dem Normenkontrollantrag zulässigerweise umfassten Vorschriften (§§ 1 bis 10, 12 KS). Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 3. April 2008 - 4 CN 3.07 -, zit. nach JURIS) nur dann nicht deren Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Die in der Klimasatzung enthaltenen Vorschriften über die Verpflichteten (§7 KS), die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang (§ 10 KS) sowie die Übergangsregelungen (§ 9 KS) bauen auf die Begründung des Anschluss- und Benutzungszwangs auf und machen ohne den nichtigen Teil keinen Sinn. Die übrigen Bestimmungen bleiben zwar ohne den nichtigen Teil der Satzung sinnvoll, weil sie den Eigentümern lediglich ein Anschluss- und Benutzungsrecht einräumen (§§ 2, 4 KS) sowie allgemeine Regelungen zum Satzungsziel (§ 1 KS), dem Satzungsgebiet (§ 6 KS), dem Begriff des Wärmebedarfs (§ 8 KS) sowie dem Inkrafttreten der Satzung (§ 12 KS) enthalten, die sich auch auf diese Rechte beziehen. Ein mutmaßlicher Wille der Antragsgegnerin, ein Anschluss- und Benutzungsrecht ohne gleichzeitige Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu gewähren, ist aber nicht feststellbar.

56

3. Auf die im Übrigen erhobenen Einwendungen der Antragstellerin kommt es nicht mehr an. Insoweit gibt der Senat zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten folgende Hinweise:

57

a) Problematisch ist, ob es sich bei der von der (...) GmbH betriebenen Fernwärmeversorgung zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt um eine öffentliche Einrichtung gehandelt hat.

58

Der durch eine Satzung begründete Zwang, sich an eine Einrichtung anzuschließen und diese zu benutzen, ist nur dann durch § 8 Nr. 2 GO LSA gedeckt, wenn es sich um eine der Gesundheit der Bevölkerung dienende Anlage handelt. Das kann nur eine öffentliche Einrichtung i. S. von §§ 8 Nr. 1, 22 Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 2 GO LSA sein (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O.; vgl. auch OVG Sachsen, Beschl. v. 6. September 2011 - 5 B 205/10 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Eine Übertragung der Betriebsführung auf einen Privaten lässt die Verantwortung der Gemeinde für den Betrieb und dessen Charakter als öffentliche Einrichtung unberührt, wenn sie weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung hat. Sie muss die Zugangsansprüche des Personenkreises nach § 22 Abs. 1 GO LSA gewährleisten sowie die Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse und die weitere betriebliche Entwicklung vorgeben können (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. April 2008, a.a.O., m.w.N.; Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 543, 544 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 6. April 2005 - 8 CN 1.04 -, zit. nach JURIS; OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007 -, a.a.O.).

59

Ob der Antragsgegnerin schon durch die gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung an der (...) GmbH hinreichende Einflussnahmemöglichkeiten i. S. einer formellen Privatisierung (vgl. dazu Böhm/Schwarz, DVBl. 2012, 544; Müller/Oschmann/Wustlich, EEWärmeG, 2010, § 16 Rdnr. 30; Arndt/Hadziefendic, Die Gemeinde SH 2011, 284, 287 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 6. April 2005, a.a.O.) zur Verfügung gestanden haben, hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht, sondern sich allein auf den am 7. Dezember 2012 mit der (...) GmbH geschlossenen Betreibervertrag berufen. Dieser Vertrag dürfte nach seiner Ausgestaltung der Antragsgegnerin zwar den maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Fragen der Betriebsführung der (...) GmbH gewährleisten. Hinsichtlich der von der Antragstellerin angesprochenen Möglichkeit der Übertragung der Versorgung auf einen zuverlässigen Dritten (§ 15 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages) ist es wohl ausreichend, dass diesem dann nach § 15 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages die Erfüllung des Vertrages aufzuerlegen ist, so dass die Antragsgegnerin ihm gegenüber die gleichen Rechte hat wie gegenüber der (...) GmbH. Zudem handelt es sich lediglich um eine rechtliche Möglichkeit, die auf die Einstufung als öffentliche Einrichtung erst dann Einfluss haben dürfte, falls es zu einer solchen Übertragung kommt.

60

Fraglich ist aber, ob schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung am 6. Oktober 2012 eine öffentliche Einrichtung bestanden hat. Denn die Antragstellerin selbst sieht in §1 Abs. 5 KS vor, dass sie berechtigt sei, die Durchführung der Wärmeversorgung auf einen Betreiber zu übertragen (Satz 1). Sie habe in diesem Fall Sorge dafür zu tragen, dass der Betreiber die Wärmeversorgung in gleichem Umfang sicherstelle, als wenn sie die Wärmeversorgung selbst erbringen würde (Satz 2). Das Nähere regele ein mit dem Betreiber zu schließender Vertrag (Satz 3). Daraus könnte man schließen, dass nach dem eigenen Willen der Antragsgegnerin nicht schon die Widmung nach Art. 1 Abs. 1 KS und ihre Mehrheitsbeteiligung in der (...) GmbH zur Bildung einer öffentlichen Einrichtung geführt haben, sondern erst der Abschluss des Vertrages vom 7. Dezember 2012, mit dem sie die Durchführung der Wärmeversorgung i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 1 KS übertragen hat. Geht man davon aus, dass die mittelbare Mehrheitsbeteiligung der Antragsgegnerin ihr keinen maßgeblichen Einfluss verschafft hat, wäre die Klimasatzung ungültig, da sie jedenfalls im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens gegen § 8 Nr. 2 GO LSA verstoßen hätte. Denn der Betreibervertrag ist erst später in Kraft getreten und eine gesetzliche Heilungsregelung liegt nicht vor. Aber auch wenn man einen solchen maßgeblichen Einfluss annimmt, hat die Antragsgegnerin auf Grund der Satzungsregelungen in § 1 Abs. 5 KS den Widmungserfolg von dem Abschluss eines Betreibervertrages möglicherweise abhängig gemacht haben. Dann wäre die Satzung ebenfalls ungültig.

61

b) Die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs durch eine Fernwärmesatzung stellt einen Eingriff in Gestalt einer Inhalts- und Schrankenbestimmung in die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar und muss als solcher verhältnismäßig sein. Voraussetzung hierfür ist, dass sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sind und eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ergibt, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist (BVerwG, Urt. v. 25. Januar 2006 - 8 C 13.05 -, zit. nach JURIS).

62

(1) Hinreichende Gründe des Allgemeinwohls sind auf Grund der Verweisung auf den (überörtlichen) Klimaschutz in § 16 EEWärmeG gegeben, zudem kommt dem Klimaschutz durch Art. 191 Abs. 1 4. Spiegelstrich AEUV und Art. 20a europäischer und nationaler Verfassungsrang zu (vgl. Kahl, ZUR 2010, 399).

63

(2) Sollte man ein dringendes öffentliches Bedürfnis bejahen, wäre - unterstellt die Vorgaben des § 7 Abs. 1 Nr. 3 EEWärmeG i.V.m. Nr. VIII der Anlage zum EEWärmeG wären erfüllt - auch die generelle Eignung einer zentralen Fernwärmeversorgung gegeben.

64

(3) Der Anschluss und Benutzungszwang wäre weiterhin nur dann nicht erforderlich, wenn ein gleichwirksames Mittel zur Verfügung stünde, das weniger grundrechtsbeeinträchtigend ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. Januar 2006, a.a.O.). Soweit die Antragstellerin umfangreich auf andere - vorrangig einzusetzende - Maßnahmen der Antragsgegnerin und der einzelnen Grundstückeigentümer abstellt, dürfte aber weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht sein, dass diese Mittel zu einem Anschluss- und Benutzungszwang gleich wirksam wären. Dass bislang kein Anschluss- und Benutzungszwang bestand, lässt die Zulässigkeit einer Anordnung nicht entfallen.

65

(4) Die Satzungsregelungen dürften auch angemessen sein und schränken vor allem entgegen der Ansicht der Antragstellerin die Möglichkeiten zur Schaffung alternativer Wärmeversorgungsanlagen wohl nicht unangemessen zu Lasten der Bürger ein.

66

Die satzungsrechtliche Ausgestaltung der Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang steht nach § 8 Nr. 2 Satz 2 HS 1 GO LSA im Ermessen der Kommune. Dieses Ermessen wird durch verfassungsrechtliche Vorgaben begrenzt. So ist die Festlegung von Ausnahmen bzw. Befreiungen vom Anschluss- und Benutzungszwang aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Grundrechtseinschränkungen der Benutzer unabdingbar. Darüber hinaus sind bei der Fernwärmeversorgung die Regelungen der AVBFernwärmeV, insbesondere § 3, zu beachten, die gem. § 35 Abs. 1 AVBFernwärmeV auf öffentlich-rechtliche Versorgungsverhältnisse entsprechend angewandt werden. Mit der Einräumung von Ausnahmen darf allerdings der - aus Gründen des öffentlichen Wohls angeordnete - Benutzungszwang und damit die Erfüllung der angestrebten öffentlichen Aufgabe nicht gefährdet werden (vgl. OVG Thüringen, Urt. v. 24. September 2007 a.a.O.; Tomerius, ER 2013, 64; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12. Juli 1991 - 7 B 17.91, 7 B 18.91 -, zit. nach JURIS).

67

Die von der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen, ob die Befreiungsregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 KS sämtliche Fallgestaltungen hinreichend erfasst, könnten aller Voraussicht nach offen bleiben. Selbst wenn trotz der Einschränkung „insbesondere dann“ in § 10 Abs. 2 KSA noch Fälle bleiben, in denen aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eigentlich eine Befreiung erteilt werden müsste, § 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 KS aber nicht einschlägig ist, greift die Auffangnorm des § 10 Abs. 1 Nr. 2 KS ein. Befreiungsregelungen vom Anschluss- und Benutzungszwang dürfen unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden, die der Verwaltung keinen freien Ermessensspielraum einräumen; insbesondere ist die Formulierung „aus besonderen bzw. schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zugemutet werden kann“ nicht zu beanstanden (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 25. Januar 2011 - 4 A 598/09 -, zit. nach JURIS; Lübking/Beck, GO LSA, § 8 Rdnr. 17; Klang/Gundlach/Kirchmer, GO LSA, 3. A., § 8 Rdnr. 5a; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 31. März 2010 - 8 C 16.08 -, zit. nach JURIS). Dies gilt auch für den Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärmeversorgung (VGH Bayern, Urt. v. 7. März 2007 - 4 BV 05.2974 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 5. Januar 2005 - 2 LB 62/04 -, jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21. Februar 2007 - 2 L 156/05 -, zit. nach JURIS).

68

III. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bekanntgabe von Nr. 1 Satz 1 der Entscheidungsformel folgt aus § 47 Abs. 5 Satz 2 HS 2 VwGO.


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwaltungsgericht

1.
in der Sache selbst entscheiden,
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der im Revisionsverfahren nach § 142 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Verweist das Bundesverwaltungsgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 49 Nr. 2 und nach § 134 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht anhängig geworden wäre.

(6) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(7) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit das Bundesverwaltungsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Das gilt nicht für Rügen nach § 138 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlußfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(2) Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme.

(3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform.

(4) Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlußfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Beschlußfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft.

Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen:

1.
die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses;
1a.
die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses;
1b.
die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses;
2.
die Einforderung der Einlagen;
3.
die Rückzahlung von Nachschüssen;
4.
die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen;
5.
die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben;
6.
die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung;
7.
die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb;
8.
die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwaltungsgericht

1.
in der Sache selbst entscheiden,
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der im Revisionsverfahren nach § 142 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Verweist das Bundesverwaltungsgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 49 Nr. 2 und nach § 134 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht anhängig geworden wäre.

(6) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(7) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit das Bundesverwaltungsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Das gilt nicht für Rügen nach § 138 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entscheidet das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Der Richter beim Amtsgericht entscheidet allein.

(2) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende ist der Jugendrichter zuständig.

(3) Sind in dem Bezirk der Verwaltungsbehörde eines Landes mehrere Amtsgerichtsbezirke oder mehrere Teile solcher Bezirke vorhanden, so kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit des Amtsgerichts abweichend von Absatz 1 danach bestimmen, in welchem Bezirk

1.
die Ordnungswidrigkeit oder eine der Ordnungswidrigkeiten begangen worden ist (Begehungsort) oder
2.
der Betroffene seinen Wohnsitz hat (Wohnort),
soweit es mit Rücksicht auf die große Zahl von Verfahren oder die weite Entfernung zwischen Begehungs- oder Wohnort und dem Sitz des nach Absatz 1 zuständigen Amtsgerichts sachdienlich erscheint, die Verfahren auf mehrere Amtsgerichte aufzuteilen; § 37 Abs. 3 gilt entsprechend. Der Bezirk, von dem die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach Satz 1 abhängt, kann die Bezirke mehrerer Amtsgerichte umfassen. Die Landesregierung kann die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.

Tenor

Der Antrag des Antragstellers, die am 9. November 2012 erlassene Beherbergungsabgabensatzung der Stadt Flensburg für unwirksam zu erklären, wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt, die Satzung der Antragsgegnerin zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe (Behebergungsabgabesatzung - BAS -) vom 8. November 2012 (Datum der Beschlussfassung) für unwirksam zu erklären.

2

Die Satzung hat folgenden Wortlaut:

3

„Satzung
zur Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg
(Beherbergungsabgabesatzung)
Aufgrund des § 4 der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein (Gemeindeordnung) in der Fassung vom 28.02.2003 (GVOBI. Schleswig-Holstein Seite 57), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.03.2012 (GVOBI. Schleswig-Holstein Seite 371, 385), sowie der §§ 1, 2 und 3 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung vom 10.01.2005 (GVOBI. Schleswig-Holstein Seite 27), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.03.2012 (GVOBI. Schleswig-Holstein Seite 371, 385) wird nach Beschlussfassung in der Ratsversammlung der Stadt Flensburg am 08. November 2012 folgende Satzung erlassen:

4

§1Allgemeines
Die Stadt Flensburg erhebt als örtliche Aufwandssteuer eine Beherbergungsabgabe.

5

§ 2 Gegenstand der Beherbergungsabgabe
Gegenstand der Beherbergungsabgabe ist der Aufwand des Beherbergungsgastes für die Möglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb (Hotel, Gasthof, Pension, Privatzimmer, Jugendherberge, Ferienwohnung, Motel und ähnliche Einrichtung), der gegen Entgelt eine Beherbergungsmöglichkeit zur Verfügung stellt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen wird.

6

§ 3 Bemessungsgrundlage
Bemessungsgrundlage ist die Anzahl der Übernachtungen pro volljährigem Gast.

7

§ 4 Abgabensatz
Der Abgabensatz beträgt bei

8

 Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben

  1,50 € pro Nacht,

 Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben mit der Klassifizierung von 3 Sternen

  3,00 € pro Nacht,

 Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben mit der Klassifizierung von 4 oder mehr Sternen

  4,00 € pro Nacht.

9

Die Klassifizierung von Hotels erfolgt nach dem vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband e.V. betriebenen bundesweit einheitlichen Klassifizierungssystem „Deutsche Hotelklassifizierung" und den dort niedergelegten Kriterien und in Anwendung der internationalen Terminologienorm DIN EN ISO 18513 und der deutschen Touristische Informationsnorm (TIN) des Deutschen Tourismusverbandes (DTV).

10

§ 5 Abgabenschuldner
Abgabenschuldner ist der Betreiber des Beherbergungsbetriebes.

11

§ 6 Entstehung des Abgabenanspruches
Der Abgabenanspruch entsteht mit Beginn der entgeltpflichtigen Beherbergungsleistung. Er endet mit der Abreise, spätestens aber nach 14 Übernachtungen, unabhängig davon, ob sich der Übernachtungsgast länger in einem Beherbergungsbetrieb aufhält.

12

§ 7 Steuerbefreiung
Die Betreiberin bzw. der Betreiber eines Beherbergungsbetriebes ist von der Steuer befreit bei
1. beruflich bedingten Übernachtungen von Geschäftsreisenden,
2. Übernachtungen von Kindern und nicht volljährigen Jugendlichen
3. Übernachtungen in Kliniken und ähnlichen Einrichtungen.

13

§ 8 Anzeigepflicht, Festsetzung und Fälligkeit
(1) Für die Beherbergungsleistungen ist der Steuerabteilung der Stadt Flensburg bis zum
15. Tag nach Ablauf eines Kalendervierteljahres eine Abgabenerklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck einzureichen. Die Abgabenerklärung muss vom Abgabenschuldner oder seinem Vertreter unterschrieben sein.
(2) Jede Betreiberin bzw. jeder Betreiber eines Beherbergungsbetriebes ist verpflichtet, in den Fällen der Steuerbefreiung nach § 7 dieser Satzung das Vorliegen der Voraussetzung anhand geeigneter Belege nachzuweisen. Das Vorliegen beruflicher Gründe für eine Übernachtung kann unter anderem durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers nachgewiesen werden. Die Bescheinigung ist der Steuerabteilung der Stadt Flensburg mit der Abgabenerklärung nach Abs. 1 einzureichen. Der Nachweis kann innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Steuererklärung nachgereicht werden.
(3) Zur Prüfung der Angaben in der Abgabenerklärung sind der Steuerabteilung der Stadt Flensburg auf Anforderung sämtliche bzw. ausgewählte Nachweise (z. b. Rechnungen, Quittungsbelege) über die Beherbergungsleistungen für den jeweiligen Abgabenerhebungszeitraum vorzulegen.
(4) Die vorgenannten Nachweise können nach vorheriger Zustimmung der Steuerabteilung der Stadt Flensburg auch auf elektronischem Wege oder auf Datenträgern übermittelt werden.
(5) Veranlagungszeitraum ist das Kalendervierteljahr. Die Beherbergungsabgabe wird mit Bescheid festgesetzt und ist innerhalb von 7 Kalendertagen nach dessen Bekanntgabe zu entrichten.

14

§ 9 Vereinbarungen gemäß § 163 Abgabenordnung (AO)
Die Steuerabteilung der Stadt Flensburg kann abweichend von der Vorschrift des § 4 dieser Satzung den Abgabenbetrag mit dem Beherbergungsbetrieb vereinbaren, wenn der Nachweis der abgabenrelevanten Daten im Einzelfall besonders schwierig ist oder wenn die Vereinbarung zu einer Vereinfachung der Berechnung führt.

15

§ 10 Verspätungszuschlag
Die Festsetzung eines Verspätungszuschlages bei Nicht- oder nicht fristgerechter Einreichung einer Abgabenerklärung erfolgt nach § 152 AO in der jeweils geltenden Fassung.

16

§ 11 Prüfungsrecht
(1) Die Stadt Flensburg ist berechtigt, während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten zur Feststellung von Abgabentatbeständen die Geschäftsräume des Beherbergungsbetriebes zu betreten und die betreffenden Geschäftsunterlagen einzusehen.
(2) Der Beherbergungsbetrieb ist verpflichtet, mit Dienstausweis oder besonderer Vollmacht ausgestatteten Vertretern der Steuerabteilung der Stadt Flensburg zur Nachprüfung der Erklärungen, zur Feststellung von Abgabentatbeständen sowie zur Einsicht in die entsprechenden Geschäftsunterlagen Einlass zu gewähren.

17

§ 12 Mitwirkungspflichten
(1) Hotel- und Zimmervermittlungsagenturen sowie Dienstleistungsunternehmen ähnlicher Art sind verpflichtet, der Steuerabteilung der Stadt Flensburg die Beherbergungsbetriebe mitzuteilen, an die entgeltliche Beherbergungsleistungen vermittelt werden.
(2) Hat der Abgabenpflichtige gemäß § 8 dieser Satzung seine Verpflichtung zur Einreichung der Abgabenerklärung sowie zur Einreichung von Unterlagen nicht erfüllt oder ist er nicht zu ermitteln, sind die in Abs. 1 genannten Agenturen und Unternehmen über die Verpflichtung nach Abs. 1 hinaus auf Verlangen der Stadt Flensburg zur Mitteilung über die Person des Abgabenpflichtigen und alle zur Abgabenerhebung erforderlichen Tatsachen verpflichtet (§ 11 Abs. KAG i. V. m. § 93 AO). Unter die diesbezügliche Verpflichtung fällt insbesondere die Auskunft darüber, ob und in welchem Umfang in dem Beherbergungsbetrieb entgeltliche Beherbergungsleistungen erfolgt sind und welche Beherbergungspreise zu entrichten waren.

18

§13
Verarbeitung personenbezogener Daten
(1) Die Stadt Flensburg ist berechtigt, zur Durchführung der Besteuerung gemäß § 11 i.V.m. § 13 Landesdatenschutzgesetz Daten aus folgenden Unterlagen zu verarbeiten, soweit sie zur Aufgabenerfüllung nach dieser Satzung erforderlich sind:
- - Meldeauskünfte,
- Unterlagen der Grundsteuer- und der Zweitwohnungssteuerveranlagung, - Unterlagen aus dem Gewerberegister,
 - Mitteilungen der Vorbesitzer.
(2) Darüber hinaus sind die Erhebung und die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten zu Kontrollzwecken zulässig, soweit es zur Aufgabenerfüllung nach dieser Satzung erforderlich ist.
(3) Die Stadt Flensburg ist befugt, auf der Grundlage von Angaben der Steuerpflichtigen und von Daten, die nach Absatz 1 anfallen, ein Verzeichnis der Steuerpflichtigen mit den für die Steuererhebung nach dieser Satzung erforderlichen Akten zu führen und diese Daten zum Zwecke der Steuererhebung nach dieser Satzung zu verwenden und zu verarbeiten.
(4) Der Einsatz von technikunterstützender Informationsverarbeitung ist zulässig.

19

§ 14 Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheit eines Steuerpflichtigen leichtfertig
1.1 über steuerrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
1.2 die Stadt pflichtwidrig über steuerrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile für sich oder einen anderen erlangt.
Die Strafbestimmungen bei Vorsatz des § 16 des Kommunalabgabengesetzes bleiben dabei unberührt.

20

(2) Ordnungswidrig handelt auch, wer vorsätzlich oder leichtfertig
2.1 Belege ausstellt, die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind,
2.2 der Anzeigepflicht nach § 8 dieser Satzung oder
2.3 der Mitwirkungspflicht nach § 12 dieser Satzung nicht nach kommt.

21

§ 14 Geltung von Kommunalabgabengesetz und Abgabenordnung
Soweit diese Satzung im Einzelnen nichts anderes bestimmt, sind die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und der Abgabenordnung in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

22

§ 15 Erstattung
Auf Antrag erhält derjenige, auf dessen Aufwand die Beherbergungsabgabe zu
Unrecht durch den Abgabenpflichtigen abgewälzt wurde, die erhobene, an die Stadt Flensburg geleistete Abgabe erstattet. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Rechnungslegung durch den Abgabepflichtigen bei der Steuerabteilung der Stadt Flensburg zu stellen.

23

§16
Inkrafttreten

24

Diese Satzung tritt zum 01.01.2013 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Satzung über die Erhebung einer Beherbergungsabgabe im Gebiet der Stadt Flensburg vom 27. März 2012 außer Kraft.
...“

25

Der Antragsteller betreibt in der Stadt Flensburg eine Jugendherberge. Er macht geltend:

26

Die Bettensteuer sei mit einer Höhe von durchschnittlich ca. 11 % der veranschlagten Übernachtungspreise (bezogen auf den reinen Übernachtungspreis ohne Frühstück) für eine Jugendherberge wesentlich zu hoch.

27

Der Abgabensatz der Bettensteuer sei als Pauschale ausgestaltet und betrage pro Übernachtung 1,50 Euro, soweit es sich um einen Beherbergungsbetrieb mit einer Klassifizierung unter 3 Sternen nach der „Deutschen Hotelklassifizierung“ handele. Obwohl Jugendherbergen nicht nach diesem Maßstab eingestuft würden und somit nicht mit Hotels gleichzusetzen seien, solle auch er für die Jugendherberge in Flensburg die pauschale Bettensteuer in Höhe von 1,50 Euro pro Übernachtung entrichten. Das Ergebnis dieser Pauschale sei eine unverhältnismäßige Schlechterstellung gegenüber Hotelbetrieben mit einem deutlich höheren Übernachtungspreis.

28

Die Jugendherberge sei eine gemeinnützige Einrichtung, die kostendeckend arbeite und nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei. Sie sei auf staatliche Privilegierung angewiesen, insbesondere würden für sie auch steuerliche Ausnahmeregelungen gelten.

29

Dadurch, dass auch volljährige Gäste zu einem etwas höheren Preis aufgenommen würden, könne die Jugendherberge besonders niedrige Preise für Kinder und Jugendliche anbieten. Der Übernachtungspreis gemäß der internen Kalkulation für einen volljährigen Gast betrage 13,75 Euro (bezogen auf reine Übernachtung ohne Verpflegung - entsprechend der Bezugsgröße für die Bettensteuer). Würden die volljährigen Gäste auch in der Jugendherberge mit der pauschalen Bettensteuer belastet, so erhöhten sich ihre Kosten erheblich und die Attraktivität des Jugendherbergsangebots sinke bedeutend. In der Folge sei abzusehen, dass die Besucherzahl einer Jugendherberge rapide sinken werde, sodass die Jugendherberge die Preise für die Kinder und Jugendlichen anzuheben gezwungen sein werde, um ihre Existenz zu sichern. Damit werde nicht nur der gemeinnützige Charakter der Jugendherberge erheblich angegriffen, sondern es erscheine auch fraglich, ob sie sich bei zurückgehenden Gästezahlen überhaupt finanziell halten könne.

30

Soweit die gemeinnützige Einrichtung Jugendherberge aus den genannten Gründen nicht vollständig von der Bettensteuerverpflichtung befreit werden könne, wäre die einzige angemessene Lösung eine prozentual anhand der Übernachtungspreise bemessene Bettensteuer. Denn nur auf diese Weise könne gesichert werden, dass die anfallende Bettensteuer für die Jugendherberge angemessen gering ausfalle.

31

Gemäß § 7 Nr. 1 und 2 der BAS seien beruflich bedingte Übernachtungen von Geschäftsreisenden sowie Übernachtungen Minderjähriger von der Bettensteuer befreit. Letzteres entspreche dem Kinder- und Jugendhilferecht und sei auch mit der Idee „Jugendherberge“ als gemeinnützige Einrichtung vereinbar. Jedoch werde das Angebot der Jugendherberge auch von Schulklassen und Bildungsreisegruppen wahrgenommen, deren Mitglieder nicht mehr minderjährig seien. Als Musterbeispiel sei die Studienreise einer Abiturklasse genannt. Derartige Übernachtungen aufgrund Klassenfahrten seien als schulische Veranstaltung nach seiner Auffassung als beruflich bedingt einzustufen. Diese Übernachtungen seien aber nach den Vorgaben der Antragsgegnerin nach der BAS bettensteuerpflichtig. Dies könne nicht gewollt sein, zumal es vom Zufall abhänge, ob Schüler höherer Klassen bei einer Klassenfahrt schon das 18. Lebensjahr vollendet hätten. Damit würden auch diese Gruppen ungerechtfertigt mit höheren Kosten belastet, denen sie sich nicht entziehen könnten.

32

Schließlich werde er durch den mit der Bettensteuer zwingend verbundenen Mehraufwand, den Reisezweck der Gäste zu erforschen und ihn darüber hinaus der Stadt gegenüber nachweisen können zu müssen, unzumutbar belastet. Durch den zusätzlichen Aufwand entstünden ihm Kosten, die er auf die Jugendherbergsgäste umzulegen gezwungen sei, wodurch der gemeinnützige Charakter der Einrichtung weiter belastet werde.

33

Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass die Regelung zu einer faktischen Rückwirkung führe. Sie knüpfe nicht an die Buchung und an den daraus resultierenden Vertrag, sondern an die Durchführung der Übernachtung an. Damit seien auch Übernachtungen erfasst, die auf der Grundlage von verbindlichen Verträgen aus 2012 erfolgten.

34

Der Antragsteller beantragt,

35

die am 8. November 2012 erlassene Beherbergungsabgabesatzung der Stadt Flensburg für unwirksam zu erklären.

36

Die Antragsgegnerin beantragt,

37

den Antrag abzuweisen.

38

Sie führt aus:

39

Ihre Satzung über die Erhebung einer Beherbergungsabgabe sei rechtmäßig. Unter dem Begriff des Beherbergungsbetriebes würden in der beispielhaften Aufzählung in § 2 der Satzung auch Jugendherbergen genannt.

40

Entgegen den Angaben des Antragstellers betrage die Abgabe grundsätzlich 1,50 Euro und sei lediglich bei einer Klassifizierung von drei und mehr Sternen abweichend geregelt. Da Jugendherbergen nicht nach der Deutschen Hotelklassifizierung eingestuft würden, falle für Übernachtungen in der Jugendherberge eine Steuer in Höhe von 1,50 Euro pro Übernachtung an. Der Betrag von 1,50 Euro sei gering, sodass die von der Antragstellerin befürchteten zurückgehenden Gästezahlen angesichts der Verteuerung des Übernachtungspreises von derzeit 20,40 Euro pro Übernachtung und Frühstück auf 21,90 Euro sich nicht nachvollziehen ließen. Dieses würde im Übrigen auch bei einer prozentualen Besteuerung greifen.

41

Woraus ein zusätzlicher Aufwand entstehe, der den gemeinnützigen Charakter der Einrichtung belaste, sei ebenfalls nicht ersichtlich. Auch als gemeinnützige Einrichtung sei der Antragsteller verpflichtet, die Daten der Übernachtungsgäste zu erfassen. Hier könne auch die Frage der beruflich bedingten Übernachtung gestellt werden. Der organisatorische Aufwand bestehe nach der Satzung im Übrigen darin, anhand eines bereits durch die Antragsgegnerin übermittelten Vordrucks bestimmte Erklärungen abzugeben.

42

Die Antragssteller berufe sich zu Unrecht darauf, dass die Regelung zu einer faktischen Rückwirkung führe. Die Diskussionen bei der Antragsgegnerin um die Einführung einer Bettensteuer liefen bereits seit längerer Zeit. Die Satzung sei zunächst bereits im Februar 2012 mit Wirkung für das Jahr 2013 beschlossen worden, die jetzt gültige Änderung sei im November 2012 erfolgt. Insoweit sei der Antragsteller in der Lage gewesen, sich auf diese Sachlage rechtzeitig einzustellen, und habe kein schutzwürdiges Interesse.

43

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

44

Der Antrag ist teilweise unstatthaft und im Übrigen unbegründet.

45

Der Antrag ist unstatthaft soweit der Antragsteller auch die Feststellung der Unwirksamkeit des § 14 BAS begehrt, der Ordnungswidrigkeiten regelt. Nach § 5 AG VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im „Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit unter anderem kommunaler Abgabensatzungen. Dies hat zur Folge, dass Bestimmungen rein ordnungswidrigkeitsrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OwiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (BVerwG, Urt. v. 17.02.2005 - 7 CN 6.04 -, NVwZ 2005, 695).

46

Der im Übrigen statthafte und gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet.

47

Formelle Fehler hinsichtlich des Erlasses der Satzung macht der Antragsteller nicht geltend und sind für den Senat nicht ersichtlich.

48

Nach Art. 105 Abs. 2 a GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Der Landesgesetzgeber hat gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG die Besteuerungskompetenz und Besteuerungsbefugnis im Hinblick auf örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern auf die Kommunen übertragen, soweit sie nicht den Ländern vorbehalten sind. Die Übernachtungssteuer ist eine solche Aufwandsteuer.

49

Der Antragsteller wendet sich auch nicht gegen die Erhebung einer Übernachtungssteuer an sich, sondern rügt, dass bei der Planung und Ausgestaltung der Steuer der Sonderfall „Jugendherberge“ offensichtlich nicht berücksichtigt worden sei. Die Übernachtung in einer Jugendherberge ist jedoch kein Sonderfall, der von vornherein nicht der Besteuerung unterliegen kann. Der Senat hat hierzu bereits in seinem Beschluss vom 28. August 2013 (4 MR 2/13), mit dem er den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt hat, ausgeführt:

50

„Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 11.07.2012 - 9 CN 1/11 -, BVerwGE 143, 301) ist der Aufwand für eine entgeltliche Übernachtung ein Aufwand, der über die Befriedigung des Grundbedürfnisses nach Wohnraum hinausgeht. Eine entgeltliche Übernachtung gehört daher - von den Sonderfällen des dauerhaften Wohnens im Hotel abgesehen - nicht zum Grundbedarf des Wohnens und indiziert Leistungsfähigkeit, sodass an den Aufwand eine Aufwandsteuer geknüpft werden kann. Für die Annahme der Leistungsfähigkeit ist lediglich ein über den Grundbedarf hinausgehender Konsum erforderlich. Dieser muss weder besonders kostspielig noch in irgendeiner Form luxuriös sein. Nicht steuerpflichtig sind dagegen berufsbedingt zwingend erforderliche entgeltliche Übernachtungen, die der Einkommenserzielung zuzuordnen sind (BVerwG, ebenda, Rn. 15 ff. bei Juris). Danach ist es nicht erforderlich, Übernachtungen in Jugendherbergen von vornherein von der Steuerbelastung auszunehmen. Im Übrigen unterliegen Übernachtungen in Jugendherbergen nur in sehr eingeschränktem Umfang der Besteuerung. Dies folgt aus §§ 3 und 7 Nr. 2 BAS. Danach sind Übernachtungen von Kindern und nicht volljährigen Jugendlichen von der Steuer befreit. Desweiteren ist der Aufwand für berufsbedingt zwingend erforderliche Übernachtungen nicht besteuerungsfähig. Dazu dürfte auch der Aufwand des Lehrpersonals für Übernachtungen anlässlich der vom Antragsteller beispielhaft genannten Klassenfahrten zählen. Ob Entsprechendes für den Übernachtungsaufwand volljähriger Schüler gilt, ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Satzung, sondern der Einordnung der Übernachtung als „berufsbedingt“ im Sinne des § 7 Nr. 1 BAS und damit der Heranziehung im Einzelfall.“

51

Daran ist festzuhalten.

52

Der pauschale Steuersatz von 1,50 Euro pro Übernachtung in Beherbergungsbetrieben gemäß § 4 Satz 1 1. Spiegelstrich BAS gilt auch für Jugendherbergen. Davon geht auch der Antragsteller aus. Ansonsten wäre der Normenkontrollantrag schon unzulässig. In § 2 BAS wird als Gegenstand der Besteuerung ausdrücklich auch die Übernachtung in einer Jugendherberge genannt. Die Regelung des § 4 Satz 2 BAS bezieht sich nur auf Beherbergungsbetriebe mit einer Klassifizierung von drei oder mehr Sternen gemäß § 4 Satz 1 2. und 3. Spiegelstrich. Dass Jugendherbergen nicht der Klassifizierung im Sinne des § 4 Satz 2 BAS unterliegen, steht der Steuerpflicht des Antragstellers somit nicht entgegen.

53

Ebenso wenig kann der Steuerpflichtige dem Grunde nach entgegengehalten werden, dass Jugendherbergen gemeinnützige Einrichtungen darstellen. Der Betreiber der Jugendherberge ist zwar Steuerschuldner, Steuerlastträger ist dagegen der Übernachtungsgast, dessen Aufwand besteuert wird (§ 2 BAS) und auf den die Steuer abgewälzt werden kann (siehe hierzu ausführlich Urt. des Senats v. 07.02.2013 - 4 KN 1/12 -, NordÖR 2013, 206). Dieser kann sich schon vom Ansatz her nicht auf die Gemeinnützigkeit der für die Übernachtung in Anspruch genommenen Einrichtung berufen.

54

Die Erhebung der Steuer als Pauschalabgabe und nicht proportional zum Übernachtungspreis ist grundsätzlich zulässig (BVerwG, Urt. v. 11.07.2012 - 9 CN 1/11 -, BVerwGE 143, 301, Rn. 34 bei Juris). Die Bildung von drei Stufen in § 4 Satz 1 BAS nach der Hotelklassifizierung entsprechend der Anzahl der Sterne im Sinne des § 4 Satz 2 BAS wahrt den erforderlichen hinreichenden Bezug zum Aufwand und genügt damit dem Gebot der Besteuerungsgleichheit. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Aufwand für Übernachtungen in Hotels sich entsprechend ihrer Klassifizierung unterscheidet und der Aufwand für Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben, die keiner Klassifizierung unterliegen, geringer ist. Eine differenziertere Ausgestaltung der Staffelung ist in Anbetracht der relativ geringen steuerlichen Belastung zwischen 1,50 Euro und maximal 4,00 Euro pro Übernachtung nicht erforderlich. Soweit innerhalb der gebildeten Stufen die Steuerbelastung - ungeachtet des unterschiedlichen Aufwandes - gleich ist, ist dies die zwangsläufige Folge der zulässigen Wahl eines Staffelmaßstabes. Die Minderbelastung des einzelnen Jugendherbergsgastes bei Anwendung eines am kalkulierten Steueraufkommen bemessenen prozentualen Steuersatzes wäre pro Übernachtung im Übrigen kaum merklich. Auch bei pauschaler Abgabenerhebung bleibt die Jugendherberge in dem in der mündlichen Verhandlung angesprochenen „unteren Segment“ der günstigste Anbieter.

55

Eine erdrosselnde Wirkung der Steuer kann ausgeschlossen werden. Der Antragsteller hat keine Zahlen vorgelegt, die einen signifikanten Rückgang der Übernachtungszahlen im Erhebungsjahr 2013 belegen. Von Relevanz wäre insoweit ohnehin nur der Rückgang von Übernachtungen Erwachsener, da Übernachtungen Minderjähriger gemäß § 7 Nr. 2 BAS nicht der Besteuerung unterliegen. Dass Gäste wegen der Besteuerung andere Übernachtungsmöglichkeiten nutzen werden, ist wenig wahrscheinlich, weil die Übernachtung in Jugendherbergen nach wie vor eine besonders kostengünstige ist und zudem bei Übernachtung in anderen Beherbergungsbetrieben in der Stadt Flensburg ebenfalls die Steuer anfällt. Ein Ausweichen auf Beherbergungsbetriebe in der Umgebung von Flensburg erscheint wenig sinnvoll, weil dann für den Besuch der Stadt zusätzliche Personenbeförderungskosten anfallen. Ein Verzicht auf den Besuch der Stadt Flensburg wegen der Steuer ist in Anbetracht der zu erwartenden äußerst geringfügigen Erhöhung des Übernachtungspreises, die im Bereich der üblichen Schwankungsbreite der Übernachtungskosten in Jugendherbergen liegen dürfte, ebenfalls unwahrscheinlich.

56

Die Ungleichbehandlung von Voll- und Minderjährigen ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich wäre es zulässig, auch den Aufwand für die Übernachtung Minderjähriger zu besteuern. Befreit die Antragsgegnerin Minderjährige von der Steuerbelastung, verzichtet sie auf Einnahmen aus sozialen Gründen. Ob Übernachtungsgäste voll- oder minderjährig sind, ist keine Frage des Zufalls, sondern des Alters. Deshalb kann der Rechtmäßigkeit der Regelung des § 7 Nr. 2 BAS nicht entgegengehalten werden, dass auch volljährige Schüler anlässlich von Klassenfahrten in Jugendherbergen übernachten. Eine andere Frage ist, ob auch eine Steuerbefreiung für Schüler und Auszubildende zulässig ist. Ein Anspruch auf eine solche Steuerbefreiung besteht allerdings nicht.

57

Dem Antragsteller wird auch kein unverhältnismäßiger Organisationsaufwand abverlangt. Hierzu hat der Senat in seinem Beschluss vom 28. August 2013 (a.a.O.) im Anschluss an seinen Beschluss vom 15. Februar 2012 (- 4 MR 1/12 -, NordÖR 2012, 286) ausgeführt:

58

„Die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Nr. 1 Satz 2 GG ist nicht in verfassungswidriger Weise tangiert (Beschl. des Senats vom 15.02.2012, a.a.O.). Die Unterscheidung zwischen privaten und berufsbedingten Übernachtungen kann im Rahmen der Anmeldung des Übernachtungsgastes getroffen werden. Entsprechendes gilt für Steuerbefreiungen wegen Minderjährigkeit. Die Nachweispflicht gegenüber der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 2 BAS bei der vierteljährlich abzugebenden Steuererklärung kann aufgrund der im Rahmen der Anmeldung abgegebenen Erklärungen der Übernachtungsgäste ohne erheblichen Mehraufwand erfüllt werden (siehe i.Ü. Beschl. des Senats v. 15.02.2012, a.a.O. und Senatsurt. v. 07.02.2013, a.a.O.).“

59

Auch daran ist festzuhalten.

60

Schließlich kann der Rechtmäßigkeit der Satzung der Antragsgegnerin nicht durchgreifend entgegengehalten werden, die Anwendung der Satzung führe zu einer faktischen Rückwirkung im Hinblick auf verbindlich im Jahre 2012 geschlossene Verträge. Eine sogenannte unechte Rückwirkung ist auch im Abgabenrecht grundsätzlich zulässig. Ein Vertrauen auf die Beibehaltung der Rechtslage ist jedenfalls ab dem Zeitpunkt nicht mehr schutzwürdig, ab dem der Steuerpflichtige mit der Regelung rechnen musste. Dies war hier spätestens zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Vorgängersatzung im Frühjahr 2012 der Fall.

61

Der Antragsteller wendet sich im Übrigen nicht gegen Einzelregelungen der Satzung. Hierzu sei ergänzend angemerkt:

62

Die Regelung des § 2 Satz 2 BAS, nach der eine Steuerpflicht unabhängig davon besteht, ob die Beherbergungsleistung tatsächlich in Anspruch genommen wird, steht in einem gewissen Widerspruch zu § 6 Satz 1 BAS. Nach dieser Vorschrift entsteht der Abgabenanspruch zu Beginn der entgeltpflichtigen Beherbergungsleistung. Eine Beherbergungsleitung, die nicht in Anspruch genommen wird, kann auch nicht beginnen. Allerdings wird die Steuer gemäß § 2 Satz 1 BAS für dieMöglichkeit einer entgeltlichen Übernachtung erhoben. Besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme nicht mehr, weil die Reservierung storniert ist, ist die tatbestandliche Voraussetzung des § 2 Satz 1 BAS zum Zeitpunkt des (geplanten) Beginns der Beherbergungsleistung nicht mehr gegeben. Ist die Stornierung kostenfrei, fehlt es auch an einem besteuerungsfähigen Aufwand. Die Regelung des § 2 Satz 2 BAS ist deshalb dahingehend auszulegen, dass auch dann, wenn der Beherbergungsunternehmer eine entgeltliche Vorhalteleistung erbringt, diese aber nicht in Anspruch genommen wird, die Steuer entsteht.

63

Die Regelung des § 7 Nr. 1 BAS ist geltungserhaltend dahingehend auszulegen, dass beruflich bedingte Übernachtungen nicht von der Steuer „befreit“ sind, sondern von vornherein nicht der Steuer unterliegen (siehe hierzu Urt. des Senats v. 07.02.2013, a.a.O.).

64

Der Umstand, dass die Satzung zweimal den § 14 enthält, ist ein Redaktionsversehen.

65

Weitere Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Satzung sind für den Senat nicht ersichtlich.

66

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

67

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

68

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Verordnung des Sozialministeriums zur baulichen Gestaltung von Heimen und zur Verbesserung der Wohnqualität in den Heimen Baden-Württembergs (LHeimBauVO) vom 18.04.2011 (GBl. S. 197).
Die Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011 trat auf Grundlage des § 24 Satz 1 Nr. 1 des Heimgesetzes für Baden-Württemberg (Landesheimgesetz - LHeimG) vom 10.06.2008 (GBl. S. 169), geändert durch Gesetz vom 11.05.2010 (GBl. S. 404) mit Ausnahme ihres § 7 (Ordnungswidrigkeitentatbestand), der am Tag nach der Verkündung in Kraft trat, rückwirkend zum 01.09.2009 in Kraft. Mit dieser Verordnung wurde die bis dahin geltende Landesheimbauverordnung vom 12.08.2009 (GBl. S. 467) mit Wirkung vom 01.09.2009 außer Kraft gesetzt mit Ausnahme ihres § 5 Abs. 1 Satz 1, der am Tag nach der Verkündung der Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011 außer Kraft trat. Die Landesheimbauverordnung soll die bislang geltenden Mindeststandards der zum Heimgesetz des Bundes ergangenen Verordnung über bauliche Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige (Heimmindestbauverordnung - HeimMindBauV) vom 27.01.1978 (BGBl. I S. 189), zuletzt geändert durch Art. 5 der Verordnung vom 25.11.2003 (BGBl. I S. 2346), ersetzen.
Die Bestimmungen der Landesheimbauverordnung regeln unter anderem die bauliche Gestaltung, die Größe und die Standorte von Heimen im Sinne von § 1 Abs. 1 LHeimG. Für bereits bestehende Heime enthält die Verordnung Übergangsregelungen (§ 5 LHeimBauVO) sowie Befreiungsmöglichkeiten nach § 6 Abs. 1 LHeimBauVO. Im Einzelnen bestehen unter anderem folgende Regelungen:
§ 2
Standort und Einrichtungsgröße
(1) Die Weiterentwicklung der stationären Infrastruktur soll grundsätzlich durch wohnortnahe, gemeinde- und stadtteilbezogene Angebote mit überschaubaren Einrichtungsgrößen erfolgen.
(2) Die Einrichtungsgrößen sollen sich an dem in Absatz 1 formulierten Grundsatz orientieren und an einem Standort 100 Heimplätze nicht überschreiten.
(3) Die Standorte stationärer Einrichtungen sollen möglichst zentral in der Gemeinde oder im Stadtteil liegen, sicher und barrierefrei erreichbar und gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sein.
§ 3
Individuelle Wohnbereiche
(1) Soweit Heime keine Wohnungen zur individuellen Nutzung bereitstellen, muss für alle Bewohnerinnen oder Bewohner ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen. Um Wünschen nach räumlicher Nähe im Individualbereich entsprechen zu können, soll ein möglichst hoher Anteil der Einzelzimmer so gestaltet werden, dass jeweils zwei nebeneinanderliegende Zimmer zu einer Nutzungseinheit zusammengeschlossen und von zwei Personen gemeinsam genutzt werden können.
10 
(2) Bei den Bewohnerzimmern in Wohngruppen muss die Zimmerfläche ohne Vorraum mindestens 14 qm oder einschließlich Vorraum mindestens 16 qm sowie die lichte Raumbreite mindestens 3,2 m betragen. Vorflure und Sanitärbereiche zählen nicht zur notwendigen Zimmerfläche im Sinne von Satz 1.
11 
12 
(4) In Wohngruppen in bestehenden Heimen muss jeweils bis zu zwei Bewohnerzimmern und in neu errichteten Heimen jedem Bewohnerzimmer direkt ein Sanitärbereich mit Waschtisch, Dusche und WC zugeordnet sein, sofern nicht zwei Zimmer zu einer Einheit im Sinne des Absatz 1 durch einen Vorflur miteinander verbunden sind. ….
13 
(5) Bei der Gestaltung der Individualbereiche soll den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner so weit wie möglich entsprochen werden. Dies gilt auch für die Verwendung eigener Möbel und sonstiger persönlicher Ausstattungsgegenstände.
14 
§ 4
Gemeinschaftsbereiche
15 
(1) Sofern nicht Wohnungen die Wohneinheiten im Heimbereich bilden, muss die Bildung von Wohngruppen möglich sein. In Wohnungen sollen nicht mehr als acht und in Wohngruppen höchstens 15 Bewohner aufgenommen werden.
16 
(2) Das Raumkonzept von Wohngruppen schließt neben Bewohnerzimmern insbesondere gemeinschaftlich genutzte Aufenthaltsbereiche ein. Die Wohnfläche dieser Aufenthaltsbereiche darf 5 qm pro Bewohnerin oder Bewohner nicht unterschreiten. Bis zu einem Drittel dieser Fläche kann auch auf Aufenthaltsbereiche für regelmäßige gruppenübergreifende Aktivitäten außerhalb der Wohngruppen entfallen. In den Wohngruppen sollen darüber hinaus eine Küche, ein Hauswirtschaftsraum und ausreichend Abstellflächen vorhanden sein.
17 
(3) Vorflure umfassen abgegrenzte Flächen zwischen den Gemeinschafts- und Individualbereichen und dienen in der Regel der Erschließung von zwei Zimmern und eines gemeinsamen Sanitärbereiches. Vorräume umfassen die Durchgangsfläche zwischen Zimmerzugang und Hauptwohnfläche der Zimmer und bilden in der Regel gleichzeitig auch die notwendige Bewegungsfläche vor den von den Zimmern direkt zugänglichen Sanitärräumen.
18 
(4) Soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar, soll im gesamten Wohnbereich jederzeit ein den Bewohnerbedürfnissen entsprechendes Raumklima wie auch eine gute Beleuchtung gewährleistet werden. Anzustreben ist eine möglichst natürliche Belichtung und eine helle gleichmäßige Beleuchtung in den Wohnbereichen. Insbesondere für die Wohngruppenbereiche von Pflegeheimen müssen geeignete Be- und Entlüftungskonzepte bestehen.
19 
(5) Heime beziehungsweise Wohngruppen innerhalb von Heimen sollen über einen ausreichend großen, geschützten und von mobilen Bewohnern selbständig nutzbaren Außenbereich (Garten, Terrasse oder Gemeinschaftsbalkon) verfügen. Geschlossene Heimbereiche müssen über einen direkt von diesem Bereich aus zugänglichen Außenbereich verfügen.
20 
§ 5
Geltung, Übergangsregelungen
21 
(1) Die Regelungen dieser Verordnung gelten für Heime, die nach Inkrafttreten dieser Verordnung ihren Betrieb neu aufnehmen. Sie gelten weiterhin, soweit technisch durchführbar und wirtschaftlich vertretbar, ab diesem Zeitpunkt im Falle der Wiederaufnahme oder der Fortführung des Betriebs bestehender Einrichtungen nach Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen, die in erheblichem Umfang die Gestaltung des Raumkonzeptes betroffen und insofern auch die Höhe der Heimentgelte beeinflusst haben.
22 
(2) Sie gelten ansonsten für bestehende Heime nach einer Übergangsfrist von zehn Jahren. Diese Frist kann auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen verlängert werden.
23 
(3) Die Übergangsregelungen nach Absatz 2 gelten sinngemäß für bereits laufende Baumaßnahmen sowie für konkret geplante Vorhaben, für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung eine baureife Planung vorliegt.
24 
(4) Bereits während der Übergangsfristen ist, soweit wirtschaftlich vertretbar, der Abbau von Doppelzimmern anzustreben. Sofern im Rahmen der Übergangsregelungen Bewohnerzimmer noch mit zwei Personen belegt werden, müssen diese jedoch spätestens nach einer Übergangsfrist von zehn Jahren mindestens eine Wohnfläche von 22 qm (ohne Vorflur, Vorraum und Sanitärbereich) aufweisen.
25 
(5) Sofern in bestehenden Einrichtungen die Anforderungen nach § 3 Absatz 4 technisch nicht umsetzbar oder wirtschaftlich nicht vertretbar sind und deshalb ohne zeitliche Befristung Ausnahmen zugelassen werden, müssen spätestens nach einer Übergangsfrist von zehn Jahren auf allen Wohnebenen mindestens für jeweils bis zu vier Bewohner ein WC und für jeweils bis zu 15 Bewohner ein an die besonderen Bedürfnisse der jeweiligen Bewohner angepasstes Gemeinschaftsbad vorhanden sein.
26 
(6) Die Belegung von Bewohnerzimmern mit mehr als zwei Personen ist nach einer Übergangsfrist von drei Jahren nicht mehr zulässig.
27 
(7) Sofern sich bei nach Landesrecht geförderten Einrichtungen durch die Anpassung an die Anforderungen dieser Verordnung förderschädliche Abweichungen bezüglich der ursprünglichen Förderbedingungen ergeben, soll dies in der Regel nicht zur Rückforderung von Fördermitteln führen.
28 
§ 6
Befreiungen und Ausnahmeregelungen
29 
(1) Ist dem Träger einer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehenden Einrichtung die Erfüllung der in den §§ 2 bis 4 genannten Anforderungen technisch nicht möglich oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar, kann die zuständige Behörde auf Antrag ganz oder teilweise Befreiungen erteilen, wenn die Befreiung mit den Interessen und Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner vereinbar ist.
30 
31 
Die Antragstellerin ist Eigentümerin und Betreiberin eines Pflegeheimes. Für dessen Neubau wurde am 14.09.2006 die Baugenehmigung erteilt. Nach Abschluss der Baumaßnahmen wurden im Erdgeschoss 7 Einzelzimmer und 2 Doppelzimmer, insgesamt also 11 Plätze, und im Obergeschoss 17 Einzelzimmer und 4 Doppelzimmer, insgesamt also 25 Plätze, realisiert. Die Schaffung gemeinsamer Wohnbereiche durch die Vereinigung von Einzelzimmern ist baulich nicht vorbereitet. Die Einzelzimmer sind jeweils über 16 m² groß. Die Doppelzimmer verfügen über eine Größe von 23 bis 25 m².
32 
Das Heim wurde zum 01.01.2008 eröffnet und ist seit Mitte 2009 nach den Angaben der Antragstellerin im Wesentlichen voll belegt. Das Heim ist mittels Versorgungsvertrag mit den gesetzlichen Pflegekassen und dem Sozialhilfeträger zugelassen. Die Antragstellerin hat keine Fördermittel nach § 5 Abs. 7 LHeimBauVO erhalten.
33 
Am 07.04.2010 hat die Antragstellerin Normenkontrollantrag gestellt, mit dem sie begehrt hat, die Landesheimbauverordnung in der Fassung vom 12.08.2009, hilfsweise bestimmte Teilregelungen für unwirksam zu erklären. Am 26.05.2011 änderte sie ihren Antrag dahingehend, dass die Landesheimbauverordnung in der Fassung vom 18.04.2011, hilfsweise bestimmte Teilregelungen, für unwirksam erklärt werden sollen. Der Antragsgegner hat der Antragsänderung am 01.07.2011 zugestimmt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Antragstellerin den Hilfsantrag fallengelassen.
34 
Zur Begründung des Normenkontrollantrags führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus: Der Antrag sei zulässig, insbesondere sei sie gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, da jedenfalls die Möglichkeit bestehe, dass die Landesheimbauverordnung sie in ihren Rechten aus der Baugenehmigung vom 14.09.2006 sowie aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletze. Sie sei auch gegenwärtig betroffen, da die von ihr geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht mehr von ungewissen Ereignissen in der Zukunft abhingen. Die Vorhaltung von Doppelzimmern werde nach 10 Jahren nicht mehr möglich sein, für die übrigen Abweichungen ihres Pflegeheims von den Vorgaben der Landesheimbauverordnung könne die Ordnungsbehörde längstens bis zum 01.01.2033 von Ordnungsmaßnahmen absehen.
35 
Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Die Verordnungsermächtigung für die Landesheimbauverordnung ergebe sich aus dem Landesheimgesetz (§ 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG), für das es aber keine Gesetzgebungskompetenz der Länder gebe. Das Heimrecht sei in seinen ordnungsrechtlichen Teilen als Gewerberecht anzusehen, das nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, Art. 72 Abs. 1 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung sei. Hiervon habe der Bund durch sein - nicht aufgehobenes Heimgesetz - Gebrauch gemacht. Zwar habe dem Verfassungsgeber durch Änderung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG vorgeschwebt, das Heimrecht in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zu überführen, doch sei der Umfang dieser Überführung von Anfang an unklar gewesen, wie der Streit zwischen dem Bund und einigen Bundesländern über die Gesetzgebungskompetenzen für den zivilrechtlichen Teil des Heimrechts zeige. Ein wenig fassbarer Wille des Gesetzgebers könne zudem nicht den Wortlaut der Kompetenzvorschriften und deren gewachsenes Verständnis überspielen. Insbesondere umfasse der Begriff der öffentlichen Fürsorge in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG nicht die Regelungsgegenstände des Heimgesetzes, da dieser Begriff im Kern nur die Hilfe gegenüber dem Einzelnen bei wirtschaftlicher Notlage umfasse.
36 
Darüber hinaus halte die Landesheimbauverordnung insgesamt die Anforderungen an die Bestimmtheit von Rechtsnormen nicht ein. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Rechtsprechung jede Abweichung von den Vorgaben des Heimrechts als Mangel definiere, der zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen ermächtige. Insoweit müssten die heimrechtlichen Normen besonders klar und eindeutig sein. Die überwiegende Zahl der Regelungen in der Landesheimbauverordnung sei in unscharfer Wortwahl gefasst. Überwiegend fänden sich „Soll-Regelungen“. Im Ansatz klar formulierte zwingende Regelungen würden sprachlich relativiert („vorrangig“, „in der Regel“ und „in erster Linie“). Die Übergangsregelungen stellten die Geltung der neuen Erfordernisse durch die Formel „soweit technisch durchführbar und wirtschaftlich vertretbar“ in die Beurteilung der Heimaufsichtsbehörden. Die Verlängerung der allgemeinen Übergangsfrist von 10 Jahren auf bis zu 25 Jahre stehe im Ermessen der Behörde, ohne dass ermessenslenkende Gesichtspunkte vorhanden seien. Durch § 6 Abs. 1 LHeimBauVO werde die Unbestimmtheit der Verordnung noch verstärkt. Auf dessen Grundlage würden die örtlichen Heimaufsichtsbehörden erst in vielen Jahren nach Ermessen entscheiden, an welche Regelungen die Einrichtungsträger gebunden bzw. nicht gebunden seien. Die Vielzahl unklarer und offener Regelungen lasse es nicht oder nur schwer vorhersehbar erscheinen, welche Anforderungen die einzelnen Heimaufsichtsbehörden auf Grund der Landesheimbauverordnung stellen würden. Die Unklarheiten könnten auch nicht mit Notwendigkeiten des sachlichen Regelungsbereiches begründet werden, da die bisherige Heimmindestbauverordnung nahezu vollständig auf Soll-Vorschriften verzichte.
37 
Des Weiteren stehe den durch die Landesheimbauverordnung bewirkten Eingriffen in die Grundrechte der Einrichtungsträger kein überragend wichtiges Individual- oder Gemeinschaftsgut entgegen, das die Einschränkungen rechtfertige. Es werde mit unbelegten Einschätzungen gearbeitet, wenn darauf abgestellt werde, dass es eine freie Heimplatzwahl allenfalls theoretisch, faktisch aber nur eingeschränkt oder gar nicht gebe. Die durch die Landesheimbauverordnung eingeführten Verbote beschränkten die Entscheidungsfreiheit der Menschen auf der Suche nach einem Heimplatz und erweiterten sie nicht. Es herrsche ein reger Wettbewerb um Standorte für neue Pflegeheime, sogar in kleineren Ortschaften. Heimplätze in Einzelzimmern seien in allen Regionen kurzfristig verfügbar. Den Heimträgern, die in den letzten Jahren in Übereinstimmung mit dem damaligen Förderrecht, dem Stand der bundesweiten Fachdiskussion und den Finanzierungsspielräumen des Sozialsystems gebaut hätten, drohten durch die Neubestimmungen der Landesheimbauverordnung enteignungsähnliche Folgen. Alle einschlägigen Regelwerke gingen von Nutzungszeiten von 40 oder sogar 50 Jahren für die Refinanzierung von Investitionsaufwendungen aus. Demgemäß würden durch den Investitionskostenanteil im Pflegesatz nur sehr kleine Anteile der Gebäudekosten in Höhe von 2 bis 2,5 % jährlich refinanziert. Für Heimträger in Baden-Württemberg sei es unmöglich, Vergütungen mit den Sozialleistungsträgern zu vereinbaren, die eine schnellere Refinanzierung des Gebäudes als in 50 Jahren ermöglichten. Zusätzlich könne sie ihr Vertrauen auf die ihr erteilte Baugenehmigung stützen, für deren Erteilung auch geprüft worden sei, ob die Voraussetzungen der Landesheimbauverordnung eingehalten seien.
38 
Hinsichtlich einzelner Normen der Landesheimbauverordnung sei auszuführen:
39 
Bezüglich § 2 LHeimBauVO könnten sich Einrichtungsträger, die nicht zentral gelegene Heime oder Heime mit mehr als 100 Plätzen betrieben, auf die ihnen erteilten Baugenehmigungen stützen. Zudem liege ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG vor, der nicht gerechtfertigt sei, da es im Hinblick auf ein Überangebot an stationären Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg ohne Weiteres der Nachfrage auf dem Markt überlassen bleiben könne, ob dezentrale Angebote oder Einrichtungen mit vielen Plätzen belegt würden. Den Interessen der künftigen Bewohner sei am besten gedient, wenn es ein großes und differenziertes Angebot gebe. Auch werde in die Rechte auf Nutzung vorhandener Grundstücke und Gebäude sowie am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, die durch Art. 14 GG geschützt seien, eingegriffen. Diese Eingriffe erschienen verfassungsrechtlich nicht erforderlich, da im Hinblick auf die freie Heimwahl der Bewohnerinnen und Bewohner ordnungsrechtliche Regelungen nicht erforderlich seien. Zudem führe dieser ordnungsrechtliche Ansatz auch bei modernen und erst vor wenigen Jahren eingerichteten oder sanierten Einrichtungen zur Entwertung umfangreicher Investitionen. Zuletzt sei es ein milderes Mittel, die standortbezogenen Kriterien der Größe und Belegenheit nur für ganz neue Einrichtungen anzuwenden und den Bestandsschutz von Alteinrichtungen zu respektieren. Auch bei Berücksichtigung der Befreiungsmöglichkeit in § 6 Abs. 1 LHeimBauVO blieben die unzulässigen Beeinträchtigungen der Baugenehmigung und der Berufs- und Eigentumsfreiheit bestehen.
40 
Die Vorgaben des § 3 Abs. 1 und 2 LHeimBauVO schränkten ihre Befugnis aus der Baugenehmigung erheblich ein, ihr Gebäude mit dem derzeitigen Zimmerzuschnitt als Pflegeheim zu nutzen. Ein vollständiges Verbot von Doppelzimmern und der Verweis auf die Möglichkeit der Zusammenfassung von zwei Einzelzimmern zu einer Nutzungseinheit seien verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Es gebe Fallgestaltungen, in denen Doppelzimmer gewünscht seien oder aus pflegefachlichen Gesichtspunkten als sinnvoll erschienen. Das Leben in einem Doppelzimmer könne gerade bei bettlägerigen Bewohnern die Fähigkeit zur Kommunikation aufrechterhalten und fördern. Der baden-württembergische Verordnungsgeber stehe mit dem Verbot von Doppelzimmern bundesweit allein. Der Verweis auf die Nutzung von zwei Einzelzimmern, die zu einer gemeinsamen Nutzungseinheit zusammengeschlossen werden könnten, habe den gravierenden Nachteil, dass die Bewohner solcher Einrichtungen in der Sache zwei Einzelzimmer belegten, so dass auch der Investitionsbetrag für zwei Einzelzimmer anfalle. Dies führe zu Mehrkosten für die Bewohner von 200 bis 300 EUR monatlich. Ein Verbot von Doppelzimmern beseitige die Wahlfreiheit zwischen Einzel- und Doppelzimmer. Zum Recht auf Privatsphäre und Würde gehöre auch die Entscheidung des pflegebedürftigen Menschen, nicht in einem Einzelzimmer leben zu wollen. Entsprechendes gelte für die Zimmergrößen und -zuschnitte. Das Vertrauen von Eigentümern und Betreibern, jedenfalls unter Beachtung anerkannter, jüngerer Standards errichtete Einrichtungen langfristig weiter betreiben zu können, werde enttäuscht. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass die Refinanzierung von Errichtungs- und Erwerbskosten einer Pflegeeinrichtung nur über den langen Zeitraum von 40 bis 50 Jahren möglich sei. Die Befreiungsmöglichkeit nach § 6 Abs. 1 LHeimBauVO werde noch seltener greifen als bei anderen Regelungen, da das in § 3 Abs. 1 Satz 1 LHeimBauVO enthaltene Doppelzimmerverbot durch § 5 Abs. 4 LHeimBauVO noch verstärkt werde. § 6 Abs. 1 LHeimBauVO könne in Einzelfällen zu einer „Entlastung“ der Einrichtungsträger führen, gleichzeitig bedeute die Ordnungswidrigkeitenregelung in § 7 LHeimBauVO aber eine Verschärfung.
41 
Die Regelungen über die Bildung von Wohngruppen und Außenbereichen in § 4 LHeimBauVO seien von der Verordnungsgrundlage des § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG nicht gedeckt. Auch hier seien die Vorgaben des § 4 LHeimBauVO mit ihren Rechten und denen anderer Einrichtungsbetreiber aus Baugenehmigung, Berufs- und Eigentumsfreiheit unvereinbar. Es erscheine bereits fraglich, ob die Regelungen erforderlich seien, das Ziel familiärer und überschaubarer Strukturen im Heim zu erreichen. Wohngruppengrößen von 20 - 25 hätten sich unter pflegefachlichen wie wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewährt. Diese Zahl habe die Orientierungshilfe des Sozialministeriums ausdrücklich gebilligt. Sie ermögliche insbesondere die Umsetzung des Konzepts der Bezugspflege. Weiterhin sei es unzulässig, auf dem Umweg über bauliche Mindestanforderungen andere Betriebskonzepte als das Wohngruppenkonzept faktisch zu verbieten. Dazu werde der Verordnungsgeber nicht ermächtigt. Die Vorgabe der Gruppengröße von 15 erscheine auch unverhältnismäßig. Das Erfordernis der Anwesenheit einer Pflegefachkraft pro Wohngruppe mit Ausnahme der Nachtschicht führe dazu, dass bei verkleinerten Gruppen wesentlich mehr Fachkräfte benötigt würden. Auch hier würden die Einrichtungsträger und Eigentümer vorhandener Gebäude zu vorzeitigen Umbaumaßnahmen ohne ausreichende Möglichkeit der Refinanzierung gezwungen. Als milderes Mittel sei es hier ebenfalls möglich, die neuen Anforderungen auf Neubauten und Totalsanierungen zu beschränken. Bestehenden Einrichtungen könne eine Übergangsfrist eingeräumt werden, die zumindest nahezu den Zeiträumen entspreche, die zur Refinanzierung der baulichen Aufwendungen erforderlich seien. Soweit die Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen bestehe, bedeute dies keine Rechtssicherheit, da nicht absehbar sei, ob, wann und in welcher Zeit solche Genehmigungen erteilt würden.
42 
§ 5 Abs. 7 LHeimBauVO beinhalte mit der Formulierung „soll dies in der Regel nicht“ eine unklare Formulierung. Selbst Einrichtungen, die noch in jüngerer Zeit vom Land Baden-Württemberg gefördert worden seien, könnten nach dieser Formulierung nicht mit der erforderlichen Sicherheit abschätzen, ob im Fall der Umsetzung der neuen Vorschriften sogar die Rückforderung der Fördermittel drohe. Die Offenheit des § 5 Abs. 7 LHeimBauVO sei aus der Sicht von Einrichtungsträgern, deren Pflegeheim gefördert worden sei, nicht zu rechtfertigen. Erlasse das Land Baden-Württemberg, das zugleich Fördergeber für die Einrichtungen gewesen sei, neue bauliche Anforderungen, so müsse die Umsetzung dieser Anforderungen zwingend und umfassend als förderunschädlich geregelt werden.
43 
Die Beschränkung auf eine bloß zehnjährige Übergangsfrist in § 5 LHeimBauVO führe zu gravierenden Einschränkungen der Berufs- und Eigentumsfreiheit. Die Einrichtungsträger würden gezwungen, bereits lange vor der baulichen Abnutzung und der Möglichkeit zur Refinanzierung der bisher angefallenen Aufwendungen kostenspielige Umbaumaßnahmen vorzunehmen. Nach baden-württembergischer Praxis werde eine 50jährige Nutzungsdauer benötigt, um die bereits bisher angefallenen baulichen Aufwendungen zu refinanzieren. Auch die tatsächlich übliche Nutzungsdauer liege regelmäßig nicht unter 30 bis 40 Jahren. Für das besonders gravierende Verbot von Doppelzimmern enthalte § 5 Abs. 4 Satz 1 LHeimBauVO sogar eine Verkürzung auf unter 10 Jahre und § 5 Abs. 4 Satz 2 LHeimBauVO untersage die Nutzung vieler vorhandener Doppelzimmer bereits ohne Verlängerungsmöglichkeit nach 10 Jahren.
44 
Die Antragstellerin beantragt,
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die Verordnung des Sozialministeriums zur baulichen Gestaltung von Heimen und zur Verbesserung der Wohnqualität in den Heimen Baden-Württembergs (LHeimBauVO) vom 18.04.2011 (GBl. S. 197) für unwirksam zu erklären.
46 
Der Antragsgegner beantragt,
47 
den Normenkontrollantrag abzuweisen.
48 
Er führt im Wesentlichen aus: Dem Land Baden-Württemberg stehe die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht zu. Zwar habe der Bund gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge. Durch die Föderalismusreform sei aber der Begriff der öffentlichen Fürsorge dadurch eingeschränkt worden, dass in Art. 74 Abs. 1 GG der Klammerzusatz „ohne das Heimrecht“ angefügt worden sei. Damit sei das Heimrecht gemäß Art. 70 Abs. 1, 125a Abs. 1 Satz 2 GG Ländersache geworden. Die Landesheimbauverordnung halte sich im Ermächtigungsrahmen des § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG. Auch die Regelungen in § 4 LHeimBauVO zur Bildung von Wohngruppen und Außenbereichen seien vom Ermächtigungsrahmen des § 4 LHeimG umfasst. Der Begriff der „baulichen Gestaltung“ stelle klar, dass neben Größe und Standort der Heime alle heimspezifischen baulichen Anforderungen ohne Einschränkung auf Räume oder bestimmte andere Teile von Heimen abgedeckt seien. Zur baulichen Gestaltung zähle auch das Raumangebot der Heime, wie es in den getroffenen Regelungen des § 4 Abs. 1 bis 3 LHeimBauVO zum Ausdruck komme. Hierbei handele es sich um heimspezifische bauliche Anforderungen, nicht um organisatorische oder betriebliche Regelungen.
49 
Die Landesheimbauverordnung sei nicht zu unbestimmt. Die verwendeten unbestimmte Rechtsbegriffe, Ermessensspielräume und Soll-Vorschriften seien nicht zu beanstanden. Die Landesheimbauverordnung knüpfe mit der Übernahme der von der Antragstellerin beanstandeten unbestimmten Rechtsbegriffe aus der Heimmindestbauverordnung an eine bewährte Praxis an. Was technisch durchführbar und wirtschaftlich vertretbar sei, lasse sich im Einzelfall anhand der konkreten Verhältnisse des Normunterworfenen feststellen. Bei diesen Regelungen bestehe kein Zweifel am Zweck der Vorschrift, die Belange der Normunterworfenen im Sinne der Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit zu berücksichtigen. Zudem sei es weder möglich noch sinnvoll, alle technisch undurchführbaren und wirtschaftlich unvertretbaren Maßnahmen abschließend vorab in abstrakt-genereller Weise zu regeln. Hinsichtlich der gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 LHeimBauVO im Ermessen der Behörde stehenden Verlängerungsmöglichkeit der Übergangsfrist von 10 auf 25 Jahre gebe es in der Landesheimbauverordnung klare Maßstäbe für die Ermessensentscheidung. Wie sich §§ 1, 2 LHeimBauVO entnehmen lasse, sollen die neuen inhaltlichen Anforderungen im Interesse der Heimbewohner möglichst bald zur Geltung gebracht werden, andererseits solle den Heimbetreibern aber ausreichend Zeit für notwendige Anpassungen eingeräumt und eine (zumindest anteilige) Refinanzierung betriebsnotwendiger Investitionskosten ermöglicht werden. Aus dem Zweck der Verlängerungsfrist folge, dass eine Verlängerung ausgesprochen werden solle, soweit dies für die Refinanzierung der betriebsnotwendigen Investitionen notwendig sei. Dies habe das Sozialministerium als oberste Heimaufsichtsbehörde gegenüber den örtlichen Heimaufsichtsbehörden bereits klargestellt. Die in der Verordnung verwandten Soll-Vorschriften seien für die mit ihrer Durchführung betraute Behörde rechtlich zwingend. Nur bei Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen ließen, dürfe die Behörde von dem vorgegebenen Soll-Programm abweichen und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Die von der Antragstellerin beanstandeten Unklarheiten seien allesamt Öffnungsklauseln zu Gunsten der Heimbetreiber, die einen verhältnismäßigen Gesetzesvollzug ermöglichten.
50 
Die Regelungen der Landesheimbauverordnung griffen in die Berufsausübungsfreiheit ein, seien aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Sie dienten dem berechtigten Anliegen, die Wohnqualität in Heimen zu verbessern und den Heimbewohnern ein menschenwürdiges, möglichst selbstbestimmtes Leben mit einem Mindestmaß an Freiheit zu ermöglichen. Die Freiheit der Heimplatzwahl, auf die die Antragstellerin abstelle, sei möglicherweise theoretisch, nicht aber praktisch vorhanden. Viele Pflegebedürftige entschieden nicht selbst, welches Angebot sie in Anspruch nähmen. Sie seien in hohem Maße von Dritten abhängig. Es komme hinzu, dass der Wechsel in ein Pflegeheim oft kurzfristig erfolge und die Entscheidung von zahlreichen Umständen, wie etwa Lage, Verfügbarkeit oder Kosten abhänge. Die Regelungen der Landesheimbauverordnung seien auch angemessen. Gravierende finanzielle Auswirkungen seien für die Heimbetreiber nicht zu erwarten. Einen Bestandsschutz bestehender Heime gebe es nicht. Zudem führe die Landesheimbauverordnung keine überzogenen Standards ein, sondern regele nur das, was in neueren Heimen heute schon an Ausstattungsstandards üblich sei. Der Verordnungsgeber könne Belange der Betreiber hinter den gebotenen Schutz der Würde, der Privatsphäre und des Selbstbestimmungsrechts der Heimbewohner zurückstellen, da er mit der angegriffenen Verordnung überragend wichtige Belange des Gemeinwohls verfolge. Die Landesheimbauverordnung diene der Effektuierung der Grundrechte der Heimbewohner, vor allem des Grundrechts auf Menschenwürde und informationelle Selbstbestimmung. Sollten Heimbetreiber in Ausnahmefällen besonders schwer getroffen werden, werde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch Zulassung von Übergangsfristen und Ausnahmen hinreichend Rechnung getragen.
51 
Soweit in den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten eingerichteten Gewerbebetrieb eingegriffen werde, hielten sich die damit verbundenen Nachteile im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums und seien daher verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung gehe umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion stehe. Dies sei hier der Fall, da die Bewohner der Heime auf Grund ihrer Hilfebedürftigkeit auf derartige Einrichtungen angewiesen seien. Die hier durch die Landesheimbauverordnung erfolgte Inhalts- und Schrankenbestimmung sei auch verhältnismäßig. Es gebe keinen sozialrechtlich vorgegebenen Refinanzierungsrahmen, sondern nur frei vereinbarte oder in strittigen Einzelfällen über Schiedstellen- bzw. Gerichtsverfahren festgelegte Refinanzierungskonditionen. Heimbetreiber könnten zudem erhöhte Betriebskosten bei der Vereinbarung von Pflegesätzen mit öffentlichen Trägern einfordern. Es sei aber schon davon auszugehen, dass bei einer wirtschaftlichen Errichtung, Finanzierung und Betriebsführung eine Refinanzierung im Rahmen der Übergangsfristen möglich sei, jedenfalls könne ein angemessener Teil der getätigten Investitionen refinanziert werden. Eine vollständige Refinanzierbarkeit sei zudem verfassungsrechtlich nicht gefordert. Wer sich bislang an den Standards der Heimbaumindestverordnung orientiert habe, könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen. Kein verantwortungsbewusst agierender Heimbetreiber könne geltend machen, dass eine Novellierung der mittlerweile 30 Jahre alten Regelungen zur baulichen Gestaltung von Heimen nicht zu erwarten gewesen wäre. Es sei im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht geboten, nicht mehr zeitgemäße Heime auf Dauer zu erhalten und zu schützen. Wenn der Refinanzierungszeitraum nicht ausgeschöpft werden könne, bedeute dies lediglich eine Minderung der Rendite der Heimbetreiber, nicht aber, dass die Heimbetreiber nicht einmal ihre Kosten erwirtschaften könnten.
52 
Da die Vorschriften des öffentlichen Heimrechts neben denen des öffentlichen Baurechts stünden, greife die Landesheimbauverordnung auch nicht in bestehende Baugenehmigungen ein. Wenn einzelne Härtefälle auftreten sollten, ermögliche der neu in die Landesheimbauverordnung eingefügte Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Lösungen, die in verhältnismäßiger Weise den Belangen der Heimbewohner Rechnung trügen.
53 
Im Einzelnen sei hinsichtlich der von der Antragstellerin konkret angegriffenen Regelungen der Landesheimbauverordnung auszuführen:
54 
Mit den Vorschriften zum Standort und zur Größe der Pflegeheime sollte es den Betroffenen ermöglicht werden, auch bei einem stationären Pflegebedarf soweit wie möglich in ihrem vertrauten Lebensumfeld zu verbleiben. Es würden die mit der Größe von Pflegeheimen verbundenen Risiken begrenzt, dass Bedürfnisse der Institution die des Individuums überlagerten und sich anonyme und institutionell geprägte Strukturen ausbildeten. § 2 Abs. 1 LHeimBauVO sei als Programmsatz keine Grundlage für eine behördliche Anordnung. § 2 Abs. 2 und 3 LHeimBauVO seien Soll-Bestimmungen, die begründete Ausnahmen und das Eingehen auf die Besonderheiten des Einzelfalls ermöglichten. Die Vorschriften verlören auch noch dadurch an Belastungsintensität, dass sie den Charakter eines Optimierungsgebotes hätten. Die Formulierungen des § 2 Abs. 2 und 3 LHeimBauVO erlaubten in jedem Einzelfall eine flexible Anwendung der Zielvorgaben unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Weitere Härten würden durch die Befreiungsmöglichkeit in § 6 Abs. 1 LHeimBauVO abgemildert.
55 
Die Einzelzimmerregelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 LHeimBauVO sei erforderlich, damit die Heime allen Bewohnern eine angemessene Qualität des Wohnens und eine geschützte Privat- und Intimsphäre ermöglichen könnten. Die früher übliche Unterbringung pflege- und hilfsbedürftiger Personen in Zimmern mit zwei oder gar mehr Betten sei mit den heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten und mit dem Anspruch eines jeden Menschen auf Privatheit nicht mehr zu vereinbaren. Das Einzelzimmer sei der allgemein anerkannte Wohnstandard. Es lasse sich nicht belegen, dass für eine aktivierende Pflege Doppelzimmer notwendig seien. Bei Zulassung einer „Doppelzimmerquote“ bestehe immer das Risiko, dass Menschen aus sachfremden Gründen in Doppelzimmer gesteuert und hierdurch in ihrer Würde und in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt würden. Bedürfnisse nach Nähe und Möglichkeiten des Zusammenlebens in einem Privatbereich würden in der Landesheimbauverordnung ausdrücklich berücksichtigt. Doppelzimmer seien dafür nicht erforderlich. Es seien flexible Bau- und Raumkonzepte vorgesehen, indem jeweils zwei nebeneinander liegende Zimmer zu einer Wohneinheit verbunden werden könnten. Mit flexiblen Raumkonzepten könnten alle „Vorteile“ eines Doppelzimmers realisiert und gleichzeitig deren Nachteile vermieden werden. Die Anforderungen des § 3 Abs. 2 LHeimBauVO an die Zimmergröße seien nicht zu beanstanden. Zwar schreibe § 23 Abs. 1 HeimMindBauV geringere Mindestgrößen für Einzelzimmer vor, jedoch hätten sich mittlerweile die Lebensumstände erheblich verändert. Hinsichtlich der lichten Raumbreite von 3,2 m enthalte die Landesheimbauverordnung nur Aussagen zur Raumbreite, nicht zur Raumtiefe. Ein Quadrat von 3,2 x 3,2 m werde nirgends gefordert. Die Vorgaben der Landesheimbauverordnung zur lichten Raumbreite und zur Einzelzimmergröße würden im Heim der Antragstellerin durchweg erfüllt. Hinsichtlich der Erfordernisse an Sanitärbereiche in § 3 Abs. 4 LHeimBauVO werde lediglich eine Entwicklung nachvollzogen, die sich in der Praxis bereits durchgesetzt habe. Die Forderung, dass sich maximal zwei Bewohner einen Sanitärraum teilen müssten, diene dem Ziel, den Heimen mehr Wohncharakter zu geben und den Heimbewohnern mehr Privatsphäre einzuräumen. Im Übrigen könnten in Bezug auf die Sanitärraumausstattung bestehender Einrichtungen zeitlich unbefristete Ausnahmen zugelassen werden.
56 
Die Regelungen über Gemeinschaftsbereiche in § 4 LHeimBauVO seien ebenfalls verfassungsgemäß. Hier gehe es darum, die räumlichen Voraussetzungen für ein überschaubares Sozialmilieu zu schaffen und die Lebensbedingungen in Heimen an normale Wohnverhältnisse anzupassen; Vorgaben zu besonderen Betreuungskonzepten würden damit nicht gemacht. Großgruppen seien ein typisches Merkmal institutionell geprägter Anstalten und mit den Zielen der Normalisierung des Heimalltags und der Verbesserung der Wohnqualität in den Heimen nicht vereinbar. Es fielen im Hinblick auf einen möglicherweise höheren Bedarf an Pflegefachkräften allenfalls geringfügige Personalmehrkosten an. Eine Existenzgefährdung der Heimbetreiber sei weder ersichtlich noch geltend gemacht worden. Eine Verpflichtung der Anwesenheit einer Pflegefachkraft pro Wohngruppe unabhängig von der Gruppengröße gebe es nicht. Die Gliederung der Heime in Wohneinheiten schließe die übergreifende Organisation des Personaleinsatzes nicht aus. Sollte die Umsetzung der Vorgaben in Einzelfällen Schwierigkeiten bereiten, könnten Befreiungen erteilt werden. Die baulichen Mindestanforderungen hingen nicht von vertraglichen Pflegesatzregelungen ab; vielmehr richteten sich die Entgeltregelungen nach den baulichen Anforderungen bzw. den hierdurch verursachten Kosten.
57 
Die gestaffelten Übergangsfristen in § 5 Abs. 2 LHeimBauVO sollten eine auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbare Anpassung bestehender Heime an die neuen Anforderungen ermöglichen. Sie milderten aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Belastungen, die auf Betreiber bestehender Heime sonst zukommen würden. Die grundsätzliche, allen Heimen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 LHeimBauVO eingeräumte Frist von 10 Jahren stelle vor allem älteren Einrichtungen mit höherem Anpassungsbedarf sehr lange Zeiträume zur Verfügung, innerhalb derer die Einrichtungen ungestört finanziert und betrieben werden könnten. In Einzelfällen, etwa wenn ein Heim erst kurz vor Inkrafttreten der Verordnung in Betrieb genommen oder erst in Planung gewesen sei, könne die Übergangsfrist auf bis zu 25 Jahre verlängert werden. Hiermit werde ein Bestandsschutz vermittelt, der verfassungsrechtlich nicht geboten sei. Von Verfassungs wegen sei die Einräumung einer Übergangsfrist, die eine vollständige Refinanzierung ermögliche, nicht geboten. Rein tatsächlich treffe die Darstellung der Antragstellerin nicht zu, dass innerhalb der Übergangsfristen eine Refinanzierung getätigter Investitionen nicht möglich sei. Auch die Praxis lege keine 50jährigen Refinanzierungszeiträume fest. Im Anhörungsverfahren hätten fast alle Verbände und Beteiligte, die eine längere Übergangsfrist als 10 Jahre gefordert hätten, eine Frist von 25 Jahren für ausreichend erachtet. Hinsichtlich der in § 5 Abs. 4 LHeimBauVO geregelten Übergangsfrist für Doppelzimmer sei im Hinblick auf die Formulierung „anstreben“ schon fraglich, ob sie überhaupt eine gegenüber den Heimbetreibern durchsetzbare rechtliche Verpflichtung enthalte. Jedenfalls stehe eine solche Verpflichtung unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Vertretbarkeit, die im Einzelfall eine angemessene Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange der Heimbetreiber und die Vermeidung von Härtefällen ermögliche. Zugleich trage die Vorschrift den Belangen der Heimbewohner Rechnung. Wenn der Abbau von Doppelzimmern den Heimbetreibern wirtschaftlich zugemutet werden könne, bestehe kein Grund, hiermit bis zum Ablauf der regulären Übergangsfrist zu warten. Zwar bestehe für Doppelzimmer mit einer Größe unter 22 m² lediglich eine Übergangsfrist von 10 Jahren, doch komme diese Größe hauptsächlich in älteren Heimen vor, die zu einem großen Teil hätten refinanziert werden können. Wenn - in seltenen Fällen - in jüngeren Heimen die Doppelzimmergröße 22 m² nicht erreicht werde, seien die Interessen der Heimbetreiber nicht schutzwürdig, weil die realisierten Zimmergrößen bereits im Zeitpunkt der Errichtung nicht zeitgemäß gewesen seien.
58 
§ 5 Abs. 7 LHeimBauVO sei zu Gunsten der Heimbetreiber erlassen worden. Im Hinblick darauf, dass es auch Maßnahmen geben könne, die nicht im Vorgriff auf neue Anforderungen der Landesheimbauverordnung erfolgt seien und deshalb wie allgemein bei Zuschüssen die Frage der Rückforderung von Fördermitteln aufwerfen würden, verbiete sich die von der Antragstellerin gewünschte Klarstellung, dass eine Rückforderung generell nicht in Betracht komme. Soweit eine Rückforderung von Fördermitteln nach haushaltsrechtlichen Bestimmungen geboten sei, könne der Verordnungsgeber dies nicht ausschließen. Für die Einrichtung der Antragstellerin sei diese Bestimmung ohne Belang, da diese Einrichtung nicht gefördert worden sei.
59 
Mit der Möglichkeit von Befreiungen in § 6 Abs. 1 LHeimBauVO bestehe ein „Ventil“ für unverhältnismäßige Belastungen im Einzelfall.
60 
Dem Gericht liegen die Akten des Antragsgegners vor. Hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
61 
Nach Antragsänderung und Einwilligung des Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 VwGO, der auch im Normenkontrollverfahren Anwendung findet (Schmidt, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, 13. Aufl., § 47 RdNrn. 16, 84), ist Gegenstand des Normenkontrollantrags die Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011.
62 
Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
63 
Er ist bereits nur zum Teil zulässig.
64 
Soweit sich der Normenkontrollantrag gegen § 7 LHeimBauVO, der die Ordnungswidrigkeiten regelt, richtet, ist er schon nicht statthaft. Denn nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof als Normenkontrollgericht „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit von Normen. Dies hat zur Folge, dass Bestimmungen rein ordnungswidrigkeitenrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OWiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (BVerwG, Urteil vom 17.02.2005 - 7 CN 6.04 -, NVwZ 2005, 695). Daran ändert der Zusammenhang des § 7 LHeimBauVO mit den von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 4, § 4 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 und 5 Satz 2, § 5 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 und 6 LHeimBauVO nichts. Auch wenn diese Bestimmungen zusammen mit § 7 LHeimBauVO zur Überprüfung gestellt werden, ist der Senat wegen der vom Gesetzgeber getroffenen und eng auszulegenden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.02.2005, a.a.O.) Rechtswegregelung nicht befugt, die Ordnungswidrigkeitenvorschrift mit der in § 47 Abs. 5 Satz 2 angeordneten Wirkung für unwirksam zu erklären (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.2004 - 10 S 15/03 -, ZUR 2004, 358). Allerdings sieht sich der Senat zu dem Hinweis veranlasst, dass die Bezugnahme der Ordnungswidrigkeitenregelung in § 7 LHeimBauVO auf § 17 Abs. 1 LHeimG unzutreffend sein dürfte. Vielmehr regelt § 17 Abs. 2 Nr. 1 LHeimG, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der vorsätzlich oder fahrlässig einer Rechtsverordnung nach § 24 LHeimG zuwiderhandelt, soweit diese für einen bestimmten Tatbestand auf § 17 Abs. 2 Nr. 1 LHeimG verweist.
65 
Hinsichtlich der übrigen angegriffenen Bestimmungen der Verordnung sind die Anträge statthaft. Bei der Landesheimbauverordnung handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), über deren Gültigkeit der Senat im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit zu entscheiden hat (§ 4 AGVwGO).
66 
Soweit der Normenkontrollantrag statthaft ist, fehlt der Antragstellerin allerdings zum Teil die Antragsbefugnis bzw. das Rechtsschutzbedürfnis. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach der Antragsteller geltend machen muss, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, verlangt die Darlegung, durch die angegriffene Rechtsvorschrift in einem bestimmten Aspekt rechtlich betroffen zu sein. Ist das Verfahren in dieser Weise zulässig angestrengt worden, muss das Gericht wegen der Funktion des Normenkontrollverfahrens als objektives Beanstandungsverfahren die Rechtsvorschrift umfassend prüfen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass mit dem 6. Änderungsgesetz zur VwGO die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren in ihrer Formulierung dem § 42 Abs. 2 VwGO angepasst worden ist; denn diese Gesetzesnovelle, mit der die Funktion der Normenkontrolle als subjektives Rechtsschutzverfahren verstärkt werden sollte, hat an der umfassenden Prüfungs- und Entscheidungspflicht des Normenkontrollgerichts nichts geändert. Anders als bei der Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO setzt die Nichtigkeitserklärung der Norm weder eine Rechtsverletzung des Antragstellers voraus, noch ist die Norm nur im Umfang einer solchen Rechtsverletzung zu verwerfen. Bei Normen, die unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 139 BGB teilbar sind, ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle allerdings auf den Teil des Normgefüges beschränkt, auf den sich die geltend gemachte Rechtsverletzung bezieht. Dies hat zur Folge, dass ein dennoch auf den gesamten Normenbestand zielender Normenkontrollantrag jedenfalls insoweit unzulässig ist, als er den Antragsteller nicht berührende Normteile erfasst, die schon auf Grund vorläufiger Prüfung offensichtlich und damit auch für den Antragsteller erkennbar unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers eigenständig lebensfähig und damit abtrennbar sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 17.02.2005 - 7 CN 6.04 -, NVwZ 2005, 695; Urteil vom 09.04.2008 - 4 CN 1.07 -, NVwZ 2008, 899; Wysk, VwGO, § 47 RdNrn. 56 ff.). Dies ist hier bei den Regelungen der §§ 2 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 2 und Abs. 4, 5 Abs. 4 Satz 2 und § 5 Abs. 7 LHeimBauVO der Fall.
67 
Von diesen Regelungen ist die Antragstellerin von vornherein nicht betroffen und sie hat eine solche Betroffenheit auch nicht für die Zukunft geltend gemacht. Das Heim der Antragstellerin hält mit 36 Heimplätzen die Vorgaben des § 2 Abs. 2 LHeimBauVO an die Einrichtungsgröße ein, die an einem Standort 100 Heimplätze nicht überschreiten soll. Hinsichtlich der in § 2 Abs. 3 LHeimBauVO „möglichst“ geforderten zentralen Lage sowie der weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 LHeimBauVO vermag der Senat ebenfalls keine Bedenken hinsichtlich der Einrichtung der Antragstellerin zu erkennen. Die Einzelzimmer des Heims der Antragstellerin weisen weiterhin eine Größe von mehr als 16 m² auf und erfüllen - wie der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigte - die Vorgaben des § 3 Abs. 2 LHeimBauVO. Nach den Angaben des Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom 28.07.2010 (Seite 80) werden die in § 3 Abs. 4 LHeimBauVO geregelten Anforderungen an die Sanitärraumausstattung in der Einrichtung der Antragstellerin deutlich überschritten. Auch die Bewohnerzimmer im Heim der Antragstellerin, die im Rahmen der Übergangsregelung des § 5 Abs. 4 LHeimBauVO noch mit zwei Personen belegt werden können, weisen bereits jetzt nach den übereinstimmenden Angaben der Vertreter der Antragstellerin und des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die nach § 5 Abs. 4 LHeimBauVO nach einer Übergangsfrist von 10 Jahren erforderliche Größe von 22 m² auf. Letztlich ist die Antragstellerin von der Regelung über die Rückforderung von Fördermitteln in § 5 Abs. 7 LHeimBauVO von vornherein nicht betroffen, da ihr Heim Fördermittel im Sinne dieser Vorschrift nicht erhalten hat.
68 
Des Weiteren kann auch von einer Abtrennbarkeit dieser Vorschriften ausgegangen werden. Abtrennbarkeit in diesem Sinne setzt voraus, dass zum einen die Regelungen voneinander unabhängig (selbständig) sind und deshalb eine differenzierende Prüfung möglich ist, zum anderen darüber hinaus, dass diese Regelungen aus der Sicht des Normgebers auch unabhängig voneinander Bestand haben sollen (BVerwG, Urteil vom 17.02.2005, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
69 
Die Regelungen der §§ 2 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 2 und Abs. 4, 5 Abs. 4 Satz 2 LHeimBauVO enthalten jeweils eigene, mit anderen Anforderungen der Landesheimbauverordnung nicht verbundene und damit selbständig bestehende Anforderungen an bauliche Anforderungen von Heimen; § 5 Abs. 7 LHeimBauVO betrifft eine selbständige Regelung über die Rückforderung von Fördermitteln. Diese Normen sind daher einer gesonderten rechtlichen Überprüfung, sowohl, was die Antragsbefugnis, wie auch, was ihre Wirksamkeit betrifft, zugänglich.
70 
Der Senat geht davon aus, dass diese Normen aus der Sicht des Normgebers auch unabhängig voneinander Bestand haben sollen. Ausweislich der vom Antragsgegner vorgelegten Begründung zur Landesheimbauverordnung ist Ziel der Verordnung die Sicherung der erreichten guten Versorgungsqualität in den Heimen des Landes sowie deren Weiterentwicklung im Hinblick auf künftige Anforderungen. Dabei soll ein modernes Verständnis von einer humanen stationären Versorgung und Betreuung umgesetzt werden, soweit dies die Bau- und Raumkonzepte von Heimen betrifft. Gleichzeitig sollen so weit wie möglich der institutionelle Charakter von Heimen eingeschränkt und alltagsnahe Lebensumstände in den Heimen ermöglicht werden. Würde die Unwirksamkeitserklärung einer der die baulichen Anforderungen regelnden Bestimmungen der Landesheimbauverordnung die Unwirksamkeit der gesamten Landesheimbauverordnung zur Folge haben, würden - insgesamt - die Regelungen der Heimmindestbauverordnung weitergelten (§ 19 LHeimG), die vom Verordnungsgeber als mittlerweile weitgehend überholt und den baden-württembergischen Verhältnissen und dabei insbesondere auch als den Zielen der Sicherstellung einer modernen und leistungsfähigen Versorgungsstruktur nicht gerecht werdend angesehen werden (vgl. Begründung zur Landesheimbauverordnung, A. Allgemeiner Teil, III. Alternativen). Aus der Gesetzesbegründung zur Verordnungsermächtigung des § 24 LHeimG (LT-Drs. 14/6080, S. 15) geht hervor, dass auch der parlamentarische Gesetzgeber einen Rückschritt auf die Standards der nunmehr über 30 Jahre alten Heimmindestbauverordnung nicht wollte und die Vorgaben der Landesheimbauverordnung als Mindestvoraussetzungen für einen adäquaten ordnungsrechtlichen Schutz ansieht. Dies alles spricht aber dafür, dass auch bei Nichtigkeit einer die Anforderungen zur baulichen Gestaltung von Heimen regelnden Vorschrift oder der Vorschrift, die die Frage der Rückforderung von Fördermitteln regelt, die anderen, über den Mindeststandard der Heimmindestbauverordnung hinausgehenden Anforderungen bestehen bleiben sollen. So erklärte auch der Vertreter des Antragsgegners auf entsprechende Nachfragen des Senats in der mündlichen Verhandlung, dass die Landesheimbauverordnung im Übrigen weiterhin Geltung beanspruchen solle, wenn der Senat bestimmte Regelungen auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin hin für unwirksam erklären sollte.
71 
Für die verbleibenden Bestimmungen der Landesheimbauverordnung besteht eine Antragsbefugnis. Die die bauliche Gestaltung von Heimen regelnden Vorschriften der Landesheimbauverordnung greifen in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin als Betreiberin eines Pflegeheims ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.1989 - 4 C 41.85 -, GewArch 1989, 262; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.02.1994 - 10 S 1378/93 -, GewArch 1994, 291); zudem wendet sich die Antragstellerin als Eigentümerin eines Pflegeheimes gegen Vorschriften der Landesheimbauverordnung, die dessen bauliche Gestaltung betreffen. Diese Vorschriften sind möglicherweise Inhalts- und Schrankenbestimmungen ihres Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Anders als die Antragstellerin meint, kann sie jedoch nicht geltend machen, durch die Vorschriften der Landesheimbauverordnung auch in ihrer durch die Baugenehmigung vom 14.09.2006 vermittelten Rechtsposition verletzt zu sein. Durch diese wird nämlich nur die weitere bauliche Nutzung des Gebäudes im Rahmen der wirksam erteilten Baugenehmigung gewährleistet. Sie bietet dagegen keinerlei Schutz gegen die Begründung oder Durchsetzung heimrechtlicher Anforderungen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.1994, a.a.O.).
72 
Auch wenn hinsichtlich der Antragstellerin für die Regelungen der Landesheimbauverordnung eine Übergangsfrist von 10 Jahren gilt, die auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen verlängert werden kann (§ 5 Abs. 2 LHeimBauVO), sind im Übrigen die Erfordernisse des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für das Vorliegen einer Antragsbefugnis in zeitlicher Hinsicht („in absehbarer Zeit“) noch erfüllt. Denn spätestens nach Ablauf der Übergangsfristen ergibt sich hinreichend sicher die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Antragstellerin durch die sie betreffenden Normen der Landesheimbauverordnung. Damit würde sich ein vorsichtig und vernünftig handelnder Betroffener auch in Anbetracht der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und des Umstandes, dass er gegebenenfalls schon jetzt seine Dispositionen im Hinblick auf die in Rede stehenden Bestimmungen der Landesheimbauverordnung zu treffen hat, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt zur Antragstellung entschließen (vgl. zu diesem Kriterium: Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 47 RdNr. 180 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17.01.2001 - 6 CN 4.00 -, Buchholz 406.27 § 12 BBergG Nr. 1, nach dem auch dann eine Rechtsverletzung in absehbarer Zeit zu erwarten ist, wenn sie sich wegen der von dem Antragsteller zur Verwirklichung einer beabsichtigten Nutzung, die durch die angegriffene Rechtsvorschrift ausgeschlossen wird, erst in 15 Jahren aktualisiert).
73 
Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt. Die Antragstellerin hat den geänderten Antrag in Bezug auf die Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011 innerhalb der insoweit geltenden Frist von einem Jahr nach ihrer Bekanntmachung gestellt. Auch wenn in Bezug auf die Vorschriften der Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011, die aus der Landesheimbauverordnung vom 12.08.2009 unverändert übernommen worden sind, davon ausgegangen werden sollte, dass die Antragstellerin bereits gegen diese fristgerecht einen Normenkontrollantrag gestellt haben muss (vgl. dazu v. Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 47 VwGO RdNr. 89), ergeben sich hier keine Bedenken an der Einhaltung des Fristerfordernisses. Denn auch gegen die Landesheimbauverordnung vom 12.08.2009 hat die Antragstellerin fristgerecht einen Normenkontrollantrag gestellt, den sie nach Erlass der neuen Heimbauverordnung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig geändert hat.
74 
Der Antrag ist nach alledem unzulässig, soweit er sich gegen § 7 LHeimBauVO sowie gegen §§ 2 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 2 und Abs. 4, 5 Abs. 4 Satz 2 und § 5 Abs. 7 LHeimBauVO richtet; im Übrigen ist er zulässig. Aber auch für den Fall, dass die vorgenannten Regelungen zulässiger Antragsgegenstand der Normenkontrolle sein können, ist der Normenkontrollantrag jedenfalls insgesamt unbegründet.
75 
Denn die Regelungen der §§ 1 bis 6, 8 LHeimBauVO sind nicht wegen einer beachtlichen Verletzung höherrangigen Rechts ungültig.
76 
Der Erlass der Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011 beruht auf § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG vom 10.06.2008 (GBl. S. 169), geändert durch Gesetz vom 11.05.2010 (GBl. S. 404). Diese Ermächtigung zum Erlass der Landesheimbauverordnung ist wirksam. Insbesondere besitzt der Landesgesetzgeber entgegen der Ansicht der Antragstellerin die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des Landesheimgesetzes.
77 
Auch wenn das Heimrecht als gewerberechtliche Spezialmaterie angesehen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.02.2004 - 6 B 70.03 -, GewArch 2004, 485; Beschluss des Senats vom 18.05.2009 - 6 S 734/09 -, VBlBW 2009, 389), ist die Gesetzgebungszuständigkeit für das Heimrecht nicht von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) umfasst. Vielmehr fiel bis zur Änderung des Grundgesetzes durch das Föderalismusreformgesetz (52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.06.2006, BGBl. I. S. 2034) der Erlass heimrechtlicher Vorschriften in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) und hatte der Bundesgesetzgeber das Heimrecht durch eine umfassende Regelung, das Heimgesetz (Gesetz über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige vom 07.08.1975 [BGBl. I S. 1873], in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.11.2001 [BGBl. I 2970], seitdem noch mehrfach geändert) auf der Grundlage dieses Kompetenztitels erschöpfend reguliert. Denn dieses Gesetz bezweckte nach seinem Anspruch und dem damit übereinstimmenden Regelungsgehalt den Schutz alter, pflegebedürftiger oder behinderter Menschen vor Beeinträchtigungen, die sich aus ihrer Lebenssituation infolge des Heimaufenthaltes und den daraus folgenden Abhängigkeiten typischerweise ergeben können und war deshalb vom Begriff der öffentlichen Fürsorge im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG umfasst (BVerfG, Urteil vom 24.10.2002 - 2 BvF 1/01 -, BVerfGE 106, 62, 134; v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, 3. Aufl., Art. 74 RdNr. 344; Korbmacher, Grundfragen des öffentlichen Heimrechts, S. 6 ff.; Starck, Föderalismusreform Einführung RdNr. 62). Mit dem durch das Föderalismusreformgesetz vom 28.06.2006 eingefügten Klammerzusatz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG „(ohne das Heimrecht)“ wurde die Kompetenz für das Heimrecht aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung gestrichen und fällt seitdem in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG (vgl. BT-Drs. 16/813, S. 12; dies wird in Rechtsprechung und Literatur einhellig so gesehen, vgl. etwa: BayVGH, Beschluss vom 22.11.2010 - 12 CS 10.2243 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.07.2009 - 12 A 2630/07 -, PflR 2010, 154; Degenhart, in: Sachs, GG, 4. Aufl., Art. 74 RdNr 37; Stettner, in: Dreier, GG, 2. Aufl., Band 2, Supplementum 2007, Art. 74 RdNr. 45; Schnappauf, in: Hönig, GG, Art. 74 RdNrn. 1 und 7; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 74 RdNrn. 1, 11; Seiler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 74 RdNr. 26; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl., Art. 74 RdNr. 86; Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Band 2, Art. 74 RdNr. 65; Starck, a.a.O., RdNr. 62; Kluth, Föderalismusreformgesetz, Art. 74 GG RdNr. 38), so dass der Landesgesetzgeber jedenfalls für den mit dem Landesheimgesetz geregelten ordnungsrechtlichen Teil des Heimrechts kompetenzrechtlich zuständig und damit auch zum Erlass der Verordnungsermächtigung in § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG befugt war.
78 
Die Verordnungsermächtigung des § 24 Satz 1 Nr.1 LHeimG genügt weiterhin dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot Art. 61 Abs. 1 Satz 2 LV, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG), was die Antragstellerin auch nicht in Frage stellt. § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG ermächtigt das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren zur Durchführung des Landesheimgesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen über die bauliche Gestaltung der Heime, ihre Größe und Standorte sowie die Auswirkungen dieser Rechtsverordnung auf die Förderung von Heimen. Damit werden Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung im Heimgesetz eindeutig bestimmt. Ihr Zweck ergibt sich aus § 24 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 LHeimG (vgl. zum Ganzen auch die Rechtsprechung zur Verordnungsermächtigung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Heimgesetzes des Bundes: BVerwG, Urteil vom 17.03.1989, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.02.1994, a.a.O.).
79 
Die desweiteren von der Antragstellerin nach der Änderung der Verordnungsermächtigung durch Änderungsgesetz vom 11.05.2010 (GBl. S. 404) und dem Neuerlass der Landesheimbauverordnung auf die Vorgaben des § 4 LHeimBauVO zu den Außenbereichen und zur Bildung von Wohngruppen beschränkten Bedenken in Bezug auf die Einhaltung des Ermächtigungsrahmens vermag der Senat nicht zu teilen. Denn der Begriff der „baulichen Gestaltung der Heime“ in § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG, der über den Begriff „Räume“ in der ursprünglichen Verordnungsermächtigung des Landesheimgesetzes (§ 3 Abs. 2 Nr. 1) in der bis zur Änderung des Landesheimgesetzes durch Gesetz vom 11.05.2010 gültigen Fassung und in § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Heimgesetzes des Bundes hinausgeht, umfasst alle heimspezifischen baulichen Anforderungen an Heime, ohne Einschränkung auf Räume oder sonstige andere Teile von Heimen. Hierzu können demgemäß auch Vorgaben für gemeinschaftlich genutzte Räume und Flächen in Wohngruppen wie auch für die dem Heim funktional zugeordneten Außenbereiche, etwa Balkon, Terrasse oder Garten gehören.
80 
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin gibt die Landesheimbauverordnung mit den Regelungen zu den Außenbereichen und zur Bildung von Wohngruppen in § 4 LHeimBauVO auch kein bestimmtes Betriebs- oder Betreuungskonzept vor, dessen Bestimmung grundsätzlich Sache des Einrichtungsträgers ist (vgl. § 2 Abs. 2 LHeimG). § 4 LHeimBauVO will lediglich die räumliche Schaffung von überschaubaren Gemeinschaftsbereichen ermöglichen, macht damit aber keine konzeptionellen Vorgaben für ein besonderes Betriebs- oder Betreuungskonzept. Insoweit weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass die Vorgabe zur Gliederung der Heime in Wohneinheiten dazu diene, den angestrebten Wohncharakter der Heime (Überschaubarkeit sozialer Milieus) und die erwünschte Normalisierung des Heimalltages (Annäherung an die Lebenssituation in Privathaushalten) zu erreichen.
81 
Anders als die Antragstellerin meint, sind die Regelungen der Landesheimbauverordnung auch hinreichend bestimmt gefasst. Das aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit von Normen fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, also den Inhalt und die Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten. Die Erkennbarkeit der Rechtslage durch den Betroffenen darf hierdurch nicht wesentlich eingeschränkt sein und die Gerichte müssen in der Lage bleiben, den Regelungsinhalt mit den anerkannten Auslegungsregeln zu konkretisieren (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348, 375f.; Urteil vom 07.11.1992 - 1 BvL 8/87 -, BVerfGE 87, 234; Beschluss vom 09.11.1988 - 1 BvR 243/86 -, BVerfGE 79, 106; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 -, VBlBW 2010, 29 m.w.N.). Entsprechendes gilt für Generalklauseln und durch Rechtsnormen eingeräumte Gestaltungs- und Ermessensspielräume. Denn einer zu dichten Normierung steht das Bedürfnis gegenüber, die notwendige Flexibilität des Verwaltungshandelns zu erhalten. Durch ausreichende Beurteilungs- und Ermessensspielräume sollen situations- und sachgerechte Einzelfallentscheidungen ermöglicht werden, die durch generelle Normen nicht durchweg erreichbar sind (vgl. Zippelius/Württemberger, Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl., S. 107). Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtsposition des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (BVerfG, Beschluss vom 08.08.1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89, 133). Unbestimmte Rechtsbegriffe, Generalklauseln und die Einräumung eines Verwaltungsermessens sind mithin nicht zu beanstanden, wenn die Norm mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für ihre Auslegung und Anwendung bietet oder sie eine gefestigte Rechtsprechung übernimmt und damit aus dieser Rechtsprechung hinreichende Bestimmtheit gewinnt. Norminterpretierende oder ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften gewährleisten eine möglichst einheitliche Bestimmung und Anwendung und können dadurch ebenfalls dazu beitragen, dass unbestimmte Rechtsbegriffe und die Einräumung eines Verwaltungsermessens den rechtsstaatlichen Geboten der Bestimmtheit und Normklarheit genügen (BVerwG, Beschluss vom 01.12.2009 - 4 B 37/09 -, ZfBR 2010, 160 m.w.N.).
82 
Gemessen an diesen Vorgaben bestehen keine durchgreifenden Bedenken an der Bestimmtheit einzelner Normen der Landesheimbauverordnung. Schon gar nicht kann - anders als die Antragstellerin meint - davon gesprochen werden, dass die Unbestimmtheit der Landesheimbauverordnung derart weit gehe und so viele Vorschriften erfasse, dass insgesamt von einem Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot ausgegangen werden kann und die Landesheimbauverordnung deswegen insgesamt unwirksam ist. Insoweit macht der Antragsgegner zu Recht darauf aufmerksam, dass die Landesheimbauverordnung in ihren §§ 2 bis 4 die maßgeblichen baulichen Anforderungen hinreichend konkret formuliert, insbesondere was die wohnortnahe Standortwahl (§ 2 Abs. 3 LHeimBauVO), die Einrichtungsgröße von nicht mehr als 100 Heimplätzen (§ 2 Abs. 2 LHeimBauVO), die Bereitstellung von Einzelzimmern, die möglichst zu Nutzungseinheiten zusammen geschlossen werden können (§ 3 Abs. 1 LHeimBauVO), Vorgaben für Größe, Zuschnitt und Ausstattung der Zimmer (§§ 3 Abs. 2 , 3 und 5 LHeimBauVO), Anzahl der Sanitärbereiche (§ 3 Abs. 4 LHeimBauVO), Bildung von Wohneinheiten mit einer vorgegebenen Maximalgröße (§ 4 Abs. 1 LHeimBauVO), Vorgaben für die Größe der Aufenthaltsbereiche und zur Schaffung bestimmter Funktionsflächen in Wohngruppen und Vorgaben hierfür (§ 4 Abs. 2 bis 5 LHeimBauVO) betrifft. Die von der Antragstellerin bemängelten unbestimmten Rechtsbegriffe wie „möglichst hoher Anteil“, „in der Regel“ und andere werden zu einem Großteil zur Relativierung dieser Vorgaben im Sinne von Öffnungsklauseln und Abweichungsmöglichkeiten zu Gunsten der Heimbetreiber im Einzelfall, der naturgemäß nicht näher zu regeln ist, verwendet und dienen einer verhältnismäßigen und die Heimbetreiber nicht unangemessen benachteiligenden Anwendung im Einzelfall. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung sind sie hinreichend auslegungsfähig. Hinsichtlich einzelner Regelungen der Landesheimbauverordnung gilt insoweit:
83 
Die insbesondere von der Antragstellerin beanstandete Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „technisch durchführbar“ und „wirtschaftlich vertretbar“ in der Übergangsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 LHeimBauVO, in der Befreiungsregelung des § 6 LHeimBauVO sowie in § 4 Abs. 4 Satz 1 LHeimBauVO begegnet keinen rechtsstaatlichen Bedenken. Ähnliche Begrifflichkeiten, die - inhaltlich gleichbedeutend - an die technischen Realisierungsmöglichkeiten („technisch nicht möglich“) oder an das Merkmal der wirtschaftlichen Zumutbarkeit anknüpfen, finden sich bereits in der Befreiungsnorm des § 31 HeimMindBauV und haben in der heimrechtlichen Literatur und Praxis eine handhabbare Ausgestaltung erhalten. Danach bedeutet „technisch nicht durchführbar“ oder „technisch nicht möglich“, dass die Erreichung der Verordnungsziele nach den derzeitigen anerkannten Regeln der Baukunst schlechterdings unausführbar oder mit einem Verwendungszweck des Bauwerks oder der betroffenen Einrichtung zuwiderlaufenden Eingriff verbunden ist (vgl. Krahmer/Richter, Heimgesetz, 2. Aufl., § 31 HeimMindBauV, RdNr. 4; Kunz/Butz/Wiedemann, Heimgesetz, 10. Aufl., § 31 HeimMindBauV Rdnr. 127). Wirtschaftliche Unvertretbarkeit oder Unzumutbarkeit ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Einrichtung dadurch in ihrem Bestand gefährdet ist (Kunz/Butz/Wiedemann, a.a.O., § 31 HeimMindBauV RdNr. 128; vgl. auch Dahlen/Giese/Igl/Klie, Das Heimgesetz, § 31 HeimMindBauV RdNr. 4.2). Nach der vom Antragsgegner vorgelegten Begründung zur Landesheimbauverordnung ist zudem von einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand auszugehen, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die mit den Maßnahmen verbundenen betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen nicht im Rahmen der Heimentgelte refinanziert werden können (Begründung zu § 5 Abs. 2 LHeimBauVO), wenn eine wirtschaftliche Betriebsführung oder eine Refinanzierung früherer betriebsnotwendiger Investitionen gefährdet wird (Begründung zu § 5 Abs. 4 LHeimBauVO) oder wenn die notwendigen Maßnahmen eine wirtschaftliche Betriebsführung direkt oder indirekt gefährden (Begründung zu § 5 Abs. 6 LHeimBauVO). Weiterhin hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Gesetzen öffentlich-rechtliche Verpflichtungen unter den Vorbehalt der technischen Durchführbarkeit oder der wirtschaftlichen Vertretbarkeit stellen (vgl. etwa: § 16 Abs. 3 BBergG, § 2 Abs. 4 PBefG, § 3 LAbfG, § 11 Abs. 1 EnWG, § 17 Abs. 6 LKHG, § 14 Abs. 1 Satz 1 BatterrieG) und dieser Vorbehalt, wie auch bei den von der Antragstellerin angegriffenen Bestimmungen der Landesheimbauverordnung erforderlich ist, um gerade bei nicht vorhersehbaren Konstellationen die Verhältnismäßigkeit der abstrakt-generellen Regelungen zu wahren. Auf Grund dieser Zweckrichtung und der damit einhergehenden Auslegungsfähigkeit der in Rede stehenden unbestimmten Rechtsbegriffe ist es nicht zu beanstanden, wenn die Frage der technischen Durchführbarkeit und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit im Einzelfall von der Heimaufsichtsbehörde zu beurteilen ist. Es ist weder möglich noch sinnvoll, dass der Verordnungsgeber alle technisch undurchführbaren und wirtschaftlich unvertretbaren Maßnahmen vorab in abstrakt-genereller Weise regelt. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Heimbetreiber benötigten insoweit bereits Klarheit im Vorfeld, ist auf die Abstimmungsmöglichkeiten mit der Heimaufsichtsbehörde hinzuweisen. Diese ist gemäß § 4 Nr. 3 LHeimG zur Information und Beratung auch von Heimbetreibern bei der Planung und dem Betrieb der Heime verpflichtet. Darüber hinaus hat der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung angekündigt, dass die Orientierungshilfen für die Heimaufsichtsbehörden in Baden-Württemberg im Hinblick auf den Erlass der Landesheimbauverordnung fortgeschrieben werden sollen.
84 
Die von der Antragstellerin zudem beanstandete Einräumung eines Ermessens bei der Frage, ob sich die Übergangsfrist des § 5 Abs. 2 Satz 1 LHeimBauVO von 10 Jahren auf 25 Jahre verlängert (§ 5 Abs. 2 Satz 2 LHeimBauVO), begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Denn insoweit lassen sich ermessenslenkende Gesichtspunkte dem § 2 LHeimG und dem § 1 LHeimBauVO entnehmen. Der Antragsgegner weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die dort genannten Zwecke des Heimgesetzes (vor allem Schutz der Würde sowie der Interessen und Bedürfnisse der Bewohner von Heimen, Wahrung und Förderung der Selbständigkeit, Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilhabe am Leben der Gesellschaft, Sicherung der dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechenden Qualität des Wohnens) und die allgemeinen Grundsätze der Landesheimbauverordnung (vor allem Orientierung der Bau- und Raumkonzepte an den Zielen der Erhaltung von Würde, Selbstbestimmung und Lebensqualität, Recht auf geschützte Privat- und Intimsphäre der Bewohner von Heimen) dafür sprechen, die neuen baulichen Anforderungen möglichst zügig zur Geltung zu bringen. Andererseits soll aber auch den Heimbetreibern ausreichend Zeit für die erforderlichen Anpassungen gegeben und eine (zumindest anteilige) Refinanzierung betriebsnotwendiger Investitionskosten ermöglicht werden. Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren mitgeteilt, dass das Sozialministerium als oberste Heimaufsichtsbehörde gegenüber den örtlichen Heimaufsichtsbehörden bereits klargestellt habe, dass eine Übergangsfrist von bis zu 25 Jahren immer möglich ist, wenn dieser Zeitraum für die Refinanzierung betriebsnotwendiger Investitionen notwendig ist. Dies hat der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals bestätigt. An dieser - ermessenslenkenden - Klarstellung werden sich die Heimaufsichtsbehörden bei der Ausübung des Ermessens zu orientieren haben. Auch hinsichtlich des in der Befreiungsnorm des § 6 Abs. 1 LHeimBauVO eingeräumten behördlichen Ermessens treten die ermessenslenkenden Gesichtspunkte deutlich hervor. Mit der Befreiungsregelung hat der Verordnungsgeber ein Regulativ geschaffen, das der Behörde mehr Flexibilität bei der Anwendung des Heimgesetzes ermöglicht und es ihr erlaubt, im Einzelfall besonderen Erfordernissen Rechnung zu tragen, ohne die Ziele des Heimgesetzes und der Landesheimbauverordnung zu vernachlässigen.
85 
Die von der Antragstellerin weiterhin bemängelten Soll-Regelungen in der Landesheimbauverordnung sind ebenfalls unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Soweit sie nicht in Programmsätzen und allgemeinen Grundsätzen enthalten sind (vgl. etwa §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 LHeimBauVO), gilt für sie, dass der durch sie Verpflichtete gehalten ist, so zu verfahren, wie es bestimmt wird. Nur wenn atypische Umstände vorliegen, darf eine andere Handlungsweise gewählt werden (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20.2.1986 - 5 ER 265/84 -, Buchholz 436.36 § 53 BAföG Nr. 5).
86 
Auch die einzelnen Regelungen der Landesheimbauverordnung sind mit höherrangigem Recht vereinbar.
87 
Dies gilt zunächst für die von der Antragstellerin vornehmlich beanstandete Regelung in § 3 Abs. 1 LHeimBauVO, nach der für alle Bewohner von Heimen ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss und ein möglichst hoher Anteil der Einzelzimmer so gestaltet werden soll, dass jeweils zwei nebeneinanderliegende Zimmer zu einer Nutzungseinheit zusammen geschlossen und von zwei Personen gemeinsam genutzt werden können. Insbesondere verletzt diese Regelung nicht die Berufsfreiheit der Heimbetreiber.
88 
Die Erwerbstätigkeit von Heimbetreibern ist dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG zuzuordnen. Der - weit auszulegende - Begriff „Beruf“ im Sinn des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst grundsätzlich jede auf Dauer angelegte und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung (BVerfG, Beschluss vom 18.06.1980 - 1 BvR 697/77 -, BVerfGE 54, 301, 313). Die Betätigung als Betreiber eines Heimes erfüllt diese allgemeinen Kriterien eines Berufs. Das Grundrecht steht nach Art. 19 Abs. 3 GG insoweit auch einer juristischen Person des Privatrechts wie der der Antragstellerin zu (BVerfG, Urteil vom 19.10.1983 - 2 BvR 298/81 -, BVerfGE 65, 196, 210). In die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit von Heimbetreibern wird durch die Vorschriften, die Vorgaben an die bauliche Gestaltung von Heimen stellen, insbesondere auch durch die verpflichtende Vorgabe, ausnahmslos Einzelzimmer für die Bewohner von Heimen mit der Möglichkeit zum Zusammenschluss zu Wohneinheiten bereitzustellen, eingegriffen. Dieser Eingriff ist indes verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
89 
Durch förmliches Gesetz, auch durch Rechtsverordnung, kann in die Berufsfreiheit eingegriffen werden (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), wobei für eine danach zulässige Regelung der Berufsausübung durch Rechtsverordnung an die Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung keine höheren Anforderungen gestellt werden als an Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.12.1994 - 1 B 190.94 -, GewArch 1995, 155). Diese Voraussetzungen sind, wie bereits oben ausgeführt, eingehalten.
90 
Allerdings muss das Parlament alle für die Grundrechtsausübung wesentlichen Fragen selbst regeln; einschneidende, das Gesamtbild der beruflichen Betätigung wesentlich prägende Vorschriften über die Ausübung des Berufs sind dem Gesetzgeber zumindest in den Grundzügen selbst vorbehalten (BVerwG, Urteil vom 16.06.1983 - 3 C 79.81 -, BVerwGE 67, 261, 266). Eine derart einschneidende, statusbildende Berufsausübungsregelung steht hier nicht im Streit. Die Verpflichtung, dass in Heimen für alle Bewohner ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss und dass ein möglichst hoher Anteil der Einzelzimmer so gestaltet werden soll, dass jeweils zwei nebeneinanderliegende Zimmer zu einer Nutzungseinheit zusammen geschlossen und von zwei Personen gemeinsam genutzt werden können, ist - auch vor dem Hintergrund, dass in der Praxis der Anteil der Einzelzimmer den der Doppelzimmer in Heimen schon jetzt überragt (nach Angaben des Antragsgegners wurden zudem im Zeitraum von 1999 bis 2007 in den Pflegeheimen Baden-Württembergs 88 % des gesamten Platzzuwachses in Einzelzimmern geschaffen und wird in den Heimen des Landes der Platzbestand in Doppelzimmern um schätzungsweise 2 bis 3 Prozent des derzeitigen Bestandes pro Jahr reduziert) - nicht berufsprägend und berührt nicht den Wesenskern der Berufsfreiheit von Betreibern von Heimen.
91 
Auf Grund von § 3 Abs. 1 LHeimBauVO wird auch nicht unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit von Heimbetreibern eingegriffen.
92 
Bei der Beurteilung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit ist danach zu unterscheiden, ob es nur um die Regelung einer Berufsausübung geht oder ob darüber hinausgehend die Berufswahl eingeschränkt wird (grundlegend: BVerfG, Urteil vom 11.06.1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 377). Während Einschränkungen der freien Berufswahl besonders strengen verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegen, verfügt der Normgeber für Regelungen der Berufsausübung prinzipiell über einen erheblich größeren Gestaltungsspielraum. Die hier streitbefangene Regelung ist als Regelung der Berufsausübung zu beurteilen, denn sie lässt die von der Verfassung verstärkt geschützte Freiheit der Berufswahl unberührt. Sie verwehrt nicht den Zugang zum Beruf eines Heimbetreibers und zu sonst einschlägigen Berufen. Sie hat vielmehr Modalitäten der Berufsausübung zum Gegenstand, wenn sie regelt, welche Anforderungen an die bauliche Gestaltung von Heimen zu stellen sind. Allerdings können Regelungen der Berufsausübung so einschneidend sein, dass sie in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung einer Zulassungsbeschränkung nahekommen; in bestimmten Fällen können sie wegen ihrer Folgen faktisch die sinnvolle Ausübung des in Rede stehenden Berufs überhaupt unmöglich machen. Dann folgt für die verfassungsrechtliche Beurteilung, dass nicht schon - wie bei der Berufsausübungsregelung - vernünftige Gründe des Gemeinwohls ausreichen, um den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. Nur Gemeinwohlbelange von hoher Bedeutung wiegen so schwer, dass sie dann gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Heimbetreibers an ungehinderter Betätigung den Vorrang verdienen (vgl. etwa: BVerfG, Beschluss vom 12.06.1990 - 1 BvR 355/86 -, NJW 1990, 2306).
93 
Dies ist hier indes nicht der Fall. Durch die Bestimmung, dass - soweit keine Wohnungen zur individuellen Nutzung angeboten werden - für alle Bewohner ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss, wird in aller Regel eine sinnvolle Ausübung des Berufs eines Heimbetreibers nicht faktisch unmöglich gemacht. Insoweit kommt es auf die generelle Wirkung der Neuregelung gegenüber den Heimbetreibern an. Vorschriften über die Berufsausübung können nur dann wegen ihrer wirtschaftlichen Folgen als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl eingestuft werden, wenn die Betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahme- oder Sonderfällen wirtschaftlich nicht in der Lage wären, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen (BVerfG, Beschluss vom 17.10.1984 - 1 BvL 18/82, 1 BvL 46/83, 1 BvL 2/84 -, BVerfGE 68, 155, 170 f.). Hier kann keine Rede davon sein, dass bereits bestehende Heime im Hinblick auf die Verpflichtung, Doppelzimmer abzubauen und in Zukunft nur noch Einzelzimmer bereitzustellen, in aller Regel nicht mehr rentabel betrieben werden können. Denn die Regelungen über die individuellen Wohnbereiche beanspruchen sofortige Geltung nur für solche Heime, die nach Inkrafttreten der Verordnung ihren Betrieb neu aufnehmen oder in denen - soweit technisch durchführbar und wirtschaftlich vertretbar - Sanierungs- und Umbaumaßnahmen stattgefunden haben, die in erheblichem Umfang die Gestaltung des Raumkonzepts betroffen und auch die Höhe der Heimentgelte beeinflusst haben (§ 5 Abs. 1 LHeimBauVO). Für bestehende Heime wird aber eine Übergangsfrist von 10 Jahren eingeräumt, die auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen verlängert werden kann (§ 5 Abs. 2 LHeimBauVO). Zudem sieht § 6 Abs. 1 LHeimBauVO eine Befreiungsmöglichkeit vor, wenn die Erfüllung dieser Anforderungen technisch nicht möglich oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
94 
Beschränkungen der Berufsausübung müssen durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert sein und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen. Das gewählte Mittel muss zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein. Die dadurch bewirkte Beschränkung muss dem Betroffenen zumutbar sein (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn, Übermaßverbot). Je einschneidender die Freiheit der Berufsausübung eingeengt wird, desto gewichtiger müssen die öffentlichen Belange sein, denen die Regelungen zu dienen bestimmt ist (BVerfG, Beschluss vom 25.03.1992 - 1 BvR 298/86 -, BVerfGE 86, 28, 41).
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Das Einzelzimmererfordernis in § 3 Abs. 1 LHeimBauVO verfolgt ein legitimes Gemeinwohlziel, wobei zu beachten ist, dass dem Normgeber hinsichtlich der Festlegung von sozialpolitischen Zielen ein sehr weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 23.01.1990 - 1 BvL 44/86, 1 BvL 48/87 -, BVerfGE 81, 156, 189).
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Die Einzelzimmerregelung in § 3 Abs. 1 LHeimBauVO soll den Bewohnern von Heimen eine angemessene Qualität des Wohnens und eine geschützte Privat- und Intimsphäre ermöglichen. Der Schutz der Privat- und Intimsphäre, gerade von hilfebedürftigen älteren sowie pflegebedürftigen oder behinderten Menschen im alltäglichen Leben in Heimen und die Schaffung einer angemessenen Wohnqualität, die heutigen Standards entspricht, ist offenkundig ein legitimer Gemeinwohlbelang und wird als solcher auch nicht von der Antragstellerin in Frage gestellt (vgl. Seite 9 des Schriftsatzes des Vertreters der Antragstellerin vom 04.04.2011). Der Antragsgegner weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die Bewohner in Heimen typischerweise nicht vor-übergehend (wie etwa in Krankenhäusern, wo eine Unterbringung in Doppel- oder Mehrbettzimmern üblich und zumutbar sei), sondern auf Dauer leben und für ein normales Leben und Wohnen in Heimen die Schaffung einer räumlichen Privatsphäre erforderlich ist.
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Die streitbefangene Regelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO ist geeignet, dem Schutz der Privat- und Intimsphäre der Heimbewohner und der Schaffung einer angemessenen Wohnqualität zu dienen.
98 
Der Normgeber verfügt bei der Setzung generell-abstrakter Regelungen über einen prinzipiell weiten Gestaltungsspielraum, was bei der gerichtlichen Normenkontrolle zu beachten ist. Es ist Aufgabe des Normgebers zu entscheiden, mit welchen Mitteln der von ihm verfolgte Zweck einer Maßnahme zu erreichen ist. Die dieser Entscheidung zugrundeliegenden - oftmals fachbezogenen - Erwägungen und Wertungen, zumal Einschätzungen prognostischer Art, können gerichtlich nur dann beanstandet werden, wenn sie eindeutig widerlegbar oder offensichtlich fehlerhaft sind oder wenn sie der verfassungsrechtlichen Wertordnung zuwiderlaufen. Demnach ist bei der gerichtlichen Kontrolle der Zwecktauglichkeit von Gesetzen die Eignung einer gesetzlichen Maßnahme nur dann zu verneinen, wenn das eingesetzte Mittel schlechthin ungeeignet ist (BVerfG, Beschluss vom 03.12.1965 - 1 BvL 15/84 -, BVerfGE 71, 206, 215). Das gilt entsprechend auch für die Verwaltung, soweit sie im Rahmen ihrer Befugnisse durch Rechtsverordnung allgemeine Vorschriften erlässt (BVerfG, Beschluss vom 27.03.1987 - 1 BvR 850/86 u.a. -, GewArch 1987, 194).
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Hier ist zu beachten, dass das Verbot von Doppel- oder Mehrbettzimmern zugleich auch die Wahlfreiheit derjenigen beeinträchtigt, die für eine angemessene Qualität des Wohnens gerade nicht in einem Einzelzimmer leben, sondern sich für ein Doppelzimmer entscheiden wollen. Dies kann vor allem bei Ehepaaren, Lebensgemeinschaften, Verwandten oder Freunden der Fall sein, die bewusst auf ein Einzelzimmer verzichten und gemeinsam in einem Heim leben wollen, aber auch bei anderen Heimbewohnern, die aus unterschiedlichen Gründen, etwa auch aus pflegefachlichen Gesichtspunkten (Aufrechterhaltung und Förderung der Kommunikation bei bettlägerigen Patienten), nicht allein in einem Einzelzimmer leben wollen. Wünschen nach räumlicher Nähe im Individualbereich trägt die Landesheimbauverordnung aber dadurch Rechnung, dass zum einen das Einzelzimmererfordernis nur dort gilt, wo Heime keine Wohnungen zur individuellen Nutzung bereitstellen und zum anderen vorgegeben wird (§ 3 Abs. 1 Satz 2 LHeimBauVO), dass ein möglichst hoher Anteil von Einzelzimmern so gestaltet werden soll, dass jeweils zwei nebeneinanderliegende Zimmer zu einer Nutzungseinheit zusammengeschlossen und von zwei Personen gemeinsam genutzt und auch so gestaltet werden können, dass auf Wunsch ein Zimmer als gemeinsamer Schlafraum genutzt werden kann (sog. flexible Bau- und Raumkonzepte). Insoweit würde, worauf der Antragsgegner auch hinweist, die Wahlfreiheit der Heimbewohner nicht eingeschränkt, sondern sogar erweitert, da die gemeinsame Nutzung von zwei Zimmern bei Bedarf, etwa wenn sich der Zustand eines Bewohners so verändert, dass eine räumliche Nähe nicht mehr gewünscht wird, auch wieder ohne größere Umstände rückgängig gemacht werden kann. Problematisch könnten damit nur noch jene Fälle von Ehepaaren oder Partnern sein, in denen beide bettlägerig sind, aber zusammen in einem Zimmer untergebracht werden wollen. Bei diesen ist der Zusammenschluss zweier Einzelzimmer zu einer Wohneinheit wenig sinnvoll. Zum einen ist für sie ein Wohnraum dann nicht mehr erforderlich, zum anderen hat der Raum, in dem die Betten aufgestellt sind, nur noch Einzelzimmergröße. Auch bei einem Ehepaar, bei dem nur ein Ehepartner bettlägerig ist, könnte es zu Schwierigkeiten, etwa für gemeinsam eingenommene Mahlzeiten kommen, wenn in dem Raum, der als Schlafraum genutzt wird, kein Platz mehr für einen Tisch sein sollte. Hier könnte das von der Landesheimbauverordnung verfolgte flexible Bau- und Raumkonzept an seine Grenzen stoßen. Das mag auch noch in anderen Fällen so sein, wenn etwa für an Demenz erkrankte Menschen ein Doppelzimmer aus pflegefachlichen Gesichtspunkten wünschenswert ist, diese sich jedoch in der Kombination eines gemeinsam genutzten Schlafraumes und eines gemeinsam genutzten Wohnraumes „verlieren“ (vgl. Stellungnahme der Seniorenresidenz ... vom 25.05.2009 im Anhörungsverfahren). Aber hierbei handelt es sich, wie der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausführte, um in der Praxis äußerst seltene Einzelfälle, auf die der Normgeber wegen seiner Befugnis zur Typisierung und dem ihm eingeräumten Prognose- und Beurteilungsspielraum nicht weiter einzugehen braucht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2008 - 7 C 48.07 -, BVerwGE 132, 224).
100 
Die Regelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO ist zur Erreichung des verfolgten Zwecks auch in dem hier maßgebenden Sinn erforderlich.
101 
An der Erforderlichkeit einer generell-abstrakten Regelung fehlt es, wenn der Normgeber den Zweck der Maßnahme mit einer anderen - ebenso geeigneten - Maßnahme verwirklichen kann, welche die Betroffenen weniger belastet und sonstige private oder öffentliche Belange nicht oder jedenfalls nicht stärker beeinträchtigt als die ergriffene Maßnahme.
102 
Der Senat vermag der von der Antragstellerin unter Hinweis auf einen regen Wettbewerb unter den Heimen vertretenen Ansicht nicht zu folgen, die Frage des Anteils der in den Heimen zu schaffenden Einzelzimmer könne der Selbstregulierung des Marktes überlassen werden. Die Antragstellerin stellt hierzu darauf ab, dass während der Auswahlphase die besondere Abhängigkeitssituation von Menschen in Heimen typischerweise noch nicht bestehe, in allen Regionen Einzelzimmer kurzfristig beziehbar seien und es üblich und naheliegend sei, dass der Interessent und sein Betreuer oder seine Angehörigen mehrere Einrichtungen anfragten und besichtigten. Jedoch kommt nach den schriftsätzlich dargelegten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von dem Vertreter des Antragsgegners näher erläuterten Erfahrungen der Heimaufsichtsbehörden der Wechsel von der häuslichen Umgebung des Heimbewohners in ein (Pflege)Heim in der Realität oft kurzfristig vor und wird die Entscheidung von zahlreichen Faktoren, wie etwa Lage, Verfügbarkeit und Kosten beeinflusst. Deswegen - so die Erfahrungen des Antragsgegners - werde es regelmäßig nicht möglich sein, vollkommen frei am Markt unter allen in Betracht kommenden Angeboten zu entscheiden. In vielen Fällen treffe ein Pflegebedürftiger die Entscheidung nicht mehr selbst und sei von dem Urteil oder auch nur der Unerfahrenheit anderer, die teilweise auch andere Interessen wie der Pflegebedürftige verfolgen könnten, abhängig. Dies lasse nicht den Schluss zu, dass Pflegebedürftige sich auf einem funktionierenden Markt von Pflegeeinrichtungen die Einrichtung mit den für sie akzeptablen Lebensbedingungen aussuchen könnten. Bereits vor diesem Hintergrund liegt es bei Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers nicht gänzlich neben der Sache und ist es jedenfalls nicht unvertretbar, die Anforderungen an Heime, auch und gerade was die individuellen Wohnbereiche angeht, nicht bloß dem freien Spiel der Kräfte des Marktes anzuvertrauen, sondern insoweit regulierend in den Markt einzugreifen. Weiter ist in den Blick zu nehmen, dass - wie selbst der Geschäftsführer der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einräumte - Pflegebedürftige, deren Heimkosten ganz oder teilweise von Sozialhilfeträgern übernommen werden, von diesen bei einer Wahl zwischen der Unterbringung in einem Einzel- oder in einem Doppelzimmer oftmals auf die kostengünstigere Alternative des Doppelzimmers verwiesen werden. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstands kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Wahl des Heimes und vor allem der Art und Weise der Unterbringung tatsächlich immer frei von jedweden äußeren Umständen erfolgen kann. Verfolgt der Verordnungsgeber das legitime Ziel, durch die ausnahmslose Bereitstellung von Einzelzimmern, die gegebenenfalls durch Zusammenschluss zu einer Wohneinheit verbunden werden können, den Bewohnern von Heimen eine angemessene Qualität des Wohnens und eine geschützte Privat- und Intimsphäre zu ermöglichen, kann die Erforderlichkeit einer verpflichtenden Regelung damit letztendlich nicht unter Hinweis auf die Selbstregulierung des Marktes in Frage gestellt werden.
103 
Die Einzelzimmerregelung in § 3 Abs. 1 LHeimBauVO ist den betroffenen Heimbetreibern auch zumutbar. Sie ist bei Berücksichtigung aller erkennbaren erheblichen Umstände, vor allem auch im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen für die Heimbetreiber, um die es der Antragstellerin vor allem geht, insgesamt angemessen.
104 
Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Regelung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit keinen Anspruch auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten bietet. Wettbewerbspositionen und damit auch der Umsatz und die Erträge unterliegen dem Risiko laufender Veränderungen je nach den Marktverhältnissen (BVerfG, Urteil vom 17.12.2002 - 1 BvL 28, 29, 30/95 -, BVerfGE 106, 275, 299; BVerwG, Urteil vom 23.10.2008 - 7 C 48.07 -, BVerwGE 132, 224). Soweit Heimbetreiber durch die Neuregelungen zum Doppelzimmer besonders schwer getroffen werden, kann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch die Übergangsfristen (§ 5 Abs. 2 LHeimBauVO), die Regelung von Ausnahmetatbeständen in § 6 Abs. 2 LHeimBauVO und vor allem durch die Befreiungsmöglichkeit in § 6 Abs. 1 LHeimBauVO Rechnung getragen werden. Danach kann eine Befreiung von den in §§ 2 bis 4 LHeimBauVO genannten Anforderungen - auch dem Einzelzimmererfordernis - in dem Fall erteilt werden, wenn deren Erfüllung dem Heimbetreiber ansonsten wirtschaftlich nicht zumutbar ist.
105 
Insbesondere sind die Übergangsregelungen des § 5 Abs. 2 LHeimBauVO unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23.10.2008, a.a.O. unter Hinweis auf: BVerfG, Beschluss vom 28.11.1984 - 1 BvL 13/81 -, BVerfGE 68, 272) verpflichtet weder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch das Gebot des Vertrauensschutzes zu einer Übergangsregelung, die jedem Betroffenen die Fortsetzung einer früheren Tätigkeit ohne Rücksicht auf deren Umfang gestattet. Es besteht auch kein Recht darauf, von Neuregelungen verschont zu bleiben, bis einmal getätigte Investitionen sich vollständig amortisiert haben. Der Verordnungsgeber muss auch nicht jedem Einzelfall und jeder konkreten Disposition Rechnung tragen, sondern ist auch bei Übergangsregelungen befugt, zu typisieren und von atypischen Ausnahmefällen abzusehen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gilt:
106 
Selbst wenn man mit der Antragstellerin von einem an § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI in Verbindung mit dem die Höhe der gesondert berechenbaren Abschreibungen für Gebäude und Zubehör betreffenden § 4 der Richtlinie zur gesonderten Berechnung betriebsnotwendiger Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 3 SGB XI orientierten Abschreibungszeitraum von 40,8 Jahren oder gar 50 Jahren (so die Antragstellerin unter Hinweis darauf, dass der in § 4 Abs. 3 der oben genannten Richtlinie genannte Abschreibungszeitraum auf einer Mischberechnung der Gebäudenutzung von 50 Jahren einerseits und einer Nutzung der technischen Ausstattung von 12 Jahren andererseits beruht) mit der Folge ausgehen würde, dass für ältere Heime nach Ablauf der Übergangsfristen die Investitionsaufwendungen für die Errichtung bzw. Generalsanierung für einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren noch nicht abgeschrieben wären, ist zu beachten, dass der Heimbetreiber die Investitionskosten für die nach der Landesheimbauverordnung erforderlich werdende Umstellung von Doppel- auf Einzelzimmer als „betriebsbedingte Investitionsaufwendungen“ nach § 82 Abs. 3 oder 4 SGB XI seinerseits - zusätzlich - gesondert berechnen kann (vgl. dazu allgemein auch BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 3 P 3/07 R -, BSGE 99, 57; Urteil des Senats vom 22.05.2006 - 6 S 2993/04 -, VBlBW 2006, 470). Soweit die Antragstellerin demgegenüber einwendet, dass die Summierung der Investitionskosten für den bisher nicht refinanzierten Anteil der Errichtungskosten und für die Umbaukosten zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber demjenigen Heimbetreiber führe, der seine Vergütungsanteile für die Investitionen ohne Umbaukosten und ohne verkürzte Abschreibungszeit kalkulieren könne, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es - wie bereits ausgeführt - keinen grundrechtlichen Anspruch darauf gibt, dass Wettbewerbsbedingungen gleich bleiben. Insbesondere gewährleistet das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nur das Recht auf Teilhabe am Wettbewerb, nicht aber einen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb oder auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (BVerfG, Urteil vom 17.12.2002, a.a.O., BVerfGE 106, 275, 299). Im Übrigen ermöglichen die Übergangsvorschriften einen Refinanzierungszeitraum von 10 Jahren seit Inkrafttreten der Landesheimbauverordnung, verlängerbar auf 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen und kann der Heimbetreiber in diesem Zeitraum auch Gewinne erzielen, mit denen er weitere Kosten decken kann. So hat der Antragsgegner im Ergebnis letztlich von der Antragstellerin unwidersprochen ausgeführt, dass es zahlreiche Heime gebe, die lange vor Ablauf einer Übergangsfrist von 50 Jahren grundlegend saniert oder abgerissen und im Rahmen eines Ersatzneubaus wieder errichtet worden seien, ohne in Insolvenz zu gehen. Im Anhörungsverfahren zum Erlass der Landesheimbauverordnung haben fast alle Verbände und Beteiligte, die eine längere Übergangsfrist als 10 Jahre gefordert haben, eine Frist von 25 Jahren für ausreichend erachtet. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf der Landesheimbauverordnung vom 26.05.2009 selbst eine Übergangsvorschrift von 25 Jahren für bestehende Heime vorgeschlagen. Der Antragsgegner hat ferner darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit den Vorarbeiten zum Erlass der Landesheimbauverordnung Heimträgern und Verbänden - auch dem bpa - angeboten worden sei, anhand konkreter Einzelfälle zu prüfen, ob bezüglich der vorgesehenen Übergangsregelungen Probleme entstünden und wie diese gegebenenfalls gelöst werden könnten. Hierauf sei keine Reaktion erfolgt, was nahelege, dass die Übergangsfrist für Heimträger akzeptabel sei. Stellt man dies in Rechnung und beachtet zudem, dass bei vollständiger Ausnutzung der möglichen Übergangsfrist bis zu 25 Jahren die aktuellen und legitimen Ziele des Verordnungsgebers erst mit der Verzögerung einer Generation vollständig umgesetzt werden können, besteht auch für den Senat kein Zweifel daran, dass bei Abwägung der wirtschaftlichen Betroffenheit der Heimbetreiber auf der einen Seite und der Schutzbedürftigkeit der Heimbewohner auf der anderen Seite, Übergangsfristen von 10 Jahren ab Inkrafttreten der Landesheimbauverordnung, verlängerbar auf 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen nicht als unverhältnismäßig angesehen werden können. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf § 5 Abs. 4 Satz 1 LHeimBauVO geboten, nach dem bereits während der Übergangsfristen, soweit wirtschaftlich vertretbar, der Abbau von Doppelzimmern anzustreben ist. Dabei mag dahinstehen, ob und inwieweit auf Grund der Wortwahl „anstreben“ gegenüber Heimbetreibern überhaupt eine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung begründet wird oder ob § 5 Abs. 4 Satz 1 LHeimBauVO nur als eine ermessensleitende Vorgabe, etwa für die Verlängerung der Übergangsfrist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 LHeimBauVO, Wirkung entfaltet. Denn diese Vorgabe steht jedenfalls unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und ermöglicht im Einzelfall wiederum eine angemessene Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange der Heimbetreiber, wobei auch hier die Frage, ob und inwieweit die Investitionskosten refinanziert sind, zu berücksichtigen ist.
107 
Sollte es nach Ausschöpfung der Übergangsfristen dennoch zu wirtschaftlich unvertretbaren Folgen für den Heimbetreiber kommen, steht mit der Befreiungsregelung des § 6 Abs. 1 LHeimBauVO ein Korrektiv zur Verfügung, mit dem unter dem Blickwinkel des Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbare Belastungen vermieden werden.
108 
Die Einzelzimmerregelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO ist im Lichte der Übergangsregelungen des § 5 Abs. 2, 4 LHeimBauVO und der Befreiungs- und Ausnahmeregelungen des § 6 LHeimBauVO auch im Hinblick auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Durch sie erfolgt allenfalls eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums der Antragstellerin, die nach dem oben Gesagten verhältnismäßig ist.
109 
Die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sind durch die Einzelzimmerregelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO wie auch durch die weiteren neuen Vorgaben der Landesheimbauverordnung ebenfalls nicht verletzt. Sie genießen nur in den Fällen echter Rückwirkung (generellen) Vorrang vor dem jeweils verfolgten gesetzgeberischen Anliegen. Die Landesheimbauverordnung greift aber nicht gestaltend in einen in der Vergangenheit liegenden (abgeschlossenen) Sachverhalt ein, sondern knüpft lediglich im Sinne einer unechten Rückwirkung tatbestandlich an Ereignisse vor ihrem Inkrafttreten an (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2008, a.a.O.).
110 
Die von der Antragstellerin des Weiteren vornehmlich angegriffene Regelung zur Wohngruppengröße in § 4 Abs. 1 LHeimBauVO, nach der in Wohnungen nicht mehr als 8 und in Wohngruppen höchstens 15 Bewohner aufgenommen werden sollen, verstößt ebenfalls nicht gegen grundrechtliche Freiheiten der Heimbetreiber. Sie verfolgt das Ziel, den institutionellen Charakter von Heimen zurückzudrängen, überschaubare, familienähnliche soziale Milieus zu gewährleisten und die Lebensbedingungen in Heimen an normale Wohnverhältnisse anzupassen. Dieses Ziel ist legitim; es wird von der Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt. Der Senat teilt insoweit die Ansicht des Antragsgegners, dass bei Bildung von Großgruppen eher die Gefahr eines institutionell geprägten Heims besteht und die Vorgabe einer Wohngruppengröße von höchstens 15 Bewohnern geeignet ist, zur Normalisierung des Heimalltags und zur Verbesserung der Wohnqualität der Heimbewohner beizutragen. Unter Berücksichtigung eines weiten Einschätzungsspielraums des Verordnungsgebers, der insoweit (vgl. Seite 82 ff. des Schriftsatzes des Vertreters des Antragsgegners vom 28.07.2011) auf Erfahrungen aus den Bereichen der Behindertenhilfe verweist, bestehen auch an der Erforderlichkeit der Regelung zur Beschränkung der Wohngruppengröße keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin, Wohngruppengrößen von 20 bis 25 Personen hätten sich in der Praxis bewährt, so dass eine kleinere Wohngruppengröße nicht erforderlich sei, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner insoweit darauf verweist, dass sich die in der Orientierungshilfe für die Heimaufsichtsbehörden in Baden-Württemberg genannte Einheit mit bis zu 25 Plätzen nicht auf Wohngruppen beziehe, sondern sich an herkömmlichen „Stationsgrößen“ orientiere, Gruppengrößen von bis zu 25 Plätzen in den vergangenen Jahren in den Heimen bereits zunehmend abgebaut worden seien und gerade für demenziell erkrankte Pflegebedürftige kleinere und überschaubare Gruppengrößen wichtig seien. So haben sich im Verordnungsgebungsverfahren unter anderem auch der Landesverband Baden-Württemberg der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung e.V. und der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg für die Beschränkung der Größe der Wohngruppen auf 15 Plätze ausgesprochen.
111 
Die Wohngruppenregelung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die nach Nr. 4.5 der Orientierungshilfe für die Heimaufsichtsbehörden in Baden-Württemberg - Stand August 2006 - (vgl. aber auch Beschluss des Senats vom 18.04.2006 - 6 S 214/05 - zur (fehlenden) normativen Verbindlichkeit einer entsprechenden Regelung in Nr. 4.5 des Kriterienkatalogs für die Heimaufsichtsbehörden in Baden-Württemberg vom 19.03.2003) im Tagesdienst erforderliche Anwesenheit einer Pflegefachkraft in jeder Pflegeeinheit (in der Regel bis zu 25 Bewohner) dazu führe, dass bei verkleinerten Gruppen wesentlich mehr Fachkräfte erforderlich würden und dies erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Heimbetreiber habe, steht dies der Angemessenheit der Regelung nicht entgegen. Der Vertreter des Antragsgegners hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, dass die Orientierungshilfe konzeptionell von einem Stand vor Erlass der Landesheimbauverordnung ausgehe und deswegen nicht gefolgert werden könne, es müsse pro Wohngruppe (mit höchstens 15 Bewohnern) im Sinne der jetzt im Streit stehenden Landesheimbauverordnung vom Erfordernis der Anwesenheit einer Pflegefachkraft ausgegangen werden. Es bestehe insoweit keine Identität zwischen dem Begriff der Wohngruppe in § 4 Abs. 1 LHeimBauVO und dem von der Orientierungshilfe verwendeten Begriff der Pflegeeinheit. Vielmehr sehe eine im Entwurfsstadium befindliche Verordnung zur Personalausstattung von Heimen vor, dass für zwei Wohngruppen die Anwesenheit einer Pflegefachkraft und einer qualifizierten Hilfskraft erforderlich sei.
112 
Für die Frage des Personaleinsatzes wie auch für die Frage des Erfordernisses räumlicher oder baulicher Veränderungen auf Grund der Verringerung der Wohngruppengröße gilt im Übrigen, dass es sich bei der Vorschrift des § 4 Abs. 1 LHeimBauVO um eine Soll-Regelung handelt, von der in atypischen Fällen, insbesondere wenn die Forderung nach Gruppengrößen von höchstens 15 Bewohnern zu unverhältnismäßigen Einschränkungen für die Heimbetreiber führen sollte, Ausnahmen gemacht werden können. Unverhältnismäßige Einschränkungen ergeben sich aus der Begrenzung von Wohngruppen auf höchstens 15 Personen auch für bestehende Heime darüber hinaus auch deswegen nicht, weil hier ebenfalls die Übergangsfrist von 10 Jahren nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LHeimBauVO gilt, die auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme verlängert werden kann (§ 5 Abs. 2 Satz 2 LHeimBauVO), und auch die in § 6 Abs. 1 LHeimBauVO eröffnete Möglichkeit zur Erteilung einer Befreiung aus Gründen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit Anwendung findet.
113 
Da sich die Regelung über die Wohngruppengröße in § 4 Abs. 1 LHeimBauVO mithin als verhältnismäßig erweist, verstößt sie auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG.
114 
Auch die weiteren Regelungen der Landesheimbauverordnung halten ungeachtet des Umstandes, dass sie teilweise schon nicht zulässiger Gegenstand des Normenkontrollantrags sind, einer Überprüfung am Maßstab der Art. 12 Abs. 1 GG, 14 Abs. 1 GG stand.
115 
Die allgemeinen Grundsätze des § 1 LHeimBauVO werden von der Antragstellerin mit Ausnahme der Frage der Unbestimmtheit (dazu bereits oben) nicht gesondert angegriffen. Dass der Verordnungsgeber im Rahmen seines Einschätzungsspielraums solche Grundsätze, die allein nicht Grundlage einer Anordnung der Heimaufsichtsbehörden sein können, sondern zuvörderst Richtlinien für ein den Heimaufsichtsbehörden eröffnetes Ermessen vorgeben, aufstellen kann und diese Grundsätze der Umsetzung legitimer Ziele des Verordnungsgebers dienen, ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten. Ausweislich der Begründung zur § 1 LHeimBauVO geht es dem Verordnungsgeber darum, allgemeine Grundsätze für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Heimangebote zu formulieren, und dabei besonders zu berücksichtigen, dass bei einem stationären Hilfebedarf die Kontinuität in den Lebensumständen der Betroffenen soweit wie möglich erhalten bleibt und dabei gleichzeitig institutionell geprägte Lebensverhältnisse soweit wie möglich vermieden werden.
116 
Bei den Bestimmungen des § 2 LHeimBauVO handelt es sich ungeachtet der Frage, ob § 2 Abs. 1 LHeimBauVO lediglich als Programmsatz zu verstehen ist, um Soll-Vorschriften, die bei begründeten Ausnahmefällen die Berücksichtigung von Besonderheiten, auch im Hinblick auf mögliche Eingriffe in die Berufsfreiheit oder Eigentumsgarantie, ermöglichen. Wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, verlieren diese Vorschriften zudem dadurch an Belastungsintensität, dass sie angesichts der gewählten Formulierungen („möglichst“, „orientieren“) als Optimierungsgebote zu verstehen sind (vgl. Begründung zu § 2 LHeimBauVO) und damit auch beim Fehlen einer Ausnahmesituation eine Rechtsanwendung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ermöglichen. Insbesondere soll durch diese Vorschrift - wie sich ebenfalls aus der Begründung zu § 2 LHeimBauVO ergibt - der wirtschaftliche Betrieb von Heimen sowie die Notwendigkeit besonders spezialisierter Formen der stationären Betreuung auf zentraler oder überregionaler Ebene, nicht in Frage gestellt werden. Vor dem Hintergrund, dass die mit § 2 LHeimBauVO verfolgten Ziele (Verbleib der betroffenen Menschen bei stationärem Hilfebedarf in ihrem vertrauten Lebensumfeld, Vermeidung anonymer und institutionell geprägter Strukturen) an die im Gesetz zur Umsetzung der Pflegeversicherung in Baden-Württemberg (Landespflegegesetz - LPflG) niedergelegten Zielsetzungen zur Ausgestaltung der stationären Pflegestruktur (vgl. § 1 Abs. 1 LPflG) anknüpfen und die mit ihnen verfolgten Ziele nicht zu beanstanden sind, ist ein Verstoß des § 2 LHeimBauVO gegen die Grundrechte aus Art. 12 Abs.1, 14 Abs. 1 GG ebenfalls nicht ersichtlich.
117 
Entsprechendes gilt für die weiteren Regelungen des § 3 Abs. 2 bis 5 LHeimBauVO über die Ausgestaltung der individuellen Wohnbereiche zur Zimmergröße, zu den Sanitäreinrichtungen und zur weiteren Gestaltung der Individualbereiche im Heim. Angesichts des mit ihnen verfolgten Ziels der Verbesserung der Wohnqualität in den Heimen, der Übergangsregelungen in § 5 Abs. 2, 3 und 5 LHeimBauVO und der Befreiungsregelung in § 6 Abs. 1 LHeimBauVO erweisen sich auch diese Vorschriften als vereinbar mit den grundrechtlichen Gewährleistungen der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG. In Bezug auf die Übergangsregelung des § 5 Abs. 5 LHeimBauVO, die für den Fall, dass hinsichtlich der Vorgaben zu den individuellen Sanitärräumen dauerhaft Ausnahmen zugelassen werden, vorsieht, dass spätestens nach einer Übergangsfrist von 10 Jahren auf allen Wohnebenen mindestens für jeweils bis zu vier Bewohner ein WC und für jeweils bis zu 15 Bewohner ein an die besonderen Bedürfnisse der jeweiligen Bewohner angepasstes Gemeinschaftsbad vorhanden sein müssen, sind Bedenken im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG, 14 Abs. 1 GG von der Antragstellerin nicht geltend gemacht worden. Sie sind angesichts des Ziels, nach der allgemeinen Übergangsfrist von 10 Jahren einen Mindeststandard bezüglich der gemeinschaftlichen Sanitäreinrichtungen zu gewährleisten, auch nicht ersichtlich.
118 
Die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 (Aufenthaltsbereiche), Abs. 3 (Funktions- und Arbeitsbereiche), Abs. 4 (Raumklima, Belichtung, Beleuchtung, Be- und Entlüftung) und Abs. 5 LHeimBauVO (Außenbereich) werden von der Antragstellerin nicht gesondert angegriffen. Dass die Regelungen für die Außenbereiche von der Verordnungsermächtigung gedeckt sind, wurde bereits oben ausgeführt. Im Übrigen ist auch hier in Anbetracht der Übergangsregelungen und der Befreiungsmöglichkeit in § 6 LHeimBauVO für den Senat ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG nicht erkennbar.
119 
Die Übergangsregelungen in § 5 LHeimBauVO sind in Zusammenhang mit den entsprechenden materiell-rechtlichen Regelungen zu sehen und bedürfen insoweit keiner eigenständigen Überprüfung. Insbesondere ist der Zeitraum der Übergangsregelungen (10 Jahre nach Inkrafttreten der Landesheimbauverordnung, im Ermessensweg verlängerbar auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen), wie bereits bei der Einzelzimmerregelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO dargestellt, nicht zu beanstanden.
120 
Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf die Regelung in § 5 Abs. 7 LHeimBauVO geltend macht, dass für den Fall, dass sich bei nach Landesrecht geförderten Einrichtungen durch die Anpassung an die Anforderungen dieser Verordnung förderschädliche Abweichungen bezüglich der ursprünglichen Förderbedingungen ergeben, dies in der Regel lediglich nicht zur Rückforderung von Fördermitteln führen „soll“, und nicht normiert worden sei, dass eine Rückforderung von Fördermitteln generell nicht in Betracht komme, hat der Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren ausgeführt, dass § 5 Abs. 7 LHeimBauVO zu Gunsten der Heimbetreiber erlassen worden sei. Die Vorschrift betreffe all die Fälle, in denen Heimbetreiber bereits im Vorgriff auf die - wegen der Übergangsfrist - noch nicht geltenden Anforderungen der Landesheimbauverordnung Umbauten und Investitionen vornehmen und bei denen sich vor Ablauf sowohl der Zweckbindungsfrist wie auch der Übergangsfrist die Frage stellen könne, ob diese förderschädlich seien. Die Verordnung stelle klar, dass hiervon in der Regel nicht auszugehen sei. Es könne allerdings auch Maßnahmen geben, die nicht im Vorgriff auf die neuen Anforderungen der Landesheimbauverordnung erfolgt seien und damit wie allgemein bei Zuschüssen die Frage der Rückforderung von Fördermittel aufwerfe. Deswegen könne nicht generell normiert werden, dass Fördermittel nicht zurückgefordert werden. Unter diesen Voraussetzungen vermag der Senat nichts dafür zu erkennen, dass § 5 Abs. 7 LHeimBauVO nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Hiervon scheint auch die Antragstellerin auszugehen, die das dargelegte Verständnis des Antragsgegners von § 5 Abs. 7 LHeimBauVO in ihrem Schriftsatz vom 04.04.2011 „begrüßt“.
121 
Hinsichtlich des § 6 LHeimBauVO (Befreiungen und Ausnahmeregelungen) sowie der Bestimmungen über das Inkrafttreten der Landesheimbauverordnung sind weitere Bedenken an der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht von der Antragstellerin nicht geltend gemacht worden und im Übrigen auch nicht ersichtlich.
122 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
123 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da einer der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegt.
124 
Beschluss vom 27. September 2011
125 
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG auf 20.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
61 
Nach Antragsänderung und Einwilligung des Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 VwGO, der auch im Normenkontrollverfahren Anwendung findet (Schmidt, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, 13. Aufl., § 47 RdNrn. 16, 84), ist Gegenstand des Normenkontrollantrags die Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011.
62 
Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
63 
Er ist bereits nur zum Teil zulässig.
64 
Soweit sich der Normenkontrollantrag gegen § 7 LHeimBauVO, der die Ordnungswidrigkeiten regelt, richtet, ist er schon nicht statthaft. Denn nach § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof als Normenkontrollgericht „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ über die Gültigkeit von Normen. Dies hat zur Folge, dass Bestimmungen rein ordnungswidrigkeitenrechtlichen Inhalts nicht der Prüfung im Normenkontrollverfahren unterliegen, weil gegen die auf solche Normen gestützten Bußgeldbescheide nach § 68 OWiG allein die ordentlichen Gerichte angerufen werden können (BVerwG, Urteil vom 17.02.2005 - 7 CN 6.04 -, NVwZ 2005, 695). Daran ändert der Zusammenhang des § 7 LHeimBauVO mit den von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 4, § 4 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 und 5 Satz 2, § 5 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 und 6 LHeimBauVO nichts. Auch wenn diese Bestimmungen zusammen mit § 7 LHeimBauVO zur Überprüfung gestellt werden, ist der Senat wegen der vom Gesetzgeber getroffenen und eng auszulegenden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.02.2005, a.a.O.) Rechtswegregelung nicht befugt, die Ordnungswidrigkeitenvorschrift mit der in § 47 Abs. 5 Satz 2 angeordneten Wirkung für unwirksam zu erklären (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.03.2004 - 10 S 15/03 -, ZUR 2004, 358). Allerdings sieht sich der Senat zu dem Hinweis veranlasst, dass die Bezugnahme der Ordnungswidrigkeitenregelung in § 7 LHeimBauVO auf § 17 Abs. 1 LHeimG unzutreffend sein dürfte. Vielmehr regelt § 17 Abs. 2 Nr. 1 LHeimG, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der vorsätzlich oder fahrlässig einer Rechtsverordnung nach § 24 LHeimG zuwiderhandelt, soweit diese für einen bestimmten Tatbestand auf § 17 Abs. 2 Nr. 1 LHeimG verweist.
65 
Hinsichtlich der übrigen angegriffenen Bestimmungen der Verordnung sind die Anträge statthaft. Bei der Landesheimbauverordnung handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), über deren Gültigkeit der Senat im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit zu entscheiden hat (§ 4 AGVwGO).
66 
Soweit der Normenkontrollantrag statthaft ist, fehlt der Antragstellerin allerdings zum Teil die Antragsbefugnis bzw. das Rechtsschutzbedürfnis. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach der Antragsteller geltend machen muss, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, verlangt die Darlegung, durch die angegriffene Rechtsvorschrift in einem bestimmten Aspekt rechtlich betroffen zu sein. Ist das Verfahren in dieser Weise zulässig angestrengt worden, muss das Gericht wegen der Funktion des Normenkontrollverfahrens als objektives Beanstandungsverfahren die Rechtsvorschrift umfassend prüfen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass mit dem 6. Änderungsgesetz zur VwGO die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren in ihrer Formulierung dem § 42 Abs. 2 VwGO angepasst worden ist; denn diese Gesetzesnovelle, mit der die Funktion der Normenkontrolle als subjektives Rechtsschutzverfahren verstärkt werden sollte, hat an der umfassenden Prüfungs- und Entscheidungspflicht des Normenkontrollgerichts nichts geändert. Anders als bei der Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO setzt die Nichtigkeitserklärung der Norm weder eine Rechtsverletzung des Antragstellers voraus, noch ist die Norm nur im Umfang einer solchen Rechtsverletzung zu verwerfen. Bei Normen, die unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 139 BGB teilbar sind, ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle allerdings auf den Teil des Normgefüges beschränkt, auf den sich die geltend gemachte Rechtsverletzung bezieht. Dies hat zur Folge, dass ein dennoch auf den gesamten Normenbestand zielender Normenkontrollantrag jedenfalls insoweit unzulässig ist, als er den Antragsteller nicht berührende Normteile erfasst, die schon auf Grund vorläufiger Prüfung offensichtlich und damit auch für den Antragsteller erkennbar unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers eigenständig lebensfähig und damit abtrennbar sind (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 17.02.2005 - 7 CN 6.04 -, NVwZ 2005, 695; Urteil vom 09.04.2008 - 4 CN 1.07 -, NVwZ 2008, 899; Wysk, VwGO, § 47 RdNrn. 56 ff.). Dies ist hier bei den Regelungen der §§ 2 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 2 und Abs. 4, 5 Abs. 4 Satz 2 und § 5 Abs. 7 LHeimBauVO der Fall.
67 
Von diesen Regelungen ist die Antragstellerin von vornherein nicht betroffen und sie hat eine solche Betroffenheit auch nicht für die Zukunft geltend gemacht. Das Heim der Antragstellerin hält mit 36 Heimplätzen die Vorgaben des § 2 Abs. 2 LHeimBauVO an die Einrichtungsgröße ein, die an einem Standort 100 Heimplätze nicht überschreiten soll. Hinsichtlich der in § 2 Abs. 3 LHeimBauVO „möglichst“ geforderten zentralen Lage sowie der weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 LHeimBauVO vermag der Senat ebenfalls keine Bedenken hinsichtlich der Einrichtung der Antragstellerin zu erkennen. Die Einzelzimmer des Heims der Antragstellerin weisen weiterhin eine Größe von mehr als 16 m² auf und erfüllen - wie der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigte - die Vorgaben des § 3 Abs. 2 LHeimBauVO. Nach den Angaben des Antragsgegners in seinem Schriftsatz vom 28.07.2010 (Seite 80) werden die in § 3 Abs. 4 LHeimBauVO geregelten Anforderungen an die Sanitärraumausstattung in der Einrichtung der Antragstellerin deutlich überschritten. Auch die Bewohnerzimmer im Heim der Antragstellerin, die im Rahmen der Übergangsregelung des § 5 Abs. 4 LHeimBauVO noch mit zwei Personen belegt werden können, weisen bereits jetzt nach den übereinstimmenden Angaben der Vertreter der Antragstellerin und des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die nach § 5 Abs. 4 LHeimBauVO nach einer Übergangsfrist von 10 Jahren erforderliche Größe von 22 m² auf. Letztlich ist die Antragstellerin von der Regelung über die Rückforderung von Fördermitteln in § 5 Abs. 7 LHeimBauVO von vornherein nicht betroffen, da ihr Heim Fördermittel im Sinne dieser Vorschrift nicht erhalten hat.
68 
Des Weiteren kann auch von einer Abtrennbarkeit dieser Vorschriften ausgegangen werden. Abtrennbarkeit in diesem Sinne setzt voraus, dass zum einen die Regelungen voneinander unabhängig (selbständig) sind und deshalb eine differenzierende Prüfung möglich ist, zum anderen darüber hinaus, dass diese Regelungen aus der Sicht des Normgebers auch unabhängig voneinander Bestand haben sollen (BVerwG, Urteil vom 17.02.2005, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
69 
Die Regelungen der §§ 2 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 2 und Abs. 4, 5 Abs. 4 Satz 2 LHeimBauVO enthalten jeweils eigene, mit anderen Anforderungen der Landesheimbauverordnung nicht verbundene und damit selbständig bestehende Anforderungen an bauliche Anforderungen von Heimen; § 5 Abs. 7 LHeimBauVO betrifft eine selbständige Regelung über die Rückforderung von Fördermitteln. Diese Normen sind daher einer gesonderten rechtlichen Überprüfung, sowohl, was die Antragsbefugnis, wie auch, was ihre Wirksamkeit betrifft, zugänglich.
70 
Der Senat geht davon aus, dass diese Normen aus der Sicht des Normgebers auch unabhängig voneinander Bestand haben sollen. Ausweislich der vom Antragsgegner vorgelegten Begründung zur Landesheimbauverordnung ist Ziel der Verordnung die Sicherung der erreichten guten Versorgungsqualität in den Heimen des Landes sowie deren Weiterentwicklung im Hinblick auf künftige Anforderungen. Dabei soll ein modernes Verständnis von einer humanen stationären Versorgung und Betreuung umgesetzt werden, soweit dies die Bau- und Raumkonzepte von Heimen betrifft. Gleichzeitig sollen so weit wie möglich der institutionelle Charakter von Heimen eingeschränkt und alltagsnahe Lebensumstände in den Heimen ermöglicht werden. Würde die Unwirksamkeitserklärung einer der die baulichen Anforderungen regelnden Bestimmungen der Landesheimbauverordnung die Unwirksamkeit der gesamten Landesheimbauverordnung zur Folge haben, würden - insgesamt - die Regelungen der Heimmindestbauverordnung weitergelten (§ 19 LHeimG), die vom Verordnungsgeber als mittlerweile weitgehend überholt und den baden-württembergischen Verhältnissen und dabei insbesondere auch als den Zielen der Sicherstellung einer modernen und leistungsfähigen Versorgungsstruktur nicht gerecht werdend angesehen werden (vgl. Begründung zur Landesheimbauverordnung, A. Allgemeiner Teil, III. Alternativen). Aus der Gesetzesbegründung zur Verordnungsermächtigung des § 24 LHeimG (LT-Drs. 14/6080, S. 15) geht hervor, dass auch der parlamentarische Gesetzgeber einen Rückschritt auf die Standards der nunmehr über 30 Jahre alten Heimmindestbauverordnung nicht wollte und die Vorgaben der Landesheimbauverordnung als Mindestvoraussetzungen für einen adäquaten ordnungsrechtlichen Schutz ansieht. Dies alles spricht aber dafür, dass auch bei Nichtigkeit einer die Anforderungen zur baulichen Gestaltung von Heimen regelnden Vorschrift oder der Vorschrift, die die Frage der Rückforderung von Fördermitteln regelt, die anderen, über den Mindeststandard der Heimmindestbauverordnung hinausgehenden Anforderungen bestehen bleiben sollen. So erklärte auch der Vertreter des Antragsgegners auf entsprechende Nachfragen des Senats in der mündlichen Verhandlung, dass die Landesheimbauverordnung im Übrigen weiterhin Geltung beanspruchen solle, wenn der Senat bestimmte Regelungen auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin hin für unwirksam erklären sollte.
71 
Für die verbleibenden Bestimmungen der Landesheimbauverordnung besteht eine Antragsbefugnis. Die die bauliche Gestaltung von Heimen regelnden Vorschriften der Landesheimbauverordnung greifen in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin als Betreiberin eines Pflegeheims ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.1989 - 4 C 41.85 -, GewArch 1989, 262; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.02.1994 - 10 S 1378/93 -, GewArch 1994, 291); zudem wendet sich die Antragstellerin als Eigentümerin eines Pflegeheimes gegen Vorschriften der Landesheimbauverordnung, die dessen bauliche Gestaltung betreffen. Diese Vorschriften sind möglicherweise Inhalts- und Schrankenbestimmungen ihres Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Anders als die Antragstellerin meint, kann sie jedoch nicht geltend machen, durch die Vorschriften der Landesheimbauverordnung auch in ihrer durch die Baugenehmigung vom 14.09.2006 vermittelten Rechtsposition verletzt zu sein. Durch diese wird nämlich nur die weitere bauliche Nutzung des Gebäudes im Rahmen der wirksam erteilten Baugenehmigung gewährleistet. Sie bietet dagegen keinerlei Schutz gegen die Begründung oder Durchsetzung heimrechtlicher Anforderungen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.1994, a.a.O.).
72 
Auch wenn hinsichtlich der Antragstellerin für die Regelungen der Landesheimbauverordnung eine Übergangsfrist von 10 Jahren gilt, die auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen verlängert werden kann (§ 5 Abs. 2 LHeimBauVO), sind im Übrigen die Erfordernisse des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für das Vorliegen einer Antragsbefugnis in zeitlicher Hinsicht („in absehbarer Zeit“) noch erfüllt. Denn spätestens nach Ablauf der Übergangsfristen ergibt sich hinreichend sicher die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Antragstellerin durch die sie betreffenden Normen der Landesheimbauverordnung. Damit würde sich ein vorsichtig und vernünftig handelnder Betroffener auch in Anbetracht der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und des Umstandes, dass er gegebenenfalls schon jetzt seine Dispositionen im Hinblick auf die in Rede stehenden Bestimmungen der Landesheimbauverordnung zu treffen hat, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt zur Antragstellung entschließen (vgl. zu diesem Kriterium: Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 47 RdNr. 180 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17.01.2001 - 6 CN 4.00 -, Buchholz 406.27 § 12 BBergG Nr. 1, nach dem auch dann eine Rechtsverletzung in absehbarer Zeit zu erwarten ist, wenn sie sich wegen der von dem Antragsteller zur Verwirklichung einer beabsichtigten Nutzung, die durch die angegriffene Rechtsvorschrift ausgeschlossen wird, erst in 15 Jahren aktualisiert).
73 
Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt. Die Antragstellerin hat den geänderten Antrag in Bezug auf die Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011 innerhalb der insoweit geltenden Frist von einem Jahr nach ihrer Bekanntmachung gestellt. Auch wenn in Bezug auf die Vorschriften der Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011, die aus der Landesheimbauverordnung vom 12.08.2009 unverändert übernommen worden sind, davon ausgegangen werden sollte, dass die Antragstellerin bereits gegen diese fristgerecht einen Normenkontrollantrag gestellt haben muss (vgl. dazu v. Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v. Albedyll, VwGO, 5. Aufl., § 47 VwGO RdNr. 89), ergeben sich hier keine Bedenken an der Einhaltung des Fristerfordernisses. Denn auch gegen die Landesheimbauverordnung vom 12.08.2009 hat die Antragstellerin fristgerecht einen Normenkontrollantrag gestellt, den sie nach Erlass der neuen Heimbauverordnung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig geändert hat.
74 
Der Antrag ist nach alledem unzulässig, soweit er sich gegen § 7 LHeimBauVO sowie gegen §§ 2 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 2 und Abs. 4, 5 Abs. 4 Satz 2 und § 5 Abs. 7 LHeimBauVO richtet; im Übrigen ist er zulässig. Aber auch für den Fall, dass die vorgenannten Regelungen zulässiger Antragsgegenstand der Normenkontrolle sein können, ist der Normenkontrollantrag jedenfalls insgesamt unbegründet.
75 
Denn die Regelungen der §§ 1 bis 6, 8 LHeimBauVO sind nicht wegen einer beachtlichen Verletzung höherrangigen Rechts ungültig.
76 
Der Erlass der Landesheimbauverordnung vom 18.04.2011 beruht auf § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG vom 10.06.2008 (GBl. S. 169), geändert durch Gesetz vom 11.05.2010 (GBl. S. 404). Diese Ermächtigung zum Erlass der Landesheimbauverordnung ist wirksam. Insbesondere besitzt der Landesgesetzgeber entgegen der Ansicht der Antragstellerin die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des Landesheimgesetzes.
77 
Auch wenn das Heimrecht als gewerberechtliche Spezialmaterie angesehen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.02.2004 - 6 B 70.03 -, GewArch 2004, 485; Beschluss des Senats vom 18.05.2009 - 6 S 734/09 -, VBlBW 2009, 389), ist die Gesetzgebungszuständigkeit für das Heimrecht nicht von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) umfasst. Vielmehr fiel bis zur Änderung des Grundgesetzes durch das Föderalismusreformgesetz (52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.06.2006, BGBl. I. S. 2034) der Erlass heimrechtlicher Vorschriften in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) und hatte der Bundesgesetzgeber das Heimrecht durch eine umfassende Regelung, das Heimgesetz (Gesetz über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige vom 07.08.1975 [BGBl. I S. 1873], in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.11.2001 [BGBl. I 2970], seitdem noch mehrfach geändert) auf der Grundlage dieses Kompetenztitels erschöpfend reguliert. Denn dieses Gesetz bezweckte nach seinem Anspruch und dem damit übereinstimmenden Regelungsgehalt den Schutz alter, pflegebedürftiger oder behinderter Menschen vor Beeinträchtigungen, die sich aus ihrer Lebenssituation infolge des Heimaufenthaltes und den daraus folgenden Abhängigkeiten typischerweise ergeben können und war deshalb vom Begriff der öffentlichen Fürsorge im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG umfasst (BVerfG, Urteil vom 24.10.2002 - 2 BvF 1/01 -, BVerfGE 106, 62, 134; v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, 3. Aufl., Art. 74 RdNr. 344; Korbmacher, Grundfragen des öffentlichen Heimrechts, S. 6 ff.; Starck, Föderalismusreform Einführung RdNr. 62). Mit dem durch das Föderalismusreformgesetz vom 28.06.2006 eingefügten Klammerzusatz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG „(ohne das Heimrecht)“ wurde die Kompetenz für das Heimrecht aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung gestrichen und fällt seitdem in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG (vgl. BT-Drs. 16/813, S. 12; dies wird in Rechtsprechung und Literatur einhellig so gesehen, vgl. etwa: BayVGH, Beschluss vom 22.11.2010 - 12 CS 10.2243 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.07.2009 - 12 A 2630/07 -, PflR 2010, 154; Degenhart, in: Sachs, GG, 4. Aufl., Art. 74 RdNr 37; Stettner, in: Dreier, GG, 2. Aufl., Band 2, Supplementum 2007, Art. 74 RdNr. 45; Schnappauf, in: Hönig, GG, Art. 74 RdNrn. 1 und 7; Haratsch, in: Sodan, GG, Art. 74 RdNrn. 1, 11; Seiler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 74 RdNr. 26; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl., Art. 74 RdNr. 86; Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Band 2, Art. 74 RdNr. 65; Starck, a.a.O., RdNr. 62; Kluth, Föderalismusreformgesetz, Art. 74 GG RdNr. 38), so dass der Landesgesetzgeber jedenfalls für den mit dem Landesheimgesetz geregelten ordnungsrechtlichen Teil des Heimrechts kompetenzrechtlich zuständig und damit auch zum Erlass der Verordnungsermächtigung in § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG befugt war.
78 
Die Verordnungsermächtigung des § 24 Satz 1 Nr.1 LHeimG genügt weiterhin dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot Art. 61 Abs. 1 Satz 2 LV, Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG), was die Antragstellerin auch nicht in Frage stellt. § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG ermächtigt das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren zur Durchführung des Landesheimgesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen über die bauliche Gestaltung der Heime, ihre Größe und Standorte sowie die Auswirkungen dieser Rechtsverordnung auf die Förderung von Heimen. Damit werden Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung im Heimgesetz eindeutig bestimmt. Ihr Zweck ergibt sich aus § 24 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 LHeimG (vgl. zum Ganzen auch die Rechtsprechung zur Verordnungsermächtigung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Heimgesetzes des Bundes: BVerwG, Urteil vom 17.03.1989, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.02.1994, a.a.O.).
79 
Die desweiteren von der Antragstellerin nach der Änderung der Verordnungsermächtigung durch Änderungsgesetz vom 11.05.2010 (GBl. S. 404) und dem Neuerlass der Landesheimbauverordnung auf die Vorgaben des § 4 LHeimBauVO zu den Außenbereichen und zur Bildung von Wohngruppen beschränkten Bedenken in Bezug auf die Einhaltung des Ermächtigungsrahmens vermag der Senat nicht zu teilen. Denn der Begriff der „baulichen Gestaltung der Heime“ in § 24 Satz 1 Nr. 1 LHeimG, der über den Begriff „Räume“ in der ursprünglichen Verordnungsermächtigung des Landesheimgesetzes (§ 3 Abs. 2 Nr. 1) in der bis zur Änderung des Landesheimgesetzes durch Gesetz vom 11.05.2010 gültigen Fassung und in § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Heimgesetzes des Bundes hinausgeht, umfasst alle heimspezifischen baulichen Anforderungen an Heime, ohne Einschränkung auf Räume oder sonstige andere Teile von Heimen. Hierzu können demgemäß auch Vorgaben für gemeinschaftlich genutzte Räume und Flächen in Wohngruppen wie auch für die dem Heim funktional zugeordneten Außenbereiche, etwa Balkon, Terrasse oder Garten gehören.
80 
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin gibt die Landesheimbauverordnung mit den Regelungen zu den Außenbereichen und zur Bildung von Wohngruppen in § 4 LHeimBauVO auch kein bestimmtes Betriebs- oder Betreuungskonzept vor, dessen Bestimmung grundsätzlich Sache des Einrichtungsträgers ist (vgl. § 2 Abs. 2 LHeimG). § 4 LHeimBauVO will lediglich die räumliche Schaffung von überschaubaren Gemeinschaftsbereichen ermöglichen, macht damit aber keine konzeptionellen Vorgaben für ein besonderes Betriebs- oder Betreuungskonzept. Insoweit weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass die Vorgabe zur Gliederung der Heime in Wohneinheiten dazu diene, den angestrebten Wohncharakter der Heime (Überschaubarkeit sozialer Milieus) und die erwünschte Normalisierung des Heimalltages (Annäherung an die Lebenssituation in Privathaushalten) zu erreichen.
81 
Anders als die Antragstellerin meint, sind die Regelungen der Landesheimbauverordnung auch hinreichend bestimmt gefasst. Das aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit von Normen fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, also den Inhalt und die Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten. Die Erkennbarkeit der Rechtslage durch den Betroffenen darf hierdurch nicht wesentlich eingeschränkt sein und die Gerichte müssen in der Lage bleiben, den Regelungsinhalt mit den anerkannten Auslegungsregeln zu konkretisieren (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348, 375f.; Urteil vom 07.11.1992 - 1 BvL 8/87 -, BVerfGE 87, 234; Beschluss vom 09.11.1988 - 1 BvR 243/86 -, BVerfGE 79, 106; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 -, VBlBW 2010, 29 m.w.N.). Entsprechendes gilt für Generalklauseln und durch Rechtsnormen eingeräumte Gestaltungs- und Ermessensspielräume. Denn einer zu dichten Normierung steht das Bedürfnis gegenüber, die notwendige Flexibilität des Verwaltungshandelns zu erhalten. Durch ausreichende Beurteilungs- und Ermessensspielräume sollen situations- und sachgerechte Einzelfallentscheidungen ermöglicht werden, die durch generelle Normen nicht durchweg erreichbar sind (vgl. Zippelius/Württemberger, Deutsches Staatsrecht, 31. Aufl., S. 107). Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtsposition des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (BVerfG, Beschluss vom 08.08.1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89, 133). Unbestimmte Rechtsbegriffe, Generalklauseln und die Einräumung eines Verwaltungsermessens sind mithin nicht zu beanstanden, wenn die Norm mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für ihre Auslegung und Anwendung bietet oder sie eine gefestigte Rechtsprechung übernimmt und damit aus dieser Rechtsprechung hinreichende Bestimmtheit gewinnt. Norminterpretierende oder ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften gewährleisten eine möglichst einheitliche Bestimmung und Anwendung und können dadurch ebenfalls dazu beitragen, dass unbestimmte Rechtsbegriffe und die Einräumung eines Verwaltungsermessens den rechtsstaatlichen Geboten der Bestimmtheit und Normklarheit genügen (BVerwG, Beschluss vom 01.12.2009 - 4 B 37/09 -, ZfBR 2010, 160 m.w.N.).
82 
Gemessen an diesen Vorgaben bestehen keine durchgreifenden Bedenken an der Bestimmtheit einzelner Normen der Landesheimbauverordnung. Schon gar nicht kann - anders als die Antragstellerin meint - davon gesprochen werden, dass die Unbestimmtheit der Landesheimbauverordnung derart weit gehe und so viele Vorschriften erfasse, dass insgesamt von einem Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot ausgegangen werden kann und die Landesheimbauverordnung deswegen insgesamt unwirksam ist. Insoweit macht der Antragsgegner zu Recht darauf aufmerksam, dass die Landesheimbauverordnung in ihren §§ 2 bis 4 die maßgeblichen baulichen Anforderungen hinreichend konkret formuliert, insbesondere was die wohnortnahe Standortwahl (§ 2 Abs. 3 LHeimBauVO), die Einrichtungsgröße von nicht mehr als 100 Heimplätzen (§ 2 Abs. 2 LHeimBauVO), die Bereitstellung von Einzelzimmern, die möglichst zu Nutzungseinheiten zusammen geschlossen werden können (§ 3 Abs. 1 LHeimBauVO), Vorgaben für Größe, Zuschnitt und Ausstattung der Zimmer (§§ 3 Abs. 2 , 3 und 5 LHeimBauVO), Anzahl der Sanitärbereiche (§ 3 Abs. 4 LHeimBauVO), Bildung von Wohneinheiten mit einer vorgegebenen Maximalgröße (§ 4 Abs. 1 LHeimBauVO), Vorgaben für die Größe der Aufenthaltsbereiche und zur Schaffung bestimmter Funktionsflächen in Wohngruppen und Vorgaben hierfür (§ 4 Abs. 2 bis 5 LHeimBauVO) betrifft. Die von der Antragstellerin bemängelten unbestimmten Rechtsbegriffe wie „möglichst hoher Anteil“, „in der Regel“ und andere werden zu einem Großteil zur Relativierung dieser Vorgaben im Sinne von Öffnungsklauseln und Abweichungsmöglichkeiten zu Gunsten der Heimbetreiber im Einzelfall, der naturgemäß nicht näher zu regeln ist, verwendet und dienen einer verhältnismäßigen und die Heimbetreiber nicht unangemessen benachteiligenden Anwendung im Einzelfall. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung sind sie hinreichend auslegungsfähig. Hinsichtlich einzelner Regelungen der Landesheimbauverordnung gilt insoweit:
83 
Die insbesondere von der Antragstellerin beanstandete Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „technisch durchführbar“ und „wirtschaftlich vertretbar“ in der Übergangsregelung des § 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 LHeimBauVO, in der Befreiungsregelung des § 6 LHeimBauVO sowie in § 4 Abs. 4 Satz 1 LHeimBauVO begegnet keinen rechtsstaatlichen Bedenken. Ähnliche Begrifflichkeiten, die - inhaltlich gleichbedeutend - an die technischen Realisierungsmöglichkeiten („technisch nicht möglich“) oder an das Merkmal der wirtschaftlichen Zumutbarkeit anknüpfen, finden sich bereits in der Befreiungsnorm des § 31 HeimMindBauV und haben in der heimrechtlichen Literatur und Praxis eine handhabbare Ausgestaltung erhalten. Danach bedeutet „technisch nicht durchführbar“ oder „technisch nicht möglich“, dass die Erreichung der Verordnungsziele nach den derzeitigen anerkannten Regeln der Baukunst schlechterdings unausführbar oder mit einem Verwendungszweck des Bauwerks oder der betroffenen Einrichtung zuwiderlaufenden Eingriff verbunden ist (vgl. Krahmer/Richter, Heimgesetz, 2. Aufl., § 31 HeimMindBauV, RdNr. 4; Kunz/Butz/Wiedemann, Heimgesetz, 10. Aufl., § 31 HeimMindBauV Rdnr. 127). Wirtschaftliche Unvertretbarkeit oder Unzumutbarkeit ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Einrichtung dadurch in ihrem Bestand gefährdet ist (Kunz/Butz/Wiedemann, a.a.O., § 31 HeimMindBauV RdNr. 128; vgl. auch Dahlen/Giese/Igl/Klie, Das Heimgesetz, § 31 HeimMindBauV RdNr. 4.2). Nach der vom Antragsgegner vorgelegten Begründung zur Landesheimbauverordnung ist zudem von einem wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand auszugehen, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die mit den Maßnahmen verbundenen betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen nicht im Rahmen der Heimentgelte refinanziert werden können (Begründung zu § 5 Abs. 2 LHeimBauVO), wenn eine wirtschaftliche Betriebsführung oder eine Refinanzierung früherer betriebsnotwendiger Investitionen gefährdet wird (Begründung zu § 5 Abs. 4 LHeimBauVO) oder wenn die notwendigen Maßnahmen eine wirtschaftliche Betriebsführung direkt oder indirekt gefährden (Begründung zu § 5 Abs. 6 LHeimBauVO). Weiterhin hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Gesetzen öffentlich-rechtliche Verpflichtungen unter den Vorbehalt der technischen Durchführbarkeit oder der wirtschaftlichen Vertretbarkeit stellen (vgl. etwa: § 16 Abs. 3 BBergG, § 2 Abs. 4 PBefG, § 3 LAbfG, § 11 Abs. 1 EnWG, § 17 Abs. 6 LKHG, § 14 Abs. 1 Satz 1 BatterrieG) und dieser Vorbehalt, wie auch bei den von der Antragstellerin angegriffenen Bestimmungen der Landesheimbauverordnung erforderlich ist, um gerade bei nicht vorhersehbaren Konstellationen die Verhältnismäßigkeit der abstrakt-generellen Regelungen zu wahren. Auf Grund dieser Zweckrichtung und der damit einhergehenden Auslegungsfähigkeit der in Rede stehenden unbestimmten Rechtsbegriffe ist es nicht zu beanstanden, wenn die Frage der technischen Durchführbarkeit und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit im Einzelfall von der Heimaufsichtsbehörde zu beurteilen ist. Es ist weder möglich noch sinnvoll, dass der Verordnungsgeber alle technisch undurchführbaren und wirtschaftlich unvertretbaren Maßnahmen vorab in abstrakt-genereller Weise regelt. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Heimbetreiber benötigten insoweit bereits Klarheit im Vorfeld, ist auf die Abstimmungsmöglichkeiten mit der Heimaufsichtsbehörde hinzuweisen. Diese ist gemäß § 4 Nr. 3 LHeimG zur Information und Beratung auch von Heimbetreibern bei der Planung und dem Betrieb der Heime verpflichtet. Darüber hinaus hat der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung angekündigt, dass die Orientierungshilfen für die Heimaufsichtsbehörden in Baden-Württemberg im Hinblick auf den Erlass der Landesheimbauverordnung fortgeschrieben werden sollen.
84 
Die von der Antragstellerin zudem beanstandete Einräumung eines Ermessens bei der Frage, ob sich die Übergangsfrist des § 5 Abs. 2 Satz 1 LHeimBauVO von 10 Jahren auf 25 Jahre verlängert (§ 5 Abs. 2 Satz 2 LHeimBauVO), begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Denn insoweit lassen sich ermessenslenkende Gesichtspunkte dem § 2 LHeimG und dem § 1 LHeimBauVO entnehmen. Der Antragsgegner weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die dort genannten Zwecke des Heimgesetzes (vor allem Schutz der Würde sowie der Interessen und Bedürfnisse der Bewohner von Heimen, Wahrung und Förderung der Selbständigkeit, Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilhabe am Leben der Gesellschaft, Sicherung der dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechenden Qualität des Wohnens) und die allgemeinen Grundsätze der Landesheimbauverordnung (vor allem Orientierung der Bau- und Raumkonzepte an den Zielen der Erhaltung von Würde, Selbstbestimmung und Lebensqualität, Recht auf geschützte Privat- und Intimsphäre der Bewohner von Heimen) dafür sprechen, die neuen baulichen Anforderungen möglichst zügig zur Geltung zu bringen. Andererseits soll aber auch den Heimbetreibern ausreichend Zeit für die erforderlichen Anpassungen gegeben und eine (zumindest anteilige) Refinanzierung betriebsnotwendiger Investitionskosten ermöglicht werden. Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren mitgeteilt, dass das Sozialministerium als oberste Heimaufsichtsbehörde gegenüber den örtlichen Heimaufsichtsbehörden bereits klargestellt habe, dass eine Übergangsfrist von bis zu 25 Jahren immer möglich ist, wenn dieser Zeitraum für die Refinanzierung betriebsnotwendiger Investitionen notwendig ist. Dies hat der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals bestätigt. An dieser - ermessenslenkenden - Klarstellung werden sich die Heimaufsichtsbehörden bei der Ausübung des Ermessens zu orientieren haben. Auch hinsichtlich des in der Befreiungsnorm des § 6 Abs. 1 LHeimBauVO eingeräumten behördlichen Ermessens treten die ermessenslenkenden Gesichtspunkte deutlich hervor. Mit der Befreiungsregelung hat der Verordnungsgeber ein Regulativ geschaffen, das der Behörde mehr Flexibilität bei der Anwendung des Heimgesetzes ermöglicht und es ihr erlaubt, im Einzelfall besonderen Erfordernissen Rechnung zu tragen, ohne die Ziele des Heimgesetzes und der Landesheimbauverordnung zu vernachlässigen.
85 
Die von der Antragstellerin weiterhin bemängelten Soll-Regelungen in der Landesheimbauverordnung sind ebenfalls unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Soweit sie nicht in Programmsätzen und allgemeinen Grundsätzen enthalten sind (vgl. etwa §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 LHeimBauVO), gilt für sie, dass der durch sie Verpflichtete gehalten ist, so zu verfahren, wie es bestimmt wird. Nur wenn atypische Umstände vorliegen, darf eine andere Handlungsweise gewählt werden (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20.2.1986 - 5 ER 265/84 -, Buchholz 436.36 § 53 BAföG Nr. 5).
86 
Auch die einzelnen Regelungen der Landesheimbauverordnung sind mit höherrangigem Recht vereinbar.
87 
Dies gilt zunächst für die von der Antragstellerin vornehmlich beanstandete Regelung in § 3 Abs. 1 LHeimBauVO, nach der für alle Bewohner von Heimen ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss und ein möglichst hoher Anteil der Einzelzimmer so gestaltet werden soll, dass jeweils zwei nebeneinanderliegende Zimmer zu einer Nutzungseinheit zusammen geschlossen und von zwei Personen gemeinsam genutzt werden können. Insbesondere verletzt diese Regelung nicht die Berufsfreiheit der Heimbetreiber.
88 
Die Erwerbstätigkeit von Heimbetreibern ist dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG zuzuordnen. Der - weit auszulegende - Begriff „Beruf“ im Sinn des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst grundsätzlich jede auf Dauer angelegte und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung (BVerfG, Beschluss vom 18.06.1980 - 1 BvR 697/77 -, BVerfGE 54, 301, 313). Die Betätigung als Betreiber eines Heimes erfüllt diese allgemeinen Kriterien eines Berufs. Das Grundrecht steht nach Art. 19 Abs. 3 GG insoweit auch einer juristischen Person des Privatrechts wie der der Antragstellerin zu (BVerfG, Urteil vom 19.10.1983 - 2 BvR 298/81 -, BVerfGE 65, 196, 210). In die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit von Heimbetreibern wird durch die Vorschriften, die Vorgaben an die bauliche Gestaltung von Heimen stellen, insbesondere auch durch die verpflichtende Vorgabe, ausnahmslos Einzelzimmer für die Bewohner von Heimen mit der Möglichkeit zum Zusammenschluss zu Wohneinheiten bereitzustellen, eingegriffen. Dieser Eingriff ist indes verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
89 
Durch förmliches Gesetz, auch durch Rechtsverordnung, kann in die Berufsfreiheit eingegriffen werden (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), wobei für eine danach zulässige Regelung der Berufsausübung durch Rechtsverordnung an die Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung keine höheren Anforderungen gestellt werden als an Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.12.1994 - 1 B 190.94 -, GewArch 1995, 155). Diese Voraussetzungen sind, wie bereits oben ausgeführt, eingehalten.
90 
Allerdings muss das Parlament alle für die Grundrechtsausübung wesentlichen Fragen selbst regeln; einschneidende, das Gesamtbild der beruflichen Betätigung wesentlich prägende Vorschriften über die Ausübung des Berufs sind dem Gesetzgeber zumindest in den Grundzügen selbst vorbehalten (BVerwG, Urteil vom 16.06.1983 - 3 C 79.81 -, BVerwGE 67, 261, 266). Eine derart einschneidende, statusbildende Berufsausübungsregelung steht hier nicht im Streit. Die Verpflichtung, dass in Heimen für alle Bewohner ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss und dass ein möglichst hoher Anteil der Einzelzimmer so gestaltet werden soll, dass jeweils zwei nebeneinanderliegende Zimmer zu einer Nutzungseinheit zusammen geschlossen und von zwei Personen gemeinsam genutzt werden können, ist - auch vor dem Hintergrund, dass in der Praxis der Anteil der Einzelzimmer den der Doppelzimmer in Heimen schon jetzt überragt (nach Angaben des Antragsgegners wurden zudem im Zeitraum von 1999 bis 2007 in den Pflegeheimen Baden-Württembergs 88 % des gesamten Platzzuwachses in Einzelzimmern geschaffen und wird in den Heimen des Landes der Platzbestand in Doppelzimmern um schätzungsweise 2 bis 3 Prozent des derzeitigen Bestandes pro Jahr reduziert) - nicht berufsprägend und berührt nicht den Wesenskern der Berufsfreiheit von Betreibern von Heimen.
91 
Auf Grund von § 3 Abs. 1 LHeimBauVO wird auch nicht unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit von Heimbetreibern eingegriffen.
92 
Bei der Beurteilung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit ist danach zu unterscheiden, ob es nur um die Regelung einer Berufsausübung geht oder ob darüber hinausgehend die Berufswahl eingeschränkt wird (grundlegend: BVerfG, Urteil vom 11.06.1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 377). Während Einschränkungen der freien Berufswahl besonders strengen verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegen, verfügt der Normgeber für Regelungen der Berufsausübung prinzipiell über einen erheblich größeren Gestaltungsspielraum. Die hier streitbefangene Regelung ist als Regelung der Berufsausübung zu beurteilen, denn sie lässt die von der Verfassung verstärkt geschützte Freiheit der Berufswahl unberührt. Sie verwehrt nicht den Zugang zum Beruf eines Heimbetreibers und zu sonst einschlägigen Berufen. Sie hat vielmehr Modalitäten der Berufsausübung zum Gegenstand, wenn sie regelt, welche Anforderungen an die bauliche Gestaltung von Heimen zu stellen sind. Allerdings können Regelungen der Berufsausübung so einschneidend sein, dass sie in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung einer Zulassungsbeschränkung nahekommen; in bestimmten Fällen können sie wegen ihrer Folgen faktisch die sinnvolle Ausübung des in Rede stehenden Berufs überhaupt unmöglich machen. Dann folgt für die verfassungsrechtliche Beurteilung, dass nicht schon - wie bei der Berufsausübungsregelung - vernünftige Gründe des Gemeinwohls ausreichen, um den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. Nur Gemeinwohlbelange von hoher Bedeutung wiegen so schwer, dass sie dann gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Heimbetreibers an ungehinderter Betätigung den Vorrang verdienen (vgl. etwa: BVerfG, Beschluss vom 12.06.1990 - 1 BvR 355/86 -, NJW 1990, 2306).
93 
Dies ist hier indes nicht der Fall. Durch die Bestimmung, dass - soweit keine Wohnungen zur individuellen Nutzung angeboten werden - für alle Bewohner ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen muss, wird in aller Regel eine sinnvolle Ausübung des Berufs eines Heimbetreibers nicht faktisch unmöglich gemacht. Insoweit kommt es auf die generelle Wirkung der Neuregelung gegenüber den Heimbetreibern an. Vorschriften über die Berufsausübung können nur dann wegen ihrer wirtschaftlichen Folgen als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl eingestuft werden, wenn die Betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahme- oder Sonderfällen wirtschaftlich nicht in der Lage wären, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen (BVerfG, Beschluss vom 17.10.1984 - 1 BvL 18/82, 1 BvL 46/83, 1 BvL 2/84 -, BVerfGE 68, 155, 170 f.). Hier kann keine Rede davon sein, dass bereits bestehende Heime im Hinblick auf die Verpflichtung, Doppelzimmer abzubauen und in Zukunft nur noch Einzelzimmer bereitzustellen, in aller Regel nicht mehr rentabel betrieben werden können. Denn die Regelungen über die individuellen Wohnbereiche beanspruchen sofortige Geltung nur für solche Heime, die nach Inkrafttreten der Verordnung ihren Betrieb neu aufnehmen oder in denen - soweit technisch durchführbar und wirtschaftlich vertretbar - Sanierungs- und Umbaumaßnahmen stattgefunden haben, die in erheblichem Umfang die Gestaltung des Raumkonzepts betroffen und auch die Höhe der Heimentgelte beeinflusst haben (§ 5 Abs. 1 LHeimBauVO). Für bestehende Heime wird aber eine Übergangsfrist von 10 Jahren eingeräumt, die auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen verlängert werden kann (§ 5 Abs. 2 LHeimBauVO). Zudem sieht § 6 Abs. 1 LHeimBauVO eine Befreiungsmöglichkeit vor, wenn die Erfüllung dieser Anforderungen technisch nicht möglich oder aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
94 
Beschränkungen der Berufsausübung müssen durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert sein und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen. Das gewählte Mittel muss zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein. Die dadurch bewirkte Beschränkung muss dem Betroffenen zumutbar sein (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn, Übermaßverbot). Je einschneidender die Freiheit der Berufsausübung eingeengt wird, desto gewichtiger müssen die öffentlichen Belange sein, denen die Regelungen zu dienen bestimmt ist (BVerfG, Beschluss vom 25.03.1992 - 1 BvR 298/86 -, BVerfGE 86, 28, 41).
95 
Das Einzelzimmererfordernis in § 3 Abs. 1 LHeimBauVO verfolgt ein legitimes Gemeinwohlziel, wobei zu beachten ist, dass dem Normgeber hinsichtlich der Festlegung von sozialpolitischen Zielen ein sehr weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 23.01.1990 - 1 BvL 44/86, 1 BvL 48/87 -, BVerfGE 81, 156, 189).
96 
Die Einzelzimmerregelung in § 3 Abs. 1 LHeimBauVO soll den Bewohnern von Heimen eine angemessene Qualität des Wohnens und eine geschützte Privat- und Intimsphäre ermöglichen. Der Schutz der Privat- und Intimsphäre, gerade von hilfebedürftigen älteren sowie pflegebedürftigen oder behinderten Menschen im alltäglichen Leben in Heimen und die Schaffung einer angemessenen Wohnqualität, die heutigen Standards entspricht, ist offenkundig ein legitimer Gemeinwohlbelang und wird als solcher auch nicht von der Antragstellerin in Frage gestellt (vgl. Seite 9 des Schriftsatzes des Vertreters der Antragstellerin vom 04.04.2011). Der Antragsgegner weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die Bewohner in Heimen typischerweise nicht vor-übergehend (wie etwa in Krankenhäusern, wo eine Unterbringung in Doppel- oder Mehrbettzimmern üblich und zumutbar sei), sondern auf Dauer leben und für ein normales Leben und Wohnen in Heimen die Schaffung einer räumlichen Privatsphäre erforderlich ist.
97 
Die streitbefangene Regelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO ist geeignet, dem Schutz der Privat- und Intimsphäre der Heimbewohner und der Schaffung einer angemessenen Wohnqualität zu dienen.
98 
Der Normgeber verfügt bei der Setzung generell-abstrakter Regelungen über einen prinzipiell weiten Gestaltungsspielraum, was bei der gerichtlichen Normenkontrolle zu beachten ist. Es ist Aufgabe des Normgebers zu entscheiden, mit welchen Mitteln der von ihm verfolgte Zweck einer Maßnahme zu erreichen ist. Die dieser Entscheidung zugrundeliegenden - oftmals fachbezogenen - Erwägungen und Wertungen, zumal Einschätzungen prognostischer Art, können gerichtlich nur dann beanstandet werden, wenn sie eindeutig widerlegbar oder offensichtlich fehlerhaft sind oder wenn sie der verfassungsrechtlichen Wertordnung zuwiderlaufen. Demnach ist bei der gerichtlichen Kontrolle der Zwecktauglichkeit von Gesetzen die Eignung einer gesetzlichen Maßnahme nur dann zu verneinen, wenn das eingesetzte Mittel schlechthin ungeeignet ist (BVerfG, Beschluss vom 03.12.1965 - 1 BvL 15/84 -, BVerfGE 71, 206, 215). Das gilt entsprechend auch für die Verwaltung, soweit sie im Rahmen ihrer Befugnisse durch Rechtsverordnung allgemeine Vorschriften erlässt (BVerfG, Beschluss vom 27.03.1987 - 1 BvR 850/86 u.a. -, GewArch 1987, 194).
99 
Hier ist zu beachten, dass das Verbot von Doppel- oder Mehrbettzimmern zugleich auch die Wahlfreiheit derjenigen beeinträchtigt, die für eine angemessene Qualität des Wohnens gerade nicht in einem Einzelzimmer leben, sondern sich für ein Doppelzimmer entscheiden wollen. Dies kann vor allem bei Ehepaaren, Lebensgemeinschaften, Verwandten oder Freunden der Fall sein, die bewusst auf ein Einzelzimmer verzichten und gemeinsam in einem Heim leben wollen, aber auch bei anderen Heimbewohnern, die aus unterschiedlichen Gründen, etwa auch aus pflegefachlichen Gesichtspunkten (Aufrechterhaltung und Förderung der Kommunikation bei bettlägerigen Patienten), nicht allein in einem Einzelzimmer leben wollen. Wünschen nach räumlicher Nähe im Individualbereich trägt die Landesheimbauverordnung aber dadurch Rechnung, dass zum einen das Einzelzimmererfordernis nur dort gilt, wo Heime keine Wohnungen zur individuellen Nutzung bereitstellen und zum anderen vorgegeben wird (§ 3 Abs. 1 Satz 2 LHeimBauVO), dass ein möglichst hoher Anteil von Einzelzimmern so gestaltet werden soll, dass jeweils zwei nebeneinanderliegende Zimmer zu einer Nutzungseinheit zusammengeschlossen und von zwei Personen gemeinsam genutzt und auch so gestaltet werden können, dass auf Wunsch ein Zimmer als gemeinsamer Schlafraum genutzt werden kann (sog. flexible Bau- und Raumkonzepte). Insoweit würde, worauf der Antragsgegner auch hinweist, die Wahlfreiheit der Heimbewohner nicht eingeschränkt, sondern sogar erweitert, da die gemeinsame Nutzung von zwei Zimmern bei Bedarf, etwa wenn sich der Zustand eines Bewohners so verändert, dass eine räumliche Nähe nicht mehr gewünscht wird, auch wieder ohne größere Umstände rückgängig gemacht werden kann. Problematisch könnten damit nur noch jene Fälle von Ehepaaren oder Partnern sein, in denen beide bettlägerig sind, aber zusammen in einem Zimmer untergebracht werden wollen. Bei diesen ist der Zusammenschluss zweier Einzelzimmer zu einer Wohneinheit wenig sinnvoll. Zum einen ist für sie ein Wohnraum dann nicht mehr erforderlich, zum anderen hat der Raum, in dem die Betten aufgestellt sind, nur noch Einzelzimmergröße. Auch bei einem Ehepaar, bei dem nur ein Ehepartner bettlägerig ist, könnte es zu Schwierigkeiten, etwa für gemeinsam eingenommene Mahlzeiten kommen, wenn in dem Raum, der als Schlafraum genutzt wird, kein Platz mehr für einen Tisch sein sollte. Hier könnte das von der Landesheimbauverordnung verfolgte flexible Bau- und Raumkonzept an seine Grenzen stoßen. Das mag auch noch in anderen Fällen so sein, wenn etwa für an Demenz erkrankte Menschen ein Doppelzimmer aus pflegefachlichen Gesichtspunkten wünschenswert ist, diese sich jedoch in der Kombination eines gemeinsam genutzten Schlafraumes und eines gemeinsam genutzten Wohnraumes „verlieren“ (vgl. Stellungnahme der Seniorenresidenz ... vom 25.05.2009 im Anhörungsverfahren). Aber hierbei handelt es sich, wie der Vertreter des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausführte, um in der Praxis äußerst seltene Einzelfälle, auf die der Normgeber wegen seiner Befugnis zur Typisierung und dem ihm eingeräumten Prognose- und Beurteilungsspielraum nicht weiter einzugehen braucht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2008 - 7 C 48.07 -, BVerwGE 132, 224).
100 
Die Regelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO ist zur Erreichung des verfolgten Zwecks auch in dem hier maßgebenden Sinn erforderlich.
101 
An der Erforderlichkeit einer generell-abstrakten Regelung fehlt es, wenn der Normgeber den Zweck der Maßnahme mit einer anderen - ebenso geeigneten - Maßnahme verwirklichen kann, welche die Betroffenen weniger belastet und sonstige private oder öffentliche Belange nicht oder jedenfalls nicht stärker beeinträchtigt als die ergriffene Maßnahme.
102 
Der Senat vermag der von der Antragstellerin unter Hinweis auf einen regen Wettbewerb unter den Heimen vertretenen Ansicht nicht zu folgen, die Frage des Anteils der in den Heimen zu schaffenden Einzelzimmer könne der Selbstregulierung des Marktes überlassen werden. Die Antragstellerin stellt hierzu darauf ab, dass während der Auswahlphase die besondere Abhängigkeitssituation von Menschen in Heimen typischerweise noch nicht bestehe, in allen Regionen Einzelzimmer kurzfristig beziehbar seien und es üblich und naheliegend sei, dass der Interessent und sein Betreuer oder seine Angehörigen mehrere Einrichtungen anfragten und besichtigten. Jedoch kommt nach den schriftsätzlich dargelegten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von dem Vertreter des Antragsgegners näher erläuterten Erfahrungen der Heimaufsichtsbehörden der Wechsel von der häuslichen Umgebung des Heimbewohners in ein (Pflege)Heim in der Realität oft kurzfristig vor und wird die Entscheidung von zahlreichen Faktoren, wie etwa Lage, Verfügbarkeit und Kosten beeinflusst. Deswegen - so die Erfahrungen des Antragsgegners - werde es regelmäßig nicht möglich sein, vollkommen frei am Markt unter allen in Betracht kommenden Angeboten zu entscheiden. In vielen Fällen treffe ein Pflegebedürftiger die Entscheidung nicht mehr selbst und sei von dem Urteil oder auch nur der Unerfahrenheit anderer, die teilweise auch andere Interessen wie der Pflegebedürftige verfolgen könnten, abhängig. Dies lasse nicht den Schluss zu, dass Pflegebedürftige sich auf einem funktionierenden Markt von Pflegeeinrichtungen die Einrichtung mit den für sie akzeptablen Lebensbedingungen aussuchen könnten. Bereits vor diesem Hintergrund liegt es bei Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers nicht gänzlich neben der Sache und ist es jedenfalls nicht unvertretbar, die Anforderungen an Heime, auch und gerade was die individuellen Wohnbereiche angeht, nicht bloß dem freien Spiel der Kräfte des Marktes anzuvertrauen, sondern insoweit regulierend in den Markt einzugreifen. Weiter ist in den Blick zu nehmen, dass - wie selbst der Geschäftsführer der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einräumte - Pflegebedürftige, deren Heimkosten ganz oder teilweise von Sozialhilfeträgern übernommen werden, von diesen bei einer Wahl zwischen der Unterbringung in einem Einzel- oder in einem Doppelzimmer oftmals auf die kostengünstigere Alternative des Doppelzimmers verwiesen werden. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstands kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Wahl des Heimes und vor allem der Art und Weise der Unterbringung tatsächlich immer frei von jedweden äußeren Umständen erfolgen kann. Verfolgt der Verordnungsgeber das legitime Ziel, durch die ausnahmslose Bereitstellung von Einzelzimmern, die gegebenenfalls durch Zusammenschluss zu einer Wohneinheit verbunden werden können, den Bewohnern von Heimen eine angemessene Qualität des Wohnens und eine geschützte Privat- und Intimsphäre zu ermöglichen, kann die Erforderlichkeit einer verpflichtenden Regelung damit letztendlich nicht unter Hinweis auf die Selbstregulierung des Marktes in Frage gestellt werden.
103 
Die Einzelzimmerregelung in § 3 Abs. 1 LHeimBauVO ist den betroffenen Heimbetreibern auch zumutbar. Sie ist bei Berücksichtigung aller erkennbaren erheblichen Umstände, vor allem auch im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen für die Heimbetreiber, um die es der Antragstellerin vor allem geht, insgesamt angemessen.
104 
Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Regelung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit keinen Anspruch auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten bietet. Wettbewerbspositionen und damit auch der Umsatz und die Erträge unterliegen dem Risiko laufender Veränderungen je nach den Marktverhältnissen (BVerfG, Urteil vom 17.12.2002 - 1 BvL 28, 29, 30/95 -, BVerfGE 106, 275, 299; BVerwG, Urteil vom 23.10.2008 - 7 C 48.07 -, BVerwGE 132, 224). Soweit Heimbetreiber durch die Neuregelungen zum Doppelzimmer besonders schwer getroffen werden, kann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch die Übergangsfristen (§ 5 Abs. 2 LHeimBauVO), die Regelung von Ausnahmetatbeständen in § 6 Abs. 2 LHeimBauVO und vor allem durch die Befreiungsmöglichkeit in § 6 Abs. 1 LHeimBauVO Rechnung getragen werden. Danach kann eine Befreiung von den in §§ 2 bis 4 LHeimBauVO genannten Anforderungen - auch dem Einzelzimmererfordernis - in dem Fall erteilt werden, wenn deren Erfüllung dem Heimbetreiber ansonsten wirtschaftlich nicht zumutbar ist.
105 
Insbesondere sind die Übergangsregelungen des § 5 Abs. 2 LHeimBauVO unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23.10.2008, a.a.O. unter Hinweis auf: BVerfG, Beschluss vom 28.11.1984 - 1 BvL 13/81 -, BVerfGE 68, 272) verpflichtet weder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch das Gebot des Vertrauensschutzes zu einer Übergangsregelung, die jedem Betroffenen die Fortsetzung einer früheren Tätigkeit ohne Rücksicht auf deren Umfang gestattet. Es besteht auch kein Recht darauf, von Neuregelungen verschont zu bleiben, bis einmal getätigte Investitionen sich vollständig amortisiert haben. Der Verordnungsgeber muss auch nicht jedem Einzelfall und jeder konkreten Disposition Rechnung tragen, sondern ist auch bei Übergangsregelungen befugt, zu typisieren und von atypischen Ausnahmefällen abzusehen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gilt:
106 
Selbst wenn man mit der Antragstellerin von einem an § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI in Verbindung mit dem die Höhe der gesondert berechenbaren Abschreibungen für Gebäude und Zubehör betreffenden § 4 der Richtlinie zur gesonderten Berechnung betriebsnotwendiger Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 3 SGB XI orientierten Abschreibungszeitraum von 40,8 Jahren oder gar 50 Jahren (so die Antragstellerin unter Hinweis darauf, dass der in § 4 Abs. 3 der oben genannten Richtlinie genannte Abschreibungszeitraum auf einer Mischberechnung der Gebäudenutzung von 50 Jahren einerseits und einer Nutzung der technischen Ausstattung von 12 Jahren andererseits beruht) mit der Folge ausgehen würde, dass für ältere Heime nach Ablauf der Übergangsfristen die Investitionsaufwendungen für die Errichtung bzw. Generalsanierung für einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren noch nicht abgeschrieben wären, ist zu beachten, dass der Heimbetreiber die Investitionskosten für die nach der Landesheimbauverordnung erforderlich werdende Umstellung von Doppel- auf Einzelzimmer als „betriebsbedingte Investitionsaufwendungen“ nach § 82 Abs. 3 oder 4 SGB XI seinerseits - zusätzlich - gesondert berechnen kann (vgl. dazu allgemein auch BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 3 P 3/07 R -, BSGE 99, 57; Urteil des Senats vom 22.05.2006 - 6 S 2993/04 -, VBlBW 2006, 470). Soweit die Antragstellerin demgegenüber einwendet, dass die Summierung der Investitionskosten für den bisher nicht refinanzierten Anteil der Errichtungskosten und für die Umbaukosten zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber demjenigen Heimbetreiber führe, der seine Vergütungsanteile für die Investitionen ohne Umbaukosten und ohne verkürzte Abschreibungszeit kalkulieren könne, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es - wie bereits ausgeführt - keinen grundrechtlichen Anspruch darauf gibt, dass Wettbewerbsbedingungen gleich bleiben. Insbesondere gewährleistet das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nur das Recht auf Teilhabe am Wettbewerb, nicht aber einen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb oder auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (BVerfG, Urteil vom 17.12.2002, a.a.O., BVerfGE 106, 275, 299). Im Übrigen ermöglichen die Übergangsvorschriften einen Refinanzierungszeitraum von 10 Jahren seit Inkrafttreten der Landesheimbauverordnung, verlängerbar auf 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen und kann der Heimbetreiber in diesem Zeitraum auch Gewinne erzielen, mit denen er weitere Kosten decken kann. So hat der Antragsgegner im Ergebnis letztlich von der Antragstellerin unwidersprochen ausgeführt, dass es zahlreiche Heime gebe, die lange vor Ablauf einer Übergangsfrist von 50 Jahren grundlegend saniert oder abgerissen und im Rahmen eines Ersatzneubaus wieder errichtet worden seien, ohne in Insolvenz zu gehen. Im Anhörungsverfahren zum Erlass der Landesheimbauverordnung haben fast alle Verbände und Beteiligte, die eine längere Übergangsfrist als 10 Jahre gefordert haben, eine Frist von 25 Jahren für ausreichend erachtet. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf der Landesheimbauverordnung vom 26.05.2009 selbst eine Übergangsvorschrift von 25 Jahren für bestehende Heime vorgeschlagen. Der Antragsgegner hat ferner darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit den Vorarbeiten zum Erlass der Landesheimbauverordnung Heimträgern und Verbänden - auch dem bpa - angeboten worden sei, anhand konkreter Einzelfälle zu prüfen, ob bezüglich der vorgesehenen Übergangsregelungen Probleme entstünden und wie diese gegebenenfalls gelöst werden könnten. Hierauf sei keine Reaktion erfolgt, was nahelege, dass die Übergangsfrist für Heimträger akzeptabel sei. Stellt man dies in Rechnung und beachtet zudem, dass bei vollständiger Ausnutzung der möglichen Übergangsfrist bis zu 25 Jahren die aktuellen und legitimen Ziele des Verordnungsgebers erst mit der Verzögerung einer Generation vollständig umgesetzt werden können, besteht auch für den Senat kein Zweifel daran, dass bei Abwägung der wirtschaftlichen Betroffenheit der Heimbetreiber auf der einen Seite und der Schutzbedürftigkeit der Heimbewohner auf der anderen Seite, Übergangsfristen von 10 Jahren ab Inkrafttreten der Landesheimbauverordnung, verlängerbar auf 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen nicht als unverhältnismäßig angesehen werden können. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf § 5 Abs. 4 Satz 1 LHeimBauVO geboten, nach dem bereits während der Übergangsfristen, soweit wirtschaftlich vertretbar, der Abbau von Doppelzimmern anzustreben ist. Dabei mag dahinstehen, ob und inwieweit auf Grund der Wortwahl „anstreben“ gegenüber Heimbetreibern überhaupt eine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung begründet wird oder ob § 5 Abs. 4 Satz 1 LHeimBauVO nur als eine ermessensleitende Vorgabe, etwa für die Verlängerung der Übergangsfrist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 LHeimBauVO, Wirkung entfaltet. Denn diese Vorgabe steht jedenfalls unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und ermöglicht im Einzelfall wiederum eine angemessene Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange der Heimbetreiber, wobei auch hier die Frage, ob und inwieweit die Investitionskosten refinanziert sind, zu berücksichtigen ist.
107 
Sollte es nach Ausschöpfung der Übergangsfristen dennoch zu wirtschaftlich unvertretbaren Folgen für den Heimbetreiber kommen, steht mit der Befreiungsregelung des § 6 Abs. 1 LHeimBauVO ein Korrektiv zur Verfügung, mit dem unter dem Blickwinkel des Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbare Belastungen vermieden werden.
108 
Die Einzelzimmerregelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO ist im Lichte der Übergangsregelungen des § 5 Abs. 2, 4 LHeimBauVO und der Befreiungs- und Ausnahmeregelungen des § 6 LHeimBauVO auch im Hinblick auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Durch sie erfolgt allenfalls eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums der Antragstellerin, die nach dem oben Gesagten verhältnismäßig ist.
109 
Die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sind durch die Einzelzimmerregelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO wie auch durch die weiteren neuen Vorgaben der Landesheimbauverordnung ebenfalls nicht verletzt. Sie genießen nur in den Fällen echter Rückwirkung (generellen) Vorrang vor dem jeweils verfolgten gesetzgeberischen Anliegen. Die Landesheimbauverordnung greift aber nicht gestaltend in einen in der Vergangenheit liegenden (abgeschlossenen) Sachverhalt ein, sondern knüpft lediglich im Sinne einer unechten Rückwirkung tatbestandlich an Ereignisse vor ihrem Inkrafttreten an (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2008, a.a.O.).
110 
Die von der Antragstellerin des Weiteren vornehmlich angegriffene Regelung zur Wohngruppengröße in § 4 Abs. 1 LHeimBauVO, nach der in Wohnungen nicht mehr als 8 und in Wohngruppen höchstens 15 Bewohner aufgenommen werden sollen, verstößt ebenfalls nicht gegen grundrechtliche Freiheiten der Heimbetreiber. Sie verfolgt das Ziel, den institutionellen Charakter von Heimen zurückzudrängen, überschaubare, familienähnliche soziale Milieus zu gewährleisten und die Lebensbedingungen in Heimen an normale Wohnverhältnisse anzupassen. Dieses Ziel ist legitim; es wird von der Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt. Der Senat teilt insoweit die Ansicht des Antragsgegners, dass bei Bildung von Großgruppen eher die Gefahr eines institutionell geprägten Heims besteht und die Vorgabe einer Wohngruppengröße von höchstens 15 Bewohnern geeignet ist, zur Normalisierung des Heimalltags und zur Verbesserung der Wohnqualität der Heimbewohner beizutragen. Unter Berücksichtigung eines weiten Einschätzungsspielraums des Verordnungsgebers, der insoweit (vgl. Seite 82 ff. des Schriftsatzes des Vertreters des Antragsgegners vom 28.07.2011) auf Erfahrungen aus den Bereichen der Behindertenhilfe verweist, bestehen auch an der Erforderlichkeit der Regelung zur Beschränkung der Wohngruppengröße keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin, Wohngruppengrößen von 20 bis 25 Personen hätten sich in der Praxis bewährt, so dass eine kleinere Wohngruppengröße nicht erforderlich sei, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner insoweit darauf verweist, dass sich die in der Orientierungshilfe für die Heimaufsichtsbehörden in Baden-Württemberg genannte Einheit mit bis zu 25 Plätzen nicht auf Wohngruppen beziehe, sondern sich an herkömmlichen „Stationsgrößen“ orientiere, Gruppengrößen von bis zu 25 Plätzen in den vergangenen Jahren in den Heimen bereits zunehmend abgebaut worden seien und gerade für demenziell erkrankte Pflegebedürftige kleinere und überschaubare Gruppengrößen wichtig seien. So haben sich im Verordnungsgebungsverfahren unter anderem auch der Landesverband Baden-Württemberg der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung e.V. und der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg für die Beschränkung der Größe der Wohngruppen auf 15 Plätze ausgesprochen.
111 
Die Wohngruppenregelung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die nach Nr. 4.5 der Orientierungshilfe für die Heimaufsichtsbehörden in Baden-Württemberg - Stand August 2006 - (vgl. aber auch Beschluss des Senats vom 18.04.2006 - 6 S 214/05 - zur (fehlenden) normativen Verbindlichkeit einer entsprechenden Regelung in Nr. 4.5 des Kriterienkatalogs für die Heimaufsichtsbehörden in Baden-Württemberg vom 19.03.2003) im Tagesdienst erforderliche Anwesenheit einer Pflegefachkraft in jeder Pflegeeinheit (in der Regel bis zu 25 Bewohner) dazu führe, dass bei verkleinerten Gruppen wesentlich mehr Fachkräfte erforderlich würden und dies erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Heimbetreiber habe, steht dies der Angemessenheit der Regelung nicht entgegen. Der Vertreter des Antragsgegners hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, dass die Orientierungshilfe konzeptionell von einem Stand vor Erlass der Landesheimbauverordnung ausgehe und deswegen nicht gefolgert werden könne, es müsse pro Wohngruppe (mit höchstens 15 Bewohnern) im Sinne der jetzt im Streit stehenden Landesheimbauverordnung vom Erfordernis der Anwesenheit einer Pflegefachkraft ausgegangen werden. Es bestehe insoweit keine Identität zwischen dem Begriff der Wohngruppe in § 4 Abs. 1 LHeimBauVO und dem von der Orientierungshilfe verwendeten Begriff der Pflegeeinheit. Vielmehr sehe eine im Entwurfsstadium befindliche Verordnung zur Personalausstattung von Heimen vor, dass für zwei Wohngruppen die Anwesenheit einer Pflegefachkraft und einer qualifizierten Hilfskraft erforderlich sei.
112 
Für die Frage des Personaleinsatzes wie auch für die Frage des Erfordernisses räumlicher oder baulicher Veränderungen auf Grund der Verringerung der Wohngruppengröße gilt im Übrigen, dass es sich bei der Vorschrift des § 4 Abs. 1 LHeimBauVO um eine Soll-Regelung handelt, von der in atypischen Fällen, insbesondere wenn die Forderung nach Gruppengrößen von höchstens 15 Bewohnern zu unverhältnismäßigen Einschränkungen für die Heimbetreiber führen sollte, Ausnahmen gemacht werden können. Unverhältnismäßige Einschränkungen ergeben sich aus der Begrenzung von Wohngruppen auf höchstens 15 Personen auch für bestehende Heime darüber hinaus auch deswegen nicht, weil hier ebenfalls die Übergangsfrist von 10 Jahren nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LHeimBauVO gilt, die auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme verlängert werden kann (§ 5 Abs. 2 Satz 2 LHeimBauVO), und auch die in § 6 Abs. 1 LHeimBauVO eröffnete Möglichkeit zur Erteilung einer Befreiung aus Gründen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit Anwendung findet.
113 
Da sich die Regelung über die Wohngruppengröße in § 4 Abs. 1 LHeimBauVO mithin als verhältnismäßig erweist, verstößt sie auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG.
114 
Auch die weiteren Regelungen der Landesheimbauverordnung halten ungeachtet des Umstandes, dass sie teilweise schon nicht zulässiger Gegenstand des Normenkontrollantrags sind, einer Überprüfung am Maßstab der Art. 12 Abs. 1 GG, 14 Abs. 1 GG stand.
115 
Die allgemeinen Grundsätze des § 1 LHeimBauVO werden von der Antragstellerin mit Ausnahme der Frage der Unbestimmtheit (dazu bereits oben) nicht gesondert angegriffen. Dass der Verordnungsgeber im Rahmen seines Einschätzungsspielraums solche Grundsätze, die allein nicht Grundlage einer Anordnung der Heimaufsichtsbehörden sein können, sondern zuvörderst Richtlinien für ein den Heimaufsichtsbehörden eröffnetes Ermessen vorgeben, aufstellen kann und diese Grundsätze der Umsetzung legitimer Ziele des Verordnungsgebers dienen, ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten. Ausweislich der Begründung zur § 1 LHeimBauVO geht es dem Verordnungsgeber darum, allgemeine Grundsätze für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Heimangebote zu formulieren, und dabei besonders zu berücksichtigen, dass bei einem stationären Hilfebedarf die Kontinuität in den Lebensumständen der Betroffenen soweit wie möglich erhalten bleibt und dabei gleichzeitig institutionell geprägte Lebensverhältnisse soweit wie möglich vermieden werden.
116 
Bei den Bestimmungen des § 2 LHeimBauVO handelt es sich ungeachtet der Frage, ob § 2 Abs. 1 LHeimBauVO lediglich als Programmsatz zu verstehen ist, um Soll-Vorschriften, die bei begründeten Ausnahmefällen die Berücksichtigung von Besonderheiten, auch im Hinblick auf mögliche Eingriffe in die Berufsfreiheit oder Eigentumsgarantie, ermöglichen. Wie der Antragsgegner zu Recht ausführt, verlieren diese Vorschriften zudem dadurch an Belastungsintensität, dass sie angesichts der gewählten Formulierungen („möglichst“, „orientieren“) als Optimierungsgebote zu verstehen sind (vgl. Begründung zu § 2 LHeimBauVO) und damit auch beim Fehlen einer Ausnahmesituation eine Rechtsanwendung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ermöglichen. Insbesondere soll durch diese Vorschrift - wie sich ebenfalls aus der Begründung zu § 2 LHeimBauVO ergibt - der wirtschaftliche Betrieb von Heimen sowie die Notwendigkeit besonders spezialisierter Formen der stationären Betreuung auf zentraler oder überregionaler Ebene, nicht in Frage gestellt werden. Vor dem Hintergrund, dass die mit § 2 LHeimBauVO verfolgten Ziele (Verbleib der betroffenen Menschen bei stationärem Hilfebedarf in ihrem vertrauten Lebensumfeld, Vermeidung anonymer und institutionell geprägter Strukturen) an die im Gesetz zur Umsetzung der Pflegeversicherung in Baden-Württemberg (Landespflegegesetz - LPflG) niedergelegten Zielsetzungen zur Ausgestaltung der stationären Pflegestruktur (vgl. § 1 Abs. 1 LPflG) anknüpfen und die mit ihnen verfolgten Ziele nicht zu beanstanden sind, ist ein Verstoß des § 2 LHeimBauVO gegen die Grundrechte aus Art. 12 Abs.1, 14 Abs. 1 GG ebenfalls nicht ersichtlich.
117 
Entsprechendes gilt für die weiteren Regelungen des § 3 Abs. 2 bis 5 LHeimBauVO über die Ausgestaltung der individuellen Wohnbereiche zur Zimmergröße, zu den Sanitäreinrichtungen und zur weiteren Gestaltung der Individualbereiche im Heim. Angesichts des mit ihnen verfolgten Ziels der Verbesserung der Wohnqualität in den Heimen, der Übergangsregelungen in § 5 Abs. 2, 3 und 5 LHeimBauVO und der Befreiungsregelung in § 6 Abs. 1 LHeimBauVO erweisen sich auch diese Vorschriften als vereinbar mit den grundrechtlichen Gewährleistungen der Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG. In Bezug auf die Übergangsregelung des § 5 Abs. 5 LHeimBauVO, die für den Fall, dass hinsichtlich der Vorgaben zu den individuellen Sanitärräumen dauerhaft Ausnahmen zugelassen werden, vorsieht, dass spätestens nach einer Übergangsfrist von 10 Jahren auf allen Wohnebenen mindestens für jeweils bis zu vier Bewohner ein WC und für jeweils bis zu 15 Bewohner ein an die besonderen Bedürfnisse der jeweiligen Bewohner angepasstes Gemeinschaftsbad vorhanden sein müssen, sind Bedenken im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG, 14 Abs. 1 GG von der Antragstellerin nicht geltend gemacht worden. Sie sind angesichts des Ziels, nach der allgemeinen Übergangsfrist von 10 Jahren einen Mindeststandard bezüglich der gemeinschaftlichen Sanitäreinrichtungen zu gewährleisten, auch nicht ersichtlich.
118 
Die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 (Aufenthaltsbereiche), Abs. 3 (Funktions- und Arbeitsbereiche), Abs. 4 (Raumklima, Belichtung, Beleuchtung, Be- und Entlüftung) und Abs. 5 LHeimBauVO (Außenbereich) werden von der Antragstellerin nicht gesondert angegriffen. Dass die Regelungen für die Außenbereiche von der Verordnungsermächtigung gedeckt sind, wurde bereits oben ausgeführt. Im Übrigen ist auch hier in Anbetracht der Übergangsregelungen und der Befreiungsmöglichkeit in § 6 LHeimBauVO für den Senat ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG nicht erkennbar.
119 
Die Übergangsregelungen in § 5 LHeimBauVO sind in Zusammenhang mit den entsprechenden materiell-rechtlichen Regelungen zu sehen und bedürfen insoweit keiner eigenständigen Überprüfung. Insbesondere ist der Zeitraum der Übergangsregelungen (10 Jahre nach Inkrafttreten der Landesheimbauverordnung, im Ermessensweg verlängerbar auf bis zu 25 Jahre nach erstmaliger Inbetriebnahme oder erneuter Inbetriebnahme nach grundlegenden, entgeltrelevanten Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen), wie bereits bei der Einzelzimmerregelung des § 3 Abs. 1 LHeimBauVO dargestellt, nicht zu beanstanden.
120 
Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf die Regelung in § 5 Abs. 7 LHeimBauVO geltend macht, dass für den Fall, dass sich bei nach Landesrecht geförderten Einrichtungen durch die Anpassung an die Anforderungen dieser Verordnung förderschädliche Abweichungen bezüglich der ursprünglichen Förderbedingungen ergeben, dies in der Regel lediglich nicht zur Rückforderung von Fördermitteln führen „soll“, und nicht normiert worden sei, dass eine Rückforderung von Fördermitteln generell nicht in Betracht komme, hat der Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren ausgeführt, dass § 5 Abs. 7 LHeimBauVO zu Gunsten der Heimbetreiber erlassen worden sei. Die Vorschrift betreffe all die Fälle, in denen Heimbetreiber bereits im Vorgriff auf die - wegen der Übergangsfrist - noch nicht geltenden Anforderungen der Landesheimbauverordnung Umbauten und Investitionen vornehmen und bei denen sich vor Ablauf sowohl der Zweckbindungsfrist wie auch der Übergangsfrist die Frage stellen könne, ob diese förderschädlich seien. Die Verordnung stelle klar, dass hiervon in der Regel nicht auszugehen sei. Es könne allerdings auch Maßnahmen geben, die nicht im Vorgriff auf die neuen Anforderungen der Landesheimbauverordnung erfolgt seien und damit wie allgemein bei Zuschüssen die Frage der Rückforderung von Fördermittel aufwerfe. Deswegen könne nicht generell normiert werden, dass Fördermittel nicht zurückgefordert werden. Unter diesen Voraussetzungen vermag der Senat nichts dafür zu erkennen, dass § 5 Abs. 7 LHeimBauVO nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Hiervon scheint auch die Antragstellerin auszugehen, die das dargelegte Verständnis des Antragsgegners von § 5 Abs. 7 LHeimBauVO in ihrem Schriftsatz vom 04.04.2011 „begrüßt“.
121 
Hinsichtlich des § 6 LHeimBauVO (Befreiungen und Ausnahmeregelungen) sowie der Bestimmungen über das Inkrafttreten der Landesheimbauverordnung sind weitere Bedenken an der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht von der Antragstellerin nicht geltend gemacht worden und im Übrigen auch nicht ersichtlich.
122 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
123 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da einer der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegt.
124 
Beschluss vom 27. September 2011
125 
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG auf 20.000 EUR festgesetzt.

(1) Die auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates vom 9. Februar 1972 und damit im Zusammenhang stehender Regelungen in Volkseigentum überführten Betriebe und Einrichtungen, die kommunalen Aufgaben und Dienstleistungen dienen, sind nicht in das Vermögen der Gemeinden, Städte und Landkreise zu übertragen, wenn durch die ehemaligen privaten Gesellschafter oder Inhaber oder deren Erben ein entsprechender Übernahmeantrag gestellt wurde.

(2) Sofern Betriebe und Einrichtungen, die nach den Grundsätzen dieses Gesetzes in kommunales Eigentum überführt werden müssen, bereits in Kapitalgesellschaften umgewandelt worden sind, gehen die entsprechenden ehemals volkseigenen Anteile in das Eigentum der Gemeinden und Städte über. Soweit die Summe der Beteiligungen der Gemeinden, Städte und Landkreise 49 vom Hundert des Kapitals einer Kapitalgesellschaft für die Versorgung mit leitungsgebundenen Energien überschreiten würde, werden diese Beteiligungen anteilig auf diesen Anteil gekürzt.

Gründe

1

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat die Beklagte nicht in hinreichender Weise aufgezeigt.

3

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist immer schon dann erfüllt, wenn im Zulassungsverfahren ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Schlüssige Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn mit dem Zulassungsantrag substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (so BVerfG, Beschl. v. 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, zit. nach JURIS).

4

Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

5

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die zum 1. September 2003 in Kraft getretene Änderung des Wassergesetzes Sachsen-Anhalt hinsichtlich des Anschlusszwanges an eine leitungsgebundene öffentliche Niederschlagswassereinrichtung finde auf solche Altfälle keine Anwendung, bei denen der Anschluss- und Benutzungszwang vor dem 1. September 2003 durch Verwaltungsakt bereits ausgesprochen worden sei.

6

Gemäß § 8 Nr. 2 Satz 1 GO LSA kann die Gemeinde im eigenen Wirkungskreis durch Satzung insbesondere für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung, Fernwärmeversorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienende Einrichtungen (Anschlusszwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen, der öffentlichen Begräbnisplätze, Bestattungseinrichtungen und Schlachthöfe (Benutzungszwang) vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt.

7

Der Frage, welche Rechtswirkungen ein zur Durchsetzung bzw. Konkretisierung des durch Satzung vorgeschriebenen Anschluss- und Benutzungszwangs erlassener Verwaltungsakt gegenüber einer Änderung der dazu einschlägigen Normen des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt entfaltet, muss hier aber schon deshalb nicht nachgegangen werden, weil die Beklagte das Bestehen eines solchen Verwaltungsaktes für das klägerische Grundstück nicht dargelegt hat. Nach ihrem Vorbringen sei der „Ausspruch des Anschluss- und Benutzungszwangs“ durch „Realakte“ erfolgt. Denn das streitbefangene Grundstück gehöre zur „K-siedlung, die beginnend ab dem Jahr 1933 als Reichssiedlung für Arbeitslose errichtet“ worden sei. Dabei habe die Beklagte „- gestützt von Fördermitteln des Reichsfinanzministeriums - Grund und Boden sowie Baumaterialien zur Verfügung“ gestellt, und von sämtlichen Grundstücken sei das Niederschlagswasser im Mischsystem durch Leitungen entsorgt worden. Auch die „soweit ersichtlich erste veröffentlichte“ Abwassersatzung vom 14. Februar 1994 habe den Anschluss- und Benutzungszwang für Mischwasser vorgesehen.

8

Abgesehen davon, dass schon nach dem Vorbringen der Beklagten im zeitlichen Anwendungsbereich der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt und einer Abwassersatzung der Beklagten kein Verwaltungsakt hinsichtlich des klägerischen Grundstücks erfolgt sein soll, erfüllten auch die von der Beklagten als „Realakte“ bezeichneten Maßnahmen in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ersichtlich nicht die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes. Es ist noch nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass hinsichtlich des klägerischen Grundstücks zur Regelung eines Einzelfalls von einer Behörde eine hoheitliche Maßnahme zum Anschluss- und Benutzungszwang getroffen worden ist.

9

2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat die Beklagte ebenfalls nicht aufgezeigt. Eine solche Bedeutung ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich und im Sinne der Rechtseinheit oder zur Fortbildung des Rechts klärungsbedürftig ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1. Februar 2008 - 2 BvR 2575/07 -; Beschl. v. 29. Juli 2010 - 1 BvR 1634/04 -; jeweils zit. nach JURIS m.w.N.).

10

Zu der von der Beklagten formulierten Frage, „ob die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes eine günstigere Regelung zu Gunsten des Grundstückseigentümers verhindert“, hat sie schon die Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Der bloße Hinweis, das angerufene Gericht habe „sich bislang ausschließlich mit der Frage befasst, welche Bedeutung die Neufassung des Wassergesetzes hat, ohne sich mit der Bestandskraft von Verwaltungsakten auseinanderzusetzen“, genügt nicht.

11

Darüber hinaus wäre eine solche Rechtsfrage in einem Berufungsverfahren nicht zu entscheiden, weil die Beklagte das Bestehen eines derartigen Verwaltungsakts - wie oben unter 1. ausgeführt - nicht hinreichend dargelegt hat.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

13

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2 GKG. Für eine eigentlich gebotene Festsetzung des Streitwertes in Anlehnung an den sog. Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.) Nr. 22.4 liegen schon keine ausreichenden Angaben der Beteiligten vor. Darüber hinaus ist fraglich, ob bzw. in welcher Höhe bei einem vorhandenen Anschluss auch die entstandenen Anschlusskosten anzusetzen sind. Der Senat hält daher eine Heranziehung des Auffangstreitwertes für angemessen.

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 3. Kammer - vom 13. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung zur Überlassung von auf seinem Grundstück anfallendem Abwasser und begehrt die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang.

2

Der Kläger ist Eigentümer des ca 1.600 m² großen, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Flurstück 80/8 der Flur 3 der Gemarkung A-Stadt, belegen im A-Straße in A-Stadt. Zur Entsorgung des in dem derzeit Zwei-Personen-Haushalt anfallenden Abwassers betreibt der Kläger auf seinem Grundstück eine biologische Kleinkläranlage. Das vom Klärschlamm getrennte und gereinigte Wasser leitet er in ein auf dem Grundstück künstlich angelegtes Feuchtbiotop; es dient zur Auffüllung des verdunsteten Wassers. Zeitweise nutzte er es zusätzlich zur Bewässerung des Gartens.

3

Der Beklagte hat in A-Stadt entsprechend einem Abwasserbeseitigungsplan eine zentrale Anlage zur Abwasserentsorgung errichtet und in Betrieb genommen.

4

Mit Schreiben vom 10. Januar 2004 beantragte der Kläger beim Beklagten die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Schmutzwasseranlage. Seine Nutzwasserrückgewinnungsanlage werde dem auch europarechtlichen Ziel zum sparsamen Umgang mit Wasser besser gerecht, als die öffentliche Schmutzwasseranlage. Die Funktionsweise der öffentlichen Anlage werde auch ohne die Zuführung des Abwassers vom Grundstück des Klägers gewährleistet bleiben.

5

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. April 2004 ab. Zur Begründung hieß es, es seien keine besonderen Gründe ersichtlich, die für eine Befreiung nach § 8 Abs. 1 der Satzung über die Abwasserbeseitigung des Abwasserzweckverbandes C-Stadt (ABS) sprächen. Der Befreiung stünden Gründe des Gemeinwohls wie das ordnungsgemäße Funktionieren der öffentlichen Anlage und deren allgemeine Wirtschaftlichkeit entgegen. Der Betrieb einer Nutzwasserrückgewinnungsanlage ändere daran nichts. Der Kläger sei daher nach § 7 Abs. 1 ABS verpflichtet, sein Grundstück an die betriebsfertige Anlage anzuschließen. Im Übrigen bedürfe der Bau bzw. die Erweiterung einer Grundstücksabwasseranlage einer wasserrechtlichen Erlaubnis.

6

Mit Schreiben vom 7. April 2004 legte der Kläger Widerspruch ein. Die Pflicht zur Abwasserbeseitigung und -überlassung - so die Widerspruchsbegründung - entfalle nach § 40 LWaG für Abwasser, das noch verwertet werden solle. Nach § 18 a WHG a.F. könne häusliches Abwasser auch durch dezentrale Anlagen beseitigt werden. § 15 KV M-V regele, dass ein dringendes öffentliches Bedürfnis nicht ausschließlich durch die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Einrichtung begründet werden könne. Die auf dem Grundstück errichtete Nutzwasserrückgewinnungsanlage und das Feuchtbiotop seien wasserdicht ausgeführt, so dass Abwasserreststoffe nicht ins Grundwasser eindringen könnten. Da keine Emissionen entstünden, sei die Befreiung geboten. Das auf dem Grundstück gesammelte Regenwasser reiche nicht aus, die auf dem Grundstück vorhandenen Gehölze und sonstigen Gewächse zu bewässern. Einer wasserrechtlichen Erlaubnis bedürfe der Kläger für seine Anlage nicht, weil der Tagesanfall weniger als 8 m³ Abwasser betrage. Die Einwohner von A-Stadt hätten frühzeitig Einwände gegen die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der zentralen Abwasseranlage geltend gemacht.

7

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2004, zugestellt am 11. August 2004, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ergänzend führte er aus, dass ein begründetes Interesse an einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nur dann vorliege, wenn der Anschluss- und Benutzungszwang für den Grundstückseigentümer aufgrund besonderer Einzelfallumstände unzumutbar wäre. Persönliche und wirtschaftliche Interessen des Eigentümers seien insoweit unerheblich; es komme lediglich auf besondere grundstücksbezogene Gründe an, aus denen sich die Befreiungsnotwendigkeit ergeben müsse. Atypische und außergewöhnliche Nachteile in diesem Sinne bestünden hier nicht. Es liege auch kein Verstoß gegen § 18 a WHG a.F. vor, weil dieser lediglich den Abwasserzweckverbänden, nicht jedoch den Grundstückseigentümern, die Wahlmöglichkeit zwischen zentraler und dezentraler Entsorgung von Schmutzwasser eröffne. Soweit der Kläger sich auf Art. 14 GG berufe, würden seine Rechte durch die wasserrechtlichen Bestimmungen nach § 138 LWaG eingeschränkt. Der Überlassungszwang für Abwasser bestimme den Inhalt des Eigentums am erworbenen Trinkwasser. Die Entscheidung für die Einrichtung einer zentralen Abwasserentsorgung in A-Stadt sei Ende 2002 nach Anhörung auch der Bürgerinitiative „Dezentrale Abwasserentsorgung“, deren Mitglied der Kläger war, aus Gewässerschutzgründen und nach einer Kostenbetrachtung gefallen.

8

Am 10. September 2004 hat der Kläger daraufhin Klage erhoben. Der Beklagte sei nicht an einem schonenden Umgang mit Wasser interessiert. Er, der Kläger, sei nach § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG schon nicht überlassungspflichtig. Im Fall der Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs wären die von ihm getätigten Investitionen in Höhe von etwa 4.000,- Euro umsonst gewesen. Die demgegenüber auf Seiten des Beklagten entstehenden Nachteile im Falle einer Befreiung des Klägers vom Anschluss- und Benutzungszwang stünden dazu in keinem Verhältnis. Die Weiterverwendung des auf seinem Grundstück anfallenden Abwassers entspreche auch dem Grundsatz des § 1 a Abs. 2 WHG (a.F.). Einer wasserrechtlichen Genehmigung bedürfe es für die Abwasserverwertung auf dem Grundstück nicht.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 1. April 2004 und seines Widerspruchsbescheides vom 9. August 2004 diesen zu verpflichten, den Kläger vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien.

11

Der Beklagte hat beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er hat ergänzend vorgetragen, dass dem Kläger auf seine schriftliche Anfrage bereits Ende März 2003 mitgeteilt worden sei, dass die Inbetriebnahme der zentralen Anlage zur Abwasserbeseitigung für 2004 vorgesehen sei. Es ging vorliegend nicht darum zu unterbinden, dass auf dem Grundstück anfallendes Abwasser nach seiner Aufbereitung mehrfach (z.B. zur Toilettenspülung) verwendet werde, sondern das Restwasser dem Beklagten zu überlassen.

14

Mit Urteil vom 13. Juni 2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 1. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2004 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Befreiung seines Grundstücks vom Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der Abwasserbeseitigung zu. Die Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten sei rechtmäßig. Sie beruhe auf den §§ 15 Abs. 1, 154 KV M-V und stehe sowohl mit den Regelungen des Landeswassergesetzes, des Wasserhaushaltsgesetzes als auch mit europarechtlichen Regelungen im Einklang. Der Beklagte habe von dem ihm durch § 18 a Abs. 2 WHG a.F., § 40 Abs. 2 Satz 2 LWaG eingeräumten Ermessen, entscheiden zu können, wie das angefallene Abwasser zu überlassen ist, rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Art 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21.05.1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser begründe keinen Befreiungsanspruch des Grundstückseigentümers. Auch lägen die Voraussetzungen des § 7 ABS, der den Anschluss- und Benutzungszwang begründe, hier vor. Es falle durch den häuslichen Gebrauch Abwasser im Sinne der Satzung an. Die Pflicht des Klägers zur Abwasserüberlassung sei nicht nach § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG entfallen. Denn eine Weiterverwendung im Sinne dieser Regelung läge hier nicht zugrunde. Erforderlich sei - so das Verwaltungsgericht - die Weiterverwendung in einem geschlossenen System, da andernfalls bei jeglicher Weiterverwendung in der Form von Gartenbewässerung oder Verdunstung die Überlassungspflicht entfiele. Ein geschlossenes System im Sinne eines Kreislaufes liege bei häuslichem Abwasser nur dann vor, wenn das aufbereitete Abwasser wieder unmittelbar im Haushalt verwendet und dann, ggf. nach erneuter Klärung und Verwendung, am Ende als Abwasser dem Beseitigungspflichtigen überlassen werde. Auch § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 2. Alt. LWaG sei nicht einschlägig, weil es sich hier nicht um Abwasser, das in einem Gärtnereibetrieb angefallen sei, handele. Schließlich habe der Kläger keinen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS. Insbesondere das Vorhandensein einer funktionierenden Kleinkläranlage auf einem Privatgrundstück begründe grundsätzlich keinen Befreiungsanspruch. Die vom Beklagten getroffene Entscheidung für eine zentrale Abwasserentsorgung könne in dem zugrunde liegenden Einzelfall nicht korrigiert werden.

15

Gegen diese ihm am 21. Juli 2006 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 4. August 2007 die durch das Verwaltungsgericht zugelassene Berufung durch seine Prozessbevollmächtigte eingelegt.

16

Der Kläger macht mit der fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung geltend, dass es bereits an einer rechtmäßigen satzungsrechtlichen Grundlage für den Anschluss- und Benutzungszwang fehle. § 7 ABS sei zu unbestimmt und damit nichtig, soweit die Befreiungsmöglichkeit zur Voraussetzung habe, dass „Gründe des Gemeinwohls“ dies erforderten. § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG verlange im Einklang mit § 18 a WHG a.F. und der europarechtlichen Regelung der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 für - wie hier - abwasserfreie Grundstücke eine Befreiungsmöglichkeit. Nur dies werde dem gesetzgeberisch verfolgten Zweck an einem sparsamen Umgang mit Wasser und der Ausnutzung der Möglichkeiten der Weiterverwendung von Abwasser gerecht. Der Kläger hält insbesondere daran fest, dass eine Abwasserbeseitigungspflicht in seinem Fall nach § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG wegen der Weiterverwendung des gereinigten Abwassers entfalle. Im Übrigen wendet er sich gegen die Auslegung des Verwaltungsgerichts, dass die Überlassungspflicht nach § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG nur dann entfalle, wenn eine Weiterverwendung in einem geschlossenen System erfolge. Abwasser sei typischerweise kein Stoff, der in einem geschlossenen System verlaufe. Auch die weiteren Regelungen des § 40 LWaG ließen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber von einer ungeschriebenen Voraussetzung eines geschlossenen Systems ausgehe. Die umweltbewusste Vorgehensweise des Klägers entspreche dem Allgemeinwohl; die Sauberkeit des Grundwassers sei nicht gefährdet. Sein Grundstück sei im Ergebnis abwasserfrei. Da keine Überlassungspflicht bestehe bzw. jedenfalls ein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang gegeben sei, stelle das Verhalten des Beklagten einen enteignungsgleichen Eingriff in Rechte des Klägers aus Art. 14 GG dar.

17

Der Kläger beantragt,

18

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 3. Kammer - vom 13. Juni 2006 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 1. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2004

19

festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, das Grundstück Flurstück 80/8 der Flur 3 der Gemarkung A-Stadt an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen,

20

hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, ihn - den Kläger - vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Er verteidigt das angefochtene Urteil und ergänzt: Im Einklang mit den kommunalrechtlichen Vorschriften habe der Beklagte den generellen Anschluss- und Benutzungszwang in § 7 ABS und für atypische Fallgestaltungen in § 8 ABS Befreiungsmöglichkeiten vorgesehen. Die Befreiungstatbestände seien auch hinreichend geregelt, weil in § 8 ABS darauf abgestellt werde, dass ein begründetes Interesse an einer privaten Beseitigung oder Verwertung des Abwassers bestehen müsse und Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen dürfen. Das Grundstück des Klägers sei nicht abwasserfrei. Der Anspruch des Klägers richte sich lediglich auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung durch den Beklagten über den geltend gemachten Befreiungsanspruch. Dem habe der Beklagte Rechnung getragen.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

26

1. Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht fristgerecht (§ 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO) eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere entsprechend den Erfordernissen des § 124 a Abs. 3 Satz 1 bis 4 VwGO begründet worden.

27

Auch die in der Berufungsinstanz vorgenommene Ergänzung um die im Hauptantrag formulierte Feststellungsklage unter Beibehaltung des nunmehr hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrags stößt auf keine Bedenken. Es kann offen bleiben, ob es sich insofern um die Präzisierung des erstinstanzlich bereits deutlich gewordenen Begehrens handelte, die schon nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen wäre. Selbst wenn - mit Rücksicht auf den erstinstanzlich ausdrücklich gestellten Antrag - davon auszugehen wäre, dass erstmals in der Berufungsinstanz zusätzlich zu dem hilfsweise aufrecht erhaltenen Verpflichtungsantrag nunmehr mit dem Hauptantrag ein Feststellungsbegehren geltend gemacht wird, wäre dies zulässig. Eine solche Erweiterung des Streitgegenstandes im Berufungsverfahren und die darin enthaltene Klageänderung ist nach § 91 VwGO zulässig. Die Klageänderung in Gestalt einer nachträglichen objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) ist im Berufungsverfahren nach § 125 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO grundsätzlich statthaft (vgl. BVerwG, Urt. vom 18. August 2005 - 4 C 13.04 -, zit. nach juris). Sie ist auch im zugrunde liegenden Einzelfall sachdienlich, sofern nicht ohnehin die Einwilligung des Beklagten, der in der mündlichen Verhandlung der veränderten Antragstellung nicht widersprochen hat, angenommen werden kann. Denn in dem Fall einer nicht bestehenden Überlassungspflicht hinsichtlich des häuslichen Abwassers wäre eine Befreiung von einem dann nicht bestehenden Anschluss- und Benutzungszwang entbehrlich. Da das Verwaltungsgericht diese Thematik - in den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung - bereits behandelt hat, wird auch der Prüfungsumfang tatsächlich nicht erweitert.

28

2. Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg. Auch das mit dem Hilfsantrag verfolgte Klagebegehren ist vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden.

29

a) Die Klage hat im Hauptantrag keinen Erfolg; das auf dem Grundstück des Klägers anfallende Abwasser unterliegt der Überlassungspflicht.

30

aa) Die im Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage ist auch im Hinblick auf die zu beachtenden besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen statthaft. Die Beteiligten streiten um die Reichweite des Anschluss- und Benutzungszwangs in Bezug auf Abwasser und damit um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO (BVerwG, Urt. vom 24. März 2011 - 3 C 6.10 -, zit. nach juris, Rn. 13). Der Kläger ist insoweit klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Er kann geltend machen, durch die Anwendung des § 7 ABS in seinen Eigentumsrechten (Artikel 14 GG) verletzt zu sein. Dem Kläger steht auch ein Feststellungsinteresse zur Seite. Die begehrte Feststellung ist geeignet, den Rechtsstreit zwischen den Beteiligten für den Fall des Obsiegens des Klägers abschließend zu klären.

31

Dem erkennenden Senat fehlt es auch nicht an der instanziellen Zuständigkeit für dieses Feststellungsbegehren. Denn da die Klageänderung, nachdem das Verwaltungsgericht das Feststellungsbegehren bereits inzident geprüft hat, in tatsächlicher Hinsicht keine Erweiterung des Prozessstoffes zur Folge hat, werden jedenfalls die Zuständigkeitsregelungen im anhängigen Berufungsverfahren insofern modifiziert, als bei bestehender Sachdienlichkeit einer Klageänderung eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Berufungsgerichte begründet wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 28. April 1999 - 4 C 4.98 -, zit. nach juris, Rn. 17; VGH Mannheim, Urt. vom 28. Mai 2009 - 1 S 1173/08 -, zit. nach juris, Rn. 22).

32

Schließlich ist die Feststellungsklage hier auch nicht im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen. Der Kläger kann nicht auf eine vorrangige isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten, mit dem die vom Kläger beantragte Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang abgelehnt worden ist, verwiesen werden. Denn dieser Bescheid bezieht sich von seinem Regelungsgehalt her lediglich auf die Ablehnung des Antrags auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Hingegen kann dem Bescheid keine gesonderte Aufforderung zum Anschluss an die öffentliche Schmutzwasseranlage und zu deren Benutzung entnommen werden. Soweit im Übrigen in dem Bescheid als bloßes Begründungselement die Rechtsauffassung enthalten ist, eine Überlassungspflicht bzw. ein Benutzungszwang bestehe, weil auf dem Grundstück Abwasser anfalle, das dem Beklagten zu überlassen sei, handelt es sich nicht um einen der Bestandskraft fähigen Regelungsausspruch im Bescheid (vgl. VGH Mannheim, Urt. vom 28. Mai 2009 - 1 S 1173/08 -, a.a.O., Rn. 23 m.w.N.).

33

bb) Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet. Der Kläger unterliegt mit seinem Grundstück dem Anschluss- und Benutzungszwang nach § 7 ABS.

34

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ABS ist der Eigentümer eines bebauten Grundstücks verpflichtet, sein Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen, wenn es durch eine Straße erschlossen ist, in der ein betriebsfertiger Anschlusskanal zu seinem Grundstück vorhanden ist. Dabei wird der so satzungsrechtlich geregelte Anschlusszwang wirksam mit der - hier unstreitigen - ortsüblichen Bekanntgabe der betriebsfertigen Herstellung der Abwasserkanäle durch den Abwasserzweckverband (§ 7 Abs. 2 ABS). Nach § 7 Abs. 6 ABS ist der zum Anschluss Verpflichtete nach der Herstellung des betriebsfertigen Anschlusses aufgefordert, das auf dem Grundstück anfallende Abwasser in die Abwasseranlage einzuleiten (Benutzungszwang). Der Kläger ist zum Anschluss seines Grundstücks und zur Benutzung der öffentlichen Abwasseranlage in diesem Sinne kraft Satzungsrechts verpflichtet. Einer gesonderten Aufforderung durch Verwaltungsakt bedurfte es nicht.

35

Der durch § 7 ABS begründete Anschluss- und Benutzungszwang ist auch als solcher rechtmäßig. Es besteht grundsätzlich die Pflicht des Klägers zur Überlassung des auf seinem Grundstück anfallenden Abwassers.

36

Im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 7 ABS mit höherrangigem Recht bestehen keine Bedenken.

37

Die Verpflichtung zum Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage und deren Benutzung steht in Einklang mit der gesetzlichen Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 1 KV M-V. Danach kann die Gemeinde bzw. - hier nach § 154 KV M-V - der Zweckverband für die Grundstücke des jeweiligen Gebiets durch Satzung den Anschluss an die Abwasserbeseitigungsanlage und die Benutzung dieser Einrichtung vorschreiben, wenn dafür ein dringendes öffentliches Bedürfnis besteht. Ein solches Bedürfnis ist im Falle des Anschluss- und Benutzungszwangs hinsichtlich der Abwasserbeseitigung zu bejahen. Schutzgut der öffentlichen Abwasserbeseitigung ist die Sauberkeit des Grundwassers und damit das Allgemeinwohl, insbesondere die Volksgesundheit. Durch den Anschluss- und Benutzungszwang lässt sich mit größtmöglicher Sicherheit eine Verunreinigung des Grundwassers durch Abwasser bezogen auf das Verbandsgebiet ausschließen (vgl. Beschl. des Senats vom 4. April 2011 – 2 L 190/06 -, unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschl. v. 22. Dezember 1997 – 8 B 250.97 -, zit. nach juris Rn. 2 m.w.N.; Beschlüsse des Senats vom 16. Mai 2011 - 2 L 315 und 316/06 -). Entscheidend ist insofern allein die allgemeine Gefährdung des Schutzgutes im Gebiet des Zweckverbandes. Es ist nicht erforderlich, dass sie konkret auch für das Grundstück der Kläger besteht (vgl. Beschl. des Senats vom 4. April 2011 – 2 L 190/06 -; OVG Brandenburg, Urt. v. 31. Juli 2003 - 2 A 316/02 -, zit. nach juris Rn. 36 m.w.N.).

38

Auch nach der Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 31. Juli 2009 ist nach der nunmehrigen Regelung in § 55 Abs. 1 Satz 1 WHG Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Dem Wohl der Allgemeinheit kann nach § 55 Abs. 1 Satz 2 WHG auch durch die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen entsprochen werden. Die bereits zur Vorgängerfassung, dem § 18 a WHG Abs. 1 Satz 1 und 2 a.F., allgemein vertretene Auffassung, dass damit dem Grundstückseigentümer kein Wahlrecht i.S. eines gesetzlichen Rechtsanspruchs vermittelt wird, das auf seinem Grundstück anfallende Abwasser in dezentralen Abwasseranlagen beseitigen zu können, stützt sich nunmehr auf § 55 Abs. 1 Satz 2 WHG (vgl. Queitsch, in WHG, 2010, § 55 Rn. 5 ff.; BVerwG, Beschl. vom 19. Dezember 1997 - 8 B 234.97 -, zit. nach juris, Rn. 2; Sächs. OVG, Beschl. vom 16. März 2010 - 4 A 250/08 -, zit. nach juris, Rn 3). Eine inhaltliche Änderung ist durch die Neuregelung nicht erfolgt (vgl. BT-Drs. 16/1285 S. 68).

39

Danach stellt der durch die Satzung des Beklagten begründete Zwang, die Grundstücke im Verbandsgebiet an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen und diese zu benutzen, für den betroffenen Grundstückseigentümer grundsätzlich eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung seines Eigentums dar, die durch dessen Sozialbindung gerechtfertigt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12. Januar 1988 – 7 B 55.87, zit. nach juris, Rn. 3 m.w.N.).

40

Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des § 7 ABS bestehen nicht. Diese ergeben sich auch nicht aus einer (nach klägerischer Ansicht) unzureichenden Regelung der Befreiungsgründe vom Anschluss- und Benutzungszwang in § 8 ABS. Zwar kann sich aus einem unzureichend geregelten Befreiungskatalog im Extremfall auch die Unwirksamkeit eines angeordneten Anschluss- und Benutzungszwangs ergeben; ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Dies gilt insbesondere insofern, als der Kläger die Ansicht vertritt, dass der Rechtsbegriff der „Gründe des Gemeinwohls“ im § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS zu unbestimmt sei und diese Nichtigkeit auf § 7 ABS durchschlage.

41

Dabei ist zunächst zu beachten, dass ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Befreiungsbegehren sich nach der Satzung des Beklagten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS nicht allein danach bestimmt, dass Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen dürfen. Zusätzliche Voraussetzung für den Anspruch des Grundstückseigentümers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde ist auf der Tatbestandsseite, dass der Eigentümer ein begründetes Interesse an einer privaten Beseitigung oder Verwertung des Abwassers geltend machen kann.

42

Gegen die Bestimmtheit bzw. die Bestimmbarkeit des Rechtsbegriffs des “begründeten Interesses“ i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS bestehen keine Bedenken seitens des Senats; sie sind auch vom Kläger nicht explizit geltend gemacht worden. Die Auslegung des Begriffs orientiert sich an der Schutzrichtung der Norm, die auf die geordnete Abwasserentsorgung zum Schutze des Grundwassers und der Gesundheit der Bevölkerung gerichtet ist. Ein solches „begründetes Interesse“ liegt daher immer dann vor, wenn außergewöhnliche Belange im Einzelfall vorliegen die von solchem Gewicht sind, dass ein Anschluss an und die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlage im Hinblick auf die gewichtigen Rechtsgüter, die für die zentrale Abwasserbeseitigung sprechen, den Einzelnen unzumutbar belasten würden. Es kommt weder darauf an, ob von dem konkreten Grundstück bei Nutzung einer dezentralen Abwasserbeseitigungsanlage eine Gefahr ausgeht, noch ob die Anschlussverpflichtung als solche mit den üblichen finanziellen Belastungen für den Grundstückseigentümer verbunden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20. Oktober 2009 – 9 S 16/09 -, zit. nach juris Rn. 8).

43

Auch bei dem Begriff der „Gründe des Gemeinwohls“ handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, der mit dem Allgemeinwohlbegriff in den §§ 55 Abs. 1, 6 Abs. 1 Nr. 3 WHG identisch ist. Der Gemeinwohlbegriff ist danach vorwiegend in wasserwirtschaftlichem Zusammenhang zu sehen (vgl. Cychowski/ Reinhardt, WHG, a.a.O., § 6 Rn. 26 ff. m.w.N.). Entsprechend der Schutzrichtung dieser Normen umfasst das Gemeinwohl unabhängig von konkreten Nutzungsabsichten oder Bewirtschaftungszielen auch die Vermeidung schädlicher Verunreinigungen oder nachteilige Veränderungen der Beschaffenheit des Wassers und damit das Ziel, das Trinkwasserreservoir als natürliche Lebensgrundlage i.S. des Art. 20 a GG auch für die Zukunft zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 1997 – 8 B 234.97 -, zit. nach juris, Rn. 3). Neben dem Grundwasserschutz als solchem sollen damit vornehmlich die Belange der Gesundheit der Bevölkerung geschützt werden (vgl. Cychowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2010, § 55 Rn. 7 f.).

44

Das klägerische Grundstück ist auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht abwasserfrei. Der Begriff des Abwassers ist nunmehr (bundes-)gesetzlich definiert. Nach § 54 Abs. 1 WHG handelt es sich um Abwasser, wenn Wasser durch u.a. den häuslichen Gebrauch in seinen Eigenschaften verändert wurde (vgl. schon OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.09.2001 – 9 L 829/00 -, zit. nach juris Rn. 5, m.w.N.). Diese Definition wiederholt § 1 Abs. 2 ABS. Es ist danach insbesondere unerheblich, ob für das Abwasser - wie hier - eine weitergehende Verwertungsmöglichkeit auf dem Grundstück besteht (vgl. Cychowski/ Reinhardt, a.a.O., § 54 Rn. 8 ff.). Auch auf eine subjektive Entledigungsabsicht des Grundstückseigentümers kommt es nicht an (vgl. Berendes, WHG, a.a.O., § 54 Rn. 4). Dass derartige Veränderungen durch die Nutzung des Hausgrundstücks des Klägers geschehen, wird nicht in Abrede gestellt. Maßgeblich ist insoweit, dass das in seiner Eigenart veränderte Wasser in einem Rohrsystem gesammelt wird, um es - hier - zu einer grundstückseigenen Abwasserbehandlungsanlage zu leiten (vgl. Beschl. des Senats v. 4. April 2011 – 2 L 190/06 -, S. 6; OVG Lüneburg, Beschl. v. 17. September 2001 - 9 L 829/00 -, zit. nach juris, Rn. 5 m.w.N.; VGH München, Beschl. v. 13. August 2004 - 22 ZB 03.2823 -, zit. nach juris, Rn. 3). Ein sog. „abwasserfreies Grundstück“ gibt es daher nicht (vgl. Beschl. des Senats v. 4. April 2011 - 2 L 190/06 -, Beschlüsse des Senats v. 16. Mai 2011 - 2 L 315 und 316/06 -).

45

Dem steht auch nicht die Regelung des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG entgegen. Nach § 40 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. LWaG entfällt die Pflicht zur Abwasserbeseitigung nach Absatz 1 und zur Überlassung des Abwassers nach Absatz 2 für Abwasser, das noch weiter verwendet werden soll. Nach § 40 Abs. 3 Satz 2 LWaG ist zur Beseitigung dieses Abwassers derjenige verpflichtet, bei dem das Abwasser anfällt, wobei andere Regelungen aufgrund kommunaler Satzungen möglich sind.

46

Der Begriff der Verwendung bzw. Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG ist weder im Landeswasser- noch im Wasserhaushaltsgesetz gesetzlich definiert. Er ist daher unter Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln, insbesondere unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung auszulegen. Die Abwasserbeseitigungspflicht ist grundsätzlich in § 40 Abs. 1 LWaG dadurch bestimmt, dass die Gemeinden bzw. nach § 40 Abs. 4 LWaG - wie hier - besondere Zweckverbände abwasserbeseitigungspflichtig und damit auch -verantwortlich sind. Dementsprechend findet sich in § 40 Abs. 5 LWaG die Ermächtigungsgrundlage zur Regelung des Anschluss- und Benutzungszwangs durch derartige Zweckverbände. Was unter dem Begriff der Abwasserbeseitigung zu verstehen ist, wird durch § 54 Abs. 2 WHG definiert. Danach umfasst die Abwasserbeseitigung das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln von Abwasser sowie das Entwässern von Klärschlamm in Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung. Der Begriff der Weiterverwendung ist hiervon nicht erfasst.

47

Die - wenn auch - biologische Klärung des auf dem klägerischen Grundstück anfallenden häuslichen Abwassers stellt eine Behandlung im Sinne des bundesrechtlichen Abwasserbeseitigungsbegriffs dar. Behandeln ist jedes Einwirken auf einen Stoff, um seine Eigenschaften zu verändern. Abwasser wird daher durch jeden Vorgang „behandelt“, der dazu dient, die Schädlichkeit des Abwassers zu vermindern, insbesondere die Schadstofffracht im Abwasser zu reduzieren (vgl. Cychowski/Reinhardt, a.a.O., § 54 Rn. 23; Berendes, a.a.O, § 54 Rn. 8). Indem der Kläger das häusliche Abwasser der auf seinem Grundstück vorhandenen Kleinkläranlage zuführt und verändert, behandelt er das Abwasser und beseitigt damit und mit dem weiteren Einleiten in das Feuchtbiotop Abwasser im Sinne der bundesrechtlichen Norm.

48

Der Landesgesetzgeber hat zwar mit dem Gesetz zur Bereinigung des Landeswasserrechts v. 23. Februar 2010 (GVBl. M-V, S. 101) auch die ihm eröffneten Gesetzgebungskompetenzen insbesondere aus Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nummern 2 und 5 und Satz 3 GG ausnutzen wollen (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs, LT-Drs. 5/3027 S. 1); bezogen auf den neu gefassten § 40 LWaG sollte aber lediglich von der dem Landesgesetzgeber durch § 56 Satz 2 WHG eingeräumten Möglichkeit, die Abwasserbeseitigungspflicht auf einen anderen Abwasserbeseitigungspflichtigen als die grundsätzlich zuständigen Gemeinden bzw. Zweckverbände zu verlagern, Gebrauch gemacht werden (vgl. LT Drs. 5/3027, S. 43). Eine nach dem allgemeinen Grundsatz des Art. 31 GG, konkretisiert durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG für den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Wasserhaushaltsrecht, damit unzulässige abweichende landesrechtliche Bestimmung dessen, was Abwasserbeseitigung ausmacht, sollte und konnte durch Art. 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG nicht getroffen werden. Eine Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG liegt daher immer dann nicht vor, wenn das Abwasser in seiner Zusammensetzung verändert wird. Auch unter Berücksichtigung des Wortlauts der Regelung, wonach die Abwasserbeseitigungs- und -überlassungspflicht für Abwasser entfällt, „für Abwasser, das noch verwendet werden soll“ wird damit deutlich, dass mit dieser Vorschrift nur eine zeitliche Verlagerung der Überlassungspflicht geregelt wird. Der Zeitpunkt der Überlassungspflicht für Abwasser wird hinausgeschoben; eine Veränderung des Abwassers ist nicht gemeint. Dieses Verständnis bestätigt im Übrigen auch die 2. Alternative des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG, die unter engen Voraussetzungen eine Privilegierung der Land- und Forstwirtschaft beabsichtigte. Würde jede private Abwasserbeseitigung von der Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG erfasst werden, würde der vom Gesetzgeber ersichtlich im Sinne der Volksgesundheit und zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verankerte Grundsatz der öffentlichen Abwasserbeseitigung umgekehrt und ausgehöhlt. Schließlich ist auch nur dieses enge Verständnis des Begriffs der Weiterverwendung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 18 a WHG a.F. und nunmehrigen § 55 Abs. 1 WHG in Einklang zu bringen, nach der den entsorgungspflichtigen Körperschaften ein größerer Spielraum für die Optimierung ihrer Entsorgungskonzepte eröffnet werden sollte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14. Januar 2009 - 8 B 37.08 -, zit. nach juris, Rn. 3 m.w.N.). Das bedeutet zusammenfassend, das jede physikalische, chemische aber auch biologische Veränderung des Abwassers und zwar auch dann, wenn kein Abwasser in ein Gewässer eingeleitet wird, eine Abwasserbeseitigung darstellt (vgl. Cychowski/Reinhardt, a.a.O., § 54 Rn. 3), die den landesrechtlichen Begriff der Weiterverwendung nicht mehr erfüllt.

49

Dass in dem hier zugrundeliegenden Fall die Abwasserbeseitigungs- und -über-lassungspflicht auch nicht nach § 40 Abs. 3 Nr. 4 Satz 1, 2. Alt. LWaG entfällt, ergibt sich schon daraus, dass es sich bei dem auf dem Grundstück des Klägers anfallenden häuslichen Abwasser nicht um solches handelt, das aufgrund land-, forstwirtschaftlicher oder gärtnerische Nutzung angefallen ist.

50

Das auf dem Grundstück des Klägers nach der häuslichen Verwendung angefallene Abwasser stellt demnach bereits bevor es in die grundstückseigenen Kleinkläranlage eingeleitet wird, beiseitigungspflichtiges Abwasser dar, für das grundsätzlich der (Anschluss- und) Benutzungszwang gilt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG quasi als ungeschriebene Voraussetzung die Nutzung des Abwassers innerhalb eines „geschlossenen Systems“ voraussetze, bedarf keiner weiteren Erörterung. Denn jedenfalls findet in dem hier zur Entscheidung anstehenden Verfahren aufgrund der vom Kläger beabsichtigten und tatsächlich vorgenommenen Abwasserbeseitigung i.S. des § 54 Abs. 2 Satz 1 WHG keine Weiterverwendung i.S. des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 1. Alt. LWaG statt.

51

b) Auch mit dem hilfsweisen Begehren, der Verpflichtung des Beklagten zur Befreiung des Klägers vom Anschluss- und Benutzungszwang, dringt die Berufung nicht durch.

52

Der klägerische Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Befreiungsantrag ist nicht verletzt, §§ 113 Abs. 5, 114 VwGO. Nach § 8 Abs. 1 ABS kann der Anschlusspflichtige unter Beachtung der Bestimmungen des § 40 Abs. 3 LWaG vom Anschluss- und Benutzungszwang widerruflich oder auf bestimmte Zeit befreit werden, wenn ein begründetes Interesse an einer privaten Beseitigung oder Verwertung des Abwassers besteht und Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen. Es fehlt bereits an einem begründeten Interesse des Klägers an der begehrten Befreiung. Jedenfalls wäre die Entscheidung des Beklagten, mit der das Befreiungsbegehren zurückgewiesen worden ist, in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid vom 9. August 2004 gefunden hat, ermessensfehlerfrei.

53

Entsprechend den oben bereits erwähnten Anforderungen an die besondere Gewichtung des Einzelinteresses an einer Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang hat der Beklagte zutreffend darauf abgestellt, dass das Betreiben einer Kleinkläranlage auf dem Grundstück keine ausreichende Besonderheit darstellt, der Wunsch, das häusliche Abwasser auf dem Grundstück zu behandeln und in das Feuchtbiotop einzuleiten bzw. zur Bewässerung zu nutzen, den Anschluss- und Benutzungszwang nicht unzumutbar macht, der Hinweis auf nur unzureichend vorhandenes Regenwasser nicht dringlich genug ist, weil Frischwasser für diese Zwecke zur Verfügung steht und sich weder aus Europarecht noch aus dem Wasserhaushaltsgesetz oder dem Landeswasserrecht ein Anspruch i.S. eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf vorrangige Nutzung einer dezentralen Abwasseranlage ergibt (vgl. Beschl. des Senats v. 4. April 2011 - 2 L 190/06 - m.w.N.). Auch bestehen keine Hinweise auf eine vom Kläger ausdrücklich auch nicht angeführte finanziell unzumutbare Belastung im Falle der Herstellung des Anschlusses und dessen Benutzung. Dass der Kläger Investitionen in die Herstellung der Abwasserbeseitigungsanlage auf seinem Grundstück, die er mit 4.000,- Euro beziffert, umsonst aufgewandt habe, übersieht in tatsächlicher Hinsicht, dass der Kläger die Anlage inzwischen rund 7 Jahre tatsächlich genutzt hat. Unabhängig davon kann der Kläger, der bereits bei der Errichtung der dezentralen Abwasserbeseitigungsanlage von der Absicht des Beklagten Kenntnis hatte, das entsprechende Abwasserbeseitigungskonzept durch den Bau einer zentralen Abwasserbeseitigungsanlage in A-Stadt umzusetzen, sich nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen, weil er die Investitionen in Kenntnis dieses Risikos errichtet hat. In diesem Zusammenhang sei darüber hinaus darauf hingewiesen, dass von anderen Obergerichten Kosten für die Herstellung des Anschlusses an eine öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage von 25.000,- Euro bzw. abhängig von dem konkreten Grundstückswert darüber liegend noch für zumutbar gehalten wurden. Bei diesen Herstellungskosten des Anschlusses sind jedenfalls die Investitionskosten für eine früher errichtete Kleinkläranlage nicht einzustellen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 14. Dezember 2010 - 15 A 1290/10 – zit. nach juris, Rn. 31 ff. m.w.N.; VGH München, Beschl. v. 15. August 2008 – 4 ZB 08.483 -, zit. nach juris, Rn. 7).

54

Nach alledem bestehen hier keine objektiven, grundstücksbezogenen Gründe, also solche, die sich aus den Besonderheiten der Grundstückslage oder der Grundstückssituation ergäben und die eine Befreiung im Einzelfall wegen des Vorliegens eines begründeten Interesses i.S. des § 8 Abs. 1 AWS eröffneten.

55

Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die vom Kläger auf dem Grundstück betriebene Kleinkläranlage bei ordnungsgemäßem Betrieb ggf. eine bessere Klärung des Abwassers bewirken kann als die öffentliche Abwasseranlage (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17. September 2001 - 9 L 829/00 -, zit. nach juris, Rn. 6 f.). Dem Umstand, dass dezentrale Abwasserbeseitigungsanlagen grundsätzlich durchaus bessere Reinigungsleistungen erzielen können als zentrale Abwasserbeseitigungsanlagen, hat der Bundesgesetzgeber - wie gleichfalls oben ausgeführt - durch die Eröffnung des Wahlrechts nach § 55 Abs. 1 Satz 2 WHG zugunsten der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinden bzw. Zweckverbände Rechnung getragen.

56

Selbst soweit der Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit, zur Gartenbewässerung Trinkwasser verwenden zu können, verweist, und damit Bedenken im Hinblick auf eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung i.S. des § 1 WHG aufkommen, ist doch nichts dafür ersichtlich, dass die generellen mit der zentralen Abwasserbeseitigung verfolgten Ziele damit in Frage gestellt sein könnten.

57

Soweit der Kläger schließlich meint, etwas anderes ergäbe sich hier aus § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG, der über den Verweis in § 8 Abs. 1 Satz 1 ABS auch in das Satzungsrecht des Beklagten inkorporiert wurde, kann dahingestellt bleiben, ob insoweit die Regelungen des § 40 Abs. 3 LWaG zu weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 ABS gemacht werden sollten oder lediglich im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden sollen (vgl. zu sog. Kopplungsnormen bereits Urt. des Senats vom 3. Februar 2010 – 2 L 117/05, S. 13 f. UA). Denn ein Fall insbesondere des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWaG, wonach die Pflicht zur Überlassung des Abwassers dann entfällt, wenn es sich um Abwasser handelt, das noch weiter verwendet werden soll, liegt hier - wie oben ausgeführt - nicht vor.

58

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

59

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 225 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin hält eine Rottweiler Hündin (geb. 31.1.2010), für die sie bereits im Jahr 2011 ein sog. Negativzeugnis von der Beklagten (Amt für Öffentliche Sicherheit und Ordnung) erhalten hat. Sie wendet sich mit ihrer Klage gegen die Heranziehung zur Hundesteuer für das Jahr 2014 mit einem gegenüber dem regelmäßigen um 75 Euro erhöhten Steuersatz.

Nach § 5 der Hundesteuersatzung der Beklagten (HStS) beträgt die Steuer für jeden Hund im Kalenderjahr 50 Euro. Für Kampfhunde i. S. d. § 6 HStS beträgt die Steuer gemäß § 5 Abs. 2 HStS 250 Euro im Kalenderjahr.

§ 6 der Satzung der Beklagten enthält folgende Regelungen:

„(1) Kampfhunde sind Hunde, bei denen aufgrund rassenspezifischer Merkmale, Zucht und Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen ist.

(2) Entsprechend der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 wird bei folgenden Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden die Eigenschaft als Kampfhunde stets vermutet:

- American Pit Bullterrier

- Bandog

- American Staffordshire Terrier

- Staffordshire Bullterrier

- Tosa-Inu

(3) Bei folgenden Rassen von Hunden wird die Eigenschaft als Kampfhunde vermutet, solange nicht dem Ordnungsamt als der zuständigen Behörde für die einzelnen Hunde nachgewiesen wird, dass diese keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen:

- Rottweiler

(4) …

(5) Der erhöhte Steuersatz nach § 5 Abs. 2 wird um die Hälfte reduziert bei Tatbeständen nach § 6 Abs. 3, in dem Jahr, in dem eine Bescheinigung des Ordnungsamtes ausgestellt wurde….“

Nachdem die Beklagte die Klägerin zunächst mit Bescheid vom 17. Januar 2014 für das Jahr 2014 zu einer Hundesteuer in Höhe von 50 Euro herangezogen hatte, erging am 21. März 2014 ein Berichtigungsbescheid, in dem nunmehr die Hundesteuer für 2014 gegenüber der Klägerin auf 125 Euro festgesetzt wurde.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung dieses Bescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2014.

Mit Urteil vom 22. April 2015 hat das Verwaltungsgericht diesem Begehren stattgegeben. Die Auslegung der maßgeblichen Vorschriften der Hundesteuersatzung der Beklagten ergebe für Hunde der in § 6 Abs. 3 HStS aufgezählten Rassen, für die ein sog. Negativattest vorgelegt worden sei, keine dauerhafte Steuerpflicht in Höhe von 125 Euro. Nach dieser Vorschrift werde die Eigenschaft als Kampfhund bei bestimmten Rassen solange vermutet, bis der Negativattest als Nachweis einer fehlenden gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit des individuellen Tieres vorgelegt werde. Mit Vorlage dieses Attestes entfalle die Vermutung der Kampfhundeeigenschaft. Dies habe nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 5 HStS („in dem Jahr…“) zur Folge, dass sich die für dieses Tier zu zahlende Hundesteuer für das Jahr der Vorlage des Attestes auf 125 Euro reduziere. In der Folgezeit könne dann allerdings nur noch der für alle „Nicht-Kampfhunde“ anfallende Steuersatz in Höhe von 50 Euro im Kalenderjahr erhoben werden.

Gegen das Urteil richtet sich der Zulassungsantrag der Beklagten, mit dem sie ernstliche Zweifel, besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung führt nicht zum Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den Darlegungen der Beklagten nicht.

Diese sind nur dann gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. etwa BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642). Das ist vorliegend nicht der Fall.

Mit dem Vorbringen, jede Gemeinde dürfe bei ihrer Hundesteuererhebung neben fiskalischen Zwecken auch den Lenkungszweck verfolgen, als potentiell gefährlich eingestufte Hunde aus ihrem Gemeindegebiet zurückzudrängen und daher trotz des Vorliegens eines Negativattestes einen erhöhten Steuersatz für Tiere dieser Rassen verlangen, können ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils nicht begründet werden. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 22. April 2015 entgegen der Auffassung der Beklagten die in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Befugnis der Gemeinde nicht in Frage gestellt, auch bei solchen als abstrakt gefährlich eingestuften Hunden, die einen Wesenstest bestanden haben, mit Blick auf den - zulässigen - Lenkungszweck der Hundesteuersatzung davon abzusehen, den für sog. Kampfhunde geltenden erhöhten Steuersatz zu senken oder gar nur den für „normale“ Hunde geltenden Satz anzuwenden (vgl. dazu etwa BayVGH, B. v. 24.6.2009 - 4 ZB 08.2507 - juris Rn. 11).

Das Verwaltungsgericht hat vielmehr rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Beklagte in ihrer Hundesteuersatzung von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verwaltungsgericht kann dieses Ergebnis auf den insoweit eindeutigen Wortlaut der Regelung in § 6 Abs. 5 HStS stützen. Danach wird die für Kampfhunde gemäß § 5 Abs. 2 HStS anfallende Steuer in Höhe von 250 Euro bei Tieren der in § 6 Abs. 3 HStS aufgezählten Rassen mit Negativattest „in dem Jahr, in dem eine Bescheinigung des Ordnungsamtes ausgestellt wurde“, um die Hälfte reduziert. Nach der insoweit eindeutigen Regelung ergibt sich für die Jahre nach Ausstellung der Bescheinigung keine Steuerpflicht für das jeweilige Tier in Höhe von 125 Euro, sondern nur in dem Jahr der Ausstellung des Attestes.

Zu Recht weist das Verwaltungsgericht auch darauf hin, dass nach der Formulierung in der Hundesteuersatzung der Beklagten mit der Vorlage des Negativattestes für den einzelnen Hund der in § 6 Abs. 3 HStS genannten Rassen die (widerlegbare) Vermutung der Kampfhundeeigenschaft entkräftet ist, so dass - mangels entsprechender Regelung in der Satzung der Beklagten - in den Jahren nach der Ausstellung des Attestes nur noch eine Besteuerung als „normaler“ Hund i. S. v. § 5 Abs. 1 HStS möglich ist.

Soweit sich die Beklagte in ihrem Zulassungsantrag auf die Entscheidung des Senats vom 26. September 2012 (Az. 4 B 12.1389) beruft, liegt dieser kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Die Hundesteuersatzung der dortigen Beklagten (Stadt Fürth; s. dazu auch unter 3.) bestimmt - im Unterschied zur Hundesteuersatzung der jetzigen Beklagten -, dass sich der für Kampfhunde geltende erhöhte Steuersatz „mit Ablauf des Kalendermonats, in dem eine (entsprechende) Bescheinigung des Ordnungsamtes ausgestellt wurde“, um die Hälfte reduziert. Entgegen der Auffassung der Beklagten unterscheidet sich der Wortlaut ihrer Satzungsregelung in § 6 Abs. 5 HStS in entscheidender Weise von der o.g. Regelung: Die dortige Formulierung („reduziert sich mit Ablauf des Kalendermonats…“) enthält eine zeitlich unbeschränkte Regelung für die Zukunft, während die Beklagte in § 6 Abs. 5 HStS mit der Formulierung („in dem Jahr…“) lediglich für ein Jahr die Erhebung einer Steuer in Höhe von 125 Euro festgelegt hat, nämlich für das Jahr, in dem das Attest vorgelegt wird.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch betont, dass es nicht darauf ankommen könne, ob die Beklagte in ihrer Satzung eine Formulierung gewählt hat, die tatsächlich ihrem eigentlichen Willen entspricht. Das Gebot der Klarheit und Eindeutigkeit solcher Regelungen, die dem Bürger (Zahlungs-) Pflichten auferlegen, verbietet die Annahme, entgegen dem eindeutigen Wortlaut werde vom Satzungsgeber eigentlich etwas anderes gewollt. Maßgebend ist vielmehr der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende „objektivierte Wille“ des Satzungsgebers, also das, was dieser geregelt hat, nicht hingegen das, was er zu regeln meinte (vgl. OVG NW, U. v. 9.5.2003 - 16 A 1595/02 - juris; BVerfG, B. v. 16.8.2001 - 1 BvL 6/01 - NVwZ-RR 2002, 117).

Nach alledem ist festzuhalten, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil entgegen der Auffassung der Beklagten keine mit der Rechtsprechung des Senats unvereinbare Rechtsmeinung enthält, die ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit wecken könnte.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Diese weist bei der Rechtsanwendung keine über das normale Maß hinausgehenden Schwierigkeiten auf. Solche legt auch die Beklagte in der Begründung ihres Zulassungsantrags nicht dar.

3. Der Rechtssache kommt auch nicht die ihr von der Beklagten beigemessene grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage mit einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Berufungsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung einer Vorschrift in ihrer Hundesteuersatzung richtig ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Dieser Frage fehlt die Klärungsfähigkeit, da sie sich einer abstrahierenden Rechtssatzbildung entzieht, weil es ausschlaggebend auf die Würdigung konkreter Gegebenheiten des Einzelfalls ankommt (vgl. BVerwG, B. v. 29.10.2015 - 1 B 32.15 - juris Rn. 6 m. w. N.). Welche Auslegung bestimmter Formulierungen in individuellen Satzungen „richtig“ ist, ist eine Frage des Einzelfalles (der jeweiligen Formulierung). Verallgemeinerungsfähige Aussagen, die es rechtfertigen könnten, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu bejahen, wären in einem Berufungsverfahren vorliegend nicht zu erwarten, nachdem nicht ersichtlich ist, dass sich die auszulegende Formulierung auch in Hundesteuersatzungen anderer Gemeinden findet.

Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang angesprochenen Satzungen der Städte Nürnberg und Fürth enthalten entgegen der Auffassung der Beklagten anderslautende Regelungen. Anders als vorliegend die Beklagte haben diese Satzungsgeber darin von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, auch bei Widerlegung der Vermutung der Kampfhundeeigenschaft eines bestimmten Hundes für diesen nicht lediglich den Steuersatz für einen „normalen“ Hund zu verlangen, sondern diesen nach wie vor einem erhöhten Steuersatz zu unterwerfen, um dadurch auch eine Verhaltenslenkung zu bewirken (§ 5 Abs. Satz 1 HStS Fürth: „Der erhöhte Steuersatz nach § 4 Abs. 2 wird um die Hälfte reduziert bei Tatbeständen nach § 5 Abs. 3 mit Ablauf des Kalendermonats, in dem eine Bescheinigung des Ordnungsamtes ausgestellt wurde.“ bzw. § 5 Abs. 5 HStS Nürnberg: „Bei Hunden nach Abs. 3 wird mit Ablauf des Kalendermonats, in dem durch die Stadt eine Bescheinigung (Negativzeugnis) ausgestellt wurde, die Steuer in Höhe des Steuersatzes nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 festgesetzt.“ Wie oben dargestellt, regelt die Hundesteuersatzung der Beklagten diesen Sachverhalt eben nicht in der gleichen Weise.

Die Entscheidung, welche Hunde eine Gemeinde einer erhöhten Steuer unterwirft, liegt in ihrem Ermessen, soweit hierfür sachliche Gründe gegeben sind. Allerdings muss sie dies in der Satzung auch eindeutig regeln. Wie das Verwaltungsgericht richtig festgestellt hat, mangelt es daran vorliegend.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 3 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen die neugefasste Streupflichtsatzung der Antragsgegnerin vom 17.04.2013, soweit diese bestimmt, dass bei einseitigen Gehwegen nur diejenigen Straßenanlieger reinigungs-, räum- und streupflichtig sind, auf deren Seite der Gehweg verläuft.
Der Antragsteller ist Eigentümer und Bewohner des Anwesens B.straße 5 in der Schwarzwaldgemeinde Simonswald. Ein Gehweg verläuft lediglich auf der seinem Anwesen zugewandten Straßenseite.
Mit Schreiben vom 22.02.2009 wandte er sich an die Antragsgegnerin und äußerte sein Unverständnis darüber, dass die Anlieger auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die den Gehweg ebenfalls benutzten, offenbar nicht räum- und streupflichtig seien.
Die Antragsgegnerin klärte ihn darüber auf, dass nach der geltenden Streupflichtsatzung vom 14.01.1988 auch die Gegenüberlieger räum- und streupflichtig seien. Er solle sich mit diesen ins Benehmen setzen.
Mit Schreiben vom 01.03.2009 machte der Antragsteller geltend, dass sich sein Gegenüberlieger weigere, seinen Pflichten nach der Satzung nachzukommen. Insofern sei es nun an der Antragsgegnerin, ihn daran zu erinnern.
Die Antragsgegnerin sagte zu, im kommenden Herbst in ihrem Mitteilungsblatt noch einmal auf die durch die Streupflichtsatzung begründeten Verpflichtungen - insbesondere in der B.straße - hinzuweisen.
Da sich der Gegenüberlieger auch nach neuerlichen Hinweisen im amtlichen Mitteilungsblatt weigerte, seiner Räum- und Streupflicht nachzukommen, wies ihn die Antragsgegnerin am 17.12.2010 telefonisch auf die gemeinsame Verpflichtung aus der Streupflichtsatzung hin.
Nachdem der Antragsteller im Oktober 2012 moniert hatte, dass der Eigentümer des Anwesens B.straße 8 seinen Verpflichtungen weiterhin nicht nachkomme, stellte ihm die Antragsgegnerin unter dem 24.10.2012 anheim, mit seinem Nachbarn einen wöchentlichen Wechsel zu vereinbaren.
Der Antragsteller kündigte rechtliche Schritte an, sollte die Antragsgegnerin nicht gegen seinen Nachbarn einschreiten. Es gehe um das Haftungsrisiko.
10 
Nachdem der Antragsteller erneut die Untätigkeit des Gegenüberliegers gerügt hatte, teilte ihm die Antragsgegnerin mit, dass sie in ihrem Mitteilungsblatt nochmals auf die gemeinsame Verpflichtung hingewiesen habe. Sie empfahl dringend eine einvernehmliche Regelung.
11 
Mit Anwaltsschreiben vom 10.12.2012 wies der Antragsteller darauf hin, dass es sich bei der Räum- und Streupflicht um eine hoheitlich auferlegte Verpflichtung handle, die erforderlichenfalls mit ordnungsrechtlichen Mitteln durchzusetzen sei.
12 
Die Antragsgegnerin bestätigte unter dem 14.12.2012 die sich aus § 2 Abs. 2 ihrer Satzung ergebende gemeinsame Verpflichtung und bot sich „kulanterweise“ an, einen Plan zur einvernehmlichen Regelung aufzustellen.
13 
Der Antragsteller schlug vor, dass er in den ungeraden, sein Gegenüberlieger in den geraden Wochen die Räum- und Streupflicht übernehmen solle.
14 
Nachdem eine einvernehmliche Einigung nicht zustande kam, unterzog die Antragsgegnerin ihre Satzung einer Prüfung. Dabei stellte sie fest, dass die Mustersatzung des Gemeindetages von 2006 bei einseitigen Gehwegen eine Verpflichtung nur für die Anlieger empfiehlt, auf deren Seite der Gehweg verläuft. Eine Umfrage des Gemeindetages ergab, dass die allermeisten Gemeinden eine entsprechende Regelung in ihre Satzung aufgenommen hatten.
15 
Mit Schreiben vom 13.02.2013 teilte sie dem Antragsteller mit, dass sie ihre Streupflichtsatzung demnächst überarbeiten und neu fassen werde.
16 
Mit Verfügung vom 20.02.2013 verpflichtete sie den Eigentümer des Anwesens B.straße 8, bis zum Erlass einer neuen Satzung, längstens bis zum 31.05.2013, der Räum- und Streupflicht alleine nachzukommen.
17 
Der Antragsteller trat mit Anwaltsschreiben vom 16.03.2013 der Absicht der Antragsgegnerin entgegen, die Streupflichtsatzung dahin zu ändern, dass bei einseitigen Gehwegen nur noch die Straßenanlieger verpflichtet sein sollten, auf deren Seite der Gehweg verlaufe. Diese einseitige Belastung sei nicht sachgerecht, sondern willkürlich und verletze den Gleichheitsgrundsatz.
18 
Am 17.04.2013 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin, die Streupflichtsatzung neu zu fassen, indem diese an die Mustersatzung des Gemeindetages „angepasst und auf den neuesten Stand gebracht“ wurde. Dabei wurde als „eindeutige bzw. klare Regelung“ die entsprechende Regelung aus der Mustersatzung übernommen, dass bei einseitigen Gehwegen nur diejenigen Straßenanlieger verpflichtet sind, auf deren Seite der Gehweg verläuft (§ 2 Abs. 3 Streupflichtsatzung). Die neue Streupflichtsatzung wurde am 03.05.2013 im amtlichen Mitteilungsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht. Sie trat am 01.06.2013 in Kraft.
19 
Nachdem er die Antragsgegnerin vergebens um eine Satzungsänderung gebeten und das Landratsamt Emmendingen erfolglos um ein aufsichtsbehördliches Einschreiten ersucht hatte, hat der Antragsteller am 17.12.2013 das vorliegende Normenkontrollverfahren eingeleitet. Durch die angegriffene Satzungsbestimmung werde er in seinen Rechten verletzt, da diese gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Allein deshalb, weil sein Gegenüberlieger der Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen sei, was die Antragsgegnerin ordnungsrechtlich hätte durchsetzen müssen, habe sie sich nunmehr des Problems durch eine Neuregelung entledigt. Da der einseitige Gehweg auch von den Anliegern der anderen Straßenseite genutzt werde, mithin auch diese einen Erschließungsvorteil hätten, werde er durch die Satzungsbestimmung unverhältnismäßig belastet. Die Satzungsänderung ziele letztlich als Einzelmaßnahme darauf ab, sich des Problems einer Umsetzung der bisherigen Satzungsregelung zu entledigen und ihn „ruhig zu stellen“. Damit werde die bisherige rechtswidrige Praxis bestätigt. Insofern beruhe die Satzungsänderung auf sachfremden Erwägungen, womit gegen das Willkürverbot verstoßen werde.
20 
Der Antragsteller beantragt,
21 
§ 2 Abs. 3 der Streupflichtsatzung der Gemeinde Simonswald vom
22 
17. April 2013 für unwirksam zu erklären.
23 
Die Antragsgegnerin beantragt,
24 
den Antrag abzuweisen.
25 
Anlass für die Neufassung der Satzung sei die durch die bisherigen Bestimmungen entstandene Rechtsunsicherheit gewesen. Genaue Regelungen zur Durchführung der gemeinsamen Verpflichtung hätten gefehlt. Bei Unstimmigkeiten über deren Organisation und fehlender Absprache, sei nicht geklärt gewesen, wer wann räum- und streupflichtig gewesen sei. Durch die beschlossene Neuregelung sei nunmehr klar und für jedermann verständlich festgelegt, dass der Straßenanlieger, auf dessen Seite der Gehweg verlaufe, allein verpflichtet sei. Auch habe der große Verwaltungsaufwand für eine ständige Kontrolle vermieden werden sollen. Bei den individuellen Absprachen sei kaum festzustellen gewesen, wer zu welchem Zeitpunkt verantwortlich gewesen sei. Die Neufassung entspreche auch der Mustersatzung des Gemeindetags. Aus dessen Erläuterungen gehe hervor, dass eine beidseitige Verpflichtung nicht immer zur Zufriedenheit der Gemeinden umzusetzen sei; so müssten die Straßenanlieger oft brieflich nachinformiert werden.
26 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten und die dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
28 
1. Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthafte Antrag ist zulässig.
29 
Insbesondere ist der Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. So macht er sinngemäß geltend, als Straßenanlieger dadurch unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und seinem Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt zu werden, dass die (Reinigungs-,) Räum- und Streupflicht bei einseitigen Gehwegen nurmehr allein den Straßenanliegern auferlegt wird, auf deren Seite der Gehweg verläuft.
30 
Auch die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt. So wurde die Streupflichtsatzung am 03.05.2013 bekannt gemacht. Der Normenkontrollantrag ist am 17.12.2013 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen.
31 
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die allein beanstandete Satzungsbestimmung des § 2 Abs. 3 der Streupflichtsatzung der Antragsgegnerin vom 17.04.2013 ist weder in formeller (a) noch in materieller Hinsicht (b) rechtswidrig.
32 
a) Dass die Satzung unter Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften der Gemeindeordnung zu Stande gekommen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Da dies nicht innerhalb eines Jahres geltend gemacht wurde, wäre die Verletzung solcher Vorschriften auch grundsätzlich unbeachtlich (vgl. § 4 Abs. 4 GemO).
33 
b) Die beanstandete Satzungsbestimmung leidet auch in materieller Hinsicht unter keinem zu ihrer Unwirksamkeit führenden Mangel. Insbesondere verstößt sie nicht gegen höherrangiges Recht.
34 
Ermächtigungsgrundlage für die in § 2 der Streupflichtsatzung vorgesehene Überwälzung der Reinigungs-, Räum- und Streupflicht auf die Straßenanlieger - nicht Angrenzer - ist § 41 Abs. 2 Satz 1 StrG. Danach können die den Gemeinden nach § 41 Abs. 1 Satz 1 StrG obliegenden Pflichten - außer der Verpflichtung zur Beleuchtung - für Gehwege durch Satzung den Straßenanliegern ganz oder teilweise auferlegt werden. § 41 Abs. 2 Satz 3 StrG bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass für den - auch hier gegebenen - Fall, dass nur auf einer Straßenseite ein Gehweg vorhanden ist, durch Satzung auch dem Anlieger der gegenüberliegenden Straßenseite teilweise die Verpflichtung nach Satz 1 auferlegt werden kann. Mit dieser zum 01.01.1988 in Kraft getretenen Änderung des Straßengesetzes sollte offenbar der Rechtsprechung Rechnung getragen werden (vgl. hierzu die Regierungsbegründung, LTDrs. 9/4134, S. 50).
35 
Damit ist es aber nach der gesetzlichen Regelung zulässig, die Verpflichtung nach Satz 1 bei einseitigen Gehwegen nur den Anliegern aufzuerlegen, auf deren Seite der Gehweg verläuft. Dies dürfte nach der gesetzlichen Systematik - entsprechend dem hergebrachten Grundsatz, dass „jeder vor seiner Tür kehrt“ - auch als der „Normalfall“ anzusehen sein. Dass bereits die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des § 41 Abs. 2 StrG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstieße, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch der Antragsteller macht dies letztlich nicht geltend.
36 
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen für den Gesetzgeber unterschiedliche Grenzen, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.01.2012 - 1 BvL 21/11 -, BVerfGE 130, 131; Beschl. v. 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 -, BVerfGE 129, 49). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft. Eine strengere Bindung kann sich aber auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (zum Ganzen BVerfG, Beschl. v. 21.06.2011, a.a.O. m.w.N.); denn dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 -, BVerfGE 121, 317 m.w.N.).
37 
Danach ist, soweit die - eine Abwälzung der Verpflichtung allein auf die Direkt-anlieger ermöglichende - gesetzliche Regelung des § 41 Abs. 2 StrG in Rede steht, eine eher großzügige Prüfung angezeigt.
38 
Denn angeknüpft wird nicht an Persönlichkeitsmerkmale, sondern nur an die räumliche Nähe zur Straße und die damit verbundenen Vorteile. Zwar werden mit der Abwälzung der Reinigungs-, Räum- und Streupflicht auf die Straßenanlieger auch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) berührt. Der Eingriff in diese Rechtspositionen ist jedoch grundsätzlich eher gering und nicht unverhältnismäßig (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.1965 - I C 78.62 -, BVerwGE 22, 26), denn der Straßenanlieger profitiert im besonderen Maße davon, dass ein Grundstück durch eine Straße erschlossen wird. Der dahinter stehende Gedanke der Vorteilsausgleichung rechtfertigt es, ihm nicht nur Geldleistungspflichten etwa in Gestalt von Erschließungs- und Straßenausbaubeiträgen für den Bau und die Unterhaltung von Straßen aufzuerlegen, sondern ihn auch zur Reinigung des vor seinem Grundstück gelegenen Straßenabschnitts heranzuziehen, damit auf diese Weise - auch in seinem Interesse - die Sicherheit und Leichtigkeit des auf der Straße stattfindenden Verkehrs gewährleistet ist (vgl. BayVGH vom 08.02.2011 - 8 ZB 10.1541 -, BayVBl 2011, 435 m.w.N.). Die Heranziehung zu diesen Reinigungspflichten beruht damit auf einer unbedenklichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) unter Berücksichtigung der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG; BayVGH, Beschl. v. 08.02.2011, a.a.O., m.w.N.). Sie ist auch ohne Weiteres mit dem persönlichen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) zu vereinbaren, denn sie braucht von den betroffenen Grundstückseigentümern - schon wegen Art. 12 Abs. 2 GG - nicht persönlich erfüllt zu werden. Vielmehr können sie sich hierzu Dritter bedienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.1965 - I C 78.62 -, BVerwGE 22, 26; Urt. v. 11.03.1988 - 4 C 78.84 -, NVwZ 1988, 824).
39 
Dass nach der gesetzlichen Ermächtigung die Reinigungs-, Räum- und Streupflicht allein den Straßenanliegern auferlegt werden kann, auf deren Seite der Gehweg verläuft, führt auf keine unzulässige Ungleichbehandlung. Denn für diese, bereits in der gesetzlichen Regelung angelegte sachbezogene - weil an die räumliche Nähe zum zu reinigenden bzw. zu räumenden Gehweg anknüpfende - Ungleichbehandlung gibt es sachlich einleuchtende Gründe (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.07.1989 - 4 NB 21.89 -, Buchholz 407.0 Allgemeines Straßenrecht Nr. 21; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.08.1985 - 1 S 2122/83 -; BayVGH, Urt. v. 25.04.1989 - 8 N 87.01583 -, BayVBl 1989, 435; anders HessVGH, Urt. v. 17.06.2008 - 2 UE 203/07 -, ESVGH 59, 18), die auch von solcher Art und solchem Gewicht sind, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.12.2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00 -, BVerfGE 107, 27; Beschl. v. 08.06.2004 - 2 BvL 5/00 -, BVerfGE 110, 412); von einer auf einen Verstoß gegen das Willkürverbot führenden evidenten Unsachlichkeit der vorgenommenen Differenzierung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.01.1993 - BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 -,BVerfGE 88, 87), kann ersichtlich nicht die Rede sein.
40 
Denn dieser Anlieger hat, da er dem Gehweg räumlich näher als der Gegenüberlieger ist, nicht nur im Regelfall rascheren und gefahrloseren Zugang zu der zu reinigenden und zu räumenden Fläche, sondern auch typischerweise die größeren Vorteile durch ihn. Nur ihm, nicht dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten des gegenüberliegenden Grundstücks, bietet der Gehweg einen unmittelbaren Zugang zum Grundstück (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.07.1989, a.a.O.; VGH.-Bad.-Württ., Urt. v. 08.08.1985 - 1 S 2122/83 -). Hinzu kommt, dass Verunreinigungen des Gehwegs durch Grundstücke der Straßenanlieger - wie etwa durch herabfallendes Laub, Dachlawinen und dergleichen - naturgemäß in weit größerem Maße von den an den Gehweg angrenzenden Grundstücken herrühren. Schließlich lässt sich bei gemeinsamer Verpflichtung die gemeinsam zu reinigende bzw. zu räumende Fläche häufig nur unter erheblichen Schwierigkeiten ermitteln. Immer dann, wenn die seitlichen Grundstücksgrenzen nicht einander gegenüberliegen, entstünden gemeinsame Verpflichtungen hinsichtlich von Teilflächen für mehr als zwei gegenüberliegende Straßenanlieger, was letztlich unpraktikabel wäre (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.08.1985, a.a.O.). Schließlich ist durch die ausdrückliche Regelung in § 41 Abs. 2 Satz 3 StrG, dass bei einseitigem Gehweg durch Satzung auch dem Anlieger der gegenüberliegenden Seite teilweise die Reinigungs-, Räum- und Streupflicht auferlegt werden kann, gewährleistet, dass auch besonderen örtlichen Verhältnissen Rechnung getragen werden kann, die eine Heranziehung auch der Gegenüberlieger angezeigt erscheinen lassen können.
41 
Vor diesem Hintergrund fällt indes auch der Antragsgegnerin, die bei der Neufassung ihrer Streupflichtsatzung gleichermaßen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten hatte, nicht dadurch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG - insbesondere auch nicht gegen das daraus abzuleitende Willkürverbot - zur Last, dass sie mit der Regelung in § 2 Abs. 3 - der Mustersatzung des Gemeindetages von 2006 folgend - davon abgesehen hat, bei einseitigen Gehwegen nach § 41 Abs. 2 Satz 3 StrG auch die Gegenüberlieger heranzuziehen. Auch wenn die oben beschriebenen Schwierigkeiten und die sich daraus ergebende Unpraktikabilität in dem hier in Rede stehenden Straßenabschnitt der B.straße zu vernachlässigen sein dürften, weil die Grenzlängen nahezu übereinstimmen („korrespondierende Anlieger“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.11.1985, a.a.O.), stellt sich die typischerweise gegebene Interessenlage vorliegend nicht anders dar. Besondere Umstände in der Schwarzwaldgemeinde Simonswald, insbesondere in der B.straße, die etwa dazu führten, dass sich gerade dadurch eine für die Anlieger der Straßenseite mit dem Gehweg unzumutbare Belastung ergäbe, dass nicht auch die („korrespondierenden“) Gegenüberlieger in die Pflicht genommen werden, sind nicht ersichtlich. Dass die Heranziehung - jedenfalls zur winterlichen Räumpflicht - unabhängig von einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz - unzumutbar wäre (vgl. BayVGH, Urt. v. 04.04.2007 - 8 B 05.3195 -, NVwZ-RR 2008, 62; Beschl. v. 08.02.2011 - 8 ZB 10.1541 -, BayVBl 2011, 435) und damit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstieße, ist im Übrigen auch nicht zu erkennen.
42 
Zwar wäre es der Antragsgegnerin nicht verwehrt gewesen, nach § 41 Abs. 2 Satz 1 und 3 StrG auch die Gegenüberlieger zu verpflichten, um es bei der bisherigen Satzungslage zu belassen, und die gemeinsame Verpflichtung im Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung des von ihr angeführten Verwaltungsaufwands nunmehr durch eine alternierende Verpflichtung (etwa durch einen wöchentlichen oder jährlichen Turnus) praktikabel auszugestalten (vgl. Senatsbeschl. v. 23.05.1989 - 5 S 3298/88 -, BWVPr 1989, 272; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.11.1985 - 1 S 2439/84 -; SächsOVG, Urt. v. 21.03.2014, - 5 C 27/12 -, juris Rn. 58; auch OVG Rh.-Pf., Urt. v. 13.05.1987 - 10 C 41/86 -, juris: „Regelungsmodell“ für eine entsprechende freiwillige Vereinbarung). Denn schon das Erschlossensein durch die Straße stellt einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die Begründung von Straßenreinigungspflichten dar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.07.1989, a.a.O.; HessVGH, Urt. v. 17.06.2008, a.a.O.; Urt. v. 10.11.1987 - 2 UE 329/85 -, RdL 1989, 19).
43 
In welcher Weise sie vorgehen wollte, lag indes - im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen - in ihrem normativen Ermessen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.07.1989, a.a.O.). Hierbei konnte sie sich durchaus auch von Erwägungen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit (vgl. HessVGH, Urt. v. 18.08.1999, a.a.O.) sowie der Rechtssicherheit leiten lassen. Die objektiv gerechteste Lösung musste sie nicht treffen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 24.02.1976 - X 1863/75 -, ESVGH 26, 51; SächsOVG, Urt. v. 21.03.2014, a.a.O., Rn. 60; HessVGH, Urt. v. 18.08.1999 - 5 UE 871/95 -, NVwZ-RR 2000, 242).
44 
Auch auf Vertrauensschutz kann sich der Antragsteller nicht berufen; denn er musste jederzeit damit rechnen, dass die Antragsgegnerin ihre Streupflichtsatzung - im Einklang mit § 41 Abs. 2 StrG - an die Mustersatzung des Gemeindetags „anpasst“.
45 
Ob, was der Antragsteller insbesondere bezweifelt, die von der Antragsgegnerin für eine Überwälzung der Pflichten allein auf die Anlieger der Straßenseite mit dem Gehweg angeführten Gründe - Rechtsklarheit und Vermeidung von Verwaltungsaufwand - im Hinblick auf eine hier ohne Weiteres mögliche alternierende Verpflichtung der „korrespondierenden Anlieger“ überhaupt tragfähig waren und sich deren Entscheidung, ihre Streupflichtsatzung nunmehr neu zu fassen, möglicherweise vor dem Hintergrund des ansonsten gebotenen ordnungsbehördlichen Einschreitens gegen den säumigen - gesamtschuldnerisch verpflichteten - Anlieger (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.11.1985, a.a.O.; BGH, Urt. v. 11.06.1992 - III ZR 134/91 -, BGHZ 118, 368) als ermessensfehlerhaft oder gar willkürlich darstellte, ist demgegenüber vom Senat nicht zu prüfen.
46 
Denn die Grundsätze über die Ermessensentscheidung beim Erlass von Verwaltungsakten sind auf die Bestimmung der Maßstäbe, die für den Erlass von Satzungen gelten, nicht übertragbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.04.1988 - 7 B 47.88 -, Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 73). Anders als etwa bei Bebauungsplänen (vgl. § 214 Abs. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3, § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB) ist der Entscheidungsvorgang beim Erlass von Satzungen (Normsetzungsvorgang) grundsätzlich nicht an weitere, gerichtlich nachprüfbare Voraussetzungen gebunden. Soweit verschiedentlich bei Abgabensatzungen Anforderungen an die Entscheidungsgrundlagen - etwa an die zugrundeliegende Gebührenkalkulation - gestellt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.08.1989 - 2 S 2805/87 -, VBlBW 1990, 103, Urt. v. 20.01.2010 - 2 S 1171/09 -, juris Rn. 30) und bei örtlichen Bauvorschriften eine Abwägung für erforderlich gehalten wurde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.04.2002 - 8 S 177/02 -, VBlBW 2003, 123, Urt. v. 11.10.2006 - 3 S 337/06 -, ESVGH 57, 82), lässt sich dies jedenfalls nicht auf Satzungen nach § 41 Abs. 2 StrG übertragen.
47 
Insofern hat es grundsätzlich sein Bewenden damit, dass das Satzungsrecht von den Gemeinden „im Rahmen der Gesetze“ (vgl. Art. 28 Abs. 2 GG) nach ihrem nicht weiter überprüfbaren, weiten normativen Ermessen wahrgenommen werden darf und keinen weiteren Einschränkungen aufgrund richterlicher Rechtsschöpfung unterliegt (vgl. Schoch NVwZ 1990, 808; Gern, Kommunalrecht, 9. A. 2005, Rn. 154; zu örtlichen Bauvorschriften BVerwG, Beschl. v. 18.05.2005 - 4 B 23.05 -, BauR 2005, 1752).
48 
Dies bedeutet, dass für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Satzung - wie auch grundsätzlich bei Gesetzen - nur das Ergebnis des Normsetzungsvorgangs, also die Satzung selbst Prüfungsgegenstand ist. Sie ist Ausdruck des objektivierten Willens des Satzungsgebers. Ist dieser Wille - wie hier - objektiv fehlerfrei in der Satzung niedergelegt und als solcher erkennbar, ist die Satzung wirksam. Konkrete Überlegungen des Gemeinderats oder einzelner seiner Mitglieder sind, soweit sie nicht in der Satzung Ausdruck gefunden haben, mögen sie auch für sich betrachtet sachwidrig sein, für deren Wirksamkeit ohne Bedeutung (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.02.1998 - 2 S 1648/97 -, VBlBW 1998, 430; Urt. v. 11.07.2012 - 2 S 1995/11 -, BWGZ 2013, 118). Insofern führte auch eine etwaige subjektive Willkür des Satzungsgebers nicht zur Unwirksamkeit der erlassenen Norm (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.03.1979 - 1 BvR 111/74, 1 BvR 21 BvR 283/78 -, BVerfGE 51, 1, juris Rn. 83; BVerwG, Beschl. v. 05.04.1988, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.02.1998, a.a.O.).
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
50 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
51 
B e s c h l u s s
vom 10. November 2015
52 
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird endgültig auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 52 Abs. 1 u. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 43.5 des Streitwertkatalogs 2013).
53 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
27 
Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
28 
1. Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthafte Antrag ist zulässig.
29 
Insbesondere ist der Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. So macht er sinngemäß geltend, als Straßenanlieger dadurch unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und seinem Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt zu werden, dass die (Reinigungs-,) Räum- und Streupflicht bei einseitigen Gehwegen nurmehr allein den Straßenanliegern auferlegt wird, auf deren Seite der Gehweg verläuft.
30 
Auch die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt. So wurde die Streupflichtsatzung am 03.05.2013 bekannt gemacht. Der Normenkontrollantrag ist am 17.12.2013 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen.
31 
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die allein beanstandete Satzungsbestimmung des § 2 Abs. 3 der Streupflichtsatzung der Antragsgegnerin vom 17.04.2013 ist weder in formeller (a) noch in materieller Hinsicht (b) rechtswidrig.
32 
a) Dass die Satzung unter Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften der Gemeindeordnung zu Stande gekommen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Da dies nicht innerhalb eines Jahres geltend gemacht wurde, wäre die Verletzung solcher Vorschriften auch grundsätzlich unbeachtlich (vgl. § 4 Abs. 4 GemO).
33 
b) Die beanstandete Satzungsbestimmung leidet auch in materieller Hinsicht unter keinem zu ihrer Unwirksamkeit führenden Mangel. Insbesondere verstößt sie nicht gegen höherrangiges Recht.
34 
Ermächtigungsgrundlage für die in § 2 der Streupflichtsatzung vorgesehene Überwälzung der Reinigungs-, Räum- und Streupflicht auf die Straßenanlieger - nicht Angrenzer - ist § 41 Abs. 2 Satz 1 StrG. Danach können die den Gemeinden nach § 41 Abs. 1 Satz 1 StrG obliegenden Pflichten - außer der Verpflichtung zur Beleuchtung - für Gehwege durch Satzung den Straßenanliegern ganz oder teilweise auferlegt werden. § 41 Abs. 2 Satz 3 StrG bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass für den - auch hier gegebenen - Fall, dass nur auf einer Straßenseite ein Gehweg vorhanden ist, durch Satzung auch dem Anlieger der gegenüberliegenden Straßenseite teilweise die Verpflichtung nach Satz 1 auferlegt werden kann. Mit dieser zum 01.01.1988 in Kraft getretenen Änderung des Straßengesetzes sollte offenbar der Rechtsprechung Rechnung getragen werden (vgl. hierzu die Regierungsbegründung, LTDrs. 9/4134, S. 50).
35 
Damit ist es aber nach der gesetzlichen Regelung zulässig, die Verpflichtung nach Satz 1 bei einseitigen Gehwegen nur den Anliegern aufzuerlegen, auf deren Seite der Gehweg verläuft. Dies dürfte nach der gesetzlichen Systematik - entsprechend dem hergebrachten Grundsatz, dass „jeder vor seiner Tür kehrt“ - auch als der „Normalfall“ anzusehen sein. Dass bereits die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des § 41 Abs. 2 StrG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstieße, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch der Antragsteller macht dies letztlich nicht geltend.
36 
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen für den Gesetzgeber unterschiedliche Grenzen, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.01.2012 - 1 BvL 21/11 -, BVerfGE 130, 131; Beschl. v. 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 -, BVerfGE 129, 49). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft. Eine strengere Bindung kann sich aber auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (zum Ganzen BVerfG, Beschl. v. 21.06.2011, a.a.O. m.w.N.); denn dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 -, BVerfGE 121, 317 m.w.N.).
37 
Danach ist, soweit die - eine Abwälzung der Verpflichtung allein auf die Direkt-anlieger ermöglichende - gesetzliche Regelung des § 41 Abs. 2 StrG in Rede steht, eine eher großzügige Prüfung angezeigt.
38 
Denn angeknüpft wird nicht an Persönlichkeitsmerkmale, sondern nur an die räumliche Nähe zur Straße und die damit verbundenen Vorteile. Zwar werden mit der Abwälzung der Reinigungs-, Räum- und Streupflicht auf die Straßenanlieger auch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) berührt. Der Eingriff in diese Rechtspositionen ist jedoch grundsätzlich eher gering und nicht unverhältnismäßig (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.1965 - I C 78.62 -, BVerwGE 22, 26), denn der Straßenanlieger profitiert im besonderen Maße davon, dass ein Grundstück durch eine Straße erschlossen wird. Der dahinter stehende Gedanke der Vorteilsausgleichung rechtfertigt es, ihm nicht nur Geldleistungspflichten etwa in Gestalt von Erschließungs- und Straßenausbaubeiträgen für den Bau und die Unterhaltung von Straßen aufzuerlegen, sondern ihn auch zur Reinigung des vor seinem Grundstück gelegenen Straßenabschnitts heranzuziehen, damit auf diese Weise - auch in seinem Interesse - die Sicherheit und Leichtigkeit des auf der Straße stattfindenden Verkehrs gewährleistet ist (vgl. BayVGH vom 08.02.2011 - 8 ZB 10.1541 -, BayVBl 2011, 435 m.w.N.). Die Heranziehung zu diesen Reinigungspflichten beruht damit auf einer unbedenklichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) unter Berücksichtigung der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG; BayVGH, Beschl. v. 08.02.2011, a.a.O., m.w.N.). Sie ist auch ohne Weiteres mit dem persönlichen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) zu vereinbaren, denn sie braucht von den betroffenen Grundstückseigentümern - schon wegen Art. 12 Abs. 2 GG - nicht persönlich erfüllt zu werden. Vielmehr können sie sich hierzu Dritter bedienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.1965 - I C 78.62 -, BVerwGE 22, 26; Urt. v. 11.03.1988 - 4 C 78.84 -, NVwZ 1988, 824).
39 
Dass nach der gesetzlichen Ermächtigung die Reinigungs-, Räum- und Streupflicht allein den Straßenanliegern auferlegt werden kann, auf deren Seite der Gehweg verläuft, führt auf keine unzulässige Ungleichbehandlung. Denn für diese, bereits in der gesetzlichen Regelung angelegte sachbezogene - weil an die räumliche Nähe zum zu reinigenden bzw. zu räumenden Gehweg anknüpfende - Ungleichbehandlung gibt es sachlich einleuchtende Gründe (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.07.1989 - 4 NB 21.89 -, Buchholz 407.0 Allgemeines Straßenrecht Nr. 21; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.08.1985 - 1 S 2122/83 -; BayVGH, Urt. v. 25.04.1989 - 8 N 87.01583 -, BayVBl 1989, 435; anders HessVGH, Urt. v. 17.06.2008 - 2 UE 203/07 -, ESVGH 59, 18), die auch von solcher Art und solchem Gewicht sind, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.12.2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00 -, BVerfGE 107, 27; Beschl. v. 08.06.2004 - 2 BvL 5/00 -, BVerfGE 110, 412); von einer auf einen Verstoß gegen das Willkürverbot führenden evidenten Unsachlichkeit der vorgenommenen Differenzierung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.01.1993 - BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 -,BVerfGE 88, 87), kann ersichtlich nicht die Rede sein.
40 
Denn dieser Anlieger hat, da er dem Gehweg räumlich näher als der Gegenüberlieger ist, nicht nur im Regelfall rascheren und gefahrloseren Zugang zu der zu reinigenden und zu räumenden Fläche, sondern auch typischerweise die größeren Vorteile durch ihn. Nur ihm, nicht dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten des gegenüberliegenden Grundstücks, bietet der Gehweg einen unmittelbaren Zugang zum Grundstück (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.07.1989, a.a.O.; VGH.-Bad.-Württ., Urt. v. 08.08.1985 - 1 S 2122/83 -). Hinzu kommt, dass Verunreinigungen des Gehwegs durch Grundstücke der Straßenanlieger - wie etwa durch herabfallendes Laub, Dachlawinen und dergleichen - naturgemäß in weit größerem Maße von den an den Gehweg angrenzenden Grundstücken herrühren. Schließlich lässt sich bei gemeinsamer Verpflichtung die gemeinsam zu reinigende bzw. zu räumende Fläche häufig nur unter erheblichen Schwierigkeiten ermitteln. Immer dann, wenn die seitlichen Grundstücksgrenzen nicht einander gegenüberliegen, entstünden gemeinsame Verpflichtungen hinsichtlich von Teilflächen für mehr als zwei gegenüberliegende Straßenanlieger, was letztlich unpraktikabel wäre (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.08.1985, a.a.O.). Schließlich ist durch die ausdrückliche Regelung in § 41 Abs. 2 Satz 3 StrG, dass bei einseitigem Gehweg durch Satzung auch dem Anlieger der gegenüberliegenden Seite teilweise die Reinigungs-, Räum- und Streupflicht auferlegt werden kann, gewährleistet, dass auch besonderen örtlichen Verhältnissen Rechnung getragen werden kann, die eine Heranziehung auch der Gegenüberlieger angezeigt erscheinen lassen können.
41 
Vor diesem Hintergrund fällt indes auch der Antragsgegnerin, die bei der Neufassung ihrer Streupflichtsatzung gleichermaßen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten hatte, nicht dadurch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG - insbesondere auch nicht gegen das daraus abzuleitende Willkürverbot - zur Last, dass sie mit der Regelung in § 2 Abs. 3 - der Mustersatzung des Gemeindetages von 2006 folgend - davon abgesehen hat, bei einseitigen Gehwegen nach § 41 Abs. 2 Satz 3 StrG auch die Gegenüberlieger heranzuziehen. Auch wenn die oben beschriebenen Schwierigkeiten und die sich daraus ergebende Unpraktikabilität in dem hier in Rede stehenden Straßenabschnitt der B.straße zu vernachlässigen sein dürften, weil die Grenzlängen nahezu übereinstimmen („korrespondierende Anlieger“, vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.11.1985, a.a.O.), stellt sich die typischerweise gegebene Interessenlage vorliegend nicht anders dar. Besondere Umstände in der Schwarzwaldgemeinde Simonswald, insbesondere in der B.straße, die etwa dazu führten, dass sich gerade dadurch eine für die Anlieger der Straßenseite mit dem Gehweg unzumutbare Belastung ergäbe, dass nicht auch die („korrespondierenden“) Gegenüberlieger in die Pflicht genommen werden, sind nicht ersichtlich. Dass die Heranziehung - jedenfalls zur winterlichen Räumpflicht - unabhängig von einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz - unzumutbar wäre (vgl. BayVGH, Urt. v. 04.04.2007 - 8 B 05.3195 -, NVwZ-RR 2008, 62; Beschl. v. 08.02.2011 - 8 ZB 10.1541 -, BayVBl 2011, 435) und damit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstieße, ist im Übrigen auch nicht zu erkennen.
42 
Zwar wäre es der Antragsgegnerin nicht verwehrt gewesen, nach § 41 Abs. 2 Satz 1 und 3 StrG auch die Gegenüberlieger zu verpflichten, um es bei der bisherigen Satzungslage zu belassen, und die gemeinsame Verpflichtung im Interesse der Rechtssicherheit und zur Vermeidung des von ihr angeführten Verwaltungsaufwands nunmehr durch eine alternierende Verpflichtung (etwa durch einen wöchentlichen oder jährlichen Turnus) praktikabel auszugestalten (vgl. Senatsbeschl. v. 23.05.1989 - 5 S 3298/88 -, BWVPr 1989, 272; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.11.1985 - 1 S 2439/84 -; SächsOVG, Urt. v. 21.03.2014, - 5 C 27/12 -, juris Rn. 58; auch OVG Rh.-Pf., Urt. v. 13.05.1987 - 10 C 41/86 -, juris: „Regelungsmodell“ für eine entsprechende freiwillige Vereinbarung). Denn schon das Erschlossensein durch die Straße stellt einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die Begründung von Straßenreinigungspflichten dar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.07.1989, a.a.O.; HessVGH, Urt. v. 17.06.2008, a.a.O.; Urt. v. 10.11.1987 - 2 UE 329/85 -, RdL 1989, 19).
43 
In welcher Weise sie vorgehen wollte, lag indes - im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen - in ihrem normativen Ermessen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.07.1989, a.a.O.). Hierbei konnte sie sich durchaus auch von Erwägungen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit (vgl. HessVGH, Urt. v. 18.08.1999, a.a.O.) sowie der Rechtssicherheit leiten lassen. Die objektiv gerechteste Lösung musste sie nicht treffen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 24.02.1976 - X 1863/75 -, ESVGH 26, 51; SächsOVG, Urt. v. 21.03.2014, a.a.O., Rn. 60; HessVGH, Urt. v. 18.08.1999 - 5 UE 871/95 -, NVwZ-RR 2000, 242).
44 
Auch auf Vertrauensschutz kann sich der Antragsteller nicht berufen; denn er musste jederzeit damit rechnen, dass die Antragsgegnerin ihre Streupflichtsatzung - im Einklang mit § 41 Abs. 2 StrG - an die Mustersatzung des Gemeindetags „anpasst“.
45 
Ob, was der Antragsteller insbesondere bezweifelt, die von der Antragsgegnerin für eine Überwälzung der Pflichten allein auf die Anlieger der Straßenseite mit dem Gehweg angeführten Gründe - Rechtsklarheit und Vermeidung von Verwaltungsaufwand - im Hinblick auf eine hier ohne Weiteres mögliche alternierende Verpflichtung der „korrespondierenden Anlieger“ überhaupt tragfähig waren und sich deren Entscheidung, ihre Streupflichtsatzung nunmehr neu zu fassen, möglicherweise vor dem Hintergrund des ansonsten gebotenen ordnungsbehördlichen Einschreitens gegen den säumigen - gesamtschuldnerisch verpflichteten - Anlieger (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 04.11.1985, a.a.O.; BGH, Urt. v. 11.06.1992 - III ZR 134/91 -, BGHZ 118, 368) als ermessensfehlerhaft oder gar willkürlich darstellte, ist demgegenüber vom Senat nicht zu prüfen.
46 
Denn die Grundsätze über die Ermessensentscheidung beim Erlass von Verwaltungsakten sind auf die Bestimmung der Maßstäbe, die für den Erlass von Satzungen gelten, nicht übertragbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.04.1988 - 7 B 47.88 -, Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 73). Anders als etwa bei Bebauungsplänen (vgl. § 214 Abs. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3, § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB) ist der Entscheidungsvorgang beim Erlass von Satzungen (Normsetzungsvorgang) grundsätzlich nicht an weitere, gerichtlich nachprüfbare Voraussetzungen gebunden. Soweit verschiedentlich bei Abgabensatzungen Anforderungen an die Entscheidungsgrundlagen - etwa an die zugrundeliegende Gebührenkalkulation - gestellt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.08.1989 - 2 S 2805/87 -, VBlBW 1990, 103, Urt. v. 20.01.2010 - 2 S 1171/09 -, juris Rn. 30) und bei örtlichen Bauvorschriften eine Abwägung für erforderlich gehalten wurde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.04.2002 - 8 S 177/02 -, VBlBW 2003, 123, Urt. v. 11.10.2006 - 3 S 337/06 -, ESVGH 57, 82), lässt sich dies jedenfalls nicht auf Satzungen nach § 41 Abs. 2 StrG übertragen.
47 
Insofern hat es grundsätzlich sein Bewenden damit, dass das Satzungsrecht von den Gemeinden „im Rahmen der Gesetze“ (vgl. Art. 28 Abs. 2 GG) nach ihrem nicht weiter überprüfbaren, weiten normativen Ermessen wahrgenommen werden darf und keinen weiteren Einschränkungen aufgrund richterlicher Rechtsschöpfung unterliegt (vgl. Schoch NVwZ 1990, 808; Gern, Kommunalrecht, 9. A. 2005, Rn. 154; zu örtlichen Bauvorschriften BVerwG, Beschl. v. 18.05.2005 - 4 B 23.05 -, BauR 2005, 1752).
48 
Dies bedeutet, dass für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Satzung - wie auch grundsätzlich bei Gesetzen - nur das Ergebnis des Normsetzungsvorgangs, also die Satzung selbst Prüfungsgegenstand ist. Sie ist Ausdruck des objektivierten Willens des Satzungsgebers. Ist dieser Wille - wie hier - objektiv fehlerfrei in der Satzung niedergelegt und als solcher erkennbar, ist die Satzung wirksam. Konkrete Überlegungen des Gemeinderats oder einzelner seiner Mitglieder sind, soweit sie nicht in der Satzung Ausdruck gefunden haben, mögen sie auch für sich betrachtet sachwidrig sein, für deren Wirksamkeit ohne Bedeutung (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.02.1998 - 2 S 1648/97 -, VBlBW 1998, 430; Urt. v. 11.07.2012 - 2 S 1995/11 -, BWGZ 2013, 118). Insofern führte auch eine etwaige subjektive Willkür des Satzungsgebers nicht zur Unwirksamkeit der erlassenen Norm (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.03.1979 - 1 BvR 111/74, 1 BvR 21 BvR 283/78 -, BVerfGE 51, 1, juris Rn. 83; BVerwG, Beschl. v. 05.04.1988, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.02.1998, a.a.O.).
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
50 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
51 
B e s c h l u s s
vom 10. November 2015
52 
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird endgültig auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 52 Abs. 1 u. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 43.5 des Streitwertkatalogs 2013).
53 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit ist das angegriffene Urteil wirkungslos.

Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen.

Unter Einbeziehung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich als Rechtsnachfolger gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren.

2

Die Beklagte erhebt Abfallgebühren im Wesentlichen getrennt nach einer behälterbezogenen Restmüllgebühr und - nur bei Wohngrundstücken - einer Personengebühr, die nach Biotonnennutzern und Eigenkompostierern aufgeteilt ist. Am 28. Januar 2009 beschloss der Stadtrat der Beklagten rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine neue Abfallgebührensatzung. In einer Anlage zur Satzung wurde die Höhe der Restmüllgebühr abhängig von der Größe des Restmüllbehälters und der Entsorgungshäufigkeit festgesetzt. Mit der ersten Satzung zur Änderung der Abfallgebührensatzung vom 25. November 2009 wurde die Höhe der Restmüllgebühr mit Wirkung zum 1. Januar 2010 wie folgt geregelt:

3

Entsorgung

14-täglich

wöchentlich

 2 x wöchentlich

        

60 Liter

51,60 

103,20

206,40

€/Jahr

120 Liter

81,60 

163,20

326,40

€/Jahr

240 Liter

135,60

271,20

542,40

€/Jahr

770 Liter

438,00

876,00

1752,00

€/Jahr

1.100 Liter

599,40

1.198,89

2.397,60

€/Jahr

4

Mit Bescheid vom 25. Januar 2010 zog die Beklagte Frau A., die Mutter der Kläger, für das Jahr 2010 für ihr Wohngrundstück zu Abfallgebühren in Höhe von 87,60 € heran, die sich aus einer Personengebühr in Höhe von 36,- € sowie einer Restmüllgebühr in Höhe von 51,60 € zusammensetzten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2010 wies die Beklagte den fristgerecht erhobenen Widerspruch zurück.

5

Am 21. Juni 2010 hat Frau A. beim Verwaltungsgericht Halle gegen den Gebührenbescheid Anfechtungsklage erhoben.

6

Das Gericht hat den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 aufgehoben: Die in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 in der Fassung der ersten Änderungssatzung festgesetzten Gebührensätze verletzten das Kostenüberschreitungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA nicht, auch wenn lediglich eine Kostenunterdeckung von 403.620,41 € hätte angesetzt werden dürfen. Die hierdurch bewirkte Kostenüberschreitung verbleibe jedoch unterhalb der Bagatellgrenze von 3 %. Die Abfallgebührensatzung sei aber nichtig, weil die Staffelung der Restmüllgebühr gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA verstoße. Dieser Vorschrift sei das Gebot zu entnehmen, die Kosten für die Beseitigung des Restmülls insgesamt zusammenzufassen und linear auf die gewählten Maßstabseinheiten - etwa Behältergröße und Abfuhrrhythmus - zu verteilen. Eine degressive Staffelung sei ausgeschlossen, eine progressive Staffelung könne zulässig sein, wenn sie einen Anreiz zu umweltschonendem Verhalten schaffe. Diesen Vorgaben entspreche die streitbefangene Restmüllgebühr nicht, da sie jedenfalls überwiegend nicht linear, sondern degressiv ausgestaltet sei. Dies widerspreche weiterhin dem sowohl in § 6 Abs. 3 AbfG LSA als auch in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA niedergelegten Prinzip, dass mit dem Gebührenmaßstab Anreize zu umweltschonendem Verhalten, insbesondere zur Vermeidung und Verwertung, geschaffen werden sollten. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Vertiefung, ob die von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung der Kostenunterdeckung mit gebührenrechtlichen Grundsätzen vereinbar, insbesondere willkürfrei sei. Auf ältere Abfallgebührensatzungen könne nicht zurückgegriffen werden, weil diese mit der Regelung über das Inkrafttreten der Satzung vom 25. November 2009 - stillschweigend - aufgehoben worden seien. Die Nichtigkeit der Regelung über die Restmüllgebühr führe zur Gesamtnichtigkeit der Regelung über die Abfallgebühr, also einschließlich der Personengebühr.

7

Mit Beschluss vom 26. Juli 2012 hat der erkennende Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Am 12. November 2012 hat der Berichterstatter der Klägerseite eine Frist gem. § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zum 7. Dezember 2012 gesetzt.

8

Frau A. war am 23. Juli 2012 verstorben, ihr Prozessbevollmächtigter hat dies am 30. November 2012 angezeigt und die Unterbrechung des Verfahrens beantragt. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. Februar 2013 haben die Kläger das zuvor ausgesetzte Verfahren als Rechtsnachfolger aufgenommen.

9

Im Amtsblatt der Beklagten vom 13. Februar 2013 befinden sich für die Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 und die erste sowie eine weitere Änderungssatzung eine Bekanntmachung mit Bestätigungen, dass diese ordnungsgemäß ausgefertigt worden seien. Gleichzeitig ist der jeweilige Ausfertigungsvermerk (Ortsname, Datum und Unterschrift der bis Ende 2012 amtierenden Oberbürgermeisterin - sowohl handschriftlich als auch maschinenschriftlich - mit Amtsbezeichnung) nochmals veröffentlicht worden.

10

Die Beklagte macht zur Begründung der fristgerecht erhobenen Berufung im Wesentlichen geltend, durch § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA werde die degressive Staffelung von Abfallgebühren nicht ausgeschlossen. Nach dem 1. Halbsatz des Satzes 2 seien Ausnahmen von der linearen Staffelung sowohl bei der Abwassergebühr als auch bei der Abfallgebühr möglich. Dies ergebe sich bereits aus der Formulierung "grundsätzlich linear". Zudem beziehe sich der 1. Halbsatz von seiner Stellung im Gesetz und von seiner Systematik auf den Satz 1 des § 5 Abs. 3a KAG LSA, bei dem es sich um den leitenden Grundsatz handele. Der Runderlass benenne hierzu beispielhaft die rechtliche Zulässigkeit einer degressiven Abfallgebühr für leichter zu behandelnde Abfälle aus Großwohnanlagen oder bei Gewerben. Hingegen lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA schließen, dass eine degressive Staffelung der Abfallgebühren gänzlich unzulässig wäre. Insbesondere lasse sich dies nicht aus dem 2. Halbsatz des Satzes 2 herleiten. Der 2. Halbsatz sei nicht im ausschließlichen Zusammenhang mit dem 1. Halbsatz zu sehen. Anderenfalls wäre die dortige Benennung der grundsätzlich linear zu staffelnden Abfallgebühren ohne Sinn erfolgt. Die weitere Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA bei den Abwassergebühren ziele entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf eine Gebührendegression, die dem Äquivalenzprinzip Rechnung trage, sondern auf eine Gebührenermäßigung aus Gründen des öffentlichen Interesses. Daraus lasse sich nicht im Umkehrschluss folgern, dass die Regelung des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Gebührenstaffelung nur bei Abwassergebühren und bei vorliegendem öffentlichen Interesse, hingegen gar nicht bei Abfallgebühren zulasse. Für die Gebührenkalkulation der Abfallentsorgung habe § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA also allenfalls deklaratorischen Charakter, indem er - nach der Regelung der Ausnahme in Satz 1 - den allgemeinen Grundsatz der linearen Gebührenbemessung wiedergebe und (lediglich) für die Abwasserbeseitigung zu einer weiteren Ausnahmeregelung (HS 2) überleite. Eine Gebührendegression im Abfallgebührenrecht werde zum Teil sogar als rechtlich geboten und eine lineare Steigerung als unzulässig angesehen. Überwiegend halte jedenfalls die Rechtsprechung eine degressive Gebührenstaffelung (Mengenrabatt) gegenüber einer linearen Steigerung zwar nicht für rechtlich geboten, aber für zulässig und durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nicht für ausgeschlossen. Die Unzulässigkeit einer degressiven Gebührenstaffelung bei den Abfallgebühren ergebe sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2005. Dort würden ausschließlich Aussagen zur Gebührenstaffelung von Abwassergebühren getroffen.

11

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts lasse sich auch nicht mit Blick auf § 6 Abs. 3 AbfG LSA begründen. Unterhalb der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erzwungenen Obergrenze der Gebührenbemessung sei die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden könnten, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln seien, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen würden, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibe. Nach diesen Grundsätzen sei die vorliegende Gebührenstaffelung aber zulässig und verstoße deshalb auch nicht gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA. Zudem gehe das Gericht fehlerhaft davon aus, dass die Abfallgebühr pro m³ Leerungsvolumen je kleiner werde, desto größer der Behälter sowie der Entsorgungsrhythmus werde. Bereits die letzte Tatsachenfeststellung sei unzutreffend, denn die Abfallgebühr werde lediglich mit steigender Behältergröße kleiner, nicht aber beim Entsorgungsrhythmus. Wie aus einer Stellungnahme der (...) zusammenfassend hervorgehe, ergebe sich der Degressionseffekt allein durch die Gestaltung der behältergestützten Leistungsgebühr. Nicht linear seien im Wesentlichen die Kosten für Einsammeln/Transportieren/Umschlag, die Behälterkosten und die Kosten für Behälterwaschen. Ein Gebührenmaßstab mit degressiven Elementen spiegele im Abfallbereich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten den Logistikeinsatz und die daraus resultierenden Abfuhrkosten wirklichkeitsnah und kostenverursachungsgerecht wider. Die Entscheidung über die Höhe der einzelnen Degressionsstufen liege dabei weitgehend im Ermessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Seine Rechtsansicht werde in einem Runderlass des Innenministeriums vom 6. Juni 2001 geteilt. Der Runderlass interpretiere den nunmehr gesetzlich verankerten Grundsatz der linearen Bemessung von Abfallgebühren gleichsam als Wiederholung des seit jeher im Kommunalabgabenrecht platzgreifenden Äquivalenzprinzips. Eine degressive Gebührengestaltung sei regelmäßig mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, wenn sie - wie hier - einen degressiven Kostenverlauf widerspiegele. Eine Gebührendegression wirke zwar Anreizen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung entgegen und könne damit gegen die bundes- und landesrechtlichen Zielvorgaben verstoßen. Sie, die Beklagte, setze aber solche Anreize mit der Möglichkeit des Eigentümers, auf die Auswahl des vorzuhaltenden Restmüllbehälters und den Entsorgungsrhythmus - im Rahmen der angebotenen Leistungen - entsprechend der regelmäßig anfallenden Abfallmenge pro Grundstück Einfluss zu nehmen. Außerdem bestehe die Wahl zur Entscheidung für Eigenkompostierung oder Nutzung der Biotonne im Rahmen der Personengebühr. Ihr Gebührensystem werde zweifelsfrei den Anforderungen des § 6 Abs. 3 AbfG LSA gerecht, zumal für "über das normale Maß hinaus gehende Entsorgungsleistungen" Sondergebühren in Höhe der tatsächlichen Kosten erhoben würden. Gerade für die Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten, die in einer Großstadt wie Halle mit ihren unterschiedlichen Grundstücksgegebenheiten erforderlich sei, sei es geboten, wirklichkeitsnahe und kostenverursachungsgerecht kalkulierte Behältergebühren zu erheben. Mit einer linearen Behältergebühr würde man diese Kosten vereinheitlichen und den Zusammenhang von konkreter Behälterinanspruchnahme und Gebührenhöhe verwischen. Würden die Anschlusspflichtigen der größeren Mehrfamilienhäuser dann z.B. überwiegend viele kleine Abfallbehälter wählen, würde die Restmüllgebühr in der Konsequenz insgesamt auf Grund der höheren Logistikkosten steigen.

12

Selbst wenn die Regelung zum Gebührenmaßstab in § 3 Abs. 1 Abfallgebührensatzung nichtig sei, führe dies nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Satzung. Alle anderen Gebührentarife und deren Kalkulation blieben von der konkreten Kalkulation der "Gebühr für Restmüllbehälter" unberührt und auch ohne den bestrittenen Teil sinnvoll. Deshalb sei davon auszugehen, dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife losgelöst davon in eine Satzung zu geben und gegebenenfalls den hier strittigen Teil gesondert (auch gegebenenfalls nachträglich) zu regeln.

13

Weiterhin macht sie geltend, der Vortrag in der Berufungserwiderung sei wegen Verspätung zurückzuweisen und deshalb unbeachtlich.

14

Darüber hinaus seien die formellen Mängel bei der Bekanntmachung der Abfallgebührensatzungen inzwischen geheilt worden.

15

Die Beklagte beantragt,

16

das auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Kläger beantragen,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Die Satzung vom 28. Januar 2009 und die erste Änderungssatzung seien schon nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Intention des Gesetzgebers sei von Anfang bis Ende des Verfahrens zur Änderung des § 5 KAG LSA im Jahre 2000 die Fixierung einer linearen Gebührenstaffelung gewesen. Dies ergebe sich aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens und der Intention des Entwurfsverfassers. Auch aus dem Regelungszusammenhang ergebe sich eine zwingende lineare Staffelung. Der Runderlass des Innenministeriums ändere nichts, da auch dort als grundlegender Gedanke formuliert sei, dass dem Äquivalenzprinzip entsprechend Abfallgebühren grundsätzlich linear zu staffeln sein. Soweit die Beklagte meine, eine degressive Gebührenstaffelung vornehmen zu müssen, sei allein das städtische Interesse maßgeblich. Eine degressive Staffelung führe zur Stützung größerer Sammelbehälter. Diese Container befänden sich überwiegend in alten Plattenbauten, in welchen Bürger wohnten, die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II bezögen. Dazu gehörten auch Miet- und Mietnebenkosten, die von der Kommune zu tragen sein. Unter Bezugnahme auf das Äquivalenzprinzip werde der Verursacher von Aufwendungen mit einer betriebswirtschaftlichen Kostenanalytik nur bei - aus Sicht der Beklagten passenden Stellen bis ins kleinste Detail bemüht. Zahlreiche Beispiel in anderen Bereichen der Abfallgebühren zeigten, wie auch Nichtverursacher von Leistungen/Abfällen/Abfallmengen entgegen den Vorgaben des Äquivalenzprinzips wegen linearer Kostenverteilung und daraus resultierenden Gebührenteilen belastet würden. Setze man die Abfallgebühr in ihrer Gesamtheit (Summe von Personen- und Restmüllgebühr) behältergrößenbezogen unter den Maßstab des § 5 Abs. 3a KAG LSA, so finde sich zudem in der Personengebühr ebenfalls ein Beitrag zur Degression und damit zur Nichtkonformität mit dem KAG LSA. Das rühre daher, dass die Personengebühr unabhängig von der Restabfallmenge erhoben werde und damit Viel-Abfall-Produzenten bevorzugt würden. Die Verteilung der Kostennachforderung aus dem Vorjahr sei schließlich nur willkürlich. Dies ergebe sich auch aus der Satzungsbegründung, wonach die Unterdeckung so verteilt werde, dass die Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen relativ gleichmäßig erfolge.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Berufung ist begründet.

22

Der Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 25. Januar 2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

Die als Rechtsgrundlage herangezogene Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 ist, auch in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009, nichtig, da sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung verstößt gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA.

24

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfG LSA erheben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Leistungen der kommunalen Abfallentsorgung auf der Grundlage von Satzungen nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und unter Beachtung der nachfolgenden Absätze Gebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Nach § 6 Abs. 3 AbfG LSA sollen mit dem Gebührenmaßstab wirksame und nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung geschaffen werden. Gemäß § 5 Abs. 3a KAG LSA kann bei Einrichtungen und Anlagen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, die Benutzungsgebühr für die Leistungen so bemessen werden, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bietet (Satz 1). Die Gebühren für die Abwasserbeseitigung sowie für die Beseitigung und Verwertung von Abfällen sind grundsätzlich linear zu staffeln; die Abwassergebühren können degressiv bemessen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist (Satz 2).

25

§ 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA ist mit dem Verwaltungsgericht dahingehend auszulegen, dass eine degressive Staffelung von Abfallgebühren, d.h. eine Staffelung, bei der die Gebühren bei zunehmender Leistungsmenge unterproportional ansteigen, ausgeschlossen und zumindest eine lineare Staffelung vorzunehmen ist.

26

Zwar ist der Wortlaut der Regelung nicht eindeutig. Denn der Begriff "grundsätzlich" könnte sich zum einen allein darauf beziehen, dass in Anwendung der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG auch eine progressive Staffelung erlaubt ist und dass (nur) bei Abwassergebühren gem. § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Staffelung möglich ist. Zum anderen könnte er im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung Raum für eine degressive Staffelung der genannten Gebühren in besonderen Einzelfällen eröffnen. Auch der Wortlaut des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA lässt nicht hinreichend sicher darauf schließen, ob danach (allein) Abwassergebühren degressiv gestaffelt werden dürfen oder ob eine (eben nicht generell ausgeschlossene) degressive Staffelung bei Abwassergebühren (nur) erlaubt ist, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

27

Jedoch ergibt sich das hier vertretene Ergebnis aus der Gesetzeshistorie, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung.

28

Der mit Änderungsgesetz vom 15. August 2000 (GVBl. S. 526) eingeführte § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geht auf einen Gesetzentwurf der PDS vom 7. April 1999 (LT-DrS 3/1386) zurück. Zur Begründung heißt es dort: "Der Gedanke einer umweltverträglichen Wassernutzung soll sich in der Gebührenbemessung niederschlagen. Mengenrabatte auf Umweltgebrauch sollen grundsätzlich nicht zugelassen werden. Eine degressive Gebührengestaltung widerspricht diesem Anliegen und ist daher ausgeschlossen." Auch wenn der Begriff "grundsätzlich" verwendet wird und nach dem Gesetzestext bei den Abwassergebühren eine degressive Staffelung gerade nicht ausgeschlossen ist, lässt diese Begründung erkennen, dass mit der Gesetzesänderung das Ziel verfolgt werden sollte, ansonsten degressive Staffelungen generell zu untersagen.

29

Die Systematik des Gesetzes spricht ebenfalls für eine solche Auslegung. § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA bestimmt als den leitenden Grundsatz, dass die Benutzungsgebühren bei Einrichtungen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, so bemessen werden dürfen, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bieten. Der Regelungszusammenhang mit dem folgenden Satz 2 macht deutlich, dass die Ermächtigung in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, die Bemessung von Benutzungsgebühren als Anreiz zu umweltschonenden Verhalten zu nutzen, durch den folgenden Satz 2 nicht eingeschränkt werden soll. Vielmehr knüpft diese Bestimmung an den Satz 1 in der Weise an, dass er die Ermächtigung im Satz 1 zu einer bindenden Verpflichtung macht, jedenfalls eine lineare Staffelung der Benutzungsgebühren vorzusehen. Dieser Mindeststandard soll nur unter den engen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA für die Abwasserbeseitigung durchbrochen und unterschritten werden dürfen (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 264/03 -, zit. nach JURIS zu einer Abwassergebühr). Der Begriff "grundsätzlich" bezieht sich danach allein auf die Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA. Dass das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt IM LSA - in seinen "Auslegungshilfen zum Kommunalabgabenrecht" (Runderlass v. 6. Juni 2001 - 33.3-10500/H) eine degressive Staffelung von Abfallgebühren in besonderen Fällen für zulässig erachtet, stellt lediglich eine abweichende Rechtsmeinung dar. Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG ist es daher nicht nur, im Sinne einer Soll-Vorschrift zu wirken, sondern eine zumindest lineare Staffelung der Abfallgebühren bindend vorzuschreiben. Dafür spricht im Abfallgebührenrecht nicht nur § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, sondern gerade auch die Regelung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA. Diese beiden Normen zielen hinsichtlich des Gebührenmaßstabes im Ergebnis darauf ab, dass für ansteigende Abfallerzeugung auch gleichermaßen ansteigende Abfallgebühren entrichtet werden. Dass eine degressive Gebührengestaltung gerade keine wirksamen und nachhaltigen Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfall setzt, sondern im Ansatz sogar den gegenteiligen Effekt hat (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 338), wird auch von der Beklagten eingeräumt.

30

Sonstige Grundsätze der Gebührenbemessung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Insbesondere das von der Beklagten genannte Äquivalenzprinzip hat nicht zur Folge, dass der Landesgesetzgeber an der Untersagung einer degressiven Gebührengestaltung im Abfallrecht gehindert ist (anders wohl das IM LSA im Runderlass vom 6. Juni 2001). Das aus Verfassungsrecht herzuleitende Äquivalenzprinzip, dessen landesgesetzliche Ausprägung sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG LSA findet, besagt als Ausdruck des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich, dass eine Gebührenbemessung nicht in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stehen darf (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 6. November 2012 - 2 BvL 51/06, 2 BvL 52/06 -, jeweils zit. nach JURIS). Es darf also zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Zwar seien dem Äquivalenzprinzip Vorgaben zu entnehmen, die bei landesrechtlichen Gebührenregelungen zu beachten seien. Dem Landesrecht verblieben insoweit aber, insbesondere was die Verknüpfung der Gebührenhöhe mit den aufgewandten Kosten angehe, umfangreiche Gestaltungsspielräume (so BVerwG, Beschl. v. 27. Mai 2003 - 9 BN 3/03 -, zit. nach JURIS). Selbst wenn unbestritten bei höheren Müllmengen verbunden mit größeren Abfallbehältern eine Kostenersparnis bzw. eine Leistungsreduzierung eintritt, ist diese von vornherein nicht so erheblich, dass bei einer streng linearen Gebührenstaffelung ein das Äquivalenzprinzip verletzendes Ungleichgewicht vorliegt. Dies wird auch nicht von der Beklagten vertreten. Dementsprechend ist nach der herrschenden Meinung im Abfallgebührenrecht - bei Nichtvorliegen einer entgegengesetzten landesrechtlichen Regelung - eine degressive Gebührenstaffelung gegenüber einer linearen Steigerung nicht rechtlich geboten, sondern kann lediglich zulässig sein (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 11. Dezember 2002 - 5 D 13/02 -; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2001 - 4 N 47/96 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25. November 1999 - 12 A 12472/98 -, jeweils zit. nach JURIS; VGH Bayern, Urt. v. 6. Juni 1984 - 4 B 81 A.2310 -, BayVBl. 1985, 17, 18; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 214; 338; 754, 765; Wenzel/v. Bechtolsheim, LKV 2004, 18, 19; offen gelassen von VGH Hessen, Beschl. v. 24. August 1995 5 N 2019/92 -, jeweils zit. nach JURIS; anders VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 30. Januar 1997 - 2 S 1891/94 -, zit. nach JURIS m.w.N. für Müllgebühren je Haushaltsangehörigen bzw. je Bewohner eines Grundstücks; vgl. auch Thiem/Böttcher, KAG SH, § 6 Rdnr. 424). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat schon entschieden, dass im Benutzungsgebührenrecht weder aus dem Äquivalenzprinzip noch aus dem Gleichheitssatz ein Anspruch auf eine Gebührendegression folge (so BVerwG, Urt. v. 15. März 1983 - 8 C 167.81 -, zit. nach JURIS m.w.N.).

31

Die weiteren Einwendungen der Beklagten in diesem und dem Parallelverfahren sind ebenfalls nicht durchgreifend.

32

Aus der Verwendung der Begriffe "Beseitigung" und "Verwertung" in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA lässt sich nicht schließen, der Gesetzgeber habe bewusst nicht den Oberbegriff "Abfallentsorgung" gewählt mit der Folge, dass allenfalls für einzelne Teilleistungsbereiche ein Verbot der degressiven Gebührenstaffelung gelte. Diese beiden Begriffe hatten nach der zum Zeitpunkt der Einführung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geltenden Gesetzeslage (vgl. § 3 Abs. 7 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in der ab 11. Mai 2000 geltenden Fassung; § 12 Abs. 1 AbfG LSA vom 10. März 1998) einen umfassenden Bedeutungsgehalt und stellen daher eine Entsprechung zu dem in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA ebenfalls verwendeten Begriff "Abwasserbeseitigung" dar. Soweit die Beklagte geltend macht, die Gebührenbelastung werde bei einer linearen Gebührengestaltung auf Grund von höheren Logistikkosten insgesamt steigen, handelt es sich um eine reine Spekulation. Für die von ihr genannte Befürchtung, es werde zu einem Austausch von großen Abfallbehältern gegen (mehrere) kleinere Behälter kommen, hat sie schon keinen Anhaltspunkt genannt. Im Übrigen dürfte selbst eine solche Folge nichts an der Auslegung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA und dessen Vereinbarkeit mit sonstigen gebührenrechtlichen Grundsätzen ändern. Ob die Staffelung der Restmüllgebühr (auch) gegen die Vorgaben der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG LSA verstößt, spielt keine Rolle, weil es darauf bei einem Verstoß der Satzung gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht ankommt. Die im Übrigen von der Beklagten vorgebrachten Argumente, insbesondere die genannten Belege für eine abnehmende Kostenbelastung bzw. abnehmende Leistungserbringung bei steigenden Behältergrößen, sind zwar durchaus geeignet, auf der Ebene der Satzungsgestaltung die Einführung einer Degression zu stützen. Sie sind aber gegenüber den genannten Anhaltspunkten in der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Norm nicht ausreichend, um eine abweichende Auslegung der streitbefangenen Norm zu rechtfertigen. Angesichts der Einschränkung durch den Landesgesetzgeber ist es daher auch von vornherein unbeachtlich, dass grundsätzlich auch dem Satzungsgeber bei der Gestaltung des Gebührenmaßstabs ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt. Ob die Bestimmung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA die sachgerechteste Vorgabe für eine Gebührengestaltung beinhaltet, ist bei der Auslegung des Gesetzes schließlich nicht Gegenstand der richterlichen Prüfung. Entscheidend sind allein der objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich nach Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden darstellt, und die Untersuchung, ob die Norm in der gefundenen Auslegung wiederum mit höherrangigem (Verfassungs-)Recht vereinbar ist.

33

Die Regelungen zur Restmüllgebühr in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 sowie in der Abfallgebührensatzung in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009 stehen danach mit § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht in Übereinstimmung. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung ist auf Grund der Festlegung der Gebührenhöhe für die einzelnen Behältergrößen weitestgehend degressiv ausgestaltet. Die Beklagte räumt dies auch ein, und dieser Umstand wird in der von ihr vorgelegten Stellungnahme der (...) ausdrücklich bestätigt. Dass durch den Entsorgungsrhythmus keine Degression eintritt, ist danach unbeachtlich. Ob einzelne Kostenbestandteile der Restmüllgebühr je nach Behältergröße unterschiedlich hoch sind, hat für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gebührenmaßstabs von vornherein keine Bedeutung. Denn es kommt allein auf den Gebührenmaßstab bzw. die Gebührenstaffelung an und nicht auf die Gebührenkalkulation (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 3. November 2006 - 4 L 284/05 -, zit. nach JURIS).

34

Der aufgezeigte Mangel hat zur Folge, dass die Gebührenregelungen in der Satzung insgesamt nichtig sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt Beschl. v. 24. Februar 2012 - 9 B 80/11 -, zit. nach JURIS m.w.N.) führt die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die jeweils einzeln kalkulierten Gebührentarife blieben - jeweils für sich betrachtet - sinnvoll und ergäben eine Kostendeckung, so dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife gegebenenfalls gesondert zu regeln. Wie der erkennende Senat aber schon mehrfach entschieden hat, kann man nicht davon ausgehen, es entspreche regelmäßig dem Willen des Satzungsgebers, dass für den Fall der Unwirksamkeit eines Teils der Satzung die übrige Satzung Geltung behalte. Eine solche Regelvermutung besteht gerade nicht. Dass die Körperschaft bei Annahme einer Teilnichtigkeit befugt wäre, den nichtigen Teil der Satzung rückwirkend zu heilen, ist für die Auslegung ihres (hypothetischen) Willens ohne Bedeutung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. November 2006 - 4 L 320/06 -, Urt. v. 14. April 2008 - 4 L 181/07 - und Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 - jeweils zit. nach JURIS m.w.N.). Da die Beklagte die Abfallgebühren mit einem in sich geschlossenen und aufeinander abgestimmten Gebührensystem erhebt, dessen wesentliche Bestandteile die Personen- und Restmüllgebühr sind, ist ohne deutliche Indizien gerade nicht anzunehmen, dass bei der Nichtigkeit eines Teils dieses Gesamtgefüges der restliche Teil bestehen bleiben soll. Solche Anhaltspunkte sind aber weder substanziiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

35

Dass die Gebührenerhebung auf eine vorhergehende Gebührensatzung gestützt werden kann, hat die Beklagte schon nicht geltend gemacht. Es kann daher offen bleiben, ob sich die Gesamtnichtigkeit der Satzung nicht auf die Regelung über das Inkrafttreten der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 bezieht, mit der die Vorgängersatzung aufgehoben worden ist (so OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28. Januar 2009 9 A 1.07 -; VGH Bayern, Beschl. v. 26. Februar 2001 - 23 ZS 00.2999 -; Rosenzweig/Fresse, KAG Nds, § 2 Rdnr. 31 m.w.N.; a.M.: VG Potsdam, Urt. v. 8. November 2012 - 6 K 1249/11 -, jeweils zit. nach JURIS).

36

Nicht entschieden werden muss noch danach, ob die unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung der Kostenunterdeckung zu beanstanden ist. Da ohnehin keine Verbindung zwischen den in einem vorherigen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenunterdeckungen und dem Verhalten der Gebührenpflichtigen des darauffolgenden Kalkulationszeitraums besteht (vgl. dazu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 92, 101)) und § 5 Abs. 2b Satz 2 KAG LSA nur allgemein den "Ausgleich" von Kostenunterdeckungen vorsieht, reicht es aus, wenn diese Verteilung auf die Behältergrößen nicht willkürlich erfolgt, sondern nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien vorgenommen wird, die den Gesichtspunkt der Praktikabilität einbeziehen dürfen (vgl. auch VGH Hessen, Beschl. v. 8. September 2005 - 5 N 3200/02 -, zit. nach JURIS).

37

Die in der Berufungserwiderung vorgebrachten Einwendungen der Kläger, die sich auf eine Verletzung des Äquivalenzprinzips beziehen, dürften dagegen von vornherein nicht durchgreifend sein. Die Kläger sehen dieses Prinzip dann als verletzt an, wenn Kosten der Abfallbeseitigung innerhalb der Personen- bzw. Restmüllgebühr auf sämtliche Gebührennutzer umgelegt werden, obwohl die entsprechenden Leistungen nicht gegenüber allen Gebührennutzern erbracht bzw. die Kosten nicht von allen Gebührennutzern verursacht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dem Satzungsgeber bei der Bestimmung des Gebührenmaßstabs für Abfallgebühren ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, dessen Grenzen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Der jeweilige Satzungsgeber kann je nach den konkreten Umständen eine Auswahl unter den verschiedensten Gebührenmodellen treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt. Zur Wahl stehen neben mengen- oder gewichtsorientierten auch personen-, haushalts- oder grundstücksbezogene Gebührenmaßstäbe; auch Kombinationen kommen in Betracht. Nach dem Äquivalenzprinzip darf nur zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Dabei verbleibt dem Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, in welcher Weise eine sachgerechte Verbindung zwischen dem Wert seiner Leistung und der auf den Anschlusspflichtigen entfallende Gebühr bewirkt werden soll, ein weiter Ermessenspielraum (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 2007 - 7 BN 6/07 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Verfassungsrechtlich geboten ist nicht, dass dem unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme staatlicher Leistung genau Rechnung getragen wird, sondern nur, dass in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit eine verhältnismäßige Belastungsgleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04 -, zit. nach JURIS). Auch sonst hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz es nicht verlangen, dass Benutzungsgebühren strikt nach dem Maß der durch die jeweilige Benutzung verursachten Kosten erhoben werden müssen. Vielmehr ist auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität hinsichtlich der Ermittlung der jeweiligen Kosten zu beachten (BVerwG, Urt. v. 7. Dezember 2000 - 11 C 7/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.). Danach ist eine pauschalierende Gebührenerhebung im Abfallrecht, die nicht strikt auf die erbrachten Leistungen bzw. entstandenen Kosten abstellt (vgl. zu einem einheitlichen Maßstab nach dem Restabfallbehältervolumen Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 765a; Rosenzweig/Freese, KAG Nds, § 5 Rdnr. 329 jeweils m.w.N.), grundsätzlich nicht zu beanstanden.

38

Offen bleiben kann, ob die Bekanntmachung der Ausfertigung der ersten Änderungssatzung formell ordnungsgemäß erfolgt ist. Es ist grundsätzlich unverzichtbar, dass bei einer gemeindlichen Satzung die Unterschrift des Bürgermeisters als nach der Gemeindeordnung notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens ebenso mit der Satzung veröffentlicht wird wie das Datum der Unterschriftsleistung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012 - 4 L 135/12 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Bei der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 wurde ein solcher Ausfertigungsvermerk mit der Satzung bekannt gemacht; dass die Wiedergabe der Unterschrift in Form einer "maschinengedruckten" Namensangabe erfolgte, ist ausreichend (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Dagegen genügte der bei der ersten Änderungssatzung lediglich vorgenommene Abdruck einer "Bekanntmachungsanordnung" nicht den rechtlichen Vorgaben an die Bekanntmachung eines Ausfertigungsvermerks (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Unterbleibt die Veröffentlichung des Ausfertigungsvermerks gemeinsam mit der Satzung oder ist die Veröffentlichung dieses Vermerks fehlerhaft bzw. unvollständig, kommt grundsätzlich in Betracht, dass die gesamte Satzung mit dem vollständigen Ausfertigungsvermerk im Wege einer wiederholenden Bekanntmachung nochmals veröffentlicht wird oder eine neue Ausfertigung erfolgt mit anschließender Bekanntmachung der Satzung und eines neuen Ausfertigungsvermerks. Ansonsten ist der Mangel nur dann unbeachtlich, wenn die Satzung bei der Bekanntmachung tatsächlich ausgefertigt war und die Ausfertigung der Satzung in der üblichen Form jedenfalls nachträglich bestätigt wird (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012, a.a.O.; Beschl. v. 24. November 2010 - 4 K 368/08 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 7. Juni 1978 - VII C 63.76 -, zit. nach JURIS). Eine solche Bestätigung kann einmal durch eine nachträgliche Bekanntmachung einer rechtsverbindlichen Erklärung erfolgen, dass die Satzung zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ordnungsgemäß ausgefertigt war. Diese Erklärung muss von dem zum Zeitpunkt der Erklärung amtierenden Bürgermeister abgegeben werden, weil dieser das nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA das für die Ausfertigung und Bekanntmachung von Satzungen zuständige Gemeindeorgan ist und eine derartige Erklärung eine über eine redaktionelle Berichtigung hinausgehende Ergänzung des zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts darstellt. Zum anderen kann die Bestätigung durch eine redaktionelle Berichtigung (vgl. dazu auch § 61 Abs. 3 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien) der Satzung erfolgen, mit der der - allein im Rahmen der Veröffentlichung - aufgetretene Mangel erläutert und der vollständige Ausfertigungsvermerk nochmals veröffentlicht wird. Eine derartige Berichtigung muss auch nicht durch den zum Zeitpunkt der Berichtigung amtierenden Bürgermeister unterzeichnet sein, wenngleich die Angabe der veranlassenden Verwaltung der Gemeinde zumindest als Orientierung hilfreich wäre. Die Beklagte hat in dem Amtsblatt vom 13. Februar 2013 ausdrücklich im Wege einer "Bekanntmachung" eine Erklärung zur Ordnungsgemäßheit der Ausfertigung der Satzung veröffentlicht und gleichzeitig den ursprünglichen Ausfertigungsvermerk beigefügt, ohne dass der zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung amtierende Bürgermeister die Bekanntmachung unterzeichnet hat. Es ist nach den oben dargestellten Überlegungen deshalb problematisch, ob es sich um die Bekanntmachung einer Bestätigungserklärung oder eine redaktionelle Berichtigung gehandelt hat.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

41

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

42

Beschluss

43

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 87,60 € festgesetzt.

44

Gründe:

45

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

46

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO; 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind.

(2) Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist.

(1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlußfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(2) Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme.

(3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform.

(4) Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlußfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Beschlußfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwaltungsgericht

1.
in der Sache selbst entscheiden,
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der im Revisionsverfahren nach § 142 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Verweist das Bundesverwaltungsgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 49 Nr. 2 und nach § 134 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht anhängig geworden wäre.

(6) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(7) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit das Bundesverwaltungsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Das gilt nicht für Rügen nach § 138 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.