Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 14. Feb. 2011 - 4 MR 1/10

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2011:0214.4MR1.10.0A
14.02.2011

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers - 4 KS 2/10 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. April 2010 wird insoweit angeordnet, als darin die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt wird.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf

5.000,-- Euro

festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg.

2

Mit Bescheid vom 21. April 2010, gerichtet an den Antragsteller, zu Händen der im Aktivrubrum unter Ziffern 1) - 12) genannten damaligen Vereinsmitglieder, stellte der Antragsgegner fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Antragstellers den Strafgesetzen zuwiderliefen und sich der Antragsteller gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Er erklärte den Antragsteller für verboten, löste ihn auf und untersagte ihm jede Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche Verwendung bzw. Verwendung seiner Kennzeichen in einer Versammlung. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen, soweit ihre Überlassung an den Antragsteller dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeiten vorsätzlich gefördert habe oder die Sachen zur Förderung dieser Zwecke und Tätigkeiten bestimmt seien. Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens an. Zur Begründung wurde in dem Bescheid angeführt, der Antragsteller sei 2003 als eigenständiger Verein innerhalb der Bewegung „Hells Angels“ gegründet worden. Er sei aus dem langjährigen Motorradclub „S…. MC“ hervorgegangen und habe 2008 den endgültigen Status eines „Hells Angels MC Charter“ erlangt. Derzeit bestehe der Verein aus 12 Mitgliedern; Präsident sei C…, Vizepräsident E…, Secretary G…, „Road Captain“ I… und „Treasurer“ O…. Eine Vereinssatzung sei nicht bekannt; allerdings sei davon auszugehen, dass der Antragsteller sich an den Satzungsregelungen der weltweiten „Hells Angels“-Vereinigung orientiere. Dies gelte unter anderem für die Verpflichtung zur Einhaltung des „Ehrenkodex“, welcher einen absoluten Vorrang der Vereinsinteressen gegenüber den Interessen der einzelnen Mitglieder sowie ein absolutes Aussage- und Kooperationsverbot gegenüber Strafermittlungsbehörden beinhalte. Beleidigungen oder Angriffe durch andere verfeindete Organisationen würden kollektiv gerächt.

3

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Antragstellers den Strafgesetzen zuwiderliefen, begründete der Antragsgegner wie folgt:

4

Die Zweckbestimmung des Antragstellers sei nicht allein das gemeinsame Motorradfahren, sondern eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisation der „Bandidos“ und deren Unterstützer. Die strafrechtsrelevante Vereinstätigkeit und die Eskalationen insbesondere gegenüber den „Bandidos“ würden in mehreren Strafverfahren deutlich:

5

- nach Zahlung eines Geldbetrages eingestellte Anklage gegen E…. wegen Körperverletzung im September 2008 (Faustschlag gegenüber dem Besucher eines Bürgerfestes)

6

- Verurteilung von C…. vom Dezember 2008 durch das AG Flensburg wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung (versuchte Schutzgelderpressung gegenüber dem Geschäftsführer eines Tattooladens; unerlaubter Besitz einer Schusswaffe)

7

- Verurteilung von I…. zu einer Geldstrafe durch das AG Flensburg wegen Steuerhehlerei (Sicherstellung von unverzollten Zigaretten sowie eines Teleskopschlagstockes im Juni 2009)

8

- Rechtshilfeersuchen der Schweiz für O…., S…. und Y…. wegen Mitführens verbotener Waffen im Dezember 2009

9

- Strafverfahren gegen C…. vor dem LG Flensburg u.a. wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr auf Grund eines Vorfalls am 12. September 2009 auf der BAB 7, bei dem ein Mitglied der „Bandidos“ durch ein auf C…. zugelassenes Tatfahrzeug gerammt und lebensgefährlich verletzt worden sei. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren gegen die weiteren Mitglieder K…., M…., O…., Q…. und Y…. sei eingestellt worden.

10

- Sicherstellung eines umfangreichen Waffen- und Munitionsarsenals im November 2009 bei einem Gewerbetreibenden in Flensburg, der zum Antragsteller geschäftliche Kontakte unterhalte. Kriminaltechnische Untersuchungen hätten einen dringenden Tatverdacht wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gegen C…., Q…. und O…. ergeben.

11

- Strafermittlungsverfahren gegen O…. wegen Verdachts der Hehlerei alkoholischer Getränke (Durchsuchungsfund vom Januar 2010).  

12

- Ermittlungsverfahren gegen K…. und Q…. wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts (Durchsuchungsfund vom Januar 2010).

13

- seit Oktober 2004 geführtes Ermittlungsverfahren wegen mittelbarer Falschbeurkundung und gewerbsmäßiger Hehlerei gegen S…. (Handel mit gestohlenen Motorradteilen, Vergabe von nicht ordnungsgemäßen TÜV-Gutachten).

14

Der für ein Vereinsverbot nach § 3 Abs. 5 des Vereinsgesetzes erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten der Mitglieder und der Vereinigung sei im Falle des Antragstellers begründet, wobei der Antragsgegner als zuständige Behörde für die Prüfung eines Vereinsverbotes die vorliegenden staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Ermittlungsergebnisse selbstständig und unabhängig von strafgerichtlichen Verurteilungen zu bewerten habe. Die angeführten Straftaten seien dem Verein zuzurechnen, da sie von verantwortlichen Funktionsträgern geplant, festgelegt und mit deren Wissen und Billigung beziehungsweise teilweise auch mit deren Beteiligung begangen worden seien und in einem engen Zusammenhang mit dem Verein stünden. Sie dienten dem Kampf um Territorial- und Machtansprüche des Antragstellers gegenüber konkurrierenden Organisationen. Bei der Tat auf der BAB 7 sei eine große Zahl von Mitgliedern beteiligt gewesen. Das in Flensburg aufgefundene Waffenarsenal trage einen paramilitärischen Charakter und verweise auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe. Die hierarchische Gliederung des Antragstellers sichere eine steuernde Beeinflussung der Straftaten durch Funktionsträger. Supporter würden durch Telefonketten herangerufen. Mehrere Mitglieder seien bei der Tat auf der BAB 7 nach außen geschlossen aufgetreten. Vereinspräsident C…. habe während der gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren Rückhalt durch den Antragsteller erfahren, indem er in seiner Position als Präsident belassen worden sei. Straffällig gewordene Vereinsmitglieder erhielten darüber hinaus über den sogenannten „Defense-Fund“ finanzielle und persönliche Unterstützung, die sie nicht etwa auf den Weg des Gesetzes zurückführen und dort halten, sondern die negativen Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung abmildern solle. Eine Distanzierung der Vereinigung von dem strafrechtlichen Verhalten ihrer Mitglieder sei in keinem Fall erfolgt. Die Tat des versuchten Totschlags auf der BAB 7 schließlich lasse sich unmittelbar in den Kontext gegenseitiger tätlicher Angriffe zwischen dem Antragsteller und den „Bandidos Probationary Chapter Neumünster“ einordnen, da nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen der Angriff auf das Mitglied der Bandidos eine kollektive Antwort auf einen als provokativ angesehenen „Gebietsverstoß“ der Bandidos an einer Tankstelle in Flensburg-Handewitt habe darstellen sollen. Die aufgeführten Waffendelikte seien Ausdruck eines als stereotyp festgestellten Verhaltensmusters der Ausstattung der Mitglieder des verbotenen Vereins mit Waffen, um jederzeit Angriffe durchführen bzw. sich selbst gegen Angriffe zur Wehr setzen zu können.

15

Die Feststellung, dass sich der Verein darüber hinaus gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei im Hinblick auf die Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder durch den weltweit kollektiv gespeisten „Defense-Fund“ gerechtfertigt. Diese Vorgehensweise impliziere eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme der Verwirklichung von strafrechtlichen Verstößen und bedeute eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates.

16

Zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges wird in dem Bescheid ausgeführt, nur so sei ein wirksames Vorgehen gegen den Antragsteller möglich, um zu verhindern, dass einzuziehende und zu beschlagnahmende Vermögensgegenstände, Unterlagen, Kontoauszüge und Beweismittel beiseite geschafft würden, und eine Fortsetzung der in den letzten Wochen entflammten gewaltsamen Straftaten insbesondere gegen Angehörige der Bandidos Neumünster mit der Gefahr irreparabler Verletzungen von Leib und Leben zu unterbinden. Die seit September 2009 aufgetretenen Straftaten und sonstigen Umstände ließen nun auch eine Zurechnung weiter zurückliegender Straftaten zu dem Verein zu. Den zuständigen Behörden sei es erst in jüngster Zeit möglich gewesen, hinreichend gesicherte Erkenntnisse hierzu zusammenzutragen. Entscheidend für den Zeitpunkt der Verbotsverfügung sei zugleich die gesamte Entwicklung des „Rockerkrieges“ zwischen den „Hells Angels“ und rivalisierenden Vereinigungen gewesen, der in den letzten Monaten bundesweit auch Unbeteiligte gefährdende Ausmaße angenommen habe. In Schleswig-Holstein habe der „Hells Angels MC“ seine Präsenz und seinen Einfluss auf nahestehende Clubs ausgeweitet. Die Entwicklung der Straftaten lasse die Eskalation des Konflikts zwischen dem Antragsteller und konkurrierenden Organisationen deutlich werden.

17

Der Antragsteller hat am 31. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben und, gleichzeitig mit der Begründung dieser Klage, am 22. Oktober 2010 einen Eilantrag zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid eingereicht. Zur Begründung führt er aus, ein besonderes, den sofortigen Vollzug rechtfertigendes Interesse des Antragsgegners sei weder dargelegt noch ersichtlich. Die Sicherung von Beweismitteln sei kein den Sofortvollzug rechtfertigender Gesichtspunkt, da das Vereinsverbot nicht der Ermittlung seiner eigenen Rechtfertigung dienen könne und im Vereinsgesetz ein eigenes, gesondertes Instrumentarium hierfür vorgesehen sei. Im Übrigen bestehe dieses Sicherungsbedürfnis mittlerweile nicht mehr. Eine vom Antragsgegner angeführte Eskalation des Konfliktes in den Wochen vor dem Verbot lasse sich aus den im Bescheid angeführten Straftaten nicht ableiten. In diesem Zeitraum hätten lediglich Hausdurchsuchungen stattgefunden; die übrigen Ermittlungsverfahren reichten weiter zurück, was gegen eine Eilbedürftigkeit spreche. Anhaltspunkte für ein zu unterbindendes Verwenden der Kennzeichen des Vereins seien vom Antragsgegner nicht dargelegt. Die von ihm angeführten Belege für einen „Rockerkrieg“ zwischen rivalisierenden Banden beträfen den Antragsteller gerade nicht und seien ihm auch nicht zuzurechnen. Die sofortige Vollziehung der Einziehung von Sachen Dritter sei von vornherein rechtswidrig.

18

Im Übrigen könne kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Verfügung bestehen, da sie offensichtlich rechtswidrig sei. Diesbezüglich hat der Antragsteller im Hauptsacheverfahren bislang wie folgt argumentiert:

19

Der Antragsteller sei zu der beabsichtigten Verbotsverfügung nicht angehört worden, Verzichtsgründe lägen nicht vor. Die einzelnen Mitgliedern vorgeworfenen Straftaten seien dem Antragsteller nicht zuzurechnen.

20

Die angeführten strafrechtlichen Vorwürfe seien vom Vereinszweck losgelöste Einzelvorfälle, bei denen in keinem Fall die Vereinskleidung des Antragstellers getragen worden sei. Einige der Vorfälle stammten aus der Zeit vor der Mitgliedschaft des jeweiligen Beschuldigten beim Antragsteller. Weder die aufgefundenen Waffen noch die aufgefundenen Getränke stünden in einem Zusammenhang zur Vereinstätigkeit; die Zuordnung des „Waffenarsenals“ zu Mitgliedern des Vereins sei nicht schlüssig. Bei den aufgefundenen „Delta-Darts“ handele es sich nicht um verbotene Waffen. In dem Ermittlungsverfahren wegen des Vorfalls auf der BAB 7 sei der einzige Angeklagte, C…., mittlerweile aus der Untersuchungshaft entlassen worden; hinsichtlich der übrigen Verdächtigten habe sich der Vorwurf einer Beteiligung nicht aufrechterhalten lassen.

21

Dass C…. sich während seiner Untersuchungshaft weiterhin im Amt des Präsidenten befunden habe, könne nicht als verbotsrelevanter Rückhalt durch den Verein gewertet werden. Nichts anderes sehe das Beamtenrecht bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe vor. Konkrete Hilfestellungen bei den vorgeworfenen Taten oder die Gewährung von Rückhalt habe der Antragsgegner nicht angeführt. Auch in einer Gesamtschau rechtfertigten die aufgezählten Strafverfahren und Tatvorwürfe ein Vereinsverbot nicht, zumal sich die meisten der genannten Ermittlungsverfahren in einem sehr frühen Stadium befänden.

22

Der „Ehrenkodex“ sei lediglich Ausdruck der auch bei anderen Vereinigungen üblichen Solidarität; durch die Unterstützung aus dem „Defense-Fund“ solle für straffällig gewordene Mitglieder ein Weg zurück in die Legalität erleichtert werden. Eine Hilfe für Kosten der Rechtsverfolgung und Verteidigung könne nicht als rechtswidrig gewertet werden.

23

Die Begründung des Antragsgegners für die Feststellung, dass sich der Zweck des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei unzureichend, zumal nach der Argumentation des Bescheides jede Rechtsschutzversicherung einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung darstelle. Insbesondere fehle es an einer kämpferisch-aggressiven Verwirklichung etwaiger verfassungsfeindlicher Ziele.

24

Der Antragsteller beantragt,

25

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung des Beklagten vom 21. April 2010 wiederherzustellen.

26

Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

28

Die streitgegenständliche Verbotsverfügung sei rechtmäßig. Eine Anhörung des Antragstellers sei gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG nicht erforderlich gewesen. Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit des Antragstellers seien zu Recht festgestellt worden. Auch der Antragsteller bestreite nicht die Existenz des „Ehrenkodex“ und des „Defense-Fund“. Letzterer sei mit einer Rechtsschutzversicherung, die üblicherweise bei vorsätzlich begangenen Straftaten nicht einspringe, nicht vergleichbar und erkennbar zu einer Reduzierung des persönlichen Risikos bei noch zu begehenden Straftaten gedacht. Mehrere der in der Verfügung angeführten Straftaten belegten den strafgesetzwidrigen Zweck einer territorialen Machtbehauptung des Vereins und damit die Zurechnung zu diesem.

29

Der Einwand des Antragstellers, dass einige der strafrechtlich verfolgten Personen erst nach der angeblichen Tat Mitglieder geworden seien, passe nicht zu deren herausgehobenen Funktionen; im Übrigen benenne der Antragsteller seinerseits nicht etwa das korrekte Eintrittsdatum. Er sei rechtsidentisch mit dem bereits 2003 gegründeten Verein, der in den Folgejahren lediglich identitätswahrend umbenannt worden sei. Die Zurechnung der teilweise unterschiedlich gearteten Straftaten zum Verein beruhe auf dem Gesamtzusammenhang einer gewaltsamen Durchsetzung von Interessen der Mitglieder, auf einer gemeinsamen Tendenz der Verstöße gegen das Waffengesetz sowie auf einer engen Kooperation von Mitgliedern, welche angesichts des sehr kleinen Mitgliederkreises des Antragstellers einen Vereinsbezug belegten. Aus den waffenrechtlichen Verstößen lasse sich auf eine allgemeine Bewaffnung der Mitglieder des Antragstellers schließen, wobei bei zwei Mitgliedern der „Delta Dart“ in der nach einer Bekanntmachung des Bundeskriminalamtes verbotenen Variante mit Scheide festgestellt worden sei. Soweit die Strafverfolgungsbehörden an einer Anklage weiterer Mitglieder wegen des Autobahn-Vorfalls vom September 2009 nicht festgehalten hätten, sei der Antragsgegner als Vereinsverbotsbehörde an eine solche Bewertung nicht gebunden und bewerte die Tatbeiträge der nicht in die Anklage einbezogenen Mitglieder in vereinsrechtlicher Hinsicht als Unterstützung des Beschuldigten C….. Die Tat sei somit insgesamt dem Antragsteller zuzurechnen. Die Entlassung des C…. aus der Untersuchungshaft sei nicht wegen Zweifeln an dessen Täterschaft, sondern auf Grund einer möglicherweise abweichenden rechtlichen Würdigung und daraus folgender Verhältnismäßigkeitserwägungen im Hinblick auf die Fortdauer der Untersuchungshaft über 9 Monate hinaus geschehen. Die Zuordnung der Tat zum Antragsteller stehe auf Grund einer gemeinsamen Willensbildung nach Mobilisierung der Mehrzahl von Mitgliedern durch eine Telefonkette außer Frage. Hinreichende Belege für eine Täterschaft mehrerer Mitglieder des Antragstellers an einem Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz wegen des aufgefundenen Waffenarsenals seien durch kriminaltechnische Untersuchungen der Waffen bereits belegt.

30

Das besondere Vollzugsinteresse des Antragsgegners ergebe sich zum einen, was zulässig sei, aus den auch die Verbotsverfügung selbst stützenden strafrechtlichen Vorfällen, zum anderen aus dem Zusammenhang mit den zeitlich jungen Vorfällen der Eskalation des „Rockerkrieges“, auch wenn diese keinen unmittelbaren Bezug zu dem Antragsteller aufwiesen. Ergänzend sei darauf zu verweisen, dass die bundesweite Organisation der „Hells Angels MC“ nach dem Erlass und dem Sofortvollzug der Verbotsverfügung einen „Frieden“ mit den „Bandidos MC“ geschlossen habe und auch die für die Auseinandersetzung typischen Straftaten merklich zurückgegangen seien. Das Vereinsverbot sei erkennbar ein Auslöser dafür gewesen, dass weitere vergleichbare Vereine ihre entsprechenden Tätigkeiten einstellten.

31

Auch die Einziehung von Gegenständen Dritter nach § 12 Vereinsgesetz sei zulässigerweise für sofort vollziehbar erklärt worden. Eine Vollzugsfolgenabwägung müsse vorliegend zum Überwiegen des Interesses am Vollzug kommen. Dem Antragsteller stehe es nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Obsiegensfalle frei, seinen Vereinsbetrieb unverändert wieder aufzunehmen, wobei ihm vorläufig eingezogenes Vermögen wieder zurückgegeben würde. In der Zeit der vorläufigen Vollziehbarkeit könnten die Mitglieder trotz des Verbotes gemeinsam Motorrad fahren und sich gegenseitig sozial unterstützen, auch wenn ihnen die organisatorische Grundlage hierfür fehle und ein gemeinsames, einheitliches Auftreten nach außen nur eingeschränkt möglich sei. Für den umgekehrten Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer letztlich scheiternden Klage könnte der Antragsteller zwischenzeitlich seine territoriale Machtentfaltung aufrecht erhalten und einzuziehendes Vermögen aus dem Zugriffsbereich des Antragsgegners entfernen. Diese Wirkungen zu Lasten der Allgemeinheit ließen sich nicht wieder beseitigen.

II.

32

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch zutreffend von dem allein anfechtungsbefugten verbotenen Verein (bestehend aus den namentlich genannten Mitgliedern zum Verbotszeitpunkt) anhängig gemacht worden. Zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung ist regelmäßig lediglich die verbotene Vereinigung befugt, da lediglich die Beeinträchtigung von Rechten der verbotenen organisierten Personengesamtheit in Betracht kommt. Ungeachtet der Rechtsform ist die Vereinigung selbst gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. BVerwG, std. Rspr., zuletzt Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, juris). Gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 BGB wird die nicht rechtsfähige Antragstellerin vorliegend durch ihre Mitglieder gemeinschaftlich vertreten; dass weitere Mitglieder des Antragstellers existierten, die keine Prozessvollmacht unterzeichnet haben, ist nicht ersichtlich und wird vorliegend auch nicht geltend gemacht.

33

Der auch ansonsten zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.

34

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung zwischen dem privaten Aufschubinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, da an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Verwaltungsakte kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist er sich hingegen als offensichtlich rechtmäßig, so ist weiter zu prüfen, ob im Einzelfall ein über das Interesse am Erlass des Bescheides selbst hinausgehendes überwiegendes Vollziehungsinteresse erkennbar ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, die Bescheide sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen bzw. die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, die Bescheide sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen (Senatsbeschl. v. 06.08.1991 - 4 M 109/91 -, juris).

35

Vorliegend sind die Erfolgsaussichten des Klägers in dem anhängigen Hauptsacheverfahren zum Aktenzeichen 4 KS 2/10 als offen anzusehen.

36

Ein Verein darf nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG erst dann als verboten im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet.

37

Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Verbotsverfügung liegen nach summarischer Prüfung vor. Insbesondere ist in Übereinstimmung mit § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG vorsorglich das Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern gemäß dessen Schreiben vom 20. April 2010 hergestellt worden. Auch die Voraussetzungen, unter denen nach § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG von einer Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsaktes abgesehen werden kann, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint, liegen nach summarischer Prüfung vor. Der Bescheid macht insoweit geltend, dass eine sofortige Entscheidung ohne Anhörung im öffentlichen Interesse notwendig gewesen sei, weil eine vorherige behördliche Anhörung einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ gehabt und dem Verein die Möglichkeit eröffnet hätte, seine Infrastruktur, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, so dass ein wirksames Vorgehen be- oder verhindert würde. Dieser Gesichtspunkt wird in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zu Vereinsverbotsverfahren als ausreichend anerkannt, um den Verzicht auf eine Anhörung zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 ff.; Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 - m.w.N.), und ist aus Sicht des Senats auch im vorliegenden Fall tragfähig.

38

Der Antragsgegner hat die Anordnung des sofortigen Vollzuges gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besonders begründet. Bei der hiernach erforderlichen Sofortvollzugsbegründung hat die Behörde in Rechnung zu stellen, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich ist, das über das Interesse hinausgeht, welches den Erlass des Verwaltungsaktes selbst rechtfertigt. Das für die sofortige Vollziehung erforderliche Interesse ist ein qualitativ anderes als das Interesse am Erlass und der Durchsetzung des Verwaltungsaktes, weshalb regelmäßig andere Gründe angeführt werden, als sie zu dessen Rechtfertigung herangezogen werden. Ausnahmsweise dürfen Erwägungen des zu vollziehenden Verwaltungsaktes wiederholt werden, wenn sich aus ihnen die besondere Dringlichkeit der sofortigen Vollziehung und die von der Behörde insoweit vorgenommene Interessenabwägung erkennen lassen (vgl. zuletzt Senatbeschl. v. 29.11.2010 - 4 MB 57/10 -). Eine solche Begründung ist in dem Bescheid des Antragsgegners vom 21. April 2010 grundsätzlich gegeben worden, indem unter Ziffer D. dargelegt wurde, ein wirksames Vorgehen sei nur im Wege des Sofortvollzuges möglich, um das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen, Unterlagen und Beweismitteln sowie eine gesteigerte Fortsetzung von Straftaten mit Gefahren für Leib und Leben zu verhindern. Diese Begründung zielt auf eine über die Interessen an einer reinen Untermauerung der Verbotsvoraussetzungen hinausgehende Gefahrenabwehr. Allerdings fehlt eine Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich der Einziehung von Sachen Dritter nach Ziffer 5. Nach Ziffer 6. der Verbotsverfügung wird, wovon auch der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung ausgeht, lediglich die Einziehung des Vereinsvermögens nach Ziffer 4. der Verfügung von der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung ausgenommen. Aus der Begründung des Bescheides ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte, die insoweit eine Differenzierung zwischen der Einziehung des Vereinsvermögens und von Sachen Dritter rechtfertigen könnte. Ein besonderes Vollzugsinteresse für die - über die Beschlagnahme hinausgehende - Einziehung von Sachen Dritter ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit war daher die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

39

In der Sache stützt der Antragsgegner das Vereinsverbot im Schwerpunkt darauf, dass Zwecke und Tätigkeiten des Antragstellers den Strafgesetzen zuwiderliefen. Da eine Vereinigung als solche nicht straffähig ist, ergeben sich der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder als natürliche Personen. Im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Vereinsverbot ist danach zu fragen, ob eine gleichwohl mögliche Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung aus deren eigener Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln der Vereinigung im Sinne eines Verstoßes gegen Strafgesetze abzuleiten ist. Voraussetzung hierfür ist die Zurechnung des Verhaltens der Mitglieder zur Vereinigung dergestalt, dass die von Mitgliedern verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit den Charakter der Vereinigung prägt. Nach § 3 Abs. 5 VereinsG kann die Verbotsbehörde das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung muss nicht deren Hauptzweck oder Haupttätigkeit ausmachen, sondern kann einen bzw. eine unter mehreren verschiedenen Zwecken oder Tätigkeiten darstellen. Der Vereinigung sind auch solche strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder zurechenbar, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Ein auf den Verbotsgrund der strafgesetzwidrigen Zwecke oder Tätigkeit der Vereinigung gestütztes Verbot ist rechtlich unabhängig von einer strafgerichtlichen Verurteilung von Mitgliedern oder Funktionären der Vereinigung von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen. Ein Vereinsverbot setzt eine vorherige strafgerichtliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Liegen strafgerichtliche Verurteilungen von Mitgliedern oder Funktionären vor, so sind weder die Verbotsbehörde noch das zur Überprüfung angerufene Verwaltungsgericht formell oder materiell durch die Strafurteile gebunden (vgl. zu alledem BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 m.w.N.; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299).

40

Nach diesem Maßstab ist es bei summarischer Betrachtung im Eilverfahren weder zwingend noch ausgeschlossen, dass sich im Hauptsacheverfahren mit der für die Überzeugungsbildung des Senats hinreichenden Sicherheit Verhaltensweisen der Mitglieder des Antragstellers werden nachweisen lassen, die einen dem Antragsteller zuzurechnenden und ihn prägenden strafgesetzwidrigen Charakter ergeben. Der Antragsgegner führt zur Begründung der Strafgesetzwidrigkeit des Antragstellers strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 9 der 12 mit dem vorliegenden Antrag als Mitglieder bezeichnete Personen auf. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass einige der von dem Antragsgegner angeführten Vorwürfe sich auf Verhaltensweisen vor dem Vereinsbeitritt der jeweiligen Mitglieder bezögen, wird dadurch die vom Antragsgegner behauptete Zuordnung zu dem Verein noch nicht hinreichend substantiiert in Frage gestellt. Der früheste Strafvorwurf, der vorliegend angeführt worden ist, stammt aus dem Jahre 2004. Der Antragsgegner führt in dem Bescheid aus, dass der Verein bereits 2003 als eigenständige Vereinigung gegründet worden sei und danach einen endgültigen Status als „Charter“ innerhalb der „Hells Angels MC“ - Bewegung erhalten habe. Der Antragsteller benennt keine konkreten Daten und Umstände, die dieser zeitlichen Einordnung sowie der Annahme einer Mitgliedschaft der jeweiligen Einzelpersonen während dieser Zeit entgegenstünden. Insoweit wird im Hauptsacheverfahren Gelegenheit zu weiteren Darlegungen und deren Überprüfung durch den Senat bestehen.

41

Ob sich aus den abgeschlossenen wie auch aus den noch anhängigen Strafverfahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit strafgesetzwidrige Verhaltensweisen von Einzelpersonen ergeben werden, die dem Antragsteller als Verein zugerechnet werden können, ist nach dem derzeitigen Sach- und Kenntnisstand noch offen. Drei der angeführten Strafverfahren sind abgeschlossen, fünf Verfahren sind derzeit - wie auch das in der Verbotsverfügung genannte Rechtshilfeersuchen der Schweiz vom Dezember 2009 - noch anhängig. Auffallend ist immerhin die zeitliche Dichte von Ermittlungsverfahren mit teilweise gewichtigen Vorwürfen gegen einen großen Teil der Personen, die jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung Mitglieder waren. In mehreren der angeführten Ermittlungsverfahren sind Gewaltdelikte und/oder Waffendelikte Gegenstand der Untersuchungen. Die Argumentation des Antragsgegners, durch die streitgegenständlichen Verhaltensweisen solle mit Gewalt und unter systematischer Bewaffnung ein Anspruch des Vereins auf Vorherrschaft in bestimmten Wirtschaftsbereichen sowie ein territorialer Machtanspruch gegenüber konkurrierenden Motorradclubs gesichert werden, entbehrt jedenfalls nach derzeitigem Kenntnisstand des Senats nicht der Nachvollziehbarkeit. Weiterhin fällt auf, dass an den Vorfällen in vier der im Bescheid vom 21. April 2010 aufgeführten Verhaltensweisen jeweils mehrere Mitglieder beteiligt gewesen sein sollen, und zwar in variierender Zusammensetzung. Sofern sich die Vorwürfe in den anhängigen Ermittlungsverfahren im weiteren Verlauf erhärten sollten, wäre dies immerhin ein starkes Indiz für eine Zuordnung etwaiger strafgesetzwidriger Verhaltensweisen zum Antragsteller als Vereinigung. Von einiger Bedeutung werden in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren wegen des Vorfalles auf BAB 7 am 12. September 2009 sein, da dort nach den Darlegungen des Antragsgegners insgesamt sechs Vereinsmitglieder anwesend gewesen sein sollen und der Tatvorwurf eine besondere Nähe zu der von der Verbotsverfügung in den Mittelpunkt gestellten Konfrontation zwischen konkurrierenden Motorradclubs aufweist. Auch insoweit wird im Hauptsacheverfahren der Frage, ob der Antragsgegner zu Recht von einer Strafgesetzwidrigkeit ausgegangen ist und sich auch in der Gesamtschau mit anderen Ermittlungsverfahren die zum Verbot führenden Verhaltensweisen bestätigen lassen, jeweils unter Auswertung der Strafermittlungsakten sowie gegebenenfalls weiterer Unterlagen nachzugehen sein.

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Insgesamt sieht es der Senat unter Berücksichtigung der Art der vom Antragsgegner angeführten Tatvorwürfe, der personellen Zusammensetzung bei deren mutmaßlicher Begehung sowie der zeitlichen Dichte der in der Verbotsverfügung genannten Vorfälle als offen an, ob ein Verbot gemäß § 3 Abs. 5 VereinsG auf Handlungen von Mitgliedern der Vereinigung gestützt werden kann. Sollten sich die Vorwürfe individueller Straftaten erhärten, so ist es demnach denkbar, dass die ihnen zu Grunde liegenden Verhaltensweisen als prägend für den Charakter des Antragstellers als Vereinigung anzusehen sind. Auch der Frage, inwieweit der Antragsteller strafbare Handlungen von Mitgliedern geduldet, gedeckt oder ihnen anderweitig Rückhalt geboten hat, wird im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen sein.

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Soweit der Antragsgegner in der Verbotsverfügung festgestellt hat, dass sich der Antragsteller gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, ist fraglich, ob diese Feststellung den Bescheid trägt. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die hierzu vom Antragsgegner bislang angeführte Begründung den Anforderungen, welche in der Rechtsprechung zum Verbotsgrund der Verfassungswidrigkeit einer Vereinigung entwickelt worden sind, genügt.

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Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. Vereinsgesetz i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Vielmehr muss sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, Publikationen sowie Äußerungen und Grundeinstellungen der Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild einzelner Äußerungen und Verhaltensweisen ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -; Beschl. v. 20.10.1995 - 1 VR 1/95 -, juris).

45

Die Verbotsverfügung stützt sich zur Feststellung, dass der Antragsgegner sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, auf die vom Antragsteller nicht bestrittene Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder in finanzieller und persönlicher Hinsicht über den weltweiten sogenannten „Defense-Fund“. Mit dieser Unterstützung werde der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet und würden die negativen Auswirkungen staatlicher strafrechtlicher Verfolgung abgemildert. Im Kontext der Strafgesetzwidrigkeit der Vereinigung führt die Verbotsverfügung aus, dass inhaftierten Vereinsmitgliedern aus dem „Defense-Fund“ zum Beispiel das Honorar für beauftragte Rechtsanwälte bezahlt würden sowie Zuwendungen an Angehörige erfolgten. Der Antragsgegner sieht in Leistungen aus dem „Defense-Fund“ eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates und damit einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip der Verfassung. Ergänzend hat der Antragsgegner in seiner Gegenerklärung im Hauptsacheverfahren ausgeführt, der „Defense-Fund“ verdeutliche im Gegensatz zu herkömmlichen Rechtsschutzversicherungen, dass der Antragsteller sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und das Risiko staatlicher Strafdrohungen herabsetze. Die Leistungen gingen über eine rechtsstaatlich gebotene elementare Verteidigung hinaus und deckten auch finanzielle Verpflichtungen eines inhaftierten Mitglieds im Sinne einer Schadensversicherung ab, was regulären Versicherungen fremd sei.

46

Art und Ausmaß der Leistungen des „Defense-Fund“ an Mitglieder des Antragstellers und ihre Auswirkungen auf das Gewaltmonopol des Staates, welches Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ist, bedürfen ggf. einer weiteren Betrachtung im Hauptsacheverfahren. Der Antragsteller hat im vorliegenden Eilverfahren keine konkreten Angaben gemacht, um eine Bewertung der offensichtlich auch an seine Mitglieder erfolgenden Leistungen des „Defense-Fund“ zu ermöglichen. Mit der Argumentation des Antragsgegners ließe sich ein Verbotsgrund allerdings für sämtliche in seinem Zuständigkeitsbereich existierende Vereinigungen innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung, die ebenfalls dem System des „Defense-Fund“ unterfallen, belegen. Dies hat der Antragsgegner bislang jedoch offensichtlich nicht als ausreichend angesehen, um auch gegen die übrigen Charter der „Hells Angels“ in Schleswig-Holstein vorzugehen. Außerdem erscheint nach bisherigem Vortrag des Antragsgegners zweifelhaft, ob ein System derartiger Unterstützungsleistungen eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele der Vereinigung belegen könnte.

47

Ist danach das Vorliegen der Voraussetzungen eines Vereinsverbotes - zumal einer der beiden Verbotsgründe des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG ausreichen würde - insgesamt noch als offen anzusehen, so unterliegen die über das Vereinsverbot (Anordnung der Auflösung des Vereins gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG) hinaus in dem Bescheid vorgesehenen Rechtsfolgen keinen gesonderten rechtlichen Bedenken. Die Untersagung jeglicher Tätigkeit und der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Verbreitung oder öffentlichen Verwendung bzw. Verwendung von Kennzeichen in einer Versammlung fänden ihre Rechtsgrundlage in §§ 8 und 9 VereinsG. Die Beschlagnahme und Einziehung des Vermögens des Antragstellers gemäß Ziffer 4. des Bescheides ließen sich als regelmäßig vorzusehende Rechtsfolge auf § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG, die in Ziffer 5. verfügte Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter auf §§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 12 Abs. 2 VereinsG zurückführen. Dass im Falle des Antragstellers ein vom Regelfall abzugrenzender atypischer Ausnahmefall vorläge, in dem der Verlust des Vermögens für den Betroffenen auf Grund besonderer Umstände unverhältnismäßig wäre (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 26.11.2007 - 4 B 07.104 - juris), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

48

Soweit der Antragsteller die Rechtmäßigkeit der Einziehung von Sachen Dritter (Ziffer 5. des Bescheides) mit dem Argument in Frage stellt, insoweit bedürfe es eines eigenen Verwaltungsaktes und als dessen Voraussetzung die Vollziehbarkeit der Verbotsverfügung selbst, so ist darauf hinzuweisen, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung auch von Sachen Dritter mit dem Vereinsverbot selbst zu verbinden ist. Auch § 12 VereinsG enthält für die Einziehung von Sachen Dritter gegenüber § 3 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 VereinsG keine weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen.

49

Lässt sich nach summarischer Prüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Verbotsverfügung feststellen, so ist im Wege der weiteren Abwägung der widerstreitenden Interesse der Beteiligten danach zu fragen, ob die bei Fortsetzung der Vereinstätigkeit zu befürchtenden Gefahren für die Allgemeinheit für den Fall, dass sich im gerichtlichen Hauptsacheverfahren die für die Verbotsverfügung tragenden tatsächlichen Umstände und deren Bewertung endgültig als zutreffend erweisen, schwerer wiegen als die Belastungen, die der Antragsteller durch die für sofort vollziehbar erklärten Beschränkungen für seine Vereinstätigkeit in dem Fall erlitte, dass er in dem Hauptsacheverfahren erfolgreich wäre.

50

Nach diesem Maßstab sind die von dem Antragsgegner dargelegten Gefahren für die Allgemeinheit höher zu gewichten als die Nachteile des Antragstellers und rechtfertigen die Annahme der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung der Verbotsverfügung.

51

Der Antragsgegner beruft sich zur Begründung der Dringlichkeit des Sofortvollzuges auf eine Eskalationsgefahr im Konflikt zwischen verschiedenen Rockergruppierungen, die er allerdings im Schwerpunkt mit Ereignissen illustriert, an denen der Antragsteller nicht beteiligt gewesen sein soll und die in anderen Regionen bzw. Bundesländern stattgefunden haben. Zum anderen aber beruft der Antragsgegner sich in seinem Bescheid auch auf Gefahren, die sich in der Zwischenzeit bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren aus einer Fortsetzung der im Bescheid konkret bezüglich der Mitglieder des Antragstellers beschriebenen strafbaren Verhaltensweisen für die Allgemeinheit ergäben. Dass derartige Gefahren wegen der durch die vorgeworfenen Delikte betroffenen hochwertigen Rechtsgüter von Leib, Leben und Eigentum ein hoher Stellenwert einzuräumen ist, steht für den Senat unabhängig von der Tragfähigkeit der weiteren Ausführungen zu anderen Rockergruppierungen außer Frage. Hiergegen sind die Nachteile des Antragstellers abzuwägen, die in der Unterbindung einer Fortsetzung der Pflege auch möglicher zweifelsfrei legaler Teile seines Vereinszweckes und der Nutzung des gemeinschaftlichen Vereinsvermögens liegen. Nähere Ausführungen zu dem Gewicht der hierdurch betroffenen Rechtsgüter des Antragstellers, der den Eilantrag zudem erst 6 Monate nach Erlass der streitgegenständlichen Verbotsverfügung eingereicht hat, enthält die Antragsbegründung nicht. Der Senat sieht bei dieser Sachlage die vom Antragsgegner geltend gemachten Belange der Allgemeinheit, die für eine sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung sprechen, als vorrangig gegenüber den Nachteilen des Antragstellers an.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den § 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

53

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 14. Feb. 2011 - 4 MR 1/10 zitiert 18 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 61


Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind 1. natürliche und juristische Personen,2. Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,3. Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

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(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 709 Gemeinschaftliche Geschäftsführung


(1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. (2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden,

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 62


(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind1.die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,2.die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den G

Vereinsgesetz - VereinsG | § 8 Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen


(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisa

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 54 Nicht rechtsfähige Vereine


Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere,

Vereinsgesetz - VereinsG | § 9 Kennzeichenverbot


(1) Kennzeichen des verbotenen Vereins dürfen für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots nicht mehr 1. öffentlich, in einer Versammlung oder2. in einem Inhalt (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches), der verbreitet wird oder zur Verbreitung bestimmt

Vereinsgesetz - VereinsG | § 12 Einziehung von Gegenständen Dritter


(1) Die Verbotsbehörde oder die Einziehungsbehörde zieht Forderungen Dritter gegen den Verein ein, wenn 1. sie aus Beziehungen entstanden sind, die sich nach Art, Umfang oder Zweck als eine vorsätzliche Förderung der verfassungswidrigen Bestrebungen

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Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 19. Juni 2012 - 4 KS 2/10

bei uns veröffentlicht am 19.06.2012

Tenor Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 01. Sept. 2010 - 6 A 4/09

bei uns veröffentlicht am 01.09.2010

Tatbestand 1 Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 19. Juli 2010 - 6 B 20/10

bei uns veröffentlicht am 19.07.2010

Gründe 1 Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Der von ihm geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision liegt vor. Da
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 14. Feb. 2011 - 4 MR 1/10.

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 30. Dez. 2014 - 5 D 83/12

bei uns veröffentlicht am 30.12.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreck

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 19. Juni 2012 - 4 KS 2/10

bei uns veröffentlicht am 19.06.2012

Tenor Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

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Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

69

7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

71

9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Der von ihm geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision liegt vor. Das angefochtene Urteil beruht auf dem ordnungsgemäß dargelegten Verfahrensfehler einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

1. Die Gehörsrüge ist ordnungsgemäß erhoben worden. Die Klägerin genügt im Hinblick auf den geltend gemachten Gehörsverstoß dem Darlegungserfordernis nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, indem sie sinngemäß vorträgt, das Oberverwaltungsgericht habe ihre gegen die vereinsrechtliche Verbotsverfügung vom 1. April 2008 gerichtete Anfechtungsklage nicht ohne vorherigen rechtlichen Hinweis nach § 86 Abs. 3 VwGO durch eine Sachentscheidung mit der Begründung abweisen dürfen, sie erfülle die Voraussetzungen einer Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG nicht und könne deshalb auch durch eine objektiv rechtswidrige Verfügung nicht in einem aus dieser Gewährleistung folgenden Recht verletzt sein, nachdem das Gericht die Vereinseigenschaft zuvor mehrfach nur unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Klage problematisiert habe. Obwohl sie, wenn sie kein Verein sei, die gegen sie gerichtete Verbotsverfügung nicht befolgen müsse, belaste sie sie mit einem entgegengesetzten Rechtsschein. Gegen diesen habe sie ausgehend von der erstmals in der Urteilsbegründung zu Tage getretenen Bewertung des Oberverwaltungsgerichts Rechtsschutz nur in Gestalt einer Nichtigkeitsfeststellungsklage erlangen können. Die Umstellung ihres Klageantrages habe ihr das Oberverwaltungsgericht durch einen entsprechenden Hinweis ermöglichen müssen.

3

2. Die Gehörsrüge hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts stellt sich mit seiner die Entscheidung tragenden Begründung für die Klägerin als überraschend dar. Mangels eines vorherigen gerichtlichen Hinweises konnte die Klägerin nicht erkennen, auf welchen Vortrag bzw. Antrag es für eine ihr günstige Entscheidung ankam.

4

a) Eine das Recht auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa: Beschlüsse vom 25. Mai 2001 - BVerwG 4 B 81.00 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34 S. 20 f., vom 16. Juni 2003 - BVerwG 7 B 106.02 - NVwZ 2003, 1132 <1134> - insoweit in Buchholz 303 § 279 ZPO Nr. 1 nicht abgedruckt - und vom 2. März 2010 - BVerwG 6 B 72.09 - juris Rn. 14) vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten. Zwar muss das Gericht auch in Anbetracht der Ausprägung, die das Recht auf rechtliches Gehör in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung. Die besonderen Umstände eines konkreten Falles können indes eine andere Beurteilung gebieten (Beschluss vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 S. 2).

5

b) In dem zur Entscheidung stehenden Fall sind solche besonderen Umstände gegeben. Das Oberverwaltungsgericht hätte der Klägerin mit einem entsprechenden Hinweis - gegebenenfalls nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO - Gelegenheit geben müssen, zu der die Entscheidung tragenden Einschätzung (UA S. 5 f. und 12 f.), die nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähige und nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugte Klägerin könne eine Aufhebung der vereinsrechtlichen Verbotsverfügung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der Sache nicht beanspruchen, weil sie durch diese - ungeachtet ihrer objektiven Rechtswidrigkeit - wegen der ihr nicht zukommenden Eigenschaft eines Vereins nicht in einem Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG verletzt sein könne, Stellung zu nehmen und auf sie gegebenenfalls prozessual zu reagieren.

6

aa) In der Begründung der an die Klägerin gerichteten, mit der Anordnung des Sofortvollzuges versehenen vereinsrechtlichen Verbotsverfügung vom 1. April 2008 wird ausgeführt, die Klägerin sei ein Verein im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG, der durch von seinen Mitgliedern begangene und ihm zuzurechnende Straftaten den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfülle. Die Klägerin hat sich hiergegen mit der Anfechtungsklage und einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt und geltend gemacht, sie sei nur ein loser, nicht auf Dauer angelegter Zusammenschluss von Fans des 1. FC Magdeburg, die im Sommer 2007 eine Mannschaft für ein von dem 1. FC Magdeburg veranstaltetes Fußballturnier gebildet hätten. Jedenfalls könnten ihr etwaige Straftaten Einzelner nicht zugerechnet werden.

7

Mit Beschluss vom 24. Juli 2008 (Az.: 3 R 437/08) hat das Oberverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage wiederhergestellt. In den Gründen des Beschlusses heißt es, der Antrag sei zulässig, denn zur Anfechtung eines Vereinsverbots und zur Anbringung eines Eilantrages sei nur die verbotene Vereinigung, nicht hingegen ein Mitglied befugt. In der Sache entfalle ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Vereinsverbotes grundsätzlich dann, wenn die Klage gegen die Verbotsverfügung nach summarischer Prüfung aller Voraussicht nach Erfolg haben werde. Nach diesem Maßstab sei es überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Verbotsverfügung in dem anhängigen Hauptsacheverfahren nicht als rechtmäßig erweisen werde. Es lasse sich bereits nicht eindeutig feststellen, dass es sich bei der Klägerin um eine durch einen konstitutiven Akt zustande gekommene Vereinigung im Sinne des Vereinsgesetzes handele. Unabhängig davon bestünden durchgreifende Zweifel daran, ob die weiteren materiellen Voraussetzungen für das Vereinsverbot vorlägen, denn es gebe trotz erheblicher Verdachtsmomente keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Zweck oder die Tätigkeit der Klägerin als Vereinigung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verfügungserlasses den Strafgesetzen zuwidergelaufen seien.

8

In dem Klageverfahren haben die Beteiligten auf entsprechende Anfrage des Oberverwaltungsgerichts (GA Bl. 130) gemäß §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Nach weiterem Vortrag des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mitgeteilt, dass es diese Erklärungen nach Vorberatung als verbraucht erachte und in der durchzuführenden mündlichen Verhandlung mehrere Zeugen vernehmen wolle (GA Bl. 246). Durch eine weitere Verfügung hat es "zur Vorbereitung des Termins der mündlichen Verhandlung und zur Gewährung rechtlichen Gehörs" die Klägerin um eine Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob noch ein Rechtsschutzbedürfnis für das angestrengte Klageverfahren in der Weise bestehe, dass sie im Fall der Aufhebung der Verbotsverfügung den durch sie untersagten Tätigkeiten wieder nachgehen werde. Es sei nicht hinreichend ersichtlich, ob auch nach dem Beschluss in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch eine irgendwie geartete Organisationsstruktur der Klägerin bestehe. Die ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses sei von derjenigen der Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO strikt zu trennen (GA Bl. 368).

9

In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 23. September 2009 hat der Vorsitzende ausweislich der Niederschrift darauf hingewiesen, die Zulässigkeit der Klage könne zweifelhaft sein, weil § 61 Nr. 2 VwGO die Beteiligtenfähigkeit davon abhängig mache, dass eine körperschaftsähnlich verfestigte Organisationsstruktur vorhanden sei. Im weiteren Verlauf hat das Gericht Zeugenbeweis über die Gründung, die Aktivitäten und die Organisation der Klägerin erhoben, die mündliche Verhandlung geschlossen und nach Beratung und Wiederaufruf in Anwesenheit der Klägerin unter Mitteilung der wesentlichen Gründe das angefochtene Urteil verkündet (GA Bl. 396 ff.).

10

bb) Vor dem Hintergrund dieser prozessualen Entwicklung musste die Klägerin zu der Einschätzung gelangen, die in den Vordergrund getretene und in ihrer Beantwortung von dem Ausgang der Beweisaufnahme abhängige Frage, ob sie - noch - die Voraussetzungen eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG erfülle, könne im Fall ihrer Verneinung zwar zu einer Abweisung der Klage als unzulässig wegen einer nicht gegebenen Beteiligungsfähigkeit nach § 61 VwGO oder eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses führen, müsse aber, wenn das Oberverwaltungsgericht die Zulässigkeit - wie in dem Eilbeschluss vom 24. Juli 2008 - unabhängig von der Vereinseigenschaft - bejahe, zum Erfolg der Klage in der Sache führen. In keiner Weise hatte sie mit dem der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden rechtlichen Ansatz zu rechnen, nach dem es für sie im Fall der Verneinung ihrer Eigenschaft als Verein von vornherein aussichtslos war, im Wege der Anfechtungsklage eine Aufhebung der Verbotsverfügung vom 1. April 2008 zu erreichen, da sie selbst bei einer Überwindung der Zulässigkeitsschranken jedenfalls im Rahmen der Begründetheit der Klage zwingend scheitern musste, weil die objektiv rechtswidrige Verfügung sie nicht in ihren Rechten verletze.

11

Von einem Hinweis auf diesen Ansatz durfte das Oberverwaltungsgericht in Anbetracht seiner Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht absehen. Den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Verbotsverfügung, den die Klägerin, wie sie darlegt, nach einem solchen Hinweis gestellt hätte, hätte das Oberverwaltungsgericht nicht übergehen dürfen. Auf die Frage, ob dieser Antrag Erfolg gehabt hätte, kommt es gemäß § 138 Nr. 3 VwGO nicht an.

12

3. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, wegen des Verfahrensfehlers die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).

13

Der Senat weist für das weitere Verfahren darauf hin, dass die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts auch in der Sache nicht zutrifft, eine Gruppierung, die die Merkmale eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfülle, könne die Aufhebung einer gleichwohl an sie gerichteten und schon deshalb rechtswidrigen vereinsrechtlichen Verbotsverfügung nicht beanspruchen, weil sie nicht in einem ihr zustehenden Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG verletzt sein könne.

14

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, von der auch das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich ausgeht (UA S. 6), ist zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung regelmäßig nur die verbotene Vereinigung befugt, nicht hingegen ein Mitglied. Die Verbotsverfügung betrifft nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher Personen, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen. Sofern das Vereinsverbot Rechte verletzt, können dies nur Rechte der verbotenen organisierten Personengesamtheit sein. Diese ist ungeachtet ihrer Rechtsform nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig und wird im Rechtsstreit gemäß § 62 Abs. 3 VwGO durch ihren Vorstand vertreten (Urteil vom 13. August 1984 - BVerwG 1 A 26.83 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 7 S. 1 f., Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - BVerwG 6 A 5.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 39 S. 67, Beschluss vom 2. März 2001 - BVerwG 6 VR 1.01, 6 A 1.01 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34 S. 34, Zwischenurteil vom 21. Januar 2004 - BVerwG 6 A 1.04 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 40, Beschluss vom 4. Juli 2008 - BVerwG 6 B 39.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 45 Rn. 5). Auf die Klage einer als solche in Anspruch genommenen "Vereinigung" ist grundsätzlich auch zu klären, ob die Voraussetzungen des Vereinsbegriffs nach § 2 Abs. 1 VereinsG erfüllt sind (Beschluss vom 2. März 2001 a.a.O. S. 34). Nur ausnahmsweise und kumulativ zu dem Anfechtungsrecht der "Vereinigung" können auch einzelne Personen, zu deren Händen eine Verbotsverfügung ergangen ist, nach § 42 Abs. 2 VwGO zur Anfechtung dieser Verfügung befugt sein, wenn sie geltend machen, die Existenz eines Vereins sei von vornherein ausgeschlossen und die Verfügung betreffe sie daher in ihrer persönlichen Rechtsstellung (Beschlüsse vom 2. März 2001 a.a.O. S. 34 und vom 4. Juli 2008 a.a.O. Rn. 5).

15

Diese Rechtsprechung setzt voraus, dass eine Gruppierung, die die Merkmale des Vereinsbegriffs im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG und § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfüllt, aber als Verein und deshalb rechtswidrig mit einer vereinsrechtlichen Verfügung belegt wird, diese Verfügung nicht nur in zulässiger Weise, sondern auch in der Sache erfolgreich anfechten kann, mithin auch im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in einem ihr zustehenden Recht verletzt ist. Allerdings ist dieses Recht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher nicht ausdrücklich benannt worden. Dass es sich nicht um das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 GG handelt, kann mit dem Oberverwaltungsgericht angenommen werden.

16

Indes ist das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinn zu verstehen (grundlegend: BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 <36 ff.>), das auch die Gewährleistung enthält, nur auf Grund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formal und materiell der Verfassung gemäß sind (BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 <45>). Weil der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts stets einem staatlichen Freiheitseingriff unterliegt, folgt nach der sog. Adressatentheorie allein hieraus ein Klagerecht nach § 42 Abs. 2 VwGO. Konsequenterweise und korrespondierend hiermit muss eine als Eingriff in die Freiheit ihres Adressaten zu bewertende behördliche Verfügung regelmäßig nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben werden, wenn die Sach- und Rechtsprüfung ergibt, dass der grundrechtliche Anspruch auf Gesetzmäßigkeit durch die Eingriffsverwaltung verletzt wurde, denn der Eingriff ist dann nicht durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt (Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand Januar 2010, Art. 2 Abs. 1 Rn. 65; vgl. auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 35 f.). Nur in durch besondere Normstrukturen gekennzeichneten Ausnahmefällen, zu denen die hier zu entscheidende Fallkonstellation ersichtlich nicht gehört, können sich das Bedürfnis einer näheren Begründung dieser Regel (BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1997 - 2 BvL 55, 56/92 - BVerfGE 97, 49 <61 ff.>, diese von dem Oberverwaltungsgericht zitierte Entscheidung betrifft eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG) oder eine Ausnahme von ihr (vgl. etwa: Beschluss vom 4. November 2005 - BVerwG 1 B 58.05 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 14 S. 29) ergeben.

17

Der Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht nach Art. 19 Abs. 3 GG einer "Vereinigung" versagt werden, die ein an sie gerichtetes vereinsrechtliches Verbot unter Berufung darauf angreift, dass sie die Merkmale eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfülle. Denn eine solche "Vereinigung" weist, da sie ansonsten schwerlich Ziel einer Maßnahme nach dem Vereinsgesetz wäre, jedenfalls in Ansätzen eine organisatorische Verfestigung auf und ist, soweit es um die Frage ihrer Vereinseigenschaft geht, Zuordnungssubjekt einer rechtlichen Regelung, so dass eine Grundrechtsberechtigung der Organisation zur Abrundung des Freiheitsschutzes der hinter ihr stehenden Individuen anzunehmen ist (vgl. zu diesen Kriterien: Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand Januar 2010, Art. 19 Abs. 3 Rn. 41; Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 19 Rn. 65).

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner.

(1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.

(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

69

7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

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8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

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9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

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Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

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Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

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Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

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Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

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Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

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III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

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2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

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b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

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Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

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Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

3

Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.

4

Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.

5

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.

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Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.

11

a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.

13

aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).

14

Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).

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Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.

16

Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift "Funkenflug" (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als "1. Bundesführer" bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten "Führerrundbrief 2/04" (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird "je nach Ausgewogenheit" zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im "Funkenflug" veröffentlicht worden sei.

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bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.

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(1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel "Wo stehen wir?" (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als "Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt" beschrieben und das nach "Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland" gepriesen.

19

Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den "Anschluss" des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.

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Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.

21

(2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als "volksschädlich" und "volksfremd" definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen "Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit" (Anl. 38, S. 4), sei "die höchste Form völkischen Zusammenlebens" und habe "oberstes Ziel der Politik" zu sein. "Volksfremde" könnten in einer solchen Gemeinschaftsform "keinen Platz finden". Das Volk werde "durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht".

22

Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der "biologischen Existenz" des (deutschen) Volkes durch "Fremdvölkische( )".

23

(3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten "Führerrundbrief 02/07" (Anl. 73) enthalten ist: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die 'Sinnfrage' stellen und verunsichert stillsitzen."

24

Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.

25

(4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, in dem Artikel "Jugendbewegung, woher und wohin?" (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: "... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein."

26

Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.

27

In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer."

28

Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Trommler" aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.

29

Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: "Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt."

30

Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.

31

cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.

32

In einem mit "Heldengedenken 01.08" überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: "Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation." Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein "Bundesführerin der Mädchen" genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als "Märtyrer des Friedens"; im Jahr 1987 habe seine "Ermordung in Spandau" stattgefunden (Anl. 27).

33

Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.

34

dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.

35

Den Begriff "Führer" verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade ("Bundesführer", "Bundesführerin der Mädchen", "Zweiter Bundesführer", "Leitstellenführer", "Einheitsführer", "Unterführer") und Dienstränge ("Führer vom Dienst", "Wachführer vom Dienst", "Zeltführer/Stubenführer") sowie für seine Publikationen ("Führerrundbrief", "Führerhandbuch" ). Als Grußformel gegenüber sog. "Führern" und "Unterführern" schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte "Heil Dir!" oder "Heil Euch!" vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er "Pimpfe" (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).

36

Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes "Heil" den Zusammenhang der Grußformel "Heil Dir/Euch!" mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff "Pimpf" ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.

37

ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: "Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ..."

38

(1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. "Rasseschulung" für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der "Durchmischung" von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude" zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.

39

Diese sog. "Rasseschulung" ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst "Rasseschulungen" abhält.

40

(2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch "Rasseschulungen" durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die "Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung" bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: "In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!" Ähnliches Gedankengut findet sich in dem "Volk und Sprache" überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: "Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern." Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift "Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -" (Anl. 110) enthält die Passage: "Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin." Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte "Prüfungsbögen" (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu "Biologie und Rassenkunde" überprüft.

41

Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. "Blutschutzgesetzes" formuliert ist.

42

(3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über "Erntedank im Volksbrauch" (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: "Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art." In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel "Das Kleid der Unsterblichkeit" (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: "Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen." Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift "Du bist Deutschland" (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: "Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird."

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Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als "ein Fleisch und ein Blut" bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.

44

ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.

45

(1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", den Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. "Judenwitze" in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage "Was bringt die Zukunft?" als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude". Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.

46

(2) Die sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung "Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung "Daily Express" vom 24. März 1933, es habe eine "Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland" gegeben und führt aus: "Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können."

47

Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.

48

(3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel "Der Nahe Osten ist näher als du denkst" (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: "Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben." Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen "Einwurf" (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: "Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch."

49

In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.

50

gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.

51

(1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als "Umerziehung" durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: "In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten." Der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift "Einheitsgründungsfeier" wie folgt: " ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!" Die sog. "Bundesführerin der Mädchen", Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: "(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten." Und ein Schreiben, das der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: "Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand."

52

Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der "Umerziehung" auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).

53

(2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel "Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit" (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): "Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen 'schwarz-weiß-rot' auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!" Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Zur Gesellschaft" (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): "Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk."

54

Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.

55

hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als "Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer" zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): "Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten." In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: "Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen." Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel "Revolution" (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: "Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand." Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: "Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!"

56

Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.

57

2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

3

Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.

4

Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.

5

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.

6

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.

11

a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.

13

aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).

14

Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).

15

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.

16

Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift "Funkenflug" (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als "1. Bundesführer" bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten "Führerrundbrief 2/04" (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird "je nach Ausgewogenheit" zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im "Funkenflug" veröffentlicht worden sei.

17

bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.

18

(1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel "Wo stehen wir?" (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als "Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt" beschrieben und das nach "Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland" gepriesen.

19

Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den "Anschluss" des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.

20

Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.

21

(2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als "volksschädlich" und "volksfremd" definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen "Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit" (Anl. 38, S. 4), sei "die höchste Form völkischen Zusammenlebens" und habe "oberstes Ziel der Politik" zu sein. "Volksfremde" könnten in einer solchen Gemeinschaftsform "keinen Platz finden". Das Volk werde "durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht".

22

Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der "biologischen Existenz" des (deutschen) Volkes durch "Fremdvölkische( )".

23

(3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten "Führerrundbrief 02/07" (Anl. 73) enthalten ist: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die 'Sinnfrage' stellen und verunsichert stillsitzen."

24

Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.

25

(4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, in dem Artikel "Jugendbewegung, woher und wohin?" (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: "... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein."

26

Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.

27

In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer."

28

Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Trommler" aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.

29

Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: "Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt."

30

Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.

31

cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.

32

In einem mit "Heldengedenken 01.08" überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: "Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation." Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein "Bundesführerin der Mädchen" genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als "Märtyrer des Friedens"; im Jahr 1987 habe seine "Ermordung in Spandau" stattgefunden (Anl. 27).

33

Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.

34

dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.

35

Den Begriff "Führer" verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade ("Bundesführer", "Bundesführerin der Mädchen", "Zweiter Bundesführer", "Leitstellenführer", "Einheitsführer", "Unterführer") und Dienstränge ("Führer vom Dienst", "Wachführer vom Dienst", "Zeltführer/Stubenführer") sowie für seine Publikationen ("Führerrundbrief", "Führerhandbuch" ). Als Grußformel gegenüber sog. "Führern" und "Unterführern" schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte "Heil Dir!" oder "Heil Euch!" vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er "Pimpfe" (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).

36

Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes "Heil" den Zusammenhang der Grußformel "Heil Dir/Euch!" mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff "Pimpf" ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.

37

ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: "Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ..."

38

(1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. "Rasseschulung" für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der "Durchmischung" von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude" zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.

39

Diese sog. "Rasseschulung" ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst "Rasseschulungen" abhält.

40

(2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch "Rasseschulungen" durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die "Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung" bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: "In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!" Ähnliches Gedankengut findet sich in dem "Volk und Sprache" überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: "Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern." Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift "Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -" (Anl. 110) enthält die Passage: "Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin." Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte "Prüfungsbögen" (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu "Biologie und Rassenkunde" überprüft.

41

Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. "Blutschutzgesetzes" formuliert ist.

42

(3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über "Erntedank im Volksbrauch" (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: "Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art." In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel "Das Kleid der Unsterblichkeit" (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: "Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen." Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift "Du bist Deutschland" (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: "Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird."

43

Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als "ein Fleisch und ein Blut" bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.

44

ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.

45

(1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", den Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. "Judenwitze" in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage "Was bringt die Zukunft?" als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude". Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.

46

(2) Die sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung "Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung "Daily Express" vom 24. März 1933, es habe eine "Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland" gegeben und führt aus: "Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können."

47

Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.

48

(3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel "Der Nahe Osten ist näher als du denkst" (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: "Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben." Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen "Einwurf" (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: "Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch."

49

In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.

50

gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.

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(1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als "Umerziehung" durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: "In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten." Der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift "Einheitsgründungsfeier" wie folgt: " ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!" Die sog. "Bundesführerin der Mädchen", Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: "(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten." Und ein Schreiben, das der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: "Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand."

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Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der "Umerziehung" auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).

53

(2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel "Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit" (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): "Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen 'schwarz-weiß-rot' auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!" Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Zur Gesellschaft" (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): "Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk."

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Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.

55

hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als "Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer" zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): "Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten." In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: "Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen." Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel "Revolution" (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: "Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand." Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: "Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!"

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Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.

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2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Kennzeichen des verbotenen Vereins dürfen für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots nicht mehr

1.
öffentlich, in einer Versammlung oder
2.
in einem Inhalt (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches), der verbreitet wird oder zur Verbreitung bestimmt ist,
verwendet werden. Ausgenommen ist eine Verwendung von Kennzeichen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen und ähnlicher Zwecke.

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen Vereinen verwendet werden. Ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins wird insbesondere dann in im Wesentlichen gleicher Form verwendet, wenn bei ähnlichem äußerem Gesamterscheinungsbild das Kennzeichen des verbotenen Vereins oder Teile desselben mit einer anderen Orts- oder Regionalbezeichnung versehen wird.

(4) Diese Vorschriften gelten auch für die Verwendung von Kennzeichen einer Ersatzorganisation für die Dauer der Vollziehbarkeit einer Verfügung nach § 8 Abs. 2 Satz 1.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Die Verbotsbehörde oder die Einziehungsbehörde zieht Forderungen Dritter gegen den Verein ein, wenn

1.
sie aus Beziehungen entstanden sind, die sich nach Art, Umfang oder Zweck als eine vorsätzliche Förderung der verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins darstellen, oder
2.
sie begründet wurden, um Vermögenswerte des Vereins dem behördlichen Zugriff zu entziehen oder den Wert des Vereinsvermögens zu mindern.
Hat der Gläubiger eine solche Forderung durch Abtretung erworben, so kann sie nur eingezogen werden, wenn der Gläubiger die in Satz 1 bezeichneten Tatsachen bei dem Erwerb kannte.

(2) Sachen Dritter werden eingezogen, wenn der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind.

(3) Rechte Dritter an den nach § 11 Abs. 1 oder nach § 12 Abs. 1 oder 2 eingezogenen Gegenständen bleiben bestehen. Sie werden eingezogen, wenn sie unter den in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen begründet oder erworben worden sind.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 eingezogenen Gegenstände gehen mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verbots und der Einziehungsverfügung auf den Einziehungsbegünstigten über. Nicht vererbliche Rechte erlöschen.

(5) Verfügungen des Vereins, die in den letzten sechs Monaten vor Erlaß des Verbots in der dem anderen Teil bekannten Absicht vorgenommen wurden, Gegenstände des Vereinsvermögens beiseite zu schaffen, sind dem Einziehungsbegünstigten gegenüber unwirksam. Ist zugunsten eines Vereinsmitglieds oder einer Person, die ihm im Sinne des § 138 Abs. 1 der Insolvenzordnung nahesteht, verfügt worden, so wird vermutet, daß diesen die in Satz 1 bezeichnete Absicht bekannt war.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.