Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 30. Dez. 2014 - 5 D 83/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Klägerin wendet sich gegen eine vereinsrechtliche Verbotsverfügung.
3Nach den Erkenntnissen des Beklagten ist die Vereinigung 1983 gegründet worden. Ihr gehörten nach den Ermittlungen des Beklagten im Jahre 2012 62 Mitglieder an. Die Führungsposition wurde durch die Herren C. , E. , E1. , E2. , H. und T. wahrgenommen.
4Durch Verfügung vom 10. August 2012, adressiert an die Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“, zu Händen der auf Bl. 1 bis 8 der umstrittenen Verfügung namentlich benannten 62 Personen, stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK NRW) fest, dass sich die Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider läuft (Nr. 1). Zugleich verbot das MIK NRW die Vereinigung und löste sie auf (Nr. 2). Darüber hinaus verbot es, Kennzeichen der Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“ für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots öffentlich, in einer Versammlung oder in Schriften, Ton- und Bildträgern, Abbildungen oder Darstellungen, die verbreitet werden können oder zur Verbreitung bestimmt sind, zu verwenden (Nr. 3). Ferner untersagte es der Vereinigung jede Tätigkeit und verbot, Ersatzorganisationen zu bilden oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen (Nr. 4). Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und zugunsten des Beklagten eingezogen. Dies galt auch für Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch Überlassen der Sachen an die Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“ deren verfassungsfeindliche Zwecke und Tätigkeiten vorsätzlich gefördert habe oder die Sachen zur Förderung dieser Zwecke und Tätigkeiten bestimmt seien (Nr. 5). Unter Nr. 6 der Verfügung bestimmte das MIK NRW, dass die vorerwähnten Regelungen auch für die „Kameradschaft Dortmund“, „NW / Nationaler Widerstand Dortmund“ und „AN / Autonome Nationalisten Dortmund“ gälten, unter deren Namen die Klägerin ebenfalls auftrete. Schließlich wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet. Hiervon ausgenommen wurden lediglich die angeordneten Vermögenseinziehungen (Nr. 7).
5Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus: Die Klägerin sei ein Verein im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und § 2 Abs. 1 des Vereinsgesetzes (VereinsG). Sie richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Insbesondere bekenne sie sich zum Nationalsozialismus und verherrliche ihn. Sie trete mit kämpferisch-aggressiver Grundhaltung auf und weise im Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf, die sich gegen elementare Verfassungsgrundsätze richte. Des Weiteren liefen Zweck und Tätigkeiten der Vereinigung den Strafgesetzen zuwider. Dies lasse sich anhand von acht näher ausgeführten Fällen belegen. Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig.
6Die Klägerin hat am 19. September 2012 Klage erhoben. Ausweislich der Klageschrift wird sie vertreten durch ihre Leitung, bestehend aus den im Rubrum namentlich aufgeführten sechs Herren. Als Anlage zur Klageschrift ist eine von ihnen am 12. bzw. 13. September 2012 unterschriebene Vollmacht beigefügt, ausweislich derer die Prozessbevollmächtigte in Sachen Verbot „Nationaler Widerstand Dortmund“ ermächtigt wird, „mich gerichtlich zu vertreten, mich außergerichtlich zu vertreten ...“.
7Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, lediglich folgende Personen seien ihre Mitglieder: B. , C1. , C. , E. , E1. , E3. , E2. , H1. , H. , H2. , I. , I1. , L. , O. , P. , T1. , T2. , T3. , T. , X. , U. X1. , K. X2. und X3. . Die übrigen in der Verbotsverfügung genannten Personen seien nur Gäste bei Veranstaltungen oder sonstigen Tätigkeiten gewesen. Zu Unrecht rechne der Beklagte ihr nicht von ihr stammende Äußerungen zu. Ihr Zweck laufe den Strafgesetzen nicht zuwider. Ihr Zweck oder ihre Tätigkeit richteten sich auch nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Schließlich verstoße das Vereinsverbot gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung gegenüber linksgerichteten Gruppen. Zudem liege ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit aus Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor.
8Die Klägerin beantragt,
9die Verbotsverfügung des Beklagten vom 10. August 2012 aufzuheben.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Unter Verteidigung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung macht er geltend, die Klage sei unzulässig. Eine Klageerhebung mit der Formulierung „vertreten durch ihre Leitung“ werde den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Vertretung der Klägerin nicht gerecht. Von der mitgliedschaftlichen Zusammensetzung gemäß Klägervortrag ausgehend sei eine gemeinschaftliche Vertretung jedenfalls durch die von der Klägerseite bestätigten Mitglieder notwendig. Im Übrigen müsse sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Frage der Vertretungsbefugnis aus nach außen leicht erkennbaren Umständen beantworten lassen.
13Die Klägerin ist dieser Betrachtung mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 entgegengetreten. Sie besitze keine Satzung, ungeregelt sei insbesondere, wie der Vorstand bestellt werde. Demgemäß komme es auf ihr Selbstverständnis und die tatsächlichen Verhältnisse an, wobei allerdings grundsätzlich an auch nach außen leicht erkennbare Umstände anzuknüpfen sei. Die in der Klageschrift genannten sechs Personen hätten jahrelang die Leitung innegehabt. Dies sei auch für den Beklagten erkennbar gewesen, der bei ihren Namen in der Verbotsverfügung „Teilnahme und Leitung“ eingetragen habe. Im Übrigen seien die in der Verbotsverfügung genannten 62 natürlichen Personen lediglich zum Teil Mitglied gewesen.
14In Vertiefung seines bisherigen Vorbringens hat der Beklagte unter dem 30. Januar 2013 erwidert, die innere Ordnung der Klägerseite habe durch die Sicherheitsbehörden langwierig ermittelt werden müssen. Hierbei habe nicht an nach außen hin leicht erkennbare Umstände angeknüpft werden können. Allein durch eine interne Hierarchie werde eine Vertretungsbefugnis nicht verliehen. Es sei unzureichend, eine solche Hierarchie lediglich intern zu üben. Sie habe nach außen hin transparent gemacht werden müssen. Auch hinsichtlich der meisten der 39 natürlichen Personen, für die die Mitgliedschaft bestritten sei, lägen Erkenntnisse von Polizei und Verfassungsschutz vor, wonach sie sämtlich als Mitglieder der Klägerin einzustufen seien.
15Durch Verfügung vom 3. Juni 2014 hat der Senat Zweifel an der Zulässigkeit der Klageerhebung geäußert. Daraufhin hat die Klägerin unter dem 8. Juli 2014 mitgeteilt, sie habe eine Satzung besessen. Die Suche gestalte sich wegen zahlreicher Hausdurchsuchungen und des damit verbundenen Verlustes von Unterlagen langwieriger. Trotz intensiven Nachforschens und Suchens habe die Satzung weder bei den Leitungsmitgliedern noch bei den anderen Mitgliedern der Klägerin gefunden werden können.
16In Beantwortung der Aufklärungsverfügung vom 19. August 2014, wo sich die Satzung nach Einschätzung der Mitglieder der Klägerin zuletzt befunden habe oder aller Wahrscheinlichkeit nach befunden haben könnte, hat die Klägerin vorgetragen, die Satzung sei auf einem der Computer gespeichert gewesen, die sich ursprünglich in der S. Straße 135 in E4. befunden hätten. Diese seien in den Jahren 2009 bis 2012 bei einer der zahlreichen Hausdurchsuchungen beschlagnahmt worden. Die Satzung sei in der Zeit entstanden, als die Klägerin in diesen Räumlichkeiten ihren Sitz gehabt habe.
17Unter dem 16. Oktober 2014 hat der Beklagte unter Hinweis auf drei Hausdurchsuchungen in der von der Klägerseite genannten Zeit ausgeführt, die bei der Durchsuchung am 24. November 2010 beschlagnahmten fünf Computer hätten ohne Sicherung der Daten und anschließender Auswertung wieder herausgegeben werden müssen. Bei der Durchsuchung am 28. März 2012 seien keine Computer beschlagnahmt worden. Bei der am 23. August 2012 durchgeführten Durchsuchung sei ein PC sichergestellt worden. Er enthalte zwei Datenträger. Auf dem einen seien Musikdateien, auf dem zweiten verschlüsselte Daten vorhanden. Eine Entschlüsselung sei nicht möglich. Vor dem Hintergrund des wechselnden Klägervortrags sei davon auszugehen, dass es eine Satzung nicht gegeben habe.
18Durch Verfügung vom 10. November 2014 hat der Senat darauf aufmerksam gemacht, es gebe keinen greifbaren Anhaltspunkt für die erstmals im Schreiben vom 8. Juli 2014 aufgestellte Behauptung der Klägerin, die Vereinigung habe eine Satzung besessen.
19Daraufhin hat die Klägerin vorgetragen, die Einschätzung des Senats stehe im Widerspruch zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.2010– 6 B 20.10 –. Eine langjährig angewandte Regelung könne unter Umständen als konkludent beschlossener Satzungsbestandteil aufzufassen sein. Insbesondere sei in der Rechtsprechung nicht die Rede davon, dass der Vorstand sich aus nach außen leicht erkennbaren Umständen ergeben müsse. Gemäß ihrem Selbstverständnis habe die Klägerin basisdemokratische und auf spontane Aktionen ausgerichtete Tätigkeiten entfaltet. Auf Regularien habe sie keinen Wert gelegt. In Versammlungen habe sie ihren Gesamtwillen gebildet und regelmäßig ihre Leitung, zuletzt die in der Klageschrift genannten sechs Mitglieder, als Leitung bestimmt.
20In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Leitungsmitglieder C. und E1. angehört. Herr C. hat angegeben, für die von ihm als Mitglied überblickte Zeit ab Ende 2007 sei – neben Vorstandssitzungen im Abstand von zwei bis drei Monaten und wöchentlichen Kameradschaftsabenden ‑ einmal jährlich eine Hauptversammlung durchgeführt worden. Hieran hätten fast alle Mitglieder teilgenommen. Mitgliederausweise seien nicht ausgestellt worden. Jemand sei Mitglied gewesen, wenn er in die Vereinigung hineingewachsen sei. Hierbei sei es entscheidend auf das Zugehörigkeitsgefühl angekommen. Das Hineinwachsen sei durch Beitragszahlung, Teilnahme an Aktionen und das Einhalten von Absprachen geschehen. Allerdings habe es auch nichtzahlende Mitglieder gegeben. Der Mitgliederkern habe aus den in der Klageschrift benannten dreiundzwanzig Personen bestanden. Herr E1. hat bezüglich der regelmäßigen Kameradschaftsabende ausgeführt, die Teilnehmer hätten zu Vorgetragenem diskutiert und basisdemokratisch abgestimmt, wenn eine Entscheidung zu treffen gewesen sei. Wegen der Angaben der Herren C. und E1. wird ergänzend auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (13 Ordner) verwiesen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist unzulässig.
24Sie ist nicht im Namen aller nach dem Vorbringen der Klägerseite zum Zeitpunkt der Klageerhebung (jedenfalls) vorhandenen Mitglieder des klagenden nicht rechtsfähigen Vereins erhoben worden. Für eine Vereinigung handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände (§ 62 Abs. 3 VwGO). Dies sind bei der in Rede stehenden nicht rechtsfähigen Vereinigung sämtliche Mitglieder gemeinschaftlich (§ 54 Satz 1 i. V. m. § 709 Abs. 1 BGB; dazu unter 2.), da im Streitfall nicht durch Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist (1.). Die vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für eine wirksame Klageerhebung des Vereins sind nicht erfüllt. Etwaige Besonderheiten des Streitfalls rechtfertigen kein abweichendes Ergebnis (3.)
251. Für eine von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen abweichende Geschäftsführungsbefugnis ist im Streitfall kein greifbarer Anhaltspunkt aus dem Vorbringen der Klägerseite zu entnehmen. Dieses ist durch Abweichungen und verfügungsangepassten Vortrag gekennzeichnet. Hatte die Klägerseite mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 noch geltend gemacht, eine Satzung gebe es nicht, ist nach entsprechender Hinweisverfügung des Gerichts vorgetragen worden, es habe eine Satzung bestanden. Diese habe sich als elektronische Datei auf der Festplatte eines der beschlagnahmten Computer befunden. Zuletzt hat die Klägerseite behauptet, eine satzungsähnliche Regelung ergebe sich aus der über einen längeren Zeitraum hinweg derartig praktizierten „basisdemokratischen“ Verfahrensweise. Aus diesem Vortragsverhalten lässt sich keine – wie auch immer ausgestaltete – Vertretungsbefugnis einzelner Mitglieder der verbotenen Vereinigung, namentlich der Herren C. , E. , E1. , E2. , H. und T. , ableiten. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
26Zwischenurteil vom 21.1.2004 – 6 A 1.04 -, DVBl. 2004, 713 = juris, Rdnr. 20,
27muss die Vertretungsbefugnis an nach außen leicht erkennbare Umstände anknüpfen. Sie darf nicht von möglicherweise schwierigen Prüfungen der inneren Ordnung einer Organisation abhängig gemacht werden.
28Dies zugrundegelegt ist nichts Greifbares für eine Übertragung der Geschäftsführung ersichtlich. Es ist schon nicht davon auszugehen, dass eine rein tatsächlich praktizierte interne Hierarchie der klägerischen Vereinigung einigen wenigen (Leitungs-)Mitgliedern Vertretungsbefugnis einräumen kann. Im Übrigen hat eine derartige Kenntnis nach dem Vorbringen des Beklagten, dem die Klägerin nicht substantiiert entgegen getreten ist, gründliche Ermittlungen der Sicherheitsbehörden vorausgesetzt. Leicht erkennbare Umstände, aus denen sich die Vertretungsbefugnis einzelner Mitglieder ergeben könnte, sind jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die Klägerseite im Verlauf des Klageverfahrens in tatsächlicher Hinsicht zum Bestehen einer satzungsgemäßen Vertretungsregelung widersprüchliche Angaben gemacht hat. Wenn sie selbst schon zu einem schlüssigen Vorbringen außer Stande ist, erschließt sich nicht, wie Außenstehenden im Rechtsverkehr eine verlässliche Beurteilung – zudem noch leicht – möglich sein soll. Hinzu kommt, dass auch insoweit nach den maßgeblichen vereinsrechtlichen Bestimmungen (§§ 54, 710 BGB) ein hinreichend deutlicher Übertragungsakt seitens sämtlicher Vereinsmitglieder erforderlich ist, für den hier nichts erkennbar ist. Eine wie auch immer gebildete interne Praxis genügt hierfür selbst dann nicht, wenn sie jahrelang beibehalten wird.
29Diese Bewertung gilt auch unter Berücksichtigung der Angaben der Herren C. und E1. in der mündlichen Verhandlung. Ihrem Vorbringen ist nichts dafür zu entnehmen, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt eine Mitgliederversammlung gegeben hat, auf der – zudem anders als durch bloßes Schweigen – die in der Klageschrift aufgeführten Leitungsmitglieder durch sämtliche (seinerzeitigen) Mitglieder der Klägerin ermächtigt worden sind, die Geschäfte für die Vereinigung zu führen. Hinzu kommt, dass gemäß den Angaben von Herrn C. (auch nach außen hin) nicht ansatzweise zu erkennen gewesen ist, wer – ggf. über die zugestandenen 23 Personen hinaus ‑ überhaupt Mitglied der Klägerin ist. Mitgliederausweise sind nicht ausgestellt worden. Es war keine Rede davon, dass Anwesenheitslisten geführt worden sind. Im Übrigen hat Herr C. betont, die Mitgliedschaft habe stark vom subjektiven Zugehörigkeitsgefühl des Einzelnen abgehangen. Bei dieser Sachlage ist nichts für eine Geschäftsführungsbefugnis ersichtlich, die von der gesetzlichen Regelung (Gesamtvertretung durch alle Mitglieder) abweicht.
302. Dem danach zu erfüllenden Erfordernis der Klageerhebung durch den allein anfechtungsbefugten verbotenen Verein, bestehend aus den Mitgliedern im Verbotszeitpunkt, ist im Streitfall nicht genügt. Dabei kann auf sich beruhen, ob sämtliche in der Verbotsverfügung genannten 62 Personen Mitglieder der Klägerin gewesen sind. Jedenfalls haben die in der Klageschrift aufgeführten, über die Herren C. , E. , E1. , E2. , H. und T. hinausgehenden Personen als Mitglieder nicht an der Klageerhebung mitgewirkt. Dabei handelt es sich um die (durch die Herren C. und E1. in der mündlichen Verhandlung bestätigten) Mitglieder B. , C1. , E3. , H1. , H2. , I. , I1. , L. , O. , P. , T1. , T2. , T3. , X. , U. X1. , K. X2. und X3. .
313. Etwaige Besonderheiten des Streitfalls rechtfertigen kein abweichendes Ergebnis. Dies gilt sowohl mit Blick darauf, dass die vorerwähnten sechs Leitungsmitglieder in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführt sind (a), als auch im Hinblick auf die Unterzeichnung einer Vollmacht durch sie (b). Die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung ändert das Ergebnis ebenfalls nicht (c).
32a) Der Beklagte hat die angefochtene Verbotsverfügung ausschließlich und ausdrücklich an die Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“ gerichtet und diese Entscheidung den in der Verbotsverfügung aufgeführten Personen „z. Hd.“, also zu Händen, und mithin offenkundig allen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung amtlich bekannten Vereinsmitgliedern als Vertreter der nicht selbst rechts- und handlungsfähigen Vereinigung zukommen lassen.
33b) Die mit der Klageschrift zur Gerichtsakte gereichte Prozessvollmacht rechtfertigt ebenfalls kein abweichendes Ergebnis. Dies gilt umso mehr, als sie nicht von sämtlichen Vereinsmitgliedern ausgestellt worden ist. Dessen ungeachtet spricht sie ausdrücklich davon, in Sachen Verbot „Nationaler Widerstand Dortmund“ „mich gerichtlich zu vertreten“. Nach dem für Erklärungen dieser Art als empfangsbedürftige Erklärungen maßgeblichen Empfängerhorizont (vgl. §§ 133, 157 BGB) ist der erforderliche Wille, für einen anderen als die bezeichnete natürliche Person, nämlich: die Vereinigung als solche, zu handeln, entgegen den allgemeinen Erfordernissen (vgl. § 164 Abs. 2 BGB) nicht hinreichend deutlich erkennbar hervorgetreten.
34c) Die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung ändert das Ergebnis ebenfalls nicht. Sie kann aus dem von ihr angeführten Beschluss des OVG Schleswig-Holstein vom 14.2.2011 – 4 MR 1/10 -, juris Rdnr. 32, nichts für sie Günstiges herleiten. Im dortigen Streitfall war weder geltend gemacht noch ersichtlich, dass neben den namentlich genannten Mitgliedern im Verbotszeitpunkt weitere Mitglieder vorhanden gewesen sind. Dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.7.2010 ‑ 6 B 20.10 ‑, juris Rdnr. 14, ist lediglich zu entnehmen, dass zur Anfechtung eines Vereinsverbots regelmäßig nur die verbotene Vereinigung befugt ist, nicht aber ein einzelnes Mitglied. Dass die Vereinigung nach § 62 Abs. 3 VwGO durch ihren Vorstand vertreten wird, setzt voraus, dass die zu Grunde liegenden materiellen Rechtsvorschriften dieses Ergebnis tragen. Dies ist im Streitfall, wie dargelegt, mit Blick auf § 54 Satz 1 i. V. m. § 709 Abs. 1 BGB nicht der Fall.
35Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass den vorerwähnten sechs Leitungsmitgliedern der Klägerin – wollte man die Klage als durch sie und für sie erhoben ansehen – die Klagebefugnis fehlt. Sie können nicht geltend machen, durch die Verbotsverfügung in ihren Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO. Nach der vom Senat geteilten gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung regelmäßig – so auch hier – allein die verbotene Vereinigung selbst befugt, nicht hingegen ein Mitglied. Die Verbotsverfügung betrifft nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher Personen, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Personengesamtheit. Sofern das Vereinsverbot Rechte verletzt, können dies allein Rechte der verbotenen organisierten Personengesamtheit sein.
36Nur ausnahmsweise und zusätzlich zum Anfechtungsrecht der Vereinigung können auch einzelne Personen, zu deren Händen eine Verbotsverfügung ergangen ist, gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zur Anfechtung dieser Verfügung befugt sein. Dazu müssen sie geltend machen, die Existenz eines Vereins sei von vornherein ausgeschlossen und die Verfügung betreffe sie daher in ihrer persönlichen Rechtsstellung.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.5.2014 – 6 A 3.13 ‑, NVwZ 2014, 1573, 1574, Beschluss vom 19.7.2010 – 6 B 20.10 –, NVwZ 2011, 372 = juris, Rdnr. 14, Gerichtsbescheid vom 3.4.2003 – 6 A 5.02 –, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 39 = juris, Rdnr. 12, Beschluss vom 2.3.2001 – 6 VR 1.01 u.a. –, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34 = juris, Rdnr. 5 f., Urteil vom 13.8.1984 – 1 A 26.83 –, DÖV 1984, 940 = juris, Rdnr. 6 f.; OVG NRW, Beschluss vom 10.9.2012 – 5 B 664/12 –.
38Nach Maßgabe dieser Grundsätze wäre eine Klagebefugnis für die Herren C. , E. , E1. , E2. , H. und T. ausgeschlossen. Der Beklagte hat die umstrittene Verbotsverfügung, wie ausgeführt, ausschließlich und ausdrücklich an die verbotene Vereinigung, u. a. zu deren Händen, gerichtet. Demgemäß erfolgte die Zustellung an diese Herren lediglich als Vertreter der nicht selbst rechts- und handlungsfähigen Vereinigung. Diese machen auch nicht geltend, die Existenz des Vereins sei von vornherein ausgeschlossen, und die Verfügung betreffe sie mithin in ihrer eigenen Rechtsstellung.
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
40Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 30. Dez. 2014 - 5 D 83/12
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Urteil einreichenOberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 30. Dez. 2014 - 5 D 83/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.
(2) Vereine im Sinne dieses Gesetzes sind nicht
(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind
- 1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen, - 2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.
(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.
(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.
(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.
(1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.
(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen.
Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner.
Ist in dem Gesellschaftsvertrag die Führung der Geschäfte einem Gesellschafter oder mehreren Gesellschaftern übertragen, so sind die übrigen Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Ist die Geschäftsführung mehreren Gesellschaftern übertragen, so findet die Vorschrift des § 709 entsprechende Anwendung.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.
(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers - 4 KS 2/10 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. April 2010 wird insoweit angeordnet, als darin die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt wird.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf
5.000,-- Euro
festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg.
- 2
Mit Bescheid vom 21. April 2010, gerichtet an den Antragsteller, zu Händen der im Aktivrubrum unter Ziffern 1) - 12) genannten damaligen Vereinsmitglieder, stellte der Antragsgegner fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Antragstellers den Strafgesetzen zuwiderliefen und sich der Antragsteller gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Er erklärte den Antragsteller für verboten, löste ihn auf und untersagte ihm jede Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche Verwendung bzw. Verwendung seiner Kennzeichen in einer Versammlung. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Sachen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen, soweit ihre Überlassung an den Antragsteller dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeiten vorsätzlich gefördert habe oder die Sachen zur Förderung dieser Zwecke und Tätigkeiten bestimmt seien. Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens an. Zur Begründung wurde in dem Bescheid angeführt, der Antragsteller sei 2003 als eigenständiger Verein innerhalb der Bewegung „Hells Angels“ gegründet worden. Er sei aus dem langjährigen Motorradclub „S…. MC“ hervorgegangen und habe 2008 den endgültigen Status eines „Hells Angels MC Charter“ erlangt. Derzeit bestehe der Verein aus 12 Mitgliedern; Präsident sei C…, Vizepräsident E…, Secretary G…, „Road Captain“ I… und „Treasurer“ O…. Eine Vereinssatzung sei nicht bekannt; allerdings sei davon auszugehen, dass der Antragsteller sich an den Satzungsregelungen der weltweiten „Hells Angels“-Vereinigung orientiere. Dies gelte unter anderem für die Verpflichtung zur Einhaltung des „Ehrenkodex“, welcher einen absoluten Vorrang der Vereinsinteressen gegenüber den Interessen der einzelnen Mitglieder sowie ein absolutes Aussage- und Kooperationsverbot gegenüber Strafermittlungsbehörden beinhalte. Beleidigungen oder Angriffe durch andere verfeindete Organisationen würden kollektiv gerächt.
- 3
Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Antragstellers den Strafgesetzen zuwiderliefen, begründete der Antragsgegner wie folgt:
- 4
Die Zweckbestimmung des Antragstellers sei nicht allein das gemeinsame Motorradfahren, sondern eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisation der „Bandidos“ und deren Unterstützer. Die strafrechtsrelevante Vereinstätigkeit und die Eskalationen insbesondere gegenüber den „Bandidos“ würden in mehreren Strafverfahren deutlich:
- 5
- nach Zahlung eines Geldbetrages eingestellte Anklage gegen E…. wegen Körperverletzung im September 2008 (Faustschlag gegenüber dem Besucher eines Bürgerfestes)
- 6
- Verurteilung von C…. vom Dezember 2008 durch das AG Flensburg wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung (versuchte Schutzgelderpressung gegenüber dem Geschäftsführer eines Tattooladens; unerlaubter Besitz einer Schusswaffe)
- 7
- Verurteilung von I…. zu einer Geldstrafe durch das AG Flensburg wegen Steuerhehlerei (Sicherstellung von unverzollten Zigaretten sowie eines Teleskopschlagstockes im Juni 2009)
- 8
- Rechtshilfeersuchen der Schweiz für O…., S…. und Y…. wegen Mitführens verbotener Waffen im Dezember 2009
- 9
- Strafverfahren gegen C…. vor dem LG Flensburg u.a. wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr auf Grund eines Vorfalls am 12. September 2009 auf der BAB 7, bei dem ein Mitglied der „Bandidos“ durch ein auf C…. zugelassenes Tatfahrzeug gerammt und lebensgefährlich verletzt worden sei. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren gegen die weiteren Mitglieder K…., M…., O…., Q…. und Y…. sei eingestellt worden.
- 10
- Sicherstellung eines umfangreichen Waffen- und Munitionsarsenals im November 2009 bei einem Gewerbetreibenden in Flensburg, der zum Antragsteller geschäftliche Kontakte unterhalte. Kriminaltechnische Untersuchungen hätten einen dringenden Tatverdacht wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gegen C…., Q…. und O…. ergeben.
- 11
- Strafermittlungsverfahren gegen O…. wegen Verdachts der Hehlerei alkoholischer Getränke (Durchsuchungsfund vom Januar 2010).
- 12
- Ermittlungsverfahren gegen K…. und Q…. wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts (Durchsuchungsfund vom Januar 2010).
- 13
- seit Oktober 2004 geführtes Ermittlungsverfahren wegen mittelbarer Falschbeurkundung und gewerbsmäßiger Hehlerei gegen S…. (Handel mit gestohlenen Motorradteilen, Vergabe von nicht ordnungsgemäßen TÜV-Gutachten).
- 14
Der für ein Vereinsverbot nach § 3 Abs. 5 des Vereinsgesetzes erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten der Mitglieder und der Vereinigung sei im Falle des Antragstellers begründet, wobei der Antragsgegner als zuständige Behörde für die Prüfung eines Vereinsverbotes die vorliegenden staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Ermittlungsergebnisse selbstständig und unabhängig von strafgerichtlichen Verurteilungen zu bewerten habe. Die angeführten Straftaten seien dem Verein zuzurechnen, da sie von verantwortlichen Funktionsträgern geplant, festgelegt und mit deren Wissen und Billigung beziehungsweise teilweise auch mit deren Beteiligung begangen worden seien und in einem engen Zusammenhang mit dem Verein stünden. Sie dienten dem Kampf um Territorial- und Machtansprüche des Antragstellers gegenüber konkurrierenden Organisationen. Bei der Tat auf der BAB 7 sei eine große Zahl von Mitgliedern beteiligt gewesen. Das in Flensburg aufgefundene Waffenarsenal trage einen paramilitärischen Charakter und verweise auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe. Die hierarchische Gliederung des Antragstellers sichere eine steuernde Beeinflussung der Straftaten durch Funktionsträger. Supporter würden durch Telefonketten herangerufen. Mehrere Mitglieder seien bei der Tat auf der BAB 7 nach außen geschlossen aufgetreten. Vereinspräsident C…. habe während der gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren Rückhalt durch den Antragsteller erfahren, indem er in seiner Position als Präsident belassen worden sei. Straffällig gewordene Vereinsmitglieder erhielten darüber hinaus über den sogenannten „Defense-Fund“ finanzielle und persönliche Unterstützung, die sie nicht etwa auf den Weg des Gesetzes zurückführen und dort halten, sondern die negativen Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung abmildern solle. Eine Distanzierung der Vereinigung von dem strafrechtlichen Verhalten ihrer Mitglieder sei in keinem Fall erfolgt. Die Tat des versuchten Totschlags auf der BAB 7 schließlich lasse sich unmittelbar in den Kontext gegenseitiger tätlicher Angriffe zwischen dem Antragsteller und den „Bandidos Probationary Chapter Neumünster“ einordnen, da nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen der Angriff auf das Mitglied der Bandidos eine kollektive Antwort auf einen als provokativ angesehenen „Gebietsverstoß“ der Bandidos an einer Tankstelle in Flensburg-Handewitt habe darstellen sollen. Die aufgeführten Waffendelikte seien Ausdruck eines als stereotyp festgestellten Verhaltensmusters der Ausstattung der Mitglieder des verbotenen Vereins mit Waffen, um jederzeit Angriffe durchführen bzw. sich selbst gegen Angriffe zur Wehr setzen zu können.
- 15
Die Feststellung, dass sich der Verein darüber hinaus gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei im Hinblick auf die Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder durch den weltweit kollektiv gespeisten „Defense-Fund“ gerechtfertigt. Diese Vorgehensweise impliziere eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme der Verwirklichung von strafrechtlichen Verstößen und bedeute eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates.
- 16
Zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges wird in dem Bescheid ausgeführt, nur so sei ein wirksames Vorgehen gegen den Antragsteller möglich, um zu verhindern, dass einzuziehende und zu beschlagnahmende Vermögensgegenstände, Unterlagen, Kontoauszüge und Beweismittel beiseite geschafft würden, und eine Fortsetzung der in den letzten Wochen entflammten gewaltsamen Straftaten insbesondere gegen Angehörige der Bandidos Neumünster mit der Gefahr irreparabler Verletzungen von Leib und Leben zu unterbinden. Die seit September 2009 aufgetretenen Straftaten und sonstigen Umstände ließen nun auch eine Zurechnung weiter zurückliegender Straftaten zu dem Verein zu. Den zuständigen Behörden sei es erst in jüngster Zeit möglich gewesen, hinreichend gesicherte Erkenntnisse hierzu zusammenzutragen. Entscheidend für den Zeitpunkt der Verbotsverfügung sei zugleich die gesamte Entwicklung des „Rockerkrieges“ zwischen den „Hells Angels“ und rivalisierenden Vereinigungen gewesen, der in den letzten Monaten bundesweit auch Unbeteiligte gefährdende Ausmaße angenommen habe. In Schleswig-Holstein habe der „Hells Angels MC“ seine Präsenz und seinen Einfluss auf nahestehende Clubs ausgeweitet. Die Entwicklung der Straftaten lasse die Eskalation des Konflikts zwischen dem Antragsteller und konkurrierenden Organisationen deutlich werden.
- 17
Der Antragsteller hat am 31. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben und, gleichzeitig mit der Begründung dieser Klage, am 22. Oktober 2010 einen Eilantrag zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid eingereicht. Zur Begründung führt er aus, ein besonderes, den sofortigen Vollzug rechtfertigendes Interesse des Antragsgegners sei weder dargelegt noch ersichtlich. Die Sicherung von Beweismitteln sei kein den Sofortvollzug rechtfertigender Gesichtspunkt, da das Vereinsverbot nicht der Ermittlung seiner eigenen Rechtfertigung dienen könne und im Vereinsgesetz ein eigenes, gesondertes Instrumentarium hierfür vorgesehen sei. Im Übrigen bestehe dieses Sicherungsbedürfnis mittlerweile nicht mehr. Eine vom Antragsgegner angeführte Eskalation des Konfliktes in den Wochen vor dem Verbot lasse sich aus den im Bescheid angeführten Straftaten nicht ableiten. In diesem Zeitraum hätten lediglich Hausdurchsuchungen stattgefunden; die übrigen Ermittlungsverfahren reichten weiter zurück, was gegen eine Eilbedürftigkeit spreche. Anhaltspunkte für ein zu unterbindendes Verwenden der Kennzeichen des Vereins seien vom Antragsgegner nicht dargelegt. Die von ihm angeführten Belege für einen „Rockerkrieg“ zwischen rivalisierenden Banden beträfen den Antragsteller gerade nicht und seien ihm auch nicht zuzurechnen. Die sofortige Vollziehung der Einziehung von Sachen Dritter sei von vornherein rechtswidrig.
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Im Übrigen könne kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Verfügung bestehen, da sie offensichtlich rechtswidrig sei. Diesbezüglich hat der Antragsteller im Hauptsacheverfahren bislang wie folgt argumentiert:
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Der Antragsteller sei zu der beabsichtigten Verbotsverfügung nicht angehört worden, Verzichtsgründe lägen nicht vor. Die einzelnen Mitgliedern vorgeworfenen Straftaten seien dem Antragsteller nicht zuzurechnen.
- 20
Die angeführten strafrechtlichen Vorwürfe seien vom Vereinszweck losgelöste Einzelvorfälle, bei denen in keinem Fall die Vereinskleidung des Antragstellers getragen worden sei. Einige der Vorfälle stammten aus der Zeit vor der Mitgliedschaft des jeweiligen Beschuldigten beim Antragsteller. Weder die aufgefundenen Waffen noch die aufgefundenen Getränke stünden in einem Zusammenhang zur Vereinstätigkeit; die Zuordnung des „Waffenarsenals“ zu Mitgliedern des Vereins sei nicht schlüssig. Bei den aufgefundenen „Delta-Darts“ handele es sich nicht um verbotene Waffen. In dem Ermittlungsverfahren wegen des Vorfalls auf der BAB 7 sei der einzige Angeklagte, C…., mittlerweile aus der Untersuchungshaft entlassen worden; hinsichtlich der übrigen Verdächtigten habe sich der Vorwurf einer Beteiligung nicht aufrechterhalten lassen.
- 21
Dass C…. sich während seiner Untersuchungshaft weiterhin im Amt des Präsidenten befunden habe, könne nicht als verbotsrelevanter Rückhalt durch den Verein gewertet werden. Nichts anderes sehe das Beamtenrecht bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe vor. Konkrete Hilfestellungen bei den vorgeworfenen Taten oder die Gewährung von Rückhalt habe der Antragsgegner nicht angeführt. Auch in einer Gesamtschau rechtfertigten die aufgezählten Strafverfahren und Tatvorwürfe ein Vereinsverbot nicht, zumal sich die meisten der genannten Ermittlungsverfahren in einem sehr frühen Stadium befänden.
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Der „Ehrenkodex“ sei lediglich Ausdruck der auch bei anderen Vereinigungen üblichen Solidarität; durch die Unterstützung aus dem „Defense-Fund“ solle für straffällig gewordene Mitglieder ein Weg zurück in die Legalität erleichtert werden. Eine Hilfe für Kosten der Rechtsverfolgung und Verteidigung könne nicht als rechtswidrig gewertet werden.
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Die Begründung des Antragsgegners für die Feststellung, dass sich der Zweck des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei unzureichend, zumal nach der Argumentation des Bescheides jede Rechtsschutzversicherung einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung darstelle. Insbesondere fehle es an einer kämpferisch-aggressiven Verwirklichung etwaiger verfassungsfeindlicher Ziele.
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Der Antragsteller beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung des Beklagten vom 21. April 2010 wiederherzustellen.
- 26
Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die streitgegenständliche Verbotsverfügung sei rechtmäßig. Eine Anhörung des Antragstellers sei gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG nicht erforderlich gewesen. Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit des Antragstellers seien zu Recht festgestellt worden. Auch der Antragsteller bestreite nicht die Existenz des „Ehrenkodex“ und des „Defense-Fund“. Letzterer sei mit einer Rechtsschutzversicherung, die üblicherweise bei vorsätzlich begangenen Straftaten nicht einspringe, nicht vergleichbar und erkennbar zu einer Reduzierung des persönlichen Risikos bei noch zu begehenden Straftaten gedacht. Mehrere der in der Verfügung angeführten Straftaten belegten den strafgesetzwidrigen Zweck einer territorialen Machtbehauptung des Vereins und damit die Zurechnung zu diesem.
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Der Einwand des Antragstellers, dass einige der strafrechtlich verfolgten Personen erst nach der angeblichen Tat Mitglieder geworden seien, passe nicht zu deren herausgehobenen Funktionen; im Übrigen benenne der Antragsteller seinerseits nicht etwa das korrekte Eintrittsdatum. Er sei rechtsidentisch mit dem bereits 2003 gegründeten Verein, der in den Folgejahren lediglich identitätswahrend umbenannt worden sei. Die Zurechnung der teilweise unterschiedlich gearteten Straftaten zum Verein beruhe auf dem Gesamtzusammenhang einer gewaltsamen Durchsetzung von Interessen der Mitglieder, auf einer gemeinsamen Tendenz der Verstöße gegen das Waffengesetz sowie auf einer engen Kooperation von Mitgliedern, welche angesichts des sehr kleinen Mitgliederkreises des Antragstellers einen Vereinsbezug belegten. Aus den waffenrechtlichen Verstößen lasse sich auf eine allgemeine Bewaffnung der Mitglieder des Antragstellers schließen, wobei bei zwei Mitgliedern der „Delta Dart“ in der nach einer Bekanntmachung des Bundeskriminalamtes verbotenen Variante mit Scheide festgestellt worden sei. Soweit die Strafverfolgungsbehörden an einer Anklage weiterer Mitglieder wegen des Autobahn-Vorfalls vom September 2009 nicht festgehalten hätten, sei der Antragsgegner als Vereinsverbotsbehörde an eine solche Bewertung nicht gebunden und bewerte die Tatbeiträge der nicht in die Anklage einbezogenen Mitglieder in vereinsrechtlicher Hinsicht als Unterstützung des Beschuldigten C….. Die Tat sei somit insgesamt dem Antragsteller zuzurechnen. Die Entlassung des C…. aus der Untersuchungshaft sei nicht wegen Zweifeln an dessen Täterschaft, sondern auf Grund einer möglicherweise abweichenden rechtlichen Würdigung und daraus folgender Verhältnismäßigkeitserwägungen im Hinblick auf die Fortdauer der Untersuchungshaft über 9 Monate hinaus geschehen. Die Zuordnung der Tat zum Antragsteller stehe auf Grund einer gemeinsamen Willensbildung nach Mobilisierung der Mehrzahl von Mitgliedern durch eine Telefonkette außer Frage. Hinreichende Belege für eine Täterschaft mehrerer Mitglieder des Antragstellers an einem Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz wegen des aufgefundenen Waffenarsenals seien durch kriminaltechnische Untersuchungen der Waffen bereits belegt.
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Das besondere Vollzugsinteresse des Antragsgegners ergebe sich zum einen, was zulässig sei, aus den auch die Verbotsverfügung selbst stützenden strafrechtlichen Vorfällen, zum anderen aus dem Zusammenhang mit den zeitlich jungen Vorfällen der Eskalation des „Rockerkrieges“, auch wenn diese keinen unmittelbaren Bezug zu dem Antragsteller aufwiesen. Ergänzend sei darauf zu verweisen, dass die bundesweite Organisation der „Hells Angels MC“ nach dem Erlass und dem Sofortvollzug der Verbotsverfügung einen „Frieden“ mit den „Bandidos MC“ geschlossen habe und auch die für die Auseinandersetzung typischen Straftaten merklich zurückgegangen seien. Das Vereinsverbot sei erkennbar ein Auslöser dafür gewesen, dass weitere vergleichbare Vereine ihre entsprechenden Tätigkeiten einstellten.
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Auch die Einziehung von Gegenständen Dritter nach § 12 Vereinsgesetz sei zulässigerweise für sofort vollziehbar erklärt worden. Eine Vollzugsfolgenabwägung müsse vorliegend zum Überwiegen des Interesses am Vollzug kommen. Dem Antragsteller stehe es nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Obsiegensfalle frei, seinen Vereinsbetrieb unverändert wieder aufzunehmen, wobei ihm vorläufig eingezogenes Vermögen wieder zurückgegeben würde. In der Zeit der vorläufigen Vollziehbarkeit könnten die Mitglieder trotz des Verbotes gemeinsam Motorrad fahren und sich gegenseitig sozial unterstützen, auch wenn ihnen die organisatorische Grundlage hierfür fehle und ein gemeinsames, einheitliches Auftreten nach außen nur eingeschränkt möglich sei. Für den umgekehrten Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer letztlich scheiternden Klage könnte der Antragsteller zwischenzeitlich seine territoriale Machtentfaltung aufrecht erhalten und einzuziehendes Vermögen aus dem Zugriffsbereich des Antragsgegners entfernen. Diese Wirkungen zu Lasten der Allgemeinheit ließen sich nicht wieder beseitigen.
II.
- 32
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch zutreffend von dem allein anfechtungsbefugten verbotenen Verein (bestehend aus den namentlich genannten Mitgliedern zum Verbotszeitpunkt) anhängig gemacht worden. Zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung ist regelmäßig lediglich die verbotene Vereinigung befugt, da lediglich die Beeinträchtigung von Rechten der verbotenen organisierten Personengesamtheit in Betracht kommt. Ungeachtet der Rechtsform ist die Vereinigung selbst gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. BVerwG, std. Rspr., zuletzt Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, juris). Gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 BGB wird die nicht rechtsfähige Antragstellerin vorliegend durch ihre Mitglieder gemeinschaftlich vertreten; dass weitere Mitglieder des Antragstellers existierten, die keine Prozessvollmacht unterzeichnet haben, ist nicht ersichtlich und wird vorliegend auch nicht geltend gemacht.
- 33
Der auch ansonsten zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.
- 34
Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung zwischen dem privaten Aufschubinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, da an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Verwaltungsakte kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist er sich hingegen als offensichtlich rechtmäßig, so ist weiter zu prüfen, ob im Einzelfall ein über das Interesse am Erlass des Bescheides selbst hinausgehendes überwiegendes Vollziehungsinteresse erkennbar ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, die Bescheide sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen bzw. die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, die Bescheide sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen (Senatsbeschl. v. 06.08.1991 - 4 M 109/91 -, juris).
- 35
Vorliegend sind die Erfolgsaussichten des Klägers in dem anhängigen Hauptsacheverfahren zum Aktenzeichen 4 KS 2/10 als offen anzusehen.
- 36
Ein Verein darf nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG erst dann als verboten im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet.
- 37
Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Verbotsverfügung liegen nach summarischer Prüfung vor. Insbesondere ist in Übereinstimmung mit § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG vorsorglich das Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern gemäß dessen Schreiben vom 20. April 2010 hergestellt worden. Auch die Voraussetzungen, unter denen nach § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG von einer Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsaktes abgesehen werden kann, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint, liegen nach summarischer Prüfung vor. Der Bescheid macht insoweit geltend, dass eine sofortige Entscheidung ohne Anhörung im öffentlichen Interesse notwendig gewesen sei, weil eine vorherige behördliche Anhörung einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ gehabt und dem Verein die Möglichkeit eröffnet hätte, seine Infrastruktur, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, so dass ein wirksames Vorgehen be- oder verhindert würde. Dieser Gesichtspunkt wird in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zu Vereinsverbotsverfahren als ausreichend anerkannt, um den Verzicht auf eine Anhörung zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 ff.; Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 - m.w.N.), und ist aus Sicht des Senats auch im vorliegenden Fall tragfähig.
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Der Antragsgegner hat die Anordnung des sofortigen Vollzuges gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besonders begründet. Bei der hiernach erforderlichen Sofortvollzugsbegründung hat die Behörde in Rechnung zu stellen, dass für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich ist, das über das Interesse hinausgeht, welches den Erlass des Verwaltungsaktes selbst rechtfertigt. Das für die sofortige Vollziehung erforderliche Interesse ist ein qualitativ anderes als das Interesse am Erlass und der Durchsetzung des Verwaltungsaktes, weshalb regelmäßig andere Gründe angeführt werden, als sie zu dessen Rechtfertigung herangezogen werden. Ausnahmsweise dürfen Erwägungen des zu vollziehenden Verwaltungsaktes wiederholt werden, wenn sich aus ihnen die besondere Dringlichkeit der sofortigen Vollziehung und die von der Behörde insoweit vorgenommene Interessenabwägung erkennen lassen (vgl. zuletzt Senatbeschl. v. 29.11.2010 - 4 MB 57/10 -). Eine solche Begründung ist in dem Bescheid des Antragsgegners vom 21. April 2010 grundsätzlich gegeben worden, indem unter Ziffer D. dargelegt wurde, ein wirksames Vorgehen sei nur im Wege des Sofortvollzuges möglich, um das Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen, Unterlagen und Beweismitteln sowie eine gesteigerte Fortsetzung von Straftaten mit Gefahren für Leib und Leben zu verhindern. Diese Begründung zielt auf eine über die Interessen an einer reinen Untermauerung der Verbotsvoraussetzungen hinausgehende Gefahrenabwehr. Allerdings fehlt eine Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich der Einziehung von Sachen Dritter nach Ziffer 5. Nach Ziffer 6. der Verbotsverfügung wird, wovon auch der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung ausgeht, lediglich die Einziehung des Vereinsvermögens nach Ziffer 4. der Verfügung von der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung ausgenommen. Aus der Begründung des Bescheides ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte, die insoweit eine Differenzierung zwischen der Einziehung des Vereinsvermögens und von Sachen Dritter rechtfertigen könnte. Ein besonderes Vollzugsinteresse für die - über die Beschlagnahme hinausgehende - Einziehung von Sachen Dritter ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit war daher die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
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In der Sache stützt der Antragsgegner das Vereinsverbot im Schwerpunkt darauf, dass Zwecke und Tätigkeiten des Antragstellers den Strafgesetzen zuwiderliefen. Da eine Vereinigung als solche nicht straffähig ist, ergeben sich der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder als natürliche Personen. Im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Vereinsverbot ist danach zu fragen, ob eine gleichwohl mögliche Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung aus deren eigener Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln der Vereinigung im Sinne eines Verstoßes gegen Strafgesetze abzuleiten ist. Voraussetzung hierfür ist die Zurechnung des Verhaltens der Mitglieder zur Vereinigung dergestalt, dass die von Mitgliedern verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit den Charakter der Vereinigung prägt. Nach § 3 Abs. 5 VereinsG kann die Verbotsbehörde das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung muss nicht deren Hauptzweck oder Haupttätigkeit ausmachen, sondern kann einen bzw. eine unter mehreren verschiedenen Zwecken oder Tätigkeiten darstellen. Der Vereinigung sind auch solche strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder zurechenbar, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Ein auf den Verbotsgrund der strafgesetzwidrigen Zwecke oder Tätigkeit der Vereinigung gestütztes Verbot ist rechtlich unabhängig von einer strafgerichtlichen Verurteilung von Mitgliedern oder Funktionären der Vereinigung von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen. Ein Vereinsverbot setzt eine vorherige strafgerichtliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Liegen strafgerichtliche Verurteilungen von Mitgliedern oder Funktionären vor, so sind weder die Verbotsbehörde noch das zur Überprüfung angerufene Verwaltungsgericht formell oder materiell durch die Strafurteile gebunden (vgl. zu alledem BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 m.w.N.; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299).
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Nach diesem Maßstab ist es bei summarischer Betrachtung im Eilverfahren weder zwingend noch ausgeschlossen, dass sich im Hauptsacheverfahren mit der für die Überzeugungsbildung des Senats hinreichenden Sicherheit Verhaltensweisen der Mitglieder des Antragstellers werden nachweisen lassen, die einen dem Antragsteller zuzurechnenden und ihn prägenden strafgesetzwidrigen Charakter ergeben. Der Antragsgegner führt zur Begründung der Strafgesetzwidrigkeit des Antragstellers strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 9 der 12 mit dem vorliegenden Antrag als Mitglieder bezeichnete Personen auf. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass einige der von dem Antragsgegner angeführten Vorwürfe sich auf Verhaltensweisen vor dem Vereinsbeitritt der jeweiligen Mitglieder bezögen, wird dadurch die vom Antragsgegner behauptete Zuordnung zu dem Verein noch nicht hinreichend substantiiert in Frage gestellt. Der früheste Strafvorwurf, der vorliegend angeführt worden ist, stammt aus dem Jahre 2004. Der Antragsgegner führt in dem Bescheid aus, dass der Verein bereits 2003 als eigenständige Vereinigung gegründet worden sei und danach einen endgültigen Status als „Charter“ innerhalb der „Hells Angels MC“ - Bewegung erhalten habe. Der Antragsteller benennt keine konkreten Daten und Umstände, die dieser zeitlichen Einordnung sowie der Annahme einer Mitgliedschaft der jeweiligen Einzelpersonen während dieser Zeit entgegenstünden. Insoweit wird im Hauptsacheverfahren Gelegenheit zu weiteren Darlegungen und deren Überprüfung durch den Senat bestehen.
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Ob sich aus den abgeschlossenen wie auch aus den noch anhängigen Strafverfahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit strafgesetzwidrige Verhaltensweisen von Einzelpersonen ergeben werden, die dem Antragsteller als Verein zugerechnet werden können, ist nach dem derzeitigen Sach- und Kenntnisstand noch offen. Drei der angeführten Strafverfahren sind abgeschlossen, fünf Verfahren sind derzeit - wie auch das in der Verbotsverfügung genannte Rechtshilfeersuchen der Schweiz vom Dezember 2009 - noch anhängig. Auffallend ist immerhin die zeitliche Dichte von Ermittlungsverfahren mit teilweise gewichtigen Vorwürfen gegen einen großen Teil der Personen, die jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung Mitglieder waren. In mehreren der angeführten Ermittlungsverfahren sind Gewaltdelikte und/oder Waffendelikte Gegenstand der Untersuchungen. Die Argumentation des Antragsgegners, durch die streitgegenständlichen Verhaltensweisen solle mit Gewalt und unter systematischer Bewaffnung ein Anspruch des Vereins auf Vorherrschaft in bestimmten Wirtschaftsbereichen sowie ein territorialer Machtanspruch gegenüber konkurrierenden Motorradclubs gesichert werden, entbehrt jedenfalls nach derzeitigem Kenntnisstand des Senats nicht der Nachvollziehbarkeit. Weiterhin fällt auf, dass an den Vorfällen in vier der im Bescheid vom 21. April 2010 aufgeführten Verhaltensweisen jeweils mehrere Mitglieder beteiligt gewesen sein sollen, und zwar in variierender Zusammensetzung. Sofern sich die Vorwürfe in den anhängigen Ermittlungsverfahren im weiteren Verlauf erhärten sollten, wäre dies immerhin ein starkes Indiz für eine Zuordnung etwaiger strafgesetzwidriger Verhaltensweisen zum Antragsteller als Vereinigung. Von einiger Bedeutung werden in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren wegen des Vorfalles auf BAB 7 am 12. September 2009 sein, da dort nach den Darlegungen des Antragsgegners insgesamt sechs Vereinsmitglieder anwesend gewesen sein sollen und der Tatvorwurf eine besondere Nähe zu der von der Verbotsverfügung in den Mittelpunkt gestellten Konfrontation zwischen konkurrierenden Motorradclubs aufweist. Auch insoweit wird im Hauptsacheverfahren der Frage, ob der Antragsgegner zu Recht von einer Strafgesetzwidrigkeit ausgegangen ist und sich auch in der Gesamtschau mit anderen Ermittlungsverfahren die zum Verbot führenden Verhaltensweisen bestätigen lassen, jeweils unter Auswertung der Strafermittlungsakten sowie gegebenenfalls weiterer Unterlagen nachzugehen sein.
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Insgesamt sieht es der Senat unter Berücksichtigung der Art der vom Antragsgegner angeführten Tatvorwürfe, der personellen Zusammensetzung bei deren mutmaßlicher Begehung sowie der zeitlichen Dichte der in der Verbotsverfügung genannten Vorfälle als offen an, ob ein Verbot gemäß § 3 Abs. 5 VereinsG auf Handlungen von Mitgliedern der Vereinigung gestützt werden kann. Sollten sich die Vorwürfe individueller Straftaten erhärten, so ist es demnach denkbar, dass die ihnen zu Grunde liegenden Verhaltensweisen als prägend für den Charakter des Antragstellers als Vereinigung anzusehen sind. Auch der Frage, inwieweit der Antragsteller strafbare Handlungen von Mitgliedern geduldet, gedeckt oder ihnen anderweitig Rückhalt geboten hat, wird im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen sein.
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Soweit der Antragsgegner in der Verbotsverfügung festgestellt hat, dass sich der Antragsteller gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, ist fraglich, ob diese Feststellung den Bescheid trägt. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die hierzu vom Antragsgegner bislang angeführte Begründung den Anforderungen, welche in der Rechtsprechung zum Verbotsgrund der Verfassungswidrigkeit einer Vereinigung entwickelt worden sind, genügt.
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Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. Vereinsgesetz i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Vielmehr muss sie ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, Publikationen sowie Äußerungen und Grundeinstellungen der Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild einzelner Äußerungen und Verhaltensweisen ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -; Beschl. v. 20.10.1995 - 1 VR 1/95 -, juris).
- 45
Die Verbotsverfügung stützt sich zur Feststellung, dass der Antragsgegner sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, auf die vom Antragsteller nicht bestrittene Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder in finanzieller und persönlicher Hinsicht über den weltweiten sogenannten „Defense-Fund“. Mit dieser Unterstützung werde der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet und würden die negativen Auswirkungen staatlicher strafrechtlicher Verfolgung abgemildert. Im Kontext der Strafgesetzwidrigkeit der Vereinigung führt die Verbotsverfügung aus, dass inhaftierten Vereinsmitgliedern aus dem „Defense-Fund“ zum Beispiel das Honorar für beauftragte Rechtsanwälte bezahlt würden sowie Zuwendungen an Angehörige erfolgten. Der Antragsgegner sieht in Leistungen aus dem „Defense-Fund“ eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates und damit einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip der Verfassung. Ergänzend hat der Antragsgegner in seiner Gegenerklärung im Hauptsacheverfahren ausgeführt, der „Defense-Fund“ verdeutliche im Gegensatz zu herkömmlichen Rechtsschutzversicherungen, dass der Antragsteller sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und das Risiko staatlicher Strafdrohungen herabsetze. Die Leistungen gingen über eine rechtsstaatlich gebotene elementare Verteidigung hinaus und deckten auch finanzielle Verpflichtungen eines inhaftierten Mitglieds im Sinne einer Schadensversicherung ab, was regulären Versicherungen fremd sei.
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Art und Ausmaß der Leistungen des „Defense-Fund“ an Mitglieder des Antragstellers und ihre Auswirkungen auf das Gewaltmonopol des Staates, welches Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ist, bedürfen ggf. einer weiteren Betrachtung im Hauptsacheverfahren. Der Antragsteller hat im vorliegenden Eilverfahren keine konkreten Angaben gemacht, um eine Bewertung der offensichtlich auch an seine Mitglieder erfolgenden Leistungen des „Defense-Fund“ zu ermöglichen. Mit der Argumentation des Antragsgegners ließe sich ein Verbotsgrund allerdings für sämtliche in seinem Zuständigkeitsbereich existierende Vereinigungen innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung, die ebenfalls dem System des „Defense-Fund“ unterfallen, belegen. Dies hat der Antragsgegner bislang jedoch offensichtlich nicht als ausreichend angesehen, um auch gegen die übrigen Charter der „Hells Angels“ in Schleswig-Holstein vorzugehen. Außerdem erscheint nach bisherigem Vortrag des Antragsgegners zweifelhaft, ob ein System derartiger Unterstützungsleistungen eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele der Vereinigung belegen könnte.
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Ist danach das Vorliegen der Voraussetzungen eines Vereinsverbotes - zumal einer der beiden Verbotsgründe des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG ausreichen würde - insgesamt noch als offen anzusehen, so unterliegen die über das Vereinsverbot (Anordnung der Auflösung des Vereins gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG) hinaus in dem Bescheid vorgesehenen Rechtsfolgen keinen gesonderten rechtlichen Bedenken. Die Untersagung jeglicher Tätigkeit und der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Verbreitung oder öffentlichen Verwendung bzw. Verwendung von Kennzeichen in einer Versammlung fänden ihre Rechtsgrundlage in §§ 8 und 9 VereinsG. Die Beschlagnahme und Einziehung des Vermögens des Antragstellers gemäß Ziffer 4. des Bescheides ließen sich als regelmäßig vorzusehende Rechtsfolge auf § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG, die in Ziffer 5. verfügte Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter auf §§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 12 Abs. 2 VereinsG zurückführen. Dass im Falle des Antragstellers ein vom Regelfall abzugrenzender atypischer Ausnahmefall vorläge, in dem der Verlust des Vermögens für den Betroffenen auf Grund besonderer Umstände unverhältnismäßig wäre (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 26.11.2007 - 4 B 07.104 - juris), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Soweit der Antragsteller die Rechtmäßigkeit der Einziehung von Sachen Dritter (Ziffer 5. des Bescheides) mit dem Argument in Frage stellt, insoweit bedürfe es eines eigenen Verwaltungsaktes und als dessen Voraussetzung die Vollziehbarkeit der Verbotsverfügung selbst, so ist darauf hinzuweisen, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung auch von Sachen Dritter mit dem Vereinsverbot selbst zu verbinden ist. Auch § 12 VereinsG enthält für die Einziehung von Sachen Dritter gegenüber § 3 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 VereinsG keine weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen.
- 49
Lässt sich nach summarischer Prüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Verbotsverfügung feststellen, so ist im Wege der weiteren Abwägung der widerstreitenden Interesse der Beteiligten danach zu fragen, ob die bei Fortsetzung der Vereinstätigkeit zu befürchtenden Gefahren für die Allgemeinheit für den Fall, dass sich im gerichtlichen Hauptsacheverfahren die für die Verbotsverfügung tragenden tatsächlichen Umstände und deren Bewertung endgültig als zutreffend erweisen, schwerer wiegen als die Belastungen, die der Antragsteller durch die für sofort vollziehbar erklärten Beschränkungen für seine Vereinstätigkeit in dem Fall erlitte, dass er in dem Hauptsacheverfahren erfolgreich wäre.
- 50
Nach diesem Maßstab sind die von dem Antragsgegner dargelegten Gefahren für die Allgemeinheit höher zu gewichten als die Nachteile des Antragstellers und rechtfertigen die Annahme der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung der Verbotsverfügung.
- 51
Der Antragsgegner beruft sich zur Begründung der Dringlichkeit des Sofortvollzuges auf eine Eskalationsgefahr im Konflikt zwischen verschiedenen Rockergruppierungen, die er allerdings im Schwerpunkt mit Ereignissen illustriert, an denen der Antragsteller nicht beteiligt gewesen sein soll und die in anderen Regionen bzw. Bundesländern stattgefunden haben. Zum anderen aber beruft der Antragsgegner sich in seinem Bescheid auch auf Gefahren, die sich in der Zwischenzeit bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren aus einer Fortsetzung der im Bescheid konkret bezüglich der Mitglieder des Antragstellers beschriebenen strafbaren Verhaltensweisen für die Allgemeinheit ergäben. Dass derartige Gefahren wegen der durch die vorgeworfenen Delikte betroffenen hochwertigen Rechtsgüter von Leib, Leben und Eigentum ein hoher Stellenwert einzuräumen ist, steht für den Senat unabhängig von der Tragfähigkeit der weiteren Ausführungen zu anderen Rockergruppierungen außer Frage. Hiergegen sind die Nachteile des Antragstellers abzuwägen, die in der Unterbindung einer Fortsetzung der Pflege auch möglicher zweifelsfrei legaler Teile seines Vereinszweckes und der Nutzung des gemeinschaftlichen Vereinsvermögens liegen. Nähere Ausführungen zu dem Gewicht der hierdurch betroffenen Rechtsgüter des Antragstellers, der den Eilantrag zudem erst 6 Monate nach Erlass der streitgegenständlichen Verbotsverfügung eingereicht hat, enthält die Antragsbegründung nicht. Der Senat sieht bei dieser Sachlage die vom Antragsgegner geltend gemachten Belange der Allgemeinheit, die für eine sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung sprechen, als vorrangig gegenüber den Nachteilen des Antragstellers an.
- 52
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den § 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
- 53
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind
- 1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen, - 2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.
(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.
(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.
(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.
(1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.
(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.