Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 13. Nov. 2012 - 4 KS 1/10

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2012:1113.4KS1.10.00
bei uns veröffentlicht am13.11.2012

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Bandidos MC Probationary Chapter A-Stadt“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen ein ihn betreffendes Vereinsverbot.

2

Der aus der Vorläuferorganisation Chicanos MC A-Stadt hervorgegangene, nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes unter Berufung auf die offizielle Website des Klägers im Frühjahr 2009 gegründete Bandidos MC Prospect Chapter A-Stadt ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in A-Stadt. Eine schriftliche Vereinssatzung des Chapter A-Stadt ist nicht bekannt; unstreitig hat sich jedoch der Kläger an die vom Bevollmächtigten als Anlage K 1 zur Klagebegründung vom 18. Februar 2011 eingereichten Satzungsregelungen des “Bandidos MC Europe“ (Articles of Association of the “Bandidos MC“ Motorcycle Club) gebunden gefühlt, wegen deren Wortlaut auf Blatt 72 - 79 PA verwiesen wird.

3

Die Bandidos-Bewegung, der sich der Kläger als zugehörig versteht, besteht nicht als einheitlicher Verein, sondern verfügt über zahlreiche sogenannte „Chapter“ weltweit. In Europa nimmt das National Chapter, in Deutschland das Chapter „Bandidos MC Germany“ eine übergeordnete Funktion wahr. Die darunter befindlichen einzelnen Chapter sind auf bestimmte Territorien bezogene, organisatorisch selbstständige Clubs, die ihrerseits über Supporter-Clubs, z.B. den „MC Chicanos“ oder den „MC Contras“ verfügen. Nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes befindet sich der Kläger seit dem 14. November 2009 im sogenannten „Probationary-Status“, der letzten Zwischenstufe zur Vollmitgliedschaft des örtlichen Chapter in der weltweiten Bandidos-Bewegung. Organisation und Tätigkeit des Klägers beschränken sich nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes auf das Land Schleswig-Holstein.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 vorsorglich erteilten Benehmens des Bundesministerium des Inneren mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 17 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vermögen des Vereins wurde beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens wurde der Bescheid für sofort vollziehbar erklärt.

5

Der Beklagte begründete seine Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, mit unter Ziffern 1 bis 15 im Einzelnen aufgelisteten Straftaten von Vereinsmitgliedern, deren Verfolgung sich teilweise im Stadium von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren befänden, teilweise bereits zu rechtskräftigen Urteilen geführt hätten. Wegen der im Einzelnen bezeichneten Straftaten wird auf die auf Seite 8 bis 15 der Verbotsverfügung (Bl. 97 - 103 der Beiakte A) bezeichneten Sachverhalte Bezug genommen. Die eigentliche Zweckbestimmung sei nicht einmal vorrangig das gemeinsame Motorradfahren oder die gemeinsame Teilnahme an Veranstaltungen, sondern eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisation der Hells Angels und ihrer Unterstützer-Vereinigungen in Schleswig-Holstein. Die Straftaten stünden in einem inneren und teilweise äußeren Zusammenhang mit den tatsächlichen strafgesetzwidrigen Zielen und Zwecken des Vereins. Sie seien mit Wissen und Billigung der verantwortlichen Funktionsträger des Vereins begangen worden. Die hierarchische Gliederung innerhalb des Vereins stelle sicher, dass zumindest die Funktionsträger über nahezu alle für den Verein bedeutende Strafttaten der einzelnen Mitglieder unterrichtet seien und ggfs. solche Straftaten auch steuernd beeinflussen könnten. Die unterschiedlichen Tatbeteiligungen der einzelnen Mitglieder ergäben sich dabei mit Zufallscharakter aus der jeweiligen Verfügbarkeit einzelner Mitglieder oder Supporter. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Taten sich aus bestimmten Situationen heraus ergäben, in denen nicht alle Mitglieder als Täter verfügbar vor Ort seien. Insbesondere die Tat in der Gaststätte S... in A-Stadt vom 13. Januar 2010 (unter Ziff. 14 der Verbotsverfügung aufgelistet) zum Nachteil von 3 Mitgliedern des rivalisierenden „Red Devils MC A-Stadt“ sei von 8 Vereinsmitgliedern gemeinschaftlich aber ohne langfristigen Tatplan verübt worden. Diese Tat sei einem allgemeinen Muster gefolgt: Zumeist sei die Tatgelegenheit für die Vereinsmitglieder nicht planbar. Nach dem Erkennen einer Gelegenheit durch einen Funktionsträger folge eine Meldung an alle Vereinsmitglieder per Telefonkette. Alle zeitlich und örtlich verfügbaren Mitglieder begäben sich unverzüglich zu einem vereinbarten Treffpunkt und verlegten sich sodann in mehreren Kraftfahrzeugen zum Tatort, wo die Tat begangen werde. Zu diesem Zeitpunkt seien zumindest einige der Mitglieder mit Stichwaffen bewaffnet, von denen brutal Gebrauch gemacht werde. Das gemeinsame Auftreten werde durch das Tragen der Kutten unterstützt. Alle anwesenden Mitglieder seien mit diesem Vorgehen einverstanden. Nach der Tat würden alle Vereinsmitglieder gemeinsam flüchten. Im Falle des vorgenannten Angriffes seien die Mitglieder vom Lokal S... in das Haus des Präsidenten B........ geflüchtet, welches zugleich als Clubhaus fungiere. Dort seien sie festgenommen worden.

6

Durch den Verein werde den Mitgliedern und der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass der Verein hinter seinen Mitgliedern stehe. Der Präsident B........ sei in seiner Position belassen worden, obwohl gegen ihn wegen schwerer Straftaten staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren durchgeführt würden. Auch stelle die finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder durch den Verein eine Konkretisierung strafgesetzwidriger Zwecke des Vereins dar. Nach der Satzung der “Bandidos-Nation“ sei vorgesehen, dass jedes Vereinsmitglied, welches im Gefängnis sitze, eine finanzielle Unterstützung erhalte. Alle Chapter müssen sich um die jeweiligen Mitglieder kümmern. Eine Distanzierung von dem strafgesetzwidrigen Verhalten einzelner Mitglieder sei durch den Kläger nicht erfolgt. Die im Einzelnen aufgelisteten Straftaten seien vor dem Hintergrund des zunehmend gewalttätig und offen ausgetragenen Konfliktes zwischen den Bandidos MC Probationary Chapter A-Stadt als Teil der an diesem Konflikt beteiligten gesamten Bandidos-Bewegung und den diversen sogenannten Chartern des Hells Angels MC und seiner Supporter-Clubs einzuordnen. Vor diesem Hintergrund sei auch der Vorfall an der BAB 7 vom 12. September 2009 (aufgelistet unter Ziff. 8, S. 11 der Verbotsverfügung - Bl. 100 der Beiakte A) zu sehen, bei dem das Krad des Vereinsmitgliedes Thomas K....... durch einen Pkw, dessen Halter der Präsident des Hells Angels MC Charter Flensburg war, gerammt worden sei. Daraufhin hätten Vereinsmitglieder des Klägers zwei Insassen des vermuteten Begleitfahrzeuges des flüchtigen Täters angegriffen. In einem Gespräch am 21. Januar 2010 habe der Vereinspräsident B........ der Polizei gegenüber ausdrücklich erklärt, dass sich Mitglieder des Bandidos MC Probationary Chapter A-Stadt zukünftig auch in anderen schleswig-holsteinischen Städten mit ihren Kutten und den Vereinsemblemen zeigen würden und dabei auch tätliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern konkurrierender MC´s in Kauf nehmen würden, um das Tragen von Kutten außerhalb der Stadt A-Stadt durchzusetzen. Der erklärte Vereinszweck der “Territorialherrschaft“ in A-Stadt solle durchgesetzt werden und eine entsprechende “Territorialherrschaft“ konkurrierender Vereinigungen außerhalb A-Stadts solle in Frage gestellt werden.

7

Die Ausstattung der Mitglieder des Klägers mit Waffen sei zwar durch schriftliche Satzung nicht festgeschrieben, müsse aber anhand stereotyp festgestellter Verhaltensmuster als praktizierte Regel angesehen werden, die zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten “Krieges“ zwischen den Hells Angels und den Bandidos zu sehen. Dass diese Nachrüstung in kürzester Zeit geschehe, sei unter anderem dadurch belegt, dass am 29. Juni 2009 bei einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Vereinsmitglied Thomas K....... ein Butterflymesser gefunden wurde und dieser noch am selben Tage in der öffentlichen Gaststätte S... in A-Stadt eine Machete mit einer Klingenlänge von mehr als 12 cm mit sich geführt habe. Dies indiziere eine allgemeine, durch den Verein geförderte Verhaltensweise. Dementsprechend sei eine Vielzahl der Vereinsmitglieder bereits wegen waffenrechtlicher Straftaten auffällig geworden, was aus den unter Ziff. 1, 2, 3 u. 7 aufgelisteten Tatbeständen hervorgehe.

8

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zweck und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagte auch auf die sich aus den Satzungsregelungen des Vereins “Bandidos MC Europe“ ergebende Absage an das Gewaltmonopol des Staates und die Etablierung einer eigenen Rechtsordnung unter Inkaufnahme der Verwirklichung von strafrechtlichen Verstößen.

9

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit im Rahmen der Durchsetzung vermeintlicher Macht- und Territorialansprüche gegenüber rivalisierenden verfeindeten Vereinen unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Vor dem Hintergrund der gewichtigen Straftaten sei das Vereinsverbot angemessen und verhältnismäßig. Ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend. Hinzukomme, dass mit dem Vereinsverbot die Verfestigung der Struktur des Vereins vom Status eines „Prospect“-Chapters über den „Probationary“-Chapter zu einem vollgültigen Status zeitnah verhindern könne.

10

Der Kläger hat am 26. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben.

11

Er ist der Auffassung, der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen nicht erfolgt sei. In der Verbotsverfügung würden keine Tatsachen mitgeteilt, derentwegen der Beklagte eine sofortige Entscheidung ohne Anhörung für notwendig halten durfte. Auch würden keine Tatsachen mitgeteilt, auf deren Grundlage auf ein relevantes Vereinsvermögen geschlossen werden könnte. Deshalb sei auch ein Beiseiteschaffen von Vereinsvermögen nicht nachvollziehbar zu befürchten gewesen. Beweismaterial wie Westen oder sonstige Abzeichen würden im Übrigen nicht vom Verein, sondern von den einzelnen Mitgliedern direkt bei “Bandidos MC Europe“ käuflich erworben. Letztlich könne aber die Frage der Notwendigkeit einer Anhörung vor Erlass der Verbotsverfügung dahingestellt bleiben, weil die Verbotsverfügung jedenfalls materiell rechtswidrig sei. Die Ausführungen zur Zurechenbarkeit von Straftatbeständen beruhten nicht auf festgestellten Tatsachen, sondern auf Vermutungen und Behauptungen. Die Ausführungen des Beklagten, wonach die eigentliche Zweckbestimmung des verbotenen Vereins nicht einmal vorrangig das gemeinsame Motorradfahren sei, stehe im Widerspruch zu der weiteren - zutreffenden - Ausführung, dass sich der Kläger an den Satzungsregelungen des “Bandidos MC Europe“ orientiere, welche in Artikel 6 Ziff. 8 gerade vorschrieben, dass alle Mitglieder und Kandidaten ein Motorrad der Marke Harley Davidson fahren müssten. Der Bescheid sei an den Kläger, zu Händen von 17 namentlich benannten - angeblichen - Vereinsmitglieder adressiert worden. Von diesen seien aber Peter B......, Andreas B……, Meick K......, Martin L......., Thorsten R..... Sch..... und Christian G...... im Zeitpunkt der Verbotsverfügung vom 21. April 2010 nicht Mitglied des Klägers gewesen. Von den übrigen 11 Mitgliedern hätten lediglich 3 zu diesem Zeitpunkt noch kein Motorrad und 2 noch keinen Motorradführerschein gehabt. Sie seien aber dabei gewesen, die entsprechende Fahrerlaubnis zu erwerben bzw. sich gerade eine entsprechende Maschine zu kaufen. Insofern habe sich der Kläger nicht sklavisch den Satzungsregelungen des „Bandidos MC Europe“, an denen er sich grundsätzlich orientiere, unterworfen. So sei beispielsweise von „Anwärtern“ nicht verlangt worden, dass sie bereits eine Harley Davidson besäßen, sondern es habe genügt, wenn sie bestrebt gewesen seien, sich in absehbarer Zeit eine solche Maschine zuzulegen. Lediglich für die Vollmitgliedschaft sei das entsprechende Motorrad verlangt worden. Auch habe man von jedweder finanzieller Unterstützung beschuldigter Mitglieder abgesehen. Die behauptete eigentliche Zweckbestimmung einer Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor werde im Bescheid nicht dargelegt. Es fehle eine konkrete Bezugnahme auf Förderung der Prostitution, Zuhälterei, Menschenhandel, Schutzgelderpressung oder ähnliches samt Darlegung der Zusammenhänge. Dort sei nur von Boxveranstaltungen, Konzerten, Rockfestivals, Personenschutz und Türsteherdiensten vor Discotheken und allgemein vom Markt der Sicherheitsdienstleistungen die Rede. Dies betreffe legale Dienstleistungen. Belastbare Fakten für die Behauptung, dass der Kläger versucht habe, konkurrierende Vereinigungen entweder aus einem illegalen Markt oder mit illegalen Mitteln aus einem legalen Markt zu verdrängen, habe der Beklagte nicht geliefert. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass sich der Kläger zu wirtschaftlichen Zwecken gegründet hätte oder überhaupt wirtschaftlich mit den Hells Angels konkurrieren würde. Der Kläger habe nichts unternommen, um die „Hells Angels“ und ihre Supporter-Clubs aus Schleswig-Holstein zu verdrängen, um deren vermeintliche Geschäftsfelder zu übernehmen. Vielmehr habe er sich in A-Stadt gegründet und habe dort schlichtweg in Ruhe gelassen werden wollen. Die Auseinandersetzungen mit den Hells Angels hätten begonnen, weil diese grundsätzlich kein Chapter des Bandidos MC in Schleswig-Holstein hätten dulden wollen. Für eine frühere Distanzierung gegenüber dem Vizepräsidenten Peter B...... habe kein Anlass bestanden, da Herr B...... gegenüber den übrigen Mitgliedern der Bandidos stets angegeben habe, bei der Tat vom 13. Januar 2010 den Tatort erst betreten zu haben, als das Geschehen bereits vorbei gewesen sei. Die vom Beklagten unter Ziff. 1 - 15 aufgelisteten Straftaten reichten zur Annahme einer prägenden Zurechnung nicht aus. Meick K...... sei im Dezember 2009, Peter B...... wenige Tage vor Kenntnis von der Verbotsverfügung durch Mehrheitsbeschluss der Mitglieder aus dem Verein ausgeschlossen worden. Grund für den Ausschluss von Meick K...... sei dessen vom Beklagten in der Verbotsverfügung aufgeführtes Verhalten, Grund für den Ausschluss von Peter B...... dessen nicht länger hinnehmbare Tendenz zu Waffen- und Gewaltdelikten gewesen. Die Erklärung des Beklagten in der Verfügung vom 21. April 2010, dass Meick K...... mittlerweile in ein anderes Chapter des Vereins gewechselt sei, mache sich der Kläger ausdrücklich zu Eigen. Damit reduziere sich die Zahl der überhaupt für ein Vereinsverbot in Frage kommenden Straftaten auf 8. Die Munition und das Messer, die Gegenstand der Verurteilungen in den Fällen Nr. 1 und 2 gewesen seien, hätten sich auf Grund individueller Entscheidungen im Besitz der jeweiligen Vereinsmitglieder befunden. Entsprechendes gelte für die Tat Nr. 3. Eine forcierte Gesamtbewaffnung des Klägers beziehungsweise eine Ausstattung der Mitglieder des Klägers im Sinne einer praktizierten Regel habe nicht stattgefunden. Es möge ja sein, dass das ehemalige Mitglied K...... gegenüber einer Frau, die ihre Einnahmen aus Prostitution weitgehend an ihn habe abgeben müssen, damit argumentiert habe, das Geld diene der bevorstehenden Bewaffnung des Klägers. Tatsächlich habe Meick K...... jedoch ausschließlich zur persönlichen Bereicherung gehandelt. Die Tat Nr. 4 sei offensichtlich nicht im Zusammenhang des Herrn H...... als Mitglied des Klägers, sondern als Anhänger politischen rechten Gedankenguts zu sehen. Die Taten Nr. 5 bis 7 würden möglicherweise ein bezeichnendes Licht auf die Persönlichkeit des ehemaligen Mitglieds B...... werfen, seien jedoch nicht geeignet, eine strafrechtswidrige Zweckbestimmung des Klägers zu begründen. Wegen der Tat Nr. 8 sei letztlich nur Meick K...... strafrechtlich verurteilt worden, wobei eine unreflektierte emotionale Reaktion auf das Erleben der vorsätzlich herbeigeführten Verletzung des Thomas K....... naheliege. Mit einer Durchsetzung eigener Interessen des Klägers unmittelbar gegenüber der maßgeblichen konkurrierenden Vereinigung des Hells Angels MC dürfte dies wenig zu tun haben. Die Taten Nr. 9 und Nr. 14 seien dem Kläger nicht zuzurechnen, weil - wie bereits ausgeführt - die Verurteilten Meick K...... beziehungsweise Peter B...... ausgeschlossen worden seien. Die Tat Nr. 11 spiegele einen strafbaren „Zeitvertreib“ des Mitglieds H...... wieder, der nicht ernsthaft dem Kläger zugeordnet werden könne. Entsprechendes gilt für die Tat Nr. 10, wegen derer das ehemalige Mitglied B...... verurteilt worden sei. Gleiches gelte für die Tat Nr. 12, mit der das Mitglied H...... anscheinend ein persönliches Mütchen habe kühlen wollen (dichtes Auffahren mit dem Motorrad und anschließend Zeigen des Mittelfingers in Richtung Polizeibeamte). Im Fall Nr. 15 seien mittlerweile sämtliche gegen Mitglieder des Klägers eingeleitete Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der identifizierte Beschuldigte G.... sei gerade nicht und zu keinen Zeitpunkt Mitglied des Klägers gewesen. Es treffe nicht zu, dass Mitglieder des Klägers ständig Hieb- oder Stichwaffen am Körper tragen. Das vom Beklagten für eine Nachrüstung in kürzester Zeit angeführte Beispiel sei falsch. Zwar habe die Polizei bei einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Vereinsmitglied Thomas K....... ein Butterflymesser gefunden, die fragliche Machete sei jedoch später von der Polizei im Wagen des Mario Steen gefunden und nicht etwa von Thomas K....... im S... mitgeführt worden. Eine angebliche „Zuständigkeit“ eines „Sergeant at Arms“ für Ausrüstung und Bewaffnung der Mitglieder des Klägers sei schlichtweg erfunden. Die vom Beklagten getätigten Ausführungen, wonach sich die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten, seien schlicht nicht belegt.

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Herr B....... sei zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmachten für den jeweiligen Prozessbevollmächtigten Vereinspräsident gewesen. Entgegen seiner Ankündigung gegenüber der Polizei sei er nicht zurückgetreten. Herr B....... habe mit Rücksicht auf seine schwerkranke Lebensgefährtin, welche mittlerweile verstorben sei, sich durch die Ankündigung gegenüber der ständigen Inanspruchnahme durch die Polizei „Luft“ verschaffen wollen. Da nach Art. 7 Nr. 3 der Satzung auch der Vizepräsident den Verein allein hätte vertreten können, habe er der Polizei mit dem Verweis auf Peter B...... aus seiner Sicht auch einen korrekten Ansprechpartner genannt.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte ist der Auffassung, die Darstellung, wonach das Mitglied Peter B...... wenige Tage vor Kenntnis von der Verbotsverfügung durch Mehrheitsbeschluss aus dem Verein ausgeschlossen worden sei, widerspreche den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes über die interne Funktionsverteilung bei dem Kläger in den Tagen vor der Zustellung der angegriffenen Verbotsverfügung. Der bis dahin amtierende Präsident, B........, habe am 21. April 2010 gegenüber einem Polizeivollzugsbeamten seine Absicht erklärt, sein Amt innerhalb des Vereins niederzulegen und am 24. April 2010 demselben Polizeivollzugsbeamten mitgeteilt, dass er mit sofortiger Wirkung sein Amt als Präsident niederlege und die innere Führung des Vereins ab sofort dem bisherigen Vizepräsidenten Peter B...... obliege. Dies gehe aus dem in der Anlage übermittelten Vermerk des Beamten hervor. Es sei davon auszugehen, dass der Rücktritt entgegen dem klägerischen Vortrag tatsächlich erfolgt sei. Sofern Herr B....... das Amt später wieder ausgeübt habe, ändere das an der Bewertung des Telefonats vom 21. April 2010 nichts.

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Das Mitglied Peter B...... sei noch 5 Tage vor der Zustellung der Verfügung nicht nur Mitglied, sondern in herausgehobener Stellung Funktionär des Klägers gewesen, dem darüber hinaus noch 5 Tage vor dem Vereinsverbot weitergehende Verantwortung übertragen wurde. Der Ausschluss sei vollständig unglaubhaft und als reine nachträgliche Schutzbehauptung zu werten. Bis zu dessen Verhaftung seien diesbezügliche Bestrebungen nicht vorgetragen worden. Gegen einen Ausschluss sprächen auch die Ergebnisse einer Telekommunikationsüberwachung der Mitglieder des Klägers, die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Zeitraum um die Verhaftung des Herrn B...... am 27. April 2010 herum durchgeführt wurde. Hieraus gehe hervor, dass die Verlobte des Herrn B...... nach dessen Verhaftung Zugriff auf in der Wohnung von Herrn B...... befindliche, vereinseigene Geldmittel haben sollte, die unter anderem für eine anwaltliche Verteidigung benötigt würden. Von einer Distanzierung oder einem Ausschluss des Herrn B...... sei in den abgehörten Telefonaten nicht die Rede gewesen.

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Auch der angebliche Ausschluss von Meick K...... müsse als unsubstantiierte Schutzbehauptung zurückgewiesen werden. Unstreitig sei Meick K...... bis zum 09. Dezember 2009 sogar Präsident des klagenden Vereins gewesen. Zudem sei er noch am 02. Juni 2010 und bei anderen Gelegenheiten in der Kleidung des Vereins angetroffen worden. Seine Mitgliedschaft nach diesem Zeitpunkt sei zwar nicht eindeutig feststellbar. Eine eindeutige Distanzierung des Vereins von seiner Person sei jedoch nicht schlüssig vorgetragen worden.

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Die Mitgliedschaft der anderen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten, angeblich nicht dem Verein angehörenden Mitglieder sei für das vorliegende Verbotsverfahren letztlich nicht von Bedeutung, da einzig Andreas B…. an einer dem Verein zuzurechnenden Straftat beteiligt war oder sein könnte, nämlich an der Tat vom 13. Januar 2010 im Schnellrestaurant S... in A-Stadt (Nr. 14 der angefochtenen Verfügung). Diese Tat sei allerdings von einer Mehrzahl von Mitgliedern des Klägers gemeinsam verübt worden.

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Die Verbotsverfügung sei unabhängig vom Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen jedenfalls formell und materiell rechtmäßig. Einer vorherigen Anhörung des Klägers habe es gem. § 87 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 LVwG nicht bedurft. Die Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt, der es dem Kläger ermöglicht hätte, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie insbesondere bei dem Vollzug der angefochtenen Verfügung aufzufindende weitere Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Zwecke des Vereins zu verschleiern oder aus dem räumlichen Zugriffsbereich des Beklagten zu entfernen. Der Beklagte habe entgegen der Auffassung des Klägers auch vermuten dürfen, dass Vereinsvermögen vorhanden war. Zwar verfüge der Kläger nicht über ein eigenes Vereinsheim, sondern wickle das Vereinsleben in den privaten Häusern und Wohnungen seiner Mitglieder ab. Allerdings sei vor dem Wohnhaus des Vereinspräsidenten B........, wo sich die Mitglieder auch regelmäßig getroffen hätten, ein Hinweisschild auf den Kläger fest angebracht, so dass sich das Wohnhaus des Präsidenten als organisatorisch verfestigter Sitz des Klägers darstellte. Auf dieser Grundlage habe der Beklagte vermuten dürfen, dass sich im Wohnhaus des damaligen Präsidenten ein abgeschlossener Bereich des Klägers oder zumindest eindeutig dem Kläger zuzuordnende Sachen oder Unterlagen befanden, die als Vereinsvermögen oder als Beweismittel der Beschlagnahme unterlagen. Daneben sei auch eine Beschlagnahme von Beweismitteln möglich erschienen, insbesondere hinsichtlich in dem faktischen Vereinsheim des Klägers vorhandener elektronischer Datenträger oder Papier, woraus sich eine Zuordnung weiterer Straftaten oder straffälliger Mitglieder zum Verein hätte ergeben können. Auch der nunmehr erfolgte nachträgliche Vortrag, wonach zwei Mitglieder ausgeschlossen worden seien, lasse ein gewisses öffentliches Interesse an der Vermeidung eines Ankündigungseffektes erkennen: Der Kläger hätte in einem solchen Falle den (im Falle des Peter B...... wiederlegten und im Falle des Meick K...... unsubstantiiert behaupteten) Ausschluss besonders gewalttätiger Mitglieder vortäuschen können, um einem Vereinsverbot zu begegnen. Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05. August 2009 (BVerwGE 134, 275 ff) ergebe sich, dass selbst ein Verein, dessen Satzung die Verfolgung strafgesetzwidriger Zwecke ausschließe und dessen überwiegende Tätigkeit nicht in der Begehung, Unterstützung oder Billigung von Straftaten liege, in Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe könne, wenn dieser Verein neben der in der Satzung festgelegten Tätigkeit auch eine - und sei es nur am Rande - den Verein prägende strafgesetzwidrige Tätigkeit ausübe. Der Umstand, dass der Verein daneben auch nicht strafgesetzwidrige Tätigkeiten durchführe und offizielle Satzungen, Ordnungen und Regeln des Vereins nicht ausdrücklich die Begehung von Straftaten zum Gegenstand des Klägers machten, seien deshalb für die Frage des strafgesetzwidrigen Zwecks ohne Belang. Der Kläger könne deshalb nicht aus der Anerkennung der von ihm überreichten Satzungsbestimmungen belegen, er sei lediglich ein reiner Motorradclub. Auch komme es nicht darauf an, dass der Kläger nach seiner Darstellung eine Gebiets- und Machtentfaltung lediglich auf dem Markt von Sicherheitsdienstleistungen entfalte, bei welchem es sich um einen legalen Markt handele. Der Vorwurf laute nicht dahingehend, der Kläger versuche eine Marktmacht auf einem illegalen Markt zu erlangen, sondern vielmehr, dass der Kläger mit illegalen, weil strafgesetzwidrigen Methoden eine Marktmacht auf einem Markt zu erlangen suche, indem er konkurrierende Vereinigungen zu verdrängen suche. Die in der Verbotsverfügung unter Nr. 8, 9, 11 13, 14 und 15 genannten Straftaten dienten durchgängig der Durchsetzung eigener Interessen des Klägers unmittelbar gegenüber der maßgeblichen konkurrierenden Vereinigung des Hells Angels MC, namentlich gegenüber den örtlichen Chartern in Kiel und Flensburg, sowie gegenüber deren Supporter-Club Red Devils MC. Auch wenn einzelne Taten - so die Strafvorwürfe Nr. 2, 4 und 12 - für sich genommen nicht ausreichend wären, ein Verbot des Klägers zu begründen, so fügten sie sich doch unterstützend nahtlos in die Zurechnung des strafgesetzwidrigen Zwecks einer territorialen Machtentfaltung des Klägers ein. Die Taten zu Nr. 11, 13 und 15 seien unter Verwendung der Kennzeichen des Vereins, in den Fällen zu Nr. 13 und 15 auch von mehreren Mitgliedern gemeinsam und in Anwesenheit weiterer Mitglieder begangen worden. Die Straftaten zu 1 und 2 stellten sich als Teil der gerade zum Tatzeitraum forcierten Gesamtbewaffnung des Klägers dar und stünden damit in einem eindeutigem Bezug zum Kläger als Verein, da ein gemeinsam gefasster Gruppenwille bzw. eine Anordnung der maßgeblichen Funktionsträger des Klägers umgesetzt wurde.

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Bereits die Straftaten Nr. 9 ( gemeint ist offensichtlich der Vorfall vom 12. September 2009 an der BAB 7 - Nr. 8 - ), Nr. 13, 14 und 15 rechtfertigten nach den Grundsätzen, die der Senat im Verfahren 4 KS 2/10 aufgestellt habe, jeder für sich allein, bei gemeinsamer Betrachtung aber erst recht das Vereinsverbot. Wenn der Kläger ausführe, die Tat Nr. 13 entspreche einem häufiger unter Angehörigen von Motorradclubs anzutreffendes Phänomen, dass man sich gegenseitig Insignien abnehme, so stelle dies eine Verharmlosung dar.

23

Auch die in der Verbotsverfügung getroffene Feststellung, dass sich der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei rechtmäßig. Ausreichend aber auch erforderlich sei es insoweit, wenn ein Verein seine eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und seine eigene Ordnung gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggfs. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss der verfassungsmäßigen Ordnung in Gestalt des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn er eigene Gewalt zur Durchsetzung seiner vereinseigenen Ziele als legitimes Mittel ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung im Rahmen des staatlichen Gewalt- und Strafmonopols ablehne und zu behindern suche. Nach diesen Maßstäben betätige sich der Kläger kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die Straftaten belegten, dass der Kläger explizit Gewalt anwende oder androhe, um seine eigenen Interessen insbesondere gegen konkurrierende Vereinigungen durchzusetzen oder aber auch, um sich einem Zugriff durch staatliche Behörden zu entziehen. Dafür, dass sich der Kläger unmittelbar gegen verfassungsrechtlich legitimierte staatliche Maßnahmen zur Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols richte, dienten die Straftaten zu Nr. 4, 5, 10 und 12 als Beleg. Außerdem übe der Kläger über seine Mitglieder Einfluss auf außenstehende Dritte aus, um diese von einer Kooperation mit staatlichen Behörden abzuhalten. Derlei Einschüchterungsversuche würden auch durch die Straftaten der einzelnen Vereinsmitglieder belegt. Im Strafverfahren Nr. 14 habe die Große Strafkammer bei dem Landgericht Kiel die vom Beklagten aus Gründen des Zeugenschutzes gem. § 96 StPO abgegebene Sperrerklärung als hinreichend begründet akzeptiert, um von einer unmittelbaren Vernehmung der Quelle abzusehen und stattdessen einen Polizeivollzugsbeamten als Quelle vom Hörensagen zu vernehmen. Die Einschüchterung möglicher Zeugen werde auch durch die Niederschrift über eine richterliche Zeugenvernehmung vom 30. Dezember 2010 im Verfahren 24 Gs 276/10 (Strafverfahren zu Nr. 13) belegt, welches als Anlage B 3 (Bl. 124 ff der Prozessakte) übersandt werde. Insgesamt ergebe sich, dass der Kläger zur Durchsetzung seiner Ziele und Vorstellungen für sich in Anspruch nehme, legitimerweise Gewalt anzuwenden und damit das staatliche Gewaltmonopol negieren zu dürfen und somit die verfassungsmäßige Ordnung in Gestalt des aus dem Demokratie- und dem Rechtstaatsprinzip fließenden staatlichen Gewaltmonopols fortlaufend kämpferisch-aggressiv zu untergraben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien verwiesen, welche den Beteiligten zur Einsicht übersandt worden sind und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

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Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung zwei Hauptbeweisanträge gestellt, wegen deren Inhalt auf das Verhandlungsprotokoll vom 13. November 2012 Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

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Der Senat hat über die Klage zu entscheiden, weil diese nicht gem. § 92 Abs. 2 S. 1 VwGO als zurückgenommen gilt. Der Berichterstatter hat dem Kläger mit Beschluss vom 02. Dezember 2010 aufgefordert, das Verfahren zu betreiben und die Klage zu begründen. Nachdem ein Empfangsbekenntnis trotz Anmahnung nicht übersandt wurde, ist der Beschluss durch Postzustellungsurkunde am 21. Dezember 2010 zugestellt worden. Der Prozessbevollmächtigte hat auf Anforderung des Gerichts mit Schriftsatz vom 15. März 2011 anwaltlich versichert, dass ihm die gerichtliche Aufforderung vom 02. Dezember 2010 erstmalig am 21. Dezember 2010 zugegangen sei. Bei dieser Sachlage begann die Frist des § 92 Abs. 2 S. 1 VwGO mit der durch die Postzustellungsurkunde belegten Zustellung am 21. Dezember 2010. Da die Klagebegründung am 21. Februar 2011 per Telefax bei Gericht einging, ist die Frist des § 92 Abs. 2 S. 1 VwGO gewahrt und die Rücknahmefiktion nicht ausgelöst worden.

27

Die Klage ist in zulässiger Weise erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gem. § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gem. § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Die Vertretungsbefugnis für einen nicht rechtsfähigen Verein folgt - sofern eine Satzung vorhanden ist und diese die Vertretungsbefugnis regelt - aus der Satzung (vgl. Reichert, Vereins- und Verbandrecht, 12. Aufl. Rn. 5178). Die Satzung muss dabei nicht notwendig schriftlich festgelegt sein (Reichert, a.a.O., Rn. 5159 u. 5163). Unstreitig hat der Kläger sich an den „Articles of Association of the „Bandidos MC“ Motorcycle Club“ orientiert und diese Bestimmungen seinem Vereinsleben zugrunde gelegt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat eine Kopie dieser Satzungsbestimmungen in der Anlage zum Schriftsatz vom 18. Februar 2011 eingereicht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Mitgliederversammlung bei der Gründung im Frühjahr 2009 diese Satzung - jedenfalls konkludent - gebilligt hat. Der Nachweis eines entsprechenden schriftlichen Gesellschafterbeschlusses ist nicht erforderlich. Der Umstand, dass sich die Vereinsmitglieder nach dem Vorbringen des Klägers nicht sklavisch an alle Satzungsbestimmungen hielten, ändert an den verbindlichen Regelungen hinsichtlich der Vertretungsbefugnis nichts. Die Vereinsorganisation und die Organe werden in Art. 7 der Satzung geregelt. Die Vertretungsbefugnis ist in Art. 7 Ziff. 3 normiert. Danach wird der Verein vom Präsidenten und dem oder der Vizepräsidenten des Chapters vertreten, wobei jeder von ihnen das Recht hat, den Klub alleine zu vertreten. Die Klagevollmacht konnte deshalb für den Verein wirksam entweder vom Präsidenten oder vom Vizepräsidenten unterzeichnet werden. Die vor Klageerhebung dem (seinerzeitigen) Prozessbevollmächtigten erteilte Vollmacht vom 10. Mai 2010 ist von Herrn B........ unterzeichnet worden, der unstreitig jedenfalls bis kurz vor dem Zeitpunkt der Zustellung der Verbotsverfügung am 29. April 2010 Präsident war. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten hat Herr B....... gegenüber einem Beamten des Landeskriminalamtes (Soko Rocker) am 21. April 2010 erklärt, er habe die Absicht, von seinem Präsidentenamt zurückzutreten. Am 24. April 2010 habe er telefonisch mitgeteilt, dass er jetzt offiziell von seinem Präsidentenamt zurücktreten würde und Peter B...... als Vizepräsident den Bandidos MC leiten würde. Herr B....... habe den Rücktritt mit seiner privaten Situation und seiner Belastung durch die Erkrankung seiner Lebensgefährtin sowie seiner häufigen Inanspruchnahme durch die Polizei begründet (vgl. Vermerk Bl 120 PA). Der Kläger hat hierzu nachvollziehbar vortragen lassen, ein Rücktritt sei tatsächlich nicht erfolgt. Herr B....... habe mit Rücksicht auf seine schwerkranke Lebensgefährtin, welche mittlerweile verstorben sei, sich durch die Ankündigung gegenüber der ständigen Inanspruchnahme durch die Polizei „Luft“ verschaffen wollen. Da nach Art. 7 Nr. 3 der Satzung auch der Vizepräsident den Verein allein hätte vertreten können, habe er der Polizei aus seiner Sicht auch einen korrekten Ansprechpartner genannt.

28

Zu dem Vortrag, der Präsident B....... sei tatsächlich nicht von seinem Amt zurückgetreten, passt, dass er weiterhin als Vertreter des Vereins aufgetreten ist und die Prozessvollmachten unterzeichnet hat. Der Senat hat deshalb keinen Zweifel daran, dass Herr B....... zum Zeitpunkt der Ausstellung der jeweiligen Prozessvollmachten Präsident gewesen ist, zumal belastbare Hinweise auf eine andere Beschlusslage der Mitgliederversammlung des Klägers fehlen.

29

Der Kläger allein ist zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gem. § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: von Münch/Kunig [Hrsg.], Komm. z. GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

30

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Voraussetzung ist, dass ein Verwaltungsakt angefochten wird, der zum Zeitpunkt der Klageerhebung erlassen worden sein muss. Hieran bestehen keine Zweifel. Dass zum Zeitpunkt der Zustellung Vereinsmitglieder existierten, denen der Bescheid nicht ausgehändigt worden ist, ist nicht ersichtlich. Der Umstand, dass nach dem Vortrag des Klägers einige in der Verbotsverfügung als Vereinsmitglieder benannte Personen nicht Mitglieder des Vereins gewesen sind, berührt die wirksame Zustellung nicht. Darüber hinaus reicht für eine Zustellung aber auch aus, dass der Bescheid dem zur Vertretung berechtigten Präsidenten bekannt gegeben wurde.

31

Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gem. § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

32

Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gem. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dem Kläger eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sogenannten Bewegung der “Bandidos“ zukommt. Die Mitglieder des Klägers sind in Schleswig-Holstein wohnhaft; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

33

Unabhängig von der Frage, ob der Kläger lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der “Bandidos-Bewegung“ darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 S. 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt. Die vorherige Übermittlung sämtlicher Informationsgrundlagen für die beabsichtigte Verfügung ist für eine wirksame Einholung des Benehmens nach § 3 Abs. 2 S. 2 VereinsG nicht erforderlich (Senat, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 -).

34

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsbl. für S-H 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gem. § 3 Abs. 4 S. 1 u. 2 VereinsG, sind erfüllt.

35

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 S. 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, die es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gem. § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, ständige Rechtsprechung, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide juris, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers bleibt dieser Aspekt nachvollziehbar, auch wenn der Kläger nicht über ein eigenes Vereinsheim verfügte. Hierdurch wurde die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, dass - bei einer Ankündigung des Vereinsverbotes - Vereinsvermögen oder Sachen Dritter und Beweismittel beiseite geschaffen würden. Der Umstand allein, dass sich die Mitglieder des Klägers nicht in einem eigenen Vereinsheim, sondern in der Regel im Privathaus des Präsidenten trafen, entzieht dieser Befürchtung nicht von vornherein die Grundlage. Angesichts der einer Anhörung entgegen gehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen.

36

Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 - 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden.

37

Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

38

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

39

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebenso wenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 - , BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

40

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

41

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

42

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

43

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

44

Die Annahme der Strafrechtswidrigkeit eines Vereins kann im Einzelfall bereits auf Grund einer Straftat der Mitglieder des Vereins gerechtfertigt sein (Senat, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 -). Die unter den Ziffern 8, 13, 14 und 15 der Verbotsverfügung bezeichneten Straftaten begründen im vorliegenden Falle bereits jede für sich genommen die Strafrechtswidrigkeit des Klägers. Erst recht ist bei einer Gesamtschau dieser dem Kläger zuzurechnenden und ihn prägenden Straftaten die Feststellung gerechtfertigt, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen.

45

Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat vom 12. September 2009 - Nr. 8 in der Verbotsverfügung - ableiten. Zum Tathergang hat der Senat in dem das Verbot der „Hells Angels MC Charter Flensburg“ betreffenden Verfahren 4 KS 2/10 unter Anschluss an die Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 folgendes ausgeführt:

46

„Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in A-Stadt gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22:55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an Stefan R..... in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. R..... begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23:20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ Th..... zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des R..... dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K....... und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. Stefan R..... flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in E… ab und wurde gegen 0:22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K....... erreichte das Mitglied des Klägers Holger W....... in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.“

47

Wegen der Tat zum Nachteil des Holger W....... ist der zum Tatzeitpunkt amtierende Präsident des Klägers, Meick K......, durch Urteil des Landgerichts Kiel vom 05. Dezember 2011 (10 KLS 4/11) wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 22. Mai 2012 die Revision verworfen hat. Grundlage der Verurteilung war das Geständnis des Angeklagten, welches sich nach den Feststellungen des Landgerichts mit dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme deckte. Zum Tatablauf hat das Landgericht Kiel folgendes festgestellt:

48

„Am Abend des 12. September 2009 befuhr der Angeklagte als Präsident des MC Bandidos A-Stadt auf seinem Motorrad, amtliches Kennzeichen KI ……, an der Spitze eines Konvois aus Motorrädern und einem Begleitfahrzeug mit anderen Mitgliedern dieses Motorradverein, u.a. den Zeugen D...., B...... , W......, H......, Sch..... und K......., aus Dänemark kommend die BAB 7 in Richtung Süden. Als sich der Angeklagte sowie die Zeugen D...., B...... , W......, H......, Sch..... und K....... gegen 23:25 Uhr in Höhe Km 9,4 in einem durch Baustelleneinrichtung beschränkten Streckenabschnitt mit je zwei Fahrspuren für jede Richtung befanden, stieß ein Fahrzeug, das nicht zum Konvoi der Bandidos gehörte, mit Absicht das auf dem rechten Fahrstreifen kurz hinter dem Angeklagten an zweiter Stelle fahrende Motorrad des Zeugen K....... an. Der Zeuge K....... stürzte bei erheblicher Geschwindigkeit von seinem Motorrad und kam auf der Fahrbahn zum Liegen. Er verletzte sich dabei schwer.

49

Der Angeklagte sowie die Zeugen D...., B...... , W......, H...... und Sch..... bremsten ihre Fahrzeuge bis zum Stillstand ab. Sie stiegen von ihren Motorrädern ab beziehungsweise aus dem Begleitfahrzeug aus, insbesondere auch, um die Unfallstelle zu sichern und sich um den verletzten Zeugen K....... zu kümmern. Hinter dem Konvoi näherte sich neben weiteren Fahrzeugen von Unbeteiligten der Unfallstelle das von dem Zeugen W....... geführte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HH - ……. Als Beifahrer saß der Zeuge D…… im Fahrzeug. Die Zeugen W....... und D….. sind dem Unterstützerumfeld der Hells Angels Flensburg zuzurechnen.

50

Nachdem der Angeklagte, der bereits vermutete, dass die Kollision und der Unfall des Zeugen K....... durch ein Mitglied der Hells Angels schuldhaft verursacht worden war, das Fahrzeug des Zeugen W....... wahrgenommen hatte, nahm er aus dem Begleitfahrzeug seines Konvois, einem VW-Golf-Kombi, ein Messer und einen Radmutterschlüssel. Mit diesen Gegenständen bewaffnet lief der Angeklagte mit weiteren, im Einzelnen nicht zu ermittelnden anwesenden Mitgliedern des MC Bandidos A-Stadt zu den von ihnen als Hells Angels-Unterstützer erkannten Zeugen W....... und D…., die nach dem Abbremsen von der Unfallstelle aus dem Fahrzeug ausgestiegen waren. Unter Verwendung des Radmutterschlüssels schlug der Angeklagte dem Zeugen W....... zwischen Fahrzeug und rechter Leitplanke mehrfach mit großer Wucht auf den Kopf. Der Zeuge W....... ging zu Boden. Anschließend verletzte der Angeklagte den Zeugen W....... mit dem Messer durch Stiche in den linken Oberschenkel, den linken Unterschenkel und den rechten Unterschenkel, ohne dass für seine Handlung ein rechtfertigender Anlass bestand. Der Zeuge W....... entfernte sich nach dem Angriff von der Autobahn, schleppte sich etwa 200 m in einen neben der Autobahn verlaufenden Graben und versteckte sich. Dort wurde er nach Abschluss der Erstversorgung des verletzten K....... und nach Wiederfreigabe der Fahrbahn von der Polizei gefunden, weil sein offenstehendes Fahrzeug mit laufendem Motor herrenlos auf der rechten Spur den Verkehr blockierte und die Polizei seine im Fahrzeug gefundenen Mobiltelefonnummer angerufen und ihn so erreicht hatte.“

51

Die Straftat, die von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, ausgeführt wurde, ist dem Verein zuzurechnen. Sie kann nur vor dem Hintergrund der rivalisierenden Auseinandersetzung der Flensburger „Hells Angels“ und des Klägers gesehen werden.

52

Zu Unrecht wendet der Kläger in diesem Zusammenhang ein, eine wirtschaftliche Konkurrenz zwischen dem Kläger und den Hells Angels Flensburg sei nicht ersichtlich geschweige denn vom Beklagten belegt. Es sei auch nicht einmal ersichtlich, dass der Kläger überhaupt zum Zwecke wirtschaftlicher Betätigung - sei es auf dem kriminellen Sektor oder auf dem legalen Sektor - gegründet worden sei. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Richtig ist, dass der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder sich auch daraus ergeben kann, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 - Buchholz 402.45 Vereinsgesetz Nr. 32, juris Rn. 12). Zum einen ist das Kriterium der Konkurrenz jedoch nur eines unter mehreren Kriterien für die Frage der Zurechnung und Prägung. Zum anderen ist es im Falle rivalisierender Auseinandersetzungen unerheblich, ob diese vor einem wirtschaftlichen Hintergrund stattfinden. Das Bestehen einer Rivalität zwischen dem Kläger und den Hells Angels Flensburg steht für den Senat außer Frage. Die Mitglieder des Klägers trugen im Vorfeld der von den jeweiligen Präsidenten der Flensburger „Hells Angels“ und des Klägers verübten Straftaten auf ihrer Fahrt durch das „Territorium“ der Flensburger Hells Angels ihre Kutten, was von den Flensburger Hells Angels als Provokation verstanden wurde. Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil vom 29. April 2011 wegen der Straftat zu Lasten des K....... das Motiv der Tat als eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Die Straftat zu Lasten von Holger W....... stellt sich in diesem Zusammenhang als unmittelbare Vergeltungsaktion der „Bandidos“ dar. Zwar ließen sich hinreichende Anhaltspunkte für eine konkret zurechenbare strafrechtliche Beteiligung einzelner weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten K...... nicht ermitteln, sodass die übrigen eingeleiteten Strafverfahren eingestellt wurden. Dies ändert aber nichts daran, dass die Tat nach den oben dargelegten Kriterien dem Verein zuzurechnen ist. Nach den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Kiel, an denen der Senat keinerlei Zweifel hat, lief der seinerzeitige Präsident K...... mit weiteren, im Einzelnen nicht zu ermittelnden anwesenden Mitgliedern des MC Bandidos A-Stadt zu den Zeugen W....... (dem späteren Opfer) und D…. hin. Dabei konnte sich der Präsident K...... der jederzeitigen Unterstützung und des Rückhalts der ihn begleitenden weiteren Mitglieder sicher sein. Unabhängig von der Frage, ob der Vortrag in der Klagebegründung vom 18. Februar 2011, wonach Meick K...... „bereits“ im Dezember 2009 wegen seines Verhaltens bei der Tat vom 12. September 2009 ausgeschlossen worden sein soll, als Schutzbehauptung zu werten ist, ist diese erstmals mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 mitgeteilte angebliche „Distanzierung“ nicht zeitnah genug erfolgt, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Daneben ist zu berücksichtigen, dass - wenn auch nicht namentlich zuzuordnen - weitere Mitglieder des Klägers beim Tathergang anwesend waren und hierdurch ihrem (seinerzeitigen) Präsidenten den erforderlichen Rückhalt gewährleisteten. Der Senat wertet die Tat am 12. September 2009 nicht als privat motivierten Racheexzess eines einzelnen Mitglieds, sondern als eine vom gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins getragene Tat, der unter Berücksichtigung auch der jedenfalls bis Dezember andauernden Aufrechterhaltung der Organisationsstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zukommt. Unter Berücksichtigung des Macht- und Geltungsanspruchs des Vereins, welcher sich auch durch das Zeigen der Kutten im Vorfeld der Tat ausdrückt, sowie des in der Tat zum Ausdruck kommenden Selbstverständnisses des Vereins, sein Recht in die eigene Hand zu nehmen und angesichts der maßgeblichen Beteiligung des höchsten Funktionsträgers, des Ausmaßes der Gewaltanwendung und der gemeinschaftlichen Begehung der Tat durch mehrere Mitglieder vor dem Hintergrund der offensichtlichen Rivalität beider Gruppierungen begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Die Tat dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, sodass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um darauf das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (Senat, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 -).

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Von mindestens gleichem Gewicht und ebenfalls für sich genommen die Feststellung der Strafrechtswidrigkeit zu tragen geeignet ist die dem Verein zuzurechnende Straftat vom 13. Januar 2010 (Nr. 14 der Verbotsverfügung). Nach den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Kiel vom 15. April 2011 hielten sich am 13. Januar 2010 gegen 19:00 Uhr die geschädigten B…., W…. und C…. im Restaurant S..., Großflecken 1 in A-Stadt auf. Bei den Personen handelt es sich um Mitglieder einer Unterstützergruppierung der Hells Angels (Red Devils A…). Sie wollten nach dem Restaurantbesuch ab 20:00 Uhr an einem Clubabend der befreundeten Red Devils A-Stadt teilnehmen und trugen dabei ihre sogenannten Kutten, die sie als Mitglieder der Red Devils auswiesen. Nachdem Mitglieder des Klägers von deren Anwesenheit Kenntnis erlangt hatte, kam es in der Folge zu einer Vielzahl von Telefonaten innerhalb der Gruppe der den Bandidos-Mitgliedern zugeordneten Anschlüsse. Gegen 19:42 Uhr sammelte sich eine Personengruppe, bestehend aus Mitgliedern der Bandidos A-Stadt, an der Ecke Großflecken/Am Klostergraben in A-Stadt in unmittelbarer Nähe des Restaurants S.... Die Personengruppe bestand aus wenigstens fünf Personen. Wenigstens zwei der Mitglieder waren für alle erkennbar mit Schlagstöcken, wenigstens eine Person war für alle erkennbar mit einem Messer bewaffnet. Zu dieser Personengruppe kam der Angeklagte B......, welcher wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung wegen der Tat vom 13. Januar 2010 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden ist, hinzu. Er hatte bis etwa 19:26 Uhr im …-Supermarkt, B-Straße 224 in A-Stadt eingekauft und um 19:31 Uhr den Anschluss des Präsidenten B....... zurückgerufen. Nachdem sich entsprechend der Vorstellung der anwesenden Bandidos genügend Mitglieder für einen Angriff auf die im S... sitzenden Red Devils gesammelt hatten, lief die Personengruppe um ca. 19:45 Uhr mit der gemeinsamen Absicht in Richtung des S... los, die Red Devils erforderlichenfalls unter Einsatz von Schlagwerkzeugen und Messern durch Schlagen und Zustechen zu überfallen und ihnen ihre Kutten wegzunehmen. Ziel des Überfalls war es, dem „Gebietsanspruch“ der Bandidos in A-Stadt Ausdruck zu verleihen. Die Personengruppe der Bandidos erreichte den Eingang des S... und griff die unbewaffneten Zeugen B…., W…. und C…. an. Eine Person aus der Gruppe forderte die Zeugen mit dem Ruf „Kutten her“ auf, ihre Kutten herauszugeben. Bei dem Handgemenge trug der Zeuge W…. zwei Messerstiche in den linken Oberarm davon, wobei eine kleinere Arterie verletzt wurde. Der Zeuge B…. erlitt Messerschnitte hinter dem Ohr, Messerstiche in den Bauch und in die Schlagader im linken Knie. Die große hintere Beinarterie wurde durch einen Messerstich derart verletzt, dass der Zeuge B…. innerhalb von rund 1 bis 2 Minuten ca. 2 bis 3 Liter Blut verlor. Der stark blutende Zeuge B…. kam im S... auf dem Fußboden etwa dort zu liegen, wo die große Fußmatte im Eingangsbereich endet und der Fliesenbereich ins Innere des Restaurants beginnt. Es bildete sich eine Blutlache ausgehend vom linken Knie des Zeugen B….. Wer aus der Gruppe zustach, konnte nicht festgestellt werden. An die Hose des Angeklagten B...... spritzte aus der entstandenen Blutlache Blut, wahrscheinlich als dieser selbst oder eine andere Person in die entstandene Blutlache trat. Die Angreifer nahmen den Zeugen W…. und C…. gegen deren Willen ihre Kutten ab, deren anschließender Verbleib nicht geklärt werden konnte.

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Die der Verurteilung zugrundeliegende Sachverhaltsfeststellung begegnet keinerlei Zweifeln. Sie beruht auf einer ausführlichen und überzeugenden Beweiswürdigung durch das Landgericht; der Senat legt diese Sachverhaltsfeststellungen zugrunde, deren Richtigkeit der Kläger im Übrigen auch im Verfahren nicht bestritten hat. Hiernach ist Peter B...... nach der Überzeugung des Landgerichts Kiel bereits zu Beginn des Überfalls mit der aus Bandidos bestehenden Personengruppe in das „S...“ hineingestürmt. Es kommt deshalb nicht mehr auf den im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12. November 2012 erfolgten Vortrag an, wonach Peter B...... gegenüber den übrigen Mitgliedern des Klägers stets erklärt habe, an der fraglichen Straftat nicht beteiligt gewesen zu sein und das „S...“ erst betreten zu haben, als das Geschehen bereits vorbei gewesen sei. Der Umstand, dass die Übrigen Angeklagten (Ralf D...., Nils H…. und Thomas K.......) freigesprochen wurden, weil das Gericht keine Überzeugung von ihrem jeweils konkret zuzuordnenden Tatbeitrag gewinnen konnte (nur Peter B...... war unmaskiert und wurde von mehreren Zeugen identifiziert), ändert nichts daran, dass der Tathergang in exemplarischer Weise eine dem Verein zurechenbare, seinen Charakter prägende Straftat abbildet. In besonders typischer Weise diente der Überfall im S... und das Wegnehmen der Kutten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation. Eine strafrechtliche Verurteilung weiterer Personen ist für eine Zurechnung nicht erforderlich. Es reicht aus, dass feststeht, dass Peter B...... zusammen mit mehreren Mitgliedern des Vereins nach vorheriger telefonischer Abstimmung Mitglieder einer konkurrierenden Organisation überfallen und ihnen die Kutten weggenommen haben, um ihren territorialen Besitzanspruch in A-Stadt zu behaupten. Auch in diesem Falle hindert die Behauptung des seinerzeitigen Proessbevollmächtigten des Klägers, dass Peter B...... durch Mehrheitsbeschluss der Mitglieder aus dem Verein ausgeschlossen worden sei, die Zurechnung nicht, und zwar schon deshalb, weil die Tat nicht von ihm allein, sondern von mehreren Vereinsmitgliedern begangen worden ist, die Kenntnis von der Tatbeteiligung des Peter B...... hatten. Davon abgesehen wäre ein Ausschluss von Peter B...... erst wenige Tage vor Zustellung der Verbotsverfügung nicht zeitnah genug erfolgt, um eine Zurechnung seines strafbaren Verhaltens zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung zu hindern. Im Übrigen ist der Vortrag auch als Schutzbehauptung zu werten. Aus dem vom Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 23. Mai 2011 beigefügten Vermerk des Landeskriminalamtes SH Soko Rocker vom 27. April 2010 (Bl. 120 der Prozessakte) ergibt sich, dass der Vereinspräsident B....... am 21. April 2010 gegenüber dem Beamten des Landeskriminalamtes seinen Rückzug vom Präsidentenamt angekündigt und am 24. April 2010 mitgeteilt habe, Peter B...... werde als Vizepräsident jetzt den Bandidos MC leiten. Hiernach hatte Peter B...... unmittelbar vor Zustellung der Verbotsverfügung innerhalb des Klägers eine Führungsposition inne. Letztlich ist die Frage, ob Peter B...... am Tage seiner Verhaftung ausgeschlossen wurde, aber unerheblich, weil - wie oben ausgeführt - hierin keine die Zurechnung hindernde zeitnahe Distanzierung läge. Die vom Beklagten im Wege des Hauptbeweisantrages beantragte Beiziehung und Verlesung des Wortlautprotokolls aus der Telekommunikationsüberwachung der Mitglieder des Klägers in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel zum Aktenzeichen 593 Js 3921/10 sowie auf „Inohrenscheinnahme“ der vorgenannten Kommunikationsvorgänge durch Abspielen der Aufzeichnungen auf der Telekommunikationsüberwachung der Mitglieder des Klägers in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft beim dem Landgericht Kiel zum Aktenzeichen 593 Js 3921/10 war deshalb abzulehnen, weil es nach allem nicht mehr darauf ankommt, ob das Mitglied Peter B...... am 27. April 2010 nicht aus dem klagenden Verein ausgeschlossen wurde.

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Auch der Tathergang vom 08. Dezember 2009, welcher zur Anklage von Peter B...... und Walter Wilhelm Alexander H...... sowie Nils H…. geführt hat (Az.: 593 Js 6498/10 - Nr. 13 der Verbotsverfügung), begründet die Strafrechtswidrigkeit des Klägers. Der Anklageschrift zufolge sollte am Abend des 08. Dezember 2009 in den Räumen der Gaststätte „T...“, ……., A-Stadt, in dem sich häufig Mitglieder des Klägers sowie der Unterstützergruppe „Contras“ aufhielten, ein Dartspiel zwischen der Heimmannschaft „Dartifanten“ und der aus Kiel stammenden Gastmannschaft „DC Other-Place“ stattfinden. Dieser Dartclub wurde nach einer gleichnamigen, insbesondere von Mitgliedern des MC Hells Angels Kiel genutzten Gaststätte benannt. Nachdem die Angeschuldigten und mehrere noch nicht ermittelte Personen von der bevorstehenden Veranstaltung Kenntnis erlangt hatten, entschlossen sie sich, gemeinsam die Gaststätte „T...“ aufzusuchen und einen der Dartspieler, nämlich den in Kiel in einem vom Präsidenten der Hells Angels betriebenen Eros-Center arbeitenden Zeugen S….…, erheblich in seiner körperlichen Integrität zu beeinträchtigen. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend betraten die Angeschuldigten und ihre Begleiter gegen 19:45 Uhr die Räume der Gaststätte, in der sich auch schon der Zeuge St... mit seinen Mannschaftskameraden aufhielt. Absprachegemäß blieb der Angeschuldigte B...... in dem Eingangsbereich stehen, um zu verhindern, dass die Angeschuldigten H….und H...... gestört wurden. Diese beiden Angeschuldigten liefen zu dem vor einem Dartautomaten stehenden Zeugen S….. Obwohl kein rechtfertigender Anlass dafür bestand, versetzten die Angeschuldigten H...... und H..... mit Wissen und Billigung des Angeschuldigten B...... dem vollkommen arg- und wehrlosen Zeugen St... mehrere heftige Faustschläge in das Gesicht. Nachdem der Zeuge St…. auf den Boden gefallen war, traten ihn die Angeschuldigten H..... und H....... Anschließend nahm der Angeschuldigte H..... - wie von vornherein geplant - den Gürtel, der nach den Inhalt der Verbotsverfügung die Initialen „support 81“ trug, des Zeugen St..., der dieses nicht verhindern konnte, an sich. Mit diesem Gürtel schlug der Angeschuldigte H..... mehrfach in das Gesicht des am Boden liegenden Zeugen St…. Der im Gesicht stark blutende Zeuge St.…., der noch heute unter gravierenden Sehstörungen leidet, musste im …-Krankenhaus A-Stadt unter anderem wegen Nasenbeinfraktur und ausgeprägter Weichteilschwellungen im Bereich des Mittelgesichtes - insbesondere im Bereich des rechten Auges - behandelt werden.

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Auch dieser Vorgang ist nach den maßgeblichen Kriterien dem Kläger zuzuordnen und prägt seinen Charakter. Darauf, ob einer der Angeklagten deshalb verurteilt werden wird, kommt es nicht an. Der Senat hat den zum Verfahren 593 Js 6498/10 übersandten Ermittlungsakten die beim Amtsgericht A-Stadt am 30. Dezember 2010 protokollierte Zeugenaussage des damaligen Wirtes der Gaststätte T..., Horst-Dieter M…., entnommen. Dieser hat ausgesagt, so gegen zwanzig vor acht sei mit einem Liga-Dartspiel begonnen worden. Er habe nicht gewusst, um was für Personen es sich bei den Mannschaften gehandelt habe. Um 19:55 Uhr habe er aus dem Fenster geguckt und dort etliche Leute gesehen, die Kutten mit Emblemen trugen. Es seien etwa 10 Leute gewesen. Er habe sie gebeten, wegen des Spieles sich in einen anderen Raum zu setzen. Er sei von denen ziemlich schnell in Schach gehalten worden. Alexander H...... und Nils H..... hätten sich einen aus der Gruppe der Spieler geholt und ihn sofort ziemlich zusammengeschlagen. Sie hätten ihm auch den Gürtel aus der Schnalle gezogen. Das müsse wohl ein Emblem von den „Angels“ gewesen sein. Zu der Zeit habe er am Tresen gestanden und alles genau beobachten können. Er habe auch die Personen erkennen können, die er aus früheren Besuchen bei ihm gekannt habe, jedoch nicht gewusst habe, wie sie heißen. Dies habe er erst im Nachhinein erfahren. Er könne heute mit Sicherheit sagen, dass es die beiden Personen waren, die zu der Gruppe gingen, nämlich Alexander H...... und Nils H...... Sie seien gezielt auf ihr Opfer losgegangen und hätten ihn ziemlich zugerichtet. Er habe Faustschläge bekommen. Der kleine H..... habe ihm dann noch den Gürtel rausgezogen und ihn damit geschlagen. Er habe richtig durch sein Gesicht gepeitscht. Wenn sie den sehen würden, würden sie ihm so etwas nicht zutrauen. Alexander H...... sei mit Faustschlägen gegen den Kopf angefangen. Der Mann sei zu Boden gegangen. Sie hätten danach richtig Angst und Bange gehabt, dass er da versterbe. Er sei so schrecklich zugerichtet gewesen. Plötzlich seien alle wieder verschwunden. Er meine, dass Peter B...... noch ganz vorne an der Tür gewesen sei. Er könne es aber nicht hundertprozentig beschwören. Viele Leute in der Gastwirtschaft, auch die Liga-Dartmannschaften, hätten den Vorfall beobachtet. Er glaube aber kaum, dass irgendjemand aussagen werde. Sie würden alle damit nichts zu tun haben wollen. Sie hätten alle Familie und Kinder. Der Vorfall habe sich in der alten T... in der …Straße abgespielt. Aus einem weiteren Vernehmungsprotokoll vom 09. Februar 2011 ist eine Präzisierung dieser Zeugenaussage durch Horst-Dieter M…. zu entnehmen. Er sagte aus, er sei sich ganz sicher, dass Herr B...... an dem Abend in der Gastwirtschaft T... gewesen sei. Es gebe für ihn keinen Zweifel daran, dass Herr B...... dagewesen sei. Er habe aber nichts getan. Er habe am Rand gestanden und nicht mitgewirkt. Dass Peter B...... am 08. Dezember 2009 gegen 20:00 Uhr am Tatort erschien, wird durch die Ergebnisse der Überwachung seines Mobilfunkanschlusses gestützt, wonach um 19:59 Uhr in räumlicher Nähe zur Friedrichstraße 32 eine SMS mit dem Inhalt gesendet wurde: „Bin gleich da“. Fest steht auch, dass das Opfer St…. im Verlaufe des Tatherganges am 08. Dezember 2010 schwer misshandelt und verletzt worden ist. Für den Senat steht außer Zweifel, dass die Tat, welche „unter den Augen“ eines hohen Funktionsträgers des Klägers - nämlich Herrn B...... - verübt wurde im Zusammenhang mit der Rivalität der Bandidos und der Hells Angels steht und dem Kläger zuzurechnen ist und einen weiteren Beleg dafür darstellt, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen.

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Gleiches gilt für den Tathergang vom 19. Februar 2010 (Nr. 15 der Verbotsverfügung; Az. der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg 108 Js 4128/10). Nach dem Ermittlungsbericht des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein vom 23. April 2010 überfielen gegen 19:49 Uhr am 19. Februar 2010 fünf Mitglieder der Rockergruppe Bandidos MC den Fahrer eines Pkw in Flensburg, A-Straße (Höhe …), verletzten den Fahrer mit einer Axt und beschädigten dessen Fahrzeug. Anschließend flüchteten sie in einem Fahrzeug mit Kieler Kennzeichen. Der Geschädigte Stefan K…. habe angegeben, kurz vor der Tat seinen Pkw Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen SL - …. in Flensburg, A-Straße …. geparkt und, bekleidet mit einer dunklen Bomberjacke und einem dunklen Shirt mit einem Hells Angels-Aufdruck und einer Wollmütze das Restaurant „G... L...“ in der A-Straße ….betreten zu haben, um Nachschau zu halten, wer sich dort aufhalte. Er habe in einem Bereich des Gastraumes mehrere Mitglieder der Rockergruppe Bandidos MC bemerkt, welche er an ihren Kutten erkannt habe. Daraufhin sei er sofort umgekehrt, um zu seinem Auto zu laufen. Hierbei sei er von mehreren Bandidos verfolgt worden. Er habe sich in sein Fahrzeug flüchten und die Verriegelung betätigen können; das Fahrzeug sei jedoch nicht angesprungen. Etwa sechs bis neun Bandidos, die sich um sein Fahrzeug herum gruppiert hätten, hätten auf dieses eingeschlagen. Ein Bandido habe eine Handaxt oder ein Beil aus einer Lederhülle in die Hand genommen und mit ein bis drei Schlägen die Scheibe der Fahrertür eingeschlagen. Danach habe der Täter gezielt in Richtung seines Gesichts geschlagen, dieses jedoch nicht getroffen, weil er (der Geschädigte K…) seinen linken Arm vor das Gesicht gehalten und sich nach rechts weggeduckt habe. Die Axt habe seine linke Hand getroffen, wobei sofort Blut ausgetreten sei. Daraufhin seien die Bandidos zu ihren Fahrzeugen gelaufen, die hinter dem seinigen abgestellt gewesen seien. Dem Ermittlungsbericht zufolge gab der Geschädigte K…. weiter an, nach der Tat habe er „seine Leute“ benachrichtigt, welche auch einige Minuten später am Tatort erschienen seien. Nach einer ersten Befragung im Krankenhaus sei der Geschädigte dann nicht mehr bereit gewesen, weiter an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Die Zeugin X….. habe noch am Tattag ausgesagt, sie sei, aus Richtung Südermarkt kommend, in Begleitung einer Freundin die A-Straße entlanggegangen. Dieser sei ein dunkler Pkw Mercedes aufgefallen. Vier bis fünf Personen seien von dem Eingangsbereich des Restaurants „G... L...“ in Richtung des dunklen Mercedes gelaufen. Die Personen seien an das Fahrzeug getreten und hätten sich auf Fahrer- und Beifahrerseite verteilt. Zwei Personen hätten auf der Beifahrerseite in Richtung der Reifen herumhantiert. Sie habe aus den Bewegungen geschlossen, dass die Personen die Reifen zu zerstechen beabsichtigten und dann die Polizei verständigt. Im weiteren Verlauf habe sie hören können, dass auf der Fahrerseite Glas zerbrochen sei. Während ihres Telefonates mit der Polizei sei sie von einer Person angesprochen worden, die beobachtet haben wolle, wie die Täter in einem Pkw mit Kieler Kennzeichen gestiegen und weggefahren seien. Sie habe deshalb noch während des laufenden Telefonats das Kennzeichen KI - …..weitergegeben.

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Die Zeugin Y…. habe am 24. Februar 2010 ausgesagt, sie habe am 19. Februar 2010 gegen 19:45 Uhr in der A-Straße auf Höhe der Hausnummer …geparkt, um die dortige …-Bank aufzusuchen. Anschließend sei sie mit ihrem Fahrzeug in Richtung Südermarkt abgefahren und habe dabei beobachtet, wie fünf Personen auf dem in ihrer Fahrtrichtung gelegenen linken Bürgersteig vorbeiliefen. An vier dieser Personen habe sie auf deren Kutten deutlich den Schriftzug „Bandidos“ ablesen können, mit einem Emblem darunter, welches sie nicht näher beschreiben könne. Die Personen seien auf einen in Höhe des Dänischen Bettenlagers linksseitig abgestellten Pkw Mercedes zugelaufen, hätten sich um diesen herum gruppiert und versucht, die Türen zu öffnen. Gleichzeitig hätten sie mit Fäusten gegen die Scheiben des Fahrzeugs geschlagen. Im weiteren Verlauf der Fahrt habe sie keine weiteren Beobachtungen mehr machen können.

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Aus dem Ermittlungsbericht geht weiter hervor, dass in Bezug auf das von einer Zeugin mitgeteilte Kennzeichen KI - …. eine Ringalarmfahndung ausgelöst und als Halter dieses Fahrzeugs der Beschuldigte Thomas K....... ermittelt worden sei. Das Fahrzeug habe um 20:23 Uhr auf der BAB 7, Autobahnparkplatz „Rade“, Fahrtrichtung Süden, aufgenommen und verfolgt werden können. Um 20:46 Uhr habe es in A-Stadt in der Straße B-Straße gestoppt werden können. Die Insassen seien vorläufig festgenommen worden. Hierbei habe es sich um die Beschuldigten Thomas K......., Marco M......, Klaus Dieter W...... und Walter H...... gehandelt. Die Personen seien als Mitglieder des Bandidos MC A-Stadt bekannt gewesen und hätten entsprechende Clubkleidung getragen. Im Fahrzeug seien unter anderem ein Beil, ein Messer (Mittelkonsole) sowie ein weiteres Messer (zwischen Fahrersitz und Fahrertür) sichergestellt worden. Die Kontrolle eines etwa 300 m entfernten weiteren Fahrzeugs mit dem Kennzeichen RD - ….., welches dem polizeilich bekannten Mitglied der Bandidos MC A-Stadt, Mario S…., gehöre, habe zur Festnahme von Mario S…, Ümet G…., Grischa V….und B........ geführt. Die Festgenommenen hätten Kutten getragen. Ein Messer sei sichergestellt worden, welches rechts neben dem Beifahrersitz deponiert gewesen sei. Wegen des geschilderten Tatherganges wurde in der Folgezeit - soweit Mitglieder des Klägers betroffen sind - gegen die Beschuldigten W......, B......., M......, S…., H...... und K....... ermittelt. Das Verfahren wurde jedoch insoweit durch Verfügung vom 15. September 2011 durch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da lediglich hinsichtlich des Beschuldigten G......, bei welchem es sich nach den Erkenntnissen der Polizei um einen Prospect-oder Probationary-Mitglied des Bandido-Chapters „Del Este“, H…, Brandenburg handele, ein hinreichender Tatverdacht (Zuordnungen seiner Blutanhaftungen zum Tatort) nachweisbar sei. Gleichwohl steht aufgrund der geschilderten Erkenntnisse, insbesondere des Umstandes, dass das Kennzeichen des Fahrzeugs des Herrn K....... von einer Zeugin mitgeteilt werden konnte, dieses Fahrzeug dann tatsächlich nach Süden in Richtung A-Stadt gefahren ist, wo es gestoppt werden konnte, sowie dem weiteren Umstand, dass sich in diesem Fahrzeug die Vereinsmitglieder K......., M......, W...... und H...... befunden haben und entsprechende Clubkleidung getragen haben, für den Senat ohne Zweifel fest, dass mehrere Mitglieder des Klägers im Zuge einer territorialen Machtbestrebungen zuzuordnenden Auseinandersetzung mit den „Hells Angels“ in Flensburg am Tathergang beteiligt waren. Auch wenn mangels gesicherter Erkenntnisse über die Gesamtzahl der Täter am Tatort für jeden einzelnen der Beschuldigten letztlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass er im Moment der Tatausführung nicht vor Ort war, geht der Senat davon aus, dass die Tat der einzelnen Mitglieder dem Willen des Vereins und insbesondere auch dem Willen des im Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen RD - …. angetroffenen Vereinspräsidenten B........ entsprach. Ferner trugen die von der Polizei nach der Tatausführung in A-Stadt festgenommenen Vereinsmitglieder die Clubkleidung des Klägers. Damit ist auch dieser Tatkomplex ein Beleg dafür, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen.

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Auf eine Wertung der einzelnen weiteren strafrechtlichen Vorwürfe kommt es nach allem nicht mehr an. Lediglich zur Abrundung sei noch angemerkt, dass das Vereinsmitglied Walter H...... durch Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 11. Juni 2010 (23 Ds 599 Js 53789/09) wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung und Sachbeschädigung, zu einer Gesamtgeldstrafe von hundert Tagessätzen verurteilt worden ist. Nach den hierzu ergangenen Feststellungen des seit dem 14. Oktober 2011 rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Kiel vom 06. Oktober 2011 (30 Ns 7/11) befand sich der Angeschuldigte am 26. Juni 2009 in der Zeit von 18:20 Uhr bis 20:15 Uhr im amtlichen Gewahrsam des 1. Polizeireviers A-Stadt, wo er in der Zelle 6 untergebracht war. Während dieser Zeit ritzte der Angeschuldigte folgende Schriftzüge in die in der Gewahrsamszelle befindliche Bank ein: „Hells Angels sind Fotzen“, „R…. du Nutte“, „Our Colors don´t Run 1 % BFFB 1 %“, „Bandidos MC 1 % A-Stadt“, „Bandidos MC“, „Club 88“ und „ACAB“, darüber hinaus ritzte er in die Bank insgesamt 6 Hakenkreuze ein.

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Auch dieser Sachverhalt hat erkennbar Vereinsbezug und ist Ausdruck eines territorialen Markierungsverhaltens. Die Feststellung, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen, ist nach allem rechtlich nicht zu beanstanden. Inwieweit die bei Durchsuchungen aufgefunden Munition und Bewaffnung (Kleinkaliberpatronen und Messer), - vgl. die Darstellung des Sachverhalts zu Nr. 1 - 3 der Verbotsverfügung - und sonstige waffenrechtliche Verstöße wie zum Beispiel das Tragen eines Springmessers anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht A-Stadt am 22. Juni 2009 durch das Vereinsmitglied B......, Ausdruck und Beleg einer systematischen Bewaffnung des Klägers sind und die einzelnen Straftaten seiner Mitglieder deshalb dem Verein zuzurechnen sind, bedarf nach allem keiner abschließenden Entscheidung mehr.

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Es bestehen auch im Übrigen keine Rechtmäßigkeitszweifel an der Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider laufen. Insbesondere bestehen keine Bedenken hinsichtlich des Verfahrens und der Entscheidungsgrundlagen der vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen. Bei der Entscheidung darüber, ob die Zwecke und die Tätigkeiten eines Vereins im Sinne des in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alternative GG den Strafgesetzen zuwider laufen, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben, handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung. Die Zurechnung von Straftaten einzelner Mitglieder zum Verein auf einer unzureichenden oder falschen Tatsachengrundlage oder aufgrund einer Fehlgewichtung einzelner für die Zurechnungsentscheidung relevanter Aspekte führt für sich genommen nicht etwa zur Rechtswidrigkeit der Verbotsverfügung. Ebenso wenig handelt es sich um eine einen Abwägungsvorgang voraussetzende Entscheidung, die den Anforderungen des etwa im Planfeststellungsrecht geltenden Abwägungsgebotes genügen müsste. Dort verlangt das Abwägungsgebot zum einen, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, zum anderen, dass in die Abwägung Belange eingestellt werden, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden müssen, und schließlich, dass weder die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 - 4 C 21.74 -, BVerwG 48, 56 63, 64). Derartige Anforderungen in verfahrensrechtlicher Hinsicht gelten im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren nicht. Ein rechtliches Gebot zu ausschließlich eigenständiger Ermittlung und Gewichtung der Tatsachengrundlagen für die hier in Rede stehende Feststellung der Strafrechtswidrigkeit besteht nicht. § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG bietet die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist (vgl. dazu bereits Senat, Urt. v. 19 Juni 2012 - Az. 4 KS 2/10). Die Kriterien für eine Zurechnung einzelner Straftaten, welche durch Mitglieder des Vereins begangen wurden, sind - wie oben ausgeführt - in der höchstrichterlicher Rechtsprechung und in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Ob unter Berücksichtigung dieser Kriterien einzelne Straftaten der Vereinsmitglieder den Verein prägen und deshalb seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufen, ist eine vom Gericht zu überprüfende Frage der Erfüllung des Tatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Die genannten Voraussetzungen für die getroffene Feststellung in Ziffer 1 Satz 1 der Verbotsverfügung lagen nach allem vor.

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Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

64

Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

65

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Ziele legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partiell eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen, und übe zudem über seine Mitglieder Einfluss auf außenstehende Dritte aus, um diese von einer Kooperation mit staatlichen Behörden abzuhalten. Auch aus der Einschüchterung möglicher Zeugen ergebe sich, dass der Kläger zur Durchsetzung seiner Ziele und Vorstellungen für sich in Anspruch nehme, legitimerweise Gewalt anzuwenden und somit die verfassungsmäßige Ordnung in Gestalt des aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip fließenden staatlichen Gewaltmonopols fortlaufend kämpferisch-aggressiv zu untergraben.

66

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

67

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weitgreifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden beziehungsweise rivalisierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

68

Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

69

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

70

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

71

Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität der Geschehen vom 12.09.2009, 08.12.2009, 13.01.2010 und 19.02.2010 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

72

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung beziehungsweise Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten (vgl. Senat, Urt. v. 19.06.2012 - 4 KS 2/10 -).

73

Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vgl. auch Planker, Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

74

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

75

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

76

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

77

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind

1.
die nach bürgerlichem Recht Geschäftsfähigen,
2.
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind.

(2) Betrifft ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Gegenstand des Verfahrens, so ist ein geschäftsfähiger Betreuter nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist.

(3) Für Vereinigungen sowie für Behörden handeln ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände.

(4) §§ 53 bis 58 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend.

(1) Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich.

(2) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, so ist die Mehrheit im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter zu berechnen.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Der von ihm geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision liegt vor. Das angefochtene Urteil beruht auf dem ordnungsgemäß dargelegten Verfahrensfehler einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

1. Die Gehörsrüge ist ordnungsgemäß erhoben worden. Die Klägerin genügt im Hinblick auf den geltend gemachten Gehörsverstoß dem Darlegungserfordernis nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, indem sie sinngemäß vorträgt, das Oberverwaltungsgericht habe ihre gegen die vereinsrechtliche Verbotsverfügung vom 1. April 2008 gerichtete Anfechtungsklage nicht ohne vorherigen rechtlichen Hinweis nach § 86 Abs. 3 VwGO durch eine Sachentscheidung mit der Begründung abweisen dürfen, sie erfülle die Voraussetzungen einer Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG nicht und könne deshalb auch durch eine objektiv rechtswidrige Verfügung nicht in einem aus dieser Gewährleistung folgenden Recht verletzt sein, nachdem das Gericht die Vereinseigenschaft zuvor mehrfach nur unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Klage problematisiert habe. Obwohl sie, wenn sie kein Verein sei, die gegen sie gerichtete Verbotsverfügung nicht befolgen müsse, belaste sie sie mit einem entgegengesetzten Rechtsschein. Gegen diesen habe sie ausgehend von der erstmals in der Urteilsbegründung zu Tage getretenen Bewertung des Oberverwaltungsgerichts Rechtsschutz nur in Gestalt einer Nichtigkeitsfeststellungsklage erlangen können. Die Umstellung ihres Klageantrages habe ihr das Oberverwaltungsgericht durch einen entsprechenden Hinweis ermöglichen müssen.

3

2. Die Gehörsrüge hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts stellt sich mit seiner die Entscheidung tragenden Begründung für die Klägerin als überraschend dar. Mangels eines vorherigen gerichtlichen Hinweises konnte die Klägerin nicht erkennen, auf welchen Vortrag bzw. Antrag es für eine ihr günstige Entscheidung ankam.

4

a) Eine das Recht auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa: Beschlüsse vom 25. Mai 2001 - BVerwG 4 B 81.00 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34 S. 20 f., vom 16. Juni 2003 - BVerwG 7 B 106.02 - NVwZ 2003, 1132 <1134> - insoweit in Buchholz 303 § 279 ZPO Nr. 1 nicht abgedruckt - und vom 2. März 2010 - BVerwG 6 B 72.09 - juris Rn. 14) vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten. Zwar muss das Gericht auch in Anbetracht der Ausprägung, die das Recht auf rechtliches Gehör in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung. Die besonderen Umstände eines konkreten Falles können indes eine andere Beurteilung gebieten (Beschluss vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 S. 2).

5

b) In dem zur Entscheidung stehenden Fall sind solche besonderen Umstände gegeben. Das Oberverwaltungsgericht hätte der Klägerin mit einem entsprechenden Hinweis - gegebenenfalls nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO - Gelegenheit geben müssen, zu der die Entscheidung tragenden Einschätzung (UA S. 5 f. und 12 f.), die nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähige und nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugte Klägerin könne eine Aufhebung der vereinsrechtlichen Verbotsverfügung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der Sache nicht beanspruchen, weil sie durch diese - ungeachtet ihrer objektiven Rechtswidrigkeit - wegen der ihr nicht zukommenden Eigenschaft eines Vereins nicht in einem Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG verletzt sein könne, Stellung zu nehmen und auf sie gegebenenfalls prozessual zu reagieren.

6

aa) In der Begründung der an die Klägerin gerichteten, mit der Anordnung des Sofortvollzuges versehenen vereinsrechtlichen Verbotsverfügung vom 1. April 2008 wird ausgeführt, die Klägerin sei ein Verein im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG, der durch von seinen Mitgliedern begangene und ihm zuzurechnende Straftaten den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfülle. Die Klägerin hat sich hiergegen mit der Anfechtungsklage und einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewandt und geltend gemacht, sie sei nur ein loser, nicht auf Dauer angelegter Zusammenschluss von Fans des 1. FC Magdeburg, die im Sommer 2007 eine Mannschaft für ein von dem 1. FC Magdeburg veranstaltetes Fußballturnier gebildet hätten. Jedenfalls könnten ihr etwaige Straftaten Einzelner nicht zugerechnet werden.

7

Mit Beschluss vom 24. Juli 2008 (Az.: 3 R 437/08) hat das Oberverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage wiederhergestellt. In den Gründen des Beschlusses heißt es, der Antrag sei zulässig, denn zur Anfechtung eines Vereinsverbots und zur Anbringung eines Eilantrages sei nur die verbotene Vereinigung, nicht hingegen ein Mitglied befugt. In der Sache entfalle ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Vereinsverbotes grundsätzlich dann, wenn die Klage gegen die Verbotsverfügung nach summarischer Prüfung aller Voraussicht nach Erfolg haben werde. Nach diesem Maßstab sei es überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Verbotsverfügung in dem anhängigen Hauptsacheverfahren nicht als rechtmäßig erweisen werde. Es lasse sich bereits nicht eindeutig feststellen, dass es sich bei der Klägerin um eine durch einen konstitutiven Akt zustande gekommene Vereinigung im Sinne des Vereinsgesetzes handele. Unabhängig davon bestünden durchgreifende Zweifel daran, ob die weiteren materiellen Voraussetzungen für das Vereinsverbot vorlägen, denn es gebe trotz erheblicher Verdachtsmomente keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Zweck oder die Tätigkeit der Klägerin als Vereinigung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verfügungserlasses den Strafgesetzen zuwidergelaufen seien.

8

In dem Klageverfahren haben die Beteiligten auf entsprechende Anfrage des Oberverwaltungsgerichts (GA Bl. 130) gemäß §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Nach weiterem Vortrag des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mitgeteilt, dass es diese Erklärungen nach Vorberatung als verbraucht erachte und in der durchzuführenden mündlichen Verhandlung mehrere Zeugen vernehmen wolle (GA Bl. 246). Durch eine weitere Verfügung hat es "zur Vorbereitung des Termins der mündlichen Verhandlung und zur Gewährung rechtlichen Gehörs" die Klägerin um eine Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob noch ein Rechtsschutzbedürfnis für das angestrengte Klageverfahren in der Weise bestehe, dass sie im Fall der Aufhebung der Verbotsverfügung den durch sie untersagten Tätigkeiten wieder nachgehen werde. Es sei nicht hinreichend ersichtlich, ob auch nach dem Beschluss in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch eine irgendwie geartete Organisationsstruktur der Klägerin bestehe. Die ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses sei von derjenigen der Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO strikt zu trennen (GA Bl. 368).

9

In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 23. September 2009 hat der Vorsitzende ausweislich der Niederschrift darauf hingewiesen, die Zulässigkeit der Klage könne zweifelhaft sein, weil § 61 Nr. 2 VwGO die Beteiligtenfähigkeit davon abhängig mache, dass eine körperschaftsähnlich verfestigte Organisationsstruktur vorhanden sei. Im weiteren Verlauf hat das Gericht Zeugenbeweis über die Gründung, die Aktivitäten und die Organisation der Klägerin erhoben, die mündliche Verhandlung geschlossen und nach Beratung und Wiederaufruf in Anwesenheit der Klägerin unter Mitteilung der wesentlichen Gründe das angefochtene Urteil verkündet (GA Bl. 396 ff.).

10

bb) Vor dem Hintergrund dieser prozessualen Entwicklung musste die Klägerin zu der Einschätzung gelangen, die in den Vordergrund getretene und in ihrer Beantwortung von dem Ausgang der Beweisaufnahme abhängige Frage, ob sie - noch - die Voraussetzungen eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG erfülle, könne im Fall ihrer Verneinung zwar zu einer Abweisung der Klage als unzulässig wegen einer nicht gegebenen Beteiligungsfähigkeit nach § 61 VwGO oder eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses führen, müsse aber, wenn das Oberverwaltungsgericht die Zulässigkeit - wie in dem Eilbeschluss vom 24. Juli 2008 - unabhängig von der Vereinseigenschaft - bejahe, zum Erfolg der Klage in der Sache führen. In keiner Weise hatte sie mit dem der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden rechtlichen Ansatz zu rechnen, nach dem es für sie im Fall der Verneinung ihrer Eigenschaft als Verein von vornherein aussichtslos war, im Wege der Anfechtungsklage eine Aufhebung der Verbotsverfügung vom 1. April 2008 zu erreichen, da sie selbst bei einer Überwindung der Zulässigkeitsschranken jedenfalls im Rahmen der Begründetheit der Klage zwingend scheitern musste, weil die objektiv rechtswidrige Verfügung sie nicht in ihren Rechten verletze.

11

Von einem Hinweis auf diesen Ansatz durfte das Oberverwaltungsgericht in Anbetracht seiner Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht absehen. Den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Verbotsverfügung, den die Klägerin, wie sie darlegt, nach einem solchen Hinweis gestellt hätte, hätte das Oberverwaltungsgericht nicht übergehen dürfen. Auf die Frage, ob dieser Antrag Erfolg gehabt hätte, kommt es gemäß § 138 Nr. 3 VwGO nicht an.

12

3. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, wegen des Verfahrensfehlers die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).

13

Der Senat weist für das weitere Verfahren darauf hin, dass die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts auch in der Sache nicht zutrifft, eine Gruppierung, die die Merkmale eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfülle, könne die Aufhebung einer gleichwohl an sie gerichteten und schon deshalb rechtswidrigen vereinsrechtlichen Verbotsverfügung nicht beanspruchen, weil sie nicht in einem ihr zustehenden Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG verletzt sein könne.

14

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, von der auch das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich ausgeht (UA S. 6), ist zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung regelmäßig nur die verbotene Vereinigung befugt, nicht hingegen ein Mitglied. Die Verbotsverfügung betrifft nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher Personen, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen. Sofern das Vereinsverbot Rechte verletzt, können dies nur Rechte der verbotenen organisierten Personengesamtheit sein. Diese ist ungeachtet ihrer Rechtsform nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig und wird im Rechtsstreit gemäß § 62 Abs. 3 VwGO durch ihren Vorstand vertreten (Urteil vom 13. August 1984 - BVerwG 1 A 26.83 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 7 S. 1 f., Gerichtsbescheid vom 3. April 2003 - BVerwG 6 A 5.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 39 S. 67, Beschluss vom 2. März 2001 - BVerwG 6 VR 1.01, 6 A 1.01 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34 S. 34, Zwischenurteil vom 21. Januar 2004 - BVerwG 6 A 1.04 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 40, Beschluss vom 4. Juli 2008 - BVerwG 6 B 39.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 45 Rn. 5). Auf die Klage einer als solche in Anspruch genommenen "Vereinigung" ist grundsätzlich auch zu klären, ob die Voraussetzungen des Vereinsbegriffs nach § 2 Abs. 1 VereinsG erfüllt sind (Beschluss vom 2. März 2001 a.a.O. S. 34). Nur ausnahmsweise und kumulativ zu dem Anfechtungsrecht der "Vereinigung" können auch einzelne Personen, zu deren Händen eine Verbotsverfügung ergangen ist, nach § 42 Abs. 2 VwGO zur Anfechtung dieser Verfügung befugt sein, wenn sie geltend machen, die Existenz eines Vereins sei von vornherein ausgeschlossen und die Verfügung betreffe sie daher in ihrer persönlichen Rechtsstellung (Beschlüsse vom 2. März 2001 a.a.O. S. 34 und vom 4. Juli 2008 a.a.O. Rn. 5).

15

Diese Rechtsprechung setzt voraus, dass eine Gruppierung, die die Merkmale des Vereinsbegriffs im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG und § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfüllt, aber als Verein und deshalb rechtswidrig mit einer vereinsrechtlichen Verfügung belegt wird, diese Verfügung nicht nur in zulässiger Weise, sondern auch in der Sache erfolgreich anfechten kann, mithin auch im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in einem ihr zustehenden Recht verletzt ist. Allerdings ist dieses Recht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bisher nicht ausdrücklich benannt worden. Dass es sich nicht um das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 GG handelt, kann mit dem Oberverwaltungsgericht angenommen werden.

16

Indes ist das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinn zu verstehen (grundlegend: BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 <36 ff.>), das auch die Gewährleistung enthält, nur auf Grund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formal und materiell der Verfassung gemäß sind (BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 <45>). Weil der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts stets einem staatlichen Freiheitseingriff unterliegt, folgt nach der sog. Adressatentheorie allein hieraus ein Klagerecht nach § 42 Abs. 2 VwGO. Konsequenterweise und korrespondierend hiermit muss eine als Eingriff in die Freiheit ihres Adressaten zu bewertende behördliche Verfügung regelmäßig nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben werden, wenn die Sach- und Rechtsprüfung ergibt, dass der grundrechtliche Anspruch auf Gesetzmäßigkeit durch die Eingriffsverwaltung verletzt wurde, denn der Eingriff ist dann nicht durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt (Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band I, Stand Januar 2010, Art. 2 Abs. 1 Rn. 65; vgl. auch Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 35 f.). Nur in durch besondere Normstrukturen gekennzeichneten Ausnahmefällen, zu denen die hier zu entscheidende Fallkonstellation ersichtlich nicht gehört, können sich das Bedürfnis einer näheren Begründung dieser Regel (BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1997 - 2 BvL 55, 56/92 - BVerfGE 97, 49 <61 ff.>, diese von dem Oberverwaltungsgericht zitierte Entscheidung betrifft eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG) oder eine Ausnahme von ihr (vgl. etwa: Beschluss vom 4. November 2005 - BVerwG 1 B 58.05 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 14 S. 29) ergeben.

17

Der Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht nach Art. 19 Abs. 3 GG einer "Vereinigung" versagt werden, die ein an sie gerichtetes vereinsrechtliches Verbot unter Berufung darauf angreift, dass sie die Merkmale eines Vereins im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und des § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfülle. Denn eine solche "Vereinigung" weist, da sie ansonsten schwerlich Ziel einer Maßnahme nach dem Vereinsgesetz wäre, jedenfalls in Ansätzen eine organisatorische Verfestigung auf und ist, soweit es um die Frage ihrer Vereinseigenschaft geht, Zuordnungssubjekt einer rechtlichen Regelung, so dass eine Grundrechtsberechtigung der Organisation zur Abrundung des Freiheitsschutzes der hinter ihr stehenden Individuen anzunehmen ist (vgl. zu diesen Kriterien: Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band III, Stand Januar 2010, Art. 19 Abs. 3 Rn. 41; Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. 2009, Art. 19 Rn. 65).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

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6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

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Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

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7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

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9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

3

Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.

4

Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.

5

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.

6

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.

11

a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.

13

aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).

14

Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).

15

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.

16

Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift "Funkenflug" (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als "1. Bundesführer" bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten "Führerrundbrief 2/04" (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird "je nach Ausgewogenheit" zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im "Funkenflug" veröffentlicht worden sei.

17

bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.

18

(1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel "Wo stehen wir?" (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als "Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt" beschrieben und das nach "Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland" gepriesen.

19

Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den "Anschluss" des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.

20

Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.

21

(2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als "volksschädlich" und "volksfremd" definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen "Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit" (Anl. 38, S. 4), sei "die höchste Form völkischen Zusammenlebens" und habe "oberstes Ziel der Politik" zu sein. "Volksfremde" könnten in einer solchen Gemeinschaftsform "keinen Platz finden". Das Volk werde "durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht".

22

Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der "biologischen Existenz" des (deutschen) Volkes durch "Fremdvölkische( )".

23

(3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten "Führerrundbrief 02/07" (Anl. 73) enthalten ist: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die 'Sinnfrage' stellen und verunsichert stillsitzen."

24

Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.

25

(4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, in dem Artikel "Jugendbewegung, woher und wohin?" (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: "... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein."

26

Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.

27

In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer."

28

Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Trommler" aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.

29

Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: "Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt."

30

Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.

31

cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.

32

In einem mit "Heldengedenken 01.08" überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: "Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation." Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein "Bundesführerin der Mädchen" genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als "Märtyrer des Friedens"; im Jahr 1987 habe seine "Ermordung in Spandau" stattgefunden (Anl. 27).

33

Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.

34

dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.

35

Den Begriff "Führer" verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade ("Bundesführer", "Bundesführerin der Mädchen", "Zweiter Bundesführer", "Leitstellenführer", "Einheitsführer", "Unterführer") und Dienstränge ("Führer vom Dienst", "Wachführer vom Dienst", "Zeltführer/Stubenführer") sowie für seine Publikationen ("Führerrundbrief", "Führerhandbuch" ). Als Grußformel gegenüber sog. "Führern" und "Unterführern" schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte "Heil Dir!" oder "Heil Euch!" vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er "Pimpfe" (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).

36

Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes "Heil" den Zusammenhang der Grußformel "Heil Dir/Euch!" mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff "Pimpf" ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.

37

ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: "Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ..."

38

(1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. "Rasseschulung" für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der "Durchmischung" von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude" zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.

39

Diese sog. "Rasseschulung" ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst "Rasseschulungen" abhält.

40

(2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch "Rasseschulungen" durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die "Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung" bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: "In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!" Ähnliches Gedankengut findet sich in dem "Volk und Sprache" überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: "Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern." Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift "Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -" (Anl. 110) enthält die Passage: "Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin." Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte "Prüfungsbögen" (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu "Biologie und Rassenkunde" überprüft.

41

Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. "Blutschutzgesetzes" formuliert ist.

42

(3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über "Erntedank im Volksbrauch" (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: "Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art." In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel "Das Kleid der Unsterblichkeit" (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: "Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen." Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift "Du bist Deutschland" (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: "Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird."

43

Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als "ein Fleisch und ein Blut" bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.

44

ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.

45

(1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", den Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. "Judenwitze" in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage "Was bringt die Zukunft?" als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude". Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.

46

(2) Die sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung "Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung "Daily Express" vom 24. März 1933, es habe eine "Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland" gegeben und führt aus: "Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können."

47

Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.

48

(3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel "Der Nahe Osten ist näher als du denkst" (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: "Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben." Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen "Einwurf" (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: "Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch."

49

In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.

50

gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.

51

(1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als "Umerziehung" durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: "In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten." Der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift "Einheitsgründungsfeier" wie folgt: " ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!" Die sog. "Bundesführerin der Mädchen", Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: "(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten." Und ein Schreiben, das der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: "Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand."

52

Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der "Umerziehung" auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).

53

(2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel "Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit" (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): "Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen 'schwarz-weiß-rot' auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!" Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Zur Gesellschaft" (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): "Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk."

54

Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.

55

hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als "Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer" zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): "Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten." In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: "Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen." Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel "Revolution" (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: "Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand." Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: "Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!"

56

Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.

57

2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

69

7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

71

9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

66

6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

68

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

69

7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

71

9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Die Verbotsbehörde kann für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen. Ermittlungsersuchen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind an die zuständige oberste Landesbehörde zu richten.

(2) Hält die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine richterliche Vernehmung von Zeugen, eine Beschlagnahme von Beweismitteln oder eine Durchsuchung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist. Die richterlichen Anordnungen oder Maßnahmen trifft der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Gerichts.

(3) Für die richterliche Vernehmung von Zeugen gilt § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(4) Für die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, gelten die §§ 94 bis 97, 98 Abs. 4 sowie die §§ 99 bis 101 der Strafprozeßordnung entsprechend. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß eine Durchsuchung zur Auffindung solcher Beweismittel führen werde, so kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden. Bei anderen Personen ist die Durchsuchung nur zur Beschlagnahme bestimmter Beweismittel und nur dann zulässig, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, daß sich die gesuchte Sache in ihrem Gewahrsam befindet. Die §§ 104, 105 Abs. 2 bis 4, §§ 106 bis 110 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

(5) Bei Gefahr im Verzug kann auch die Verbotsbehörde oder eine gemäß Absatz 1 Satz 1 ersuchte Stelle eine Beschlagnahme, mit Ausnahme der Beschlagnahme nach § 99 der Strafprozeßordnung, oder eine Durchsuchung anordnen. Die Vorschriften des Absatzes 4 sowie § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

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8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

62

2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

63

3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

64

4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

65

5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

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6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

67

Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

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Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

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7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

70

8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

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9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

72

Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

92

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

129

Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

130

4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

131

Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

132

Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

3

Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.

4

Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.

5

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.

6

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.

11

a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.

13

aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).

14

Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).

15

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.

16

Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift "Funkenflug" (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als "1. Bundesführer" bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten "Führerrundbrief 2/04" (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird "je nach Ausgewogenheit" zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im "Funkenflug" veröffentlicht worden sei.

17

bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.

18

(1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel "Wo stehen wir?" (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als "Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt" beschrieben und das nach "Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland" gepriesen.

19

Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den "Anschluss" des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.

20

Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.

21

(2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als "volksschädlich" und "volksfremd" definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen "Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit" (Anl. 38, S. 4), sei "die höchste Form völkischen Zusammenlebens" und habe "oberstes Ziel der Politik" zu sein. "Volksfremde" könnten in einer solchen Gemeinschaftsform "keinen Platz finden". Das Volk werde "durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht".

22

Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der "biologischen Existenz" des (deutschen) Volkes durch "Fremdvölkische( )".

23

(3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten "Führerrundbrief 02/07" (Anl. 73) enthalten ist: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die 'Sinnfrage' stellen und verunsichert stillsitzen."

24

Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.

25

(4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, in dem Artikel "Jugendbewegung, woher und wohin?" (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: "... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein."

26

Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.

27

In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer."

28

Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Trommler" aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.

29

Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: "Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt."

30

Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.

31

cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.

32

In einem mit "Heldengedenken 01.08" überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: "Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation." Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein "Bundesführerin der Mädchen" genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als "Märtyrer des Friedens"; im Jahr 1987 habe seine "Ermordung in Spandau" stattgefunden (Anl. 27).

33

Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.

34

dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.

35

Den Begriff "Führer" verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade ("Bundesführer", "Bundesführerin der Mädchen", "Zweiter Bundesführer", "Leitstellenführer", "Einheitsführer", "Unterführer") und Dienstränge ("Führer vom Dienst", "Wachführer vom Dienst", "Zeltführer/Stubenführer") sowie für seine Publikationen ("Führerrundbrief", "Führerhandbuch" ). Als Grußformel gegenüber sog. "Führern" und "Unterführern" schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte "Heil Dir!" oder "Heil Euch!" vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er "Pimpfe" (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).

36

Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes "Heil" den Zusammenhang der Grußformel "Heil Dir/Euch!" mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff "Pimpf" ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.

37

ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: "Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ..."

38

(1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. "Rasseschulung" für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der "Durchmischung" von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude" zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.

39

Diese sog. "Rasseschulung" ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst "Rasseschulungen" abhält.

40

(2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch "Rasseschulungen" durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die "Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung" bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: "In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!" Ähnliches Gedankengut findet sich in dem "Volk und Sprache" überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: "Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern." Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift "Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -" (Anl. 110) enthält die Passage: "Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin." Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte "Prüfungsbögen" (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu "Biologie und Rassenkunde" überprüft.

41

Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. "Blutschutzgesetzes" formuliert ist.

42

(3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über "Erntedank im Volksbrauch" (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: "Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art." In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel "Das Kleid der Unsterblichkeit" (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: "Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen." Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift "Du bist Deutschland" (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: "Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird."

43

Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als "ein Fleisch und ein Blut" bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.

44

ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.

45

(1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", den Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. "Judenwitze" in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage "Was bringt die Zukunft?" als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude". Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.

46

(2) Die sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung "Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung "Daily Express" vom 24. März 1933, es habe eine "Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland" gegeben und führt aus: "Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können."

47

Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.

48

(3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel "Der Nahe Osten ist näher als du denkst" (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: "Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben." Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen "Einwurf" (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: "Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch."

49

In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.

50

gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.

51

(1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als "Umerziehung" durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: "In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten." Der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift "Einheitsgründungsfeier" wie folgt: " ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!" Die sog. "Bundesführerin der Mädchen", Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: "(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten." Und ein Schreiben, das der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: "Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand."

52

Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der "Umerziehung" auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).

53

(2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel "Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit" (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): "Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen 'schwarz-weiß-rot' auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!" Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Zur Gesellschaft" (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): "Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk."

54

Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.

55

hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als "Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer" zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): "Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten." In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: "Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen." Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel "Revolution" (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: "Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand." Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: "Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!"

56

Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.

57

2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit

1.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins ist, aufrechterhält oder sich in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
2.
den organisatorischen Zusammenhalt einer Partei oder eines Vereins entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei sind (§ 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes), aufrechterhält oder sich in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
3.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereines oder einer Partei der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Art oder deren weitere Betätigung unterstützt,
4.
einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5.
Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 84, 85, 86a oder den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist. In den Fällen der Nummer 5 gilt § 9 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 oder 3 entsprechend.

(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn

1.
bei Beteiligten die Schuld gering oder deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist oder
2.
der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Partei oder des Vereins zu verhindern; erreicht er dieses Ziel oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird der Täter nicht bestraft.

(3) Kennzeichen, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 5 bezieht, können eingezogen werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ist das Verbot unanfechtbar geworden, so ist sein verfügender Teil nochmals unter Hinweis auf die Unanfechtbarkeit im Bundesanzeiger und in dem in § 3 Abs. 4 Satz 2 genannten Mitteilungsblatt zu veröffentlichen.

(2) Ist der Verein oder eine Teilorganisation in ein öffentliches Register eingetragen, so sind auf Anzeige der Verbotsbehörde einzutragen
die Beschlagnahme des Vereinsvermögens und ihre Aufhebung,
die Bestellung und Abberufung von Verwaltern (§ 10 Abs. 3),
die Auflösung des Vereins, nachdem das Verbot unanfechtbar geworden ist, und
das Erlöschen des Vereins.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein im Jahr 1990 unter dem Namen Die Heimattreue Jugend (DHJ) - Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V. gegründeter eingetragener Verein mit Sitz in Plön. Er hat ca. vierhundert Mitglieder. Seinen jetzigen Namen Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt, Heimat e.V. führt er seit dem Jahr 2001. Nach § 3 seiner Vereinssatzung sieht er seinen Zweck in der Förderung der geistigen, charakterlichen und körperlichen Entwicklung der männlichen und weiblichen Jugend, des Jugendsports und der Jugendbildung. Er will danach die Jugend zu dem Nächsten hilfreichen, der Heimat und dem Vaterland treuen und dem Gedanken der Völkerverständigung aufgeschlossenen Staatsbürgern heranbilden und gibt ein Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Kläger führt Jugendlager, Jugendfahrten sowie Sport- und sog. Bildungsveranstaltungen durch. Er gibt unter anderem die Vereinszeitschrift "Funkenflug" heraus, die vierteljährlich mit einer Auflage von ca. 600 Exemplaren erscheint. Nach § 14 der Vereinssatzung ist der Kläger in sog. Leitstellen untergliedert, diese gliedern sich in sog. Einheiten.

2

Das Bundesministerium des Innern stellte ohne vorherige Anhörung des Klägers durch Verfügung vom 9. März 2009 fest, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte und nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe. Er wurde verboten und aufgelöst. Ferner wurde verboten, Ersatzorganisationen für den Kläger zu bilden, bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen und Kennzeichen des Klägers zu verwenden. Das Vermögen des Klägers sowie näher typisierte Sachen und Forderungen Dritter wurden beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen wurde die Verfügung für sofort vollziehbar erklärt.

3

Zur Begründung des Vereinsverbotes führte das Bundesministerium des Innern aus: Der Kläger richte sich im Sinne des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Seine in der Satzung formulierten Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seien nur Fassade. Er habe eine dem Nationalsozialismus wesensverwandte Ideologie. Seine eigentliche Zielsetzung sei die Heranbildung einer neonazistischen Elite. Hierzu nehme er Einfluss auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote. Der Kläger lehne das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitliche demokratische Grundordnung ab, bekenne sich zum historischen Nationalsozialismus und propagiere Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Zudem liefen die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers den Strafgesetzen zuwider, so dass auch der Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG eingreife. Funktionäre und Mitglieder des Klägers erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d StGB, verwendeten in einer nach §§ 86, 86a StGB strafbaren Weise Propagandamittel und Kennzeichen aus der Zeit des Nationalsozialismus und verstießen durch öffentliches Auftreten in ihrer sog. Kluft gegen das nach § 28 VersammlG strafbewehrte Uniformverbot aus § 3 Abs. 1 VersammlG. Sämtliche Straftaten seien dem Kläger zuzurechnen und prägten seinen Charakter.

4

Gegen die am 31. März 2009 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 28. April 2009 Anfechtungsklage erhoben. Am 30. April 2009 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Diesen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. August 2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - (Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 51) abgelehnt.

5

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die Verbotsverfügung sei bereits aus formell-rechtlichen Gründen rechtswidrig, weil die Beklagte sie nicht ohne vorherige Anhörung habe erlassen dürfen. Materiell-rechtlich seien die von der Beklagten angenommenen Verbotsgründe der Verfassungs- und der Strafgesetzwidrigkeit nicht erfüllt.

6

Der Kläger beantragt,

die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2009 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Verfügung mit ergänzenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 9. März 2009 verfügte Vereinsverbot (1.) sowie seine gegen den Kläger gerichteten Nebenentscheidungen (2.) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

10

1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Verbotsverfügung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl I S. 3198), i.V.m. Art. 9 Abs. 2 GG. Danach darf ein Verein erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die Verbotsverfügung ist formell (a)) und materiell (b)) rechtmäßig ergangen.

11

a) Die Verfügung leidet nicht an formell-rechtlichen Mängeln. Insbesondere konnte das gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG zuständige Bundesministerium des Innern vor ihrem Erlass von einer Anhörung des Klägers absehen. Zwar ist nach § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Jedoch kann nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung abgesehen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vereinsrecht (Urteil vom 13. April 1999 - BVerwG 1 A 3.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 3, Beschluss vom 10. Januar 2003 - BVerwG 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 61, Urteile vom 3. Dezember 2004 - BVerwG 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 78 und vom 5. August 2009 - BVerwG 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 50 Rn. 13) genügt es, dass die Verbotsbehörde unter diesen Gesichtspunkten auf Grund der ihr bekannt gewordenen Tatsachen eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Bundesministerium des Innern hat nach der Begründung der angefochtenen Verfügung von einer Anhörung des Klägers deshalb abgesehen, weil es die mit einer solchen Maßnahme verbundene Unterrichtung des Klägers über den bevorstehenden Eingriff vermeiden und ihm so keine Gelegenheit bieten wollte, seine Infrastruktur, sein Vermögen und verbotsrelevante Unterlagen dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Dieses Bestreben, der Verbotsverfügung eine möglichst große Wirksamkeit zu verleihen, ging nicht ins Leere, obwohl bereits vor Erlass der Verfügung in der Öffentlichkeit und im Deutschen Bundestag (vgl. BTDrucks 16/6040, 16/6101, 16/8601, 16/10442 und 16/11581) ein Verbot des Klägers gefordert worden war und Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 4 Abs. 4 VereinsG stattgefunden hatten. Die Beklagte verweist entgegen der Ansicht des Klägers zu Recht darauf, dass diesen im zeitlich nicht genau zu bestimmenden Vorlauf eines etwaigen Vereinsverbots angesiedelten Erörterungen und Handlungen nicht der gleiche Ankündigungseffekt zukommen konnte, wie ihn eine Anhörung im Rahmen des konkreten Verbotsverfahrens zwangsläufig haben musste (vgl. in diesem Sinne allgemein: Beschluss vom 10. Januar 2003 a.a.O. S. 62, Urteil vom 5. August 2009 a.a.O. S. 278 bzw. Rn. 13).

12

b) Das Verbot erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig. Das Bundesministerium des Innern hat es zu Recht darauf gestützt, die Zwecke und Tätigkeit des Klägers richten sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Ob der Kläger daneben auch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG erfüllt, kann offenbleiben.

13

aa) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten sowie das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (Urteil vom 13. Mai 1986 - BVerwG 1 A 12.82 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 8 S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 - BVerwG 1 ER 301.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 14 S. 36 und vom 21. April 1995 - BVerwG 1 VR 9.94 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 21 S. 42, Urteil vom 30. August 1995 - BVerwG 1 A 14.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 22 S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 - BVerwG 1 VR 1.95 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 24 S. 72 f., Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 - BVerwG 1 A 13.92 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 28 S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will; sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen (Urteile vom 2. Dezember 1980 - BVerwG 1 A 3.80 - BVerwGE 61, 218 <220> = Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 6 S. 51 f. und vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 6, Beschlüsse vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42 und vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44). Eine zum Verbot führende Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist ohne Weiteres dann zu bejahen, wenn eine Vereinigung in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist. Dieser vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 <69 f.>) anlässlich des Verbotes der Sozialistischen Reichspartei zu Art. 21 Abs. 2 GG entwickelte Grundsatz gilt in gleicher Weise für ein Vereinsverbot, weil jedenfalls eine die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erstrebende Zielrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist. Wenn eine Vereinigung sich zur ehemaligen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und zu deren maßgeblichen Funktionsträgern bekennt und die demokratische Staatsform verächtlich macht, eine mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung anstrebt, richtet sie sich gegen die elementaren Verfassungsgrundsätze und erfüllt damit den Verbotstatbestand (Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 42, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 57, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Gerichtsbescheid vom 6. August 1997 a.a.O. S. 122, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 44).

14

Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O. S. 7, Beschlüsse vom 25. März 1993 a.a.O. S. 36 f. und vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteil vom 30. August 1995 a.a.O. S. 58, Beschluss vom 20. Oktober 1995 a.a.O. S. 73, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45). Wird eine Publikation, die keinen offenen Markt der Meinungen darstellt (vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 - BVerfGE 113, 63 <83 f.>), im Auftrag einer Vereinsleitung herausgegeben, sind die dort erschienenen Beiträge in aller Regel der jeweiligen Vereinigung zuzuschreiben. Etwas anderes kommt in einer solchen Konstellation nur dann in Betracht, wenn es sich - wie beispielsweise bei Leserbriefen - um ersichtlich individuelle Meinungsäußerungen handelt und die Vereinigung derartige Äußerungen missbilligt oder sich jedenfalls von ihnen distanziert (Beschluss vom 21. April 1995 a.a.O. S. 43, Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 4 f. und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 40, 45). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Belege gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (Urteile vom 13. April 1999 a.a.O. S. 5 und vom 5. August 2009 a.a.O. Rn. 45; im gleichen Sinn für Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 21).

15

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Kläger um einen verfassungswidrigen Verein, weil er nach seiner Programmatik, seiner Vorstellungswelt und seinem Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend als einer Teilorganisation der ehemaligen NSDAP aufweist und das Bundesministerium des Innern deshalb die in der Satzung des Klägers enthaltenen Bekenntnisse zu gemeinnütziger Jugendarbeit, zum Gedanken der Völkerverständigung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu Recht als bloße Fassade bewertet hat.

16

Dies ergibt sich aus strafrichterlichen Feststellungen über Aktivitäten von Mitgliedern des Klägers, aus dem Senat vorliegenden Materialien für von dem Kläger zu verantwortende Veranstaltungen und aus schriftlichen Äußerungen, die dem Kläger zuzurechnen sind, weil sie von in ihren Funktionen herausgehobenen Mitgliedern stammen oder in Publikationen des Klägers - insbesondere in der Vereinszeitschrift "Funkenflug" (im Folgenden: FF) - veröffentlicht worden sind. Der von dem Kläger erhobene Einwand, diese Zeitschrift habe einen offenen Markt der Meinungen eröffnet, so dass ihm die dort veröffentlichten Artikel von nicht der Redaktion angehörenden Autoren nicht zugerechnet werden könnten, geht fehl. Dass die Zeitschrift mit einem für verschiedene Meinungen offenen Diskussionsforum nichts gemein hat, sondern vollständig auf die Ziele der Vereinsführung ausgerichtet ist, zeigt die Beschreibung, die der Vorsitzende des Klägers - nach § 12 der Vereinssatzung als "1. Bundesführer" bezeichnet - in einem an Vereinsmitglieder mit Leitungsfunktionen gerichteten "Führerrundbrief 2/04" (von der Beklagten vorgelegte Anlage - im Folgenden: Anl. - 4) über die Redaktionsarbeit abgegeben hat. Danach wird "je nach Ausgewogenheit" zentral entschieden, in welcher Ausgabe ein Beitrag erscheinen oder ob er anderweitig genutzt werden soll. Entsprechend hat der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekundet, er stehe hinter jedem Satz, der im "Funkenflug" veröffentlicht worden sei.

17

bb) Der Kläger propagiert eine Vorbildfunktion des Nationalsozialismus und seiner Organisationen und offenbart dabei eine der Wiedererrichtung der nationalsozialistischen Herrschaft verhaftete Vorstellungswelt.

18

(1) Propaganda für die nationalsozialistische Herrschaft als Ganzes enthält beispielhaft der Artikel "Wo stehen wir?" (Paul, FF Nr. 2/2005, S. 14, Anl. 84). In ihm wird der Beginn dieser Diktatur, der 30. Januar 1933, mit eindeutig positiver Einschätzung als "Ausgangspunkt einer der größten Wendungen, die die Geschichte des deutschen Volkes kennt" beschrieben und das nach "Zurückgewinnung des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands, und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens ... neu entstandene Großdeutschland" gepriesen.

19

Der Kläger sucht die hierin liegende Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes vergeblich durch den Einwand zu relativieren, es handele sich um eine wertneutrale Feststellung. Ebenso geht es fehl, wenn er geltend macht, die Äußerung stehe, selbst wenn sie eine positive Einschätzung enthalte, nicht in der Nähe zum Nationalsozialismus, und hierzu ausführt, in der Vergangenheit habe es für jeden Staat eine positive Wendung seiner Geschicke dargestellt, wenn er sein Gebiet habe vergrößern können, im Jahr 1935 hätten über 90 Prozent und im Jahr 1938 über 99 Prozent der Stimmberechtigten für den "Anschluss" des Saarlandes bzw. Österreichs an das sog. Dritte Reich gestimmt und auch Joachim C. Fest habe geäußert, dass Hitler im Fall seines Abtritts alsbald nach Vollendung dieser Gebietsgewinne als der größte deutsche Staatsmann in die Geschichte eingegangen wäre.

20

Der Kläger bedient sich mit diesen Äußerungen eines bekannten Argumentationsmittels, das darin besteht, eine Aussage aus einem anderweitigen, nicht negativ besetzten historischen oder anerkannten wissenschaftlichen Zusammenhang zu entnehmen, diese mit einer dem Wortlaut, aber nicht dem Sinn nach übereinstimmenden positiven Aussage zum Nationalsozialismus gleichzusetzen und dann zu schlussfolgern, dass diese nicht missbilligt werden dürfe, wenn dies mit jener nicht gleichermaßen geschehe. Diese Art der Auseinandersetzung bleibt rein formal und missdeutet deshalb inhaltlich die historischen Tatsachen. Der Kläger setzt bei seinem Rechtfertigungsversuch überdies den in Rede stehenden, trotz Kenntnis des gesamten historischen Verlaufs der nationalsozialistischen Herrschaft geschriebenen Artikel in unzulässiger Weise in Beziehung zu tatsächlichen Umständen aus der Anfangszeit des Regimes und hierauf bezogenen Meinungen.

21

(2) Kennzeichnend für den Kläger ist sein Bekenntnis zur sog. Volksgemeinschaft. Sie stellt einen Kernbegriff der nationalsozialistischen Ideologie dar, der nicht nur die Ablehnung einer pluralistischen Gesellschaft und die bedingungslose Unterordnung des Einzelnen, sondern insbesondere auch die Ausgrenzung als "volksschädlich" und "volksfremd" definierter Personen zum Ausdruck bringt. Die Volksgemeinschaft, so heißt es in dem von dem Kläger herausgegebenen "Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit" (Anl. 38, S. 4), sei "die höchste Form völkischen Zusammenlebens" und habe "oberstes Ziel der Politik" zu sein. "Volksfremde" könnten in einer solchen Gemeinschaftsform "keinen Platz finden". Das Volk werde "durch einen zu hohen Anteil an Fremdvölkischen in seiner biologischen Existenz bedroht".

22

Auch im Hinblick auf diese programmatische Aussage schlägt der von dem Kläger mit Hilfe des soeben beschriebenen Argumentationsmittels unternommene Versuch einer Relativierung fehl. Wenn der Begriff der Volksgemeinschaft, wie der Kläger geltend macht, von der romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels oder von dem Sozialdemokraten Otto Wels verwandt wurde, geschah dies nicht mit dem von dem Kläger gebrauchten, insbesondere durch den unverkennbaren Bezug auf den nationalsozialistischen Rassegedanken deutlich werdenden nationalsozialistischen Inhalt des Begriffs (vgl. zur Unterscheidung auch: BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 20). Um diesen Gedanken und nicht etwa, wie der Kläger glauben machen will, um eine Kritik an der in Deutschland verfolgten Einwanderungspolitik oder um eine Anlehnung an näher bezeichnete Forschungen geht es bei der von ihm befürchteten Bedrohung der "biologischen Existenz" des (deutschen) Volkes durch "Fremdvölkische( )".

23

(3) Dass der Kläger die Waffen-SS als vorbildhafte Organisation ansieht, der es auch in dem von ihm nicht akzeptierten demokratischen Rechtsstaat die Treue zu halten gilt, ergibt sich aus einer Sentenz, die in dem von dem Vorsitzenden des Klägers verfassten "Führerrundbrief 02/07" (Anl. 73) enthalten ist: "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich der Staat voll auf uns eingeschossen hat. ... Wir können nicht schwülstige Reden und Feiern halten, in denen wir die Wehrmacht und Waffen SS beschwören und den toten Helden unserer Geschichte die Hand reichen, wenn wir beim leisesten Blätterhauch die 'Sinnfrage' stellen und verunsichert stillsitzen."

24

Der Vortrag des Klägers, in diesem Text werde nicht die Waffen-SS beschworen, sondern Kritik an einem solchen Tun geübt, hat ersichtlich keine tragfähige Grundlage.

25

(4) Besonders verbunden fühlt sich der Kläger der früheren Hitlerjugend, in deren Nachfolge er sich sieht. Dieser Jugendorganisation des nationalsozialistischen Staates nachzueifern, fordert Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, in dem Artikel "Jugendbewegung, woher und wohin?" (Ragnar, FF Nr. 1/2006, S. 16, Anl. 71) mit den Worten auf: "... die gesamtdeutsche Jugend (war) nun endlich wieder geeint. Fern von Standesdünkel und Einzelinteressen trat schon früh das Bewußtsein auf, daß hier das Deutschland von morgen marschierte. ... Nun war also die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft geschlagen und die Jugend ein zwar eigenständiger, aber doch fest eingefügter Bestandteil der Volksgemeinschaft. ... Doch aus dem neuen sittlich hochstehenden, untadeligen und uneigennützigen Menschen wurde nichts mehr. Die letzten Reste des großen Traumes gingen 1945 in den Trümmern der Reichshauptstadt unter. ... Doch auch wenn das Reich am Boden lag, schlug der Lebensbaum unseres Volkes erneut seine Triebe aus und wiederum schloß sich volkstreue Jugend zusammen ... (Sie stellt) trotz aller vermeintlichen zahlenmäßigen Schwäche das lebendige Bindeglied in die Zukunft dar. ... Wenn unsere Jugend wieder zur Bewegung werden soll, um einst das Ruder herumzureißen, dann muß sie in die Mitte des Volkes hinein."

26

Der Einwand des Klägers, dieser Artikel lobe nicht die ehemalige Hitlerjugend, sondern zolle insbesondere der bündischen Jugend Respekt, in deren Tradition er sich sehe, geht fehl. Denn es ist die Hitlerjugend, die als Überwindung der zuvor bestehenden Vielfalt und als ideale Form der Jugendorganisation im Rahmen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft dargestellt wird.

27

In dieselbe Richtung geht ein von dem Vorsitzenden des Klägers veröffentlichter Beitrag mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/ 2005, S. 13, Anl. 21), in dem es heißt: "Wir brauchen eine Jugend, die hart ist. Wir brauchen eine Jugend, die an unser Volk glaubt und bereit ist, für diesen Glauben alles zu opfern. Wir brauchen Kameraden, die treu sind und sich einem gemeinsamen Willen unterordnen. Wir brauchen Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer."

28

Es kann den Kläger nicht entlasten, dass er sich darauf beruft, dieser Artikel stamme nicht von seinem Vorsitzenden, sondern von einem anderen Autor und sei unbeanstandet bereits in einer Ausgabe der Zeitschrift "Der Trommler" aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienen. Entscheidend ist, dass der Text seinem Sinn nach eine Verherrlichung der ehemaligen Hitlerjugend darstellt und dass ihn sich der Vorsitzende des Klägers durch Veröffentlichung in der Vereinszeitschrift mit Wirkung für den Kläger zu eigen gemacht hat.

29

Einen vergleichbaren Inhalt hat ein Entwurf, der auf dem Rechner des Vorsitzenden des Klägers aufgefunden wurde (Anl. 70) und folgende Sätze enthält: "Wir wollen keine brd Kinder in unseren Bund holen. ... Wir wollen die, die das Bekenntnis zu Deutschland hinter sich gebracht haben. ... Es gibt nichts dankbareres, nichts Fanatischeres als eine geführte Jugend. Nicht umsonst hat die HJ in den letzten Kriegstagen unseren Feinden das Fürchten gelehrt."

30

Die schriftsätzlich erhobene Behauptung des Klägers, sein Vorsitzender könne nicht sagen, von wem und zu welchem Zweck diese Textdatei erstellt worden sei, hat sich in der mündlichen Verhandlung als obsolet erwiesen. Denn der Vereinsvorsitzende hat ausgeführt, er allein entscheide, was er für richtig halte und auf seinem Rechner abspeichere. Allerdings haben sich sowohl der Kläger als auch sein Vorsitzender dahingehend eingelassen, der Text habe keinen Eingang in die Vereinsarbeit gefunden und könne deshalb dem Kläger nicht zugerechnet werden. Der Senat kann jedoch Texte berücksichtigen, die der Vereinsvorsitzende verfasst oder unter Billigung des Inhalts abgespeichert hat, unabhängig davon, ob dies im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger stand. Denn auf die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele eines Vereins kann nach den dargestellten allgemeinen Maßstäben unter anderem von einer entsprechenden Grundeinstellung seiner Funktionsträger her geschlossen werden, so dass es insoweit eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einer rein privaten und einer dem Verein zuzurechnenden Sphäre nicht geben kann. Dementsprechend sind Texte und Äußerungen, die von leitenden Mitgliedern eines Vereins stammen oder deren Inhalt von diesen Mitgliedern erkennbar befürwortet wird, dem Verein auch dann zuzurechnen, wenn sie als solche nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden sind, jedoch den ideologischen Hintergrund kennzeichnen, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln. Danach ist eine Zurechnung insbesondere dann gerechtfertigt, wenn ein solcher Text - wie dies hier der Fall ist - inhaltlich auf einer Linie mit anderen Beiträgen liegt, die dem Verein eindeutig zugeordnet werden können.

31

cc) Der Kläger bekennt sich überdies zu maßgeblichen Repräsentanten des Nationalsozialismus und will eine positive Erinnerung an diese vermitteln. Dabei werden Anklänge an den nationalsozialistischen Helden- und Märtyrerkult deutlich.

32

In einem mit "Heldengedenken 01.08" überschriebenen Text (Anl. 26), der sich unter den elektronischen Dokumenten befindet, die bei Martin G..., dem sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, aufgefunden wurden, wird Adolf Hitler glorifiziert. Dort heißt es: "Auch der junge Hitler reifte auf diesen Schlachtfeldern (des Ersten Weltkrieges) zu dem Mann, welcher später Deutschlands Schicksal in seinen Händen halten sollte. Er, selbst als Soldat vom heldischen Epos durchdrungen, führte sein Volk zur Freiheit und stellte das heldische-soldatische Ideal als Leitbild vor die ganze Nation." Eine vergleichbare Wertschätzung bringt Holle B..., ein "Bundesführerin der Mädchen" genanntes Vorstandsmitglied des Klägers, Rudolf Heß entgegen. In einem sichergestellten handschriftlich verfassten Lebenslauf bezeichnet sie ihn als "Märtyrer des Friedens"; im Jahr 1987 habe seine "Ermordung in Spandau" stattgefunden (Anl. 27).

33

Der Kläger kann die Berücksichtigung dieser Dokumente auch hier nicht dadurch verhindern, dass er sich von ihnen distanziert und geltend macht, sie hätten, da sie unabhängig von einer Vereinstätigkeit erstellt und für diese nicht benutzt worden seien, einen rein privaten Charakter. Denn in jedem Fall kommt in ihnen die dem Nationalsozialismus verhaftete Grundeinstellung von Mitgliedern der Leitungsebene des Klägers zum Ausdruck, die ihrerseits den Nährboden für die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele des Vereins bildet.

34

dd) Der Kläger bringt seine Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus ferner dadurch zum Ausdruck, dass er nationalsozialistisch geprägte Begriffe übernimmt.

35

Den Begriff "Führer" verwendet der Kläger in jeder nur denkbaren Hinsicht. Dies gilt insbesondere für die von ihm innerhalb seines streng hierarchischen Aufbaues zu vergebenden Funktionen bzw. Dienstgrade ("Bundesführer", "Bundesführerin der Mädchen", "Zweiter Bundesführer", "Leitstellenführer", "Einheitsführer", "Unterführer") und Dienstränge ("Führer vom Dienst", "Wachführer vom Dienst", "Zeltführer/Stubenführer") sowie für seine Publikationen ("Führerrundbrief", "Führerhandbuch" ). Als Grußformel gegenüber sog. "Führern" und "Unterführern" schreibt der Kläger seinen Mitgliedern die Worte "Heil Dir!" oder "Heil Euch!" vor (Interne Arbeitsschrift, Wegweiser, Gestalt und Erscheinungsbild, Anl. 40, S. 16). Die jüngeren Veranstaltungsteilnehmer nennt er "Pimpfe" (Leitfaden für Heimattreue Jugendarbeit, Anl. 38, S. 93; Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin, Anl. 15, S. 5).

36

Wenn der Kläger einwendet, dass der Begriff des Führers in vielerlei Zusammenhängen, etwa für leitende Personen in einer Organisation, für themenbezogene Nachschlagewerke, für Begleitpersonen oder für Fahrer von Kraftfahrzeugen und Lokomotiven verwandt werde und auch in der bündischen Jugend sowie in Pfadfinderkreisen verbreitet sei, ist dies richtig, nimmt der hier in Rede stehenden Verwendung aber nichts von ihrem an die Führerideologie der Nationalsozialisten angelehnten Sinngehalt. Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Bedeutung und anderweitige Verwendung des Wortes "Heil" den Zusammenhang der Grußformel "Heil Dir/Euch!" mit dem sog. Hitlergruß aufzulösen. Auch der Begriff "Pimpf" ist ersichtlich auf den Sprachgebrauch der ehemaligen Hitlerjugend bezogen.

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ee) Der Kläger ist darüber hinaus rassistisch ausgerichtet sowie der sog. Blut-und-Boden-Ideologie und der Rassenlehre der Nationalsozialisten verhaftet, wie sie exemplarisch in der Präambel des als Teil der Nürnberger Rassegesetze verkündeten sog. Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935 (RGBl. I 1935, S. 1146) mit den Worten zusammengefasst ist: "Durchdrungen von der Erkenntnis, daß die Reinheit des deutschen Blutes die Voraussetzung für den Fortbestand des Deutschen Volkes ist, und beseelt von dem unbeugsamen Willen, die Deutsche Nation für alle Zukunft zu sichern ..."

38

(1) Durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 (Az.:(502) 81 Js 405/08 KIs (37/09)) sind der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar D..., und zwei weitere Vereinsmitglieder, Christian F... und Daniela K..., als Mittäter bzw. als Gehilfin unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Den Sachverhalt, der dem Strafausspruch zu Grunde liegt, haben die Verurteilten in dem Strafverfahren eingeräumt. Er kann deshalb von dem Senat berücksichtigt werden, obwohl das Strafurteil im Hinblick auf Ragnar D... und Daniela K... noch keine Rechtskraft erlangt hat. Danach führte Ragnar D... am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte unter Mitwirkung der beiden anderen Vereinsmitglieder eine sog. "Rasseschulung" für dreißig bis vierzig Personen - darunter zwei Minderjährige - durch. Er hielt einen Vortrag mitsamt Powerpoint-Präsentation zu dem Thema "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", in dem er sich auf rassenideologische Literatur aus der Zeit des Nationalsozialismus stützte sowie unter anderem vor der "Durchmischung" von menschlichen Rassen warnte und verschiedene Volksgruppen ins Lächerliche zog. Unmittelbar im Anschluss an seinen Vortrag stellte er seinen Laptop und seinen Beamer für die Vorführung des nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude" zur Verfügung. Die Powerpoint-Präsentation und eine Kopie des genannten Films - wenn auch nicht die für die Aufführung in Georgsmarienhütte verwandte - wurden später bei Ragnar D... beschlagnahmt.

39

Diese sog. "Rasseschulung" ist dem Kläger entgegen seiner Ansicht ungeachtet des Umstandes zuzurechnen, dass sie in einer von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) genutzten Liegenschaft stattfand. Denn entscheidend ist, dass sie allein von Mitgliedern des Klägers - darunter eines mit einer Leitungsfunktion - organisiert und durchgeführt wurde und der Kläger selbst "Rasseschulungen" abhält.

40

(2) Über diesen festgestellten Fall hinaus wurden nämlich zur Überzeugung des Senats unter der Verantwortung des Klägers systematisch "Rasseschulungen" durchgeführt. So wurden Schulungsunterlagen über die "Biologische(n) Grundlagen unserer Weltanschauung" bei vier Mitgliedern des Klägers aufgefunden (Anl. 111 bis 114). In diesen Unterlagen wird ausgeführt: "In unserem Erbgut liegt der Schlüssel zum Fortbestehen des deutschen Volkes. Du bist Glied, nicht das Ende einer langen Kette, die sich von Deinen Urahnen bis zu Deinen Urenkeln erstreckt. Bewahre Dein Erbe und reiche es unversehrt weiter!" Ähnliches Gedankengut findet sich in dem "Volk und Sprache" überschriebenen Text (Anl. 109), der Teil eines Ordners mit Schulungsunterlagen ist, der bei Dietlind N..., der sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, beschlagnahmt wurde. Dort heißt es: "Grundpfeiler unserer Weltanschauung (sind) Volk = Blut + Lebensraum + Sprache + Kultur + Geschichte ... Wird das Blut ... durch fremdrassige Einschläge zerstört, so wird das Volk aus seinem innersten Kern heraus zugrunde gehen. Diese Zusammenhänge dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um das Fortbestehen des deutschen Volkes zu sichern." Die ebenfalls bei Dietlind N... aufgefundene Schrift "Osterlager 2006 - Beitrag der großen Mädchen zum Bunten Abend -" (Anl. 110) enthält die Passage: "Halte dein Blut rein! ... es ist von tausend Ahnen schwer und alle Zukunft fließt darin." Der Erfolg der Vermittlung dieser Rassenideologie wird, wie bei Vereinsmitgliedern sichergestellte "Prüfungsbögen" (Anl. 76 bis 78, 124 und 125) belegen, in Form von Fragen zu "Biologie und Rassenkunde" überprüft.

41

Der Sinn der aufgeführten und der im Folgenden erwähnten Texte erschließt sich unmittelbar, so dass der Einwand des Klägers, sie ließen einen diskriminierenden Rassismus nicht erkennen, ins Leere geht. Sie knüpfen bis in die identische Wortwahl hinein nahtlos an die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten an, wie sie in der erwähnten Präambel des sog. "Blutschutzgesetzes" formuliert ist.

42

(3) Die Blut und Boden- und Rassenideologie hat zudem in einer Reihe von Beiträgen in Publikationen des Klägers ihren Niederschlag gefunden. In einem Artikel in der Vereinszeitschrift über "Erntedank im Volksbrauch" (Eric, FF Nr. 3/2003, S. 5, Anl. 33) wird folgende Betrachtung angestellt: "Wer dankt, ordnet sich nicht unter, sondern ein in den ewigen Kreislauf der Natur. ... Dies ist der Ausdruck des ewigen Blutkreislaufes der Deutschen und eine Heimfindung zum Ich - der eigenen Art." In einem von dem Kläger herausgegebenen Kalender wird unter dem Titel "Das Kleid der Unsterblichkeit" (Anita, Unser Leben 2007, Anl. 106) ausgeführt: "Durchtränkt mit der Stärke unserer Ahnen fließt es in unseren Adern. Wurde durch seinen Verlust manch fremder Boden heimatlich gemacht, so entsprang dort eine neue Quelle des Lebens und ewigen Fortbestehens. Um die Reinheit dieses Blutes zu gewähren, muß sich jeder als ein Teil einer Artgemeinschaft fühlen und sich seiner Abstammung bewußt sein. ... (Es) wurden durch wichtige Erkenntnisse in der Menschenkunde und der Bedrohung des Fortbestehens des Deutschen Volkes Institute für Familienforschung gegründet, wie 1934 das 'Kaiser Wilhelm Institut für Genealogie und Demographie'. Zu dieser Zeit war jeder Reichsbürger verpflichtet, seine Herkunft durch eine Ahnentafel und den dazugehörigen Geburts- und Heiratsurkunden oder einen zusammengefaßten, beglaubigten Ahnenpaß vorzuweisen. ... So sollte sich jeder, der sich seiner Herkunft bewußt ist, sie in seinem gesunden Blut wahren und weitertragen." Die gleichen Inhalte werden in einem Beitrag in der Vereinszeitschrift unter der Überschrift "Du bist Deutschland" (Eric, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/ 2007, S. 17, Anl. 7) in die folgenden Worte gefasst: "Als hätte Mendel nie gelebt, will mir doch ein starkpigmentierter ortsunkundiger Fußball-'star' erzählen, ich sei mein Land, ... Volk ist ein biologischer Begriff. ... Auch ein deutscher Paß ändert an dieser Tatsache nichts, wie es auch keinen Deutschen türkischer ... Abstammung gibt. Im übertragenen Sinn ist das so zu verstehen, daß aus einem Pinscher, der sich am Napf einer Dogge satt frißt, noch lange nicht selbige wird."

43

Der Kläger verharmlost und bagatellisiert diese Äußerungen, wenn er zum Einen in bereits beschriebener Weise einen unzulässigen Vergleich konstruiert und darauf verweist, auch der SPD-Politiker Philipp Scheidemann habe im Zusammenhang mit den nach dem Ersten Weltkrieg drohenden Gebietsverlusten die Deutschen als "ein Fleisch und ein Blut" bezeichnet, und zum Anderen geltend macht, es handele sich um unverfängliche Aussagen zum Bauernstand, zur Abstammung, zur Homogenität der Bevölkerung und zur Staatsbürgerschaft. Denn durch den Gesamtzusammenhang, in dem die Aussagen stehen, wird offenbar, dass der Kläger von rassistischem Gedankengut geprägt ist.

44

ff) In engem Zusammenhang mit der rassistischen Ausrichtung des Klägers steht sein ausgeprägter Antisemitismus.

45

(1) Ein besonders aussagekräftiger Beleg ist auch hierfür der bereits genannte, dem Kläger zuzurechnende Vortrag "Biologische Grundlagen unserer Weltanschauung", den Ragnar D..., sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, am 13. Januar 2007 in Georgsmarienhütte hielt. Nach den in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 enthaltenen Feststellungen flocht Ragnar D... sog. "Judenwitze" in seinen Vortrag ein und zeigte an dessen Ende eine Folie, die zu der Frage "Was bringt die Zukunft?" als Antwortalternativen das Bild einer jungen Frau mit einer Hakenkreuzbrosche und eine Abbildung des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, präsentierte. Im unmittelbaren Anschluss an diesen Vortrag und diesem damit den Charakter einer pseudowissenschaftlichen Einführung verleihend, ermöglichte Ragnar D... die Vorführung des antisemitischen nationalsozialistischen Propagandafilms "Der ewige Jude". Dabei musste ihm der Inhalt dieses Films, in dem Juden als minderwertige Menschen dargestellt werden, bewusst sein, da er - wie sich bei einer späteren Durchsuchung herausstellte - selbst eine Kopie des Films besaß.

46

(2) Die sog. "Einheitsführerin der Einheit Schwaben" des Klägers, Dietlind N..., schreibt in ihrer Ausarbeitung "Hatte Deutschland Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?" (Anl. 87) unter Verweis auf einen Artikel in der Zeitung "Daily Express" vom 24. März 1933, es habe eine "Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland" gegeben und führt aus: "Nachdem dieser Artikel erschienen war, kam es am 01.04.1933 lediglich einen Tag lang zu Boykotten gegenüber jüdischen Geschäften in Deutschland, was in Anbetracht der ungeheuerlichen Dimension der jüdischen Kriegserklärung nur als harmlos bezeichnet werden kann. ... Erst 1938, als ein polnischer Jude einen deutschen Botschaftsangehörigen in Paris erschoß, verschlechterte sich die Stimmung gegen die Juden und gipfelte schließlich in der sog. 'Reichskristallnacht'. ... (Es gab aber) 1. nur eine Reichskristallnacht - und nicht etwa mehrere - und 2. muß man die Vorgeschichte zu dieser Nacht liefern, um die Beweggründe der Deutschen nachvollziehen zu können."

47

Diese Stellungnahme eines Vereinsmitglieds mit Leitungsfunktion trifft nach den schon näher dargelegten Zurechnungsmaßstäben den Kläger auch dann, wenn sie entsprechend seinem Vorbringen nicht als Schulungsmaterial oder in ähnlicher Weise für ihn verwandt worden ist. Sie wird zudem nicht, wie der Kläger weiter meint, durch die Mitteilung historischer Tatsachen charakterisiert, sondern durch den antisemitischen Kontext, in dessen Rahmen Tatsachen unvollständig und verfälscht präsentiert werden.

48

(3) Der Propagierung antisemitischer Thesen gibt der Kläger auch in seiner Vereinszeitschrift Raum. So finden sich in dem Artikel "Der Nahe Osten ist näher als du denkst" (Robert, FF Nr. 4/2006 und Nr. 1/2007, S. 14, Anl. 7) im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ursachen des dortigen Konflikts folgende Ausführungen: "Ihrem nomadisches Wesen folgend, zogen die Juden nun in alle Welt aus, um in den anderen Völkern zu Wohlstand zu kommen. Dies taten sie sehr selten durch tüchtige Arbeit. ... Als ein Großteil der Juden feststellen mußte, daß sie in den meisten europäischen Staaten nicht erwünscht sind, begannen sie am Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen Staat zu streben." Weiter wird in einem nicht mit einem Verfassernamen versehenen "Einwurf" (FF Nr. 1/2008, S. 5, Anl. 22) Anne Frank verspottet: "Der Baum von Anne Frank, eine hohle alte Eiche, ist immer noch der Gefahr ausgesetzt, bald gefällt zu werden. Diese verhält sich also ähnlich, wie die sagenumwobenen Geschichten um das kleine Mädchen und ihrem Tagebuch."

49

In beiden Fällen verfängt es bereits im Ansatz nicht, wenn der Kläger sich auf Albernheit oder Satire beruft. Der antisemitische Gehalt der Beiträge ist objektiv unverkennbar.

50

gg) Vor dem dargestellten Hintergrund seiner Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus sowie seiner rassistischen und antisemitischen Ausrichtung lehnt der Kläger die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ab, diffamiert sie und will sie durch ein sog. neues Reich ablösen. In diesem Bestreben orientiert er sich entgegen seinen Beteuerungen nicht an einem Reichsgedanken mit dem durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 23. Oktober 1952 a.a.O. S. 48) umschriebenen, auf die nationale Einheit und die gleichberechtigte Stellung Deutschlands in der europäischen Staatengemeinschaft bezogenen Inhalt, sondern seinem Hintergrund gemäß an den Prinzipien der nationalsozialistischen Herrschaft während des sog. Dritten Reiches.

51

(1) Dies wird besonders deutlich an Texten mit einem strategisch-politischen Inhalt, die bei leitenden Mitgliedern des Klägers aufgefunden wurden. In ihnen wird die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 verunglimpfend als "Umerziehung" durch die Siegermächte bezeichnet und der demokratische Staat als verkommen und gegen das eigene Volk gerichtet denunziert. So führt der Vereinsvorsitzende in einer auf seinem Rechner aufgefundenen Textdatei (Anl. 130) aus: "In unserer heutigen Zeit mag man sich manchmal angewidert abwenden, wenn man die gezüchteten Krüppel sieht, die das Karren der Umerzieher schon besser vorantreiben, als die es wahrscheinlich vorhatten." Der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Süd" des Klägers, Martin G..., äußert sich in einem auf seinem Computer gespeicherten Redemanuskript (Anl. 11) mit der Überschrift "Einheitsgründungsfeier" wie folgt: " ... was haben wir uns eigentlich vorzuwerfen? Etwa, daß wir deutsch fühlen, deutsch denken und auch deutsch handeln, daß wir ehrlich und aufrichtig unseren Weg gehen und wir uns dabei an den edelsten Werten unseres Volkes ausrichten? Daß wir deshalb vom derzeitigen Staat immer stärker bekämpft werden, zeigt deutlich, wo dieser steht. Er ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!" Die sog. "Bundesführerin der Mädchen", Holle B..., schreibt in einer beschlagnahmten handschriftlichen Skizze: "(Wir müssen) klarstellen, daß Ideologien wie Demokratie und Kapitalismus für unser Volk den Untergang bedeuten." Und ein Schreiben, das der sog. "Leitstellenführer der Leitstelle Nord" des Klägers, Ragnar Dam, elektronisch gespeichert hatte, enthält nach einem Bericht des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5. August 2008 (Anl. 15) sowie den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2010 folgende Passage: "Ich will keine bessere BRD, ich will ein neues Reich auf den Trümmern dieses verkommenen Systems errichten. ... Als Anleihe blicke ich dabei auch gerne ein paar Jahrzehnte zurück. ... Nur so und nicht (anders) begann der Sieglauf in ein aufgehetztes Volk, welches dem Nationalsozialismus zunächst feindlich gegenüberstand."

52

Der von dem Kläger auch hier erhobene Einwand des privaten Charakters der Äußerungen steht dem Rückschluss von der in den zitierten Texten zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung seines Leitungspersonals auf seine eigenen verfassungswidrigen Ziele wiederum nicht entgegen. Die Äußerungen gehen zudem, anders als der Kläger meint, über eine zulässige sog. Machtkritik hinaus und offenbaren eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Haltung (zu der insoweit vorzunehmenden Abgrenzung: BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - BVerwG 2 WD 42.00, 43.00 - BVerwGE 114, 258 <283 ff.> = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 3 S. 19; vgl. zum Begriff der "Umerziehung" auch: Urteil vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 30.97 - BVerwGE 110, 126 <136> = Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 25 S. 9).

53

(2) Derartige dem Kläger zuzurechnende Diffamierungen des demokratischen Rechtsstaates finden sich überdies nicht nur in internen Aufzeichnungen von Vereinsfunktionären, sondern auch in veröffentlichter Form in der Vereinszeitschrift. Der Vorsitzende des Klägers schreibt in einem zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erschienenen Beitrag mit dem Titel "Neue Wegweiser in die Geschmacklosigkeit" (Sebastian, FF Nr. 3/2006, S. 5, Anl. 16): "Sicherlich wird einem lauwarm ums Herz, wenn nach über 60 Jahren Umerziehung Deutsche wieder die eigene Fahne in die Hand nehmen ... Traurig ist es, sich einzugestehen, daß selbst in unserem eigenen Lager, vom trotzigen 'schwarz-weiß-rot' auf die BRD-Fahnen umgeschaltet wurde, nur um auf den lahmenden Patriotismusgaul aufzuspringen ... Zu guter Letzt bleiben wir bei unseren Reichsfarben schwarz-weiß-rot ... Eben der Stachel im Fleisch der Spießer und Vaterlandsverräter!" Ferner heißt es in einem Artikel mit der Überschrift "Zur Gesellschaft" (Eugen, FF Nr. 3/2005 S. 7, Anl. 10): "Nach dem ersten Weltkrieg, auch damals gab es die Gesellschaft von Wucherern und Schiebern, Verrätern, Demokraten und Parteibonzen, die an der deutschen Not verdienten, und ihre entarteten und zersetzenden Ideen allen Deutschen aufzudrücken versuchten. Damals hatte der Begriff Gesellschaft allerdings einen klaren Charakter. Er benötigte nämlich, angewandt auf solche Ansammlungen übelsten Menschentums, keine weiteren negativen Adjektive. ... Diese heutige Herrschaft des Minderwertigen wird durch unsere junge sieghafte Kraft niedergerungen werden und an deren Stelle werden wir das Neue, Große, Kommende setzen: unser Volk."

54

Der Kläger verharmlost diese Aussagen in unzulässiger Weise, wenn er in ihnen lediglich eine kritische Betrachtung von Phänomenen eines allgemeinen Werteverfalls oder gesellschaftlichen Missständen erblicken will.

55

hh) Der Kläger nimmt schließlich eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Dies kommt in dem bereits zitierten Artikel des Vereinsvorsitzenden mit dem Titel "Sturmjugend" (Sebastian, FF Nr. 4/2005, S. 13, Anl. 21) zum Ausdruck, in dem er die Mitglieder dazu auffordert, sich als "Kämpfer von fanatischer Besessenheit und zäher Ausdauer" zu erweisen. Diese Aufforderung ergänzt der Vorsitzende des Klägers in einem ebenfalls schon erwähnten, auf seinem Rechner gespeicherten Text (Anl. 130): "Seien wir unserem Volk ehrliche und wehrhafte Männer, die das Leben achten und den Tod nicht fürchten." In einer weiteren, bereits zitierten Textdatei (Anl. 70) fügt er hinzu: "Es ist Krieg gegen Deutschland, Krieg gegen unser Volk. ... Und diesen Krieg möchte ich ganz gerne gewinnen." Eine vergleichbare Radikalität bricht sich in dem Artikel "Revolution" (Jörg, FF Nr. 4/2005, S. 8, Anl. 21) Bahn, wenn dort dargelegt wird: "Wir sind nicht angetreten, um in unserer Gemeinschaft nette Lager, Fahrten, Heimabende oder Feierstunden zu erleben, sondern um unsere Fußspuren in der Geschichte zu hinterlassen. ... Ein revolutionärer Akt, ... Scheuen wir uns also nicht vor diesem Begriff. ... Der Verfall von Ordnung, die Unregierbarkeit dieses Landes ruft den inneren Protest vieler, vieler Menschen hervor. Immer mehr wenden sich angewidert ab und lösen sich aus dem parlamentarisch-demokratischen Zwangskorsett. Sie sind bereit für revolutionäre Ideen, wir müssen sie ihnen geben. Im Vorbild und in der Tat haben wir eine Zeitenwende zu repräsentieren, um sie, gemeinsam mit unserem Volk, einzuleiten. Revolution bedeutet Geschichte schreiben: Nehmen wir die Feder in die Hand." Das gleiche gilt erst recht für die schon in anderem Zusammenhang erwähnte auf dem Computer des Martin Götze in einem Redemanuskript (Anl. 11) gespeicherte Äußerung: "Er (der derzeitige Staat) ist der Mörder am eigenen Volke, und es wird Zeit, dass man ihn richtet!"

56

Das Bestreben des Klägers, das Kämpferische und Aggressive dieser Texte in Abrede zu stellen, bleibt ohne Substanz.

57

2. Die in der Verfügung vom 9. März 2009 neben dem Vereinsverbot enthaltenen weiteren Entscheidungen zu Lasten des Klägers (Auflösung, Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen, Kennzeichenverbot, Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens) finden ihre Rechtsgrundlagen in § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 und § 11 VereinsG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften knüpfen an das ausgesprochene Vereinsverbot an.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Hells Angels MC Charter Flensburg“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in Flensburg. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen das vom Innenminister des Landes Schleswig-Holstein ihm gegenüber im April 2010 ausgesprochene Vereinsverbot.

2

Der klägerische Verein ging im Jahre 2003 aus der Spaltung des langjährigen Motorradclubs „Satisfaction Grenz MC“ mit Sitz in A. bei N. in die Chapter „West-Coast“ (A.) und „East-Coast“ (Flensburg) hervor. Das Chapter „East-Coast“ erhielt im April 2006 den Status eines „Prospect-Charters“ innerhalb der „Hells Angels“-Bewegung und am 06. Juni 2008 den endgültigen Status als Ortsverein. Im April 2010 bestand der Kläger nach Informationen des Beklagten aus 12 Mitgliedern, nämlich A. als Präsidenten des Ortsvereins, D. als Vizepräsidenten, S. als Schatzmeister, G. als Sekretär, M. als für die Durchsetzung von Recht und Ordnung innerhalb des Vereins, für die Ausführung von Anordnungen des Präsidenten sowie für die Verwaltung des Clubeigentums zuständigem sog. „Sergeant at Arms“ und J. als für die Logistik der sog. „Runs“ zuständigem „Road Captain“.

3

Eine geschriebene Vereinssatzung des Flensburger Ortsvereins (Chapters) ist nicht bekannt.

4

Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 erteilten Benehmens des Bundesministeriums des Innern mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 12 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens für sofort vollziehbar erklärt.

5

Die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, begründete der Beklagte wie folgt:

6

Die Zweckbestimmung des Vereins sei neben dem gemeinsamen Motorradfahren auch eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisationen der „Bandidos“ und deren Supporterclubs in Schleswig-Holstein. Zum Beleg führte der Beklagte mehrere Straftaten an, deren Verfolgung sich überwiegend im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren befinde (der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren bekannte Verfahrensstand wird jeweils nachfolgend wiedergegeben):

7

1. Strafverfahren gegen D. wegen Körperverletzung durch Zubodenschlagen eines Mannes bei einem Straßenfest in Leck im September 2008. - Dieses Strafverfahren wurde am 02. September 2009 vom Amtsgericht G-Stadt gemäß § 153 a Abs. 2 StPO nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

8

2. Versuchte räuberische Erpressung und Verstoß gegen § 52 des Waffengesetzes durch A.: Dieser habe den Geschäftsführer eines Flensburger Tattoo-Ladens durch Versuch einer Schutzgelderpressung geschädigt. In der Wohnung des A. sei im Dezember 2007 eine Schusswaffe mit Patronen sichergestellt worden, für die er keine waffenrechtliche Erlaubnis besessen habe. - Wegen der versuchten räuberischen Erpressung im April 2006 sowie einer vorsätzlichen Körperverletzung aus dem Jahr 2007 wurde A. mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Wegen des bis Februar 2008 andauernden Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Dieses Verfahren wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 08. Juni 2009 gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die vorgenannte Verurteilung vom 23. Januar 2008 eingestellt.

9

3. Verstoß gegen § 374 Abgabenordnung (Steuerhehlerei) durch J. wegen Besitzes von 50 Stangen unverzollter Zigaretten mit russischen Banderolen im Juni 2009 bei einer PKW-Kontrolle von J. und C. V.. Im Hinblick auf diese Tat wurde J. mit Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 03. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,-- Euro verurteilt.

10

4. Mitsichführen verbotener Waffen (Dreikantstoßdolche, sogenannte Delta-Darts) durch S., Y. und AH. im Dezember 2009 bei der Einreise in die Schweiz. - Die insoweit von der schweizerischen Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die gemeinsam eingereisten genannten Personen sowie gegen AB. wegen Vergehens gegen das schweizerische Waffengesetz wurden mit Verfügung des Untersuchungsrichters des Kantons Schaffhausen vom 24. August 2010 wegen Geringfügigkeit eingestellt; die beschlagnahmten Dolche wurden eingezogen.

11

5. Strafverfahren gegen A. sowie gegen M., P., S., V. und AH. wegen versuchten gemeinschaftlichen Totschlages durch Rammen des Motorrades eines Mitglieds der „Bandidos Neumünster“ auf der BAB 7 am 12. September 2009, bei dem der Geschädigte lebensgefährlich verletzt wurde. - A. wurde wegen des Vorfalls mit seit dem 11. Januar 2012 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Ermittlungsverfahren gegen die übrigen Tatverdächtigen wurden von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg bereits im Februar 2010 gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt.

12

6. Verdacht des Verstoßes gegen § 22 a des Kriegswaffenkontrollgesetzes durch A., V. und S. aufgrund des Fundes eines umfangreichen Waffenarsenals im November 2009, welches nach bisherigen Erkenntnissen dem Kläger zuzuordnen sei, bei einem Flensburger Gewerbetreibenden.- Das entsprechende Ermittlungsverfahren befindet sich noch im Stadium der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen; Anklage ist noch nicht erhoben.

13

7. Verdacht gegen S. wegen Hehlerei von bei einem Getränkegroßhandel in A-Stadt gestohlenen alkoholischen Getränken, die im Januar 2010 sichergestellt wurden, sowie Munitionsbesitz des S. im Januar 2010. - Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wurde S. wegen unerlaubten Munitionsbesitzes in dem vorgenannten sowie einem weiteren, Ende April 2010 festgestellten Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt. Ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei von Getränken ist nicht bekannt.

14

8. Besitz verbotener Waffen - sogenannter Delta-Darts - durch M. und V. im Januar 2010. - Das Verfahren gegen V. wegen Verstoßes gegen § 52 Waffengesetz wurde am 15. Juli 2010 von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg nach § 153 Abs. 1 Satz 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt. Das entsprechende Verfahren gegen M. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 19. November 2010 gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

15

9. Verfahren gegen Y. wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie gewerbsmäßiger Hehlerei durch Handel mit gestohlenen Motorradteilen und Veranlassung nicht ordnungsgemäßer TÜV-Gutachten für Abnahmen nach der Straßenverkehrsordnung. - Y. wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 27. Oktober 2011 wegen Steuerverkürzung zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro verurteilt. Ein Abschluss eines Ermittlungsverfahrens wegen mittelbarer Falschbeurkundung ist nicht bekannt.

16

Die angeführten Straftaten charakterisierten nach Einschätzung des Innenministeriums das von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen geprägte Vereinsleben, das tatsächliche Ziel des Vereins und den wirklichen Zweck der Vereinstätigkeit in prägender Weise. Die Taten seien durch den Kampf um Territorial- und Machtansprüche gekennzeichnet. Insbesondere Straftat Nr. 5 diene erkennbar der Selbstbehauptung des Vereins gegenüber einer konkurrierenden Organisation und zeichne sich durch die gemeinschaftliche Beteiligung einer relativ großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und Funktionsträgern aus. Auch der Waffenfund der Straftat Nr. 6 sei nicht mehr einer einzelnen Person zuzuordnen, sondern weise aufgrund des paramilitärischen Charakters der Waffen bzw. des Sprengstoffes auf eine gemeinsam begangene Tat einer organisierten Gruppe hin. Eine Vielzahl der Taten sei nicht längerfristig geplant, sondern ergebe sich aus Situationen heraus, in denen nicht alle Mitglieder spontan vor Ort verfügbar seien. Die Tatsache, dass einige der Mitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Stadtgebiet von Flensburg kaum oder nicht an Taten beteiligt gewesen seien, stehe einer Zurechnung der Straftaten zum Verein nicht entgegen. Der Verein begünstige auch strafbares Verhalten seiner Mitglieder, indem er diesen Rückhalt biete, die individuelle Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten abbaue und Anreiz zu neuen Taten wecke. So sei der Präsident A. weiterhin in seiner Position als Vereinspräsident belassen worden, obwohl gegen ihn wegen zahlreicher teilweise schwerer Straftaten ermittelt worden sei. Auch hierin liege ein Anknüpfungspunkt für die Zurechnung seiner Taten zum Verein. Weiterhin werde durch finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder der Begehung weiterer Straftaten Vorschub geleistet, indem negative Auswirkungen der strafrechtlichen Verfolgung gemildert würden. Entsprechend den sog. „Rules“ der „Hells Angels“-Vereinigung kämen auch die Mitglieder des Klägers in den Genuss von Leistungen des sog. „Defense Fund“, der bei Verbüßen einer Gefängnisstrafe für finanzielle Unterstützung der Vereinsmitglieder, ggf. auch ihrer Angehörigen, sorge. Eine Zurechnung des strafgesetzwidrigen Verhaltens einzelner Mitglieder zum Kläger könne auch aus der fehlenden Distanzierung des Vereins zu solchen Verhaltensweisen abgeleitet werden.

17

Die zahlreichen festgestellten Waffendelikte ergäben ein stereotyp festgestelltes Verhaltensmuster der durchgehenden Ausstattung der Mitglieder des Vereins mit Waffen, die sie zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten „Krieges“ zwischen den „Hells Angels“ und den „Bandidos“ zu sehen. Das im Rahmen der Straftat Nr. 6 aufgefundene Waffenlager ermögliche eine Komplettausstattung aller Vereinsmitglieder und darüber hinaus auch von Supportern.

18

Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zwecke und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagten auf die Unterstützungsleistungen des sog. „Defense Fund“ an straffällige Mitglieder, welche eine eigene Rechtsordnung unter Inkaufnahme strafrechtlicher Verstöße und damit eine Absage an das Gewaltmonopol des Staates beinhalteten.

19

Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit des Klägers im Rahmen der anhaltenden Auseinandersetzungen mit den verfeindeten „Bandidos“ in Schleswig-Holstein unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Auch ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend, da der Verein die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit grob missachte.

20

Der Kläger hat am 28. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Diese wird wie folgt begründet:

21

Der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen vor seinem Erlass nicht erfolgt sei. Eine Eil- oder Geheimhaltungsbedürftigkeit, die einen Verzicht auf eine Anhörung hätte rechtfertigen können, sei nicht gegeben.

22

Der Beklagte habe die aus § 4 VereinsG folgende Handlungsanweisung verletzt, dass das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren vor Erlass der Verbotsverfügung durchzuführen und abzuschließen sei. Stattdessen sei von den Ermittlungsbefugnissen vor dem Verbot kein Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe sich ausschließlich auf eine Informationssammlung der ihm unterstellten Hilfsbehörden gestützt. Die Ermittlungen seien vorliegend nach Ergehen der Verbotsverfügung weitergeführt worden, während dem Kläger nach Zustellung der Verbotsverfügung jegliche Dispositionen und Handlungsmöglichkeiten, einem Vereinsverbot entgegenzuwirken, abgesprochen worden seien. Hierdurch werde die Gehörsverletzung noch verstärkt.

23

Das unter dem 15. April 2010 eingeholte Einvernehmen des Bundesministers des Inneren zu der beabsichtigten Verbotsverfügung sei fehlerhaft, weil die zugehörigen Behördenakten nicht mit vorgelegt worden seien und ein geordnetes Prüfungsverfahren des Bundesministers daher nicht möglich gewesen sei.

24

Angesichts der herausragenden Bedeutung der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG sei eine restriktive Anwendung vereinsrechtlicher Verbotsnormen erforderlich. Art. 9 Abs. 2 GG stelle eine verfassungsrechtlich zwingende Eingriffsschranke auf, die einer über sie hinausgehenden einfachgesetzlichen Ausgestaltung von Verbotsgründen entgegenstehe. Darüber hinaus sei von der Verbotsbehörde entsprechend dem polizeirechtlichen Übermaßverbot zu prüfen, ob vor Erlass eines Verbots mildere Maßnahmen möglich und geeignet seien, um eine Änderung der Statuten, Programmen oder Handlungsformen des Vereins zu erreichen oder diesen unter Aufsicht zu stellen.

25

Darüber hinaus könnten lediglich erhebliche Verstöße gegen Strafgesetze, die in einem angemessenen Verhältnis zur Verbotssanktion stünden, ein Vereinsverbot nach sich ziehen, sofern sie sich für den Charakter der Vereinigung als prägend erwiesen. Sie müssten im Verhältnis zu erlaubten Vereinsaktivitäten im Vordergrund stehen und den Charakter des Vereins ausmachen. Straftaten, die ausschließlich in der Privatsphäre der Vereinsmitglieder begangen worden seien, dürften keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie von mehreren Vereinsmitgliedern gemeinsam begangen worden seien. Maßgeblich sei, dass die strafrechtlich relevanten Aktivitäten der Mitglieder ohne organisatorischen Zusammenhang mit dem Verein nicht möglich gewesen seien. Insofern müsse ein Funktionszusammenhang mit dem Verein festgestellt werden, der beispielsweise in einer Anordnung oder Billigung von Straftaten durch Vereinsorgane liegen könne. Nicht ausreichend sei etwa eine das Vereinsleben prägende solidarische Pflicht zu „kameradschaftlichem Verhalten“. Relevant könnten schließlich lediglich solche Taten sein, die von Mitgliedern während der Dauer ihrer Mitgliedschaft begangen worden seien.

26

§ 4 VereinsG verpflichte die Verbotsbehörde zu eigenständigen Ermittlungen, denen gegenüber den Informationen von sog. Hilfsbehörden wie den Dienststellen der Polizei ein eigenständiger, unbeeinflusster Wert zukommen müsse. Eine ausschließliche und unreflektierte Übernahme von Erkenntnissen aus Strafverfolgungsverfahren und Strafurteilen sei vereinsrechtlich unzulässig. Auch wenn Ermittlungen zur Untermauerung bereits benannter Verbotsgründe noch nach dem Erlass der Verbotsverfügung fortgeführt werden könnten, müssten diese Gründe zum Zeitpunkt des Verbotserlasses bereits ausermittelt und benannt sein. Jedenfalls sei eine Verlagerung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens auf eine Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung rechtswidrig. Vorliegend hätten keine eigenständigen Ermittlungen der Verbotsbehörde stattgefunden, sondern diese habe ausschließlich die von dem Bestreben nach einem allgemeinen Verbot von Biker-Clubs getragenen Vorgaben des Landeskriminalamtes übernommen. Dies sei sachfremd und verletze das Übermaßverbot. Für die gerichtliche Entscheidung könnten lediglich die Verhältnisse im Zeitpunkt der angefochtenen Verbotsverfügung maßgeblich sein. Soweit nach diesem Zeitpunkt zu Tage getretene Umstände Berücksichtigung fänden, seien auch veränderte Verhältnisse der betroffenen Vereinigung zu berücksichtigen, jedenfalls soweit sie der Rechtsverteidigung dienten. Die dem Kläger zuzubilligenden Rechtsschutzmöglichkeiten beschränkten sich nicht auf eine bloße Prozessführung, sondern ermöglichten auch den Ausschluss von Mitgliedern und die Aufgabe von Mitgliedschaften.

27

Die Verbotsverfügung lasse wesentliche soziologische Forschungsergebnisse, nach denen die subkulturellen Organisationsformen der Motorrad-Clubs zur Verhinderung krimineller Handlungen Einzelner beitrügen, indem sie eine integrativ wirkende Umgebung schüfen, unberücksichtigt.

28

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die in der Verbotsverfügung aufgelisteten Straftaten der acht aktuellen Mitglieder in keinem Zusammenhang zu den Aktivitäten der Vereinigung stünden, da sie überwiegend individuell veranlasst und auf einen spontanen Entschluss zurückzuführen seien. Überwiegend seien die Straftaten von nur geringem Gewicht und die entsprechenden Ermittlungsverfahren zum Teil durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden. Soweit die Verbotsverfügung eine außergesetzliche Ausrichtung des Vereins aus den Beziehungen des Klägers zur weltweiten Dachorganisation der „Hells Angels“ sowie aus der szenetypischen Bezeichnung des Vereins als „Outlaw-Motorcycle-Club“ ziehen wolle, verkenne dies zum einen die subkulturell integrative Ausrichtung der betreffenden Motorrad-Clubs und zum anderen die Herkunft des Begriffes „Outlaw“, durch den man sich lediglich den Versuchen der Monopolisierung des Motorradsports durch eine dominierende amerikanische Vereinigung habe widersetzen wollen. Verallgemeinernde Schlussfolgerungen der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung seien vereinsrechtlich verfehlt. Ein allgemeiner „Kriminalitätsnachweis“ von Motorrad-Clubs sei bislang nicht geführt worden. Ein strafrechtliches Inerscheinungtreten der Vereinsmitglieder sei auch nicht erforderlich, um den durch Vereinszusammenschluss gewünschten Statusgewinn zu erreichen. Dieser ergebe sich für den Einzelnen bereits mit dem Erhalt des Club-Emblems, da die Aufnahme in ein elitäres Kollektiv ihn physisch und psychisch stärker mache und an dem Anspruch, sich niemandem unterzuordnen, teilhaben lasse.

29

Das auch in Motorradclubs gelebte Prinzip der Solidarität könne sich auf allgemeine Wertorientierungen berufen, welche auch die staatsethische Grundlage für das soziale Staatsziel wie auch eine Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer christlichen Werteordnung bildeten. Dass eine innerhalb des Vereins geltende Solidaritätsverpflichtung in rechtlich problematischer Weise über die Verhaltenserwartungen der herrschenden Gesellschaftskultur gestellt worden sei, sei vorliegend nicht in einer Weise dargelegt und ermittelt worden, welche den Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG genügen könne. Vielmehr seien auch insoweit Erkenntnisse der ermittelnden Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden lediglich unreflektiert und ohne eigene Überprüfungen der Vereinsverbotsbehörde übernommen worden.

30

Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, dass sich der Kläger mit dem politischen Ziel einer Veränderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasse. Er erkenne in der unterstellten organisierten Rechtsverteidigung und finanziellen Unterstützung straffällig gewordener Mitglieder lediglich ein unangepasstes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung. Dies könne im Ansatz nicht ausreichen, um ein Sich-Richten der Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung anzunehmen. Die Mitglieder des Klägers nähmen für sich lediglich die Rechte jedes Staatsbürgers in Anspruch. Der Kläger sei auch nach Darstellung des Beklagten weder kämpferisch noch aggressiv in Erscheinung getreten, um die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Die unterstellte wirtschaftliche Absicherung und Unterstützung über einen „Defense Fund“ wäre lediglich als organisiertes Handeln zur Wahrnehmung von Vereinsrechten ohne Außenwirkung einzuordnen. Die vom Beklagten diesbezüglich angeführten allgemeinen Satzungen und Regelungen der „Hells Angels“ seien den Mitgliedern des klägerischen Vereins bis zur Vorlage durch den Beklagten unbekannt gewesen und für ihn nicht konstitutiv. Eine Berücksichtigung zu Lasten des Klägers scheide daher aus. Der Beklagte habe keine Nachweise für den Bestand und die Funktionsweise eines „Defense Fund“ vorgelegt. Es existiere kein „Defense Fund“, auf den die Mitglieder des Klägers zurückgreifen könnten. Eine Unterstützung von Mitgliedern im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolge seitens des Klägers nicht. Es würden lediglich im Einzelfall von Mitgliedern freiwillige Spenden geleistet und Darlehen gewährt, ohne dass hierfür Quoten vorgegeben oder Verpflichtungen errichtet würden. Es bestehe kein Anspruch auf derartige Unterstützung. Auch Angehörige von Mitgliedern würden grundsätzlich nicht finanziell oder sachlich unterstützt.

31

Gleiches treffe auf die vom Beklagten unterstellte Existenz einer Organisation inhaftierter Mitglieder der „Hells Angels“ mit Namen „Big House Crew“ zu. Zu einer solchen angeblichen Vereinigung bestehe kein Kontakt des Klägers oder seiner Mitglieder.

32

Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Mai 2012 - nach Anwaltswechsel - vorgetragen, dass dem Kläger aktuell acht Vollmitglieder angehörten, davon als Präsident Peter AE., als Vizepräsident Y., als Secretary G., als Sergeant at Arms M. und als Treasurer P.. Diese fünf Mitglieder bildeten den Vorstand. Weitere Mitglieder seien D., S. und AB.. Der vormalige Präsident A. sei im Januar 2010 aufgrund einstimmigen Beschlusses der übrigen Mitglieder aus dem klägerischen Verein ausgeschlossen worden. Auch J. habe den Verein im Januar 2010 verlassen und übe seither keine Vereinsfunktionen aus. V. sei im Februar 2011 aus dem Verein ausgeschieden. AH. sei zunächst lediglich sog. „Hangaround“ und dann „Prospect“ gewesen, der Verein habe ihm jedoch die Mitgliedschaft versagt. Im September 2010 habe AH. daraufhin den klägerischen Verein verlassen.

33

Weiterhin ist der Kläger der Auffassung, die bei insgesamt sechs Mitgliedern festgestellten „Delta Darts“ könnten nicht als Beleg einer allgemeinen Bewaffnung der Vereinigung ins Feld geführt werden, da zum Zeitpunkt ihres Auffindens nach bundesdeutscher Rechtslage nicht festgestanden habe, ob es sich um eine verbotene Waffe handele. Das Bundeskriminalamt habe die verbotsrechtliche Waffeneigenschaft, soweit durch eine Scheide der Eindruck eines anderen Gegenstandes entstehen könne, erst mit Bescheid vom 01. September 2010 festgestellt. Die Mitglieder des Klägers hätten lediglich Gegenstände mit sich geführt, die nach wie vor jedermann zugänglich seien.

34

Zu den einzelnen in der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Kläger Folgendes vor:

35

zu Tat Nr. 1.: Bei der 2008 vom Mitglied D. begangenen Körperverletzung habe es sich um eine vollkommene individuelle, spontane und keinen Bezug zum klägerischen Verein aufweisende Tat gehandelt. Die vom Täter getragene Kutte sei unter der zusätzlich übergezogenen Jacke nicht sichtbar gewesen. Es seien keine weiteren Mitglieder des Klägers anwesend gewesen. Der Streit sei wegen einer Zudringlichkeit gegenüber der damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau von D. entstanden.

36

zu Tat Nr. 2.: Die bereits im Jahre 2008 abgeurteilte Tat der versuchten räuberischen Erpressung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz des Vereinsmitgliedes A. liege vor dessen erst 2009 begründeter Mitgliedschaft.

37

zu Tat Nr. 3.: Eine Zurechnung des Verstoßes gegen die Abgabenordnung durch Mitsichführen unverzollter Zigaretten seitens des J. zum Verein komme nicht in Betracht, weil selbst der Beklagte dem Kläger keine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang unterstelle.

38

zu Taten Nr. 4. und 8.: Ein vereinsrechtlicher Funktionszusammenhang des den Mitgliedern S., Y., AH. und A. unterstellten waffenrechtlichen Verstoßes sei nicht erkennbar. Die Zurechnung nicht begangener Straftaten sei als unzulässige Kriminalisierung der Vereinigung zu werten, zumal das Ermittlungsverfahren vermutlich auch wegen des Rückwirkungsverbotes des erst am 01. September 2010 erlassenen Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes eingestellt worden sei. Die Zurechnung eines waffenrechtlichen Verstoßes setze voraus, dass die betreffenden Mitglieder überhaupt eine strafgesetzwidrige Tatbegehung erkennen könnten, welche sich der Verein zu Eigen mache könne. Dies sei vorliegend wegen des verspätet ergangenen Feststellungsbescheides des BKA denknotwendig ausgeschlossen.

39

zu Tat Nr. 5.: Bei der am 12. September 2009 vom ehemaligen Vereinsmitglied A. begangenen Tat auf der BAB 7 handele es sich um den einzigen von der Verbotsverfügung angeführten Fall eines organisatorischen Zusammenwirkens von Vereinsmitgliedern mit strafrechtlicher Relevanz. Die Ermittlungen hätten allerdings ergeben, dass es sich auch hier lediglich um ein Einzeldelikt ohne Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers gehandelt habe. Eine strafrechtliche Einbeziehung der übrigen anwesenden Mitglieder sei nicht etwa an der Nachweisbarkeit gescheitert, sondern diese in den Blick geratenden Vereinsmitglieder hätten zur Deeskalation beigetragen. Sie hätten der Tatausführung entgegengewirkt und damit zielgerichtet auf die Vermeidung von Straftaten hingewirkt, indem sie das Mittel ihrer Präsenz vor Ort eingesetzt hätten. Die Inanspruchnahme gegenseitiger Autorität sei Ausdruck einer gesellschaftlich anerkannten Methode der Konfliktvermeidung. Im Übrigen habe sich die Vereinigung durch den Ausschluss ihres Präsidenten A. deutlich von diesem distanziert. Das Handeln des ehemaligen Präsidenten habe daher in keiner Weise eine kollektive Anerkennung erfahren. Soweit das Mitglied A. auch während des laufenden Ermittlungsverfahrens bzw. seiner zeitweiligen Untersuchungshaft im Amt des Präsidenten belassen worden sei, liege darin kein verbotsrelevanter Rückhalt durch den Kläger, da selbst Beamte ihre Position regelmäßig bis zur Klärung strafrechtlicher Vorwürfe behielten. Auch in sonstiger Weise sei kein Rückhalt des Vereins für die Begehung der vorgeworfenen Taten erkennbar.

40

zu Tat Nr. 6.: Die Vermutungen, welche den Beklagten zur Zurechnung des Flensburger Waffenfundes an den Kläger geführt hätten, seien in keiner verwertbaren Weise belegt, zumal die Ermittlungen bis heute nicht abgeschlossen seien. Fingerabdrücke von A. und V. seien nicht auf den Waffen, sondern auf Bedienungsanleitungen gefunden worden. Fingerabdrücke des S. seien ebenfalls nicht an Waffen, sondern auf einer Kiste festgestellt worden. S. habe auch nicht über einen Schlüssel zur Werkstatt verfügt und sei im Übrigen Mitglied in einem Schützenverein, in dem auch großkalibrige Waffen beschossen würden. Auch weitere Spuren auf einer Außenhülle ließen keinen Bezug des Inhaltes zu einer bestimmten Person zu. Es bestehe auch kein Bezug der klagenden Vereinigung zu dem Handel des betreffenden Gewerbetreibenden mit Alu-Felgen, da Motorräder in der Werkstatt dieses Gewerbetreibenden nicht gewartet oder repariert würden.

41

zu Tat Nr. 7.: Ein Funktionszusammenhang der strafrechtlich nicht verfolgten Getränkehehlerei des S. zur Tätigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich.

42

zu Tat Nr. 9.: Die dem Mitglied Y. zugeschriebene Begehung einer Fälschung von TÜV-Zertifikaten und des Handels mit entwendeten Motorrad-Teilen datierten aus dem Jahre 2004. Zu diesem Zeitpunkt seien weder der Kläger oder sein Vorgängerverein der „HAMC East-Coast“ existent gewesen, noch sei Y. damals Mitglied in einem Motorrad-Club gewesen. Eine Zurechnung von Verhaltensweisen, die die übrigen Vereinsmitglieder nicht zum Schutze des Vereines hätten verhindern können, müsse ausscheiden.

43

Insgesamt sei festzustellen, dass nur eine Minderheit von Mitgliedern, und zwar erhebliche Zeit vor Erlass der Verfügung, vereinzelt straffällig geworden sei, ohne dass eine Verbindung zum Vereinszweck ersichtlich wäre. Ein Vereinsverbot erweise sich daher als unverhältnismäßig. Zumal bei Berücksichtigung der Vereinsausschlüsse bzw. -austritte könne weder eine zeitliche Dichte von Straftaten noch eine Konzentration auf Funktionsträger der Vereinigung festgestellt werden. Es lägen keine Hinweise auf eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor vor. Widerlegt sei insbesondere eine hierarchische, Straftaten steuernde Handlungs- und Anweisungskompetenz des Vorstandes. Der Beklagte gründe seine Zurechnungsargumentation auf bloße Unterstellungen und Zuschreibungen, mit denen auf die „eigentliche Zweckbestimmung“ des Vereins geschlossen werden solle. Auch Anhaltspunkte für eine Betätigung des Klägers in unzulässigen Wirtschaftsbereichen seien nicht dargelegt.

44

Im Übrigen ist der Kläger der Auffassung, es fehle an einer verfassungsrechtlich erforderlichen bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlage für Datenübermittlungen aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an die Vereinsverbotsbehörde. § 4 VereinsG stelle lediglich eine Aufgabenzuweisung, aber nicht eine datenschutzrechtliche Befugnisnorm dar.

45

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen vertieft und ergänzend geltend gemacht. Das bundesweite Vorgehen der Sicherheitsbehörden basiere auf einem gemeinsamen Strategiepapier vom Oktober 2010 und einer textbausteinartig vorbereiteten Musterverbotsverfügung, begleitet von einem von unzutreffenden diskreditierenden Zuschreibungen getragenen Aufbau eines negativen Bildes der sog. „Rocker“ über die Medien. Die konkrete Ermittlungsarbeit der Verbotsbehörde im jeweiligen Einzelfall sei hingegen völlig unzureichend. Nach dem kürzlichen Ausscheiden eines weiteren Mitgliedes, D., bestehe der Verein nunmehr nur noch aus sieben Mitgliedern, welche schlechterdings keinen Machtausübungsanspruch verkörpern könnten.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben.

48

Der Beklagte beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er ist der Auffassung, dass der klägerische Verein trotz der Veränderung seines Namens und seines Status bis hin zur vollgültigen Aufnahme als rechtlich selbstständiges Charter der „Hells Angels“ MC im Jahre 2008 jedenfalls seit 2003, ggf. auch schon seit einem früheren Zeitpunkt, unter Fortführung seiner Identität bestanden habe. Von den zum Verbotszeitpunkt 12 Vereinsmitgliedern seien 9 Mitglieder selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die nicht oder nur in geringem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getretenen Mitglieder keine Funktionsämter innerhalb des Vereines bekleideten bzw. in relativ weiter Entfernung zum Vereinsstandort Flensburg wohnhaft seien, mithin für spontane Aktionen des Vereins wie die Straftat Nr. 5 auf der BAB 7 nicht zur Verfügung stünden.

51

Zur Zulässigkeit der Klage ist der Beklagte der Auffassung, dass der Kläger als nicht rechtsfähiger Verein gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 54, 709 Abs. 1 BGB nur durch alle Mitglieder gemeinsam prozessfähig sei, solange eine besondere Vertretungsmacht einzelner Mitglieder aufgrund der Satzung nicht nachgewiesen sei. Letzteres sei gerade nicht der Fall.

52

Der Beklagte bestreitet anhand eigener Erkenntnisse, dass der Präsident des Klägers A. im Januar 2010 aus dem Verein ausgeschlossen worden sein soll, und verweist auf gegenteiligen Vortrag des Klägers mit dem ursprünglich klagebegründenden Schriftsatz. Vielmehr sei A. nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2010 im gegenseitigen Einvernehmen in sog. „good standing“ aus der Mitgliedschaft entlassen worden. Nicht entscheidungserheblich sei der neuere Vortrag zum Austritt des J., da jedenfalls dessen Straftaten zuvor begangen worden seien. Soweit der Kläger nunmehr Statusänderungen der Mitglieder AB. und AH. nach Zustellung der Verbotsverfügung vortrage, sei dies als Betätigung entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 20 VereinsG sogar strafrechtlich relevant, in der Sache aber für die Begründung des Verbots nicht erheblich.

53

Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet.

54

Der Beklagte sei unabhängig davon, ob der Kläger zu einer bundesweit tätigen Organisation gehöre, wegen des auf das Land Schleswig-Holstein beschränkten Wirkungsbereichs des Vereins oder Teilvereins für dessen Verbot zuständig. Zur Erteilung des hier herzustellenden Benehmens des Bundesministers des Inneren sei die Übermittlung des Entwurfs der Verbotsverfügung ausreichend gewesen. Die Ermittlungen zur Erarbeitung der Verbotsverfügung seien durch ein eigenes Fachreferat des Beklagten unter Verwertung von Ermittlungsergebnissen und Erkenntnissen auch der dem Beklagten zugeordneten Ämter des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes erfolgt.

55

Die Verbotsverfügung sei nicht wegen unterbliebener Anhörung formell rechtswidrig, da mit einer Anhörung der mit der Verfügung verfolgte Zweck vereitelt worden wäre. Eine Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt und es dem Kläger ermöglicht, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie weitere beim Vollzug der Verbotsverfügung aufzufindende Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Vereinszwecke zu verschleiern, zu verdecken oder aus dem Zugriff des Beklagten zu entfernen. Einer Anhörung habe daher ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne von § 87 Abs. 4 LVwG entgegengestanden. Die Verschleierungs- bzw. Verschiebungsgefahr auf Seiten des Klägers werde beispielhaft deutlich an Vorgängen wie dem Abstellen des Tat-Pkw des A. nach der Tat vom 12. September 2009 auf einem Bauhof sowie dem Auffinden von eindeutig den Mitgliedern des Klägers zuzuordnenden Waffen bei einem Gewerbetreibenden in A-Stadt.

56

Die im Zusammenhang mit der Verbotsverfügung erfolgte Datenverarbeitung des Beklagten einschließlich der Übermittlung von Daten aus Strafverfahren könne auf die hinreichend bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen der § 11 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. §§ 177 ff. LVwG gestützt werden, da der Beklagte als für das Vereinsverbot durch Landesverordnung für zuständig erklärte Behörde Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehme. Hilfsweise sei auf die Generalklausel des § 14 Abs. 2 Nr. 6 BDSG zu verweisen.

57

Vor dem Hintergrund der durch die obergerichtliche Rechtsprechung im Rahmen des § 3 Abs. 1, Abs. 5 VereinsG errichteten Maßstäbe für eine Zurechnung von Straftaten zu einem Verein sei das klägerische Vorbringen nicht geeignet, eine Zuordnung der den einzelnen Mitgliedern zur Last gelegten Straftaten zu widerlegen. Insbesondere könne sich ein strafgesetzwidriger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 VereinsG auch aus dem tatsächlichen Verhalten Einzelner oder erst recht der Mehrheit der Vereinsmitglieder ergeben, ohne dass Satzung und Ordnungen sowie die institutionell verfestigten Ziele und Programme eines Vereins ihn vorsähen. Die Begehung von Straftaten müsse auch nach den obergerichtlichen Maßstäben nicht der Hauptzweck des Vereins sein, um die Strafgesetzwidrigkeit seines Zwecks zu begründen; vielmehr könnten die den Verein prägenden Straftaten auch eine begleitende Erscheinung des Vereinszwecks sein.

58

Das klägerische Vorbringen stelle nicht in Abrede, dass der Kläger als Verein „entsprechend dem geltenden Ehrenkodex“ seine Mitglieder auch dann unterstütze, wenn sie selbst Straftaten begingen oder begangen hätten. So hätten mehrere Mitglieder durch ihre Anwesenheit die Tat ihres Präsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 vor und während ihrer Begehung durch körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des rivalisierenden Vereins unterstützt und damit das Verhalten des Präsidenten gebilligt. Die Tat sei ein Beispiel für die Wirkung des Ehrenkodex. Ein weiterer Beleg für die Zurechenbarkeit einzelner Straftaten zum Verein sei das System des sog. „Defense Fund“, der gerade nicht auf eine Vorbereitung des jeweiligen Mitgliedes auf ein Leben im Anschluss an die Haftzeit gerichtet sei, sondern die Wirkungen einer Haftstrafe soweit wie praktisch möglich aufheben und die soziale Einbindung in den Verein sichern wolle. Der „Defense Fund“ belege, dass der Verein sich von vornherein auf eine Inhaftierung von Mitgliedern einstelle und die Wirkung der staatlichen Strafdrohung bzw. eines Entdeckungsrisikos bei Straftaten herabsetze. Er gehe über die Gewährleistungen einer Rechtsschutzversicherung bei weitem hinaus, greife auch bei vorsätzlichen Taten ein und sichere auch finanzielle Verpflichtungen eines vorläufig Inhaftierten oder eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilen im Sinne einer Schadensversicherung.

59

Soweit der Kläger eine Unterstützungshandlung des Vereins durch Belassen des Präsidenten A. in seinem Amt auch nach erheblichen Straftatenvorwürfen durch einen Hinweis auf das Beamtenrecht in Abrede stelle, sei darauf hinzuweisen, dass betroffene Beamte wegen des disziplinarischen Überhangs einer Straftat noch vor abschließender Feststellung der Strafbarkeit ihres Verhaltens vorläufig ihres Dienstes enthoben würden oder ihnen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werde.

60

Zu den einzelnen in der Verbotsverfügung aufgeführten Straftaten trägt der Beklagte wie folgt vor:

61

1. Bei seiner im September 2008 in Leck begangenen Körperverletzung habe das Mitglied D. die seine Zugehörigkeit zum Kläger ausdrückende Weste mit dem Vereinsabzeichen - die sogenannte Kutte - getragen und damit nach außen seine Mitgliedschaft kundgetan. Dies belege, dass sich die Mitglieder des Klägers allein durch ihre Identifikation mit dem Verein einer Außenwirkung bewusst gewesen seien, die ihnen die Begehung von Straftaten erleichtere und zugleich die Wirkungen der Strafverfolgung abzumildern geeignet sei. In diesem Strafverfahren hätten sich die Auswirkungen der Tendenzen des Vereins gezeigt, jegliche Zusammenarbeit mit staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden und Strafverfahren gegen Mitglieder soweit wie möglich zu behindern. So habe eine Zeugin ausdrücklich von Warnungen berichtet, gegen D. auszusagen, da er ein Mitglied des Klägers sei und man von solchen Leuten lieber die Finger lassen solle. Diese Zeugin habe eine Verhinderung für den Termin zur Hauptverhandlung angezeigt, was das Strafgericht als Angst vor einer Aussage gewertet habe. Ein vernommener Zeuge habe eine offensichtlich zu Gunsten des Angeklagten gesteuerte, unglaubwürdige Zeugenaussage abgegeben und versucht, seine Zugehörigkeit zum Umfeld des Klägers zu verschleiern. An diesem Vorgang lasse sich eine Einflussnahme des Klägers auf Personen aus seinem Umfeld ablesen, als deren Folge diese eine Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden verweigerten. Die Straftat des D. sei für sich genommen nicht in jeglichem Zusammenhang als einem Verein zurechenbar anzusehen, stelle sich jedoch in dem hier vorliegenden Gesamtzusammenhang als Teil einer gewaltsamen Selbstbehauptung des Klägers und seiner Mitglieder dar. Der Beklagte gehe entgegen dem Vortrag des Klägers von einer Mitgliedschaft des D. zum Begehungszeitpunkt aus, zumal er bereits im März 2008 bei einer Veranstaltung der „Hells Angels“ MC in Hannover als Mitglied des Klägers aufgetreten sei und bereits 2009 als Vizepräsident fungiert habe.

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2. Die zu Ziffer 2 der Verbotsverfügung abgeurteilte Tat des Präsidenten A. sei insbesondere wegen des Verstoßes gegen §§ 51 f. Waffengesetz bedeutsam. Aus dieser Tat lasse sich ebenfalls die Tendenz zur gewaltsamen Selbstbehauptung des Vereins und seiner Mitglieder ableiten.

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3. Auch der zu Ziffer 3 der Verbotsverfügung abgeurteilte Strafvorwurf gegen die Mitglieder J. und V. wegen Steuerhehlerei zeige sich als szenetypisch, da durch den Schmuggel von Zigaretten unter anderem an einer Basis für den wirtschaftlichen Erwerb im Vergnügungsgewerbe mitgewirkt werde. Dort suche der Kläger eine Vormachtstellung zu erlangen. Die Tatsache, dass bei der Tat zwei Mitglieder des Vereins gemeinsam ohne weitere vereinsexterne Personen tätig gewesen seien, lege eine Unterstützung oder Billigung seitens des Vereins nahe.

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4. Die Ermittlungsverfahren der schweizerischen Polizei gegen die Mitglieder S., Y., AH. und den in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht aufgeführten AB. seien zwar wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, jedoch seien die sichergestellten Delta-Darts als verbotene Waffen eingezogen worden. In der hier festgestellten Variante mit Scheide sei dieses Kunststoffmesser durch Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 als Hieb- und Stoßwaffe, die ihrer Form nach geeignet sei, einen anderen Gegenstand vorzutäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauch verkleidet sei, eindeutig als waffenrechtlicher Verstoß gewertet worden. Der Bescheid habe lediglich deklaratorische Wirkung und unterliege daher keinem Rückwirkungsverbot. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum sei angesichts der Beschaffenheit der Waffe ausgeschlossen. Ein solcher Delta-Dart mit Scheide sei auch bei der Festnahme des Präsidenten des Klägers A. im Januar 2010 sichergestellt und das entsprechende Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt im November 2010 gemäß § 153 a StPO unter der Auflage der Ableistung gemeinnütziger Arbeit eingestellt worden, was vom Angeklagten akzeptiert worden sei. Diese Straftat des A. sei zwar nicht Bestandteil der Begründung des Verbotsbescheides, belege jedoch eine strafrichterliche Bestätigung der Auffassung des Beklagten in Übereinstimmung mit dem Feststellungsbescheides des BKA.

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5. Was die Straftat des Vereinspräsidenten A. am 12. September 2009 auf der BAB 7 anbelange, so ließen sich die für eine vereinsrechtliche Zurechnung zum Kläger erforderlichen tatsächlichen Umstände dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 zweifelsfrei entnehmen. Das Landgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass sich die abgeurteilte Tat in den Kontext des allgemeinen Konflikts zwischen dem „Hells Angels MC“ und dem „Bandidos MC“ einfüge. So habe das Landgericht als Motiv der Tat eine Disziplinierung der Mitglieder des gegnerischen Vereins wegen eines als solchem verstandenen „Gebietsverstoßes“ erkannt und die Tat demnach als Durchsetzung des vom Kläger mit strafbaren Mitteln verteidigten, die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols ausschließenden Territorialprinzips der Vereinigung gesehen. Ebenfalls sei durch das Landgericht festgestellt, dass diese zur Chefsache gemachte Reaktion auf einen vermeintlichen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ an einer Tankstelle im Raum Flensburg auf einer organisierten Willensbildung der Mitglieder des Klägers basiert habe. Durch die Feststellungen des Strafgerichts sei belegt, dass der damalige Präsident A. mitten in der Nacht per Mobilfunk binnen 20 Minuten insgesamt 3 Fahrzeuge mit mehreren Mitgliedern bzw. Unterstützern des Vereins zu einer bestimmten Stelle auf BAB 7 habe dirigieren können. Die dahingehende Willensbildung und -unterwerfung seitens der Mitglieder und Unterstützer belege den Rückhalt und die Unterstützung, die der Präsident bei seiner Tatausführung durch den Verein in vereinsrechtlich zurechenbarer Weise erfahren habe. Diese Unterstützungsleistungen umfassten sowohl die Vor- als auch die Nachtatphase, da festgestellt worden sei, dass A. das Tatfahrzeug nach der Tat auf einem Bauhof in XXX Stadt abgestellt habe und kurz darauf in der Innenstadt von Flensburg gewesen sei, wobei ihn angesichts des Wochentages und der Uhrzeit eine weitere Person gefahren haben müsse. Insgesamt habe die Tat nur auf Grundlage einer funktionierenden internen Willensbildung innerhalb des Klägers ins Werk gesetzt können, an der sich eine Vielzahl, nämlich insgesamt die Hälfte der Mitglieder, beteiligt habe. Es sei im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft Flensburg für eine Anklage der übrigen beteiligten Mitglieder des Klägers keine strafrechtlich hinreichende Grundlage gesehen habe, da sie dieses maßgeblich mit rechtlichen Unsicherheiten im Bereich des subjektiven Tatbestandes begründet habe. Der vereinsrechtliche Zurechnungszusammenhang reiche jedoch weiter und erlaube vorliegend die Zuordnung der Unterstützungsbeiträge der vor Ort festgestellten, teilweise auch in körperliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der gegnerischen Vereinigung verwickelten Mitglieder und damit des Klägers insgesamt. Aus den Ermittlungsakten ergebe sich, dass neben A. die Mitglieder V., S. und P. sowie der nach der Straftat in den Status eines Vollmitglieds aufgerückte AH. am Tatort gewesen seien und dem Präsidenten die vereinsrechtlich relevante Hilfestellung geleistet hätten. Der bei den körperlichen Auseinandersetzungen auf der BAB 7 im Nachgang zu der Straftat des Präsidenten A. am 12. September 2009 seinerseits schwer verletzte AH. habe zu diesem Zeitpunkt den für eine vereinsrechtliche Zurechnung seiner Mitwirkung ausreichenden Status eines sog. „Hangaround“ gehabt, wie sich durch Aufnäher an seiner sichergestellten Kutte ergeben habe.

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6. Die vereinsrechtliche Zurechnung des bei einem Flensburger Gewerbetreibenden aufgefundenen Waffenlagers zum Kläger stehe für den Beklagten auf dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens außer Frage. Eine Anklage sei ausschließlich deshalb noch nicht erfolgt, weil noch nicht alle Ermittlungsansätze, die zum Auffinden noch weiterer Täter führen könnten, erschöpft seien; insoweit seien zwar auf den aufgefundene Waffen und Kriegswaffen genetische Spuren des Mitglieds des Klägers S. sowie daktyloskopische Spuren des Präsidenten des Klägers A. sowie der Mitglieder V. und - über die Erkenntnisse in der angefochtenen Verfügung hinaus - des Mitglieds J. nachgewiesen worden. Zudem habe der Gewerbetreibende, in dessen Betrieb die Waffen aufgefunden worden seien, angegeben, dass er von diesen keine Kenntnis habe, dass aber das Mitglied des Klägers S. über Schlüssel zu den betreffenden Geschäftsräumen verfüge. Somit ließen sich Spuren an dem Waffenlager von einem Drittel der Vereinsmitglieder nachweisen. Der Gewerbetreibende, in dessen Räumlichkeiten der Fund erfolgte, unterhalte zu weiteren Mitgliedern des Klägers geschäftliche Beziehungen, sodass insgesamt die Hälfte der Vereinsmitglieder theoretisch Zugang zu den aufgefundenen Waffen gehabt hätten. Angesichts der Dimension des Waffenlagers, die auf eine Ausrüstung einer größeren Organisation hinweise, sei die Tat der Willensbildung des Vereins zuzurechnen. Von Bedeutung sei auch, dass drei der strafrechtlich beteiligten Mitglieder - der Präsident A., der sog. Treasurer S. und der Road Captain J. - hochrangige Funktionsträger des Klägers seien.

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Die Zuordnung von Spuren habe im Einzelnen ergeben, dass eine genetische Spur an einem Patronengurt sowie drei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem Koffer zur Aufbewahrung von Waffen und an einem Munitionskarton eindeutig dem Mitglied S. zugeordnet werden konnten. Dem Mitglied V. hätten zwei daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einer bei den Waffen befindlichen Bedienungsanleitung für eine Pistole zugeordnet werden können, dem Vereinspräsidenten A. vier daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an derselben Bedienungsanleitung sowie dem Mitglied J. insgesamt acht daktyloskopische Spuren unterschiedlicher Finger an einem bei den aufgefundenen Waffen befindlichen Müllsack.

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Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2012 ergänzend mitgeteilt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahrens wegen des Waffenfundes immer noch nicht abgeschlossen sei. Ein kriminaltechnischer Beschuss der Waffen habe stattgefunden, wobei aber noch kein Ergebnis des Vergleichs mit der Tatmunitionssammlung des Bundeskriminalamtes vorliege, um eine Zuordnung zu anderen Straftaten zu ermöglichen. Er trägt vor, durch eine Zeugenaussage in einem Ermittlungsverfahren betreffend die „Hells Angels Kiel“ sei bestätigt worden, dass von diesen die in Flensburg aufgefundenen Waffen dem dortigen Charter der „Hells Angels“ zuzurechnen seien.

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7. Im Vordergrund der in der Verbotsverfügung unter Ziffer 7 aufgeführten Straftat stehe rechtlich gesehen nicht die Getränkehehlerei, wegen derer das Strafverfahren inzwischen eingestellt worden sei, sondern der am 06. Januar 2010 wie auch erneut am 29. April 2010 festgestellte, dem betreffenden Vereinsmitglied S. waffenrechtlich nicht erlaubte Besitz von Munition. Der Verbotsbehörde dürfte auch nach Erlass des Vereinsverbotes Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG zum Zwecke der Sachverhalts-feststellung und zum Auffinden von weiteren Beweisen durchführen und Erkenntnisse anschließend in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Vereinsverbotes verwenden. Daher sei auch die bei der Untersuchung am 29. April 2010 bei dem Mitglied S. zur Beschlagnahme von Vereinsvermögen aufgefundene, waffenrechtlich nicht erlaubte Munition im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung des Vereinsverbots zu berücksichtigen. Die bei S. aufgefundene Munition belege, dass die unter der vorgenannten Ziffer 6 aufgeführte Tat im Zusammenhang mit dem Waffenfund bei dem Flensburger Gewerbetreibenden keine singuläre Aktion einzelner Mitglieder und des Vereins darstelle, sondern sich in ein verbreitetes Verhaltensmuster der Mitglieder im Rahmen einer gemeinsamen Willensbildung einfüge. Daraus ergebe sich ein innerer Zusammenhang der Taten Nr. 6 und 7 mit der Folge einer Zurechenbarkeit zum Kläger als Verein. Im Übrigen sei auch die Getränkehehlerei als sog. Absatzhehlerei dem Verein zuzurechnen, da S. - wie auch das Mitglied D. - mehrere Gaststätten mit Bezug zum Verein (u.a. durch Namensgebung „X. X“, welche die „corporate identity“ des Klägers berühre) betreibe bzw. betrieben habe.

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8. In den beiden durch Verfahrenseinstellung beendeten Verfahren wegen Besitzes eines verbotenen Delta-Darts mit Scheide gegen die Mitglieder des Klägers M. und V. sei bestätigt worden, dass der objektive Tatbestand einer Straftat erfüllt gewesen sei. Für eine Zurechnung an den Verein im Rahmen der Überprüfung des Vereinsverbotes sei es unerheblich, dass beide Angeklagte sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB berufen hätten. Die objektiv begangenen Taten belegten den allgemeinen Hang der Mitglieder des Klägers zur Bewaffnung und damit zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Interessen. Zu berücksichtigen seien auch die in den Ermittlungsakten erwähnten weiteren Funde von Waffen, insbesondere einer Handgranate.

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9. Die 2004 von dem Mitglied Y., dessen Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt der Kläger zunächst nicht bestritten habe, begangene Straftat des Handels mit Motorradzubehör und hiermit verwandte Dienstleistungen sei als szenetypisch im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer eigenen Vormacht- oder zumindest einer starken Stellung in jenem Wirtschaftsbereich anzusehen. Eine strafbare Tätigkeit eines Mitglieds in einem solchen Bereich komme typischerweise auch den Mitgliedern eines Vereins wie dem Kläger zugute, sodass das unwiderlegliche Indiz bestehe, dass der Kläger sein Mitglied zu seinem eigenen Vorteil in dieser Tätigkeit unterstütze. Die durch den rechtskräftigen Strafbefehl abgeurteilte Tat der Steuerverkürzung stehe im Zusammenhang mit der noch gesondert verfolgten Hehlerei gestohlener Motorradteile und dem Abverkauf von aus gestohlenen Teilen zusammengesetzten Motorrädern.

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Zur ergänzenden Begründung der Verbotsverfügung damit, dass der Kläger sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei zentral auf den vom Kläger eingerichtete sog. „Defense Fund“ zu verweisen. Nach den Erkenntnissen des Beklagten unterwürfen sich grundsätzlich alle bundesweit tätigen Charter des „Hells Angels MC Germany“ den Regeln des „Defense Fund“. Gleichwohl sei ein Vorgehen des Beklagten lediglich gegen einzelne Charter unter dem Gesichtspunkt einer Willkürfreiheit systemgerecht. Entscheidend sei insoweit, ob dem „Defense Fund“ in dem jeweiligen Charter eine Bedeutung zukomme. Die Einrichtung des sog. „Defense Fund“ beweise bereits eine abstrakt verfassungsfeindliche Gesinnung des einrichtenden Vereins, da wegen der Milderung der sozialen Folgen einer Freiheitsstrafe dem staatlichen Gewaltmonopol aktiv entgegengetreten werde. Eine kämpferisch-aggressive Betätigung eines Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung folge jedoch erst aus der praktischen Anwendung und Umsetzung des „Defense Fund“. Dieser schlage in die Grundlage eines aktiven Sich-Richtens des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung um, wenn innerhalb des Vereins Straftaten begangen würden, die unter anderem dadurch motiviert seien, dass angesichts des „Defense Fund“ die Wirkung der Strafe für eine begangene Tat deutlich hinter dem zurückbleibe, was mit der Bestrafung staatlich bezweckt sei. Entscheidend sei somit der „gelebte“ „Defense Fund“. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger vor. Insoweit unterscheide sich der Kläger auch von anderen Chartern des „Hells Angels MC Germany“ in Schleswig-Holstein, die im Vergleich zu ihm keine oder lediglich Straftaten geringerer Art und Umfangs aufwiesen.

73

Für eine kämpferisch-aggressive Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele sei bereits ausreichend, dass eine Vereinigung ihre eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und diese gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggf. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn der Verein eigene Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung seiner Vereinsziele ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung ablehne, zu behindern oder in den Folgen abzuschwächen suche, was auf den Kläger, in Übereinstimmung mit allgemeinen Erkenntnissen über örtliche Charter des „Hells Angels MC Germany“ zutreffe. Die staatliche Ordnung werde unter anderem im Wege einer Selbstverpflichtung wie auch Verpflichtung Außenstehender zum Schweigen unterlaufen. In diese Schweigeverpflichtung würden auch Zeugen, die rechtlich zur Aussage verpflichtet seien, einbezogen.

74

Die vom Landeskriminalamt zusammengestellten Ermittlungsergebnisse ergäben, dass die allgemeinen Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Betätigungen innerhalb der Bewegung der „Hells Angels“ in Deutschland auch auf den Kläger zuträfen. Insoweit wird auf eine Ausarbeitung des LKA vom 09. April 2011 über den „Hells Angels MC“ als Phänomen der organisierten Kriminalität“ verwiesen. Aus ihr ergebe sich, dass dem Kläger eine koordinierende Rolle für strafgesetzwidrige Zwecke und als alternativer Organisationsstruktur einer Macht- und Gewaltordnung für Mitglieder und bestimmte außenstehende Dritte unter Ausschluss des staatlichen Gewaltmonopols zukomme. So hätten sich auch Belege für eine Beteiligung des klägerischen Charters an der Wirkweise der Organisation der sog. „Big House Crew“ als Vereinigung inhaftierter Mitglieder des Klägers gefunden.

75

Die Errichtung einer eigenen Rechts- und Gewaltordnung unter Ausschluss der staatlichen Ordnung zeige sich namentlich in den Straftaten des unerlaubten Waffenbesitzes und in Körperverletzungsdelikten zur Durchsetzung der Vereinsinteressen des Klägers. Insoweit verweist der Beklagte auf die in der Verbotsverfügung genannten Straftaten unter Nr. 2, 4, 7, 8 und dem Ereignis unter Nr. 6 (Waffenfund), welches eine Ausrüstung für paramilitärische Konflikte nahelege. Auch die Straftat zu Nr. 5 einschließlich des gesamten Tatablaufs der Alarmierung von Mitgliedern durch einen Supporter und die gemeinsame Anfahrt zum Tatort auf der BAB deute auf einen Anspruch des Klägers auf unbedingte Machtentfaltung hin, der mit dem staatlichen Gewaltmonopol nicht vereinbar sei. Insgesamt lasse sich den belegten Straftaten und dem Verhalten der Mitglieder entnehmen, dass der Kläger zwar nicht einen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung bezwecke, wohl aber das staatliche Gewaltmonopol ablehne und durch eine eigene Gewaltordnung zu ersetzen suche. Dies erfülle die Voraussetzungen eines kämpferisch-aggressiven Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, aus Art. 9 Abs. 2 GG folge die lediglich deklaratorische Wirkung einer Verbotsfeststellung, auf deren Bestand das nachträgliche Verhalten der Mitglieder keinen Einfluss mehr haben könne. Zum Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung hat er seinen schriftsätzlichen Vortrag vertieft und ergänzend ausgeführt, der klägerische Verein richte sich gegen die für die verfassungsmäßige Ordnung zentrale Gewährleistung der Menschenwürde, indem er Abweichler bestrafe und sie dadurch zum Objekt ihres Handels degradiere. Die kämpferisch-aggressive Ausrichtung des Klägers werde auch insoweit durch die Ausführung der Tat Nr. 5 auf der BAB 7 unzweifelhaft belegt. Demgegenüber komme dem - auch in Flensburg praktizierten - System des „Defense Funds“ für das Verbot eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung zu.

77

Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 (4 MR 1/10) hat der Senat einen Antrag des Klägers vom 21. Oktober 2010 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung im Wesentlichen abgelehnt und die aufschiebende Wirkung der Klage lediglich insoweit angeordnet, als in der Verfügung die Einziehung von Sachen Dritter für sofort vollziehbar erklärt worden war.

78

Das Gericht hat die Strafverfahrensakten zu den in der Verbotsverfügung genannten Taten beigezogen, ausgewertet und den Beteiligten zur Einsichtnahme zugesandt.

79

In der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2012 hat der Vertreter des Klägers nach Stellung der Anträge und Erörterung der Sach- und Rechtslage die Rücknahme der Klage erklärt. Der Beklagte hat seine Einwilligung hierzu nicht erteilt und hilfsweise für den Fall, dass der Senat nicht schon aufgrund der bislang vorgetragenen Straftaten von Vereinsmitgliedern zu der Überzeugung gelange, dass der Verbotsgrund des Zuwiderlaufens von Zwecken oder Tätigkeit des Vereins gegen Strafgesetze vorliege, einen Beweisantrag zu einem weiteren diesbezüglich relevanten, erst kürzlich zu seiner Kenntnis gelangten Sachverhalt der Schutzgelderpressung gestellt, wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift verwiesen wird.

80

Auch wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

81

I. Der Senat hat trotz der in der mündlichen Verhandlung erklärten Klagrücknahme über die Klage zu entscheiden, weil die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach der erfolgten Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung erforderliche Einwilligung des Beklagten in die Zurücknahme ausdrücklich nicht erteilt worden ist. Das Einwilligungserfordernis aus § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO dient dem Schutz des Beklagten, der den Rückzug des Klägers aus dem Verfahren verhindern können soll, nachdem durch Antragstellung verhandelt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 - 5 LB 110/10 -). Letzteres war vorliegend geschehen.

82

II. Die Klage ist in zulässiger Weise durch sämtliche nach Informationsstand des Beklagten und nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Klageschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorhandene Mitglieder des klägerischen Vereins erhoben worden. Die Klageerhebung für einen nicht rechtsfähigen Verein hat gemäß § 62 Abs. 3 VwGO in Vollmacht seiner gesetzlichen Vertreter und Vorstände zu erfolgen. Dies sind gemäß § 54 i.V.m. § 709 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Mitglieder des Vereins gemeinschaftlich, soweit nicht in einer Satzung Stimmenmehrheit vereinbart oder eine Übertragung der Geschäftsführung erfolgt ist. Letzteres ist hier nicht ersichtlich. Mit der Klageerhebung sind Vollmachten sämtlicher zwölf damals auch in der Klageschrift als Mitglieder namentlich benannter Personen - entsprechend dem Mitgliederstand nach Informationen des Beklagten -, alle datiert auf den 05. Mai 2010, zu den Akten gereicht worden. Zweifel an der Erfüllung der vereins- und prozessrechtlichen Voraussetzungen für die wirksame Klageerhebung des Vereins bestehen daher nicht. Soweit mit dem Anwaltswechsel im April 2012 Vollmachten lediglich von neun der ursprünglich zwölf vollmachtgebenden Mitglieder eingereicht worden sind, darunter eine Vollmacht des im nachfolgenden Schriftsatz vom 16. Mai 2012 nicht mehr als Mitglied bezeichneten J., begründet dies Zweifel weder hinsichtlich der Zulässigkeit noch hinsichtlich der wirksamen Mandatierung des klägerischen Anwaltes und Antragstellung. Nach dem klägerischen Vortrag sollen die nunmehr nicht mehr vollmachtgebenden ursprünglichen Mitglieder sowie zwei weitere Mitglieder zwischenzeitlich ausgeschieden oder ausgeschlossen worden sein. Jedenfalls für den insoweit allein maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat kann mangels gegenteiliger Erkenntnisse die Richtigkeit dieses Vortrages zugrunde gelegt werden, weil eine Trennung eines Mitgliedes selbst von einem lediglich zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen ein ausgesprochenes Verbot noch weiterbestehenden Verein möglich sein muss. Inwieweit dies Auswirkungen auf das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen hat, ist eine im Rahmen der Begründetheitsprüfung gesondert zu beantwortende Frage.

83

Der Kläger ist allein zur Anfechtung des Verbots befugt, da die Verbotsverfügung nicht die individuelle Rechtsstellung seiner Mitglieder als natürliche Personen, sondern die Rechtsstellung des klagenden Vereins als Gesamtheit von Personen betrifft. Der Kläger ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig (vgl. zu alledem BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20/10 -, Juris m.w.N.). Auch nach seinem Verbot und seiner Auflösung verbleibt ihm eine auf die Führung der Rechtsverteidigung beschränkte Rechtsstellung (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Kommentar zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 59).

84

III. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und daher gemäß § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben, als in ihm festgestellt wird, dass der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ohne dass allerdings hierdurch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Feststellung, dass der Kläger verboten ist, berührt würde.

85

1. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der Verbotsverfügung lagen vor. Der Beklagte als für die Regelung des Vereinswesens oberste Landesbehörde war gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VereinsG für den Erlass der Verbotsverfügung zuständig, da sich die nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen erkennbare Organisation und Tätigkeit des Klägers auf das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein beschränkte. Es ist von beiden Beteiligten vorgetragen und unbestritten, dass dem „Hells Angels MC Charter Flensburg“ eine eigenständige Stellung als Vereinigung innerhalb der bundes- und weltweiten sog. Bewegung der „Hells Angels“ zukommt. Die Mitglieder des Charter Flensburg sind sämtlich in Schleswig-Holstein wohnhaft und tätig; wesentliche Aktivitäten des Vereins außerhalb Schleswig-Holsteins sind nicht bekannt geworden.

86

Unabhängig von der Frage, ob der klägerische Verein lediglich eine Teilvereinigung eines über das Gebiet Schleswig-Holsteins hinausgehenden größeren Vereins der „Hells Angels“-Bewegung darstellt und eine Einholung des Benehmens des Bundesministers des Inneren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 VereinsG erforderlich war, ist dieses Benehmen nach Übersendung des Entwurfes der Verbotsverfügung mit Schreiben des Bundesministeriums des Inneren vom 20. April 2010 vorsorglich erteilt worden. Darin, dass dem Bundesministerium nicht die weiteren Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt worden sind, welche zum Erlass des Vereinsverbots geführt haben, liegt kein Verfahrensfehler, der Zweifel an der Wirksamkeit des vorsorglich hergestellten Benehmens erwecken könnte. Der übersandte Entwurf des Bescheides enthielt selbst ausreichende Informationen, um den Bundesinnenminister jedenfalls in die Lage zu versetzen, bei Zweifeln an der Recht- oder Zweckmäßigkeit des erbetenen Benehmens weitere Nachfragen gegenüber dem Beklagten zu tätigen. Dieses ist jedoch nicht erfolgt.

87

Die weiteren formellen Voraussetzungen für die angegriffene Verbotsverfügung, insbesondere die Schriftform, die Begründung und die Zustellung an den Verein sowie die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger (BAnz 74/2010 v. 19.05.2010, 1774) und im Amtlichen Mitteilungsblatt des Landes Schleswig-Holstein (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2010 Nr. 21/22, S. 389 f.) gemäß § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VereinsG, sind erfüllt.

88

Der Beklagte durfte von einer Anhörung des Klägers vor Erlass der Verbotsverfügung absehen. Zwar ist grundsätzlich dem von einem Eingriff in seinen Rechten Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 87 Abs. 1 LVwG). Hiervon kann jedoch unter anderem abgesehen werden, wenn eine Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG). Diese Voraussetzungen lagen vor. Mit dem Verbot des Klägers ist, entsprechend der in § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG vorgesehenen Regel, auch die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens sowie Sachen Dritter verfügt worden. Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte, Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war (vgl. BVerwG, std. Rspr., Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275 f., beide Juris, m.w.N.). Angesichts der einer Anhörung hier entgegengehaltenen Gefahren war dem Kläger auch kein Recht zuzugestehen, sich durch entsprechende Dispositionen wie eine allein durch den drohenden Erlass des Verbots veranlasste Distanzierung von Mitgliedern auf diese vereinsrechtliche Maßnahme einzustellen, wie es der Kläger in Anspruch nimmt.

89

2. Die Verbotsverfügung ist insoweit rechtmäßig, als in ihr festgestellt wurde, dass der Zweck und die Tätigkeit des klagenden Vereines den Strafgesetzes zuwiderlaufen, und an diese Feststellung die in den nachfolgenden Ziffern 2 bis 5 ausgesprochenen rechtlichen Folgen geknüpft wurden. Der Senat ist zu dieser Überzeugung bereits aufgrund der Bewertung der Tatkomplexe gelangt, die Gegenstand der Verbotsverfügung waren, so dass es auf den mit dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag erstmals angesprochenen Sachverhaltskomplex einer Schutzgelderpressung gegenüber einer Flensburger Gastwirtin nicht ankam.

90

a) Die Zwecke und die Tätigkeit des Klägers laufen i.S.d. in § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. VereinsG aufgenommenen Verbotsgrundes aus Art. 9 Abs. 2, 1. Alt. GG den Strafgesetzen zuwider, da Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer diesem zuzurechnenden und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben.

91

Der strafgesetzwidrige Zweck und die strafgesetzwidrige Tätigkeit einer Vereinigung ergeben sich aus den Absichten und Verhaltensweisen ihrer Mitglieder, denn eine Vereinigung ist als solche nicht straffähig. Straffähig können nur natürliche Personen sein, da Strafbarkeit Schuldzurechnungsfähigkeit voraussetzt und diese nur natürlichen Personen zukommt. Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist gleichwohl rechtlich möglich, weil diese durch ihre Mitglieder und die sie repräsentierenden Vereinsorgane einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen bilden und insofern eine eigene Zweckrichtung festlegen sowie selbständig handeln kann. Ergibt sich aus dieser eigenen Zweckrichtung oder dem selbständigen Handeln einer Vereinigung ein Verstoß gegen Strafgesetze, so ist der Verbotstatbestand erfüllt.

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Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass das Verhalten der Mitglieder der Vereinigung zugerechnet werden kann. Eine durch die Mitglieder verwirklichte Strafgesetzwidrigkeit muss den Charakter der Vereinigung prägen. Eine Vereinigung kann gleichzeitig verschiedene Zwecke, insbesondere neben dem satzungsmäßig ausgewiesenen legalen Zweck auch strafrechtsrelevante Ziele anstreben und durch das Verhalten ihrer Mitglieder verwirklichen. In diesem Falle ist es zur Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht erforderlich, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck oder die Haupttätigkeit der Vereinigung ausmacht. Ebensowenig muss eine Strafgesetzwidrigkeit auf Dauer bestehen. Es genügt vielmehr, wenn eine Vereinigung erst im Laufe der Zeit strafgesetzwidrig wird oder die Strafgesetzwidrigkeit zeitlich begrenzt ist. Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Die Einbeziehung dieser Fallkonstellation ist vor allem durch den Sinn des Verbotstatbestandes geboten: Mit ihm soll nicht die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich sanktioniert, sondern einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die in der Gründung oder Fortführung einer Organisation zum Ausdruck kommt, aus der heraus Straftaten geplant oder begangen werden. Derartige Organisationen bergen eine besondere Gefahr für die durch Strafgesetze geschützten Rechtsgüter in sich. Die ihnen innewohnende Eigendynamik und ihr organisiertes Sach- und Personalpotential erleichtern und begünstigen strafbares Verhalten. Zugleich wird das Verantwortungsgefühl des einzelnen Mitgliedes häufig gemindert, die individuelle Hemmschwelle zum Begehen von Straftaten abgebaut und der Anreiz zu neuen Straftaten geweckt. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre zu den Straftaten ihrer Mitglieder jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwGE 134, 275, Juris Rn. 15 f.; Beschl. v. 25.08.2008 - 6 VR 2/08 -, Juris Rn. 11; Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89/83 -, BVerwGE 80, 299, DVBl. 1989, 311 Rn. 38 f.). Im Falle der Überprüfung des 1983 erlassenen Vereinsverbotes gegenüber dem „Hell‘s Angels Motor-Club e.V.“ Hamburg hat das Bundesverwaltungsgericht die Zurechnung einzelner Straftaten unter anderem mit dem Gesichtspunkt begründet, dass die Straftaten in Vereinskluft begangen wurden und dadurch den Ruf des Vereins als besonders gewalttätige und brutale Rockergruppe begründet oder bestätigt hätten (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 50). Demgegenüber kommt es auf den in der Satzung niedergelegten Zweck (Motorradclub) nicht entscheidend an, da strafrechtliche Zwecke üblicherweise nicht offen gelegt werden. Soweit in der Vereinssatzung aber der Grundsatz der Solidarität ausdrücklich als Vereinszweck genannt wird, kann dies als Ausdruck der unter den Mitgliedern angestrebten umfassenden Solidarität gewertet werden (BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 a.a.O., Rn. 43).

93

Der prägende Charakter von Straftaten der Mitglieder kann sich auch daraus ergeben, dass die Straftaten der Selbstbehauptung gegenüber einer konkurrierenden Organisation gedient haben (BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 32, Juris Rn. 12). Eine Prägung des betreffenden Vereins durch ihm zuzurechnende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich bei den betreffenden Mitgliedern um Personen mit Leitungsfunktionen handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, sowie Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.) oder wenn entsprechende strafbare Verhaltensweisen von Mitgliedern in großer Zahl sowie auch noch nach einer strafrechtlichen Ahndung entsprechender Taten im Bereich der Vereinsmitglieder erfolgen (BVerwG, Urt. v. 05.08.2009, a.a.O.). Ein prägender Charakter kann sich auch daraus ergeben, dass die betreffenden Taten im Interesse des Vereins begangen worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, a.a.O.).

94

Ein Verbot wegen Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins setzt eine vorherige strafrichterliche Verurteilung von Einzelpersonen nicht voraus. Ebenso wenig besteht eine materielle oder formelle Bindung an die rechtliche Würdigung eines bereits ergangenen Strafurteils. Die Strafgesetzwidrigkeit ist von der Verbotsbehörde und dem Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, a.a.O.; Urt. v. 18.10.1988, a.a.O.; std. Rspr.).

95

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung ist derjenige ihres Erlasses. Zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit können, wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht, zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986; Urt. v. 01.02.2000 - 1 A 4/98 -, Juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 16.01.1992 - 1 S 3626/88 -; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06/52 - sowie Beschl. v. 20.09.2006 - 4 AS 06.2036 -, alle in Juris). Berücksichtigungsfähig können auch Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung nach Ergehen der Verbotsverfügung sein, soweit sie eine vor Erlass der Verbotsverfügung begangene Straftat betreffen (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 38). Andererseits bietet Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 VereinsG aber keine Grundlage für die Berücksichtigung von Veränderungen, die der Verein nach seinem Verbot vornehmen möchte, um dessen Voraussetzungen entfallen zu lassen. Solche nach Erlass der Verbotsverfügung geschaffenen Tatsachen können keine Wirkungen auf die Sachlage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Verbotsbescheides mehr entfalten. Dem Verein sind im Übrigen Aktivitäten, soweit sie nicht die Rechtsverteidigung gegen das Vereinsverbot betreffen, und damit auch organisatorische Umgestaltungen, untersagt.

96

In Konkretisierung der genannten, aus Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG abgeleiteten Maßstäbe hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 VereinsG ausdrücklich ergänzende („auch“) Maßstäbe für die Zurechnung von Handlungen von Mitgliedern zum Verein festgeschrieben, wonach ein Verbot auch dann auf Handlungen von Mitgliedern gestützt werden kann, wenn ein Zusammenhang zur Tätigkeit oder zu der Zielsetzung des Vereines besteht, die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und nach den Umständen anzunehmen ist, dass sie vom Verein geduldet werden. Eine Erweiterung oder Einschränkung der zu Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 VereinsG in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe liegt in dieser ausdrücklich zur Schließung einer Regelungslücke getroffenen ergänzenden gesetzgeberischen Regelung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 45) jedoch nicht. Die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG sind in der Verfassung abschließend benannt; der Gesetzgeber darf keine zusätzlichen Verbotsgründe einführen (vgl. Löwer in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Komm. zum GG, 6. Aufl. 2012, Art. 9 Rn. 63; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot - Dogmatik und Praxis des Art. 9 Abs. 2 GG, Baden-Baden 2005, S. 115).

97

b) Eine Strafgesetzwidrigkeit des klagenden Vereins lässt sich vorliegend anhand der dargestellten Maßstäbe bereits in ausreichender Weise aus einer Zurechnung der Straftat des damaligen Präsidenten des Klägers, A., vom 12. September 2009 - Nr. 5 in der Verbotsverfügung - ableiten. Wegen dieser Tat ist A. mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 29. April 2011 wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Die Tat und die sie begleitenden Umstände weisen ausweislich der Urteilsgründe einen eindeutigen Vereinsbezug auf. Der Tathergang gestaltete sich nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Flensburg wie folgt:

98

Am 12. September 2009 hielt sich eine Gruppe der im Frühjahr 2009 in Neumünster gegründeten „Bandidos“, welche mit zeitgleicher Verfügung des Beklagen verboten worden sind, auf dem Rückweg von einer Ausfahrt nach Dänemark um 22.55 Uhr an einer Tankstelle unweit der BAB 7 bei Flensburg auf. Dort wurden die mit Kutten bekleideten „Bandidos“ durch ein Mitglied oder einen Unterstützer der Flensburger „Hells Angels“ beobachtet und es erfolgte über ein Mobiltelefon eines damaligen Mitgliedes des Klägers eine entsprechende Meldung an A. in seiner Funktion als Präsident. Dieser führte binnen weniger Minuten diverse Mobilfunkgespräche mit weiteren Vereinsmitgliedern mit dem Ziel, diese schnell an die BAB 7 heranzuführen, um den als solchen empfundenen „Gebietsverstoß“ der „Bandidos“ zu sühnen. A. begab sich mit seinem Pkw an die Autobahnauffahrt Flensburg-Harrislee, wo um ca. 23.20 Uhr der Konvoi der „Bandidos“ eintraf, und befuhr hinter der Gruppe der „Bandidos“ die BAB 7, wobei ihm ein Pkw Golf folgte, der auf das Mitglied der „Hells Angels Flensburg“ V. zugelassen war. Im Bereich einer Baustelle, in der die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h herabgesetzt war, näherte sich der PKW des A. dem Motorrad des „Bandidos“-Mitglieds K. und berührte dieses kurz mit dem Vorderrad. Dabei brachen die linke Fußraste des Motorrades und das Schaltgestänge, sodass das Getriebe des Motorrades nicht mehr geschaltet werden konnte. Etwa 170 m weiter unternahm der geschädigte Motorradfahrer der „Bandidos“ eine Vollbremsung und stürzte mit dem Motorrad auf die rechte Seite, wobei er lebensgefährlich verletzt wurde. A. flüchtete mit hoher Geschwindigkeit, stellte nur wenige Minuten später sein Fahrzeug nahe einem sein Vertrauen genießenden Motorrad-Reparaturbetrieb in XXX Stadt. ab und wurde gegen 0.22 Uhr in dem 25 km entfernten Flensburg festgestellt. Ein bis zwei Minuten nach dem Sturz des „Bandidos“ K. erreichte das Mitglied des Klägers AH. in seinem Pkw Golf die Unfallstelle und wurde zusammen mit einem weiteren Unterstützer des Klägers aus der sog. „Flensburg-Crew“ Opfer einer massiven Gewaltattacke der über den Vorfall empörten „Bandidos“. Ihm wurden mehrere Messerstiche zugefügt, aufgrund derer er im Krankenhaus operativ versorgt werden musste.

99

Nachfolgend erreichte auch der Pkw des Mitglieds des Klägers V. die Unfallstelle, wendete fluchtartig über die niedrige Barriere zwischen den Fahrtrichtungen und verschwand in Richtung Norden.

100

Die Kammer des Landgerichts Flensburg hat in ihrem Urteil als Motiv der Tat eindeutig eine „Disziplinierung der feindlichen Rockergruppe“ identifiziert. Die „Bandidos“ hätten von weiteren „Gebietsverletzungen“ - in der Denkweise der beteiligten Rockergruppierungen - abgehalten und beeindruckt werden sollen, wobei diese Aufgabe, einen Denkzettel zu erteilen, von A. zur „Chefsache“ gemacht worden sei. Die Aktion habe eine Reaktion auf eine gezielte Provokation der „Bandidos“ dargestellt. Das Landgericht hat den Schädigungsvorsatz des Präsidenten A. gerade aus der Motivation und Entschlossenheit der Vereinigung der Flensburger „Hells Angels“ abgeleitet, keine Gebietsverletzungen zu dulden und als Ausfluss einer kompromisslosen Haltung auch schwere Verletzungen des Gegners notfalls hinzunehmen (S. 42 d. UA). Ein Tabu der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Mitglieder der feindlichen Gruppe scheide wegen des Verständnisses, dass es sich um eine Auseinandersetzung zwischen sich besonders maskulin und machohaft gebärdenden Männern handele, aus. Eine Schädigung des Feindes unterstreiche erst recht die mit der Aktion bezweckte Botschaft. Bei der Strafzumessung hat das rechtskräftige Urteil das Tatmotiv, der verfeindeten Rockergruppe den Gebietsanspruch um den Raum Flensburg aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass Versuche, diesen in Frage zu stellen, sofort mit die körperliche Integrität oder sogar das Leben gefährdenden Aktionen beantwortet werden würden, in erheblicher Weise zu Lasten des damaligen Präsidenten A. gewertet.

101

In seiner Revisionsbegründungsschrift ist der Angeklagte den tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Landgerichts lediglich insoweit entgegengetreten, als er die Nachweisbarkeit seiner Täterschaft sowie eines Körperverletzungsvorsatzes in Zweifel gezogen hat. Die dargestellten Bezüge zur Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und der mit ihm verfeindeten Rockergruppe der „Bandidos“ wurden im Rahmen des strafrechtlichen Revisionsverfahrens ebenso wenig in Abrede gestellt wie im vorliegenden Verfahren wegen Vereinsverbots.

102

Der Senat hält die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung nach Auswertung der beigezogenen Verfahrensakten für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Entgegenstehende Gesichtspunkte haben sich auch aus dem Vortrag der Beteiligten nicht ergeben. Die Tat wurde von dem höchsten damaligen Funktionsträger des Klägers, dem Präsidenten, im ausschließlichen Interesse des Vereins ausgeführt. Das Landgericht hat festgestellt, dass ein persönliches Motiv des A. gegenüber dem Geschädigten K. nicht ersichtlich war. Die Tat fand in Anwesenheit mehrerer, binnen kürzester Zeit zur nachtschlafender Zeit über Mobiltelefone heran beorderter weiterer Mitglieder und Unterstützer des Klägers statt und war im Übrigen durch eine Benachrichtigung einer namentlich nicht feststehenden, jedoch dem Mitglieder- oder Unterstützerkreis des Klägers zuzurechnenden Person ausgelöst worden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine strafrechtlich relevante Beteiligung weiterer Mitglieder des Klägers neben dem Präsidenten A. waren aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden zwar nicht gegeben, sodass die gegen sämtliche anderen Mitglieder des Klägers - bis auf den ortsabwesenden, per Mobiltelefon kontaktierten und für Disziplinierung eigentlich zuständigen „Sergeant at Arms“ M. - eingeleiteten Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04. Februar 2010 eingestellt wurde. In der Einstellungsverfügung heißt es insoweit, dass diese Mitglieder zwar vermutlich am Tatort gewesen seien, ein direkter Tat- oder Unterstützungsbeitrag könne ihnen aber nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden und ein subjektiver Exzess des damaligen Beschuldigten A. sei nicht auszuschließen. Ausweislich der Strafverfahrensakten und des Strafurteils des Landgerichts Flensburg haben sich jedoch sämtliche weiteren Mitglieder des Klägers - bis auf M. - im Rahmen des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Das Landgericht Flensburg hat im Urteil ihre Beteiligung an der Tat ausdrücklich für möglich gehalten und daher ein Aussageverweigerungsrecht als gegeben erachtet.

103

Die Tat, die von dem damaligen obersten Funktionär des klägerischen Vereins begangen worden ist, wurde im vereinsrechtlichen Sinne ermöglicht und unterstützt durch eine binnen weniger Minuten erfolgte gemeinsame Willensbildung, indem der Vereinspräsident mehrere Mitglieder und Unterstützer über Handy an die Autobahnauffahrt heran kommandierte und gleichzeitig mit einem Informanten Kontakt hielt, der den Aufenthaltsort des „Bandidos“-Konvois mitteilen sollte. Die diesbezüglichen Kommunikationsvorgänge werden durch den im strafrechtlichen Ermittlungsvorgang befindlichen Auswertebericht über Telefonüberwachungsmaßnahmen im Tatzeitraum sowie den zusammenfassenden Ermittlungsbericht des LKA vom 04. Dezember 2009 belegt. Durch Telefonüberwachungsauswertebericht vom 07. Dezember 2009 ist darüber hinaus dokumentiert, dass A. noch zwei Monate nach der Tat im Austausch mit weiteren Mitgliedern des klägerischen Vereins stand, welche Vorladungen zu einer polizeilichen Vernehmung über die Tat erhalten hatten, und dass er in diesem Kreis nach wie vor über Autorität verfügte, um eine gemeinsame Linie zum Aussageverhalten (Nichterscheinen bei der polizeilichen Vernehmung) auszugeben. Dieser Umstand wurde unter anderem im Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2010 über die Kommunikationsüberwachung des inhaftierten damaligen Angeschuldigten A. als Anhaltspunkt für eine bestehende Gefahr der Beeinflussung vorgeladener Zeugen durch den Angeschuldigten gewürdigt. Dies spricht dafür, dass A. nach wie vor und trotz der bei den Mitgliedern bestehenden Kenntnis über die genauen Umstände der Tat über Rückhalt im klägerischen Verein verfügte und die Tat durch die Mitglieder jedenfalls widerspruchslos hingenommen, wenn nicht sogar gebilligt wurde. Eine Distanzierung der übrigen Mitglieder von ihm als Täter der gravierenden Straftat hätte jedenfalls zeitnah zur Tatbegehung erfolgen müssen, um vereinsrechtlich ins Gewicht zu fallen. Hier war sie unter Berücksichtigung der gemeinsam entwickelten Aussagestrategie der betroffenen Vereinsmitglieder in den eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht zu erkennen.

104

Angesichts der elementar dem gemeinsamen Selbstverständnis des Vereins entsprungenen Ausführungen und Organisation der Tat, der intensiven Kommunikation und des Zusammenwirkens mehrerer Mitglieder sowie der über Monate andauernden Aufrechterhaltung der Organisationstruktur des Klägers nach der Tat, was die Position des Präsidenten anbelangt, kommt dem gesamten Ereignis eine für den klägerischen Verein prägende Funktion zu. Ohne den Macht- und Geltungsanspruch des Vereins hätte es die Tat nicht gegeben, ohne die schlagkräftige Organisationsgewalt innerhalb des Vereins wäre die Tatausführung nicht in dieser Weise erfolgt und die Geschlossenheit der von den Ereignissen berührten Mitglieder hielt in einer grundlegenden Weise auch nach der Tat an.

105

Angesichts der durch die Tat am 12. September 2009 dokumentierten organisierten und vom Willen der Vereinsmitglieder getragenen, die Anwendung von Gewalt im vereinsrechtlichen Sinne billigend in Kauf nehmenden massiven Machtentfaltung des klägerischen Vereins unmittelbar im Vorfeld der Verbotsverfügung begründet das Ereignis bereits für sich genommen einen hinreichenden Anlass für das Verbot des Klägers wegen strafgesetzwidriger Zwecke und strafgesetzwidriger Tätigkeit. Im Hinblick auf diesen Verbotstatbestand ist die Tat derart einschlägig, schwerwiegend und zentral und dokumentiert die durch ein Vereinsverbot zu begrenzende Gefahr einer weiteren, Rechtsgüter gefährdenden Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Vereinigungen, dass es einer Zurechnung strafrechtswidriger weiterer Verhaltensweisen der Mitglieder an den Verein nicht mehr bedürfte, um das Vereinsverbot zu stützen. Auch ein singuläres Geschehen, eine einzelne Straftat kann schon ausreichen, um daraus das Vorliegen der Voraussetzungen für einen vereinsrechtlichen Verbotsgrund abzuleiten (vgl. auch Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 155).

106

c) Darüber hinaus treten hier jedoch weitere in der Verbotsverfügung aufgeführte Taten, die dem Verein zurechenbar sind, zur Untermauerung des Verbotsgrundes des Zuwiderlaufens der Vereinigung gegen Strafgesetze hinzu:

107

aa) Mehrere Mitglieder des Klägers sind durch waffenrechtliche Straftaten aufgefallen, bei denen sie teilweise auch zusammen auftraten; des Weiteren bestehen wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass sie mit einem in Flensburg aufgefundenen Waffenarsenal bedeutenden Ausmaßes in Verbindung standen.

108

aaa) Der zur Tatzeit bereits als Präsident des klägerischen Vereins eingesetzte A. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 09. Januar 2009 zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten wegen Verstoßes gegen §§ 52 Abs. 1 Nr. 2 b, Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz verurteilt (Nr. 2 in der Verbotsverfügung), nachdem im Februar 2008 bei einer Durchsuchung in seiner Wohnung eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke „Sig-Sauer P 225“ - einer funktionsfähigen scharfen Schusswaffe - mit ausgefräster Individualnummer und 50 Patronen passender Munition festgestellt worden war, für welche A. keine waffenrechtliche Erlaubnis besaß. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die erhebliche Menge an aufgefundener Munition. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränke Berufung des Angeklagten stelle das Landgericht Flensburg das Verfahren mit Beschluss vom 08. Juni 2009 im Hinblick auf die Verurteilung durch ein Schöffengericht in Flensburg vom 23. Januar 2008 wegen versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Strafe neben der anderweitig verhängten Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel.

109

bbb) Der damalige Treasurer S. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15. Juni 2011 wegen unerlaubten Munitionsbesitzes (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 b Waffengesetz) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen à 60,-- Euro verurteilt (Nr. 7 in der Verbotsverfügung), wobei einer der beiden Fälle die Lagerung von 500 Patronen „Remington Automatic“ Kaliber 45, 20 Patronen Übungsmunition und eine weitere Patrone des Kalibers 7 ohne waffenrechtliche Erlaubnisse im Januar 2010 betraf. Der weitere mit einbezogene Fall betraf einen erst in Vollzug der Vereinsverbotsverfügung festgestellten Munitionsbesitz. Der Angeklagte S. hatte seinen Einspruch gegen den wegen des Vorfalls vor Erlass des Vereinsverbotes ergangenen Strafbefehl auf die Rechtsfolgenseite beschränkt; diesen Munitionsbesitz hatte das Gericht ausweislich der Strafzumessungserwägungen als schwerwiegender angesehen als den nachfolgenden Munitionsbesitz. S. hatte bei Auffinden der Munition angegeben, er sei Mitglied im Schützenverein in Schleswig und bewahre seine eigene Munition zu Hause auf. Im Rahmen der Hauptverhandlung gab er an, er habe die Munition aus Platzgründen nicht im Schützenverein lagern können. Er sei schon zwei Jahre nicht mehr in dem Verein gewesen.

110

ccc) Konkrete Belege für dem klägerischen Verein zurechenbare waffenrechtliche Straftaten von Mitgliedern des Klägers haben sich auch aus dem unter Nr. 6 der Verbotsverfügung aufgeführten Auffinden eines umfangreichen Waffenarsenals bei einem Flensburger Gewerbetreibenden am 02. November 2009 ergeben. In einem Umkleideraum des Gewerbebetriebes in einem Spind sowie in einer Garage wurden vier Stangen eines vom Landeskriminalamt als brisant eingestuften, sowohl militärisch als auch gewerblich verwendbaren Sprengstoffs aufgefunden, darüber hinaus mehrere funktionsfähige Maschinengewehre, doppelläufige Flinten, Pumpguns, ein Sturmgewehr, mehrere Revolver sowie zugehörige Munition. Mehrere dieser Waffen sind nach den Ermittlungsergebnissen des LKA als Kriegswaffen im Sinne der Anlage zu § 1 Abs. 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffKontrG) einzustufen. Kriminaltechnische Ermittlungen des LKA haben nach den in dem Ermittlungsvorgang der Staatsanwaltschaft A-Stadt befindlichen behördlichen Gutachten, zusammengefasst im Auswertebericht des LKA vom 03. Dezember 2010, im Wege der DNA-Analyse den Nachweis zweier S. zuzuordnender telogener (ausgefallener) Haare an einem Patronengurt, der der Erlaubnispflicht nach § 2 Waffengesetz unterliegt, erbracht. Fingerabdruckspuren von S. wurden durch Gutachten des LKA vom 05. Juli 2010 an einem silberfarbenen Koffer, in welchem sich eine Maschinenpistole befand, an Plastikeinsätzen von Munitionsbehältnissen, Fingerabdrucksspuren des C. V. sowie des A. an der Bedienungsanleitung zu einer Pistole (Gutachten des LKA v. 15.07.2010) sowie Fingerabdrücke des J. an einem schwarzen Müllsack bei den Waffen (LKA-Gutachten v. 15.07.2010) nachgewiesen.

111

Auf einen deutlichen Vereinsbezug dieses umfangreichen und schwerwiegenden Waffenfundes deuten nach den Unterlagen in dem strafrechtlichen Ermittlungsvorgang auch Telefonate mehrerer Mitglieder des Klägers noch während der Untersuchung am 02. November 2009 sowie in den Tagen danach, darüber hinaus auch Aussagen des Inhabers der betreffenden Betriebsstätte des Auffindeortes hin. Der Gewerbetreibende, bei dem die Waffen gefunden wurden, hatte nach Unterrichtung über die beabsichtigte Durchsuchung die Polizeibeamten ungefragt darauf verwiesen, er könne nicht ausschließen, dass „zwielichtige Personen“ - nämlich Mitglieder der „Hells Angels“ - in seinen Räumlichkeiten Waffen lagerten. Auf Nachfrage nannte der Gewerbetreibende ausweislich des Auswerteberichtes des LKA vom 10. November 2009 S., A., M. und J.. Noch während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme erhielt S. eine telefonische Nachricht hierüber von einer Angestellten des Betriebes; die Durchsuchung führte noch vor ihrem Abschluss zu Telefonaten u.a. zwischen A. und S. sowie A. und M. und wurde darin thematisiert. Aufgrund des Waffenfundes wurde weitere Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am 06. Januar 2010 umgesetzt wurden; in ihrem Zuge wurde im Clubhaus des Klägers u.a. in der Küche der Mitglieder M. und J. eine Handgranate mit Zünder gefunden.

112

Wegen der in Betracht kommenden Straftatbestände ist nach Mitteilung des Beklagten zwar auch aktuell noch keine Anklage erhoben worden, weil noch weitere Untersuchungen durch das Bundeskriminalamt abgewartet werden müssten. Die Frage, wem die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die aufgefundenen Kriegswaffen gemäß § 22 a Abs. 1 KrWaffKontrG in strafrechtlicher Hinsicht zuzuordnen sein wird, ist somit derzeit noch nicht geklärt. Angesichts der deutlichen, mehrere Mitglieder des Vereins und deren Kommunikation untereinander umfassenden Bezüge des Waffenarsenals zum Kläger ist die hohe strafrechtliche Relevanz des Waffenarsenals jedoch in die vereinsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit einzubeziehen. Dabei geht der Senat aufgrund der geschilderten Ermittlungsergebnisse davon aus, dass mehrere mit herausgehobenen Funktionärstätigkeiten betraute Vereinsmitglieder Kenntnis von den aufgefundenen Waffen hatten und mit ihnen unmittelbar in Kontakt gekommen waren, wobei der Kontakt mit einer Bedienungsanleitung und mit Munition in diesem Zusammenhang hinreichend aussagekräftig ist.

113

ddd) Der den Mitgliedern des Klägers S., Y., AH., M. und V. vorgeworfene Besitz sogenannter Delta-Darts mit zugehöriger Scheide (Nrn. 4 und 8 in der Verbotsverfügung) begründete zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verbotsverfügung hingegen jedenfalls keine Verhaltensweise, die dem Kläger vereinsrechtlich als strafrechtswidrige Tätigkeit von bedeutsamem Gewicht zugerechnet werden könnte. Den Mitgliedern S., Y., AH. sowie dem in der Verbotsverfügung an dieser Stelle nicht genannten Mitglied AB. wurde ein derartiger, um den Hals der jeweiligen Person hängender Delta-Dart mit Scheide von der schweizerischen Polizei abgenommen, als sie gemeinschaftlich am 18. Dezember 2009 in einem Pkw die schweizerische Grenze überqueren wollten. Eine waffenrechtliche Untersuchung der schweizerischen Polizei ergab im Januar 2010, dass es sich hierbei um einen nach schweizerischem Recht verbotenen Gegenstand handele. Ein Delta-Dart mit Scheide ist - wie sich aus einer Fahndungsinformation des Regierungsbezirks Freiburg vom 16. Dezember 2009 aus dem schweizerischen Ermittlungsvorgang ergibt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Füllfederhalter getarnt und somit als Waffe nicht erkennbar, zudem aufgrund seiner Beschaffenheit und Auslegung im Rahmen einer sog. „Nachtschattenserie“ des Herstellers bei Kontrollen durch Metalldetektoren nicht feststellbar. Die betroffenen Mitglieder hatten als Zweck des Mitsichführens eine Eigensicherung angegeben und waren von der schweizerischen Polizei als Mitglieder der „Hells Angels“ eingeordnet worden. Bei den Mitgliedern M. und V. wurde jeweils ein Delta-Dart bei Durchsuchungen am 06. Januar 2010 in ihren Wohnräumen - wobei sich die Wohnung des Mitglieds M. im Clubhaus des Klägers befand - festgestellt und als Zweck des Besitzes ebenfalls angegeben, die Waffe diene als Verteidigungsmittel. Beide Mitglieder beriefen sich auf ihre subjektive Überzeugung, die Waffe besitzen zu dürfen. Die sie betreffenden Ermittlungsverfahren wurden, wie auch die von der schweizerischen Polizei geführten Verfahren, durch das Strafgericht bzw. die Staatsanwaltschaft eingestellt. Die Einstellung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Schaffhausen in Bezugsfall 4 der Verbotsverfügung erfolgte nach schweizerischem Recht wegen geringen Unrechts der Tat, geringen Verschuldens und unbedeutender Tatfolgen; die Einstellung des Verfahrens gegen C V. durch die Staatsanwaltschaft Flensburg im Juli 2010 (Bezugstat Nr. 8 in der Verbotsverfügung) erfolgte ausdrücklich unter Hinweis auf die nicht abschließend geklärte Rechtslage. Im Verfahren gegen M. erfolgte die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Flensburg gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung im November 2010, nachdem im Verfahren sowohl ein Behördengutachten des Landeskriminalamtes vom 21. Dezember 2009 mit dem Ergebnis, es handele sich bei dem Delta-Dart mit Scheide um eine verbotene Waffe im Sinne von § 2 Abs. 3 Waffengesetz in Verbindung mit deren Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.1, als auch ein gegenteiliges Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008, wonach es sich bei dem gegenständlichen Delta-Dart nicht um einen verbotenen Gegenstand handele, vorgelegt worden waren. Bis zur nach dem Verbotszeitpunkt liegenden Verfügung des Bundeskriminalamtes vom 01. September 2010 bestanden nach bundesdeutscher Rechtslage jedenfalls Zweifel an einer Strafrechtswidrigkeit des Besitzes dieser Hieb- und Stichwaffe. Das Bundeskriminalamt war gemäß §§ 2 Abs. 5, 48 Abs. 3 Waffengesetz nur dann für die Entscheidung über eine Einstufung des Delta-Darts als verbotene Waffe zuständig, wenn Zweifel darüber bestanden, ob dieser Gegenstand vom Waffengesetz erfasst werde oder wie er einzustufen sei. Feststellungsbescheiden des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 5 Waffengesetz kommt kein Rechtsnormcharakter zu, vielmehr stellen sie Allgemeinverfügungen im Sinne von § 35 Satz 2 VwVfG des Bundes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2009 - 6 C 21/08 -, NVwZ-RR 2009, 838; Gade/Stoppa, Kommentar zum Waffengesetz, 2011, § 2 Rn. 10). Selbst wenn danach die objektive Strafrechtswidrigkeit des Besitzes von Delta-Darts durch die oben genannten Mitglieder des Klägers vor Erlass des Feststellungsbescheides des Bundeskriminalamtes und vor Erlass der Verbotsverfügung nicht ausgeschlossen ist, mindert die in dem vorherigen Gutachten des Bundeskriminalamtes vom 23. Oktober 2008 enthaltene waffenrechtliche Bewertung das vereinsrechtlich anzusetzende Gewicht einer solchen möglichen objektiv-rechtlichen Übertretung des Strafrechts in erheblichem Maße.

114

Insgesamt weisen die waffenrechtlichen Verstöße von teilweise in Führungspositionen befindlichen Mitgliedern des klägerischen Vereins eine für die Vereinstätigkeit und seine Zielsetzung prägende Tendenz auf, da sie nach Überzeugung des Senats jedenfalls auch der Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppen gedient haben, in dichter zeitlicher Abfolge und trotz vorhergehender strafrechtlicher Ermittlungen wegen bzw. Ahndung von anderen Waffendelikten erfolgten und ein anderweitiger Zweck als derjenige der Verwendung im Zusammenhang mit Vereinstätigkeiten nicht erkennbar war. Auch S. hatte nach eigenen Angaben zwei Jahre lang nicht mehr den Sportschützenverein besucht, für den er die bei ihm festgestellte Munition erheblichen Ausmaßes bei sich gelagert haben wollte. Ein vereinsrechtlich prägendes Zusammenwirken zeigt sich nicht zuletzt im Rahmen des noch nicht abschließend strafrechtlich aufgeklärten Flensburger Waffenfundes, dessen Dimension zugleich ein ganz erhebliches Gefahrenpotential des klägerischen Vereins verdeutlicht.

115

bb) Von einem Vereinsbezug ist auch bei der mit Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 23. Januar 2008 abgeurteilten und unter Nr. 2 der angefochtenen Verbotsverfügung aufgeführten Straftat einer versuchten räuberischen Erpressung seitens des A. durch Forderung eines Schutzgeldes gegenüber einem neu eröffneten Tätowierladen in Flensburg auszugehen, auch wenn das Strafurteil sich hierzu nicht verhält. Der Täter A. ist von dem geschädigten Inhaber des Tätowierladens ausweislich der Strafanzeige vom 15. April 2006 unmittelbar den „Hells Angels“ zugeordnet worden und es ergaben sich auch aus den Angaben des geschädigten Geschäftsinhabers durchaus Bezüge zu dem klägerischen Verein. Dieser hatte angegeben, bereits vor seiner Geschäftseröffnung mit den „Hells Angels“ in Flensburg Kontakt aufgenommen zu haben und eine von diesen geforderte Bargeldsumme in Höhe von monatlich 500,-- Euro zum Zwecke einer „gütlichen Einigung“ über die konkurrierenden Geschäftsbereiche im Tätowiergewerbe nicht aufbringen zu können. Dem Geschädigten sei dann drei Wochen nach Ladeneröffnung gesagt worden, dass er kein Geschäft eröffnen dürfe. Auch in seiner Zeugenvernehmung vom 15. April 2006 wies der geschädigte Geschäftsinhaber auf die Mitgliedschaft des ihn aufsuchenden Täters in der Rockergruppe „Hells Angels“ sowie darauf hin, dass der Inhaber des konkurrierenden Tätowiergeschäftes Kontakte zu den „Hells Angels“ habe. Die Tat ist daher auf dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Betätigungsbereichs des klägerischen Vereins zu sehen; ein persönliches Motiv des Vereinspräsidenten A. bei der Verwirklichung der Straftat ist nicht ermittelt worden. Dass geschäftliche Beziehungen von „Hells Angels“-Vereinen in Schleswig-Holstein zur Tätowierszene bestehen, ist im Übrigen allgemein bekannt. Dass dieser im Fall der Tat Nr. 2 konkret durch Zeugenaussage belegte Aspekt in den strafrechtlichen Ermittlungen sowie in der Begründung des Vereinsverbotes und der diesbezüglichen Argumentation des Beklagten während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rolle gespielt hat, entfaltet für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung keine einschränkende Wirkung.

116

cc) Demgegenüber ist ein Vereinsbezug der unter Nr. 1 der Verbotsverfügung aufgeführten, am 07. September 2008 auf einem Bürgerfest in Leck von dem Vereinsmitglied D. begangenen Körperverletzung bereits aufgrund ihrer singulären Begehungsweise und des rein persönlichen Hintergrundes eher zweifelhaft. Zwar hat der von D. niedergeschlagene Mann nach dem Polizeibericht vom Tattag noch im Rettungswagen, in dem er versorgt wurde, ausgesagt, der Angreifer habe eine Lederkutte mit der Aufschrift „Hells Angels“ getragen, was dagegen spricht, dass die Kutte unter einer weiteren Jacke verborgen gewesen sein soll - wie der Kläger vorträgt -, und einen Anhaltspunkt für einen Vereinsbezug der Tat liefern könnte. Andererseits hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Niebüll am 29. Juli 2009 ergeben, dass es zu der Körperverletzung infolge eines heftigen Wortwechsels zwischen dem Geschädigten und der polnischen damaligen Freundin des D., die er nach eigener Aussage vor dem Geschädigten schützen wollte, gekommen war. Weitere Mitglieder der „Hells Angels“ waren nicht zugegen, und angesichts der aus einer rein persönlichen Konfrontation erwachsenen Tat des Mitgliedes D. kann nicht schon deshalb von einer nachträglichen Hinnahme durch den Verein ausgegangen werden, weil dieser sich nicht erkennbar von der Tat distanziert hat.

117

dd) Auch bei der unter Nr. 3 der Verbotsverfügung genannten Steuerstraftat des Vereinsmitglieds J. vom 05. Juni 2009, die zu dem Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls vom 03. Februar 2010 durch das Amtsgericht Flensburg führte, handelt es sich um eine eher in der persönlichen Sphäre des Täters angesiedelten Tat, bei der ein Vereinsbezug aus Sicht des Senats Zweifeln unterliegt. Insbesondere geht aus dem Ermittlungsvorgang nicht hervor, ob es sich bei dem namentlich nicht benannten Fahrer des Kfz, in welchem die unverzollten Zigaretten gefunden wurden, um eine Person aus dem Verein oder dessen Umfeld gehandelt hat. Konkrete Feststellungen des Beklagten oder der Strafverfolgungsbehörden, dass der klägerische Verein aus dem Handel mit unverzollten Zigaretten einen wirtschaftlichen Gewinn zog oder diesen überhaupt als eigenen Tätigkeitsbereich förderte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

118

ee) Auch die unter Nr. 9 der Vereinsverbotsverfügung aufgeführte, mit einem Strafbefehl des Amtsgerichts Flensburg vom 28. Oktober 2011 rechtskräftig mit einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 15,-- Euro bestrafte Steuerverkürzung durch das Vereinsmitglied Y. im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 ist als eher individuell geprägte Straftat dem Verein nicht zweifelsfrei zuzurechnen. Die Tat bezog sich auf eine im Jahr 2005 aufgegebene, vom Mitglied des Klägers Y. sowie einer weiteren Person, die nicht Vereinsmitglied war, als Gesellschafter betriebene Motorrad-Werkstatt, in der Motorräder teilweise aus gestohlenen Teilen zusammengebaut und verkauft wurden. Die Umsatz- und Gewerbesteuererklärungen wiesen die Erlöse aus der Herstellung und Veräußerung der Neuaufbauten nicht vollständig aus, vielmehr wurde eine gesonderte „zweite Kasse“ geführt, wodurch auch die Herkunft der verwendeten Fahrzeugteile verschleiert werden sollte, soweit sie durch Straftaten erlangt worden waren. Dass weitere Vereinsmitglieder in die Beschaffung von Teilen oder in die durch den Strafbefehl sanktionierte Praxis der Buchführung und Angaben gegenüber dem Finanzamt verwickelt gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Zudem lagen der Betriebszeitraum der Werkstatt sowie die steuerlichen Veranlagungszeiträume mehrere Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung, sodass es wegen der gefahrenabwehrenden Intention des Verbotstatbestandes wohl eines weiteren inhaltlichen Bindegliedes zur Prägung von Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereines im Verbotszeitpunkt bedurft hätte.

119

d) Soweit die Kläger zuletzt vorgetragen haben, dass die Mitglieder A., J., V. und AH. im Januar bzw. September 2010 bzw. (V.) im Februar 2011 aus dem klägerischen Verein ausgeschieden seien, steht dies einer Zurechnung der den Verbotsgrund bereits für sich tragende Straftat Nr. 5 vom September 2009 nicht entgegen. Diese ist vor dem zuletzt vom Kläger vorgetragenen Datum des Ausscheidens von A. begangen worden; eine zeitnahe Distanzierung des Vereins war nicht erfolgt (s.o.). Was etwaige Vereinsaustritte oder -ausschlüsse nach April 2010 betrifft, so kann eine vereinsrechtliche Zuordnung strafgesetzwidriger Verhaltensweisen durch Ausscheiden aus dem Verein nach dem Zeitpunkt des Erlasses der Vereinsverbotsverfügung nicht mehr unterbrochen werden, weil sich in ihr keine Abkehr von einer zuvor geübten Unterstützung oder Verwirklichung strafgesetzwidriger Zwecke oder Tätigkeiten dokumentiert. Nach Verbot und Auflösung eines Vereins besteht dieser lediglich beschränkt auf den Zweck der Rechtsverteidigung gegenüber dem Verbot fort. Für eine weitere Tätigkeit und somit auch für deren Befürwortung oder Ablehnung seitens der Mitglieder ist daher kein Raum mehr (s.o.). Hierin liegt nicht etwa eine unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bedenkliche Beschneidung von Dispositionsbefugnissen des klägerischen Vereins, sondern eine an der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechtsfolge der Auflösung eines verbotenen Vereins orientierte, der Gefahrenabwehr dienende Rechtsfolge. Im Übrigen fehlt es an glaubhaften Darlegungen, dass die Vereinsaustritte bzw. -ausschlüsse tatsächlich bereits zu den vorgetragenen Zeitpunkten erfolgt sind. Ein gewichtiges Gegenindiz liegt darin, dass die Vereinsmitglieder A. und J. noch am 05. Mai 2010 gemeinsam mit allen anderen Vereinsmitgliedern eine schriftliche Vollmacht zur Klageerhebung im vorliegenden Verfahren ausgestellt haben und in der Klagebegründung als Mitglieder bezeichnet worden sind, das Vereinsmitglied J. darüber hinaus auch den derzeitigen klägerischen Anwalt mit schriftlicher Vollmacht vom 26. März 2012 mandatiert hat.

120

3. Dagegen erweist sich die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung, dass sich der klägerische Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, als nicht hinreichend tragfähig und damit rechtswidrig. Sie ist demzufolge aufzuheben.

121

a) Zu der durch den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG geschützten verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor allem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, das demokratische Prinzip mit der Verantwortlichkeit der Regierung, das Mehrparteienprinzip und das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Das Verbot einer Vereinigung ist nicht schon gerechtfertigt, wenn diese die verfassungsmäßige Ordnung lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt. Sie muss ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch kämpferisch-aggressiv verwirklichen wollen. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen. Die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteten Ziele einer Vereinigung lassen sich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sonder eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie den Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen. Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt (BVerwG, std. Rspr., vgl. Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, Juris Rn. 13 f.; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, NVwZ-RR 2009, 803; Urt. v. 05.08.2009 - 6 A 3/08 -, BVerwG 134, 275 f., Juris Rn. 44 f; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, NVwZ 2003, 986). Auch das Gewaltmonopol der Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gehört zu der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes, welche eine der Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt (BVerwG, Urt. v. 27.11.2002, a.a.O., Juris Rn. 37). Ein durch eine eigene Ordnung mit Maßnahmen der Gewaltausübung zu deren Sicherung verbundener Herrschaftsanspruch, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entgegengesetzt wird, kann eine kämpferisch-aggressive Weise der Untergrabung der verfassungsmäßigen Ordnung darstellen, wenn etwa systematisch die Legitimität der verfassungsmäßigen Ordnung bestritten wird und Anhänger der eigenen propagierten Ordnung geschult, indoktriniert und zu Verfassungsfeinden herangezogen werden (vgl. ebd., Rn. 42).

122

In der Verbotsverfügung wie auch ergänzend durch den Vortrag des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Erfüllung dieses Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Wesentlichen mit einer Auffassung des klägerischen Vereins begründet worden, zur Durchsetzung seiner Zielen legitimerweise Gewalt anwenden zu dürfen und das staatliche Gewaltmonopol zu durchbrechen, weiterhin mit der gegen den Menschenwürdegrundsatz verstoßenden „Abstrafung“ von Abweichlern gegenüber dem Herrschaftsanspruch des Vereins sowie, nunmehr als nachrangig bezeichnet, mit dem System einer Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder im Rahmen des sog. „Defense Fund“. Staatliche Sanktionen würden dadurch abgemildert und dem Gewaltmonopol des Staates eine Absage erteilt. Der klägerische Verein habe den Anspruch, partielle eine eigene, an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung tretende Ordnung zu entfalten und durchzusetzen.

123

Für das Vorliegen des zusätzlichen Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung trägt der Beklagte die materielle Beweislast.

124

Die aus den zum Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit als tragend bzw. ergänzend angeführten strafbaren Verhaltensweisen der Mitglieder des Klägers, welche ihm zuzurechnen sind, belegen zwar eine Bereitschaft, Vereinsziele erforderlichenfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Eine kämpferisch-aggressive Verfolgung gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichteter Ziele liegt in diesen konkret beim Kläger festgestellten Verhaltensweisen jedoch nach Auffassung des Senats noch nicht. Die für den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung unerlässliche Komponente einer aktiven Bekämpfung muss sich nämlich gerade gegen die für staatliche Strukturen grundlegende Prinzipien richten. Sie liegt nicht bereits vor, wenn eine Gewaltbereitschaft gegenüber anderen privaten Personen oder Gruppierungen festgestellt wird. Andernfalls wären weite Teile der organisierten Gewaltkriminalität deckungsgleich mit Bestrebungen, die sich auch gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten. Ein solch weites Verständnis des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist aus Sicht des Senates weder gerechtfertigt noch notwendig, da die in einer Gewaltanwendung liegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bereits durch den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit abgedeckt wird. Vielmehr bestehen für die Feststellung des Verbotsgrundes des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2, 2. Alt. GG hohe Hürden, die über die reine Strafrechtswidrigkeit eines Vereins hinausgehen. Zu einem im Sinne der angegriffenen Verbotsverfügung weit greifenden Verständnis dieses Verbotsgrundes veranlasst auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot des sog. „Kalifatstaates“, im Rahmen derer fachgerichtlich eine kämpferisch-aggressive Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele bejaht worden und dieses vom Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich unbeanstandet geblieben war (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O., Juris Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 02.10.2003 - 1 BvR 536/03 -, BVerfGK 2, 22, Juris Rn. 22 f.). Der in diesem Einzelfall festgestellte Anspruch des verbotenen Vereins, legitimerweise Gewalt anstelle einer staatlichen Ordnung ausüben zu dürfen, wurde höchstrichterlich auf dem Hintergrund eines betonten Selbstverständnisses des Vereins „Kalifatstaat“ gewürdigt, einen Staat mit eigenem Rechtssystem (Scharia) unter gänzlicher Verdrängung der staatlichen Herrschaftsordnung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland und anderen betroffenen Staaten existiert, zu errichten. Ein ähnlich weit reichender Anspruch, der mit der verfassungsmäßigen Ordnung notwendigerweise kollidiert, ist für den Kläger im vorliegenden Verfahren weder aus der Verbotsverfügung und dem sie verteidigenden Beklagtenvortrag noch aus den sonstigen beigezogenen Vorgängen ersichtlich. Der Kläger und seine Mitglieder haben vielmehr beansprucht, Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Vereinigungen oder Einzelpersonen auch mit Gewalt zu führen, während sie in Bezug auf die staatliche Gewalt im Wesentlichen eine Verweigerungshaltung in Bezug auf Aussagen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entfaltet haben. Selbst aus der in einzelnen Strafverfahren festgestellten oder vermuteten Beeinflussung bzw. Einschüchterung von Zeugen lässt sich ein Herrschaftsanspruch, der die rechtsstaatliche Ordnung in maßgeblicher Weise ersetzen und damit die Verfassung aktiv-kämpferisch beseitigen wollte, noch nicht ableiten.

125

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung oder Nutzung eines sog. „Defense Fund“ der „Hells Angels“ durch den klägerischen Verein. Der Vortrag des Beklagten hierzu ist vage und unkonkret geblieben und beruht auf allgemeinen Kenntnissen über die weltweite „Hells Angels“-Bewegung, die auch den Beklagten jedoch bislang nicht zu einem flächendeckenden Verbot der in seinem Zuständigkeitsbereich angesiedelten Charter veranlasst haben. Eine konkrete Verstrickung der Mitglieder des Klägers und des Vereins insgesamt in das allgemein vom Beklagten als existent dargelegten System der Unterstützung straffällig gewordener „Hells Angels“-Mitglieder und ihrer Angehörigen ist weder nachgewiesen, noch haben sich in den Ermittlungsvorgängen oder aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten Hinweise hierzu ergeben. Der Kläger hat eine Beteiligung seiner Mitglieder an einem „Defense Fund“, die Einzahlung und den Erhalt von Leistungen in bzw. aus ihm ebenso bestritten wie Berührungspunkte zu den nach Vortrag des Beklagten in Gefängnissen bestehenden Gruppierungen der „Big House Crew“.

126

Es kann im vorliegenden Vereinsverbotsverfahren dahinstehen, ob eine Unterstützung des bzw. aus dem Betrieb eines „Defense Fund“ so, wie ihn der Beklagte geschildert hat, als Beleg für ein Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung ausreichen würde, was eher zweifelhaft erscheint, oder ob es sich um eine unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Verbotsgründe noch hinzunehmende Form der Unterstützung straffälliger Vereinsmitglieder handeln würde. Auch wenn ein Nachweis der Teilnahme am System eines „Defense Fund“ bei klandestin agierenden Gruppierungen und zumeist mit Bargeld abgewickelten Zahlungsvorgängen schwer zu erbringen sein wird, kann eine Unterstützung auch vereinsrechtlich nicht ohne jeglichen ersichtlichen konkreten Bezug zu einem solchen Solidaritätssystem unterstellt werden.

127

b) Der mangelnde Nachweis hinreichender Tatsachen, die für die Verwirklichung des Verbotsgrundes nach Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VereinsG sprechen, führt zur insoweit bestehenden Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verbotsverfügung und damit zur Teilaufhebung des Bescheides im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage. Zwar wird das Vereinsverbot in hinreichender Weise durch die Verwirklichung des in dieser Vorschrift erstgenannten Verbotsgrundes der Strafrechtswidrigkeit getragen. Der Beklagte hat die Feststellung der Verwirklichung des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung jedoch eigenständig der Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit des Klägers in Ziffer 1 der Verbotsverfügung zur Seite gestellt. Die ausdrückliche Feststellung des im konkreten Fall nach Auffassung der Verbotsbehörde einschlägigen Verbotsgrundes gemäß Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG im verfügenden Teil des Verbots verlangt auch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein auf einen oder mehrere dieser Gründe zu stützendes Verbot dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978 - I A 3.76 -, BVerwGE 55, 175, Juris Rn. 37 f.; Urt. v. 28.02.1978 - I A 9.72 -, Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 2, Juris Rn. 49; Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, Baden-Baden 1999, S. 110). Die Feststellung des Verbotsgrundes ist als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Vereinigungsfreiheit für das Verbot konstitutiv (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, Juris Rn. 25). Das Erfordernis der besonderen Feststellung des Verbotsgrundes oder der Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG beruht darauf, dass die rechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbotenen Vereinigung je nach dem durch die zuständige Behörde festgestellten Verbotsgrund verschieden sind. Die gegenüber der allgemeinen Strafnorm des § 20 VereinsG bestehenden Strafverschärfungen der §§ 85, 86 und 86 a StGB für die Fortführung und weitere Unterstützung bzw. Bewerbung einer verbotenen Vereinigung hängen davon ab, ob die strafbare Tätigkeit eine Vereinigung betrifft, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Die an die Feststellung des Verbotsgrundes gebundenen Strafgerichte müssen aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung eindeutig ersehen können, ob die Vereinigung aus einem strafrechtlich als Qualifizierungsgrund zu bewertenden Verbotsgrund verboten worden ist (vgl. auch Grundmann, a.a.O. S. 110). Jedenfalls auch diesem Zweck dient im Übrigen die auf den verfügenden Teil beschränkte Bekanntmachung des Verbots gem. §§ 3 Abs. 4, 7 Abs. 1 VereinsG bei Erlass und erneut nach Unanfechtbarkeit des Verbots durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger und dem amtlichen Mitteilungsblatt des Landes (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1978, a.a.O., Juris Rn. 40). Die Feststellung des konkreten Verbotsgrundes ist besonders bedeutsam in den Fällen, in denen die Behörde mehrere Verbotsgründe im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG angenommen hat, sich aber bei der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung ergibt, dass nicht alle diese Gründe vorliegen. Insbesondere in diesen Fällen muss durch die abschließende Bekanntmachung des verfügenden Teils des Vereinsverbots nach § 7 Abs. 1 VereinsG mit allseitiger Verbindlichkeit festgestellt werden, aus welchem Verbotsgrund oder welchen Verbotsgründen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 GG der Verein verboten ist (ebd.).

128

Daraus folgt, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Verbotsverfügung die Frage des Vorliegens eines Verbotsgrundes, welcher (straf-)rechtlich qualifizierende Rechtsfolgen auslösen kann, selbst dann nicht offen lassen kann, wenn es bereits festgestellt hat, dass ein anderer das Verbot mit der Folge der Auflösung des Vereins, der Beschlagnahme und Einziehung von Vermögen, Forderungen und Sachen als solches vollumfänglich tragender Grund vorliegt (vgl. dagegen zum Offenbleiben der Strafgesetzwidrigkeit eines Vereins BVerwG, Urt. v. 01.09.2010 - 6 A 4/09 -, a.a.O., Juris Rn. 12; Beschl. v. 11.08.2009 - 6 VR 2/09 -, a.a.O., Juris Rn. 41 (im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes); Urt. v. 03.12.2004 - 6 A 10/02 -, NVwZ 2005, 1435, Juris Rn. 84; Urt. v. 27.11.2002 - 6 A 4/02 -, a.a.O. Juris Rn. 36; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 OVG 1 A 4.09 -, NVwZ-RR 2010, 886, Juris Rn. 29; BayVGH, Urt. v. 24.01.2007 - 4 A 06.52, Juris Rn. 37; dagegen das Sich-Richten gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. den Gedanken der Völkerverständigung offen lassend: BVerwG, Beschl. v. 25.08.2009 - 6 VR 2/08 -, a.a.O. Juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 24.06.1997 - 1 S 1377/96 -, AuAS 1998, 19, Juris Rn. 25, 27). Ein solcher qualifizierender Verbotsgrund ist in jedem Falle das hier von dem Beklagten festgestellte Sich-Richten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

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Die Feststellung in Ziffer 1 Satz 2 der angefochtenen Verbotsverfügung ist inhaltlich von den sonstigen Verfügungspunkten auch abtrennbar und somit gesondert aufhebbar (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 158 ff.). Es handelt sich hierbei um einen besonderen Verbotsgrund, der eigenständig durch in der Rechtsprechung ausgeformte Voraussetzungen ausgefüllt ist, nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem vorangestellten Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins steht und das Verbot auch im Falle einer Aufhebung des Verbotsgrundes der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im weiteren Verlauf des Verbotsverfahrens tragen könnte.

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4. Das durch die Strafgesetzwidrigkeit getragene Vereinsverbot erwiese sich auch als rechtmäßig, wenn die in Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG einzig vorgesehene grundrechtseinschränkende Maßnahme des Verbots und der Auflösung wegen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „ultima ratio“ lediglich dann angewendet werden dürfte, wenn mildere Mittel wie partielle Betätigungsverbote, Warnungen oder die Anwendung von Straftatbeständen nicht in Betracht kämen bzw. ausgeschöpft wären (str., vgl. zum Meinungsstand Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O., S. 184 ff.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GGK, a.a.O., Art. 9 Rn. 46; Scholz, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Januar 2012, Art. 9 Rn. 114, 134; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 9 Rn. 60). Solche Mittel wären hier angesichts der Dichte der strafrechtlichen Verfehlungen mit Vereinsbezug und der Massivität des Geschehens am 12. September 2009 nicht ausreichend, um der Gefahr für Leib und Leben Dritter durch ein Fortbestehen der Vereinigung zu begegnen. Strafrechtliche Mittel sind von den Ermittlungsbehörden gegenüber Mitgliedern des Klägers hinreichend ausgeschöpft worden.

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Die Bedenken gegenüber einer eigenständig vom Beklagten als Verbotsbehörde vorgenommenen Prüfung des Vorliegens der Verbotsvoraussetzungen, wie sie der Kläger zuletzt erhoben hat, teilt der Senat nicht. Vielmehr bietet § 4 Abs. 1 Satz 1 VereinsG die Grundlage dafür, dass die Verbotsbehörde für ihre Ermittlungen die Hilfe der für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden und Dienststellen in Anspruch nehmen kann, wie dies vorliegend etwa durch Einbindung der im Landeskriminalamt bestehenden, über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der sog. Rockerkriminalität verfügenden Ermittlungsstäbe sowie durch Übermittlung von Informationen seitens der Staatsanwaltschaften geschehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die dortigen Erkenntnisse vom Beklagten unreflektiert und unbewertet übernommen worden wären, sind nicht ersichtlich. Angesichts der ausführlichen und tragfähigen, einzelfallbezogenen Begründung für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins im Verbotsbescheid bestünden Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit insoweit auch nicht wegen einer etwaigen länderübergreifenden Strategie der Innenminister zum Umgang mit sog. Rockergruppen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Strategiepapier einer Bund-Länger-Projektgruppe „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität - Rahmenkonzeption“ datiert im Übrigen vom Oktober 2010, also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verbotsverfügung; es verweist in seinem Kapitel über Vereinsverbote ausdrücklich auf die im Einzelfall vorzunehmenden Prüfungen

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Schließlich bestehen auch gegen die mit der Durchführung des Verbotsverfahrens verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Beklagten - auch soweit sie eine Übermittlung bzw. Nutzung von Daten aus Strafverfahren und von Daten betreffen, die von Polizeibehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr erhoben und gespeichert worden sind - keine Bedenken, die sich auf die Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots auswirken könnten. Zutreffend ist, dass das Vereinsgesetz selbst keine bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für eine derartige Datenverarbeitung enthält (vgl. dazu auch Grundmann, a.a.O., S. 68). Der durch § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden für das öffentliche Vereinsrecht für das Verbot zuständig erklärte Beklagte kann sich als Behörde der Gefahrenabwehr (vgl. § 1 Abs. 2 VereinsG: „...zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit ...“) jedoch auf die Rechtsgrundlagen der §§ 177 ff. LVwG, insbesondere die Erhebungsgrundlagen der §§ 177, Abs. 1, 178 Abs. 1 Satz 2, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwG und die Speicherungs- und Nutzungsgrundlage des § 188 Abs. 1 LVwG, stützen. Soweit die Daten aus Strafverfahren durch gemäß § 4 Abs. 1 VereinsG zulässigerweise im Rahmen der vereinsrechtlichen Ermittlungen mit in Anspruch genommene Polizeibehörden ausgewertet und an den Beklagten als Vereinsverbotsbehörde weitergeleitet worden sind, liegen die Voraussetzung einer Datenübermittlung und -verwendung aus dem auf das LVwG als Polizeigesetz verweisenden § 481 StPO vor, wobei der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein (POG) v. 12. November 2004 (GVOBl. Schl.-H. S. 408) eine Behörde der Polizei und Landespolizei- sowie Landeskriminalamt gemäß §§ 2, 3 POG zugeordnete Ämter beim Beklagten sind. Bedenken im Hinblick auf die bereichsspezifische, präzise und normenklare Festlegung der Voraussetzungen eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, Juris Rn. 93 ff.) der Mitglieder des Klägers (unabhängig davon, ob sie im Verfahren des klägerischen Vereins überhaupt zu überprüfen sind) bestehen im Ergebnis nicht. Es handelt sich um einen auf Grundlage der genannten Normen auch für die Betroffenen überschaubaren Datenverarbeitungsvorgang, dessen Anlass, Gegenstand, Zwecksetzung und Kreis der berechtigten Behörden jedenfalls hinsichtlich der Verwendung von Daten aus Strafverfahren und aus präventiv-polizeilichen Datensammlungen hinreichend präzise festgelegt ist. Im Übrigen wäre, selbst wenn nach verfassungsrechtlichen Maßstäben eine präzisere gesetzliche Festlegung der Datenverarbeitungsbefugnisse im Zusammenhang mit dem Erlass von Vereinsverboten erforderlich wäre, vorliegend kein Verwertungsverbot der vom Beklagten im Einklang mit dem Gesetzeszweck des Vereinsgesetzes erlangten personenbezogenen Informationen aus Strafverfahren und Datensammlungen zur Gefahrenabwehr anzunehmen. Ein ausnahmsloses Beweisverwertungsverbot im Falle einer unzulässigen Datenverarbeitung lässt sich der Rechtsordnung weder allgemein noch im Bezug auf besonders tief in die Rechte Betroffener eingreifende Bereiche staatlichen Handelns entnehmen. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt für den Bereich des Strafprozesses festgestellt, dass von Verfassungs wegen kein allgemeines Verwertungsgebot rechtsfehlerhaft gewonnener Beweise besteht, vielmehr ein Beweisverwertungsgebot angesichts des ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestatteten Belanges funktionstüchtiger Strafrechtspflege eine begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, für die eine gesetzliche Grundlage gegeben oder ein übergeordneter wichtiger Grund anzuerkennen sein muss. Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus Grundrechten ist nur in Fällen des Eingriffs in den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung anerkannt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09 -, EuGRZ 2010, 780, Juris Rn. 43 ff.; Beschl. v. 15.10.2009 - 2 BvR 2438/08 -, NJW 2010, 287, Juris Rn. 7 m.w.N.). Auf den vorliegenden Regelungszusammenhang übertragen ist zu berücksichtigen, dass § 3 Vereinsgesetz eine bereits verfassungsrechtlich vorgesehene Schranke der Vereinigungsfreiheit lediglich konkretisiert. Eine Nichtverwertung von zu Zwecken der Strafverfolgung und damit inhaltlich mit dem Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des Vereins gleichgerichteten Zwecken sowie zu Zwecken der Gefahrenabwehr gewonnenen Daten stünde mithin der Umsetzung eines bereits aus Verfassungsrecht abzuleitenden Vereinsverbots im Wege und wäre daher ähnlich wie im Strafprozessrecht ebenfalls aus übergeordneten Gesichtspunkten begründungsbedürftig, welche hier nicht ersichtlich sind.

133

5. Nachdem die in Ziffer 1 der Verbotsverfügung enthaltene Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des klägerischen Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen, sich als rechtmäßig erweist, sind auch die weiteren Regelungen in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffern 2 bis 5 rechtmäßig und die Klage insoweit unbegründet. Die in Ziffer 2 verfügte Auflösung des Vereines stützt sich auf die Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VereinsG. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Untersagung jeder Vereinstätigkeit folgt unmittelbar aus dem Verbot und der Auflösung des Vereins. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Bildung von Ersatzorganisationen in Ziffer 3 des Bescheides sowie der Verbreitung und öffentlichen oder in einer Versammlung durchgeführten Verwendung seiner Kennzeichen sind die §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VereinsG. Die in Ziffer 4 der Verbotsverfügung angeordnete Vermögensbeschlagnahme und -einziehung stützt sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG, wobei ein Ausnahmefall zur gesetzlich vorgesehenen Regel nicht vorliegt. Die in Ziffer 5 der Verfügung angeordnete Beschlagnahme und Einziehung von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch ihre Überlassung an den Verein dessen strafrechtswidrige Zwecke und Tätigkeit vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung diese Zwecke und Tätigkeit bestimmt sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG. Soweit die hinsichtlich der Ziffern 2 bis 5 bestehenden Rechtsgrundlagen als tatbestandliche Voraussetzung auf „verfassungswidrige Bestrebungen“ des Vereins verweisen, sind damit - anders als es die Ähnlichkeit dieses Tatbestandsmerkmales zum Wortlaut des Verbotsgrundes des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nahelegen könnte - sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe abgedeckt. Dies folgt zum einen aus dem besonderen Hinweis auf Art. 9 Abs. 2 GG, der in § 8 Abs. 1 VereinsG enthalten ist und damit (allerdings in sprachlich wenig stringenter Form) auf eine tatbestandliche Öffnung über die verfassungsmäßige Ordnung im engeren Sinne hinaus auch für die beiden in Art. 9 Abs. 2 GG bereits genannten weiteren Verbotsgründe verweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.09.1995 - 1 VR 2.95 -, NVwZ 1997, 68 f. Juris Rn. 18). Zum anderen findet sich ein maßgeblicher Hinweis auf eine erweiternde Auslegung der Rechtsgrundlagen für die genannten Folgerungen eines Vereinsverbotes in der Entwurfsbegründung zum Vereinsgesetz, wo es heißt: „ Unter „verfassungswidrigen“ Bestrebungen im Sinne des § 8 Abs. 1 sind, wie aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, alle nach Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Bestrebungen zu verstehen.“ (BT-Dr. IV/430, S. 18). Im Übrigen ließe sich auch kein inhaltlich tragfähiger Gesichtspunkt für eine Differenzierung zwischen den drei Verbotsgründen im Hinblick auf die Möglichkeit der Einziehung von Sachen Dritter, des Verbots der Bildung von Ersatzorganisationen sowie der Einziehung von Forderungen Dritter (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VereinsG), wo der Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen ebenfalls verwendet wird, denken. So ist es Sinn des Verbotes der Bildung von Ersatzorganisationen nach § 8 VereinsG, die Schaffung eines funktionellen Ersatzes für die von der Verfassung als gefährlich und daher verboten erkannten Bestrebungen zu unterbinden (vgl. nur Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, a.a.O. S. 157 f.). Außerdem hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Regelungen, die verfassungswidrige Bestrebungen nennen, gerade nicht ausdrücklich den Verbotsgrund des Sich-Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung aufgegriffen, sondern hat ersichtlich versucht, einen übergreifenden Begriff für verbotsbegründende „Zwecke“, „Tätigkeit“ und „Sich-Richten“ zu finden. Im Ergebnis besteht daher auch in der Literatur (vgl. Grundmann, a.a.O.; Heinrich, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, a.a.O. S. 196 Rn. 791; zur Gleichsetzung des Verbotsgründe in Art. 8 Abs. 2 GG vergleich auch Planker,Das Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 GG/§ 3 ff. Vereinsgesetz, Bonn 1994, S. 118) und in der Rechtsprechung (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 09.01.2012 - 1 S 2823/11 -, Juris Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 18.10.1988 - 1 A 89.83 -, BVerwGE 80, 299 f. Juris Rn. 82) Einigkeit, dass die Rechtsgrundlagen der §§ 3 Satz 2, 8 bis 12 Vereinsgesetz auf sämtliche verboten Vereine angewandt werden können, ganz gleich, welcher der drei Verbotsgründe vorliegt.

134

Die Klage war daher im tenorierten Umfang abzuweisen.

135

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat hat das Unterliegen des Beklagten im Hinblick auf die Feststellung des Sich- Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung mit 1/4 der anfallenden Kosten bemessen, da die weiteren Rechtsfolgen des Vereinsverbotes selbstständig durch den tragfähigen Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit des klägerischen Vereins begründet werden.

136

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

137

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da Gründe gem. § 132 Abs. 2 VwGO hierfür nicht vorliegen.


(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der Regel die Beschlagnahme und die Einziehung

1.
des Vereinsvermögens,
2.
von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen ist, und
3.
von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind,
zu verbinden.

(2) Verbotsbehörde ist

1.
die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;
2.
das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde entscheidet im Benehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, wenn sich das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach Satz 1 Nr. 2 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zuständig ist. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3 Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach § 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger, wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern des Vereins stützen, wenn

1.
ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung besteht,
2.
die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und
3.
nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Die Verbotsbehörde oder die Einziehungsbehörde zieht Forderungen Dritter gegen den Verein ein, wenn

1.
sie aus Beziehungen entstanden sind, die sich nach Art, Umfang oder Zweck als eine vorsätzliche Förderung der verfassungswidrigen Bestrebungen des Vereins darstellen, oder
2.
sie begründet wurden, um Vermögenswerte des Vereins dem behördlichen Zugriff zu entziehen oder den Wert des Vereinsvermögens zu mindern.
Hat der Gläubiger eine solche Forderung durch Abtretung erworben, so kann sie nur eingezogen werden, wenn der Gläubiger die in Satz 1 bezeichneten Tatsachen bei dem Erwerb kannte.

(2) Sachen Dritter werden eingezogen, wenn der Berechtigte durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen bestimmt sind.

(3) Rechte Dritter an den nach § 11 Abs. 1 oder nach § 12 Abs. 1 oder 2 eingezogenen Gegenständen bleiben bestehen. Sie werden eingezogen, wenn sie unter den in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen begründet oder erworben worden sind.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 eingezogenen Gegenstände gehen mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verbots und der Einziehungsverfügung auf den Einziehungsbegünstigten über. Nicht vererbliche Rechte erlöschen.

(5) Verfügungen des Vereins, die in den letzten sechs Monaten vor Erlaß des Verbots in der dem anderen Teil bekannten Absicht vorgenommen wurden, Gegenstände des Vereinsvermögens beiseite zu schaffen, sind dem Einziehungsbegünstigten gegenüber unwirksam. Ist zugunsten eines Vereinsmitglieds oder einer Person, die ihm im Sinne des § 138 Abs. 1 der Insolvenzordnung nahesteht, verfügt worden, so wird vermutet, daß diesen die in Satz 1 bezeichnete Absicht bekannt war.

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen.

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist, kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufigen Maßnahmen berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.