Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 19. Juli 2013 - 1 L 76/09

bei uns veröffentlicht am19.07.2013

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 9. April 2009 – 6 A 3066/00 – wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 134.318,86 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten von als Eingliederungsmaßnahmen gewährter Sozialhilfeleistungen für ein behindertes Kind.

2

Mit dem angefochtenen Urteil vom 09. April 2009 – 6 A 3066/00 – hat das Verwaltungsgericht – bei gleichzeitiger Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des zunächst ausschließlich beklagten Landes Mecklenburg-Vorpommern nach Klagerücknahme - der Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 134.318,86 Euro zu zahlen. Der Klägerin stehe als nach § 43 Abs. 1 SGB I zuerst angegangenem Leistungsträger ein Anspruch auf Kostenerstattung im tenorierten Umfang gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB X unter Berücksichtigung der §§ 97 Abs. 2, 104 des zwischenzeitlich weggefallenen Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zu. Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die am 2. Juli 1992 als rumänische Asylbewerber nach Schwerin umverteilten Eltern des am 27. Juni 1992 in Rostock geborenen Kindes seit dem 2. Juli 1992 bis zu ihrem Wegzug an einen unbekannten Ort unter Zurücklassung des Kindes im Klinikum in Schwerin im April/Mai 1993 ihren gewöhnlichen Aufenthalt i. S. v. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I im Zuständigkeitsbereich der Beklagten als örtlichem Träger der Sozialhilfe hatten. Daran anknüpfend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass auch das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seinen Eltern in Schwerin gehabt habe, weil es sich tatsächlich zwischen den Klinikaufenthalten bei diesen in der Gemeinschaftsunterkunft aufgehalten habe. Das Kind sei dabei nicht nur gleichsam zu Besuch bei seinen Eltern gewesen, sondern habe deren gewöhnlichen Aufenthalt im Asylbewerberheim geteilt.

3

Der nach Zustellung des Urteils an die Beklagte am 20. April 2009 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 20. Mai 2009 gestellte und begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

4

Der im Hinblick auf die überwiegende Klagestattgabe geltend gemachte Zulassungsgrund rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634 [640]; Beschl. v. 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, 963).

5

Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt jedenfalls der Sache nach nicht vor.

6

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15. Oktober 2008 – 1 L 104/05 –).

7

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift – gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz – Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (ebenfalls ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. a. a. O.).

8

Nach diesem Maßstab kommt eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht.

9

Die Beklagte macht geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sowohl wegen der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes der Eltern des Kindes und des Kindes selbst im Zuständigkeitsbereich der Beklagten als örtlichem Träger der Sozialhilfe als auch hinsichtlich der Höhe der Kostenerstattungspflicht, weil der für die Jahre 1997 bis 1999 geltend gemachte Anspruch gegenüber der Beklagten gemäß § 113 Abs. 1 SGB X verjährt sei.

10

Die Rüge der fehlerhaften Annahme des Verwaltungsgerichts bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts der Eltern des Kindes und des Kindes selbst im Zuständigkeitsbereich der Beklagten vermag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu wecken. Maßgeblich ist insoweit § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I, der mangels abweichender Vorschriften auch für den Bereich der Sozialhilfe gilt (§ 37 SGB I). Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Personen, die in einer zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft leben, dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben können. Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall eines Spätaussiedlers entschieden, dass auch in einem Übergangswohnheim ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne eines Aufenthalts "bis auf weiteres" begründet werden kann. Der Umstand, dass ein Spätaussiedler nicht die Absicht hat, im Übergangswohnheim, einer Notunterkunft, "zunächst auf Dauer" bzw. "bis auf weiteres" zu verbleiben, sondern bestrebt ist, das Übergangswohnheim sobald wie möglich zu verlassen, sowie der Umstand der beengten und fehlenden Räumlichkeiten, die nicht als Wohnung oder Dauerunterkunft angesehen werden können, sind danach vielleicht durchgreifend, wenn - etwa bei einer Unterbringung in einer Turnhalle - abgeschlossene Räumlichkeiten fehlen und die Unterkunft zur Begründung eines vorläufigen Lebensmittelpunktes ersichtlich nicht bestimmt und geeignet ist. Von derartigen Besonderheiten abgesehen steht jedoch der Umstand, dass ein Übergangswohnheim nicht zum dauernden Verbleib bestimmt ist und dem Aufenthalt die Merkmale einer selbstbestimmten, auf Dauer eingerichteten Häuslichkeit fehlen, der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne eines zukunftsoffenen Aufenthalts "bis auf weiteres" nicht entgegen (BVerwG, Urt. v. 18.03.1999 - 5 C 11/98 -, NVwZ-RR 1999, 583, zit. n. juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließen dabei Zwang und Unfreiwilligkeit einen gewöhnlichen Aufenthalt nicht aus. Der Grund für den Zwang und die Unfreiwilligkeit ist für die Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt ohne Bedeutung, weil es bei den Umständen im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I nicht auf deren Ursachen, sondern allein darauf ankommt, dass sie ein nicht nur vorübergehendes Verweilen erkennen lassen (BVerwG, Beschl. v. 08.12.2006 - 5 B 65/06 -, zit. n. juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat auch entschieden, dass zur Begründung eines "gewöhnlichen Aufenthalts" ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich ist, es vielmehr genügt, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat, und dass dies auch für Kinder und Jugendliche gilt, die einen von ihren Eltern oder einem Elternteil abweichenden gewöhnlichen Aufenthalt haben können. Der Grundsatz, dass ein minderjähriges Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt grundsätzlich bei dem Elternteil hat, der das Personensorgerecht ausübt und bei dem es sich tatsächlich aufhält, ist danach eine Regel für die nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I erforderliche eigenständige Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts eines minderjährigen Kindes und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Regel an dem Ort hat, an dem er seine Erziehung erhält, wobei es bei einer Unterbringung außerhalb der Familie darauf ankommt, ob sie nur vorübergehend oder auf Dauer erfolgen soll. Dabei ist notwendige Voraussetzung für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts, dass sich die Person, die an einem Ort einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen will, zumindest kurzfristig auch tatsächlich dort aufhält. Auch wenn zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich ist, ist nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I eine Mindestdauer eines tatsächlichen Aufenthalts unverzichtbar. Der tatsächliche Aufenthalt ist zwar nicht hinreichende, aber notwendige Bedingung für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts. Diese Voraussetzung kann auch bei Kindern nicht durch den bloßen Willen eines personensorgeberechtigten Elternteils, an diesem Ort einen gewöhnlichen Aufenthalt für das Kind zu begründen, oder entsprechende objektive Vorbereitungshandlungen (etwa Anmietung und Einrichtung einer Wohnung; melderechtliche Anmeldung) ersetzt werden (BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46/01 -, NVwZ 2003, 616, zit. n. juris). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts einer Asylbewerberin in einer zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft verneint, weil sich die Asylbewerberin zu keinem Zeitpunkt tatsächlich dort aufgehalten hatte (BVerwG, Urt. v. 07.07.2005 - 5 C 9/04 -, NVwZ 2006, 97, zit. n. juris). Der Bayerische VGH hat anknüpfend an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1999, aaO., entschieden, dass ein noch nicht bestandskräftig anerkannter Asylbewerber, der in einer zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft lebt, dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. v. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat (BayVGH, Urt. v. 25.10.2001 - 12 B 00.2312 -, zit. n. juris). Der Senat hat bereits entschieden, dass sich der gewöhnliche Aufenthalt bei Kindern in der Regel, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der minderjährige Hilfeempfänger einen davon abweichenden gewöhnlichen Aufenthalt oder einen abweichenden tatsächlichen Aufenthalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, NVwZ 2003, 616, zit. n. juris) genommen hat, zunächst nach dem Aufenthalt der Eltern bzw. nach dem Aufenthalt des mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils bestimmt. Auch ansonsten kommt es grundsätzlich für die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern auf den Willen der Eltern bzw. des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten an, soweit der Ausführung des Willens nicht objektive Umstände entgegenstehen (OVG M-V, Urt. v. 28.08.2007 - 1 L 300/05 -, zit. n. juris). An dieser Auffassung hält der Senat fest und schließt sich auch im Übrigen der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen VGH an. Danach hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass sowohl die Eltern des Kindes, die sich ca. 10 Monate in der Gemeinschaftsunterkunft in Schwerin aufgehalten hatten, als auch deren behindertes Kind jedenfalls bis zum Wegzug der Eltern dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt i. S. v. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hatten. Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass sich das Kind tatsächlich nur einige Wochen in der Gemeinschaftsunterkunft befunden und die überwiegende Zeit im Krankenhaus verbracht hatte. Aus diesem Umstand kann nicht geschlossen werden, dass sich das Kind nur vorübergehend gleichsam zu Besuch bei seinen Eltern aufgehalten hatte. Für eine solche Annahme spricht insbesondere auch nicht, dass die Eltern das Kind bereits zu der Zeit des Aufenthalts in der Gemeinschaftsunterkunft nicht gewollt hätten, wie der Beklagte behauptet, und es später in Schwerin in der Klinik zurückgelassen haben. Abgesehen davon, dass über die wahre Motivlage der Eltern nichts bekannt ist, spielt dies auch keine Rolle. Entscheidend ist, dass die Eltern ihr Kind tatsächlich in der ihnen zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft aufgenommen hatten und es dort, wenn auch nur jeweils für relativ kurze Zeiträume, betreut hatten. Die durch die Behinderungen und Erkrankungen des Kindes erforderlichen Klinikaufenthalte ändern daran nichts. Hinweise darauf, dass die Eltern den Aufenthalt ihres Kindes außerhalb der Klinikzeiten abweichend von ihrem eigenen gewöhnlichen Aufenthalt bestimmt hätten, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob die Eltern ihr Kind in der Unterkunft „wollten“. Entscheidend ist, dass die Eltern das Kind – ihrer elterlichen Sorgepflicht folgend – tatsächlich aufgenommen und betreut hatten.

11

Zwar endete der anzunehmende gewöhnliche Aufenthalt des Kindes mit dem Wegzug seiner Eltern aus Schwerin und seiner Aufnahme in das Kinderheim Zippendorf/Schwerin im Anschluss an die Entlassung aus der Klinik am 12. Mai 1993, weil in einer solchen Einrichtung ein gewöhnlicher Aufenthalt nach den zum damaligen Zeitpunkt geltenden §§ 109, 103 Abs. 4 BSHG i. d. F. d. B. vom 10. Januar 1991 – BSHG a. F. - (BGBl. I 1991, 94) nicht begründet werden konnte. Dies ändert aber im Ergebnis nichts an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes aus dem Kinderheim in Zippendorf/Schwerin in die Pflegefamilie im August 1993 bestimmte § 103 Abs. 1 Satz 2 BSHG a. F. für den Fall eines Übertritts eines Hilfeempfängers aus einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen den zur Kostenerstattung verpflichteten Träger nach dem gewöhnlichen Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war. Maßgeblich für die erste Einrichtung, das Kinderheim in Zippendorf/Schwerin, war die Beklagte wegen des vor der Unterbringung in dem Kinderheim bestehenden gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in der Gemeinschaftsunterkunft in Schwerin.

12

Auch der weitere Einwand der Beklagten, ein Teil des Erstattungsanspruchs für die Jahre 1997 bis 1999 sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts bei Klageerhebung bereits nach § 113 Abs. 1 SGB X verjährt gewesen, kann nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils führen. Insoweit verweist die Klägerin zutreffend darauf, dass die Beklagte die auch in den Fällen des § 113 Abs. 1 SGB X notwendige Einrede der Verjährung im erstinstanzlichen Klageverfahren nicht erhoben hat. Dies wäre nach der Rechtsprechung des Senats jedoch – den Eintritt der Verjährung unterstellt – Voraussetzung dafür gewesen, dass das Verwaltungsgericht den Anspruch der Klägerin teilweise hätte abweisen müssen (vgl. OVG M-V, Urt. v. 28.08.2007 - 1 L 59/05 -, zit. n. juris). Ohne eine solche Einrede durfte das Verwaltungsgericht dem geltend gemachten Anspruch nicht dessen (behauptete) teilweise Verjährung entgegenhalten.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine in der erstinstanzlichen Entscheidung wegen § 188 Satz 2 VwGO a. F. ausgesprochene Gerichtskostenfreiheit war im Zulassungsverfahren wegen der Änderung des § 188 VwGO durch Artikel 1 Nr. 26 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess – RmBereinVpG – v. 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, 3987), in Kraft getreten am 01. Januar 2002 (Artikel 7 RmBereinVpG), nicht auszusprechen. Seit dieser Änderung gilt die Gerichtskostenfreiheit gemäß § 188 Satz 2, 2.HS VwGO nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

14

Aus diesem Grunde war auch eine Entscheidung über den Streitwert notwendig; diese folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

15

Hinweis:

16

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

17

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

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(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde wird auf 250.000 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 RVG).

Tenor

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. März 2009 - 13 A 476/08, 13 A 477/08 und 13 A 478/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2009 - 13 A 798/09, 13 A 799/09 und 13 A 800/09 - gegenstandslos.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 24.000 € (in Worten: vierundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung in einer postregulierungsrechtlichen Streitigkeit.

I.

2

Gemäß § 19 Satz 1 des Postgesetzes (PostG) bedürfen Entgelte, die ein Lizenznehmer auf einem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen (vgl. § 5 Abs. 1, § 51 PostG) erhebt, der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde, sofern der Lizenznehmer auf dem betreffenden Markt marktbeherrschend ist. "Maßstäbe der Entgeltgenehmigung" enthält § 20 PostG.

3

Die "Arten und Verfahren der Entgeltgenehmigung" regelt § 21 PostG; nach dessen Absatz 1 genehmigt die Regulierungsbehörde Entgelte (entweder) auf der Grundlage der auf die einzelne Dienstleistung entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (Nr. 1) oder auf der Grundlage der von ihr vorgegebenen Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte für einen Korb zusammengefasster Dienstleistungen (Nr. 2, sog. Price-Cap-Regulierung).

4

Nach § 23 Abs. 1 PostG ist der Lizenznehmer verpflichtet, ausschließlich die von der Regulierungsbehörde genehmigten Entgelte zu verlangen. Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, sind mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an Stelle des vereinbarten Entgelts tritt. Fehlt es an einem genehmigten Entgelt, obwohl das Entgelt nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig ist, so sind die Verträge unwirksam (§ 23 Abs. 2 PostG).

II.

5

1. Am 26. Juli 2002 beschloss die (damalige) Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), die der Price-Cap-Regulierung (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 2 PostG) unterliegenden Dienstleistungen der "Deutsche Post AG", der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens der vorliegenden Verfassungsbeschwerde, entsprechend § 1 Abs. 2 der Post-Entgeltregulierungsverordnung (PEntgV) in drei Körbe zusammenzufassen. Die vom Beschwerdeführer, einem eingetragenen Verein, der nach seinen Angaben Kunde der Beigeladenen ist, hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln ab. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil blieb erfolglos (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. November 2004 - 13 A 4245/03 -, juris).

6

2. Mit Beschluss vom 12. September 2002 (Amtsblatt der RegPT 2002, S. 1448) genehmigte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die von der Beigeladenen zur Genehmigung vorgelegten Entgelte für das Jahr 2003. Entsprechende Beschlüsse ergingen am 24. September 2003 (Amtsblatt der RegTP 2003, S. 1193) für das Jahr 2004 und am 23. November 2004 (Amtsblatt der RegTP 2004, S. 1874) für das Jahr 2005.

7

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Genehmigungsbeschlüsse jeweils Klage, die vom Verwaltungsgericht Köln mit in der Begründung gleichen Urteilen vom 16. und 27. November 2007 abgewiesen wurde.

8

Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei der Beschwerdeführer klagebefugt. Zwar sei er nicht Adressat der Entgeltgenehmigung. Doch könne der angefochtene Beschluss in seine Rechte eingreifen. Denn der Beschwerdeführer könne sich auf einen möglichen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Eine unmittelbare Auswirkung auch gegenüber Kunden der Beigeladenen wie dem Beschwerdeführer sei bei dem angefochtenen Beschluss anzunehmen. Dies folge aus der Bestimmung des § 23 Abs. 2 PostG, wonach Verträge über Postdienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthielten, mit der Maßgabe wirksam würden, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts trete, und die Verträge unwirksam seien, wenn es an einem genehmigten Entgelt fehle, obwohl dieses nach § 19 PostG genehmigungsbedürftig sei. Danach stehe den Vertragsparteien keinerlei Gestaltungsspielraum zu. Allerdings habe das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht entschieden, ob der einzelne Kunde bei unmittelbarer Wirkung der Genehmigung stets die Klagebefugnis habe, um gegen für ihn relevante genehmigte Tarife zu klagen. Eine Klagebefugnis sei aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Kunde - wie hier der Beschwerdeführer - geltend mache, dass es an einer der Verfassung entsprechenden gesetzlichen Einschränkung der Privatautonomie fehle. Hinzu komme, dass eine Überprüfung der Entgelte durch die Zivilgerichte ausgeschlossen sei.

9

Die Klage sei jedoch nicht begründet. Der angefochtene Beschluss verletze den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten. Ob er im Übrigen rechtmäßig sei, könne deshalb dahinstehen. Ein subjektives Recht des Beschwerdeführers ergebe sich nicht aus den Vorschriften des PostG. Auch Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Zwar könne ein Verwaltungsakt, der ein Privatrechtsverhältnis unmittelbar gestalte, das von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Recht der Vertragsfreiheit verletzen. Dem Schutzbereich der Norm unterfalle prinzipiell auch die Freiheit, den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen mit der Gegenseite auszuhandeln. Allerdings gewährleiste Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Rechtsordnung. Zur verfassungsmäßigen Rechtsordnung in diesem Sinne gehörten alle formell und materiell im Einklang mit der Verfassung stehenden Rechtsnormen. Für eine Berufung auf die grundgesetzlich gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit sei daher kein Raum, soweit diese Freiheit durch ein ordnungsgemäß zustande gekommenes und inhaltlich verfassungsgemäßes Gesetz eingeschränkt sei. Dies sei durch die Vorschriften über die Entgeltregulierung von marktbeherrschenden Unternehmen, insbesondere die §§ 19 bis 23 PostG geschehen.

10

4. Der Beschwerdeführer beantragte die Zulassung der Berufung gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts und machte dabei neben dem Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auch den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend. Es fehle eine höchstrichterliche Klarstellung dahingehend, dass Postkunden ein subjektives Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Postentgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. PostG zustehe, so dass eine Überprüfung aufgrund der Entgeltbestimmungen des Postgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung erfolge.

11

5. In dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 19. März 2009 verband das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung und lehnte die Anträge auf Zulassung der Berufung ab.

12

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Urteile des Verwaltungsgerichts ergäben sich nicht daraus, dass dieses zwar die Klagebefugnis des Beschwerdeführers aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) in Verbindung mit einer fehlenden Überprüfbarkeit behördlich genehmigter Entgelte durch die Zivilgerichte angenommen, eine tatsächliche Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG aber nicht bejaht habe.

13

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sei ebenfalls nicht gegeben. Angesichts des dargelegten Ausgangspunkts der fehlenden Verletzung des Beschwerdeführers in eigenen subjektiven Rechten werde eine über den Einzelfall hinausgehende, verallgemeinerungsfähige und der Rechtsfortbildung und/oder -vereinheitlichung dienende Frage tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht aufgezeigt. Bei diesem Ansatz sei das Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei höchstrichterlich zu klären, dass Postkunden ein Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Entgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. PostG zustehe, nicht relevant. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts beruhten auf einer individuellen Wertung der Entgeltgenehmigungen in Bezug auf den Beschwerdeführer.

14

6. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde weiterhin angegriffenen Beschluss vom 23. Juni 2009 wies das Oberverwaltungsgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers gegen den Beschluss vom 19. März 2009 zurück.

III.

15

1. Mit seiner am 22. Juli 2009 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Justizgewährungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Daneben macht er eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und des Art. 103 Abs. 1 GG geltend.

16

Das Oberverwaltungsgericht habe § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise falsch angewendet und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Für die Entscheidung sei eine klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage entscheidungserheblich gewesen, die sich in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen könne und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühre.

17

Das Oberverwaltungsgericht setze sich mit seinem Beschluss diametral in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 2007 (I ZR 125/04, NVwZ-RR 2008, S. 154). Nach dessen Auffassung führe die Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts über die Entgeltfestsetzung dazu, dass eine zivilrechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltfestsetzung nicht möglich sei. Es sei, so der Bundesgerichtshof, mit Art. 19 Abs. 4 GG allerdings nicht zu vereinbaren, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten sowohl eine verwaltungsrechtliche als auch eine zivilrechtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt wäre.

18

Im Ergebnis verweigere das Oberverwaltungsgericht die vom Bundesgerichtshof aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes hergeleitete materielle Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltgenehmigung. Vom Bundesverwaltungsgericht sei die Frage bislang ersichtlich nicht entschieden worden.

19

2. Die Beigeladene des Ausgangsverfahrens meint, die Verfassungsbeschwerde müsse schon deshalb ohne Erfolg bleiben, weil der Beschwerdeführer den Antrag auf Zulassung der Berufung nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend begründet habe. In der Begründung des Berufungszulassungsantrags fänden sich weder Ausführungen dazu, ob und inwieweit sich die Frage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lasse, noch werde die Frage der Klärungsbedürftigkeit erschöpfend begründet. Das Oberverwaltungsgericht habe den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO im Übrigen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgelegt.

20

3. a) Dem Land Nordrhein-Westfalen und der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

21

b) Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Postrecht zuständigen 6. Revisionssenats übermittelt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Nichtzulassungsentscheidung äußert. Die vom Oberverwaltungsgericht gebilligte Rechtsauffassung der Vorinstanz führe dazu, dass die privatrechtsgestaltende Wirkung einer Entgeltgenehmigung für den Drittanfechtungskläger dann keine Rechtskreiserweiterung gegenüber eventuell ohnehin bestehenden subjektiven Rechten aus einfachem Recht bewirke, wenn das Regulierungsregime für den Bereich des Postwesens und der Telekommunikation eingreife. Dieser Rechtsstandpunkt sehe sich allerdings dem Einwand ausgesetzt, dass es (jedenfalls) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre, wenn dem Kunden bei staatlich regulierten Entgelten nicht nur eine zivilrechtliche Kontrolle, sondern auch eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung ihrer materiellen Rechtmäßigkeit versagt bliebe; dies lasse an der Richtigkeit der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts immerhin zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Davon abgesehen dürfte die in Rede stehende Begrenzung der subjektiven Rechte des Vertragspartners des regulierten Unternehmens im Anwendungsbereich sowohl des § 23 Abs. 2 PostG als auch des § 37 Abs. 2 TKG weit über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung erlangen, was eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nahegelegt hätte.

IV.

22

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG angezeigt (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat, wie sich aus der nachfolgenden Begründung ergibt, die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Berufungszulassung im Verwaltungsprozess bereits hinlänglich geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist im Hinblick auf die Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 19. März 2009 zulässig und offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Mit der Aufhebung dieses Beschlusses wird der Beschluss vom 23. Juni 2009 gegenstandslos.

23

1. Unzulässig ist allerdings die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da sie nicht näher begründet worden ist.

24

2. Zulässig ist hingegen die jedenfalls der Sache nach geltend gemachte Rüge einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Insbesondere hat der Beschwerdeführer in Bezug auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), dessen willkürliche Anwendung er ausschließlich rügt, den Rechtsweg ordnungsgemäß erschöpft.

25

Das Oberverwaltungsgericht beanstandet nicht, dass der Beschwerdeführer den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt hätte. Dafür ist auch nichts erkennbar.

26

Zwar beschränkt sich der Beschwerdeführer insoweit in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung auf die Forderung nach einer "höchstrichterlichen Klarstellung dahingehend, dass Postkunden ein subjektives Klagerecht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Postentgeltgenehmigungen gemäß §§ 19 ff. PostG zusteht und dass eine Überprüfung aufgrund der Entgeltbestimmungen des Postgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung erfolgt". Doch dürfen diese Ausführungen nicht isoliert betrachtet werden. Das verfassungsrechtliche Gebot, den Rechtsweg nicht in unzumutbarer Weise zu erschweren (ausführlich unten 3 b), zwingt die Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe bei der Prüfung der Zulassungsgründe dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>). Infolgedessen müssen auch die eingehenderen Ausführungen des Beschwerdeführers zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in die Betrachtung mit einbezogen werden. Bereits in diesen hatte der Beschwerdeführer - jedenfalls der Sache nach - darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht sich noch nicht mit der Frage, ob dem Postkunden ein Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 PostG zusteht, beschäftigt hat. Schon hiermit hatte der Beschwerdeführer eine konkrete, seiner Auffassung nach noch nicht geklärte Rechtsfrage aufgeworfen, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts offensichtlich von Bedeutung war. Bei seinen Ausführungen zum Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO griff er dies offensichtlich lediglich noch einmal auf und verwies zudem in diesem Zusammenhang auf die Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass die Genehmigung der - hier in Rede stehenden - Postentgelte auch von Kunden angefochten werden können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04 -, NVwZ-RR 2008, S. 154 <156 [Rn. 27 ff.]>).

27

Dass die Frage über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung hat, liegt auf der Hand. Sogar der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen im Ausgangsverfahren hält es für wünschenswert, "dass die damit zusammenhängenden Rechtsfragen auch Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung werden, um sie so einer endgültigen Klärung zuzuführen" (vgl. Gerstner/Lünenbürger, DVBl 2009, S. 1458 <1465>). Angesichts dessen bedurfte es im vorliegenden Fall keines ausdrücklichen Hinweises auf die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtssache.

28

3. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 19. März 2009 verletzt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Das Oberverwaltungsgericht hätte zur Klärung der Frage, ob ein Postkunde einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 PostG hat, die Berufung zulassen müssen, da er das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ohne Verfassungsverstoß nicht verneinen konnte.

29

a) Die vom Beschwerdeführer insofern in erster Linie auf den allgemeinen Justizgewährungsanspruch gestützte Rüge bezieht sich der Sache nach auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, der für den Bereich des Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt - wie die im Ausgangsverfahren angefochtenen Entgeltgenehmigungen - speziellen Regelung (vgl. BVerfGE 107, 395 <403>).

30

b) Wenn prozessrechtliche Vorschriften Rechtsbehelfe vorsehen, verbietet die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG den Gerichten eine Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften, die die Beschreitung des Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschweren (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 78, 88 <99>; 84, 366 <369 f.>; 104, 220 <232>). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten. Deshalb dürfen insbesondere die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (vgl. BVerfGK 5, 369 <373>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, S. 1163 <1164>) und dadurch die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leer läuft (vgl. BVerfGK 5, 369 <374>; 10, 208 <213>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009 - 1 BvR 2524/06 -, NVwZ 2009, S. 515 <516>). Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegungen der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise ebenso für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGK 10, 208 <213>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009, a.a.O.). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine den Zugang zur Berufung und damit in einem nächsten Schritt auch zur Revision erschwerende Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen, sich damit als objektiv willkürlich erweist und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642).

31

c) Das Oberverwaltungsgericht hat den Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in sachlich nicht vertretbarer Weise angewandt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Es hätte der Rechtssache bei der gebotenen Berücksichtigung dieses Grundrechts grundsätzliche Bedeutung beimessen müssen.

32

Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts geboten erscheint; der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>).

33

Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob ein Postkunde einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung nach § 22 Abs. 2, Abs. 3 PostG hat, erfüllt diese Voraussetzungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit ihr noch nicht beschäftigt. Der Bundesgerichtshof hat sie - anders als das Verwaltungsgericht, jedoch ohne Bindung für dieses - bejaht. Der Hinweis des Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss über die Anhörungsrüge vom 23. Juni 2009, das Urteil des Bundesgerichtshofs enthalte keine Ausführungen zu den Zulässigkeits- und Begründetheitserfordernissen verwaltungsgerichtlicher Klagen, verkennt, dass sich angesichts des Standpunkts des Bundesgerichtshofs, der im Übrigen ersichtlich davon ausgeht, dass der Postkunde nicht nur klagebefugt ist, sondern auch und vor allem einen Anspruch auf eine (verwaltungsgerichtliche) Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit hat (vgl. Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04 -, NVwZ-RR 2008, S. 154 <156>), die Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit verengt hat.

34

In der zur Zeit der angegriffenen Entscheidungen vorhandenen Literatur wurde die Frage auch unterschiedlich beantwortet (vgl. Lübbig, in: Beck'scher PostG-Kommentar, 2. Auflage 2004, § 22 Rn. 65 ff. einerseits, Gramlich, CR 2000, S. 816 <823> andererseits; siehe neuerdings auch Gerstner/Lünenbürger, DVBl 2009, S. 1458 ff.; Ruffert, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, 2010, § 11 Rn. 74 mit Fn. 144; vgl. ferner Mayen, MMR 2000, S. 117 ff. zur telekommunikationsrechtlichen Entgeltregulierung).

35

Die Zuerkennung der Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO durch die Verwaltungsgerichte ist für den Postkunden ohne Wert, wenn im Rahmen der Begründetheit der Klage ausschließlich darauf abgestellt wird, dass selbst bei Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts eine Verletzung in eigenen Rechten ausscheidet. Mit seinem Standpunkt stellt das Oberverwaltungsgericht den Beschwerdeführer, was die obergerichtliche und in einem sich dann möglicherweise anschließenden Revisionsverfahren höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Frage betrifft, praktisch rechtsschutzlos, da der Bundesgerichtshof insofern die Verwaltungsgerichte am Zuge sieht, bei diesen aber die Berufungszulassung verweigert wird.

36

Die Begründung des Oberverwaltungsgerichts dafür, dass der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vorliegen soll, ist nicht vertretbar. Der Beschwerdeführer wollte offensichtlich geklärt wissen, ob ein Kunde der Beigeladenen einen Anspruch auf eine inhaltliche Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Entgeltgenehmigung hat. Das Oberverwaltungsgericht geht hingegen von der von ihm im Rahmen des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angenommenen "fehlenden Verletzung des Klägers in eigenen subjektiven Rechten" sowie der "individuellen Wertung der Entgeltgenehmigungen in Bezug auf den Kläger" aus. Dass sich der Beschwerdeführer von anderen Kunden der Beigeladenen unterscheiden soll, behauptet das Oberverwaltungsgericht indes nicht und ist auch nicht ersichtlich. Auch die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts (sowie des Verwaltungsgerichts) zur (angeblich) fehlenden Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten gehen nicht vom Einzelfall aus, sondern beanspruchen ersichtlich Geltung für alle Postkunden und hätten deshalb einer grundsätzlichen Klärung bedurft.

37

4. Da die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses bereits auf der Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wegen der Nichtzulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruht, bedarf es keiner Entscheidung, ob das Oberverwaltungsgericht mit der - vom Beschwerdeführer ohnehin nicht ausdrücklich gerügten - Verneinung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Urteile (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ebenfalls die Garantie effektiven Rechtsschutzes verletzt hat.

38

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

39

Die Festsetzung des Gegenstandswerts erfolgt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>). Der Wert von - hier wegen der drei Ausgangsverfahren dreimal - 8.000 € entspricht demjenigen, der in der Regel festgesetzt wird, wenn einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben wird. Er erscheint auch hier angemessen. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen hier Besonderheiten auf, die eine Abweichung veranlassen würden. Eine Festsetzung, die am Streitwert des Ausgangsverfahrens orientiert ist, ist nicht angezeigt, denn mit der stattgebenden Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ist keine Vorwegnahme der nach Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht zu treffenden Entscheidung verbunden.

40

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Erstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Rückerstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches geht dessen Erstem Kapitel vor, soweit sich die Ermittlung des Sachverhaltes auf Sozialdaten erstreckt.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. April 2005 - 6 A 77/04 - teilweise geändert:

Der Beklagte zu 1. wird verpflichtet, die Gewährung der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.), geboren am ..., ab Rechtskraft des Urteils in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin die zu Gunsten der Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.) rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles zu erstatten.

Gerichtskosten werden für das erstinstanzliche Verfahren nicht erhoben. Der Beklagte zu 1. trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das erstinstanzliche Verfahren zur Hälfte und seine eigenen außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens selbst. Die Klägerin trägt im erstinstanzlichen Verfahren die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. und die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten selbst.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 1. trägt die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten zu 1. die Übernahme des Hilfefalles der Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.) in dessen eigene Zuständigkeit und macht einen sozialhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruch für die von ihr in diesem Hilfefall aufgewandten Sozialhilfekosten geltend.

2

Die Hilfeempfängerin wurde am ... 1933 in Lublin/Polen geboren. Bei ihrer Mutter handelte es sich um Frau A. T., die am ... 1907 in P., Kreis Lublin, geboren worden war. Die Mutter besaß zunächst die polnische Staatsangehörigkeit. Die Hilfeempfängerin lebte wohl bis zum 24. Juli 1940 in Lublin im damaligen sogenannten "Generalgouvernement". Spätestens am 24. Juli 1940 beantragte die Mutter der Hilfeempfängerin ausweislich des Stammblattes Nr. ... bei der Einwandererzentralstelle Nord-Ost, Nebenstelle Lodz/Staatsangehörigkeitsstelle die Einbürgerung. Im Stammblatt ist vermerkt "Rassezugeh. arisch". Mit Verfügung vom 24. Juli 1940 wurde zur Nummer .../Äu verfügt, dass die Einbürgerung antragsgemäß zu vollziehen sei. In der Verfügung heißt es, für das Kind L. sei eine besondere Urkunde zu erstellen. Am 29. November 1940 bestätigte die Mutter den Erhalt der Einbürgerungsurkunde für ihre Tochter, die Hilfeempfängerin. Laut Abschrift der Einbürgerungsurkunde erwarb L. T. in Lublin, geboren am ... 1933 in Lublin, mit dem Zeitpunkt der Aushändigung der Urkunde die deutsche Staatsangehörigkeit (Reichsangehörigkeit) durch Einbürgerung. Vom 08. August 1940 datiert ein Dokument der Staatsangehörigkeitsstelle betreffend A. und L. T. unter Angabe des "Durchschleusungsortes" Lublin sowie des Wohnortes Lublin. Nach Maßgabe der vorliegenden Unterlagen erhielt die Mutter der Hilfeempfängerin einen sogenannten Rückkehrerausweis.

3

Gemäß Sterbeurkunde des Standesbeamten in Te. vom 19. August 1948 verstarb Frau A. T., wohnhaft in N.-G., am ... 1948 um 2.30 Uhr in N.-G.. Das Geburtsdatum der Verstorbenen wird mit dem ... 1907 angegeben. Weiter heißt es, die Verstorbene sei nicht verheiratet gewesen. Die entsprechende Eintragung erfolgte auf mündliche Anzeige der Totenkleiderin Frau L. V. in Te., die als Anzeigende bekannt sei und erklärt habe, aus eigener Wissenschaft von dem Sterbefall unterrichtet zu sein.

4

Unter dem 28. August 1948 bescheinigte der Bezirksarzt für den Bezirk Te... Dr. med. H. K... aus Te... in Mecklenburg, dass L. T. aus Te., N.-G. heimpflegebedürftig sei. Zur Vorgeschichte wurde u.a. angegeben, dass die Hilfeempfängerin ihren Namen nennen könne, nicht jedoch den Geburtstag und Geburtsort.

5

Mit Schreiben vom 21. Oktober 1948 beantragte der Rat der Stadt Te. beim Rat des Kreises Rostock die Heimaufnahme für L. T., geboren am ... 1933, "wohnhaft Te., N.-G.". Dabei wurde Bezug genommen auf einen Antrag der Gemeindeschwester A. P., Te.. Im Antrag heißt es, nachdem das Kinderhaus G. die Aufnahme der Hilfeempfängerin abgelehnt habe, werde gebeten, dieselbe in einem anderen Heim unterzubringen. Das Kind sei infolge eines Bombenangriffes geistesgestört, jedoch nur zeitweilig. Vielleicht werde es möglich sein, das Kind in U. unterzubringen. Da es unmöglich sei, L. T. in N.-G. weiterhin zu halten, werde dringend um Heimaufnahme gebeten. In der Anlage werde ein Rückkehrer-Ausweis der verstorbenen Frau T. sowie eine Pflegebedürftigkeitsbescheinigung übersandt.

6

Auf diesen Antrag hin erteilte der Rat des Kreises Rostock unter dem 30. Oktober 1948 die Genehmigung der Aufnahme der Hilfeempfängerin in der Heil- und Pflegeanstalt U. .

7

Daraufhin wandte sich der Rat der Stadt Te. mit Schreiben vom 15. November 1948 an die Heil- und Pflegeanstalt U. in Betreff "Heimaufnahme für das Kind L. T., geb. ...33, wohnhaft in Te., N.-G.": Auf Veranlassung des Kreissozialamtes werde das hilfsbedürftige Waisenkind L. T. aus Te., N.-G. zur Heimaufnahme nach U. überwiesen. Die Genannte werde am Freitag, den 19. November 1948 in der Pflegeanstalt abgeliefert werden.

8

Bei den dem Gericht vorliegenden Unterlagen findet sich eine entsprechende Wohnungsabmeldung bzw. "Abmeldung bei der polizeilichen Meldebehörde". Darin heißt es, die Hilfeempfängerin sei am 16. November 1948 nach U. in die dortige Pflegeanstalt verzogen. Letzte Wohnung sei Te., N.-G., gewesen. Als Staatsangehörigkeit ist vermerkt: "DR".

9

Am 20. November 1948 erfolgte die Aufnahme der Hilfeempfängerin in die Heil- und Pflegeanstalt U. . Von dort aus wurde sie am 05. September 1954 in das Krankenhaus für Psychiatrie Br. entlassen bzw. dort als Pflegefall aufgenommen. Dort, in der späteren Landesklinik Br. bzw. im heutigen A. Fachklinikum Br. lebt die körperlich (Taubheit) und geistig behinderte Hilfeempfängerin seit ihrer Aufnahme.

10

Ihr wurde, wie bereits zuvor jedenfalls seit 1991, seit dem 01. Januar 1995 Hilfe in besonderen Lebenslagen als Eingliederungshilfe nach den §§ 27 Abs. 2 und 3, 39 Abs. 1, 40 Abs. 1 BSHG a.F. und wohl seit Januar 2005 nach den entsprechenden Vorschriften des SGB XII gewährt, zunächst vom Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg und ab Januar 1996 bis heute von der Klägerin.

11

Mit Schreiben vom 11. Juli 2000 wandte sich die Klägerin an die Stadt Te. zwecks Aktenübergabe und Anmeldung eines Erstattungsanspruchs betreffend die Hilfeempfängerin. Die Hilfeempfängerin erhalte seit 1991 Sozialhilfeleistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte in der Einrichtung Landesklinik Br. und habe den gewöhnlichen Aufenthalt vor der ersten Heimaufnahme im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern begründet; als Anschrift sei Te. ermittelt worden. Die Klägerin beabsichtige, die Hilfegewährung entsprechend § 2 Abs. 3 SGB X bis zum Ende des Monats August 2000 fortzuführen und bitte um Übernahme des Falles bis zum 01. September 2000. Sie melde Kostenerstattung gemäß § 2 Abs. 3 SGB X i.V.m. § 102 Abs. 2 SGB X ab 27. Juni 1993 bis zum Ende der Leistungsgewährung an.

12

Mit Schreiben vom 18. Juli 2000 erklärte die Stadt Te. im Namen des Beklagten zu 1., die Hilfeempfängerin sei nicht in Te. gemeldet gewesen. Eine Kostenübernahme könne nicht stattfinden. Mit Schreiben vom 02. November 2000 bat die Klägerin die Stadt Te. nochmals um Prüfung der Zuständigkeit zur Übernahme des Hilfefalles. Unter dem 15. November 2000 übersandte die Stadt Te... die Akte der Hilfeempfängerin zur weiteren Bearbeitung an den Beklagten zu 1. Der Beklagte zu 1. wandte sich mit Schreiben vom 24. Januar 2001 an den Beklagten zu 2. und teilte mit, man habe die Unterlagen zur Übernahme des Hilfefalles in die Zuständigkeit des Beklagten zu 1. und gleichzeitig den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin für die Hilfeempfängerin geprüft. Der Beklagte zu 1. halte die Krankenblätter als Nachweis für den gewöhnlichen Aufenthalt vor Heimaufnahme für nicht ausreichend. Weitere Ermittlungen seien erfolglos geblieben.

13

Am 27. Dezember 2000 hat die Klägerin - zunächst nur gegen den Beklagten zu 2. - wegen Kostenerstattung gemäß § 2 Abs. 3 SGB X Klage erhoben (Az. 6 A 3107/00 VG Schwerin). Den Beklagten zu 1. hat sie mit am 19. Juni 2002 eingegangenen Schriftsatz in das Verfahren einbezogen.

14

Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen,

15

die Hilfeempfängerin habe ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor Heimaufnahme in N.-G. bei Te., Land Mecklenburg-Vorpommern, mithin im Bereich des Beklagten zu 1. gehabt. Seitdem habe sich die Hilfeempfängerin ununterbrochen in Einrichtungen aufgehalten. Folglich habe sie auch keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Mit Wirksamwerden des § 97 Abs. 2 BSHG n.F. sei der Beklagte örtlich zuständig geworden. Im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten zu 1., dass der gewöhnliche Aufenthalt der Hilfeempfängerin im Landkreis Bad Doberan vor Aufnahme in eine Einrichtung von der Klägerin nicht substantiiert dargestellt worden sei, werde darauf hingewiesen, dass dem Amt für Soziales und Wohnen der Klägerin als Beweis lediglich die Kopie des Krankenblattes der Heil- und Pflegeanstalt U. vorliege. Aus diesem gehe hervor, das der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Hilfeempfängerin vor Aufnahme in die Pflegeanstalt Te. in N.-G. gewesen sei. Andere Beweise könnten hierzu nicht beigebracht werden. Bezüglich der Anmeldung des Kostenerstattungsanspruchs greife der Grundgedanke des § 5 Abs. 2 BSHG Platz.

16

Die Klägerin habe gegen den Beklagten zu 1. einen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X. Sie sei gemäß den §§ 2 Abs. 1, 2a AG-BSHG Brandenburg i.V.m. § 100 Abs. 1 BSHG sachlich zuständig für Hilfe in besonderen Lebenslagen für die in § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten Personen, wenn es wegen deren Behinderung oder Leidens erforderlich sei, die Hilfe in einer Einrichtung zu erbringen. Die Hilfeempfängerin gehöre zu diesem Personenkreis; sie erhalte Hilfe in besonderen Lebenslagen. Wegen ihrer Behinderung sei es erforderlich, die Hilfe stationär zu erbringen. Die Klägerin sei auch aktivlegitimiert.

17

Mit am 30. November 2001 eingegangenem Schriftsatz vom 19. November 2001 hat die Klägerin ihren Kostenerstattungsanspruch für die Zeit vom 01. Januar 1996 bis zum 30. Juni 2001 nach Maßgabe einer kurzen Berechnung beziffert. Im Zeitraum vom 01. Januar 1995 bis zum 28. Februar 2001 seien ihr Kosten in Höhe von 337.275,33 DM entstanden.

18

Nach einer entsprechenden Klageänderung mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2003 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 12. Januar 2004 - 6 A 3107/00 - getrennt und die Klage, soweit sie nunmehr allein gegen den Beklagten zu 1. gerichtet worden ist, unter dem Az. 6 A 77/04 fortgeführt. Ferner hat das Verwaltungsgericht das Verfahren zum Az. 6 A 3107/00 wegen der sinngemäßen Rücknahme der Klage gegen den Beklagten zu 2. eingestellt.

19

Mit am 30. Dezember 2004 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat die Klägerin ihre Klage erweiternd erneut gegen den Beklagten zu 2. als weiteren Beklagten gerichtet. Ihrem am 06. Januar 2005 eingegangenen Schriftsatz im Original hat die Klägerin Kostenaufstellungen für die Jahre 1999 bis August 2004 beigefügt. Es ergebe sich ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 174.560,49 Euro.

20

Zuletzt hat die Klägerin beantragt,

21

den Beklagten zu 1., den Landkreis Bad Doberan, zu verurteilen, die Gewährung der Sozialhilfe an die Hilfeempfängerin L. T., geboren am ... 1933, unverzüglich in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen,

22

festzustellen, dass der Beklagte zu 1., der Landkreis Bad Doberan, verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, die rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin L. T. für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu erstatten,

23

festzustellen, dass der Beklagte zu 2., das Land Mecklenburg-Vorpommern, verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, die rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin L. T. für die Zeit vom 01.07.1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu erstatten

24

Im Übrigen hat die Klägerin - wie schon zuvor schriftsätzlich - in der mündlichen Verhandlung die Klage für Leistungszeiträume vor dem 01. Juli 1999 zurückgenommen.

25

Der Beklagte zu 1. hat beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Der Beklagte zu 2. hat beantragt,

28

die Klage abzuweisen.

29

Der Beklagte zu 2. hat im Wesentlichen vorgetragen,

30

der Klägerin stünden die Ansprüche auf Übernahme der Hilfegewährung und Kostenerstattung aus § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X gegen das beklagte Land nicht zu. Der Beklagte zu 2. sei nicht passivlegitimiert. Die Klägerin sei zudem im Hinblick auf die Zuständigkeitsbestimmungen des Landes Brandenburg nicht aktivlegitimiert.

31

Mit Urteil vom 06. April 2005 - 6 A 77/04 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

32

Soweit die Klage zurückgenommen worden sei, sei das Verfahren einzustellen.

33

Soweit der Beklagte zu 2. auf Kostenerstattung in Anspruch genommen werde, sei dieser bereits nicht zuständig für die begehrte Kostenerstattung. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald sei der überörtliche Träger der Sozialhilfe für die Erfüllung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG 1991/§ 2 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht passivlegitimiert, und zwar auch, soweit es um Zeiträume gehe, die vor dem 01. Januar 2002 lägen.

34

Aber auch die Klage gegen den Beklagten zu 1. - für den Beklagten zu 2. gelte dies ebenso - habe keinen Erfolg. Der Beklagte zu 2. habe den Hilfefall weder in eigene Zuständigkeit zu übernehmen, noch sei er zur Kostenerstattung für die Sozialhilfekosten verpflichtet. Die Hilfeempfängerin habe nicht im Sinne von § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Aufnahme in einer Einrichtung oder in den letzten zwei Monaten vor Aufnahme im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu 2. gehabt. Das Gericht sei auf der Grundlage der durch die Beteiligten beigebrachten Unterlagen nicht hinreichend davon überzeugt, dass die damals noch minderjährige Hilfeempfängerin bis unmittelbar vor der von dann an ununterbrochenen fortdauernden Unterbringung in brandenburgischen Einrichtungen nach Maßgabe des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Gebiet des heutigen Beklagten zu 1. (oder Beklagten zu 2.) gehabt habe. Das Verwaltungsgericht führt dies ausführlich mit Blick auf die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebene Aktenlage aus. Diese nachhaltenden Zweifel am letzten gewöhnlichen Aufenthalt der Hilfeempfängerin vor der Heimaufnahme auf dem Gebiet des heutigen Beklagten zu 1. - entsprechendes gelte auch für das Gebiet des Beklagten zu 2. - gingen zu Lasten der dafür nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast nachweispflichtigen Klägerin. Anhaltspunkte für eine weitergehende Amtsermittlung sehe das Gericht nicht.

35

Das Urteil wurde der Klägerin am 28. Juni 2005 zugestellt.

36

Am 27. Juli 2005 hat die Klägerin Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen Antrag mit am 26. August 2005 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie hat dabei umfangreiche Unterlagen zum Schicksal bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin vor und nach ihrer erstmaligen Aufnahme in einer Einrichtung vorgelegt.

37

Mit Beschluss vom 05. Juni 2007 hat der Senat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. April 2005 - 6 A 77/04 - zugelassen, soweit mit dem Urteil die Klage gegen den Beklagten zu 1. abgewiesen worden ist, hingegen, soweit mit dem Urteil die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen worden ist, den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Der Beschluss ist der Klägerin am 13. Juni 2007 zugestellt worden.

38

Mit am 09. Juli 2007 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Fristverlängerung bis zum 31. Juli 2007 zur Abgabe der Berufungsbegründung beantragt, die entsprechend bewilligt wurde. Mit am 31. Juli 2007 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin ihre Berufung begründet.

39

Sie trägt im Wesentlichen vor,

40

die Berufung sei begründet, weil das erstinstanzliche Urteil zu Unrecht gegenüber dem Beklagten zu 1. sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht Ansprüche der Klägerin wegen fehlenden gewöhnlichen Aufenthaltes negiere. Die Klägerin habe sowohl einen Kostenerstattungsanspruch als auch einen Anspruch auf Übernahme des Hilfefalles.

41

Auf der Grundlage der inzwischen vorgelegten Unterlagen lasse sich vom rechtlichen wie tatsächlichen her ein gewöhnlicher Aufenthalt der damals minderjährigen Hilfeempfängerin L. T. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu 1. bejahen. Das Verwaltungsgericht habe zudem die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Klägerin überdehnt. Ausschlaggebend sei insbesondere, dass sich die Hilfeempfängerin nach Aktenlage mehrere Monate und damit einen längeren Zeitraum im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgehalten habe; eine längere tatsächliche Verweildauer reiche regelmäßig zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes aus. Die Hilfeempfängerin sei damals minderjährig gewesen. Demnach habe nur derjenige den Aufenthalt bestimmen können, der auch die Personensorge nach § 1626 BGB für das geschäftsunfähige Kind gemäß § 104 Nr. 2 BGB ausgeübt habe. Der damalige Kreis Rostock habe den Aufenthaltsort für das Kind bestimmt und per Erklärung auch die Kosten für die Unterbringung übernommen.

42

Der geltend gemachte Prozesszinsanspruch ergebe sich aus den §§ 288, 291 BGB analog. Für den Zeitraum vom 01. Juli 1999 bis August 2004 habe sie mit am 06. Januar 2005 dort eingegangenem Schriftsatz vom 30. Dezember 2004 dem erstinstanzlichen Gericht die monatlichen Sozialhilfeaufstellungen für den sogenannten Zeitraum überreicht, sodass für diesen Teilbetrag des Kostenerstattungsanspruchs in Höhe von insgesamt 169.309,65 Euro der Prozesszinsanspruch auch ab diesem Zeitpunkt, nämlich dem 06. Januar 2005 entstanden sei. Denn wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 22. Februar 2001 - 5 C 34.00 - ausführe, reiche es im Rahmen einer Feststellungsklage für das Zusprechen von Prozesszinsen aus, dass der Kläger seine aufgewendeten Kosten nach Zeit und Betrag genauestens substantiiert habe, sodass der Umfang der Geldleistung - wie hier für den vorgenannten Zeitraum - jederzeit rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden könne. Abweichende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtslage bei der Verpflichtungsklage sei vorliegend nicht übertragbar.

43

Einwände gegen die mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2004 überreichten monatlichen Kostenaufstellungen habe der Beklagte nicht geltend gemacht.

44

Mit Schriftsatz vom 15. August 2007 hat die Klägerin die erbrachten Leistungen auf 282.774,53 Euro für den Zeitraum 07/1999 bis 30.04.2007 beziffert.

45

Die Klägerin beantragt,

46

1. den Beklagten zu 1. zu verurteilen, die Gewährung der Sozialhilfe an die Hilfeempfängerin L. T., geb. am ... 1933, unverzüglich in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen,

47

2. in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 06. April 2005 festzustellen, dass der Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin die rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin L. T. für die Zeit vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles nebst 4 % Zinsen (aus 177.326,00 Euro) seit Rechtshängigkeit (seit dem 06.01.2005) zu erstatten.

48

Der Beklagte zu 1. beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen,

50

und trägt vor,

51

auch die neu vorgelegten Unterlagen erbrächten nicht den hinreichenden Nachweis dafür, dass die Hilfeempfängerin vor erstmaliger Aufnahme in einer Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich begründet habe. Selbst wenn von einem tatsächlichen Aufenthalt der Hilfeempfängerin auszugehen gewesen wäre, fehle es an der für den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I erforderlichen subjektiven Komponente. Grundsätzlich komme es bei Minderjährigen, erst recht bei geistig behinderten Menschen auf den Willen der Sorgeberechtigten an. Bezüglich der Mutter werde nun behauptet, dass diese am ... 1948 in N.-G. verstorben sei. Hieraus solle wohl der Wille der Mutter der Hilfeempfängerin zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts geschlossen werden. Als Beweis für diese Behauptung werde in Kopie eine Sterbeurkunde datiert vom 19. August 1948 vorgelegt. Diese Sterbeurkunde habe jedoch bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts der Hilfeempfängerin keinerlei Beweiskraft. Aus ihr ergebe sich lediglich, dass am ...1948 eine Frau namens A. T. aus N.-G. verstorben sei. Ausgestellt worden sei diese Urkunde aufgrund der mündlichen Anzeige der Frau L. V. aus Te.. Aus der Urkunde gehe nicht hervor, dass es sich hier um die Mutter der Hilfeempfängerin gehandelt habe. Ebenso gut habe es sich um eine Verwandte handeln können. Wie das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt habe, bestünden auf Grund der Herkunft der Hilfeempfängerin Zweifel, ob der Name T. überhaupt der wirkliche Name der Hilfeempfängerin sei, sodass es auch möglich sei, dass die Hilfeempfängerin überhaupt nicht mit der A. T. verwandt sei. Da auch weiterhin offen bleibe, ob statt auf den Willen der Eltern auf den eines bestellten Vormunds habe zurückgegriffen werden können, müsse auf den tatsächlichen Willen der damals noch minderjährigen Hilfeempfängerin zurückgegriffen werden. Wie bereits in der Urteilsbegründung auf Seite 9 richtig herausgearbeitet worden sei, dürfte die Willensbildung zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts bei einem zumindest zeitweilig geistig behinderten Mädchen prinzipiell schwer nachvollziehbar sein. Dass ein solcher Wille der Hilfeempfängerin, sich überhaupt bzw. weiterhin in N.-G. zukunftsoffen bis auf weiteres aufzuhalten, wenig wahrscheinlich sei, gehe aus den Akten hervor. Dort heiße es, dass es unmöglich sei, die Hilfeempfängerin weiterhin in N.-G. zu halten. Dies spreche gegen den tatsächlichen Willen der Hilfeempfängerin, in N.-G. ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Die materielle Beweislast liege bei der Klägerin.

52

Der Beklagte zu 1. hat zudem die Höhe der geltend gemachten Kosten mangels Vorliegen entsprechender Nachweise bestritten. Bei der Kostenentscheidung müsse berücksichtigt werden, dass die Nachweise zum gewöhnlichen Aufenthalt erst im Zulassungsverfahren vorgelegt worden seien und der Beklagte für das Berufungsverfahren keinen Anlass gegeben habe.

53

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

54

Die zulässige Berufung der Klägerin hat - soweit sie durch den Senat zugelassen worden ist - im Wesentlichen Erfolg.

55

Gegenstand der Berufung ist nach ihrer nur teilweisen Zulassung - nur soweit sie gegen den Beklagten zu 1. gerichtet ist - zum einen das Begehren der Klägerin, ihrer Leistungsklage gerichtet auf Verurteilung des Beklagten zu 1. zur Übernahme des Hilfefalles in eigene Zuständigkeit möge stattgegeben werden. Zum anderen begehrt sie mit ihrer Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens eines Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach für den Leistungszeitraum ab dem 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles nebst Zinsen in näher bezeichneter Höhe.

56

Die Berufung ist im Wesentlichen hinsichtlich des Anspruchs auf Übernahme des Hilfefalles (1.) und des auf Feststellung des Anspruchs auf Kostenerstattung dem Grunde nach gerichteten Begehrens (2.) begründet; unbegründet ist sie hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Zinsforderung (3.).

57

1. Die zulässige allgemeine Leistungsklage gerichtet auf Verurteilung des Beklagten zu 1. zur Übernahme des Hilfefalles in die eigene Zuständigkeit ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1. einen Anspruch darauf, dass dieser die Gewährung der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.), geb. am ...1933, ab Rechtskraft des Urteils in die eigene Zuständigkeit übernimmt.

58

Anspruchsgrundlage für das Übernahmebegehren der Klägerin ist § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Hat die örtliche Zuständigkeit gewechselt, muss nach dieser Vorschrift die bisher zuständige Behörde die Leistungen noch solange erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Dieser Norm ist nicht nur zu entnehmen, dass die bisher örtlich zuständige Behörde dem Hilfeempfänger gegenüber zur Leistung verpflichtet bleibt. Mit dieser Verpflichtung geht vielmehr der Anspruch einher, von der örtlich zuständig gewordenen Behörde die Fortsetzung der Leistung und mithin die Übernahme des Hilfefalles in die eigene Zuständigkeit verlangen zu können. Anderenfalls hätte es die zuständig gewordene Behörde in der Hand, hinsichtlich der Übernahme durch schlichtes Unterlassen die gesetzliche Zuständigkeitsordnung zu umgehen und die bisher zuständige Behörde bei fortdauernder Belastung mit dem Verwaltungsaufwand für den Hilfefall auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X zu verweisen.

59

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X liegen nach Überzeugung des Senats vor.

60

Die örtliche Zuständigkeit für die zur Zeit durch die Klägerin an Frau L. T. erbrachten Leistungen der Sozialhilfe hat durch Art. 7 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I 944) gewechselt. Nach dem bis dahin geltenden § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG a.F. war für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende tatsächlich aufhielt. Es galt das reine Aufenthaltsprinzip. Ab dem In-Kraft-Treten des FKPG zum 27. Juni 1993 (vgl. Art. 43 Abs. 1 FKPG) wurde in § 97 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BSHG bestimmt, dass für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat (Satz 1). War bei Einsetzen der Sozialhilfe der Hilfeempfänger aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Hilfebeginn ein solcher Fall ein, dann ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend (Satz 2).

61

Dass die Hilfeempfängerin stationärer Hilfe bedurfte und bedarf, kann nach Aktenlage nicht zweifelhaft sein. Die Hilfeempfängerin befindet sich seit 1948 ununterbrochen in einer Einrichtung bzw. stationärer Unterbringung. Das Bild der hierfür ursächlichen Behinderung der Hilfeempfängerin ergibt sich insbesondere aus dem Sachstandsbericht und Hilfeplan vom 18. Mai 1999. Am 10. Juni 1998 wurde zudem eine Abhängigkeit von Unterstützung und Hilfe im Klinikrahmen unter dem Blickwinkel des Hospitalismus festgestellt. Der Beklagte zu 1. hat diesbezüglich unsubstantiiert formulierte Zweifel in der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt.

62

Die örtliche Zuständigkeit hat am 27. Juni 1993 vom sachlich zuständigen Sozialhilfeträger am tatsächlichen Aufenthaltsort der Hilfeempfängerin in Br. - der Klägerin - nach Maßgabe dieser Bestimmung zum sachlich zuständigen Sozialhilfeträger für den Ort N.-G., Te., in Mecklenburg-Vorpommern, - dem Beklagten zu 1. - gewechselt. Die Hilfeempfängerin hatte nach Überzeugung des Senats im Zeitpunkt der Aufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt in N.-G., Te., in Mecklenburg-Vorpommern gehabt.

63

Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist dabei, da sich aus dem Bundessozialhilfegesetz nichts Abweichendes ergab (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB I), auf § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, NVwZ 2003, 616; 18.05.2000 - 5 C 27.99 -, BVerwGE 111, 213 - jeweils zitiert nach juris). Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Zur Begründung eines "gewöhnlichen Aufenthalts" ist ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehung hat (vgl. zum Ganzen Urt. des Senats v. 18.09.2003 - 1 L 124/03 -, juris).

64

Im vorliegenden Fall ist bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes zu berücksichtigen, dass die Hilfeempfängerin 1933 geboren ist und folglich im Jahre 1948 minderjähriges Kind war.

65

Der gewöhnliche Aufenthalt bei Kindern bestimmt sich in der Regel, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der minderjährige Hilfeempfänger einen davon abweichenden gewöhnlichen Aufenthalt oder einen abweichenden tatsächlichen Aufenthalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, NVwZ 2003, 616, zitiert nach juris) genommen hat, zunächst nach dem Aufenthalt der Eltern bzw. nach dem Aufenthalt des mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils. Auch ansonsten kommt es grundsätzlich für die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindern auf den Willen der Eltern bzw. des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten an, soweit der Ausführung des Willens nicht objektive Umstände entgegenstehen (BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, NVwZ 2003, 616; Urt. v. 15.05.1986 - 5 C 68.94 -, BVerwGE 74, 206 - jeweils zitiert nach juris; VG Meiningen, Urteil vom 07.02.1996 - 8 K 627/94 -, zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen auch Urt. des Senats v. 18.09.2003 - 1 L 124/03 -, juris).

66

Als Umstände, welche die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts erkennen lassen, sind grundsätzlich sowohl subjektive als auch objektive Elemente heranzuziehen. Für das subjektive Element ist dabei nicht ein rechtserheblicher, sondern der tatsächliche, ausdrücklich oder konkludent geäußerte Wille maßgeblich. Ist der Betreffende nicht fähig, einen entsprechenden Willen zu bilden oder ist er an einer solchen Willensbildung durch objektive Gegebenheiten gehindert, scheitert indes daran die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht. Vielmehr sind in solchen Fällen, wenn auch nicht auf die Willensbildung des gesetzlichen Vertreters oder Betreuers abgestellt werden kann, die objektiven Umstände i.S.v. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I allein entscheidend (vgl. zum Ganzen VG Aachen, Urt. v. 21.12.2006 - 2 K 3116/03 -, juris, m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - 5 C 46.01 -, NVwZ 2003, 616). Die Bestimmung eines Aufenthalts als gewöhnlicher Aufenthalt und dessen Abgrenzung zu einem Aufenthalt nur vorübergehenden Charakters hat dann maßgeblich nach den "tatsächlichen Umständen", d.h. nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen. Dem inneren Willen und der (subjektiven) Absicht des Hilfesuchenden kommt demgegenüber eine nur untergeordnete Rolle zu (vgl. VG Cottbus, Urt. v. 11.05.2006 - 5 K 118/02 -, juris, m.w.N.).

67

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ergibt sich auf der Basis der vorliegenden Unterlagen folgendes:

68

Hinsichtlich der Identität der Hilfeempfängerin bestehen keine vernünftigen Zweifel, dass es sich bei ihr um die zusammen mit ihrer Mutter A. T. am 29. November 1940 eingebürgerte, am ...1933 geborene L. T. handelt, wobei die Schreibweise des Namens später offensichtlich wechselte. Eine inzwischen vorliegende, am 19. August 1948 in Te. ausgestellte Sterbeurkunde gibt den Namen der Verstorbenen mit A. T., ihr Geburtsdatum mit dem ...1907 und als Geburtsort P. an. Diese Angaben stimmen überein mit den Angaben über die Mutter im Einbürgerungsverfahren. Es bestehen daher schon hiervon ausgehend keine Zweifel, dass es sich bei der Verstorbenen um die am 29. November 1940 eingebürgerte Frau A. T. handelte. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann ausgeschlossen werden, dass es sich bei der Verstorbenen um einen Fall von zufälliger Gleichheit des Namens, des Geburtsdatums und des Geburtsortes handelt. Die Identität der Frau A. T. räumt inzwischen auch der Beklagte zu 1. im Hinblick auf die Bestätigung einer Zeitzeugin ein.

69

Handelte es sich aber bei der Verstorbenen um die eingebürgerte Frau A. T., kann in der Hilfeempfängerin zweifellos ihre Tochter L. T. (L. T.) erkannt werden, die sich - entsprechend aller Wahrscheinlichkeit - als minderjährige Tochter offenkundig bei ihrer Mutter aufgehalten hat. Die Hilfeempfängerin hat ihren Namen selbst zudem so angegeben und wurde - soweit dem Senat hierzu Unterlagen vorliegen - ebenso von allen Personen und staatlichen Stellen, die nach dem Tod der Mutter aktenkundig mit ihr in Berührung kamen, entsprechend namentlich bezeichnet. Es liegt anders gewendet außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass sich ein anderes Kind einfach den Namen der Tochter der am selben Ort verstorbenen Frau A. T. beigelegt hätte und entsprechend von den damals vor Ort befindlichen Personen und Behörden namentlich benannt worden wäre.

70

Ebensowenig bestehen vernünftige Zweifel daran, dass die Mutter Frau A. T. in N.-G., Te., im Gebiet des Beklagten zu 1. wohnhaft war bzw. dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Eine entsprechende Angabe findet sich in der Sterbeurkunde. Sie ist zudem in N.-G. verstorben. Auch der Beklagte hat durch eigene Ermittlungen diesen Sachverhalt inzwischen bestätigt.

71

Daraus wiederum folgt, dass Frau A. T. bis zu ihrem Tod am ...1948 zusammen mit ihrer Tochter, letztere auf der Grundlage des der Mutter zukommenden Aufenthaltsbestimmungsrechts, ihren tatsächlichen und gewöhnlichen Aufenthalt in N.-G., Te., begründet hatte.

72

Am 20. November 1948, also gut drei Monate später, ist die Hilfeempfängerin dann erstmals in einer Einrichtung, der Heil- und Pflegeanstalt U., aufgenommen worden.

73

Dass der zuvor durch die Mutter für die Hilfeempfängerin in N.-G., Te., begründete gewöhnliche Aufenthalt sich bis zum Zeitpunkt der Aufnahme noch einmal geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich. Zum einen bestand die mütterliche Aufenthaltsbestimmung für die Tochter auch nach dem Tod der Mutter "bis auf Weiteres", also bis zu dem Zeitpunkt einer neuen Aufenthaltsbestimmung durch einen dazu rechtlich Befugten, nach Auffassung des Senats fort. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die in ihren geistigen Fähigkeiten schwer beeinträchtigte Hilfeempfängerin willens oder überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre, für sich selbständig einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu bestimmen. Wenn der Beklagte zu 1. darauf verweist, in den Akten heiße es, die Hilfeempfängerin sei unmöglich weiter in N.-G. "zu halten", und daraus schlussfolgern will, die Hilfeempfängerin habe den starken Willen gehabt, den Ort zu verlassen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Angesichts der Gesamtumstände - Nachkriegszeit, Tod der Mutter, schwere geistige und gesundheitliche Beeinträchtigung der Hilfeempfängerin - muss die entsprechende Formulierung so verstanden werden, dass damit gesagt sein sollte, die Hilfeempfängerin könne in N.-G. nicht im erforderlichen Maße ihren Bedürfnissen entsprechend versorgt und gepflegt werden.

74

Zum anderen zwingen - mit der vorstehenden Erwägung im Ergebnis übereinstimmend - maßgeblich und selbständig tragend die sich aus den vorliegenden Unterlagen ergebenden objektiven Gesichtspunkte zu der Annahme, dass der gewöhnliche Aufenthalt der Hilfeempfängerin am bisherigen Ort des gewöhnlichen Aufenthalts bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme fortbestand. Aus den schriftlichen Äußerungen sämtlicher staatlicher Stellen aus der damaligen Zeit geht hervor, dass die Hilfeempfängerin nach dem Tod der Mutter weiter in N.-G., Te., wohnhaft blieb bzw. sich dort tatsächlich aufhielt und auch - nach dem Willen der eingeschalteten staatlichen Stellen - solange aufhalten sollte, bis eine - erforderliche - anderweitige Unterbringung für sie gefunden war. Unmittelbar vor der Heimaufnahme heißt es insbesondere in dem Schreiben des Rates der Stadt Te. vom 15. November 1948 noch einmal, dass die Hilfeempfängerin am 19. November 1948 "aus Te., N.-G. zur Heimaufnahme nach U. überwiesen" werde. Dass die Hilfeempfängerin "bis auf Weiteres" vor Ort in Te. blieb, erscheint auch naheliegend. Es ist nicht ersichtlich, dass die Hilfeempfängerin zwischenzeitlich bei irgendwelchen - unbekannten - Verwandten hätte untergebracht werden können. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es die staatlichen Stellen bis zur Klärung ihrer weiteren Unterbringung und Versorgung bei dem gewöhnlichen Aufenthalt in N.-G., Te., beließen, wo sich anscheinend die Gemeindeschwester P. um sie kümmerte.

75

Nach alledem bestehen für den Senat keine vernünftigen Zweifel, dass die Hilfeempfängerin im Zeitpunkt der Aufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu 1. hatte; dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Aspekts, dass angesichts der naturgemäßen Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung insoweit die Anforderungen an den Nachweis des gewöhnlichen Aufenthalts nicht überspannt werden dürfen (vgl. VG Saarlouis, Urt. v. 29.11.2002 - 4 K 275/00 -, juris).

76

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Hilfeempfängerin später noch einmal anderenorts einen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb einer Einrichtung im Sinne von § 97 Abs. 4 BSHG (vgl. §109 BSHG) begründet haben könnte.

77

Der Anspruch auf Übernahme des Hilfefalls in die eigene Zuständigkeit ist gegen die Behörde zu richten, die zum jetzigen Zeitpunkt örtlich und sachlich für die Hilfegewährung zuständig ist. Dies ist nach § 3 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII-AG M-V) vom 20. Dezember 2004 (GVOBl. M-V S. 546) wie schon nach dem Gesetz zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (AG-BSHG) vom 17.12.2001 (GVOBl. S. 612) i.V.m. den §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG bzw. den §§ 53 ff., 97 SGB XII seit dem 01. Januar 2002 der Beklagte zu 1. als örtlicher Träger der Sozialhilfe.

78

2. Auch die Feststellungsklage hinsichtlich des Bestehens eines Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach für die von der Klägerin zu Gunsten der Hilfeempfängerin Frau L. T. (L. T.) rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung und für den Leistungszeitraum ab dem 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles ist zulässig und begründet.

79

§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Zwar ist für eine Feststellungsklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis zu versagen bzw. ist diese subsidiär, wenn die Erhebung einer Leistungsklage möglich ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt aber in den Fällen vor, in denen die Ausführung des Urteils durch den Schuldner - wie bei Behörden wegen der verfassungsrechtlichen Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) - mit Sicherheit auch ohne einen vollstreckbaren Titel zu erwarten ist. Dann ist - wie im vorliegenden Fall - die Feststellungsklage als eine der Leistungsklage gleichwertige Rechtsschutzform anzuerkennen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE, 114, 61; vom 28.05.1998 - 2 C 28.97 -, NJW 1998, 3368 - jeweils zitiert nach juris; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urt. v. 30.05.2007 - 1 L 539/04 -).

80

Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Kostenerstattung für den Leistungszeitraum vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles ist § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X.

81

Hat die örtliche Zuständigkeit gewechselt, muss die bisher zuständige Behörde gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X die Leistungen noch solange erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Diese hat nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X der bisher zuständigen Behörde die nach dem Zuständigkeitswechsel noch erbrachten Leistungen auf Anforderung zu erstatten. § 102 Abs. 2 SGB X gilt entsprechend (Satz 3).

82

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X als lex specialis gegenüber §105 SGBX (vgl. OVG Weimar, Urt. v. 26.05.2004 - 3 KO 76/04 -, ThürVBl. 2004, 284 - zitiert nach juris; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urt. v. 30.05.2007 - 1 L 539/04 -) liegen vor.

83

Zunächst ist die Klägerin - nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Urt. v. 22.11.2005 - 1 L 496/04 -) aktivlegitimiert, obwohl sie nach §2 des Brandenburgischen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes i.V.m. Art. 4 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Funktionalreform im Land Brandenburg vom 13.07.1994 (GVOBl. Brandenburg S. 382) erst zum 01.01.1996 als örtlicher Träger der Sozialhilfe und damit nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit für die Gewährung von Eingliederungshilfe sachlich zuständig geworden ist. Eine Verneinung der Aktivlegitimation würde letztendlich dazu führen würde, dass weder das Land Brandenburg als überörtlicher Träger noch der Kläger als örtlicher Träger einen Anspruch geltend machen könnten: Im Zeitpunkt des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit war das Land sachlich zuständig. Das Land kann aber vorliegend deshalb keine Erstattung verlangen, weil es für den vorliegend streitigen Zeitraum keine Leistungen erbracht hat. Die Klägerin hat zwar Leistungen erbracht, wäre aber im Zeitpunkt des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit nicht sachlich zuständig gewesen. Dass dieses Resultat nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand (so auch insgesamt VG Schwerin, Urt. v. 07. Januar 2005 - 6 A 3384/02 -, S. 10 f. des Urteilsumdrucks <1 L 82/05>).

84

Der Beklagte zu 1. ist auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. ausführlich Urt. v. 22.11.2005 - 1 L 496/04 u.a. -, juris), an der festzuhalten ist, nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften auch passivlegitimiert bzw. richtiger Beklagter in Ansehung von Kostenerstattungsansprüchen, auch für Leistungszeiträume vor dem 01. Januar 2002: Der Beklagte zu 1. ist als sachlich und örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe gemäß §97 Abs. 1 SGB XII M-V i.V.m. §§ 1, 3 des insoweit am 01. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII-AG - vom 20. Dezember 2004 (GVOBl. M-V, S.546) ohne eine zeitliche Begrenzung auf Leistungszeiträume ab dem 01. Januar 2002 erstattungspflichtig. Diese Regelung entspricht mit Blick auf die Geltendmachung und Gewährung von Kostenerstattung den Vorläuferregelungen der §§1, 3 des am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes - AG-BSHG - vom 17. Dezember 2001 (GVOBl. M-V, S. 612, berichtigt 2002, S. 470). Gemäß § 3 Satz 1 SGB XII-AG M-V sind entsprechend der Regelung des § 3 Satz 1 AG-BSHG die örtlichen Träger der Sozialhilfe - dies sind gem. § 1 SGB XII-AG M-V die Landkreise und die kreisfreien Städte - für die in § 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Leistungen einschließlich insbesondere der Geltendmachung und Gewährung von Kostenerstattungen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X sachlich zuständig und ermöglichen die personenzentrierte und lebensfeldorientierte Leistungserbringung.

85

Dass der erforderliche Zuständigkeitswechsel i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X vorliegt, wurde bereits (siehe unter 1.) ausgeführt.

86

Der Anspruch besteht dem Grunde nach nur für die von der Klägerin im Zeitraum vom 01. Juli 1999 bis zur Übernahme des Hilfefalles rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe.

87

Die Frist des § 111 Satz 1 SGB X, wonach der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht, hat die Klägerin mit Blick auf den Leistungszeitraum, für den Kostenerstattung dem Grunde nach beantragt ist, eingehalten. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat (§ 111 Satz 2 SGB X).

88

"Geltend machen" im Sinne von § 111 SGB X ist sowohl die gerichtliche als auch die außerhalb eines förmlichen Verfahrens abgegebene Erklärung mit dem erkennbaren Willen der Rechtssicherung und dem ausreichend deutlich formulierten Erstattungsbegehren (vgl. v. Wulffen, in: ders., SGB X, 4. Aufl., § 111 Rn. 4). Die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind - hier die Hilfebedürftigkeit -, und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht wurde, sind dabei hinreichend konkret mitzuteilen (vgl. zu den Anforderungen v. Wulffen, in: ders., SGB X, 4. Aufl., § 111 Rn. 4; vgl. zum Ganzen Senatsurteile vom 15.09.2004 - 1 L 106/02 - und - 1 L 107/02 -, LKV 2005, 510, 514). Die rechtssichernde Funktion des Geltendmachens von Kostenerstattungsansprüchen erfordert, dass der unbedingte Wille des Sozialleistungsträgers erkennbar wird, einen solchen etwa bestehenden Anspruch auch durchsetzen zu wollen. § 111 Satz 1 SGB X erfasst auch die Fälle des § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 10.02.2005 - 6 B 21/03 -, juris; OVG Weimar, Urt. v. 26.05.2004 - 3 KO 76/04 -, ThürVBl. 2004, 284 - zitiert nach juris, m.w.N.). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, die "Ansprüche auf Erstattung" ohne Einschränkung auf bestimmte Erstattungsansprüche ausschließt, und aus Sinn und Zweck der Vorschrift, zu einer schnellen Klarstellung der Verhältnisse zu kommen. Für die Wahrung der Ausschlussfrist erforderlich, aber auch hinreichend, ist die erkennbar auf Rechtssicherung gerichtete Mitteilung, dass für welchen Hilfeempfänger welche Sozialleistung gewährt wird bzw. wurde und dass und für welche Leistung Erstattung begehrt wird. Dazu müssen die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht worden ist, hinreichend konkret mitgeteilt werden. Der Anspruch muss zudem gegen den Erstattungspflichtigen selbst geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2003 - 5 C 18/02 -, FEVS 54, 495; vgl. zum Ganzen Urt. des Senats vom 22. November 2005 - 1 L 496/04 -).

89

Die Klägerin hat ihren Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 11. Juli 2000 bei der Stadt Te. angemeldet bzw. geltend gemacht; das Schreiben ist ausweislich des von diesem Tag stammenden Antwortschreibens der Stadt Te. dort spätestens am 18. Juli 2000 eingegangen. Das Schreiben entspricht inhaltlich dem vorstehend erläuterten Maßstab. Dem Schreiben lässt sich hinreichend entnehmen, dass die Klägerin Frau L. T. Sozialhilfeleistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte in einer bestimmten Einrichtung - also durch stationäre Unterbringung - leiste, insoweit ab dem 27. Juni 1993 Kostenerstattung verlange und Frau T. bis zur Heimaufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Te. gehabt habe. Im Hinblick darauf, dass der Bürgermeister der Stadt Te. "im Namen des Landkreises Bad Doberan" mit Schreiben vom 18. Juli 2000 eine Kostenübernahme abgelehnt hat, der Landkreis wiederum nach § 1 Satz 3 AufgabenDVO BSHG vom 04. August 1992 (GVOBl. M-V, S. 528) i.V.m. § 4 Abs. 1 AG-BSHG i.d.F. vom 31. Januar 1992 (GVOBl. M-V, S. 60) für die Entgegennahme von Anmeldungen von Kostenerstattung zuständig war, musste sich das Land Mecklenburg-Vorpommern als damaliger überörtlicher Träger und Erstattungspflichtiger die Anmeldung - im Übrigen auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 5 Abs. 2 Satz 1 BSHG a.F. - zurechnen lassen; diese Zurechnungspflicht trifft nach dem Übergang der Erstattungspflicht den örtlichen Träger nach Maßgabe des AG-BSHG vom 17. Dezember 2001, den Beklagten zu 1.

90

Da die laufenden Sozialhilfeleistungen an die Hilfeempfängerin monatlich erbracht worden sein dürften, musste die Geltendmachung beginnend für die Zeit vom 01. Juli 1999 nach § 26 SGB X i.V.m. den §§ 187 bis 193 BGB spätestens bis zum 31. Juli 2000 erfolgen, da der 31. Juli 1999 der letzte Tag des Leistungszeitraumes war, für den am 01. Juli 1999 eine Zahlung erfolgt ist (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 10.02.2005 - 6 B 21/03 -, juris, S. 7.; vgl. Urt. des Senats v. 22.11.2005 - 1 L 496/04 -). Diese Frist hat die Klägerin mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen eingehalten.

91

3. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Zinsforderung von 4% Zinsen aus 177.326,00 Euro seit dem 06. Januar 2005 ist die Berufung unbegründet und folglich zurückzuweisen. Einen Zinsanspruch kann die Klägerin im Hinblick darauf, dass ihre Feststellungsklage in der ersten wie auch in der Berufungsinstanz lediglich auf eine Feststellung ihres Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach gerichtet war, nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht gelten machen, weil der Kostenerstattungsanspruch nicht der Höhe nach feststeht bzw. zwischen den Beteiligten diese Höhe nicht unstreitig ist.

92

Zunächst stellt der Senat jedoch klar, dass er an seiner im Urteil vom 18. September 2003 - 1 L 124/03 - (juris) vertretenen Auffassung, für Ansprüche aus § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X sei wegen §108 Abs. 2 Satz 1 SGB X eine Geltendmachung von Prozesszinsen grundsätzlich ausgeschlossen, nicht mehr festhält, so dass der Anspruch der Klägerin nicht bereits hieran scheitert. Der Senat schließt sich insoweit nach nochmaliger Prüfung dem gegenteiligen, umfassend begründeten Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61 - zitiert nach juris; vgl. auch OVG Magdeburg, Beschl. vom 08.05.2006 - 3 L 325/05 -, juris) an: Danach bezweckt § 108 Abs. 2 SGB X den Schutz der finanziellen Leistungsfähigkeit der Leistungsträger auf der untersten Stufe des Systems der sozialen Sicherung. Diese sollen daraus, dass sie häufig als "Vorschusskasse" der anderen Sozialleistungsträger in Anspruch genommen werden, keine finanziellen Nachteile haben. § 108 Abs. 2 SGB X hat demzufolge nur das Verhältnis der Leistungsträger der untersten Stufe des Systems der sozialen Sicherung zu den anderen Leistungsträgern im Blick und will sie diesen gegenüber aus Gründen des stufenübergreifenden Lastenausgleichs privilegieren. Aus einer solchen Norm lässt sich deshalb, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes im Gesetz gesagt ist, im Gegenschluss lediglich ableiten, dass den privilegierten Leistungsträgern untereinander keine Lastenausgleichszinsen i.S. des § 108 Abs. 2 SGB X zustehen, nicht aber, dass sie auch ansonsten - aus anderen Rechtsgründen - eine Verzinsung ihrer Erstattungsansprüche nicht sollten beanspruchen können. Dies gilt umso mehr, als die in § 108 Abs. 2 SGB X privilegierten Leistungsträger früher sämtlich dem Einzugsbereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterfielen und dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, ihm sei der dort in Geltung befindliche allgemeine Grundsatz des Verwaltungsrechts über die Verzinsung öffentlich- rechtlicher Geldforderungen während des Prozesses nicht bekannt gewesen. Während Verzugs- und andere materiellrechtliche Zinsen in den der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterfallenden Gebieten des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gewährt werden, ist die Rechtslage hinsichtlich der Gewährung von Prozesszinsen grundsätzlich anders: Prozesszinsen sind nur dann ausgeschlossen, wenn das einschlägige Fachrecht eine Regelung enthält, die den allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts außer Kraft setzt. Das muss zwar nicht notwendig ausdrücklich erfolgen, aber in Anbetracht der gegenüber Verzugs- und ähnlichen Zinsen andersartigen rechtlichen Ausgangslage hinreichend deutlich. Will also der Gesetzgeber mit einer Verzugszinsenausschlussregelung gleichzeitig auch Prozesszinsen erfassen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen, da weder Wortlaut noch Zweck einer Verzugszinsenregelung wegen der Wesensverschiedenheit der beiden Zinsarten ansonsten Prozesszinsen erfassen könnten. Nichts anderes gilt im Verhältnis zwischen Prozesszinsen und den in § 108 Abs. 2 SGB X geregelten "Lastenausgleichszinsen" zwischen Leistungsträgern unterschiedlicher Stufen des sozialen Sicherungssystems.

93

Die Voraussetzungen für den von der Klägerin aus § 291 BGB in sinngemäßer Anwendung abgeleiteten Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit bzw. dem von der Klägerin bezeichneten Zeitpunkt liegen jedoch nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Geltendmachung von Prozesszinsen im Verwaltungsprozess, der sich der Senat anschließt, nicht vor.

94

Das Bundesverwaltungsgericht stellt zwar in ständiger Rechtsprechung als allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts den Satz heraus, dass für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61 m.w.N. - zitiert nach juris).

95

Mit Blick darauf, dass der Feststellungsklage vielfach überhaupt die Fähigkeit abgesprochen wird, einen Anspruch auf Prozesszinsen zur Entstehung zu bringen, hat es auch klargestellt, dass dies im Verwaltungsprozess nicht ausnahmslos gelten kann: Die Rechtshängigkeit der Geldschuld, die §291 BGB als zwingende Voraussetzung für das Entstehen von Prozesszinsen aufstellt, kann zwar bei der Feststellungsklage auch im Verwaltungsrechtsstreit im Regelfall nur dem Grunde nach eintreten und dann eine Prozesszinsenpflicht nicht rechtfertigen. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Feststellungsklage als eine der Leistungsklage gleichwertige Rechtsschutzform anerkannt ist, kann ihr die Fähigkeit, Rechtshängigkeitszinsen auszulösen, aber nicht abgesprochen werden. Dies setzt jedoch voraus, dass nicht über die Höhe der Geldschuld, sondern (nur) über ihren Grund Streit besteht. Anders gewendet können Prozesszinsen hinsichtlich einer Feststellungsklage, die sich auf das Bestehen eines Anspruchs dem Grunde nach bezieht, nicht verlangt werden, wenn die zu verzinsende Geldschuld der Höhe nach gerade noch nicht feststeht bzw. nicht unstreitig ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, a.a.O.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 21.04.2005 - 1 A 3099/03 -, IÖD 2006, 64; Urt. v. 07.11.2003 - 12 A 3187/01 -, FEVS 55, 495 - jeweils zitiert nach juris). Maßgeblich kommt es danach jedenfalls auch auf die Umstände des Einzelfalles an.

96

Für den Fall einer Verpflichtungsklage hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 28.05.1998 - 2 C 28/97 -, DVBl. 1998, 1082) - nach Auffassung des Senats insoweit auf die Feststellungsklage gerichtet auf Feststellung eines sozialhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach übertragbar - als Voraussetzung einer Verzinsung formuliert, dass die in Rede stehende Verpflichtung in der Weise konkretisiert sein muss, dass der Umfang der zugesprochenen Geldforderung feststeht, die Geldforderung also eindeutig bestimmt sei. Die Geldforderung muss zwar nach Klageantrag und Urteilsausspruch nicht in jedem Falle der Höhe nach beziffert sein. Ausreichend ist, dass die Geldschuld rein rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann. Soweit mit dem Verpflichtungsausspruch im Hinblick auf die Ermittlung der zugesprochene Geldforderung noch eine weitere Rechtsanwendung erforderlich ist, steht dies jedoch dem Anspruch auf Prozesszinsen entgegen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 28.05.1998 - 2 C 28/97 -, DVBl. 1998, 1082).

97

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes kommt die von der Klägerin begehrte Verzinsung nicht in Betracht. Die Höhe des von der Klägerin mit ihrer Feststellungsklage dem Grunde nach geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs bzw. der damit letztendlich begehrten Geldschuld war nicht im vorstehenden Sinne unstreitig bzw. stand nicht fest.

98

Dies folgt zum einen bereits aus dem Umstand, dass der von der Klägerin geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch zukunftsoffen - "bis zur Übernahme des Hilfefalles" - formuliert ist, folglich weder hinsichtlich der zeitlichen Dauer noch der Art der bis zu diesem Zeitpunkt zukünftig noch von der Klägerin zu erbringenden und dann vom Beklagten zu 1. zu erstattenden - rechtmäßigen - Leistungen der Sozialhilfe bestimmt oder nur bestimmbar ist.

99

Darüber hinaus lagen dem Beklagten zu 1. jedenfalls zum Teil die Verwaltungsakten der Klägerin betreffend den Hilfefall zunächst nicht vor, so dass auch unter diesem Blickwinkel die Annahme einer unstreitigen Forderungshöhe zunächst schon deshalb grundsätzlich ausschied. Dies gilt zumindest bis zur Kenntnisnahme der entsprechenden Unterlagen durch den Beklagten zu 1. unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung.

100

Der Beklagte zu 1. hat zudem mit Schriftsatz vom 10. August 2007 mit dem Hinweis darauf, dass ihm eine Prüfung der sachlichen Richtigkeit nicht möglich sei, die Höhe der Forderung der Klägerin zumindest schlüssig bestritten. Er hat auch danach - insbesondere nicht in der mündlichen Verhandlung - die Höhe der Forderung der Klägerin weder ausdrücklich noch schlüssig unstreitig gestellt. Dies gilt auch konkret bezogen auf den von der Klägerin in ihrem Antrag genannten Betrag, auf den sie die Zahlung von Zinsen begehrt. Angemerkt sei dazu, dass die Klägerin selbst insoweit ohne nähere Erläuterung divergierende Beträge (Schriftsatz v. 30.07.2007: 169.309,65 Euro; Antrag: 177.326,00 Euro) nennt.

101

Der Umstand, dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2004 tabellarische Aufstellungen zu den von ihr erbrachten Leistungen an das Verwaltungsgericht übersandt hat, rechtfertigt schon im Ansatz nicht die Schlussfolgerung im vorstehenden Sinne, die Höhe der Forderung bzw. des Kostenerstattungsanspruchs sei ab diesem Zeitpunkt rechnerisch eindeutig bestimmbar und deshalb unstreitig gewesen. Denn diese Kostenaufstellungen waren weder für das Gericht noch für den Beklagten zu 1. inhaltlich hinreichend nachvollziehbar.

102

Maßgeblich zu beachten ist zudem, dass trotz des stattgebenden Urteils hinsichtlich eines Kostenerstattungsanspruchs für rechtmäßig aufgewendete Kosten die Ermittlung der Höhe dieser "rechtmäßig" aufgewendeten Kosten prinzipiell noch eine rechtliche Überprüfung und damit Rechtsanwendung bezüglich der von der Klägerin erbrachten Leistungen erfordert. Insoweit ist grundsätzlich denkbar, dass es anschließend noch zu Streit über die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs in Anwendung der früher und aktuell einschlägigen Bestimmungen des BSHG bzw. SGB XII und im Hinblick auf einzelne in der Vergangenheit erbrachte Leistungen der Klägerin kommen könnte. Folglich ist die Höhe der Geldschuld auch unter diesem Blickwinkel nicht im erforderlichen Maße unstreitig bzw. steht ihre Höhe gerade noch nicht fest.

103

Der Umstand, dass der Beklagte nicht schon vor seinem Schriftsatz vom 10. August 2007 ausdrücklich zur Höhe des Kostenerstattungsanspruchs Stellung genommen hat, kann grundsätzlich nicht zu einer abweichenden Bewertung in dem Sinne führen, dass damit die von der Klägerin geltend gemachte Höhe zugestanden und damit unstreitig sei. Aus dem Urteil des VGH München vom 10. März 2003 - 12 B 02.1913 - (BayVBl. 2004, 246 bzw. juris) folgt nichts anderes. Einerseits ist der dort entschiedene Sachverhalt nicht mit dem Vorliegenden vergleichbar; andererseits geht diese Entscheidung nicht auf die vorstehend dargestellten, vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze ein. Für den Beklagten zu 1. bestand mit Blick auf den zentralen Streitpunkt des Verfahrens, nämlich die Frage des gewöhnlichen Aufenthalts der Hilfeempfängerin im Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme, keine zwingende Veranlassung, sich hierzu zu erklären. Außerdem hatte der Beklagte zu 2. mit Schriftsatz vom 17. März 2005 ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs unabhängig vom grundsätzlichen Anspruch jedenfalls ungeklärt und damit nicht unstreitig sei. Diesen Vortrag musste der Beklagte zu1. folglich nicht unbedingt wiederholen.

104

In den Blick zu nehmen ist zudem das landesrechtliche Refinanzierungssystem gemäß § 3 Abs. 4 des Sozialhilfefinanzierungsgesetzes M-V, das eine Erstattung der von den örtlichen Trägern erbrachten Kostenerstattungsleistung in Altfällen durch das Land unter einen Zustimmungsvorbehalt durch das Land stellt. Diese gesetzliche Bestimmung muss den jeweiligen Anspruchstellern, die wie die Klägerin von einem örtlichen Träger im Land Mecklenburg-Vorpommern Kostenerstattung begehren, bekannt sein bzw. es muss unterstellt werden, dass die entsprechende Kenntnis vorhanden ist. Dann aber liegt es auf der Hand, dass seitens des örtlichen Trägers solange ein Kostenerstattungsanspruch auch der Höhe nach nicht unstreitig gestellt wird bzw. - faktisch - gestellt werden kann, als ihm nicht die entsprechende schriftliche Zustimmung durch das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern vorliegt. Denn die Erstattung durch das Land setzt voraus, dass die örtlichen Träger zur Kostenerstattung nach § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X auch der Höhe nach verpflichtet waren (vgl. § 3 Abs. 4 Nr. 2 SozhfinanzG M-V). In Anbetracht dieser Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern kann der Anspruchsberechtigte deshalb grundsätzlich solange nicht davon ausgehen, sein Anspruch sei der Höhe nach unstreitig, als der zur Kostenerstattung in Anspruch genommene örtliche Träger nicht mit Blick auf eine bereits vorliegende Zustimmung des Sozialministeriums Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich oder nach den Umständen des Einzelfalles hinreichend deutlich schlüssig den Anspruch der Höhe nach anerkennt. Mit anderen Worten schließt grundsätzlich das Fehlen einer solchen Zustimmung die Annahme aus, der in Anspruch genommene örtliche Träger stelle die Forderung der Höhe nach unstreitig, es sei denn, es liegt im Einzelfall eine ausdrückliche oder hinreichend deutliche schlüssige entsprechende Erklärung seinerseits vor. Dies ist indes vorliegend nicht der Fall.

105

4. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 188 Satz 2 VwGO. Aufgrund von §194 Abs. 5 i.V.m. § 188 Satz 2 2. Halbsatz VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S.3987) ist das nach dem 01. Januar 2002 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Berufungsverfahren nicht gerichtskostenfrei (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.05.2004 - 5 KSt 1/04 u.a. -, juris). Soweit die Berufung der Klägerin hinsichtlich der Zinsnebenforderung zurückgewiesen worden ist, ist ihr Unterliegen gering im Sinne von § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Es kam entgegen dem Vorbringen des Beklagten zu 1. nicht in Betracht, der Klägerin - teilweise - Kosten des Berufungsverfahrens nach § 155 Abs. 4 VwGO aufzuerlegen. Nach dieser Bestimmung können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Der Beklagte zu 1. meint, im Hinblick auf die erst im Zulassungsverfahren von der Klägerin überreichten Unterlagen habe er keinen Anlass für das Berufungsverfahren gegeben. Diese Argumentation führt nicht zu der Schlussfolgerung, das Berufungsverfahren bzw. durch seine Durchführung entstandene Kosten seien von der Klägerin verschuldet. Auch eine seitens der Klägerin früher erfolgte Einführung der vom Beklagten zu 1. erwähnten Unterlagen in das gerichtliche Verfahren hätte die Durchführung eines Berufungsverfahrens für die Klägerin nicht entbehrlich gemacht. Der Beklagte zu 1. hat nämlich selbst nach entsprechender Einführung erst im Zulassungsverfahren noch den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin dem Grunde nach bestritten und auch in der mündlichen Verhandlung noch einen gewöhnlichen Aufenthalt der Hilfeempfängerin in seinem Zuständigkeitsbereich im Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme in Frage gestellt. Der Beklagte zu 1. hat also gerade nicht nach Kenntniserlangung von den erwähnten Unterlagen den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach anerkannt. Unabhängig vom Zeitpunkt der Einführung der Unterlagen in das gerichtliche Verfahren hat er folglich "Anlass für das Berufungsverfahren gegeben"; die späte Einführung war nicht ursächlich dafür, dass die Klägerin das Berufungsverfahren durchführen musste. Zudem ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 26. August 2005, dass sie hinsichtlich der späten Vorlage der Dokumente kein Verschulden trifft; zumindest übt der Senat insoweit das ihm zustehende Ermessen dahingehend aus, dass kein hinreichender Grund besteht, die Klägerin mit den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten.

106

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

107

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs gelten für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

(2) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

(3) Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

(1) Erstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Rückerstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 10. Dezember 2004 - 5 A 634/04 - teilweise geändert:

Über die stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts hinausgehend wird festgestellt, dass der Beklagte auch verpflichtet ist, dem Kläger die zu Gunsten der Hilfeempfängerin E. T. rechtmäßig aufgewendeten Kosten der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung für die Zeit vom 05. November 1998 bis zum 31. Dezember 2001 zu erstatten.

Gerichtskosten werden für das erstinstanzliche Verfahren nicht erhoben. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das erstinstanzliche Verfahren zu zwei Dritteln und seine eigenen außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu zwei Dritteln selbst. Der Kläger trägt ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens selbst sowie ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Beklagten.

Der Beklagte trägt die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über einen Kostenerstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten für die zu Gunsten der Hilfeempfängerin Frau E. T. erbrachten Sozialhilfeleistungen für den Zeitraum vom 05. November 1998 bis zum 31.Dezember 2001.

2

Die am 17. November 1922 geborene Frau E. T. leidet an einer frühkindlichen Hirnschädigung mit geistiger Behinderung sowie an Durchblutungsstörungen des Herzens. Sie ist ausweislich eines amtsärztlichen Gutachtens aus dem Jahre 2000 körperlich und geistig wesentlich behindert und nach einem Entwicklungsbericht der H. Anstalten L. vom 21. Januar 2002 auf weitgehende Hilfe und Unterstützung im täglichen Leben angewiesen.

3

Am 24. Juni 1961 wurde sie in die Wohnstätte Heim "G." der H. Anstalten L. in 1.. E. aufgenommen, wo sie seitdem lebt. Davor war sie nach einer Auskunft des Amtes G. ausweislich einer alten Meldestellenkartei aus dem Kreisarchiv vom 20. November 1947 bis zum 09. Juni 1961 in Sch. im heutigen Kreisgebiet des Beklagten wohnhaft.

4

Die ungedeckten Kosten der Unterbringung der Frau T. in der Einrichtung in E. trägt seit 1995 der Kläger.

5

Mit Schreiben vom 05. November 1999 meldete der Kläger beim Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern zur Fristwahrung seinen Anspruch auf Kostenerstattung an, der in der Folgezeit vom Beklagten bearbeitet wurde. Dem Schreiben lässt sich entnehmen, dass der Kläger Frau E. T. Hilfe nach § 39 Abs. 1 BSHG durch stationäre Unterbringung leiste, insoweit ab dem 01. Januar 1994 Kostenerstattung verlange und Frau T. bis zur Heimaufnahme am 10. Juni 1961 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in "Sch., Krs. Gr.", gehabt habe. Ein Schreiben der Sozialministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 22. November 1999 nimmt u.a. auf den Hilfefall der Frau T. Bezug.

6

Am 23. Dezember 1999 hat der Kläger zunächst unter dem Aktenzeichen 5 A 3064/99 beim Verwaltungsgericht Greifswald Klage erhoben.

7

Die Klage war zunächst gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern gerichtet. In Folge dessen hat das Verwaltungsgericht Greifswald sich mit Beschluss vom 17. August 2000 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Schwerin verwiesen.

8

Nach einem Hinweis des Verwaltungsgerichts Schwerin auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Greifswald vom 18. September 2003 - 1 L 124/03 - hat der Kläger mit am 20. Januar 2004 beim Verwaltungsgericht Schwerin eingegangenem Schriftsatz beantragt, das Passivrubrum zu ändern. Zuständiger Sozialhilfeträger und Beklagter sei der Landkreis Ostvorpommern. Der Schriftsatz wurde dem Beklagten am 12. Februar 2004 zugestellt.

9

Nach entsprechender Umstellung des Passivrubrums hat das Verwaltungsgericht Schwerin sich für örtlich unzuständig erklärt und die Verwaltungsstreitsache an das Verwaltungsgericht Greifswald verwiesen. Dort hat das Verfahren das Aktenzeichen 5 A 634/04 erhalten.

10

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen,

11

dass er gemäß den §§ 2, 2a des Ausführungsgesetzes zum BSHG im Lande Brandenburg als örtlicher Träger der Sozialhilfe im Land Brandenburg für die Aufgaben nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG sachlich zuständig sei. Hinsichtlich seiner Aufwendungen stehe ihm ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten aus § 97 Abs. 2 BSHG, § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X zu, da sich im Jahre 1993 in Folge der neugefassten Vorschrift des § 97 BSHG die örtliche Zuständigkeit geändert habe.

12

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

13

1. den Beklagten zu verpflichten, die Gewährung der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin E. T., geb. am ..., ab Rechtskraft des Urteils in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen,

14

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die zu Gunsten der Hilfeempfängerin E. T. rechtmäßig aufgewendeten Kosten für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung vom 01.01.1995 bis zur Übernahme der Hilfegewährung zu erstatten.

15

Der Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Mit dem angegriffenen Urteil vom 10. Dezember 2004 - 5 A 634/04 - hat das Verwaltungsgericht Greifswald den Beklagten verurteilt, die Gewährung der Sozialhilfe für die Hilfeempfängerin E. T. ab Rechtskraft des Urteils in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen, und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die zu Gunsten der Hilfeempfängerin E. T. rechtmäßig aufgewendeten Kosten für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung für die Zeit vom 01.01.2002 bis zur Übernahme des Hilfefalls zu erstatten. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen; ferner hat es die Berufung zugelassen.

18

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei insgesamt zulässig. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO stehe der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen. Dem Kläger stehe auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung zur Seite. Daran würde es in Fällen, in denen wie hier die Erstattungspflicht nur hinsichtlich der rechtmäßig aufgewendeten Kosten festgestellt werden soll, fehlen, wenn offensichtlich sei, dass die Kosten insgesamt durch rechtswidrig an den Hilfeempfänger erbrachte Leistungen entstanden seien und ein Erstattungsanspruch daher schon dem Grunde nach nicht bestehe. So liege es hier aber nicht. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe an Frau E. T. durch Übernahme der Kosten für die stationäre Unterbringung lägen vor. Die Hilfeempfängerin leide an einer geistigen Behinderung aufgrund frühkindlicher Hirnschädigung sowie zusätzlich an einer körperlichen Behinderung und erfülle damit die Voraussetzungen für Hilfe nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Ihre Fähigkeit an der Gesellschaft teilzuhaben, sei deswegen wesentlich eingeschränkt, § 3 Nr. 1 der Verordnung nach § 47 BSHG (EinglVO). Die Notwendigkeit der stationären Hilfe stelle auch der Beklagte nicht in Abrede.

19

Die Klage sei aber nur teilweise begründet. Der Kläger könne zwar verlangen, dass der Beklagte den Hilfefall in eigene Zuständigkeit übernehme. Kostenerstattung könne er vom Beklagten jedoch erst für die Zeit ab dem 01. Januar 2002 beanspruchen.

20

Der Anspruch auf Übernahme des Hilfefalls in die eigene Zuständigkeit ergebe sich aus §2 Abs.3 Satz 1 SGB X. Dessen Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor. Die örtliche Zuständigkeit für die zur Zeit durch den Kläger an Frau T. erbrachten Leistungen habe durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 gewechselt. Nach Maßgabe von § 97 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BSHG i.d.F. ab dem 27. Juni 1993 habe die örtliche Zuständigkeit vom sachlich zuständigen Sozialhilfeträger für den tatsächlichen Aufenthaltsort der Hilfeempfängerin in E. zum sachlich zuständigen Sozialhilfeträger für den Ort Sch. in Mecklenburg-Vorpommern, wo der gewöhnliche Aufenthalt der Frau T. bei der erstmaligen Heimaufnahme gelegen habe, gewechselt. Es sei nicht zu erkennen und vom Beklagten auch nicht dargelegt worden, dass der gewöhnliche Aufenthalt der Frau T. vor der ersten Heimaufnahme woanders als in Sch. gewesen sein könnte oder Frau T. später noch einmal anderswo einen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb einer Einrichtung i.S. von § 97 Abs. 4 BSHG (vgl. § 109 BSHG) begründet habe. Der Anspruch auf Übernahme des Hilfefalls in die eigene Zuständigkeit sei gegen die Behörde zu richten, die zum jetzigen Zeitpunkt örtlich und sachlich für die Hilfegewährung zuständig sei. Dies sei nach § 3 AG-BSHG vom 17.12.2001 i.V.m. §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG seit dem 01.Januar 2002 der Beklagte als örtlicher Träger der Sozialhilfe.

21

Dem Kläger mangele es im Hinblick auf die Zuständigkeitsregelungen in Brandenburg auch nicht an der erforderlichen Aktivlegitimation.

22

Der Kostenerstattungsanspruch sei gegen den Beklagten jedoch nur zum Teil, nämlich erst für die Zeit ab 01. Januar 2002 aus § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X begründet. Der Beklagte sei erst seit dem 01.Januar 2002 für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG sachlich zuständig. Bis zum 31. Dezember 2001 sei in Mecklenburg-Vorpommern der überörtliche Sozialhilfeträger für die Gewährung von Eingliederungshilfe sachlich zuständig gewesen. Der sich vor dem 01. Januar 2002 gegen den überörtlichen Träger der Sozialhilfe im Land Mecklenburg-Vorpommern richtende Kostenerstattungsanspruch habe durch § 3 AG-BSHG n.F. keine Änderung erfahren. § 3 Satz 1 AG-BSHG n.F. sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Zuständigkeit für die Gewährung von Kostenerstattungen nur die Durchführung des kostenerstattungsrechtlichen Verwaltungsverfahrens betreffe. Der dem Kläger gegen den Beklagten zustehende Anspruch auf Kostenerstattung sei nicht nach §111 Abs. 1 SGB X ausgeschlossen.

23

Das Urteil ist dem Kläger am 28. Dezember 2004, dem Beklagten am 22. Dezember 2004 zugestellt worden.

24

Am 24. Januar 2005 hat der Kläger Berufung eingelegt und diese mit am 15. Februar 2005 eingegangenem Schriftsatz begründet.

25

Der Kläger trägt vor,

26

er verfolge mit der Berufung den Kostenerstattungsanspruch ab dem 05. November 1998 weiter. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts Greifswald, wonach Kostenerstattungsansprüche für den Zeitraum vom 05. November 1998 bis 31. Dezember 2001 gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern als überörtlichen Träger der Sozialhilfe gerichtlich geltend gemacht werden müssten bzw. die Auslegung des Verwaltungsgerichts Greifswald hinsichtlich des § 3 AG-BSHG n.F. i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X sowie § 100 BSHG und § 103 BSHG widerspreche der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern. Der Beklagte sei sowohl sachlich als auch örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe und somit gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG i.V.m. §§ 1, 3 AG-BSHG vom 17. Dezember 2001 gegenüber dem Kläger erstattungspflichtig, auch für die Zeiträume vor dem 01. Januar 2002.

27

Hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers werde darauf verwiesen, dass im Hinblick auf den in der Vergangenheit in Brandenburg stattgefundenen landesinternen Zuständigkeitswechsel vom Landesamt zu den örtlichen Trägern der Sozialhilfe eine Funktionsnachfolge eingetreten sei, derzufolge die örtlichen Träger der Sozialhilfe neben der Hilfefallbearbeitung auch die Kostenerstattungsansprüche geltend machen dürfen.

28

Der Kläger beantragt,

29

1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 10. Dezember 2004 teilweise abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch die zu Gunsten der Hilfeempfängerin E. T. rechtmäßig aufgewendeten Kosten für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung für die Zeit ab dem 05. November 1998 bis zum 31. Dezember 2001 zu erstatten,

30

Der Beklagte beantragt,

31

die Berufung zurückzuweisen.

32

Der Beklagte trägt vor,

33

er vertrete die Auffassung, dass die Landkreise und kreisfreien Städten im Land Brandenburg nicht befugt seien, Kostenerstattung für die sogenannten Altfälle im Sinne des § 3 Sozialhilfefinanzierungsgesetz geltend zu machen.

34

Unter dem 11. Januar 2007 hat der Beklagte zudem die Einrede der Verjährung erhoben. Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2004 habe der Kläger beim Verwaltungsgericht Schwerin die Klage eingereicht, die am 12. Februar 2004 dem Landkreis Ostvorpommern zugestellt worden sei. Dieses Datum sei für die Berechnung der Erstattungskosten gegenüber dem Beklagten maßgeblich. Der Kläger habe bisher nicht vorgetragen, dass er gegenüber dem beklagten Landkreis vor Klageeinreichung beim Verwaltungsgericht Schwerin Kostenerstattung geltend gemacht habe. Dass der Kläger bereits gegen das Sozialministerium des Landes geklagt habe, könne nicht zu Lasten des nunmehr beklagten Landkreises gehen. Die Einrede der Verjährung könne nicht durch Verlagerung und Bekanntwerden gegenüber einem Dritten dem Beklagten zugerechnet werden. Unstreitig dürfte in diesem Zusammenhang der Anspruch dem Grunde nach bestehen, aber nicht hinsichtlich des beantragten Zeitraumes.

35

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

36

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

37

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist form- und fristgerecht (§ 124a Abs. 2. Satz 1, Abs. 3 und 4 VwGO) eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Der Umstand, dass die Berufung vom Einzelrichter zugelassen worden ist, steht auch unter dem Blickwinkel der Statthaftigkeit nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.03.2005 - 6 C 8/04 -, NVwZ 2005, 82; Urt. v. 29.07.2004 - 5 C 65/03 -, BVerwGE 121, 292 - jeweils zitiert nach juris).

38

Gegenstand der Berufung ist das Begehren des Klägers, seiner Feststellungsklage möge unter Abänderung des angefochtenen Urteils insoweit auch hinsichtlich des Bestehens eines Kostenerstattungsanspruchs dem Grunde nach für den Leistungszeitraum vom 05. November 1998 bis zum 31.Dezember 2001 stattgegeben werden. Die Berufung ist begründet. Die Klage ist auch in Ansehung dieses Erstattungszeitraumes zulässig und begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Erstattungsanspruch gegen den Beklagten auch für diesen Zeitraum dem Grunde nach zusteht.

39

Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung für zulässig erachtet. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Zwar ist für eine Feststellungsklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis zu versagen bzw. ist diese subsidiär, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt aber in den Fällen vor, in denen die Ausführung des Urteils durch den Schuldner - wie bei Behörden wegen der verfassungsrechtlichen Gesetzesbindung (Art. 20 Abs.3 GG) - mit Sicherheit auch ohne einen vollstreckbaren Titel zu erwarten ist. Dann ist - wie im vorliegenden Fall - die Feststellungsklage als eine der Leistungsklage gleichwertige Rechtsschutzform anzuerkennen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 - 5 C 34/00 -, BVerwGE 114, 61; Urt. v. 28.05.1998 - 2 C 28.97 -, NJW 1998, 3368 - jeweils zitiert nach Juris; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urt. vom 30.05.2007 - 1 L 539/04 -).

40

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Kostenerstattung ist § 2 Abs. 3 Satz 2 SGBX. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X als lex specialis gegenüber §105 SGB X (vgl. OVG Weimar, Urt. v. 26.05.2004 - 3 KO 76/04 -, ThürVBl. 2004, 284 - zitiert nach juris; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urt. vom 30.05.2007 - 1 L 539/04 -) liegen vor. Es ist folglich antragsgemäß festzustellen, dass der Beklagte dem Grunde nach auch verpflichtet ist, dem Kläger die rechtmäßig aufgewendeten Kosten für die Unterbringung der Hilfeempfängerin Frau E. T. in einem Heim, einer Anstalt oder gleichartigen Einrichtung in der Zeit vom 05. November 1998 bis zum 31. Dezember 2001 zu erstatten.

41

Hat die örtliche Zuständigkeit gewechselt, muss die bisher zuständige Behörde gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X die Leistungen noch solange erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Diese hat nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X der bisher zuständigen Behörde die nach dem Zuständigkeitswechsel noch erbrachten Leistungen auf Anforderung zu erstatten. § 102 Abs. 2 SGB X gilt entsprechend (Satz 3).

42

Zunächst ist der Kläger - nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Urt. v. 22.11.2005 - 1 L 496/04 -, juris; Urt. v. 30.05.2007 - 1 L 539/04 -) aktivlegitimiert, obwohl er nach §2 des Brandenburgischen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes i.V.m. Art. 4 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Funktionalreform im Land Brandenburg vom 13.07.1994 (GVOBl. Brandenburg S. 382) erst zum 01.01.1996 als örtlicher Träger der Sozialhilfe und damit nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit für die Gewährung von Eingliederungshilfe sachlich zuständig geworden ist. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen (§ 130b Satz 2 VwGO analog; vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 130b Rn. 17). Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Auffassung des Beklagten letztendlich dazu führen würde, dass weder das Land Brandenburg als überörtlicher Träger noch der Kläger als örtlicher Träger einen Anspruch geltend machen könnten: Im Zeitpunkt des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit war das Land sachlich zuständig. Das Land kann aber vorliegend deshalb keine Erstattung verlangen, weil es für den vorliegend streitigen Zeitraum keine Leistungen erbracht hat. Der Kläger hat zwar Leistungen erbracht, wäre aber im Zeitpunkt des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit nicht sachlich zuständig gewesen. Dass dieses - aus Sicht des Beklagten nachvollziehbarer Weise wünschenswerte - Resultat nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand (so auch insgesamt VG Schwerin, Urt. v. 07. Januar 2005 - 6 A 3384/02 -, S. 10 f. des Urteilsumdrucks <1 L 82/05>).

43

Rechtskräftig entschieden ist mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts, dass der Beklagte zur Übernahme des Hilfefalles der Frau E. T. verpflichtet ist. Damit ist zugleich seine örtliche Zuständigkeit im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme in eine Einrichtung rechtskräftig festgestellt. Dass ein Zuständigkeitswechsel im Sinne von § 97 Abs. 2 BSHG in der ab dem 27. Juli 1993 geltenden Fassung eingetreten ist, hat das Verwaltungsgericht im Übrigen mit zutreffender Begründung dargetan (§ 130b Satz 2 VwGO analog; vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 130b Rn. 17).

44

Der Beklagte ist auf der Grundlage der den Beteiligten bekannten ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 22. November 2005 - 1 L 496/04 u.a. -, juris, in der sich der Senat insbesondere mit der damals gegenteiligen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Greifswald auseinandergesetzt hat), an der festzuhalten ist, im Übrigen nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften auch grundsätzlich passivlegitimiert bzw. richtiger Beklagter in Ansehung von Kostenerstattungsansprüchen, die Leistungszeiträume vor dem 01. Januar 2002 betreffen: Der Beklagte ist als sachlich und örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe gemäß §97 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 1, 3 des insoweit am 01. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII-AG M-V - vom 20. Dezember 2004 (GVOBl. M-V, S. 546) ohne eine zeitliche Begrenzung auf Leistungszeiträume ab dem 01. Januar 2002 erstattungspflichtig. Diese Regelung entspricht mit Blick auf die Geltendmachung und Gewährung von Kostenerstattung den Vorläuferregelungen der §§1, 3 des am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes - AG-BSHG - vom 17. Dezember 2001 (GVOBl. M-V, S. 612, berichtigt 2002, S. 470). Gemäß §3 Satz 1 SGB XII-AG M-V sind entsprechend der Regelung des § 3 Satz 1 AG-BSHG die örtlichen Träger der Sozialhilfe - dies sind gem. § 1 SGB XII-AG M-V die Landkreise und die kreisfreien Städte - für die in § 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Leistungen einschließlich insbesondere der Geltendmachung und Gewährung von Kostenerstattungen nach §2 Abs. 3 Satz2 SGB X sachlich zuständig und ermöglichen die personenzentrierte und lebensfeldorientierte Leistungserbringung.

45

Der Anspruch ist auch nicht ausgeschlossen (§ 111 SGB X) oder verjährt (§ 113 SGB X).

46

Die Frist des § 111 Satz 1 SGB X, wonach der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht, hat der Kläger eingehalten. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat (§ 111 Satz 2 SGB X).

47

"Geltend machen" im Sinne von § 111 SGB X ist sowohl die gerichtliche als auch die außerhalb eines förmlichen Verfahrens abgegebene Erklärung mit dem erkennbaren Willen der Rechtssicherung und dem ausreichend deutlich formulierten Erstattungsbegehren (vgl. v. Wulffen, in: ders., SGB X, 4. Aufl., § 111 Rn. 4). Die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind - hier die Hilfebedürftigkeit -, und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht wurde, sind dabei hinreichend konkret mitzuteilen (vgl. zu den Anforderungen v. Wulffen, in: ders., SGB X, 4. Aufl., § 111 Rn. 4; vgl. zum Ganzen Senatsurteile vom 15.09.2004 - 1 L 106/02 - und - 1 L 107/02 -, LKV 2005, 510, 514). Die rechtssichernde Funktion des Geltendmachens von Kostenerstattungsansprüchen erfordert, dass der unbedingte Wille des Sozialleistungsträgers erkennbar wird, einen solchen etwa bestehenden Anspruch auch durchsetzen zu wollen. § 111 Satz 1 SGB X findet auch auf die Fälle des § 2 Abs.3 Satz 2 SGB X Anwendung (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 10.02.2005 - 6 B 21/03 -, juris; OVG Weimar, Urt. v. 26.05.2004 - 3 KO 76/04 -, ThürVBl. 2004, 284 - zitiert nach juris, m.w.N.). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, die "Ansprüche auf Erstattung" ohne Einschränkung auf bestimmte Erstattungsansprüche ausschließt und aus Sinn und Zweck der Vorschrift, zu einer schnellen Klarstellung der Verhältnisse zu kommen. Für die Wahrung der Ausschlussfrist erforderlich, aber auch hinreichend, ist die erkennbar auf Rechtssicherung gerichtete Mitteilung, dass für welchen Hilfeempfänger welche Sozialleistungen gewährt werden bzw. wurden und dass und für welche Leistung Erstattung begehrt wird. Dazu müssen die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht worden ist, hinreichend konkret mitgeteilt werden. Der Anspruch muss zudem gegen den Erstattungspflichtigen selbst geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2003 - 5 C 18/02 -, FEVS 54, 495; vgl. zum Ganzen Urt. des Senats vom 22. November 2005 - 1 L 496/04 -).

48

Nach diesem Maßstab hat der Kläger seinen Erstattungsanspruch beim zu diesem Zeitpunkt noch nach Maßgabe von § 100 BSHG i.V.m. dem AG-BSHG v. 31.01.1992 (GVOBl. M-V, S. 60) als überörtlicher Träger der Sozialhilfe zuständigen Land Mecklenburg-Vorpommern bzw. dem Sozialminister als dessen Behörde (vgl. § 2 AG-BSHG v. 31.01.1992) mit dem inzwischen vorliegenden Schreiben vom 05. November 1999 angemeldet bzw. geltend gemacht.

49

Das Schreiben ist ausweislich des Schreibens des Sozialministeriums vom 22. November 1999, in dem der Hilfefall der Frau E. T. ausdrücklich erwähnt wird, spätestens zu diesem Zeitpunkt dort eingegangen. Der Anspruch muss gegen den Erstattungspflichtigen selbst geltend gemacht werden. Die damals erfolgte Übertragung der Durchführung der Kostenerstattung nach Maßgabe von § 1 AufgabenDVO BSHG vom 04. August 1992 (GVOBl.M-V, S. 528) i.V.m. § 4 Abs. 1 AG-BSHG v. 31.01.1992, die keine Änderung der sachlichen Zuständigkeit bewirken konnte (vgl. Bräutigam, in: Fichtner, BSHG, 2. Aufl., § 96 Rn. 11), berührt die Frage des Adressaten der Anmeldung nicht. Die Anmeldung konnte bzw. musste jedenfalls gegenüber dem damals hinsichtlich der Kostenerstattung als Aufgabe zuständigen überörtlichen Träger erfolgen. Diese Anmeldung muss der Beklagte nach der späteren landesrechtlichen Zuständigkeitsänderung für die Befriedigung von Kostenerstattungsansprüchen bzw. dem Übergang dieser Aufgabe/Zuständigkeit auf sich gegen sich gelten lassen.

50

Dem Anmeldeschreiben lässt sich hinreichend deutlich entnehmen, dass der Kläger Frau E. T. Hilfe nach § 39 Abs. 1 BSHG durch stationäre Unterbringung leiste, insoweit ab dem 01. Januar 1994 Kostenerstattung verlange und Frau T. bis zur Heimaufnahme am 10. Juni 1961 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in "Sch., Krs. Gr.", gehabt habe.

51

Die insoweit zunächst falsche Ortsbezeichnung "Sch..." ist dabei unschädlich, da jedenfalls im Hinblick auf die Angabe "Krs. Gr." schon eine sowohl hinsichtlich der Bestimmung des überörtlichen als auch des örtlichen Trägers der Sozialhilfe im Lande Mecklenburg-Vorpommern ausreichende Konkretisierung bzw. Angabe, warum der betreffende Träger in Anspruch genommen werden soll, vorlag. Der Umstand, dass die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts von Hilfeempfängern vor der erstmaligen Aufnahme in eine Einrichtung oftmals insbesondere für die außerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern angesiedelten Anspruchsteller nicht einfach war, zeigt, dass im Übrigen die entsprechende Angabe in dem Anmeldeschreiben noch nicht vollständig richtig sein musste bzw. insoweit keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Dies gilt vor allem auch für die Frage der Substantiierung der Angaben zum gewöhnlichen Aufenthalt. Vorliegend ist später die Ortsangabe auf "17... Sch." korrigiert worden, womit sich die ursprünglich geltend gemachten Zuständigkeiten jedenfalls bewahrheitet haben.

52

Da die laufenden Sozialhilfeleistungen an die Hilfeempfängerin monatlich erbracht worden sein werden, musste die Geltendmachung beginnend für die Zeit vom 05. November 1998 nach § 26 SGB X i.V.m. den §§ 187 bis 193 BGB spätestens bis zum 30. November 1999 erfolgen, da der 30.November 1998 der letzte Tag des Leistungszeitraumes war, für den im November 1998 eine Zahlung erfolgt ist (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 10.02.2005 - 6 B 21/03 -, juris, S. 7.; vgl. Urt. des Senats v. 22.11.2005 - 1 L 496/04 -). Diese Frist hat der Kläger ersichtlich eingehalten.

53

Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch unterliegt auch nicht der Verjährung nach Maßgabe von § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.d.v. 01. Januar 2001 an geltenden Fassung, wonach Erstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat, verjähren.

54

§ 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.d.v. 01. Januar 2001 an geltenden Fassung ist anwendbar, da das Erstattungsverfahren noch nicht am 01. Juni 2000 abschließend entschieden war (§ 120 Abs. 2 SGBX).

55

Die Verjährung nach § 113 SGB X ist nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern nur nach Erhebung der entsprechenden Einrede (vgl. v. Wulffen, in: ders., SGB X, 4. Aufl., § 113 Rn. 5). Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11. Januar 2007 ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben.

56

Verjährung ist allerdings zum einen wegen der Klageerhebung am 23. Dezember 1999 und der damit eingetretenen Unterbrechung/Hemmung der Verjährungsfrist nicht eingetreten, zum anderen deshalb nicht, weil die Verjährungsfrist auch im Zeitpunkt der Senatsentscheidung noch nicht abgelaufen war.

57

Die Verjährungsfrist kann gemäß § 113 Abs. 2 SGB X vor ihrem Ablauf in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften des BGB gehemmt bzw. unterbrochen worden sein: Gemäß § 113 Abs. 2 SGB X i.d.F. ab dem 01. Januar 2002 gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des BGB sinngemäß. In der bis zum 31. Dezember 2001 wirksamen Fassung des § 113 Abs. 2 SGB X galten für die Hemmung, die Unterbrechung und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des BGB sinngemäß. § 113 Abs.2 SGB X ist zum 01. Januar 2002 insoweit an die - während des laufenden gerichtlichen Verfahrens erfolgte - Änderung der Verjährungsvorschriften im BGB angepasst worden, insbesondere an den Wegfall des Begriffs der Unterbrechung.

58

Im Falle der Unterbrechung kam die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht; eine neue Verjährung konnte erst nach der Beendigung der Unterbrechung beginnen (§ 217 BGB a.F.), die fortdauerte, bis der Prozess rechtskräftig entschieden oder anderweitig erledigt war (§211 Abs.1 BGB a.F.). Gemäß § 209 BGB n.F. bewirkt die Hemmung, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird, wobei die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens endet (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB).

59

Spätestens mit der Klageerhebung und der darin erfolgten Geltendmachung ist grundsätzlich von einer Unterbrechung/Hemmung der Verjährungsfrist auszugehen (vgl. § 209 Abs. 1 BGB a.F.; §204 Abs. 1 Nr. 1 BGB; vgl. auch v. Wulffen, in: ders., SGB X, 4. Aufl., §113 Rn. 6).

60

Der Kläger hat am 23. Dezember 1999 Klage erhoben. Zu diesem Zeitpunkt war die vierjährige Verjährungsfrist hinsichtlich der Erstattung von Leistungen, die seit dem 05. November 1998 bis zum 31. Dezember 2001 erbracht worden sind, offensichtlich - selbst wenn man auf den frühest möglichen Zeitpunkt des Fristbeginns, der Erbringung der Leistung, abstellt - noch nicht eingetreten.

61

Der Beklagte wendet allerdings sinngemäß ein, die ursprüngliche Klageerhebung gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern könne sich ihm gegenüber nicht als Unterbrechung/Hemmung der Verjährung auswirken. Vor Zustellung des Schriftsatzes des Klägers vom 19. Januar 2004 mit dem Antrag auf Änderung des Passivrubrums sei ihm gegenüber der Kostenerstattungsanspruch nicht geltend gemacht worden.

62

Das Argument des Beklagten geht jedoch grundsätzlich fehl: Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war der überörtliche Träger der Sozialhilfe, das Land Mecklenburg-Vorpommern, mit Blick auf §100 BSHG i.V.m. dem AG-BSHG v. 31. Januar 1992 passiv legitimiert, da - wie gesagt - die Übertragung der Durchführung der Kostenerstattung nach Maßgabe von § 1 AufgabenDVO BSHG v. 04. August 1992 i.V.m. § 4 Abs. 1 AG-BSHG v. 31. Januar 1992 keine Änderung der sachlichen Zuständigkeit bewirken konnte (vgl. Bräutigam, in: Fichtner, BSHG, 2. Aufl., § 96 Rn.11). Die Klage musste folglich gegen den überörtlichen Träge gerichtet werden.

63

Wenn dann nach Klageerhebung die Zuständigkeit des örtlichen Trägers an die Stelle derjenigen des überörtlichen getreten ist, führt dies im Prozess zu einem Eintritt des Rechtsnachfolgers bzw. des nunmehr zuständigen Trägers der Sozialhilfe in den Prozess Kraft Gesetzes gemäß § 173 VwGO i.V.m. den §§ 239 ff. ZPO; dieser gesetzliche Parteiwechsel stellt keine (subjektive) Klageänderung dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.11.1973 - 4 C 55.70 -, BVerwGE 44, 148 - zitiert nach juris; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 91 Rn. 13; vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 18.09.2003 - 1 L 124/03 -, S. 13, juris). Insoweit ist der Antrag des Klägers vom 19. Januar 2004 zutreffend als Antrag auf Rubrumsberichtigung formuliert und ist diese Rubrumsberichtigung vom Verwaltungsgericht entsprechend zutreffend vorgenommen worden. Das hat zwingend zur Konsequenz gehabt, dass der neue Beklagte bzw. die nunmehr zuständige Behörde als Rechtsnachfolger in die - insbesondere prozessuale - Rechtsposition des bisherigen Beklagten eingetreten ist. Er muss folglich auch die vorherige Klageerhebung gegen diesen gegen sich gelten lassen. Anders - ein solcher Fall ist jedoch nicht gegeben - verhielte es sich dann, wenn nach Wirksamwerden der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zunächst - fälschlich - noch der vorher zuständige Träger verklagt wird; dann kann ein gesetzlicher Parteiwechsel nicht Platz greifen, sondern ist schlicht der falsche Träger Beklagter. Eine Umstellung auf den neuen, richtigen Träger als Beklagten wäre als eine subjektive Klageänderung zu qualifizieren.

64

Unabhängig von diesen Erwägungen war im Zeitpunkt der Senatsentscheidung die Verjährungsfrist ohnehin noch nicht abgelaufen.

65

Dabei ist zunächst hinsichtlich der in § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X enthaltenen Anknüpfung des Beginns der Verjährung an das Kalenderjahr, "in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat", darauf hinzuweisen, dass die Vorschrift damit eine Entscheidung des betreffenden Leistungsträgers im Verhältnis zur Person des sozialhilferechtlich Leistungsberechtigten meint (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 30.03.2007 - 3 L 358/04 -, juris Rn. 30, m.w.N.). Für Erstattungsfälle der vorliegenden Art passt dieser Ansatz ersichtlich nicht, da der erstattungspflichtige Träger der Sozialhilfe jedenfalls bis zur - ggfs. erst nach rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung erfolgten - Übernahme des Hilfefalles eine positive Entscheidung über seine Leistungspflicht gegenüber dem Leistungsberechtigten im Sinne von §113 Abs. 1 Satz 1 SGBX nicht trifft. Stellte man dennoch auf diesen Zeitpunkt ab, hätte dies zur Folge, dass Erstattungsansprüche der vorliegenden Art faktisch nicht verjähren würden, da die erstattungsberechtigten Träger regelmäßig spätestens mit der Übernahme ihre Ansprüche geltend machen würden, wenn sie diese nicht ohnehin - wie regelmäßig - im Streifall zugleich mit der Übernahme gerichtlich geltend machen.

66

Im Hinblick auf die damit erforderliche (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 15.01.2004 - 12 A 11823/03.OVG -, FEVS 55, 424 - zitiert nach juris, dort Rn. 20 ff.) Auslegung der Vorschrift verjährt ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X in analoger Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X n.F. nach Auffassung des Senats in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von allen seinen Erstattungsanspruch begründenden Umständen Kenntnis erlang hat. Dazu gehört auch, dass der erstattungsberechtigte Sozialhilfeträger von dem "richtigen" erstattungspflichtigen Sozialhilfeträger Kenntnis erhält (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 15.01.2004 - 12 A 11823/03.OVG -, FEVS 55, 424 - zitiert nach juris, dort Rn. 23; vgl. auch OVG Magdeburg, Beschl. v. 30.03.2007 - 3 L 358/04 -, juris, Rn. 30). Diese Auslegung wird dem Umstand gerecht, dass Unklarheiten bezüglich der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs, die nicht in der Sphäre des Erstattungsberechtigten liegen - wie sie beispielsweise im Hinblick auf die in Mecklenburg-Vorpommern zunächst ungeklärte Frage, gegen wen eine Kostenerstattungsklage zu richten ist, existierten - nicht zu Lasten des Erstattungsberechtigten gingen. Dieser Umstand hat dabei umso mehr Gewicht, als der Erstattungsberechtigte ansonsten zu Vermeidung eines Rechtsverlusts durch Verjährung gezwungen wäre, alle in Betracht kommenden Erstattungspflichtigen auf den vollen Erstattungsanspruch nebeneinander in Anspruch zu nehmen. Dabei würde er naturgemäß im gerichtlichen Verfahren gegenüber nur einem Beklagten obsiegen können. Im Hinblick auf den zwischenzeitlichen Wegfall der Gerichtskostenfreiheit im Erstattungsstreit (§ 188 Satz 2, 2.Halbsatz VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001, BGBl. I S. 3987) kann dies dem Erstattungsberechtigten nicht ohne Weiteres angesonnen werden. Zudem entspricht die subjektive Komponente der Kenntniserlangung gegenüber einem Abstellen auf die Entstehung des Erstattungsanspruchs eher dem Wortlaut des § 113 SGB X.

67

Der "richtige" erstattungspflichtige Sozialhilfeträger stand hiervon ausgehend aber frühestens mit dem Senatsurteil vom 18. September 2003 - 1 L 124/03 - fest; es kann vorliegend offen bleiben, ob im Hinblick auf die auch danach zunächst noch abweichende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Greifswald sogar auf die Senatsurteile vom 22. November 2005 - 1 L 496/04 u.a. - abzustellen wäre. Denn es war jedenfalls selbst im Entscheidungszeitpunkt noch keine Verjährung eingetreten, wenn die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2003 begonnen hatte. Es käme folglich nicht auf die Frage der Unterbrechung oder Hemmung an.

68

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Aufgrund von §194 Abs.5 i.V.m. § 188 Satz 2, 2. Halbsatz VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987) ist das nach dem 01. Januar 2002 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Berufungsverfahren nicht gerichtskostenfrei (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.05.2004 - 5 KSt 1/04 u.a. -, juris).

69

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO; da eine Feststellungsklage Gegenstand des Verfahren war, kommt nur eine Vollstreckung hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten in Betracht.

70

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.