Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 06. März 2017 - 2 Ws 731/15 Vollz

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2017:0306.2WS731.15.00
bei uns veröffentlicht am06.03.2017

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Tenor

1. Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt.

2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Staatskasse zur Last.

3. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Der Antragsteller befindet sich seit dem 8. März 2013 zur Vollstreckung mehrerer Restfreiheitsstrafen in der Justizvollzugs- und Sicherungsverwahrungsanstalt X.. Das Strafende ist auf den 23. Juni 2020 vorgemerkt. Der Strafvollzug erfolgt derzeit vorübergehend in der Justizvollzugsanstalt Y., in der der Antragsteller eine Ausbildung zum Medientechnologen absolviert, die voraussichtlich bis Juni 2017 andauert.

2

Am 23. Juli 2015 hat die Justizvollzugs- und Sicherungsverwahrungsanstalt X. den Vollzugs- und Eingliederungsplan für den Antragsteller fortgeschrieben (Bl. 7 ff. d.A.). Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels wurden ihm nicht zuerkannt, da wegen bestehender Flucht- und Missbrauchsgefahr nicht verantwortet werden könne, ihn in begleiteten Ausgängen zu erproben. Unbegleitete Ausgänge, Langzeitausgang oder Freigang kämen wegen der gegenüber den Begleitausgängen erhöhten Flucht- und Missbrauchsgefahr erst recht nicht in Betracht (Ziff. 17, Bl. 16 ff. d.A.).

3

Eine Teilnahme an einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen sei nicht angezeigt. Es bestehe hierfür kein Behandlungsbedarf. Der Antragsteller könne sich mit konkreten Anliegen an den psychologischen Dienst wenden. Die Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz sei nicht sinnvoll möglich. Sie erfordere zunächst eine Veränderung seiner inneren Einstellung zum Erkennen, Akzeptieren und Einhalten von Regeln sowie eine kritische Selbstreflexion seines wiederholt delinquenten Verhaltens (Bl. 14 f. d.A.).

4

Auch die Notwendigkeit von Ausführungen gemäß § 48 Abs. 1 LJVollzG wurde verneint (Ziff. 16, Bl. 15 f. d.A.).

5

2. Der erkennbar gegen die Nichtgewährung von Vollzugslockerungen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz in X. vom 11. November 2015 zurückgewiesen (Bl. 72 ff. d.A.).

6

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 27. November 2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 15. Dezember 2015 Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

7

Am 4. Juli 2016 hat die Justizvollzugsanstalt Z. den Vollzugs- und Eingliederungsplan für den Antragsteller fortgeschrieben (Bl. 73 d.A.). Dort ist festgelegt, dass er sukzessive in Vollzugslockerungen erprobt werde. Ihm wurde die Eignung für Begleitausgang zugesprochen sowie die Eignung für Außenbeschäftigung im Rahmen der Berufsausbildung in Aussicht gestellt, sobald er sich in fünf Begleitausgängen und mindestens einem Langzeitausgang bewährt hat.

8

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. Juli 2016 hat der Antragsteller die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die neue Vollzugsplanfortschreibung für erledigt erklärt und beantragt, der Staatskasse die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

9

Das Ministerium der Justiz hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen. Eine Erledigung habe nicht eintreten können, da das Rechtsmittel bereits bei Einlegung unzulässig gewesen sei.

II.

10

Eine Entscheidung in der Hauptsache ist nicht mehr zu treffen, da das Verfahren insoweit durch die Vollzugsplanfortschreibung vom 4. Juli 2016 Erledigung gefunden hat. Die sich aus der vorherigen Vollzugsplanfortschreibung ergebende Beschwer des Antragstellers ist nachträglich weggefallen.

11

1. Der Senat hat im Einklang mit der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. OLG Celle, 1 Ws 553/10 [StrVollz] v. 28.02.2013, juris; vgl. auch BVerfG, 2 BvR 166/11 v. 19.12.2012, NStZ-RR 2013, 120) entschieden (2 Ws 374/13 v. 13.03.2014, juris), dass die Fortschreibung des Vollzugsplans dazu führt, dass sich ein gegen die vorausgegangene Fortschreibung gerichtetes Rechtsschutzbegehren erledigt, es sei denn, die angegriffenen Regelungen sind auch in der weiteren Fortschreibung unverändert geblieben. Dies gilt dann, wenn das erledigende Ereignis vor der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erfolgt.

12

Eine Feststellung der Erledigung verbunden mit einer Kostenentscheidung nach § 121 Abs. 2 S. 2 StVollzG ist - mangels Feststellungsantrag nach § 115 Abs. 3 StVollzG - auch dann veranlasst, wenn das erledigende Ereignis - wie vorliegend -nach der erstinstanzlichen Entscheidung und während des Verfahrens über die Rechtsbeschwerde eintritt. Die in § 121 Abs. 2 S. 2 StVollzG vorgesehene Kostenregelung gilt nicht nur für das Instanzgericht sondern auch für das Rechtsbeschwerdegericht mit der Folge, dass entsprechend der Rechtslage im Zivilprozess und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 91a ZPO, § 161 Abs. 2 VwGO) bei Erledigung der Hauptsache erst im Rechtsbeschwerdeverfahren - die Zulässigkeit des Rechtsmittels (§§ 118, 116 StVollzG) vorausgesetzt - unter Berücksichtigung seiner Erfolgsaussicht ohne das erledigende Ereignis über die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden ist (OLG München NStZ 1986, 96; Schwind/Böhm, StVollzG, 6. Aufl. 2013, § 121 Rn. 5; Feest/Lesting/Lindemann, StVollzG, 7. Aufl. 2017, § 121 Rn. 7).

13

2. Dies führt zur Auferlegung der Verfahrenskosten und der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse, weil die ablehnende Entscheidung der Strafvollstreckungskammer aus Rechtsgründen der Aufhebung unterlegen hätte.

14

a) Die Rechtsbeschwerde war vor Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig, da sie eine Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ermöglicht (§ 116 Abs. 1 StVollzG) hätte. Die Strafvollstreckungskammer hat bei der Entscheidung über den Verpflichtungsantrag ungeprüft gelassen, ob dem Antragsteller als Vorstufe der begehrten Lockerungen Ausführungen (§ 48 LJVollzG) zu bewilligen gewesen wären. Es war daher zu besorgen, dass sie - ohne eine Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht - über den konkreten Einzelfall hinaus auch künftig bei ähnlich gelagerten Sachverhalten in vergleichbarer Weise rechtsfehlerhaft verfahren würde.

15

b) Der Rechtsbeschwerde wäre auch in der Sache ein Erfolg beschieden gewesen.

16

Bei langjährig Inhaftierten kann, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet und weitergehenden Lockerungen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr entgegensteht, zumindest die Gewährung von Ausführungen geboten und der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein (BVerfG, 2 BvR 3030/14 v. 19.01.2016, juris m.w.N.).

17

Zwar wird eine Ausführung im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 1 LJVollzG als ein Verlassen der Anstalt unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht von Vollzugsbediensteten definiert und ist damit keine Lockerung im Sinne des § 45 LJVollzG (vgl. Drs. 16/1910, S. 134). Jedoch gilt der vorgenannte und im Zusammenhang mit der Gewährung von Lockerungen definierte Maßstab des Bundesverfassungsgerichts auch für Ausführungen nach § 48 LJVollzG (vgl. Senat, 2 Ws 294/16 [Vollz] v. 24.08.2016).

18

Ausführungen können gem. § 48 Abs. 1 S. 1 LJVollzG gestattet werden, wenn dies aus „besonderen Gründen“ notwendig ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers können „besondere Gründe“ im Sinne dieser Vorschrift einerseits wichtige Anlässe wie die Teilnahme an Bestattungen Angehöriger oder andere Fälle des § 46 LJVollzG sein, wenn aus den in § 45 Abs. 2 LJVollzG genannten Gründen Vollzugslockerungen nicht gewährt werden können (vgl. Drs. 16/1910 a.a.O.).

19

Bei der Vollzugsplanfortschreibung wurde jedoch - ebenso wie von der Strafvollstreckungskammer in der angefochtenen Entscheidung - offenbar verkannt, dass „besondere Gründe“ andererseits auch dann vorliegen, wenn zur Erreichung des Vollzugsziels Ausführungen zur Vorbereitung einer Lockerungsgewährung oder zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit erforderlich sind und aus den in § 45 Abs. 2 LJVollzG genannten Gründen Vollzugslockerungen noch nicht gewährt werden können (vgl. Drs. 16/1910 a.a.O.).

20

Die Antragsgegnerin hat in der Vollzugsplanfortschreibung vom 23. Juli 2015 lediglich angegeben, für Ausführungen bestehe keine Notwendigkeit. Besondere Gründe für ihre Gewährung lägen nicht vor. Sollten sich derartige Gründe ergeben, sei dies im konkreten Einzelfall zu prüfen. Die in dem Vordruck zur Vollzugsplanfortschreibung vorgesehenen Textfelder „zur Vorbereitung von Vollzugslockerungen“ und „zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit“ blieben unausgefüllt (Bl. 16 d.A.).

21

Das Fehlen jeglicher Angaben zur Versagung von Ausführungen „zur Vorbereitung von Vollzugslockerungen“ und „zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit“ sowie die im Übrigen lediglich formelhafte Verneinung des Vorliegens besonderer Gründe lassen besorgen, dass die Vollzugsanstalt bei der Vollzugsplanfortschreibung als besondere Gründe im Sinne von § 48 Abs. 1 LJVollzG lediglich die in § 46 LJVollzG genannten „wichtigen Anlässe“ (Teilnahme an gerichtlichen Terminen, medizinische Behandlung sowie Tod oder lebensgefährliche Erkrankung naher Angehöriger), nicht aber die Vorbereitung von Lockerungen oder die Erhaltung der Lebenstüchtigkeit im Blick hatte. Ob Ausführungen des Antragstellers unter den beiden letztgenannten Aspekten tatsächlich zu gewähren gewesen wären, hätte die Vollzugsanstalt innerhalb des ihr zustehenden Ermessens zu entscheiden gehabt. Die lediglich formelhafte Verneinung der Erforderlichkeit von Ausführungen unter gleichzeitiger Verwendung eines Ankreuzverfahrens in einem Vordruck genügte jedenfalls bei dem bereits seit mehr als 2 Jahren inhaftierten Gefangenen mit einer errechneten Gesamtverbüßungsdauer von mehr als 7 Jahren nicht den oben aufgezeigten verfassungsrechtlichen Anforderungen.

22

Da der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sich gegen die Versagung jeglicher Lockerungen und damit erkennbar auch gegen die Versagung lockerungsvorbereitender Ausführungen richtete, die Strafvollstreckungskammer aber gleichwohl von einer insgesamt ermessensfehlerfreien Vollzugsplanfortschreibung ausging, hätte die Rechtsbeschwerde zumindest vorläufigen Erfolg gehabt, da die Strafvollstreckungskammer anzuweisen gewesen wäre, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

23

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, 60, 52 Abs. 1 GKG. Hierbei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass die gesetzlichen Gebühren hoch genug sein müssen, um die Tätigkeit des Verteidigers wirtschaftlich vertretbar erscheinen zu lassen und dem Strafgefangenen so die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands zu ermöglichen (vgl. Senat, 2 Ws 405/10 [Vollz] v. 19.10.2010, 2 Ws 1156/12 [Vollz] v. 05.03.2013 m.w.N.).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 06. März 2017 - 2 Ws 731/15 Vollz

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 06. März 2017 - 2 Ws 731/15 Vollz

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 06. März 2017 - 2 Ws 731/15 Vollz zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 1 Geltungsbereich


(1) Für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten 1. nach der Zivilprozessordnung, einschließlich des Mahnverfahrens nach § 113 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 116 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. (2) Die Re

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 121 Kosten des Verfahrens


(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind. (2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Ver

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 115 Gerichtliche Entscheidung


(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die na

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 118 Form. Frist. Begründung


(1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 06. März 2017 - 2 Ws 731/15 Vollz zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 06. März 2017 - 2 Ws 731/15 Vollz zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 19. Jan. 2016 - 2 BvR 3030/14

bei uns veröffentlicht am 19.01.2016

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde des strafgefangenen Beschwerdeführers, die die Frage betrifft, ob dem Beschwerdeführer Vollzugslockerunge

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Dez. 2012 - 2 BvR 166/11

bei uns veröffentlicht am 19.12.2012

Tenor Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Dezember 2010 - 1 Ws 553/10 (StrVollz) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Er wi

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 08. Nov. 2010 - 2 Ws 405/10

bei uns veröffentlicht am 08.11.2010

Tenor Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts ... vom 23. September 2010 dahin abgeändert, dass das Hauptverfahren vor der Großen Strafkammer des Landgerichts ... eröffnet wird. Gründe   I. 1

Referenzen

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Dezember 2010 - 1 Ws 553/10 (StrVollz) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben und die Sache wird an das Oberlandesgericht Celle zurückverwiesen.

...

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Celle.

2

Die Justizvollzugsanstalt erstellte für ihn am 31. März 2010 einen Vollzugsplan, der unter anderem die Feststellung enthielt, dass eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt/Abteilung nicht geboten sei. Zur Eignung für Vollzugslockerungen wurde ausgeführt, dass Ausführungen nur zur Wahrnehmung unabweisbar notwendiger Angelegenheiten außerhalb des Vollzugs gewährt werden könnten. Hinsichtlich der Gewährung von weitergehenden Vollzugslockerungen bestünden Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr.Der Beschwerdeführer sei für Vollzugslockerungen und Urlaub gemäß § 13 NJVollzG - Ausführungen ausgenommen - im Hinblick auf die Schwere des Delikts, strafrechtliche Vorbelastung und den in der Persönlichkeit liegenden Risiken wegen Flucht- und Missbrauchsgefahr nicht geeignet.

3

Als geplanter Zeitpunkt für die nächste Fortschreibung des Vollzugsplans wurde September 2010 angegeben.

4

2. Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung, gerichtet auf die Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt, den Vollzugsplan hinsichtlich Lockerungen und Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts neu zu fassen. Die diesbezüglichen Planinhalte seien lediglich ergebnisfeststellender Art und nicht nachvollziehbar; hinsichtlich der Lockerungsungeeignetheit sei zudem von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen ausgegangen worden. Darüber hinaus sei keine ordnungsgemäße Abwägung erfolgt.

5

3. Mit Beschluss vom 24. August 2010 - dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 15. September 2010 zugegangen - wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück.

6

4. Am 8. September 2010 erging ein neuer Vollzugsplan, der dem Beschwerdeführer am 30. September 2010 ausgehändigt wurde. Die Ausführungen zur Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt und zu Vollzugslockerungen entsprachen denen im früheren Vollzugsplan vom 31. März 2010.

7

5. Am 15. Oktober 2010 erhob der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde.

8

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 15. Dezember 2010 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse bestehe nicht mehr, da sich bereits vor Einlegen der Rechtsbeschwerde der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe. Die Fortschreibung des Vollzugsplans führe zur Annahme der Erledigung der Hauptsache, und zwar unabhängig davon, ob der neue Vollzugsplan die konkret angefochtene Regelung enthalte oder nicht. Es entspreche einhelliger Auffassung, dass bei Erledigung der Hauptsache vor Einlegung der Rechtsbeschwerde dieselbe unzulässig sei. In solchen Fällen komme allenfalls die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit in Betracht. Da aber ein solcher Antrag in erster Instanz nicht gestellt worden sei, komme ein Übergang zur Feststellungsklage in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr in Betracht. Die Rechtsbeschwerde setze das Fortwirken der zu überprüfenden Entscheidung voraus; § 115 Abs. 3 StVollzG gelte für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht. Anderenfalls müsste das Rechtsbeschwerdegericht erstmals über Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrags entscheiden, was dem Wesen der Rechtsbeschwerde widerspreche und vom Beschwerdegericht, das keine tatsächlichen Feststellungen treffen dürfe, auch nicht zu leisten sei. Dem stünden auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 - und vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 - nicht entgegen. Im Verfahren 2 BvR 244/08 habe das Bundesverfassungsgericht es gerade offen gelassen, ob in Konstellationen wie der vorliegenden eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie vorliege. Im Verfahren 2 BvR 729/08 sei lediglich festgestellt worden, dass im Fall einer Fortschreibung nach der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht unzulässig werde. Im Übrigen teile das Oberlandesgericht auch nicht die Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg im Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26-28/07 u.a. -, StraFo 2007, S. 390 ff. -, dass es sich bei einem Vollzugsplan und seiner Fortschreibung um denselben Streitgegenstand handle. Zudem sei es in dieser Entscheidung um die Frage gegangen, ob die Fortschreibung des Vollzugsplans nach Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung, aber vor einer Entscheidung durch das Landgericht zur Erledigung führe. Der Entscheidung sei keine Aussage darüber zu entnehmen, ob das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg auch im hier vorliegenden Fall, in dem der Vollzugsplan nach Entscheidung des Landgerichts, aber vor Erhebung der Rechtsbeschwerde fortgeschrieben worden sei, eine Erledigung verneine.

9

7. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1, Art. 19 Abs. 4 GG.

10

Der Rechtsweg verkürze sich in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise, wenn sich eine Rechtsbeschwerde bei einer Änderung des Vollzugsplans erledige und eine Umstellung auf ein Feststellungsinteresse nicht möglich sei. Dies habe zur Folge, dass die Justizvollzugsanstalt darüber entscheiden könne, ob sich ein Rechtsstreit erledige. Die Vollzugsplanfortschreibung sei in seinem Fall außerdem lediglich eine formale gewesen, da sie inhaltlich keine erheblichen Änderungen aufweise. Sie sei vor dem Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens geändert worden, während die Aushändigung erst nach Abschluss der ersten Instanz erfolgt sei. Das zeige, dass eine Justizvollzugsanstalt es in der Hand habe, Vollzugsplanfortschreibungen auf Vorrat zu halten und bei Gelegenheit zu übergeben.

11

8. Das Niedersächsische Justizministerium hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 NJVollzG sei der Vollzugsplan in Einklang mit der Entwicklung der oder des Gefangenen und weiteren Erkenntnissen zur Persönlichkeit, insbesondere der Bereitschaft, an der Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 NJVollzG mitzuarbeiten, fortzuschreiben. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG seien hierfür im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen. Da hiernach die Strafvollstreckungsbehörden kraft Gesetzes gehalten seien, bereits vor der Bekanntmachung des fortgeschriebenen Vollzugsplans die angemessene Frist zu dessen Fortschreibung festzulegen, sei die Fortschreibung des Vollzugsplanes nicht geeignet, als Instrument unzulässiger Verkürzung des Rechtsweges zu dienen. Zum Zeitpunkt der Fortschreibung des Vollzugsplans sei die Strafvollstreckungsbehörde nicht in der Lage, abzuschätzen, ob eine Gefangene oder ein Gefangener einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stelle. Aus diesem Grund treffe die Behauptung des Beschwerdeführers, die Strafvollstreckungsbehörde habe es beliebig in der Hand, den Rechtsweg zu verkürzen, nicht zu. Darüber hinaus erschienen die Umstände des vorliegenden Einzelfalles nicht geeignet, das Oberlandesgericht zu veranlassen, von seiner Rechtsprechung und der herrschenden Meinung abzuweichen. Im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen und hier im Abstand von sechs Monaten gebotenen Fortschreibung des Vollzugsplans habe die Strafvollstreckungsbehörde die Entwicklung der oder des Gefangenen und weitere Erkenntnisse zur Persönlichkeit zu berücksichtigen. Dies bedeute, dass die jeweilige Fortschreibung des Vollzugsplans grundsätzlich auf einer geänderten Tatsachengrundlage beruhe. Dies gelte auch wenn, wie hier, im fortgeschriebenen Vollzugsplan Lockerungen weiterhin verweigert würden. Eine Wiederholungsgefahroder eine gegenwärtige Beschwer durch den angefochtenen, aber zwischenzeitlich überholten Vollzugsplan vom 31. März 2010 sei nicht anzuerkennen.

12

Ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs angenommen werden. Dem Vollzugsplan vom 31. März 2010 komme eine solche fortdauernde beeinträchtigende Wirkung nicht zu, denn ihm komme - anders als dem Vollzugsplan in dem Fall, der dem Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 - zugrunde gelegen habe - keinerlei Bedeutung für die Frage der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung zu. Der Beschwerdeführer verbüße eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes, deren Mindestverbüßungsdauer bis zum 29. Mai 2017 reiche. Anschließend sei eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Vergewaltigung notiert. Es sei daher nicht ersichtlich, dass aufgrund dieser Umstände das Oberlandesgericht ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis habe annehmen müssen.

II.

13

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung(§ 93cAbs. 1BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und in einem die Kammerzuständigkeitbegründenden Sinne (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet.

14

1. Der Zulässigkeit der fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass zwischenzeitlich eine Fortschreibung des Vollzugsplans erfolgt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris). Unerheblich ist auch, dass der frühestmögliche Entlassungszeitpunkt für den Beschwerdeführer erst in etlichen Jahren erreicht sein wird, denn auch unter dieser Voraussetzung verbessert sich die Prognosebasis mit der Dauer der möglichen Bewährung in Vollzugslockerungen. Die Rechtsauffassung, die das Oberlandesgericht seinen Entscheidungen zugrundegelegt hat, gewährleistet im Übrigen auch keine wirksame Überprüfung der Vollzugsplanung für den Beschwerdeführer beim Näherrücken des möglichen Entlassungszeitpunkts (s. u. 2.b)bb); vgl. zur Bedeutung des Gesichtspunkts, dass bei gewichtigen Grundrechtsverstößen ein nach Erledigung fortbestehendes Interesse an der Gewährung verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes anzunehmen ist, wenn die direkte Belastung sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene eine verfassungsgerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann, bei angenommener Erledigung einer Vollzugsplanung BVerfG, a.a.O., m.w.N.).

15

2. Indem das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen hat, hat es dessen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.

16

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>).

17

Der rechtsuchende Bürger muss zudem erkennen können, welches Rechtsmittel für ihn in Betracht kommt und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>; 54, 277 <292 f.>; 87, 48 <65>; 107, 395 <416>; 108, 341 <349>; BVerfGK 2, 213 <218>; 6, 72 <76>). Er darf nicht mit einem für ihn nicht übersehbaren "Annahmerisiko" und dessen Kostenfolgen belastet werden (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>; 54, 277 <293>; BVerfGK 6, 72 <76>; 16, 362 <366>).

18

Geht es um den Rechtsschutz in Strafvollzugssachen, so ist bei der Anwendung dieser Maßstäbe zu berücksichtigen, dass die Rechtsschutzsuchenden hier typischerweise nach Bildungsstand, materiellen Ressourcen und Kommunikationsmöglichkeiten für den Umgang mit den Kompliziertheiten der Rechtsordnung nicht gut gerüstet sind (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>). Wenn ein Gericht geltende Rechtsvorschriften in einer Weise auszulegen gedenkt, die für den Rechtsschutzsuchenden mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, muss es prüfen, ob hinreichend gewichtige Gründe die Erschwerung des Rechtsschutzes rechtfertigen. Nur wenn solche hinreichend gewichtigen Gründe vorliegen, kann die Erschwerung dem Rechtsschutzsuchenden zumutbar sein (vgl. BVerfGK, a.a.O.).

19

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht.

20

aa) Das Oberlandesgericht hat sich auf die Annahme gestützt, dass ein gegen eine Vollzugsplanfestsetzung gerichtetes Rechtsschutzbegehren sich mit der Fortschreibung des Vollzugsplans auch dann erledigt, wenn die angefochtene Festsetzung im fortgeschriebenen Vollzugsplan unverändert geblieben ist. Zugleich hat es angenommen, dass ein Fortsetzungsfeststellungsantrag im Verfahren der Rechtsbeschwerde (§§ 116 ff. StVollzG) nicht zulässigerweise gestellt werden kann. Während die erstere Annahme umstritten ist (a.A. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26-28/07 u.a. -, StraFo 2007, S. 390 ff.), entspricht die letztere der einhelligen obergerichtlichen Rechtsauffassung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris, m.w.N.; aus jüngerer Zeit OLG Hamm, Beschluss vom 3. März 2011 - 1 Vollz (Ws) 27/11 u.a. -, juris). Dabei wird regelmäßig angenommen, dass für den Fall des Eintritts der Erledigung im Zeitraum zwischen erstinstanzlicher Entscheidung und Einlegung der Rechtsbeschwerde diese als unzulässig zu verwerfen ist, während bei Erledigungseintritt nach Einlegung der Rechtsbeschwerde das Gericht nur noch die Erledigung auszusprechen und über die Kosten zu entscheiden hat (vgl. BVerfG, a.a.O., m.w.N.). Es bedarf keiner Entscheidung, wie diese Rechtsauffassungen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten je für sich zu beurteilen sind. Jedenfalls in ihrer Kombination führen sie zu einer erheblichen Erschwerung des Rechtsschutzes.

21

bb) (1) Als Folge des Zusammenwirkens beider Annahmen ist auch insoweit, als Vollzugspläne typischerweise nach Abschluss des erstinstanzlichen, aber vor Abschluss der zweiten Gerichtsinstanz fortgeschrieben werden, typischerweise keine obergerichtliche Sachentscheidung mehr zu erlangen. Das Korrektiv, mit dem für solche Fallgruppen von Verfassungs wegen einem systematischen Wegfall der Rechtsschutzmöglichkeit für gewichtige Grundrechtseingriffe - sei es überhaupt oder für eine an sich vorgesehene zweite Instanz - entgegenzuwirken ist, nämlich die Anerkennung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses bei typischerweise vor Rechtsschutzgewährung eintretender Erledigung (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 71 <122 f.>; zur Anwendbarkeit bei Erledigung einer Vollzugsplanfortschreibung BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris), kann infolgedessen nicht mehr greifen, weil der Zugang zur Rechtsbeschwerdeinstanz mit der dargestellten Doktrin ganz unabhängig von der Frage eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses schon auf einer früheren Ebene versperrt wird.

22

Auf eine in dem genannten Zeitraum eintretende Erledigung kann eine Justizvollzugsanstalt gezielt hinwirken, indem sie ihren Fortschreibungsrhythmus dem Ablauf etwaiger gerichtlicher Verfahren anpasst. Durch die Kombination von Rechtsauffassungen, auf die das Oberlandesgericht sich stützt, wird sie in weitem Umfang in den Stand versetzt, eine obergerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Festsetzungen im Vollzugsplan zu verhindern, weil sie es in der Hand hat, durch terminlich entsprechend platzierte Fortschreibungen des Vollzugsplans jeder Rechtsbeschwerde die Erfolgsaussicht zu entziehen, ohne der Beschwer abzuhelfen und damit implizit einzuräumen, dass die Position des Gefangenen zutreffend war. Die gesetzliche Verpflichtung, Vollzugspläne mit einer Angabe zum Zeitpunkt der Fortschreibung zu versehen (§ 9 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG; vgl. § 7 Abs. 3 Satz 2 StVollzG), steht dem angesichts der Möglichkeiten, Fortschreibungsfristen und gerichtliche Entscheidungsrhythmen aneinander anzupassen, und angesichts der Flexibilitäten, die ungeachtet der grundsätzlichen Einklagbarkeit einer gebotenen Vollzugsplanfortschreibung (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 7 Rn. 12, m.w.N.) faktisch in der Umsetzung der entsprechenden Terminplanung bestehen, nur sehr begrenzt im Wege.

23

(2) Bereits die Eröffnung einer solchen Einwirkungsmöglichkeit muss - unabhängig davon, ob im Einzelfall tatsächlich ein auf Verhinderung von Rechtsschutz gerichtetes Handeln der Justizvollzugsanstalt vorliegt - erhebliche Bedenken im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG wecken (vgl. bereits BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris, Rn. 10). Da auch bei inhaltlich nicht veränderten Fortschreibungen eine Erledigung angenommen wird, kann ein Vollzugsplan im Extremfall über Jahre hinweg inhaltlich unverändert bleiben, ohne dass der betroffene Gefangene eine Chance hätte, die Sache einer obergerichtlichen Klärung zuzuführen. Damit unterscheidet sich diese Konstellation erheblich von Fällen, in denen sich die angegriffene Maßnahme dadurch erledigt, dass die Justizvollzugsanstalt dem Begehren des Gefangenen nachkommt. Sie unterscheidet sich auch von Fällen, in denen die Erledigung durch eine Maßnahme erfolgt, die der Betroffene im Grundsatz mit Aussicht auf Erfolg gerade auch unter dem Gesichtspunkt angreifen kann, dass sie - mit ihrem erledigenden Gehalt - überhaupt ergriffen wurde. Während der Gefangene sich etwa gegen eine Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt, die unter Umständen gleichfalls mit Erledigungswirkungen verbunden ist, in der Weise zur Wehr setzen kann, dass er unabhängig von deren weiteren Modalitäten die Verlegung als solche mit einem Antrag nach § 109 StVollzG angreift, wird im Fall der Erledigung durch Vollzugsplanfortschreibung ein von den Inhalten der Fortschreibung unabhängiger Angriff auf die Fortschreibung als solche in der Regel aussichtslos sein, denn mit der regelmäßigen Fortschreibung der Vollzugsplanung als solcher, unabhängig von deren Inhalten, verletzt die Justizvollzugsanstalt keine Rechte des Gefangenen, sondern erfüllt eine gesetzliche Pflicht. Die Zuschreibung einer änderungsunabhängigen Erledigungswirkung in Bezug auf Rechtsschutzanliegen, die die vorausgegangene Fassung des Vollzugsplans betreffen, begründet daher im Zusammenwirken mit der Annahme, dass § 115 Abs. 3 StVollzG nicht für das Rechtsbeschwerdeverfahren gilt, in besonderer Weise die Gefahr eines für die betroffenen Gefangenen nicht beherrschbaren systemischen Versagens der durch § 116 StVollzG grundsätzlich auch für die Vollzugsplanung eröffneten gerichtlichen Kontrolle durch die Rechtsbeschwerdeinstanz.

24

(3) Zudem ist es einem Gefangenen, vor allem unter den Bedingungen des Strafvollzuges, in denen nur eingeschränkter Zugang zu anwaltlicher Vertretung und juristischen Veröffentlichungen besteht, kaum noch möglich, zu erkennen, auf welche Weise er - auch verfassungsgerichtlichen - Rechtsschutz erlangen kann. Bei einer Vollzugsplanfortschreibung während des erstinstanzlichen Verfahrens kann er einen Fortsetzungsfeststellungsantrag noch in der ersten Instanz stellen. Verneint das Landgericht dessen Zulässigkeit, wird in der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht überprüft, ob der Fortsetzungsfeststellungsantrag zu Recht als unzulässig betrachtet wurde (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 1 Ws (Vollz) 30/11 -, juris). Ergeht die Entscheidung des Oberlandesgerichts zuungunsten des Gefangenen, kann er, sofern eine Verletzung seiner Grundrechte in Rede steht, Verfassungsbeschwerde erheben. Erfolgt die Vollzugsplanfortschreibung  , nachdem die Rechtsbeschwerde bereits anhängig gemacht wurde, entscheidet das Oberlandesgericht nur noch über die Kosten nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG (s.o. unter aa)). In diesem Zusammenhang kann bei der Entscheidung über die Kostentragung geprüft werden, ob die Rechtsbeschwerde ohne das erledigende Ereignis zum Erfolg geführt hätte, so dass zumindest mittelbar die materielle Rechtslage zu bewerten sein kann (vgl. KG, Beschluss vom 24. Juni 1981 - 2 Ws 27/81 Vollz -, StV 1982, S. 79; ohne Ausführungen zu den Erfolgsaussichten hingegen OLG München, Beschluss vom 18. November 1985 - 1 Ws 876/85 - NStZ 1986, S. 96). Auch gegen eine derartige Kostenentscheidung kann gegebenenfalls Verfassungsbeschwerde erhoben werden, sofern damit nicht in kostenrechtlicher Einkleidung mittelbar Sachfragen zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellt werden, die nach dem Verfassungsprozessrecht einer inhaltlichen Prüfung gerade nicht mehr zugänglich sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 2309/09 -, juris; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Oktober 2008 - 2 BvR 1203/07 -, juris, jew. m.w.N.). Ergeht die Vollzugsplanfortschreibung hingegen nach dem erstinstanzlichen Beschluss, aber vor Erhebung der Rechtsbeschwerde, führt nach der Kombination der Rechtsauffassungen, auf die das Oberlandesgericht sich gestützt hat, die eintretende Erledigung zu einer Auswechselung der zulässigen Rechtsbehelfe und der zugehörigen laufenden Rechtsbehelfsfristen: Die erstinstanzliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wird durch die erledigende Vollzugsplanfortschreibung unversehens zur letztinstanzlichen, gegen die nicht mehr die Rechtsbeschwerde, stattdessen nun aber, weil der Rechtsweg erschöpft ist, sogleich die Verfassungsbeschwerde zulässig ist. Allerdings wird die Frist hierfür, setzt man deren Beginn dem Wortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gemäß mit dem Zugang der anzugreifenden Entscheidung an, bei Erledigungseintritt und Kenntniserlangung von der Erledigung schon mehr oder weniger weitgehend abgelaufen sein. Ob eine derartige Einwirkungsmöglichkeit einer Behörde auf die Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen ihre eigenen Maßnahmen bereits ihrer Struktur nach die Grenze des rechtsstaatlich Hinnehmbaren - nicht zuletzt auch die Grenzen des Kafkaesken (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>) - überschreitet, kann offenbleiben. Jedenfalls stellt für den Bereich des Strafvollzuges die prozessuale Rechtslage, die sich aus der hier zu beurteilenden Dogmenkombination ergibt, unter Berücksichtigung der bei Strafgefangenen typischerweise gegebenen besonderen Schwierigkeiten im Umgang mit Kompliziertheiten der Rechtsordnung (vgl. BVerfGK, a.a.O.) eine nicht mehr hinzunehmende Erschwerung des Rechtsschutzes dar.

25

(4) Auch wenn man annehmen wollte, dass hinreichend gewichtige Gründe eine derartige mit der gewählten Auslegung des einfachen Rechts verbundene Erschwerung des Rechtsschutzes rechtfertigen könnten, ist das Oberlandesgericht jedenfalls seiner Pflicht, zu prüfen, ob derartige gewichtige, seine Auslegung rechtfertigende Gründe hier vorliegen (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>), nicht nachgekommen. Der bloße Umstand, dass eine den Rechtsschutzsuchenden weniger belastende Auslegung, weil sie mit einer Abweichung von vorhandener obergerichtlicher Rechtsprechung verbunden wäre, der zu treffenden Entscheidung nur auf dem Weg einer Vorlage nach § 121 Abs. 2 Nr. 2 GVG zugrundegelegt werden könnte, stellt keinen Sachgrund dar, der eine ansonsten nicht gerechtfertigte Erschwerung des Rechtsschutzes durch eine bestimmte Auslegung des einfachen Rechts legitimieren könnte. Die Rechtsauffassungen, aus deren Kombination sich die Erschwerung des Rechtsschutzes ergibt, im Lichte des Gewichts dieser Erschwerung zu überdenken, hätte umso näher gelegen, als sie keineswegs zwingend erscheinen (vgl. etwa zur Möglichkeit der Umstellung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag auch noch in der Revisionsinstanz BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 - 8 C 7.07 -, LKV 2008, S. 411 <411>; BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 3 C 11.08 -, juris, Rn. 13; zu der Frage, ob dem in strafvollzuglichen Angelegenheiten die systematische Stellung des § 115 Abs. 3 StVollzG entgegensteht, OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 1977 - 1 Vollz (Ws) 37/77 -, juris).

26

c) Ob durch die angegriffenen Entscheidungen weitere Grundrechte des Beschwerdeführersverletzt worden sind - insbesondere ob ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 GG wegen Verletzung einer Vorlagepflicht (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 GVG) im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26-28/07 u.a. -, StraFo 2007, S. 390 ff., vorliegt -, kann angesichts des bereits festgestellten Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG offenbleiben.

III.

27

1. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Er ist daher gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

28

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattungberuht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.

(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.

(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.

(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.

(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.

(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.

(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.

(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.

(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Die Rechtsbeschwerde muß bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen eines Monats nach Zustellung der gerichtlichen Entscheidung eingelegt werden. In dieser Frist ist außerdem die Erklärung abzugeben, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Die Anträge sind zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob die Entscheidung wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(3) Der Antragsteller als Beschwerdeführer kann dies nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle tun.

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde des strafgefangenen Beschwerdeführers, die die Frage betrifft, ob dem Beschwerdeführer Vollzugslockerungen in Form der Ausführung zu gewähren sind, ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor.

2

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Es fehlt an einer den Anforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG genügenden substantiierten Begründung einer Grundrechtsverletzung.

3

2. Angesichts der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ist dem Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung darüber versagt, ob der angegriffene Beschluss des Landgerichts mit dem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse des Inhaftierten und folglich der Beschluss des Oberlandesgerichts mit Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. dazu BVerfGK 19, 157 <167>; 306 <317 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Mai 2015 - 2 BvR 1753/14 -, juris, Rn. 29 ff.) zu vereinbaren sind. Diesbezüglich bestehen Bedenken.

4

Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf das Ziel auszurichten, dem Inhaftierten ein zukünftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 116, 69 <85 f.> m.w.N.; stRspr). Besonders bei langjährig im Vollzug befindlichen Personen erfordert dies, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <277>; 98, 169 <200>; 109, 133 <150 f.>; BVerfGK 17, 459 <462>; 19, 306 <315>; 20, 307 <312>). Der Wiedereingliederung des Strafgefangenen dienen unter anderem die Vorschriften über Vollzugslockerungen (vgl. BVerfGE 117, 71 <92>). Auch einem zu lebenslanger Haft Verurteilten kann daher nicht jegliche Lockerungsperspektive mit der Begründung versagt werden, eine konkrete Entlassungsperspektive stehe noch aus (vgl. BVerfGK 9, 231 <237>; 17, 459 <462 f.>; 19, 306 <315>). Der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit dienen nicht nur Urlaub und Ausgänge, sondern auch Ausführungen (vgl. BVerfGK 17, 459 <462>; 19, 306 <315 f.>; 20, 307 <312>).

5

Bei langjährig Inhaftierten kann daher, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet und weitergehenden Lockerungen eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr entgegensteht, zumindest die Gewährung von Lockerungen in Gestalt von Ausführungen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris, Rn. 3) und der damit verbundene personelle Aufwand hinzunehmen sein (vgl. BVerfGK 17, 459 <462 f.>; 19, 306 <316>; 20, 307 <313>).

6

Dabei greift das Gebot, die Lebenstüchtigkeit des Gefangenen zu erhalten, nicht erst dann ein, wenn er bereits Anzeichen einer haftbedingten Deprivation aufweist (BVerfGK 19, 157 <165>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Mai 2015 - 2 BvR 1753/14 -, juris, Rn. 27). Ferner hat das Interesse des Gefangenen, vor den schädlichen Folgen aus der langjährigen Inhaftierung bewahrt zu werden und seine Lebenstüchtigkeit im Falle der Entlassung aus der Haft zu behalten, umso höheres Gewicht, je länger die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bereits andauert (vgl. BVerfGE 64, 261 <272 f.>; 70, 297 <315>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Mai 2015 - 2 BvR 1753/14 -, juris, Rn. 27).

7

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt seiner Antragstellung auf Ausführung seit mehr als zehn Jahren inhaftiert. Den Gründen des angegriffenen landgerichtlichen Beschlusses ist nicht zu entnehmen, dass sich das Landgericht und die Justizvollzugsanstalt, deren Ermessenserwägungen das Landgericht gebilligt hat, mit diesem Umstand befasst haben.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten

1.
nach der Zivilprozessordnung, einschließlich des Mahnverfahrens nach § 113 Absatz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit das Vollstreckungs- oder Arrestgericht zuständig ist;
2.
nach der Insolvenzordnung und dem Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung;
3.
nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung;
3a.
nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz;
4.
nach dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung;
5.
nach der Strafprozessordnung;
6.
nach dem Jugendgerichtsgesetz;
7.
nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten;
8.
nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes;
9.
nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen;
9a.
nach dem Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz;
10.
nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, soweit dort nichts anderes bestimmt ist;
11.
nach dem Wertpapierhandelsgesetz;
12.
nach dem Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz;
13.
nach dem Auslandsunterhaltsgesetz, soweit das Vollstreckungsgericht zuständig ist;
14.
für Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesgerichtshof nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sortenschutzgesetz (Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes);
15.
nach dem Energiewirtschaftsgesetz;
16.
nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz;
17.
nach dem EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetz;
18.
nach Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Neunten Teils des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen;
19.
nach dem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz;
20.
nach Abschnitt 3 des Internationalen Erbrechtsverfahrensgesetzes vom 29. Juni 2015 (BGBl. I S. 1042);
21.
nach dem Zahlungskontengesetz und
22.
nach dem Wettbewerbsregistergesetz
werden Kosten (Gebühren und Auslagen) nur nach diesem Gesetz erhoben. Satz 1 Nummer 1, 6 und 12 gilt nicht in Verfahren, in denen Kosten nach dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen zu erheben sind.

(2) Dieses Gesetz ist ferner anzuwenden für Verfahren

1.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach der Verwaltungsgerichtsordnung;
2.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach der Finanzgerichtsordnung;
3.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach dem Sozialgerichtsgesetz, soweit nach diesem Gesetz das Gerichtskostengesetz anzuwenden ist;
4.
vor den Gerichten für Arbeitssachen nach dem Arbeitsgerichtsgesetz und
5.
vor den Staatsanwaltschaften nach der Strafprozessordnung, dem Jugendgerichtsgesetz und dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten.

(3) Dieses Gesetz gilt auch für Verfahren nach

1.
der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen,
2.
der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens,
3.
der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen,
4.
der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen, wenn nicht das Familiengericht zuständig ist und
5.
der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren.

(4) Kosten nach diesem Gesetz werden auch erhoben für Verfahren über eine Beschwerde, die mit einem der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Verfahren im Zusammenhang steht.

(5) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts ... vom 23. September 2010 dahin abgeändert, dass das Hauptverfahren vor der Großen Strafkammer des Landgerichts ... eröffnet wird.

Gründe

 
I.
Mit der 91 Seiten umfassenden Anklage vom 12.06.2009, eingegangen beim Landgericht ... am 17.06.2009, beschuldigt die Staatsanwaltschaft ...die Angeklagten der gewerbsmäßigen, bei den Angeklagten Ziff. 1 bis 3 bandenmäßigen, unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels in vier, drei, zwei Fällen, im Übrigen in je einem Fall. Den Angeklagten liegt zur Last, zahlreiche Unterhaltungsspielgeräte, die keine Bauartzulassung und keine Zulassungszeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt besessen hätten, ohne Erlaubnis in den von ihnen betriebenen Spielhallen zu Geldspielgeräten umfunktioniert und hierdurch hohe Einnahmen erzielt zu haben.
Mit der Anklage erstrebt die Staatsanwaltschaft neben der Verurteilung der Angeklagten auch die Einziehung der Spielgeräte, den Verfall von sichergestelltem Bargeld und die Anordnung von Wertersatz im Gesamtbetrag von rund 4 Millionen Euro bei den Angeklagten und drei Einziehungs- und Verfallsbeteiligten.
Mit Beschluss vom 23.09.2010 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Verhandlung vor dem erweiterten Schöffengericht zugelassen. Sie ist der Auffassung, dass das Verfahren keinen besonderen Umgang i. S. von § 24 GVG aufweise, so dass eine Zuständigkeit der Großen Strafkammer nicht begründet sei.
Gegen diesen am 05.10.2010 zugestellten Beschluss hat die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde erhoben, die am 11.10.2010 beim Landgericht ... einging.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Von „besonderem Umfang" im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG ist auszugehen, wenn die Sache von den üblicherweise von den Amtsgerichten zu verhandelnden Fällen abweicht und sich deutlich aus der großen Masse der Verfahren, die den gleichen Tatbestand betreffen, heraushebt (KK-Hannich StPO 6.Aufl. § 24 GVG Rn 6b; Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 24 GVG Rn 7), wenn sie mithin wegen einer Vielzahl von Angeklagten und/oder einer Vielzahl von Zeugen, wegen besonderer Schwierigkeiten bei der Beweiswürdigung oder wegen absehbar langer Verfahrensdauer so umfangreich ist, dass sie auch durch die Zuziehung eines weiteren Richters am Amtsgericht gem. § 29 Abs. 2 GVG nicht sachgerecht bewältigt werden kann (OLG Köln NStZ-RR 2009, 117f). Dabei ist der Grundsatz, dass bewegliche Zuständigkeitsregelungen im Hinblick auf die knappen Ressourcen der Rechtspflege so auszulegen sind, dass die Zuweisung umfangreicher Fälle mit besonderen Schwierigkeiten der Beweiswürdigung und langer Verfahrensdauer an Gerichte höherer Ordnung geboten ist (Senat in StV 2003, 13f.; KG NStZ-RR 2005, 28f), zu beachten.
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist ein besonderer Umfang des Verfahrens im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Strafkammer offensichtlich gegeben.
Die gegenwärtig aus sieben Bänden bestehenden Hauptakten umfassen über 4.000 Aktenseiten. Hinzukommen ausweislich des Schlussberichts der Kriminalpolizei 19 Bände Nebenakten. Die angeklagten Taten erstrecken sich über einen Zeitraum von vierzehn Monaten. Das Verfahren richtet sich gegen fünf Angeklagte, die zu den Anklagevorwürfen entweder schweigen oder sie in Abrede stellen. Dazu kommen drei Verfalls- oder Einziehungsbeteiligte. Bei dieser Sachlage ist zu erwarten, dass die auf 28 Seiten der Anklage aufgelisteten Beweismittel in der Hauptverhandlung mindestens zu einem erheblichen Teil verwendet werden müssen. Dort sind 77 Zeugen, mehrere Sachverständigengutachten, weit über 100 Urkunden - gewerberechtliche Erlaubnisse, Handelsregisterauszüge, Kassenbücher etc. - und über 50 Augenscheinsobjekte verzeichnet. Das sichergestellte Videomaterial, das möglicherweise in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen werden muss, umfasst über 160 Stunden Aufnahmezeit. Ferner hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 17.08.2009 zu Anträgen der Verteidiger, das Verfahren vor dem Amtsgericht zu eröffnen, nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der Beweisaufnahme erforderlich sein kann, die von den 53 Spielgeräten abgespeicherten Daten in die Hauptverhandlung einzuführen und mit anderen Beweisergebnissen in Beziehung zu setzen. Von den benannten Zeugen sind vierundzwanzig in Frankreich zu laden, und es ist abgesehen von den damit möglicherweise verbundenen Verfahrensverzögerungen zu erwarten, dass ein Teil von ihnen unter Zuhilfenahme von Dolmetschern vernommen werden muss.
Bei einer zusammenfassenden vorläufigen Bewertung dieser Umstände erachtet der Senat es als durchaus wahrscheinlich, dass die Hauptverhandlung in der vorliegenden rechtlich und tatsächlich schwierigen Sache den in der Literatur gelegentlich genannten „Grenzwert“ von sechs Tagen (Heghmanns in StV 2003, 14 und DRiZ 2005, 290) um ein Vielfaches überschreiten wird. Allein die Vernehmung der Zeugen kann auch bei günstigem Verlauf ohne weiteres zehn Tage in Anspruch nehmen. Der sehr erhebliche, mehrere Tage erfordernde Einarbeitungsaufwand kommt hinzu. Ein solcher Verfahrensumfang kann bei einem Amtsgericht auch nicht durch das gemäß § 29 Abs. 2 GVG erweiterte Schöffengericht aufgefangen werden, denn das erweiterte Schöffengericht nach § 29 Abs. 2 GVG ist kein gesonderter Spruchkörper mit eigenen Personalressourcen (KK-Hannich StPO 6. Auflage § 29 GVG Rn 6). Die Bestimmung erlaubt es lediglich, im Rahmen des allgemeinen schöffengerichtlichen Dezernats bei umfangreichen Verfahren einen weiteren Richter beizuziehen. Für Verfahren mit dem hier eindeutig gegebenen besonderen Umfang verbleibt es jedoch bei der Zuständigkeit der Großen Strafkammer.
10 
Der angefochtene Beschluss war deshalb dahin abzuändern, dass die Anklage zur Verhandlung vor der Großen Strafkammer zugelassen wird.