Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Dez. 2012 - 2 BvR 166/11

bei uns veröffentlicht am19.12.2012

Tenor

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 15. Dezember 2010 - 1 Ws 553/10 (StrVollz) - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben und die Sache wird an das Oberlandesgericht Celle zurückverwiesen.

...

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Celle.

2

Die Justizvollzugsanstalt erstellte für ihn am 31. März 2010 einen Vollzugsplan, der unter anderem die Feststellung enthielt, dass eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt/Abteilung nicht geboten sei. Zur Eignung für Vollzugslockerungen wurde ausgeführt, dass Ausführungen nur zur Wahrnehmung unabweisbar notwendiger Angelegenheiten außerhalb des Vollzugs gewährt werden könnten. Hinsichtlich der Gewährung von weitergehenden Vollzugslockerungen bestünden Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr.Der Beschwerdeführer sei für Vollzugslockerungen und Urlaub gemäß § 13 NJVollzG - Ausführungen ausgenommen - im Hinblick auf die Schwere des Delikts, strafrechtliche Vorbelastung und den in der Persönlichkeit liegenden Risiken wegen Flucht- und Missbrauchsgefahr nicht geeignet.

3

Als geplanter Zeitpunkt für die nächste Fortschreibung des Vollzugsplans wurde September 2010 angegeben.

4

2. Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung, gerichtet auf die Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt, den Vollzugsplan hinsichtlich Lockerungen und Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts neu zu fassen. Die diesbezüglichen Planinhalte seien lediglich ergebnisfeststellender Art und nicht nachvollziehbar; hinsichtlich der Lockerungsungeeignetheit sei zudem von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen ausgegangen worden. Darüber hinaus sei keine ordnungsgemäße Abwägung erfolgt.

5

3. Mit Beschluss vom 24. August 2010 - dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 15. September 2010 zugegangen - wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück.

6

4. Am 8. September 2010 erging ein neuer Vollzugsplan, der dem Beschwerdeführer am 30. September 2010 ausgehändigt wurde. Die Ausführungen zur Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt und zu Vollzugslockerungen entsprachen denen im früheren Vollzugsplan vom 31. März 2010.

7

5. Am 15. Oktober 2010 erhob der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde.

8

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 15. Dezember 2010 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse bestehe nicht mehr, da sich bereits vor Einlegen der Rechtsbeschwerde der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe. Die Fortschreibung des Vollzugsplans führe zur Annahme der Erledigung der Hauptsache, und zwar unabhängig davon, ob der neue Vollzugsplan die konkret angefochtene Regelung enthalte oder nicht. Es entspreche einhelliger Auffassung, dass bei Erledigung der Hauptsache vor Einlegung der Rechtsbeschwerde dieselbe unzulässig sei. In solchen Fällen komme allenfalls die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit in Betracht. Da aber ein solcher Antrag in erster Instanz nicht gestellt worden sei, komme ein Übergang zur Feststellungsklage in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr in Betracht. Die Rechtsbeschwerde setze das Fortwirken der zu überprüfenden Entscheidung voraus; § 115 Abs. 3 StVollzG gelte für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht. Anderenfalls müsste das Rechtsbeschwerdegericht erstmals über Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrags entscheiden, was dem Wesen der Rechtsbeschwerde widerspreche und vom Beschwerdegericht, das keine tatsächlichen Feststellungen treffen dürfe, auch nicht zu leisten sei. Dem stünden auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 - und vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 - nicht entgegen. Im Verfahren 2 BvR 244/08 habe das Bundesverfassungsgericht es gerade offen gelassen, ob in Konstellationen wie der vorliegenden eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie vorliege. Im Verfahren 2 BvR 729/08 sei lediglich festgestellt worden, dass im Fall einer Fortschreibung nach der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht unzulässig werde. Im Übrigen teile das Oberlandesgericht auch nicht die Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg im Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26-28/07 u.a. -, StraFo 2007, S. 390 ff. -, dass es sich bei einem Vollzugsplan und seiner Fortschreibung um denselben Streitgegenstand handle. Zudem sei es in dieser Entscheidung um die Frage gegangen, ob die Fortschreibung des Vollzugsplans nach Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung, aber vor einer Entscheidung durch das Landgericht zur Erledigung führe. Der Entscheidung sei keine Aussage darüber zu entnehmen, ob das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg auch im hier vorliegenden Fall, in dem der Vollzugsplan nach Entscheidung des Landgerichts, aber vor Erhebung der Rechtsbeschwerde fortgeschrieben worden sei, eine Erledigung verneine.

9

7. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 Satz 1, Art. 19 Abs. 4 GG.

10

Der Rechtsweg verkürze sich in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise, wenn sich eine Rechtsbeschwerde bei einer Änderung des Vollzugsplans erledige und eine Umstellung auf ein Feststellungsinteresse nicht möglich sei. Dies habe zur Folge, dass die Justizvollzugsanstalt darüber entscheiden könne, ob sich ein Rechtsstreit erledige. Die Vollzugsplanfortschreibung sei in seinem Fall außerdem lediglich eine formale gewesen, da sie inhaltlich keine erheblichen Änderungen aufweise. Sie sei vor dem Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens geändert worden, während die Aushändigung erst nach Abschluss der ersten Instanz erfolgt sei. Das zeige, dass eine Justizvollzugsanstalt es in der Hand habe, Vollzugsplanfortschreibungen auf Vorrat zu halten und bei Gelegenheit zu übergeben.

11

8. Das Niedersächsische Justizministerium hat zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen. Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 NJVollzG sei der Vollzugsplan in Einklang mit der Entwicklung der oder des Gefangenen und weiteren Erkenntnissen zur Persönlichkeit, insbesondere der Bereitschaft, an der Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 NJVollzG mitzuarbeiten, fortzuschreiben. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG seien hierfür im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen. Da hiernach die Strafvollstreckungsbehörden kraft Gesetzes gehalten seien, bereits vor der Bekanntmachung des fortgeschriebenen Vollzugsplans die angemessene Frist zu dessen Fortschreibung festzulegen, sei die Fortschreibung des Vollzugsplanes nicht geeignet, als Instrument unzulässiger Verkürzung des Rechtsweges zu dienen. Zum Zeitpunkt der Fortschreibung des Vollzugsplans sei die Strafvollstreckungsbehörde nicht in der Lage, abzuschätzen, ob eine Gefangene oder ein Gefangener einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stelle. Aus diesem Grund treffe die Behauptung des Beschwerdeführers, die Strafvollstreckungsbehörde habe es beliebig in der Hand, den Rechtsweg zu verkürzen, nicht zu. Darüber hinaus erschienen die Umstände des vorliegenden Einzelfalles nicht geeignet, das Oberlandesgericht zu veranlassen, von seiner Rechtsprechung und der herrschenden Meinung abzuweichen. Im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen und hier im Abstand von sechs Monaten gebotenen Fortschreibung des Vollzugsplans habe die Strafvollstreckungsbehörde die Entwicklung der oder des Gefangenen und weitere Erkenntnisse zur Persönlichkeit zu berücksichtigen. Dies bedeute, dass die jeweilige Fortschreibung des Vollzugsplans grundsätzlich auf einer geänderten Tatsachengrundlage beruhe. Dies gelte auch wenn, wie hier, im fortgeschriebenen Vollzugsplan Lockerungen weiterhin verweigert würden. Eine Wiederholungsgefahroder eine gegenwärtige Beschwer durch den angefochtenen, aber zwischenzeitlich überholten Vollzugsplan vom 31. März 2010 sei nicht anzuerkennen.

12

Ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs angenommen werden. Dem Vollzugsplan vom 31. März 2010 komme eine solche fortdauernde beeinträchtigende Wirkung nicht zu, denn ihm komme - anders als dem Vollzugsplan in dem Fall, der dem Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 - zugrunde gelegen habe - keinerlei Bedeutung für die Frage der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung zu. Der Beschwerdeführer verbüße eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes, deren Mindestverbüßungsdauer bis zum 29. Mai 2017 reiche. Anschließend sei eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Vergewaltigung notiert. Es sei daher nicht ersichtlich, dass aufgrund dieser Umstände das Oberlandesgericht ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis habe annehmen müssen.

II.

13

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung(§ 93cAbs. 1BVerfGG) liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und in einem die Kammerzuständigkeitbegründenden Sinne (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) offensichtlich begründet.

14

1. Der Zulässigkeit der fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass zwischenzeitlich eine Fortschreibung des Vollzugsplans erfolgt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris). Unerheblich ist auch, dass der frühestmögliche Entlassungszeitpunkt für den Beschwerdeführer erst in etlichen Jahren erreicht sein wird, denn auch unter dieser Voraussetzung verbessert sich die Prognosebasis mit der Dauer der möglichen Bewährung in Vollzugslockerungen. Die Rechtsauffassung, die das Oberlandesgericht seinen Entscheidungen zugrundegelegt hat, gewährleistet im Übrigen auch keine wirksame Überprüfung der Vollzugsplanung für den Beschwerdeführer beim Näherrücken des möglichen Entlassungszeitpunkts (s. u. 2.b)bb); vgl. zur Bedeutung des Gesichtspunkts, dass bei gewichtigen Grundrechtsverstößen ein nach Erledigung fortbestehendes Interesse an der Gewährung verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes anzunehmen ist, wenn die direkte Belastung sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene eine verfassungsgerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann, bei angenommener Erledigung einer Vollzugsplanung BVerfG, a.a.O., m.w.N.).

15

2. Indem das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen hat, hat es dessen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.

16

a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>).

17

Der rechtsuchende Bürger muss zudem erkennen können, welches Rechtsmittel für ihn in Betracht kommt und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>; 54, 277 <292 f.>; 87, 48 <65>; 107, 395 <416>; 108, 341 <349>; BVerfGK 2, 213 <218>; 6, 72 <76>). Er darf nicht mit einem für ihn nicht übersehbaren "Annahmerisiko" und dessen Kostenfolgen belastet werden (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>; 54, 277 <293>; BVerfGK 6, 72 <76>; 16, 362 <366>).

18

Geht es um den Rechtsschutz in Strafvollzugssachen, so ist bei der Anwendung dieser Maßstäbe zu berücksichtigen, dass die Rechtsschutzsuchenden hier typischerweise nach Bildungsstand, materiellen Ressourcen und Kommunikationsmöglichkeiten für den Umgang mit den Kompliziertheiten der Rechtsordnung nicht gut gerüstet sind (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>). Wenn ein Gericht geltende Rechtsvorschriften in einer Weise auszulegen gedenkt, die für den Rechtsschutzsuchenden mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, muss es prüfen, ob hinreichend gewichtige Gründe die Erschwerung des Rechtsschutzes rechtfertigen. Nur wenn solche hinreichend gewichtigen Gründe vorliegen, kann die Erschwerung dem Rechtsschutzsuchenden zumutbar sein (vgl. BVerfGK, a.a.O.).

19

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht.

20

aa) Das Oberlandesgericht hat sich auf die Annahme gestützt, dass ein gegen eine Vollzugsplanfestsetzung gerichtetes Rechtsschutzbegehren sich mit der Fortschreibung des Vollzugsplans auch dann erledigt, wenn die angefochtene Festsetzung im fortgeschriebenen Vollzugsplan unverändert geblieben ist. Zugleich hat es angenommen, dass ein Fortsetzungsfeststellungsantrag im Verfahren der Rechtsbeschwerde (§§ 116 ff. StVollzG) nicht zulässigerweise gestellt werden kann. Während die erstere Annahme umstritten ist (a.A. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26-28/07 u.a. -, StraFo 2007, S. 390 ff.), entspricht die letztere der einhelligen obergerichtlichen Rechtsauffassung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris, m.w.N.; aus jüngerer Zeit OLG Hamm, Beschluss vom 3. März 2011 - 1 Vollz (Ws) 27/11 u.a. -, juris). Dabei wird regelmäßig angenommen, dass für den Fall des Eintritts der Erledigung im Zeitraum zwischen erstinstanzlicher Entscheidung und Einlegung der Rechtsbeschwerde diese als unzulässig zu verwerfen ist, während bei Erledigungseintritt nach Einlegung der Rechtsbeschwerde das Gericht nur noch die Erledigung auszusprechen und über die Kosten zu entscheiden hat (vgl. BVerfG, a.a.O., m.w.N.). Es bedarf keiner Entscheidung, wie diese Rechtsauffassungen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten je für sich zu beurteilen sind. Jedenfalls in ihrer Kombination führen sie zu einer erheblichen Erschwerung des Rechtsschutzes.

21

bb) (1) Als Folge des Zusammenwirkens beider Annahmen ist auch insoweit, als Vollzugspläne typischerweise nach Abschluss des erstinstanzlichen, aber vor Abschluss der zweiten Gerichtsinstanz fortgeschrieben werden, typischerweise keine obergerichtliche Sachentscheidung mehr zu erlangen. Das Korrektiv, mit dem für solche Fallgruppen von Verfassungs wegen einem systematischen Wegfall der Rechtsschutzmöglichkeit für gewichtige Grundrechtseingriffe - sei es überhaupt oder für eine an sich vorgesehene zweite Instanz - entgegenzuwirken ist, nämlich die Anerkennung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses bei typischerweise vor Rechtsschutzgewährung eintretender Erledigung (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 71 <122 f.>; zur Anwendbarkeit bei Erledigung einer Vollzugsplanfortschreibung BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris), kann infolgedessen nicht mehr greifen, weil der Zugang zur Rechtsbeschwerdeinstanz mit der dargestellten Doktrin ganz unabhängig von der Frage eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses schon auf einer früheren Ebene versperrt wird.

22

Auf eine in dem genannten Zeitraum eintretende Erledigung kann eine Justizvollzugsanstalt gezielt hinwirken, indem sie ihren Fortschreibungsrhythmus dem Ablauf etwaiger gerichtlicher Verfahren anpasst. Durch die Kombination von Rechtsauffassungen, auf die das Oberlandesgericht sich stützt, wird sie in weitem Umfang in den Stand versetzt, eine obergerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Festsetzungen im Vollzugsplan zu verhindern, weil sie es in der Hand hat, durch terminlich entsprechend platzierte Fortschreibungen des Vollzugsplans jeder Rechtsbeschwerde die Erfolgsaussicht zu entziehen, ohne der Beschwer abzuhelfen und damit implizit einzuräumen, dass die Position des Gefangenen zutreffend war. Die gesetzliche Verpflichtung, Vollzugspläne mit einer Angabe zum Zeitpunkt der Fortschreibung zu versehen (§ 9 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG; vgl. § 7 Abs. 3 Satz 2 StVollzG), steht dem angesichts der Möglichkeiten, Fortschreibungsfristen und gerichtliche Entscheidungsrhythmen aneinander anzupassen, und angesichts der Flexibilitäten, die ungeachtet der grundsätzlichen Einklagbarkeit einer gebotenen Vollzugsplanfortschreibung (vgl. Arloth, StVollzG, 3. Aufl. 2011, § 7 Rn. 12, m.w.N.) faktisch in der Umsetzung der entsprechenden Terminplanung bestehen, nur sehr begrenzt im Wege.

23

(2) Bereits die Eröffnung einer solchen Einwirkungsmöglichkeit muss - unabhängig davon, ob im Einzelfall tatsächlich ein auf Verhinderung von Rechtsschutz gerichtetes Handeln der Justizvollzugsanstalt vorliegt - erhebliche Bedenken im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG wecken (vgl. bereits BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris, Rn. 10). Da auch bei inhaltlich nicht veränderten Fortschreibungen eine Erledigung angenommen wird, kann ein Vollzugsplan im Extremfall über Jahre hinweg inhaltlich unverändert bleiben, ohne dass der betroffene Gefangene eine Chance hätte, die Sache einer obergerichtlichen Klärung zuzuführen. Damit unterscheidet sich diese Konstellation erheblich von Fällen, in denen sich die angegriffene Maßnahme dadurch erledigt, dass die Justizvollzugsanstalt dem Begehren des Gefangenen nachkommt. Sie unterscheidet sich auch von Fällen, in denen die Erledigung durch eine Maßnahme erfolgt, die der Betroffene im Grundsatz mit Aussicht auf Erfolg gerade auch unter dem Gesichtspunkt angreifen kann, dass sie - mit ihrem erledigenden Gehalt - überhaupt ergriffen wurde. Während der Gefangene sich etwa gegen eine Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt, die unter Umständen gleichfalls mit Erledigungswirkungen verbunden ist, in der Weise zur Wehr setzen kann, dass er unabhängig von deren weiteren Modalitäten die Verlegung als solche mit einem Antrag nach § 109 StVollzG angreift, wird im Fall der Erledigung durch Vollzugsplanfortschreibung ein von den Inhalten der Fortschreibung unabhängiger Angriff auf die Fortschreibung als solche in der Regel aussichtslos sein, denn mit der regelmäßigen Fortschreibung der Vollzugsplanung als solcher, unabhängig von deren Inhalten, verletzt die Justizvollzugsanstalt keine Rechte des Gefangenen, sondern erfüllt eine gesetzliche Pflicht. Die Zuschreibung einer änderungsunabhängigen Erledigungswirkung in Bezug auf Rechtsschutzanliegen, die die vorausgegangene Fassung des Vollzugsplans betreffen, begründet daher im Zusammenwirken mit der Annahme, dass § 115 Abs. 3 StVollzG nicht für das Rechtsbeschwerdeverfahren gilt, in besonderer Weise die Gefahr eines für die betroffenen Gefangenen nicht beherrschbaren systemischen Versagens der durch § 116 StVollzG grundsätzlich auch für die Vollzugsplanung eröffneten gerichtlichen Kontrolle durch die Rechtsbeschwerdeinstanz.

24

(3) Zudem ist es einem Gefangenen, vor allem unter den Bedingungen des Strafvollzuges, in denen nur eingeschränkter Zugang zu anwaltlicher Vertretung und juristischen Veröffentlichungen besteht, kaum noch möglich, zu erkennen, auf welche Weise er - auch verfassungsgerichtlichen - Rechtsschutz erlangen kann. Bei einer Vollzugsplanfortschreibung während des erstinstanzlichen Verfahrens kann er einen Fortsetzungsfeststellungsantrag noch in der ersten Instanz stellen. Verneint das Landgericht dessen Zulässigkeit, wird in der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht überprüft, ob der Fortsetzungsfeststellungsantrag zu Recht als unzulässig betrachtet wurde (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 1 Ws (Vollz) 30/11 -, juris). Ergeht die Entscheidung des Oberlandesgerichts zuungunsten des Gefangenen, kann er, sofern eine Verletzung seiner Grundrechte in Rede steht, Verfassungsbeschwerde erheben. Erfolgt die Vollzugsplanfortschreibung  , nachdem die Rechtsbeschwerde bereits anhängig gemacht wurde, entscheidet das Oberlandesgericht nur noch über die Kosten nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG (s.o. unter aa)). In diesem Zusammenhang kann bei der Entscheidung über die Kostentragung geprüft werden, ob die Rechtsbeschwerde ohne das erledigende Ereignis zum Erfolg geführt hätte, so dass zumindest mittelbar die materielle Rechtslage zu bewerten sein kann (vgl. KG, Beschluss vom 24. Juni 1981 - 2 Ws 27/81 Vollz -, StV 1982, S. 79; ohne Ausführungen zu den Erfolgsaussichten hingegen OLG München, Beschluss vom 18. November 1985 - 1 Ws 876/85 - NStZ 1986, S. 96). Auch gegen eine derartige Kostenentscheidung kann gegebenenfalls Verfassungsbeschwerde erhoben werden, sofern damit nicht in kostenrechtlicher Einkleidung mittelbar Sachfragen zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellt werden, die nach dem Verfassungsprozessrecht einer inhaltlichen Prüfung gerade nicht mehr zugänglich sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 2309/09 -, juris; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Oktober 2008 - 2 BvR 1203/07 -, juris, jew. m.w.N.). Ergeht die Vollzugsplanfortschreibung hingegen nach dem erstinstanzlichen Beschluss, aber vor Erhebung der Rechtsbeschwerde, führt nach der Kombination der Rechtsauffassungen, auf die das Oberlandesgericht sich gestützt hat, die eintretende Erledigung zu einer Auswechselung der zulässigen Rechtsbehelfe und der zugehörigen laufenden Rechtsbehelfsfristen: Die erstinstanzliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wird durch die erledigende Vollzugsplanfortschreibung unversehens zur letztinstanzlichen, gegen die nicht mehr die Rechtsbeschwerde, stattdessen nun aber, weil der Rechtsweg erschöpft ist, sogleich die Verfassungsbeschwerde zulässig ist. Allerdings wird die Frist hierfür, setzt man deren Beginn dem Wortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gemäß mit dem Zugang der anzugreifenden Entscheidung an, bei Erledigungseintritt und Kenntniserlangung von der Erledigung schon mehr oder weniger weitgehend abgelaufen sein. Ob eine derartige Einwirkungsmöglichkeit einer Behörde auf die Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen ihre eigenen Maßnahmen bereits ihrer Struktur nach die Grenze des rechtsstaatlich Hinnehmbaren - nicht zuletzt auch die Grenzen des Kafkaesken (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>) - überschreitet, kann offenbleiben. Jedenfalls stellt für den Bereich des Strafvollzuges die prozessuale Rechtslage, die sich aus der hier zu beurteilenden Dogmenkombination ergibt, unter Berücksichtigung der bei Strafgefangenen typischerweise gegebenen besonderen Schwierigkeiten im Umgang mit Kompliziertheiten der Rechtsordnung (vgl. BVerfGK, a.a.O.) eine nicht mehr hinzunehmende Erschwerung des Rechtsschutzes dar.

25

(4) Auch wenn man annehmen wollte, dass hinreichend gewichtige Gründe eine derartige mit der gewählten Auslegung des einfachen Rechts verbundene Erschwerung des Rechtsschutzes rechtfertigen könnten, ist das Oberlandesgericht jedenfalls seiner Pflicht, zu prüfen, ob derartige gewichtige, seine Auslegung rechtfertigende Gründe hier vorliegen (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>), nicht nachgekommen. Der bloße Umstand, dass eine den Rechtsschutzsuchenden weniger belastende Auslegung, weil sie mit einer Abweichung von vorhandener obergerichtlicher Rechtsprechung verbunden wäre, der zu treffenden Entscheidung nur auf dem Weg einer Vorlage nach § 121 Abs. 2 Nr. 2 GVG zugrundegelegt werden könnte, stellt keinen Sachgrund dar, der eine ansonsten nicht gerechtfertigte Erschwerung des Rechtsschutzes durch eine bestimmte Auslegung des einfachen Rechts legitimieren könnte. Die Rechtsauffassungen, aus deren Kombination sich die Erschwerung des Rechtsschutzes ergibt, im Lichte des Gewichts dieser Erschwerung zu überdenken, hätte umso näher gelegen, als sie keineswegs zwingend erscheinen (vgl. etwa zur Möglichkeit der Umstellung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag auch noch in der Revisionsinstanz BVerwG, Urteil vom 2. April 2008 - 8 C 7.07 -, LKV 2008, S. 411 <411>; BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 3 C 11.08 -, juris, Rn. 13; zu der Frage, ob dem in strafvollzuglichen Angelegenheiten die systematische Stellung des § 115 Abs. 3 StVollzG entgegensteht, OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 1977 - 1 Vollz (Ws) 37/77 -, juris).

26

c) Ob durch die angegriffenen Entscheidungen weitere Grundrechte des Beschwerdeführersverletzt worden sind - insbesondere ob ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 GG wegen Verletzung einer Vorlagepflicht (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 GVG) im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26-28/07 u.a. -, StraFo 2007, S. 390 ff., vorliegt -, kann angesichts des bereits festgestellten Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG offenbleiben.

III.

27

1. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Er ist daher gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

28

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattungberuht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Dez. 2012 - 2 BvR 166/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Dez. 2012 - 2 BvR 166/11

Referenzen - Gesetze

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Dez. 2012 - 2 BvR 166/11 zitiert 17 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93c


(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsb

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 95


(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 104


(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zuläss

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 116 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. (2) Die Re

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 121 Kosten des Verfahrens


(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind. (2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Ver

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 109 Antrag auf gerichtliche Entscheidung


(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93


(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 121


(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Revision gegen a) die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;b) die Berufungsurteile der kleinen

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 115 Gerichtliche Entscheidung


(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die na

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 7 Vollzugsplan


(1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt. (2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen: 1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,2. die Verlegung in ein

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Dez. 2012 - 2 BvR 166/11 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Dez. 2012 - 2 BvR 166/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 05. Aug. 2010 - 2 BvR 729/08

bei uns veröffentlicht am 05.08.2010

Tenor 1. Der Beschluss des Landgerichts Koblenz, Strafvollstreckungskammer Diez, vom 13. Dezember 2007 - 7 StVK 432/07 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absat
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 19. Dez. 2012 - 2 BvR 166/11.

Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 06. März 2017 - 2 Ws 731/15 Vollz

bei uns veröffentlicht am 06.03.2017

weitere Fundstellen ... Tenor 1. Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt. 2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Staatskasse zur Last.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 17. März 2014 - 2 BvR 2598/13

bei uns veröffentlicht am 17.03.2014

Tenor Der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 19. November 2013 - 50 StVK 861/13 - verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Er wird au

Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts Koblenz, Strafvollstreckungskammer Diez, vom 13. Dezember 2007 - 7 StVK 432/07 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft.

2. Der Beschluss des Landgerichts wird im genannten Umfang aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Koblenz zurückverwiesen.

3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. März 2008 - 2 Ws 52/08 (Vollz) - wird damit gegenstandslos.

4. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Vollzugsanstalt D. seit 1994 eine lebenslange Freiheitsstrafe. Im Strafurteil wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen eine die Nichtgewährung von Lockerungen betreffende Feststellung in der Fortschreibung seines Vollzugsplans.

2

1. Für den Beschwerdeführer wurde unter dem 10. Oktober 2007 eine Vollzugsplanfortschreibung erstellt, in der es zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen heißt, erst "im Anschluss" an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen", und bevor "der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden".

3

Im Einzelnen hat die Vollzugsplanfortschreibung folgenden Inhalt:

4

"Der Gefangene verbleibt weiterhin im geschlossenen Vollzug der Vollzugsabteilung B.

5

Während der Haft gelang es Herrn M., das Fachabitur erfolgreich abzuschließen (Prüfung am 26.06.2007 mit der Durchschnittsnote 2,6). Auf das Abitur aufbauend begann er nunmehr als Vollzeitstudent ein Studium (Politik und Organisation). Der Studiengang (Bachelor) dauert 3 Jahre, für den Master müsste er noch 2 Jahre länger studieren. Der Gefangene erscheint hoch motiviert noch während der Haft den Studiengang der Fernuniversität Hagen erfolgreich abzuschließen.

6

Inzwischen wurde mit Schreiben vom 16.04.2007 zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer Stellung genommen. Mit der Festlegung der Mindestverbüßungsdauer wird zum Ende des Jahres gerechnet. Erst im Anschluss daran können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen.

7

Während der Konferenz wurde nochmals auf die Stellungnahme des psychologischen Dienstes eingegangen. Darin äußerte OPR W., dass Herr M. zwar zu diszipliniertem Lebenswandel und zu zielorientierter Arbeit fähig sei, es gäbe an den Schilderungen und Darstellungen des Gefangenen eigentlich nichts, worüber ein Diagnostiker im Hinblick auf eine günstige Prognose stolpern müsste. Herr M. habe die Motive seiner Tatbegehung verstanden, Scham und Betroffenheit entwickelt, diese auch zulassen können und habe zudem neue und andere Perspektiven für ein künftiges Leben entwickelt. Er habe sich einer Psychotherapie unterzogen und sein anfangs kämpferisches Verhalten im Vollzug reflektiert und weitestgehend aufgegeben. Dennoch stellten sich beim Diagnostiker Gefühle von Zweifel und Unsicherheit ein, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen echt und authentisch waren.

8

In der Konferenz versucht Herr M. in den psychologischen Gesprächen ehrlich zu sein. Auf Nachfrage, ob er sich tatsächlich verändert hätte, gibt er an, er habe das Unrecht der Tat eingesehen und würde sich heute vom Querulantentum distanzieren.

9

Auf das Angebot, in den Wohngruppenvollzug der Vollzugsabteilung E verlegt zu werden, möchte er nur eingehen, wenn ihm eine Einzelzelle angeboten wird oder wenn er einen passenden Gefangenen für eine Gemeinschaft findet. Er begründet dies mit dem hier anvertrauten Umfeld und den eingeschränkten Sportmöglichkeiten im E-Flügel. Im Übrigen hätte er in der JVA F. ausreichend den Wohngruppenvollzug praktiziert. Dennoch ist er bereit, sich den E-Flügel persönlich vor seiner endgültigen Entscheidung anzuschauen.

10

Das Vollzugsverhalten ist weiterhin beanstandungsfrei. Innerhalb der Vollzugsabteilung wird er als ruhig und freundlich beschrieben. Er nehme an Freizeitaktivitäten (z.B. Tischtennisauswahl) teil, tätige Umschluss und kommt den Weisungen der Bediensteten nach.

11

Regelmäßig führt Herr M. Besuchsüberstellung zu seiner Schwester nach K. durch. Ansonsten pflegt er Kontakt zu seinen Eltern (I.) und einem ehemaligen Strafgefangenen.

12

Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden.

13

Unregelmäßige Urinkontrollen sind weiterhin angezeigt, auch wenn Herr M. sich bislang vom Drogenkonsum innerhalb der Anstalt distanzierte."

14

2. a) Der Beschwerdeführer stellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG). Die Ablehnung jeglicher Vollzugslockerung verletze ihn in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die pauschale Bezugnahme auf die noch nicht erfolgte Festlegung der Mindestverbüßungszeit als Grund für die Verwehrung jeglicher Vollzugslockerungen sei keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob nunmehr Vollzugslockerungen gewährt werden könnten. Es fehle an der notwendigen umfassenden Abwägung der für und gegen die Gewährung von Vollzugslockerungen sprechenden Umstände. Besonders schwer wiege, dass die Fortschreibung nicht erkennen lasse, auf welchen gesetzlichen Versagungsgrund oder auf welche Ermessenserwägungen die ablehnende Entscheidung sich stütze. Die Vollzugsanstalt habe verkannt, dass die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Urteil des Schwurgerichts nicht notwendigerweise zu einer Verlängerung der Mindestvollstreckungsdauer von 15 Jahren führen müsse. Denn auch in den Fällen, in denen das Vorliegen besonderer Schwere der Schuld durch das erkennende Gericht festgestellt wurde, müsse gemäß § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB geprüft werden, ob die besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebiete.

15

Daneben erhob der Beschwerdeführer weitere Einwände gegen die Vollzugsplanfortschreibung. Von der Darstellung dieser Beanstandungen und ihrer Behandlung durch das Landgericht wird abgesehen, da die Verfassungsbeschwerde sich hierauf nicht bezieht.

16

b) Die Vollzugsanstalt führte in ihrer Stellungnahme aus, Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil - das bei dem vom Beschwerdeführer begangenen Tötungsdelikt drei Mordmerkmale festgestellt habe - festgehalten worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer die Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beschwerdeführer in der Haft wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer weiteren Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden sei. Derzeit könne noch keine verlässliche Prognose erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Nach Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente und insbesondere des Resozialisierungsinteresses des Gefangenen sei die Vollzugsplankonferenz zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

17

c) Der Beschwerdeführer erwiderte, das Strafvollzugsgesetz lasse auch im Falle des Vollzugs lebenslanger Freiheitsstrafen bereits nach zehn Jahren Verbüßungsdauer die Gewährung von Urlaub zu. Damit habe der Gesetzgeber erkennen lassen, dass er auch bei einer weiteren zu verbüßenden Haftzeit von mindestens weiteren fünf Jahren die Gewährung einer weitreichenden Vollzugslockerung wie Urlaub für vertretbar halte. Die Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen sei unabhängig von der Frage der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung und einem in diesem Zusammenhang gegebenenfalls einzuholenden Gutachten zu treffen, zumal erfolgreich durchlaufene Vollzugslockerungen entscheidende Anknüpfungstatsachen im Rahmen der vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung seien.

18

d) Mit angegriffenem Beschluss vom 13. Dezember 2007 wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück. Der Gefangene habe keinen Anspruch auf Aufnahme bestimmter Maßnahmen in den Vollzugsplan, sondern lediglich Anspruch auf diesbezüglich ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ein Ermessensfehler sei hier - auch hinsichtlich der Gewährung von Vollzugslockerungen - nicht ersichtlich. Die Vollzugsanstalt habe unter Zugrundelegung ihrer Kenntnisse und ihrer Würdigung zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers und seines Vollzugsverhaltens Abwägungen vorgenommen, die Ermessensfehler nicht erkennen ließen.

19

Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt nicht gestützt. Vielmehr habe sie unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen eine Verlegung sprechenden Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit sowie der Entwicklung und des Verhaltens des Beschwerdeführers im Strafvollzug eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass auch positive Gesichtspunkte, die für die Gewährung von Lockerungen sprechen könnten, aufgeführt worden seien. Entscheidend seien für die Vollzugsanstalt die Persönlichkeit des Beschwerdeführers sowie der noch ausstehende Beschluss zur Mindestverbüßungszeit gewesen. Zwar habe die Vollzugsanstalt - insoweit sei den Ausführungen des Beschwerdeführers zu folgen - eine von der Festsetzung der Mindestverbüßungszeit unabhängige Gesamtabwägung der Umstände vorzunehmen. Allerdings sei auch zu beachten, dass sich die Gewährung von Vollzugslockerungen als Form der Behandlungsmaßnahme insbesondere auch als eine Entlassungsvorbereitung darstelle. Zwar könne allein der Umstand, dass der Zeitpunkt der Entlassung noch nicht absehbar sei, die Versagung von Vollzugslockerungen nicht begründen. Entscheidend träten jedoch weitere Faktoren hinzu. So sei der Beschwerdeführer während der Haft erneut straffällig geworden; auch könne die Vollzugsanstalt unter Zugrundelegung des Eindrucks, den sie durch den persönlichen Umgang mit dem Beschwerdeführer habe gewinnen können, nicht hinreichend verlässlich bewerten, inwieweit die Aufarbeitung und das Verhalten des Beschwerdeführers von Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit bestimmt seien, so dass eine verlässliche positive Prognose nicht gestellt werden könne.

20

3. Der Beschwerdeführer erhob Rechtsbeschwerde. Es fehle an einer vollständigen Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts. Die Strafvollstreckungskammer dürfe den Sachvortrag einer Seite nicht ungeprüft zugrundelegen. Diese hätte die Gefangenenpersonalakte mit der Stellungnahme des psychologischen Dienstes beiziehen müssen und Feststellungen in der Vollzugsplanfortschreibung nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Im Fall der Beiziehung der Gefangenenpersonalakte und der Stellungnahme des Psychologischen Dienstes wäre der Kammer nicht verborgen geblieben, dass in der Stellungnahme nur von einem "Graubereich des leichten Zweifels" die Rede sei und nicht von "Zweifeln daran, ob die Regungen und Gefühlsschilderungen des Antragsstellers echt seien". Ferner sei nicht nachvollziehbar, warum das Gericht davon ausgehe, dass Lockerungen vor dem Ergehen eines Beschlusses über die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht gewährt werden könnten, obwohl es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass weder für eine Flucht- noch für eine Missbrauchsgefahr Anhaltspunkte vorlägen. Die Kammer habe zudem übersehen, dass es für die ausstehende Entscheidung über eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung ganz wesentlich darauf ankomme, ob er sich bereits im Rahmen von Vollzugslockerungen bewährt habe. Die ermessensfehlerhafte Versagung von Lockerungen nehme ihm die Möglichkeit, durch erfolgreiches Durchlaufen von Vollzugslockerungen zu einer ausreichenden Bandbreite an prognostisch bedeutsamen Anknüpfungstatsachen beizutragen. Er befinde sich seit mehr als 14 Jahren in Haft. Bislang seien ihm keinerlei Lockerungen, nicht einmal Ausführungen, gewährt worden.

21

Mit angegriffenem Beschluss vom 5. März 2008 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig; die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung sei weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

II.

22

1. Mit seiner gegen den Beschluss des Landgerichts, soweit er die lockerungsbezogene Vollzugsplanfortschreibung betrifft, und gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die gerichtliche Bestätigung der auf die fehlende Festlegung der Mindestverbüßungszeit gestützten Versagung von Vollzugslockerungen verletze ihn in seinem durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Resozialisierungsinteresse. Die Strafvollstreckungskammer habe verkannt, dass der Gesetzgeber einen Zeitrahmen für die Gewährung von Vollzugslockerungen gerade nicht vorgesehen habe. Abgesehen von der in § 13 Abs. 3 StVollzG genannten Ausnahme sei die Gewährung von Vollzugslockerungen nach dem Strafvollzugsgesetz auch bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen jederzeit unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG möglich. Billigte man das Vorgehen der Justizvollzugsanstalt, so hätte dies zur Folge, dass zu lebenslanger Haft Verurteilte, bei denen die besondere Schwere der Schuld festgestellt sei, von jeglicher Vollzugslockerung - sogar von Ausführungen in Begleitung von Beamten - bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungsdauer ausgeschlossen wären. Dies sei unter Resozialisierungsgesichtspunkten unvertretbar.

23

2. Das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz hat von einer Stellungnahme abgesehen.

24

3. Der Beschwerdeführer hat mitgeteilt, dass ihm nach wie vor keine Vollzugslockerungen gewährt werden.

III.

25

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Entscheidungskompetenz der Kammer ist gegeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); die für die Entscheidung des Falles maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig (1.) und offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG (2.).

26

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde stünde es nicht entgegen, wenn zwischenzeitlich eine weitere Fortschreibung des Vollzugsplans erfolgt sein sollte. Das Rechtsschutzinteresse wäre insoweit nicht wegen Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens entfallen.

27

Nach dem Stand der fachgerichtlichen Rechtsprechung steht schon nicht fest, ob die weitere Fortschreibung eines Vollzugsplans überhaupt zur Erledigung eines gegen die vorausgegangene Fortschreibung gerichteten Rechtsschutzbegehrens führt (verneinend Hanseatisches OLG, Beschluss vom 13.Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26/07 u.a. -, juris; für die gegenteilige Auffassung vgl. Nachweise in BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Dezember 2009 - 2 BvR 244/08 -, juris).

28

Ein Rechtsschutzinteresse bestünde im Übrigen auch bei anzunehmender Erledigung fort. Dabei kann offen bleiben, ob sich dies im vorliegenden Fall bereits aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergibt (vgl. BVerfGK 8, 319 <322>). Ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ist hier jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Fortbestehens beeinträchtigender Wirkungen der angegriffenen Entscheidungen und der zugrundeliegenden vollzugsbehördlichen Maßnahme (vgl. BVerfGE 81, 138 <140>; 104, 220 <233>; 110, 77 <85 f.>) anzuerkennen. Denn für die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung kommt es unter anderem darauf an, ob eine fehlende Erprobung des Gefangenen in Lockerungen auf rechtmäßiger oder auf rechtswidriger Versagung von Lockerungen beruht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08 -, EuGRZ 2009, S. 246 <249 f.>). In diesem Zusammenhang entfaltet die ungerechtfertigte Verneinung der Lockerungseignung in einer Vollzugsplanfortschreibung eine fortdauernde beeinträchtigende Wirkung, wenn sie von den Fachgerichten als rechtmäßig bestätigt wird. Bei gewichtigen Grundrechtsverstößen ist zudem von einem auch nach Erledigung fortbestehenden Interesse an der Gewährung verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes auszugehen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine verfassungsgerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 110, 77 <86>; 117, 244 <268>; BVerfGK 11, 54 <59>; BVerfG, Beschluss der 2.Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1993 - 2 BvR 785/93 -, juris). Angesichts der Bedeutung lockerungsbezogener Entscheidungen für die Chance des Betroffenen auf Wiedererlangung der Freiheit (vgl. BVerfGE 109, 133 <165 f.>; 117, 71 <108>) steht hier ein im Sinne dieses Grundsatzes gewichtiger Grundrechtsverstoß in Rede.

29

2. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

30

a) Der Vollzug von Freiheitsstrafen ist nicht nur kraft einfachen Gesetzesrechts (§ 2 Satz 1 StVollzG), sondern von Verfassungs wegen dem Ziel der Resozialisierung verpflichtet (vgl. BVerfGE 35, 202 <235 f.>; 116, 69 <85>; stRspr).

31

Der Vollzugsplan, zu dessen Aufstellung und kontinuierlicher Fortschreibung § 7 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StVollzG die Vollzugsbehörde verpflichtet, ist zentrales Element eines am Resozialisierungsziel ausgerichteten Vollzuges (vgl. BVerfGK 1, 3 <5 f.>; 9, 231 <236>). Er dient der Konkretisierung des Vollzugsziels im Blick auf den einzelnen Gefangenen und bildet mit richtungsweisenden Grundentscheidungen zum Vollzugs- und Behandlungsablauf einen Orientierungsrahmen für den Gefangenen wie für die Vollzugsbediensteten. Dies setzt voraus, dass der Plan auf die Entwicklung des Gefangenen und die in Betracht kommenden Behandlungsansätze in zureichender, Orientierung ermöglichender Weise eingeht (BVerfGK 9, 231 <236 f.> m.w.N.). Das gilt angesichts der Verpflichtung, auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance zur Wiedererlangung seiner Freiheit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 64, 261 <271 f.>; 98, 169 <200>), auch in Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe. In diesen Fällen muss jedenfalls bei schon länger andauerndem Vollzug unabhängig davon, ob ein Entlassungszeitpunkt sich bereits konkret abzeichnet, die Vollzugsplanung besonders auch auf die Vermeidung schädigender Auswirkungen lang dauernden Freiheitsentzuges als ein wesentliches Teilelement des Resozialisierungsauftrages (vgl. BVerfGE 45, 187 <238 f.>; 98, 169 <200>) ausgerichtet sein (BVerfGK 9, 231 <237>). Die Bestimmungen über den Vollzugsplan begründen dabei eigenständige Rechte und Pflichten, die gegenüber den einzelne Vollzugsmaßnahmen betreffenden Rechten und Pflichten verselbständigt sind. Die demnach grundsätzlich gegebene Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch lockerungsbezogene Lücken oder Inhalte des Vollzugsplans besteht unabhängig davon, ob der Gefangene zuvor Lockerungen beantragt hat (vgl. BVerfGK 8, 319 <324>).

32

Erstrebt ein Gefangener Vollzugslockerungen (§ 11 Abs. 1 StVollzG), so wird er durch deren Versagung in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse berührt (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Das gilt auch für einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten. Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe finden ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; stRspr). Die Vollzugsanstalten sind mithin im Blick auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs, vor allem deformierenden Persönlichkeitsstörungen, die die Lebenstüchtigkeit ernsthaft in Frage stellen und es ausschließen, dass sich der Gefangene im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben noch zurechtzufinden vermag, im Rahmen des Möglichen zu begegnen (vgl. BVerfGE 45, 187 <238>; 64, 261 <272 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Diesem Ziel dient der in § 13 Abs. 1 StVollzG geregelte Urlaub (vgl. BVerfGE 64, 261 <273>) ebenso wie ein mit Zustimmung des Gefangenen als Lockerung des Vollzugs angeordneter Ausgang oder eine Ausführung unter Aufsicht. Vollzugslockerungen machen es dem Gefangenen möglich, nach langem Freiheitsentzug wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden. Je nach dem Erfolg dieser Orientierungssuche stellen sich die Lebensverhältnisse des Gefangenen günstiger oder ungünstiger dar. Für eine vom Gericht zu treffende Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§ 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB) spielt die Bewährung in Vollzugslockerungen ebenfalls eine entscheidende Rolle (vgl. BVerfGE 117, 71 <108>); die Chancen, zu einer günstigen Sozialprognose zu gelangen (vgl. § 57a Abs. 1 i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB), werden durch eine vorherige Gewährung von Vollzugslockerungen verbessert, durch deren Versagung aber verschlechtert (BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>, und vom 12. Juni 2002 - 2 BvR 116/02 -, juris). Lockerungen können danach nicht auf die Funktion der unmittelbaren Vorbereitung einer konkret absehbaren Entlassung beschränkt werden. Bei langjährig Inhaftierten kann es, auch wenn eine konkrete Entlassungsperspektive sich noch nicht abzeichnet, geboten sein, zumindest Lockerungen in Gestalt von Ausführungen dadurch zu ermöglichen, dass die Justizvollzugsanstalt einer von ihr angenommenen Flucht- oder Missbrauchsgefahr durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen entgegenwirkt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Die Justizvollzugsanstalt darf sich zudem nicht auf bloße pauschale Wertungen oder auf den Hinweis einer abstrakten Flucht- oder Missbrauchsgefahr im Sinne von § 11 Abs. 2 StVollzG beschränken. Sie hat vielmehr im Rahmen einer Gesamtwürdigung nähere Anhaltspunkte darzulegen, welche geeignet sind, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu konkretisieren (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>). Ob dies geschehen ist, hat die Strafvollstreckungskammer zu überprüfen (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Dezember 1997 - 2 BvR 1404/96 -, NJW 1998, S. 1133 <1134>).

33

b) Das Landgericht hat erkannt, dass nach diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nicht jegliche Lockerungsperspektive allein mit der Begründung versagt werden kann, die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer für seine Strafe stehe noch aus (vgl. auch Hanseatisches OLG, Beschluss vom 6. Oktober 1977 - Vollz (Ws) 10/77 -, ZfStrVo 1978 , S. 8; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 17. November 1988 - 3 Ws 699/88 (StVollz) -, NStZ 1989, S. 246 f., und vom 5. Juli 1993 - 3 Ws 242/93 -, StV 1993, S. 599; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 27; Lesting, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 11 Rn. 50). Es hat aber diese Erkenntnis auf den konkreten Fall nicht angewendet.

34

Die Vollzugsplanfortschreibung für den Beschwerdeführer enthielt zur Frage der Vollzugslockerungen allein zwei Aussagen, die nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben ungeeignet sind, die Versagung von Lockerungen oder eine entsprechende Vorprägung konkreter Lockerungsentscheidungen durch den Vollzugsplan zu tragen: "Erst im Anschluss daran", d.h. an die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer, "können konkrete Planungen im Hinblick auf Vollzugslockerungen erfolgen" und "Bevor der Beschluss zur Mindestverbüßungszeit nicht eingegangen ist, können keine Entscheidungen hinsichtlich der Lockerungsgewährung getroffen werden". Durch eine wohlwollende Auslegung der Vollzugsplanfortschreibung dahingehend, dass die sonstigen darin enthaltenen Erwägungen gleichfalls zur Begründung der lockerungsbezogenen Planaussage dienen sollten, konnte - unabhängig von der Frage, ob diese Auslegung noch im Rahmen des fachgerichtlichen Entscheidungsspielraums anzusiedeln wäre - dieser Begründungsmangel schon deshalb nicht behoben werden, weil sich in der Vollzugsplanfortschreibung neben zahlreichen Hinweisen auf eine positive Entwicklung nicht eine einzige Feststellung findet, die auch nur in der Tendenz geeignet wäre, eine fehlende Lockerungseignung des Beschwerdeführers zu begründen.

35

Allerdings hatte die Vollzugsbehörde im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer ergänzende Ausführungen gemacht: Lockerungen orientierten sich auch am voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, zumal im Strafurteil festgestellt worden sei, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren deutlich überschritten werden müsse. Zwar habe der Beschwerdeführer seine Taten zwischenzeitlich mit Hilfe des psychologischen Dienstes aufgearbeitet, am Anti-Gewalt-Training teilgenommen und das Abitur erreicht sowie ein verbessertes Vollzugsverhalten gezeigt. Dennoch müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne. Hinzu komme die in der Haftzeit erfolgte strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einer Betäubungsmittelstraftat. Eine verlässliche Prognose könne derzeit noch nicht erstellt werden. Fraglich sei zudem, inwieweit vor der Gewährung von Vollzugslockerungen noch ein externes Gutachten erforderlich werde. Erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer könne die Lockerungseignung geprüft werden. Die erfolgte Abwägung aller für und gegen den Beschwerdeführer sprechenden Argumente, insbesondere seines Resozialisierungsinteresses, habe daher zu dem Ergebnis geführt, dass die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht angezeigt sei.

36

Es kann offen bleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit es sich hier um ein im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen handelte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. August 1996 - 1 Vollz (Ws) 83/96 -, StV 1997, S. 32 f.; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Auflage 2008, § 11 Rn. 18; Kamann/Volckart, in: Feest, AK-StVollzG, 5. Auflage 2006, § 115 Rn. 53; Schuler, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, § 115 Rn. 4 m.w.N. aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung). Denn jedenfalls beruht auch die nachgeschobene Begründung nicht auf der von Verfassungs wegen gebotenen Gesamtwürdigung der für die Frage der Lockerungseignung erheblichen Umstände (vgl. BVerfGE 64, 261 <277>; 70, 297 <312 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 <431>), sondern auf der unhaltbaren Annahme, dass über die Lockerungseignung des Beschwerdeführers erst nach Festlegung der Mindestverbüßungsdauer befunden werden könne. Mit den Behauptungen, es müsse der Beschluss über die Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden, bevor über Vollzugslockerungen entschieden werden könne, und erst "nach Eingang der festgelegten Mindestverbüßungsdauer" könne "die Lockerungseignung geprüft werden", hat die Justizvollzugsanstalt in ihrer Stellungnahme nicht nur an der unzutreffenden ursprünglichen Begründungserwägung festgehalten, sondern zugleich in aller Deutlichkeit bekundet, dass entgegen ihrer Behauptung, es sei eine umfassende Abwägung erfolgt, die erforderliche nähere Prüfung der Lockerungseignung noch gar nicht stattgefunden hatte. Das damit eingestandene Prüfungs- und Abwägungsdefizit springt im Übrigen auch insofern ins Auge, als sich die Stellungnahme mit keinem Wort zu der Frage verhält, weshalb nicht ungeachtet etwaiger Prognoseunsicherheiten die Lockerungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 StVollzG dadurch gewährleistet werden können, dass Ausführungen mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen vorgesehen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2008 - 2 BvR 719/08 -, juris). Nachdem der Beschwerdeführer längst die Haftdauer überschritten hatte, jenseits derer einem zu lebenslanger Haft Verurteilten nach § 13 Abs. 1, 3 StVollzG sogar Urlaub aus dem geschlossenen Vollzug gewährt werden kann, waren Feststellungen dazu offensichtlich nicht entbehrlich.

37

Die Erwägungen, mit denen das Landgericht den lockerungsbezogenen Inhalt der Vollzugsplanfortschreibung dennoch unbeanstandet gelassen hat, gehen an diesen Mängeln der angefochtenen Maßnahme der Justizvollzugsanstalt vorbei und sind auch sonst nicht nachvollziehbar. Das Landgericht hat angenommen, Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr lägen beim Beschwerdeführer nicht vor; auf Flucht- oder Missbrauchsgefahr habe sich die Vollzugsanstalt auch nicht gestützt. Unter dieser Voraussetzung konnte die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, Lockerungen vollzugsplanerisch jedenfalls bis zur Festsetzung der Mindestverbüßungszeit auszuschließen, nur auf der Grundlage einer Ermessensausübung dahingehend, dass Lockerungen unabhängig von den Versagungsgründen nach § 11 Abs. 2 StVollzG nicht zu gewähren seien, Bestand haben (vgl. zur Zulässigkeit rein ermessensbasierter Versagung von Vollzugslockerung statt vieler Arloth, StVollzG, 2. Auflage 2008, § 11 Rn. 3, 12; Ullenbruch, in: Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 26). Dass die Justizvollzugsanstalt eine Ermessensentscheidung in diesem Sinne getroffen habe, hat das Landgericht offenbar auch angenommen. Zu deren Rechtfertigung wären aber, voraussetzungsgemäß, von der Frage des Vorliegens einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr unabhängige Ermessensgründe erforderlich gewesen. Tragfähige Gründe dieser Art hat das Landgericht nicht festgestellt; sie waren - ganz abgesehen von den Grenzen des zulässigen Nachschiebens von Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren - auch weder in der Vollzugsplanfortschreibung noch in der behördlichen Stellungnahme zum Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung aufzufinden. In der behördlicherseits angeführten Begründung, dass zunächst die Festlegung der Mindestverbüßungsdauer abgewartet werden müsse, offenbarte sich vielmehr je nachdem, ob dies als Rechts- oder als Ermessenserwägung aufzufassen war, ein Ermessensnichtgebrauch oder -fehlgebrauch.

IV.

38

1. Der Beschluss des Landgerichts beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Er ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben, soweit er die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 10. Oktober 2007 getroffene Feststellung zur Frage der Gewährung von Vollzugslockerungen betrifft. Die Sache ist insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts, das allein in dieser Frage mit der Rechtsbeschwerde angerufen war, wird damit gegenstandslos.

39

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt.

(2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen:

1.
die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
2.
die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt,
3.
die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen,
4.
den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung,
5.
die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung,
6.
besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen,
7.
Lockerungen des Vollzuges und
8.
notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

(3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen.

(4) Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, ist über eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt jeweils nach Ablauf von sechs Monaten neu zu entscheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(1) Gegen die gerichtliche Entscheidung der Strafvollstreckungskammer ist die Rechtsbeschwerde zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(3) Die Rechtsbeschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 114 Abs. 2 gilt entsprechend.

(4) Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Beschwerde entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(1) In der das Verfahren abschließenden Entscheidung ist zu bestimmen, von wem die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen sind.

(2) Soweit der Antragsteller unterliegt oder seinen Antrag zurücknimmt, trägt er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen. Hat sich die Maßnahme vor einer Entscheidung nach Absatz 1 in anderer Weise als durch Zurücknahme des Antrags erledigt, so entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen nach billigem Ermessen.

(3) Bei erstinstanzlichen Entscheidungen des Gerichts nach § 119a fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Absatz 2 Satz 2 gilt nicht im Falle des § 115 Abs. 3.

(4) Im übrigen gelten die §§ 464 bis 473 der Strafprozeßordnung entsprechend.

(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den §§ 109ff. kann auch ein den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 2 übersteigender Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen werden.

(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, so wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, daß der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.

(2) War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich.

(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlaß des Hoheitsaktes erhoben werden.

(4) Ist ein Gesetz vor dem 1. April 1951 in Kraft getreten, so kann die Verfassungsbeschwerde bis zum 1. April 1952 erhoben werden.

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Revision gegen
a)
die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;
b)
die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammern;
c)
die Urteile des Landgerichts im ersten Rechtszug, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird;
2.
der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundesgerichtshofes begründet ist;
3.
der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach den § 50 Abs. 5, §§ 116, 138 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes und der Jugendkammern nach § 92 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes;
4.
des Einwands gegen die Besetzung einer Strafkammer im Fall des § 222b Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung.

(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung

1.
nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung,
2.
nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977 ergangenen Entscheidung,
3.
nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung oder
4.
nach Absatz 1 Nummer 4 von einer Entscheidung
eines anderen Oberlandesgerichtes oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

(3) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung die Entscheidungen nach Absatz 1 Nr. 3 einem Oberlandesgericht für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.

(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.

(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Revision gegen
a)
die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;
b)
die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammern;
c)
die Urteile des Landgerichts im ersten Rechtszug, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird;
2.
der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundesgerichtshofes begründet ist;
3.
der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach den § 50 Abs. 5, §§ 116, 138 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes und der Jugendkammern nach § 92 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes;
4.
des Einwands gegen die Besetzung einer Strafkammer im Fall des § 222b Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung.

(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung

1.
nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung,
2.
nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977 ergangenen Entscheidung,
3.
nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung oder
4.
nach Absatz 1 Nummer 4 von einer Entscheidung
eines anderen Oberlandesgerichtes oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

(3) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung die Entscheidungen nach Absatz 1 Nr. 3 einem Oberlandesgericht für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.