Oberlandesgericht Köln Beschluss, 27. März 2015 - 7 VA 1/15
Gericht
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens 1 Js 1128/14 gestellten Antrag der Staatsanwaltschaft Aachen auf Einsicht in die Betreuungsakte Amtsgericht Aachen – Az. 71 XIV 3296.L – nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
Der Gegenstandswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
G R Ü N D E
1I.
2Die Staatsanwaltschaft Aachen führt ein Ermittlungsverfahren – 1 Js 1128/14 – gegen die Betroffene I. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens beantragte die Staatsanwaltschaft Aachen am 19.09.2014 bei dem Amtsgericht Aachen Einsicht in das für die Betroffene bei dem Amtsgericht Aachen – 71 XIV 3296.L – geführte Betreuungsverfahren. Mit Schreiben vom 29.09.2014 lehnte der zuständige Abteilungsrichter die Aktenversendung ab unter Verweis auf die für einen Antrag auf Akteneinsicht seiner Auffassung zufolge zuständige Direktorin des Amtsgerichts, an welche der Antrag zu richten sei. Der nachfolgende Antrag der Staatsanwaltschaft vom 15.10.2014 auf Akteneinsicht an die Direktorin des Amtsgerichts Aachen wurde dort mit Verfügung vom 28.10.2014 wiederum dem Richter der Betreuungsabteilung zugeleitet mit der Bitte, „das Gesuch der StA Aachen … in eigener Zuständigkeit zu bearbeiten“. Mit Bescheid vom 07.01.2015 lehnte der fragliche Abteilungsrichter des Betreuungsgerichts die Akteneinsicht unter Berufung auf seine Unzuständigkeit ab und verwies unter Bezugnahme auch auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats auf die Zuständigkeit der Direktorin des Amtsgerichts Aachen.
3Mit ihrem am 11.02.2015 eingegangenen Antrag vom 05.02.2015 hat die Antragstellerin Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff EGGVG gestellt. Auf Hinweise des Senats hat die Antragstellerin klargestellt, dass sich ihr Begehren (nur) gegen die Direktorin des Amtsgerichts Aachen richtet mit dem Antrag, diese zu verpflichten, der Staatsanwaltschaft Aachen zu dem Ermittlungsverfahren 1 Js 1128/14 Akteneinsicht in die für die Frage der Schuldfähigkeit relevanten Bestandteile der Betreuungsakte 71 XIV 3296.L zu gewähren.
4Die Antragsgegnerin hält an ihrer Auffassung fest, dass für die Gewährung von Akteneinsicht im Wege der Amtshilfe in einem laufenden Verfahren der befasste Abteilungsrichter zuständig sei.
5Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachstands wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Akten Amtsgericht Aachen – 71 XIV 3296.L – und Staatsanwaltschaft Aachen – 1 Js 1128/14 - Bezug genommen.
6II.
7Der Antrag ist als Verpflichtungsantrag nach § 23 Abs. 2 EGGVG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
81.
9Der Senat folgt, worauf er bereits hingewiesen hat, in ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12.02.2013 – 7 VA 8/12 – und vom 02.12.2013 – 7 VA 2/13) der herrschenden Meinung (vgl. Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, 2. Aufl., § 13, Rn. 19; Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 13, Rn. 47 u. 73; Musielak/Borth, Familiengerichtliche Verfahren, 1. und 2. Buch, 3. Aufl., § 13, Rn. 1; Bahrenfuss in Bahrenfuss, FamFG, § 13, Rn. 9; OLG Hamm v. 7.10.2008 - 15 VA 7-9/08, FamRZ 2009, 806; BayObLG FamRZ 1998, 438), wonach der – wie hier – von einer nicht am Verfahren beteiligten Behörde gestellte Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sich als Amtshilfeersuchen gemäß Art. 35 Abs. 1 GG darstellt, über das der Vorstand des Gerichts, im Streitfall mithin die Direktorin des Amtsgerichts Aachen, zu entscheiden hat. Denn bei der Gewährung von Akteneinsicht an andere Behörden in laufenden Verfahren aufgrund von Amtshilfe handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt und nicht um richterliche Tätigkeit, wie nunmehr auch ausdrücklich in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 02.12.2014 – 1 BvR 3106/09 – (zitiert nach juris, dort Tz. 21) festgestellt.
10Unerheblich ist, dass das Präsidium des Amtsgerichts Aachen mit Beschluss vom 23.10.2014 - der jedenfalls inzwischen als überholt anzusehenden Mindermeinung in Rechtsprechung und Literatur noch folgend - die Entscheidung über Akteneinsichtsgesuche von Behörden grundsätzlich dem jeweiligen Abteilungsrichter zugewiesen hat. Soweit eine Delegation der Entscheidungsbefugnis in Betracht kommt, kann diese jedenfalls nicht von dem für Verwaltungsaufgaben der hier fraglichen Art unzuständigen Präsidium eines Gerichts wirksam angeordnet werden.
11Da die Antragsgegnerin es pflichtwidrig unterlassen hat, in eigener Zuständigkeit über den an sie gerichteten Akteneinsichtsantrag zu entscheiden, war sie nunmehr nach Maßgabe des Tenors hierzu zu verpflichten.
122.
13Für die Kosten gilt § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 GNotKG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
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(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.
(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.
(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben.
(1) Soweit bundesrechtlich nichts anderes bestimmt ist, werden Kosten (Gebühren und Auslagen) durch die Gerichte in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und durch die Notare für ihre Amtstätigkeit nur nach diesem Gesetz erhoben.
(2) Angelegenheiten im Sinne des Absatzes 1 sind auch
- 1.
Verfahren nach den §§ 98, 99, 132, 142, 145, 258, 260, 293c und 315 des Aktiengesetzes, - 2.
Verfahren nach § 51b des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, - 3.
Verfahren nach § 26 des SE-Ausführungsgesetzes, - 4.
Verfahren nach § 10 des Umwandlungsgesetzes, - 5.
Verfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz, - 6.
Verfahren nach den §§ 39a und 39b des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes über den Ausschluss von Aktionären, - 7.
Verfahren nach § 8 Absatz 3 Satz 4 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie, - 8.
Angelegenheiten des Registers für Pfandrechte an Luftfahrzeugen, - 9.
Verfahren nach der Verfahrensordnung für Höfesachen, - 10.
Pachtkreditsachen nach dem Pachtkreditgesetz, - 11.
Verfahren nach dem Verschollenheitsgesetz, - 12.
Verfahren nach dem Transsexuellengesetz, - 13.
Verfahren nach § 84 Absatz 2 und § 189 des Versicherungsvertragsgesetzes, - 14.
Verfahren nach dem Personenstandsgesetz, - 15.
Verfahren nach § 7 Absatz 3 des Erbbaurechtsgesetzes, - 16.
Verteilungsverfahren, soweit sich die Kosten nicht nach dem Gerichtskostengesetz bestimmen, - 17.
Verfahren über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Willenserklärung und die Bewilligung der Kraftloserklärung von Vollmachten (§ 132 Absatz 2 und § 176 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), - 18.
Verfahren über Anordnungen über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten, - 19.
Verfahren nach den §§ 23 bis 29 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz, - 20.
Verfahren nach § 138 Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes und - 21.
gerichtliche Verfahren nach § 335a des Handelsgesetzbuchs.
(3) Dieses Gesetz gilt nicht in Verfahren, in denen Kosten nach dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen zu erheben sind. In Verfahren nach der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen werden Kosten nach dem Gerichtskostengesetz erhoben.
(4) Kosten nach diesem Gesetz werden auch erhoben für Verfahren über eine Beschwerde, die mit einem der in den Absätzen 1 und 2 genannten Verfahren im Zusammenhang steht.
(5) Soweit nichts anderes bestimmt ist, bleiben die landesrechtlichen Kostenvorschriften unberührt für
- 1.
in Landesgesetzen geregelte Verfahren und Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie - 2.
solche Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen nach Landesgesetz andere als gerichtliche Behörden oder Notare zuständig sind.
(6) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.
(1) Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro.
(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist von einem Geschäftswert von 5 000 Euro auszugehen.
(4) Wenn sich die Gerichtsgebühren nach den für Notare geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Notare geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden. Wenn sich die Notargebühren nach den für Gerichte geltenden Vorschriften bestimmen, sind die für Gerichte geltenden Wertvorschriften entsprechend anzuwenden.